Fünfter Gesang Muse, lass' uns nunmehr aus unterirdischen Reichen Wieder zur Oberwelt kehren! Und wenn du mit goldener Leier Mir die einsamen Stunden versüßt, und wenn dich Rosaura Mit holdseligem Beifall beehrt, so höre gelassen, Was der tiefgelehrte Pedant, das spitzige Fräulein, Oder der Duns in der Knotenperücke zum Hohne dir sagen. Conrad hatte nunmehr das Mausoleum des Katers Mit der letzten Erde bedeckt. Er hob nun den Spaten Auf die breiten Schultern, und ging, stillschweigend und feiernd, Ueber den Edelhof weg. So wenden sich Todtengräber Langsam feierlich wieder zurück, wenn unter dem Beileid Christlicher Juden und Wechsler ein reicher Geizhals verscharrt ist. Ihn sah über den Hof Rosaura; da stiegen ihr Thränen In die himmlischen Augen; sie rührten den ehrlichen Raban, Und er begleitete sie mit seinem zärtlichen Mitleid. Endlich brach Rosaura das traurige Schweigen und sagte: Geh' nun hin, getreue Lisette, bezahle den Gärtner Für den letzten dem Cyper erwiesenen Dienst, und befiehl ihm Veilchen zu pflücken, damit ich sein Grab mit Blumen bestreue! Also Rosaura; darauf nahm sie den Hut und stieg mit dem Onkel Ueber den Hof. – Am Graben der Burg stehn heilige Linden Mit den dicken waldigen Wipfeln bei zackigen Tannen. Ihre Wurzeln waschen beständig die silbernen Wellen, Und ein höheres Grün belebet die saftigen Zweige. In der Mitte strecket ihr Haupt die größte von allen Stolz zu den Wolken empor; es wohnen die Vögel des Himmels Im ehrwürdigen Baum, der fast den Augen ein Wald scheint. Ein erfrischender Balsamgeruch von Thymiansbüschen Und Lavendel herrschet allhier; und über dem Rasen Blitzen viel tausend gesternte Ranunkeln und schimmernde Blumen, Welche die wilde Natur, die Kunst zu beschämen, hervorbringt. Hier lag Murner am Fuß der großen Linde verscharret; Angenehm war sein einsames Grab von Bäumen umschattet, Gleich den Gräbern der Alten, die nicht mit Leichengerüchen Ihre Tempel erfüllt, und todt noch Seuchen erweckten. Bei dem Grabe standen Rosaura, der Onkel, mit ihnen Conrad, Lisette, nebst Herrmann, dem Jäger. Die holde Rosaura Nahm zwei Hände voll Veilchen, und streute sie über das Grabmal Ihres geliebten Cypers. Da nahm der Jäger sein Jagdhorn, Wie der gehörnete Mond gestaltet, von männlichen Schultern, Und fing an mit kläglichem Ton in die Haine zu blasen, Wie nach Jägers Gebrauch der todte Hase beklagt wird. Alle Hunde wurden d'rauf laut; auch kamen die Katzen Auf den Dächern des Schlosses zusammen, und heulten erbärmlich Ueber den Tod des treuen Gefährten, da Ratten und Mäuse Heimlich jauchzten und Festtage hielten, daß Cyper gefallen. Endlich wandte Rosaura sich von dem Grabe; sie sprach noch, Als sie ging: So ruhet denn sanft im Schatten der Linden, Werthe Gebeine des Cypers! O, daß nicht die Musen die Stirne Mir mit Lorbeer gekrönt, und daß nicht hier in dem Dorfe Jemand die Sprache der Götter gelernt; sonst sollte dein Name, Zu den Sternen erhöht, den spätesten Zeiten noch werth seyn. So das Fräulein, und kehrte zurück nach ihren Gemächern. Fama begab sich indeß mit ihrer hellen Posaune Durch das Dorf, und ließ sich herab zum Hause des Küsters, Welcher mit majestätischem Ernst die Jugend des Dorfes Vor sich sah. Mit lautem Geschrei und stammelnder Zunge Wiederholen sie oft die schweren Versuche zum Lesen. Ihm naht sich die Göttin und spricht: Du Liebling Apollo's, Schweigst du jetzt bei'm Tode des Cypers des gnädigen Fräuleins Und versäumst nachlässig, unsterblichen Ruhm zu erlangen? Gab die Natur dir umsonst die Wundergabe zu reimen, Neujahrswünsche zu machen, mit mancher poetischen Inschrift Häuser und Scheuern zu zieren? Und jetzo wolltest du zaudern, Einen klingenden Vers dem Cyper zu Ehren zu machen? Also goß sie den dicht'rischen Trieb in die Seele des Küsters, Der sich erhob vom krachenden Thron, aus Binsen geflochten. Und sogleich der lärmenden Schule die Freiheit ertheilte. Wie die Heerde geschwätziger Gänse, vom Schießhund gejaget, Mit Geschrei über die Lüfte sich hebt, und über dem Dorfteich In das sichre Schilf sich rettet, so drangen die Knaben Jauchzend aus ihrem dumpfigen Kerker und liefen zum Spielplatz, Wo mit Jubelgeschrei der elastische Ball in die Luft stieg. Aber der Küster steckte die Fasces des wichtigen Lehramts, Seine birkene Ruth' und den Stock, an das schwitzende Fenster. Jetzo war er allein. Er nahm die zaub'rische Feder, Zog an der Stirne schreckliche Runzeln, verkehrte die Augen, Und fing an mit tiefen Gedanken auf Reime zu sinnen. Dreimal schmiß er die Feder halb aufgefressen zur Erde, Dreimal beschwor er die Muse und seinen getreuesten Hübner. Endlich sprang er freudenvoll auf und las mit Entzücken Den erstaunenden Wänden die herrliche Grabschrift der Katze. Muse! dir ist nichts verhüllt, erzähle der Nachwelt die Grabschrift, Wenn dein freierer Vers nicht vor den Reimen zurückbebt. Also lautete sie: Hier liegt ein Kater der schönsten Art, Der Cyper von Fräulein Rosauren zart. Zu seinen Ehr'n hat dieses gestellt Der Küster Martin Schinkenfeld. Als er nunmehr auf Papier, mit Todtenköpfen gezieret, Diese Reime gemalet und seine Perücke gekämmet, Ging er voll Hochmuth zum Schloß und überreichte Rosauren Feierlich seine Geburt mit krummem, scharrendem Fuße. Lächelnd nahm Rosaura die Grabschrift und sagte: Herr Küster, Dieses werde dem Cyper zu Ehren in Marmor geätzet, Als ein ewiges Denkmal sein frühes Grab zu bedecken. Ihm, dem Dichter, sollen zwei Lüneburgische Rosse, Welche, noch neu, im Silbergewölk die Nasen erheben, Seine Mühe versüßen. So sprach sie, und schickte den Jäger Nach dem Steinmetz, welcher die Grabschrift mit künstlichem Griffel Auf den adrischen Marmor schrieb. Er liegt nun auf ewig Ueber der Gruft; der gefällige Fremde betrachtet ihn oftmals; Und der neugierige Wand'rer erzählt in fernen Provinzen Von dem redenden Stein. So steigt der Name des Cypers Zu den Sternen hinauf und reicht in die fernesten Zeiten.