22. Brief Ach! Freundinn meine Lust, und meine Augenweide, Mein alles auf der Welt, mit der ich itzo leide; Vor Schrecken zittert mir noch Herze, Hand, und Fuß, Ich kenne mich fast nicht vor Unmuth und Verdruß; Der Schmerz der dich befällt, wirkt auch in meiner Seele. Ich kann nicht bey dir seyn, das macht daß ich mich quäle. Wer pflegt dich so wie ich? was ist dein Zeitvertreib? Wer sorget vor den Arzt, vor deinen matten Leib? Wer suchet Kräuter auf, die kranke Brust zu heilen? O könnt ich mich so gleich nur in zwey Theile theilen, Ich setzte mich gewiß an deine Lagerstatt, Ich spräch dir freundlich zu, und wärst du noch so matt, Wie zärtlich wollt ich dich von Grund der Seelen pflegen! Mein Schicksal laß dich doch, ach laß dich doch bewegen, Und merke dieses mal auf meinen Jammerthon: Schenk mir die Freundinn noch, als meiner Treue Lohn. Sag, warum wolltest du so schrecklich auf mich toben? Ich habe mich ja nie bey ihrer Gunst erhoben. Du kennst die stille Lust die mir daraus entstand. Wir schworen beyderseits mit aufgehobner Hand: Nichts trennet unsre Brust, nichts trennet unsre Liebe, Und so vermehrten sich die reinen Freundschaftstriebe. Dein Unfall ist zu groß, das Leid so dir geschehn Muß ich, ob gleich entfernt, vor meinen Augen sehn. Da unterhältst mich stets mit hunderttausend Klagen. Doch laß dir auch ein Wort von deiner Freundinn sagen; Nimm dich ja wohl in acht, hier gilt kein stoisch seyn: Denn nimmt das Fieber erst den ganzen Körper ein, So muß der schwache Leib sich in die Federn hüllen. Erfülle dieses mal nur meinen Raht und Willen. Gesetzt ein schneller Schmerz spräch dir das Leben ab, So nähmst du mich gewiß zugleich mit dir ins Grab. Der Tod scherzt warlich nicht, wie die Erfahrung lehret. So schone Freundinn dich vor die so dich verehret. Die Furcht wär nicht so groß; allein ich weis zu wohl, Was ich bey deinem Fall zugleich verlieren soll. Denn dein Verlust ist nicht mit etwas zu ersetzen. Wer deinen Werth erkennt, der weis ihn nicht zu schätzen.