1025. Mel. 110. 1. Treuster freund der seelen, und du herz vol liebe, nur aus angebornem triebe; denn wo ist derselbe, der das sagen könte, daß er gegen dich entbrente, noch vorher, ehe er von dir überwogen, und dahin gezogen? 2. Man erstaunet billig, und ist vol bewegung, bey derselben überlegung, daß du, gutes wesen, welches rein und heilig, und natürlich unzertheilig, dich bemühst, und erglühst, menschen aufzusuchen, die dir schändlich fluchen. 3. Denn das sind in warheit alle unsre gaben, die wir dir gegeben haben, das nahmst du zur ursach, das hat dich getrieben, uns bis an das kreuz zu lieben. Herzens HERR! wo ist der, der sich hier nicht fühlet, wie die gnade spielet? 4. Ist es anders möglich? solten herzen können bey der liebesglut nicht brennen, wenn sie zu ihr nahen? Nein, man muß zerfliessen, thränende zu deinen süssen. O du lam! wundersam ist dein liebsbezeugen, menschenwiz muß schweigen. 5. Doch die Einfalt lallet, und die kleinen seelen können was davon erzehlen, alle arme sünder können es beschreiben, alle, welche elend bleiben, fühlen sich und auch dich, diese können tönen von dir wunder schönen. 6. Das ist ihre stärkung, wenn sie noch so schmächtig, und die sünde noch so mächtig, daß du sie erwehlet, und um sie geworben, da sie annoch grundverdorben; denn alhie, glauben sie, gilt es nicht erliegen, sondern du must siegen. 7. Ja du herz vol treue so pflegst du's zu machen, so pflegst du vor uns zu wachen; dein erkauftes erbe weist du zu bewahren vor so mancherley gefahren, wann auch gleich satans reich, mit dem ganzen heere, dir entgegen wäre. 8. Nun du unser Alles, so muß man dich nennen, weil wir keinen ausdruk kennen, der dich uns entdekte, und dein wesen zeigte, und den rechten punct erreichte, weiter hin kan kein sin es aufs höchste treiben, als nicht seh'n und gläuben. 9. Schau, wir fallen nieder, nicht mit furcht und zittern, nicht vor Gottes zorngewittern; Nein, wir sind gezogen durch dein liebesneigen in ein ehrerbietigs beugen, vor dem thron, da der sohn, die erwürgte warheit, sizt in voller klarheit. 10. Reich uns deinen zepter, majestätsche liebe! O daß er doch immer bliebe auf uns zugewendet, und wir kräftig spürten, daß wir an die gnade rührten, aug und mund würd zur stund, als von gnadengüssen, übergehen müssen.