101. Die zweyte Wache ums Bette Salomo, die Liebes-Helden 1731. So ruhe dann, du zartes Herz, In Jesu tief versunkner Liebe: Es ist ein widerlicher Schmerz Zu leben ohne Liebes-Triebe. Er weiß ja, daß Er mich vermag, Kan eine treue Seele sagen, Ob Er sich gleich bey ihr beklag, Und wolte erst nach Grunde fragen. Mein Heiland, hindre nur, Daß wir nicht auf die Spur Der leeren Phantasey gerathen, Wo man von Liebe spricht Bey einem falschen Licht, Und unverdungnen Helden-Thaten. Was tauget aber unversucht? Drum finden ekkelhafte Seelen Kein wahres Wesen an der Frucht, Darnach sich andre Seelen quälen. Wer Christum eins geschmekket hat, Der kan Ihn keinen Tag vermissen. Ey, denkt der Arge, hier ist Rath, Und hält uns auf dem Ruhe-Kissen So manchen süssen Saft Zum Munde (sonder Kraft;) Da meynen wir uns satt zu lekken. Ach! aber was gedeyht Der faulen Lüsternheit? Nach Arbeit läßt sichs besser schmekken. Darum entbrennt die Seele bald In reinen Liebes-Eifer-Flammen; Ihr ganzes Inneres, das wallt Dem Bräutgam zu, das treibt zusammen. Wenns nun dem Feinde nicht gelingt, Uns unempfindlich zu erhalten; Der Freund zu feurig an uns dringt, Und in zu lieblichen Gestalten: So pflegt er dann aus List, Wenn man erwekket ist, Ein Feur im Kopfe zu entzünden, Das nicht bestehen kan, Weil ein geheimer Bann Der Eigenheit, darinn zu finden. Im Eifer geht die Treue auf, Die Treue gegen unsre Liebe: Sie eilet fort im Glaubens-Lauf, Sie bütet aller ihrer Triebe. Wenns nun der Feind nicht hindern kan; So führt er solche treue Herzen Auf eine rauhe Neben-Bahn. Und machet ihnen falsche Schmerzen. Da geht ihr muntrer Sinn Zu Neben-Sachen hin, Und mühet sich daselbst vergeblich, Die andren macht er los; Bald scheint die Pflicht zu groß Der Untreu, bald zu unerheblich. Wer rechte Treu beweisen will, Der muß auf Christi Stimme merken. Die Liebe macht die Seele still, Den Laut der Salbung zu verstärken Allein der Feind bemühet sich, Daß er den Seelen-Trieb verführe, Damit der Regung zarter Strich Das innere Gefühl nicht rühre: Sie wird ins Weite bracht, Und hat auf nichts mehr Acht. Geht das nicht, kan er Bilder mahlen, Dahin die Seele schielt, Und wenn sie Gnade fühlt, Vergafft sie sich in schönen Strahlen. Ein kurzer Unterricht des Lichts Bey einer Seele, die sich fühlet, Macht klar, daß eine Seele nichts, Und daß die Gnade mit ihr spielet, Wenn sie ihr ein gut Zeugnis giebt! Kan nun der Feind das nicht erzwingen, Daß man sich in sich selbst verliebt, Und spiegelt sich in Neben-Dingen; So sieht er wie ers macht, Daß man sich selbst veracht', Nicht ausser Christo (wie es billig) Nein, sondern bey der Kraft, Die Jesus in uns schafft, Das Fleisch ist schwach, der Geist nicht willig. Damit die linde Gütigkeit, Ein Haupt-Held in den Liebes-Sachen, Der Seele nicht Gelegenheit Zu treuem Wollen möge machen; (Denn unser grosser Seelen-Freund Dient uns mit solcher Herz-Bewegung, Daß Ihn nicht lieben grausam scheint;) So härtet er der Seelen Regung, Daß sie nicht sieht noch fühlt, Nicht warm wird, noch verkühlt, Und etwas steinernes zu nennen, Versieht er sich hiebey, Verändert er die Treu Des Ringens in ein läppsches Flennen. Die Liebe gibt Gelegenheit, Weil wir so Noth als Gnade fühlen, Zur innigsten Barmherzigkeit, Für alle unsre Mit-Gespielen. Kan nun der Feind der Brüder Noth, Nicht gar aus unsren Augen rükken, Es jammert uns der Seelen Tod, Und suchen Dürftge zu erquikken; So kehrt ers wieder um, Daß unser Christenthum Sich in die Heuchel-Liebe setzet, Und zärtelt jedermann, Daß eins verderben kan, Eh man die Höfllichkeit verletzet. Die eigne und der Brüder Quaal Hat uns so tief hinein geführet, Daß wir in diesem Jammerthal, Auch selbst der Feinde Pfad gespüret, Und über ihrem böse thun, In sanftem Sinn verharren können. Da reitzet uns die Sünde nun, Zuerst in Rache zu entbrennen, Wenn man uns was gethan; Und wenn sie das nicht kan, So wandelt sie den Grund der Ruhe, Daß man aus Furcht vergibt, Damit wer uns geübt, Uns nicht noch etwas Aergers thue. Das Braut-Herz kehrt in sich zurük, Und sieht sich vor bey seiner Liebe, Daß ja nicht durch des Feindes Tük, Was Fremdes an ihr hangen bliebe. Es heißt: Das Herz bewahret sich, Vor allen Fleisch- und Augen-Lüsten, Die uns die Feinde listiglich Zur Schau und Kost entgegen rüsten. Allein nun ist es Zeit Auf die Unleidlichkeit Zu merken, die sich so verkleidet, Bis sie nach ihrer Art, Wenn man sich nicht bewahrt, Uns Bös' und Guts zugleich verleidet. Die Reinigkeit, das selge Loos Der allerinnigsten Genossen, Ins Bräutgams reinem Liebes-Schooß, Entweicht der Sünde unverdrossen. Hat nun der Feind der Heiligkeit Nicht gnug gefährliche Gestalten In seiner Werkstatt zubereit't, Zum Aergernis ihr vorzuhalten; So braucht er diese List, Daß sich der Mensch vermißt, Nichts mit den Blikken anzurühren Was noch so nöthig thut, Darüber wir den Muth Zu aller unsrer Pflicht verlieren. Die Treue will, daß, was man hat, Mit Vorsatz hingegeben werde, Und daß man Christi Herzens-Stadt Erwehl vor Himmel und vor Erde. Geräth es nun der Sünde nicht, Daß sie uns an uns selber hefte, An unser eignes Tugend-Licht, An unsre Ruh, an unsre Kräfte; So öffnet sie das Thor Vor Aug, und Herz, und Ohr, Daß alle, auch die guten Sachen, Uns aus dem Sinne gehn, Und wir nicht mehr verstehn, Wovon man sich soll ledig machen. Die Liebe will das Herze ganz, Da muß man nicht nur alles missen. Dann spricht sichs erst vom Sieges-Kranz, Wann wir das rauhe Creutze küssen, Und allen Schmerz, und alle Noth In unsre offne Arme fassen, Und allem, was zu Christi Tod Noch mitgehört, uns überlassen. Wenn nun das Herz durch List Nicht zu bereden ist, Von Ausbedingen was zu sagen; Macht er die Wege breit, Daß sich die Seelen weit Heraus aus ihrem Ziele wagen. Die Seele soll recht innig seyn, Und an den Liebes-Brüsten trinken; Sie soll zugleich der Lust und Pein, In eine sanfte Still entsinken, Wenn nun der Feind nicht machen kan, Daß wir uns an den schnöden Laffen, Die er dem schönsten Seelen-Mann Entgegen stellen kan, vergaffen; So braucht er seine Macht, Wo möglich eine Nacht Vor unser Augen-Licht zu ziehen, Daß wir den Freund nicht sehn, Wie gut Er ist, wie schön, Und uns mit düstren Schatten mühen. Wenn ihm nun alles mißgelingt, Uns von der Gnade abzuwehren, (Daß er uns nicht vom Haben bringt, Zum unersättlichen Begehren, Worinnen sich ein Mensch bemüht, Bis daß ihm alle Lust vergangen, Und aus ermüdetem Gemüth, Nunmehr läßt Händ und Füsse hangen,) So siegt der Helden Kraft In Christi Ritterschaft; So sinkt schon in der Leibes-Höhle Das Herz in tiefe Ruh, Und thut die Sinnen zu, Vor reiner Wollust seiner Seele.