Pilgerfahrt Durch dunkle Grabzypressen haucht Geheimnisvolles Raunen; Aus weißen Fliederdolden taucht Der Mond mit scheuem Staunen. Und sieh, vom frischen Grabe Hebt sich der Marmelstein, Die Höhlung klafft/ ein bleicher Mann Ersteht im Silberschein. An seine wirre Stirne greift Der Tote schlummertrunken; Und wie sein Blick die Tafel streift, Da stutzt er, bohrt versunken Das Aug in seine Grabschrift Und starrt/ bis an sein Ohr Ein Hahnenschrei vom Dorfe gellt; Da fährt er jäh empor. Zum Dörflein heimwärts will er gehn/ Wie ehedem/ und zaudert Und bleibt am Friedhofzaune stehn, Von fremder Scheu durchschaudert: »O Pilger, laß, was drüben liegt, Wo sattsam du gegangen! Auf neuen Pfaden weide Geläutertes Verlangen!« Bei Büschen, Hügeln, Dorf und Au Verweilt sein Aug mit Grüßen, Ade! und schwimmt in Tränentau. Und wie er nun dem süßen Trostliede lauscht der Nachtigall, Da sucht er eine Gruft Und küßt von weißer Rose Erinnerungsvollen Duft. »Zur Rüste, Pilger! Was so schwer Dir lastet auf dem Herzen, Tu ab von dir! und schürfe leer Dein Herz von Schutt und Erzen! Was du gelebet/ Schutt und Erz/ Sei nun gerecht gerichtet Und hier auf deiner Tafel, Zwei Hüglein, aufgeschichtet!« Er wiegt das Haupt in stummem Weh/ Das gilt dem Schlackenhügel. Doch aus dem andern, rein wie Schnee, Formt er zwei Schwanenflügel; Die fügt er an die Schultern Und spannt sie breit und hehr, Ein kühner Weltensucher/ Hinaus zum Sternenmeer.