Auf einen in der Arzeney erhaltenen Doctor-Hut 1735. Ode. Wie? irr ich? mag das Alterthum, Und die mit Silber-Haaren prangen, Die Wissenschaften und den Ruhm Nur einzig und allein zum Eigenthum erlangen? Soll denn Hygäens zarter Sohn Die Wissenschaft nicht auch erforschen können? Ist ihn nicht gleicher Rang zu gönnen? So wahr Eugen stets siegt! so wahr als Carlos Thron Und Wien den Schutz-Gott in sich fassen! So wahr muß man dieß Recht auch jungen Aerzten lassen. Man saget zwar: Ein graues Haupt Wächst mit den Jahren auch an Wissen, Und was so mancher Sinn nicht glaubt, Das zeigt sein kluger Mund in Rathen und in Schlüssen. Sein Amt ziert die Bedachtsamkeit, Er sorgt mit Fleiß den Schaden zu bekämpfen, Zu hindern, wehren und zu dämpfen; Daher so Gunst als Glück ihm stets die Hände beut; Ja, man ergiebt sich ihm in allen, Und läßt sich seinen Rath und Führung wohlgefallen. Die Wissenschaft pflegt ordentlich Den Ehren-Herold abzugeben; Drum muß, (die Weisheit steigt durch sich,) Ein solch erfahrnes Haupt in hohen Ansehn schweben. Ein solcher schwingt sich nach und nach Mit seinem Fuß auf größre Ehren Spitzen, Man sieht ihn neben Fürsten sitzen; So, daß er noch zuletzt das finstere Gemach Mit viel und grossen Ruhm erlanget, Und als ein weiser Mann auch noch im Grabe pranget. Hingegen heists: hat Mevius, Der noch nicht zweymahl funfzehn träget, Die Kräuter, jeden Spiritus, Den ganzen Krankheits-Schwarm erforscht und überleget? Nein, nein, er hat noch nicht genug Hygäens Reich und Schulen durchgegangen, Und ihr nach Würden angehangen. Wer will sich ihm vertraun? Die Welt wär ja zu klug, Wenn sie sich recht mit Fleiß betröge, Und einen jungen Arzt in Noth zu Rathe zöge. In Bärten wird wohl ohne Streit Mehr Witz und mehr Erkäntniß stecken; Und folglich muß das Ehren-Kleid Auch nur den kalten Leib betagter Männer decken. Nur ächte Kämpfer kriegen Lohn, Und Streiter, die, so stark sie nur vermochten, Vor andrer Wohl und Glück gefochten, Die tragen Ruhm und Lob und Würdigkeit davon. So, wie ein Unterscheid in Gaben; So muß das Alterthum auch einges Vorrecht haben. Gemach! gemach! dieß harte Wort Lauft der Erfahrung stracks zuwider. Wie mancher Grau-Kopf hier und dort Ist am Verstand ein Kind, und hat doch starre Glieder. Dieß ist wohl wahr, das Alterthum Ist oftermahls durch Ubung weit gekommen, Und hat viel gutes wahrgenommen. Doch daraus folget nicht, daß sich um gleichen Ruhm Nicht auch ein muntrer Kopf bewürbe, Und wohl so jung als klug, und auch in Ehren stürbe. Das Alter wird zum Forschen schwach, Zur Arbeit mat und oft verdrossen, Kein frischer Saft, kein Lebens Bach Kommt in den todten Geist, zur neuen Kraft geflossen. Fleiß und Geschicklichkeit verfliegt, Und ruft man ihn aus Noth zum Kranken-Bette; So seufzt er: Wenn ich Kräfte hätte! Ich kan nicht, weil mich nun die Schwachheit selbst besiegt. Beschaut die abgezehrten Knochen, Des Leibes fester Bau ist leider! nun zerbrochen. Dergleichen kennt die Jugend nicht; Die Geister sind belebt und munter; Hygäens Dienst wird treu verricht; Es geht an keinem Tag das grosse Welt-Licht unter: Man habe denn mit Vorbedacht, (Wenn andre sich durch Thorheit kenntbar machen.) In der Natur und andern Sachen Manch neues Wunderwerk ersehn und vorgebracht. Ein Jüngling hat in wenig Stunden Oft mehr als mancher Greis, dieweil er lebt, erfunden. Es ist dem Herrn der Creatur Auch niemahls in den Sinn gekommen, Daß er zu Priester der Natur Der grauen Häupter Zahl nur schlechthin angenommen. Nein, nein, sich läßt sein freyer Geist Nicht an die Zeit und an die Jahre heften; Er macht zu gleichen Amts-Geschäften Das junge Blut geschickt; So, daß es stetig heist: Der Herr und Geber aller Gaben, Läßt nicht sein theures Pfund in junger Brust vergraben. Man wendet zwar darwider ein, Die Jugend ließ die Zeit verstreichen: Allein, wer wird so thöricht seyn, Und jedes junge Haupt der tollen Brut vergleichen? Wer klug ist, der erkauft die Zeit, Und hält so gar die Stunden vor verlohren, Da er kein gutes Werk gebohren. Durchwandert manch Athen, und fraget nah und weit, Ich weiß, ihr werdt die Nachricht hören: Es giebt nicht wenige, die Kunst und Weisheit ehren. Deswegen krieget auch ihr Fleiß Und ihr Bemühen Lorber-Kronen; Die Ehre suchet ihren Schweiß, So viel nur möglich ist, mit Hoheit zu belohnen. Durchsucht ein Reich, beseht ein Land, Ihr werdet da viel muntre Füsse sehen, Die in dem Ehren-Tempel stehen. Hier macht sie Thesium, dort Selemin bekannt, Hier will sie Leseminum schmücken, Dort sucht sie Lirium dem Kayser zuzuschicken. Jedoch, was wolt ihr ferne gehn? Eilt nur nach Erfurts Phöbus-Tempel; Da könnt ihr heute Wunder sehn; Da zeigt sich abermahls ein herrliches Exempel: Daß Jugend Kunst und Weisheit schätzt. Drum führet auch die grosse Meditrine Ihr Kind auf diese Ehren-Bühne, Dem sie den Doctor-Hut auf seine Schläfe setzt: Ihr zarter Kuß soll ihn bedienen. So muß durch Wissenschaft und Ruhm die Jugend grünen. Wo aber bleibet meine Pflicht An deinem hohen Ehren-Feste? Der Abtrag ist schon eingericht. Die Ehre führe dich beständig auf das Beste. Das Glücke weiche nicht von dir; Der Lebens-Fürst und Seegens-Herr der Fluren, Der benedeye deine Curen, Und halte dich gesund; so kanst du nach Gebühr, Dein anvertrautes Amt verwalten. Gott lasse dich, doch spät, in Ruh und Glück erkalten.