Art. 18. 1. Vom freyen Willen wird gelehrt, daß der mensch, wie man sieht und hört, etlicher massen in der that noch einen freyen willen hat: 2. Er kan äusserlich ehrbar seyn, er kan ihm wehlen eins aus zweyn, in so weit ein ding wird erkant durch einen gesunden verstand, 3. Und doch ohne hülf und genad des Heilgen Geists und sein zuthat vermag der mensch nicht Gott gefalln, fürchten, lieben, vertraun in all'n, 4. Noch auswerfen aus seiner brust die angeborne böse lust; sondern solchs geschicht und mag seyn durch den Heiligen Geist allein, 5. Der geben ist durch Gottes wort. Denn Paulus spricht an einem ort, daß nichts vom Geiste Gottes kan vernehmen der natürlich mann. 6. Und damit man erkennen mag, daß ich hier gar nichts neues sag, hört Augustini klaren spruch vom freyen Will'n in einem buch: 7. »Wir bekennen, (sagt er hievon im dritten Hypognosticon) daß ein solcher wille, der frey, in einem ieden menschen sey: 8. Denn sie haben doch alle itz natürlich angebornen wiß, und ein' vernunft, die freylich nicht mit GOTT zu handeln etwas tügt. 9. Sie könn'n GOTT nicht von grund der seeln fürchten und liebn, doch könn'n sie wehln guts oder böses vor der hand in des äussern lebens umstand, 10. Das gute, was natur verricht, arbeiten oder aber nicht, essen, trinken, zum nachbar schaun, was an-und ausziehn, freyn und baun, 11. Ein handwerk treiben, und so was nützlichs und guts verrichten; daß ohne Gott nichts ist noch besteht, sondern aus und durch ihn erst geht. 12. So hat der mensch die wahl auch frey, was böses zu thun allerley: daß er einen abgott verehr', iemand tödt', und dergleichen mehr.« Gebet. Gott lob! daß ich von herzen kan wolllen, was du gern hättst gethan; doch, damit ich sonst nichts verricht, lieber Gott! trau mein'm willen nicht.