7. Bey angetretener Regierung Graf Heinrich des Neun und Zwanzigsten 1 1720. Als der Mensch nach Gottes Bilde Ehemals bereitet war, O wie war er nicht so milde, O wie sah er nicht so klar! Seit er dieses Bild verloren, Wird er fast verrükt geboren: Was ihn glüklich machen kan, Siehet er für schädlich an. Was für unerhörte Sorgen Macht man seinen Eltern nicht, Von des Lebens ersten Morgen Durch das ganze Jugend-Licht? Mit wie vielem Flehn und Beten Müssen sie uns nicht vertreten? Sie bemühn sich ofte viel, Und verfehlen doch das Ziel. Wie viel tausend Eltern leben, Welche um der Kinder-Zucht Sich nicht viel Bemühung geben; Und ihr Heil darinn gesucht, Ihnen Lehrer zu benennen, Deren Werth sie selbst nicht kennen, Die man nur auf andrer Rath, Und Bericht gewehlet hat. Viele junge Leute laufen In der Jugend-Hitze fort; Und man lässet sie verschnaufen, (Das ist ein gemeines Wort:) Aber, seht! die meiste Jugend, Sie versäumt die Zeit der Tugend, Manchen, eh er ausgeschnaubt, Hat ein jäher Tod geraubt. So ist schwerlich zu errathen, Ob der lieben Alten Schaar, Die den Herrn um Kinder baten, Ihr nicht selbst zuwider war? Und ob der nicht glüklich heisset, Den der Herr von hinnen reisset? Eh er sich ins weite irrt, Und der Welt recht inne wird. Aber meine Sinnen blikken Itzo in ein ander Feld Da sich junge Pflanzen schikken, Wies der Gärtner dienlich hält, Welche ihm sein mühsam Frohnen Mit der schönsten Bluhte lohnen; Diese zeigen sattsam an, Was ein treuer Gärtner kan. Als ich auf dem Krankenbette In der Ungewißheit lag, Was ich zu erfahren hätte? Kam ein aufgeklärter Tag: Da mir eines Gärtners Name Unverhofft zu Ohren kame, Welcher seiner Pflanze Preiß Jedermann zu sagen weiß. Ihr beglükten Gärtners-Hände, Deren Tage-Werk und That, Bis zu dem erwünschten Ende, Sich geschikt erwiesen hat: Wie mögt ihr den Thau von oben Mit erfreutem Herzen loben, Welcher ohne Maaß und Ziel Auf die schöne Pflanze fiel. Bruder, ich kan nicht verschweigen, Daß der Pflanze Ruhm dir bleibt; Die mit ausgespannten Zweigen Alle Tage höher treibt, Welche jedem, der sie liebet, So viel schöne Hoffnung giebet, Daß man Gott, den Segens-Mann, Nicht genugsam loben kan. Glüklich waren jene Stunden, Welche ich im Nieder-Land, Als ich dich am Rhein gefunden, Deiner Freundschaft zugewandt. Glüklich waren auch die Stunden, Da wir uns getrost verbunden, Daß es alle Menschen sähn, Christi Wandel nachzugehn. Wie der Anfang, war das Ende, Du gingst unter Gottes Huld, Und behieltest reine Hände Von gemeiner Jugend Schuld; Welches, die im Irrthum waren, Mehr als allzuwohl erfahren. Was die Welt erstaunen macht, Hat dein Tage-Buch verlacht. Endlich hat es sich geschikket, Daß ich annoch zu Paris Deinem Abschied vorgerükket, Da es aller Orten hieß, Auch bey denen guten Leuten, Welche uns als irrig scheuten, Daß du gegen jedermann Als ein wahrer Christ gethan. Damals lobten wir den Meister Der allein bewährten Kunst, Der dich vor der falschen Geister Und der schnöden Erde Gunst Väterlich bewahren wollen, Daß sie dich nicht reitzen sollen. Denn dergleichen Wegefahrt Ist entfernt von ihrer Art. Wann sich andere ergötzten Ueber allem, was geschehn, Und sich dann zusammen setzten, Es aufs neue zu besehn, Kamst du von des Hofes Brause Oefters mißvergnügt nach Hause. Wende, sprachst du, meinen Blik, Und das war dein größtes Glük. Also ging es auf der Reise Nach der werthen Mutter Sinn; Und du folgetest der Weise Deines ehrlichen Bonin. Wo man seine Mutter ehret, Und die Vorgesetzten höret, Da weicht nach der Liebe Zwek Alles Unvergnügen weg. Darum wird im Regimente Gottes Rechte um dich seyn. Der sich sonst gehorsam nennte, Fordert nun Gehorsam ein; Und nach dem Vergeltungs-Rechte, Sehen alle deine Knechte, Und wer Dir sonst zugethan, Dich mit Ehrerbietung an. Du hingegen kanst den Banden Deiner Knechtschaft nicht entgehn; Es ist noch ein Herr vorhanden, Dem du mußt zu Dienste stehn: Seine Fesseln sind gelinde, Dieser Dienst bekommt geschwinde Eine andere Gestalt, Und wir, ewige Gewalt. Diese Hoffnung wird dir bleiben, Wann der andren Hoffnung fällt: Die sich Gottes Hand verschreiben, Sind schon selig in der Welt. Wann sie alle Menschen hassen, Wird der Freund sie nicht verlassen, Dessen treue Liebes-Hand Sich genau an sie verband. In dem Freunde, lieber Bruder! Sind wir ewig ungetrennt: Durch Ihn führest Du das Ruder Von dem ganzen Regiment, Das Er Dir in deinem Leben Zu bestreiten heimgegeben: Und in Seinem Friedens-Schein Wirst Du immer ruhig seyn. Du mußt aber nicht vergessen, Daß du für das grosse Heil, So der Herr Dir zugemessen, Ihme auch an deinem Theil Ewiglich verbunden bleibest, Und Sein Werk nicht läßig treibest: Du mußt, bis zum letzten Schein, Ein Bekenner Jesu seyn. Wann Du nun genug gestritten, Und dein Amt bewähret hast; Wann Du hie und da gelitten, Wird der Heiland dir die Last Endlich von den Schultern heben: Und nach einem harten 2 Leben Fällt Dir in der stolzen Ruh Der Bekenner Erbtheil zu. Fußnoten 1 Zu Castell. 2 Hier wird nicht sowol auf das allgemeine Christen-Leben, als auf die besonders harten und rauhen Umstände der Regierungs-Last eines Kindes Gottes gesehen, von welchen man sagen kan, daß sie ohne die besondre Handleitung der Gnade und Trost der Liebe unerträglich seyn würden; es wäre dann, daß man die Sache nicht verstünde, und sich nur wohl dabey seyn liesse.