Cantaten und Fabeln 1. Cantata Die Großmuth. Was seufzet ihr, verzagte Seelen? Was girrt und ächzt ihr Tag und Nacht? Durch Heulen, Winseln, Schreyen, Klagen, Wird ja die Last, so man muß tragen, Noch weit beschwerlicher gemacht. Wer edelmüthig ist, läßt sich durch nichts besiegen, Er bleibt auch da gesetzt, wenn er muß unten liegen. Da Capo. Wiewohl ich weis schon, was ihr sprecht: Ihr meynt, ihr habt zu klagen Recht, Weil euch das falsche Glück Nicht will bey eurem Leben Auch einen holden Blick Wie vielen andern geben. Ey! schade vor die flatterhafte Dirne, Wenn sie gleich eine finstre Stirne Euch dann und wann mit unter zeigt, So werdet ihr doch nicht deswegen Vor Kummer euch in Thränen baden. Ein niederträchtiger gemeiner Geist wird nur von ihr gebeugt. Gesetzten Seelen ist gar nichts am Glück gelegen, Es mag so sauer sehn, als es nur immer kann, So wird es selbigen, bespiegelt euch daran, Gar wenig schaden. Wie schleicht ihr doch, ihr blinden Buhler! So brünstig diesem Weibe nach? Was schmeichelt ihr dem tollen Glücke? Werft doch die süß verliebten Blicke Nur auf den Grund, worauf es steht; Es ruht auf keiner festen Schwelle; Die Kugel ist sein Fußgestelle, Die, eh man es gedenkt, sich oftermalen dreht. Da Capo. Klagt ihr, daß euch der Zucker dieser Welt, Dadurch nur würde stets vergällt, Weil überall ein falsches Heer, Bey Trug und selbst erfundnen Tücken Sein Bürgerrecht das es erkaufet, liesse blicken; Und euch, so sanfte doch Der Umgang sonst mit andern wär, Der Welt Geselligkeit als ein verhaßtes Joch, In euren Augen täglich schien; Deswegen dürft ihr nicht vor ihr so schüchtern fliehn. Laßt seyn, ihr werdet hier und dar Viel Judaskinder mit gewahr, Die euch viel glatte Worte schenken, Im Herzen aber anders denken. Bezahlet sie so dann, weil es vergönnet ist, Auch wiederum mit Gegenlist, Wie man den Ton ins Holz läßt fallen, So pflegt es auch heraus zu schallen. Erschreckt doch nicht, ihr feigen Geister! Wenn ihr der Falschheit Blendwerk seht. So lang das Freundschaftsband nicht reisset, Das uns ein Trost und Labsal heisset, So liebt man es auch mit Bestand. Doch will es uns zur Schlange werden, So wirft man es so gleich zur Erden, Man reicht ihm weiter nicht die Hand. Da Capo Geschieht es, daß sich oft Der Freundenstern, auf den ihr hofft, In einen Zorncomet verkehret, Und das Verhängniß euren Rücken, Durch ein und andre Last beschweret, So müßt ihr nicht bey der entstandnen Pein, Voll Kleinmuth und verzaget seyn: Sie wird euch nicht so gleich erdrücken, Wer stellt euch einen Freybrief zu, Daß ihr, so lang ihr lebt, in ungestöhrter Ruh, Und in Zufriedenheit sollt sitzen? Ein stets gesetzter Mensch pflegt nicht vor Angst zu schwitzen, Wenn er bey seinem Lauf, so krumm er sich auch ziehet, Viel Hinderniß im Wege liegen siehet, Er springet bey gelaßnem Sinn, Voll Großmuth über alles hin, Und läßt bey so gestalten Sachen Sich durch kein Ungemach verzagt und irre machen. Je stärker die Gefahr uns drohet, Je grösser muß das Herze seyn, Bey aufgeklärter Luft und sanfter Winde wehn, Vergnügt und aufgeräumt im Schiff herum zugehn, Ist keine Kunst und gar nicht rühmlich; Doch in der Wellen Grab beherzt und lachend sehn, Wenn ein Orcan entsteht und Schiffbruch soll geschehn Bleibt grossen Geistern eigenthümlich. Da Capo. Preßt euch der Haß und Neid, Der überall sein Gift ausspeyt, Vor dem die Unschuld auch sich nicht weis zu verwahren, So viele Seufzer aus; O Thorheit! daß ihr euch darüber Kummer macht, Ihr könnt denselben sparen; Wißt, daß ein Weiser nur darüber lacht, Wenn ihm ein Simei durch Lästern fluchet, Und seinen guten Ruf stets zu vermindern suchet. Der Schmähsucht Speichel kann die Tugend nicht beflecken, Er haftet nicht An ihrem reinen Angesicht. Wird, wenn die Wesp auf Blumen fällt, Die Pracht durch ihren Stich verstellt? Gar nicht, ihr Glanz bleibt unverletzet, So scharf die Misgunst auch die stumpfen Zähne wetzet, So dürft ihr doch dafür nicht zittern, Wer schleppt ein Maulthier, das uns tritt, Gleich vor das Halsgerichte mit? Durch ein verächtliches und Großmuthvolles Lachen Kann man den Neider schamroth machen. Nimm, tolle Brut, den offnen Rachen So voll von Gift, als möglich ist. Stürzt ihn Eimerweis heraus, Sinne neue Schmähwort aus, Die Großmuth lächelt nur, und scherzet noch darüber, Sie weis wohl, daß die Nessel sticht, Allein dein Unkraut brennt sie nicht, Sie will von dir kein Lob; dein Schelten ist ihr lieber. Da Capo.