Heinrich Zschokke Abellino Schauspiel in 5 Aufzügen [Vorwort] [Vorwort] In einem Kreise junger Freunde, die sich auf der ehemaligen Hochschule zu Frankfurt an der Oder den Wissenschaften widmeten, gehörte zu den geselligen Ergötzlichkeiten, daß jeder aus dem Stegreif eine Geschichte erzählen mußte, deren Ende und Ausgang Keiner von den Zuhörern errathen konnte. Einem dieser Erzähler, als ihn die Reihe traf, kam zufällig eine Anekdote zu Hülfe, die er in einem alten deutschen Büchlein, schon im Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts gedruckt, gelesen hatte, und zwar von einem klugen venedischen Edelmann, der, um eine Verschwörung gegen den Staat zu entdecken, sich mit großer Kunst verstellt, unter die Banditen begeben und mit ihnen gemeine Sache gemacht habe. Der junge Erzähler benutzte diesen Stoff so gut, daß die übrigen Nebenbuhler reichlichen Beifall zollten, ihn mahnten, das Geschichtchen schriftlich aufzusetzen, und als dies geschehen war, sogar ein Theaterstück daraus zu versuchen. So entstand das Schauspiel Abellino, dessen Verfasser sich damals schwerlich träumen ließ, daß das flüchtige Werk eines geselligen Muthwillens bald auf allen deutschen Bühnen lärmen, und sogar zu Engländern, Franzosen und Spaniern übergehen würde. Er selbst sah das Stück in seinem Leben nur dreimal aufführen. Späterhin, da das zusammenhangslose, grobgeschnitzte Marionettenbild auch nach zehn und zwanzig Jahren sich noch auf Thaliens Bretterwelt behauptete, ging er, mit einer Art schamhaften Verdrusses, an neue Bearbeitung desselben, um, wo möglich, das alte Unwerk zu verdrängen, dessen beharrliches Leben weder ihm, noch dem guten Geschmack der deutschen Bühnenvorsteher schmeichelhaft sein konnte. – Er warf jedoch verdrossen auch die spätere Bearbeitung wieder zurück, in der Hoffnung, daß endlich das Vergessenswerthe nothwendig vergessen werden würde. Er irrte sich. Der Bandit trat auch nach dreißig Jahren, selbst auf einigen größern Bühnen, frischerdings hervor. Dies bewog den Verfasser, die spätere Bearbeitung erscheinen zu lassen, um wenigstens seinerseits zu beweisen, daß er dem guten Geschmack eine Sünde abzubitten, mit voller Reue geneigt sei. Ob die Abbitte keine neue Sünde sei, mögen Andere entscheiden. Er glaubte zum mindesten den alten, verzeichneten Holzschnittfiguren menschlichere Gestaltung und reinere Haltung gegeben zu haben. Das Beste zur Sache würden, hoffte er, die Künstler auf der Bühne hinzufügen müssen. Nebenbei aber wäre zu wünschen, daß dann diese auch nicht den venedischen Adel in altdeutschen Hüten, spanischen Wämsern und ungarischen Hosen zur Schau bringen möchten; zumal die gesetzliche Tracht der Nobili von Venedig, so lange die Republik bestand, allerdings etwas Würdereiches, wenn auch Einförmiges, hatte. Die in Aristokratien heimische Eifersucht, welche Alles leichter, als Auszeichnung eines ihrer Glieder erträgt, verbot den Edeln der Lagunenstadt, anders, als im langen, schwarzen, talarartigen Rock, der bis auf die Füße niederfiel, vorn herab mit Pelzwerk verbrämt, um den Leib einen breiten, mit silbernen Schildchen verzierten, Gürtel, und die lange venetianische Mütze unterm Arm, zu erscheinen. Nur die Rathsglieder höhern Ranges, wie auch die Prokuratoren von St. Marco, mußten, als Zeichen ihrer Staatswürde, die langen Röcke von karmesin-oder purpurfarbenem Sammt oder anderm Stoff tragen. Selbst der Doge entfernte sich nicht vom üblichen Schnitt der Adelstracht, obwohl sein Talar von königlicher Pracht war, besonders wenn der Fürst im vollen Glanz seiner Würde erschien, das Haupt mit dem herzoglichen Baret oder Corno bedeckt, den vorn ein Rubin, ringsum ein Gewinde von großen, orientalischen Perlen schmückte. Den zum jungen Abbate degradirten Kardinal des alten Stücks kann man sogar, wenn es sein muß, mit leichter Mühe in einen weltlichen Rock kleiden. Er wird nichts dagegen einwenden. Wenn die lastervollsten Fürsten, wenn die grausamsten Kriegshelden, wenn Neronen und Alba's auf die Bühne gebracht werden, fällt gewiß Keinem ein, daß damit die Ehrfurcht gegen den erhabenen Stand der Fürsten und Feldherren verletzt sei. Aber es läßt sich nachkommenden Geschlechtern erzählen, daß in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hin und wieder für den Klerus höhere Ansprüche, als für den Rang der Könige, Helden und Staatsmänner gemacht worden sind; und daß es Verachtung der Religion, Entweihung des an sich ehrwürdigen Standes der Geistlichkeit geheißen worden ist, wenn etwa ein entartetes Mitglied desselben vom Dichter oder Schauspieler dargestellt wurde, und das in einer Zeit, wo das apostolische Spanien die Urbilder solcher Abbaten zahllos in schauerlicher Wirklichkeit aufwies. Die Vorrede ist für das nachfolgende Spiel fast zu ernst und zu lang geworden; möchte sie, bei Andern, doch keine Nachrede veranlassen. Personen Personen. Andreas Gritti, Doge zu Venedig. Rosamunde, dessen Nichte. Iduella, ihre Erzieherin. Dandolo, einer der Prokuratoren von St. Marco. Canari, einer der Groß-Staatsinquisitoren. Flodoardo, ein venedischer Edler. Abbate Tolomeo. Parozzi, Falieri, Contarino, Memmo, , venedische Edle und Verschworne. Matteo, Abellino, , Banditen. Ein Senator. Ein Diener. Mehrere Banditen, Senatoren, venedische Edelfrauen, dalmatisches Kriegsvolk. 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Ein halbdunkles, enges und ärmliches Gemach. im finstern Nachsinnen an einem Tischlein. Nach einer Weile sich ermannend, springt er auf. Wer den Himmel will erobern, Darf die Höllenfahrt nicht scheu'n. – Fort, die Grillenfängerei'n! Will, nach sechs und sieben Tagen, Schon die Ungeduld dich plagen, Und das Heldenwerk gereu'n? Heldenwerk? – Verdammter Spott! Lieber Landsknecht in der Feldschlacht; Da blitzt Degen gegen Degen, Und die Spieler steh'n sich gleich. Aber hier, in blut'ger Kneipe, Mordknecht eines Mördermeisters; – Meuchlings um ein paar Zechinen, Einem Wicht das Leben stehlen; – Wie die feige Tigerkatze, Mit den gierig schlauen Augen, Hinter Büschen, hinter Mauern Auf das sichre Opfer lauern: – Schlechter bleibt's, als Henkerswerk. Heiligt je ein Zweck das Mittel? Ist die Ehre feil um Schmach? ... Neues Nachsinnen. Was denn, Bursch? Wo will's hinaus? Sprangst du denn nur für den Goldschaum Eiteln Ruhms ins Abenteuer? – Vorwärts, vorwärts, Abellino, Blick' aufs Ziel und auf den Preis! Deine Würfel sind geworfen! – Sind geworfen! ... nun so sei's! Er setzt sich. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Matteo und einige andere Banditen treten hinein. für sich hinsprechend. Und zuletzt, was liegt am Leben, Wenn's der Geist nicht adeln kann? Nimmer wird ein rechter Mann Seinen Pfifferling drum geben, Bleibt's, vom Anfang bis zum Ende, Nur ein kahler Bettlertraum. leise zu den Andern. Still da! unser Sadrach-Medech, Glaub' ich, treibt Philosophie. der sie seitwärts bemerkt, ohne es wahrnehmen zu lassen. Länger mag ich's nicht erleiden, Hier auf fauler Bärenhaut. Der Matteo ist ein Gimpel, Daß er meiner Faust nicht traut. Freitag ... Montag ... alle Teufel! Eine lange Woche schon Schleppt der Schurke mich voll Argwohn! Mit sich um am Narrenseil. Eine Woche – unerhört! – Sah ich am Stilet kein Tröpfchen Rothen, warmen Menschenblutes. Bei St. Paul und bei St. Peter, Ich muß wieder Farbe schauen! Will der Mucker mir nicht trauen, Flieg' ich selber aus auf Fang. zu Abellino. Hab' es dir der Teufel Dank, Wenn du solches Stückchen wagtest! aufspringend. Heda! Horcher! ... Ha, seid Ihr's? – Nun was bringt Ihr heim vom Markte? Nichts zu ritzen? Nichts zu kitzeln? Viel Bestellung? ... Bluthund du! Unser eins treibt sein Gewerbe Ehrlich, um gerechten Lohn. Aber dich ergötzt es, spaßend Armen Teufeln vor den Nasen Ihre Lampe auszublasen. Nicht den Lohn verschmäh' ich; aber Der dünkt mich ein lump'ger Waidmann, Welcher, wie ein Wolf der Wälder, Nur den Magen anzufüllen, Nach dem flieh'nden Wilde streicht. He, was sind wir? Menschenjäger, Gleich dem Kriegersknecht im Felde, Gleich dem Arzt am Krankenbett. Gold ist nicht das Ziel der Kunst; Jede lohnt sich in Vollendung Edler Frucht, die sie sich selbst zeugt. Bei St. Marcus, schwatzen kann er, Wie des Teufels Advokat! He, wer hat dich das gelehrt? Bist du ein entsprungner Pfaff? Ein verdorbner Studiosus? Ein verfuschter ... Schweig, du Schlucker! Wahrlich, glaub' es, mir ward nicht An der Wiege schon gesungen, Daß ich dermaleinst bei Euch Medizinisch fuschern sollte. Nun, ich glaub' es dir aufs Wort. Dir sind andre Herrlichkeiten In den Windeln prophezeit: Ordensbänder um den – Hals, Hohe Stellen in der Luft! ... Abellino, nichts für ungut, Aber Wunder bleibt's, und Wunder, Daß du nicht schon tausendmal In des Henkers Schlinge hingst. Kain nicht, der Brudermörder, War vom Herrgott so gezeichnet, Daß ihn tödte, wer ihn finde, Brüderchen, wie du. grinsend. Hi, hi! Wer sah zwischen Erd' und Himmel Je ein Belials-Gesichtchen, Ganz erkoren und geboren Für den Galgenarm, wie dies? Diese Stirn, ein Mauerbrecher, Ist der Freiheit Eisenschild. Aus den häm'schen, scharfen Winkeln, Hier um das verzogne Maul, Spottet schnöde Gotteslästrung! Aus dem einz'gen, finstern Auge Glüht der ew'gen Hölle Inbrunst. Narr, das beste Büchlein trägt Oft ein falsches Titelblatt. Magst du mich darum beneiden? Sieh, das ist des Himmels Gabe. Tröste dich, du bleibst ja dennoch Futter für die jungen Raben. – – Nun, Matteo, Scherz bei Seite! Kurz zur Sache, sprich, wie steht's? Gibt es etwas anzuzapfen? Oder magst du mir nicht trau'n? Rede offen! Höre, Bursche, Du gefällst mir, aber ... Rede! Ich bemerke: dir fehlt Eins nur. Unsere Profession, Stets im Angesicht des Todes, Fordert Eins: – Religion! Bist du närrisch, oder trunken? Du besuchst ja nie die Kirchen, Nie die Messe, nie die Beichte, Rufst auch keinen Heil'gen an! Sieh, der zorn'ge Himmel kann dich In die Hand der Sbirren liefern, Auf die Folter spannen lassen ... Und du könntest uns verrathen, ... Hei! da wär' uns schlecht gedient. Puh! es hat mir nicht geträumt, Daß man mit des Himmels Hilfe Auch dem Teufel opfern könne. Lästermaul, wie lästerst du? Wir sind nur des Schicksals Werkzeug, Sind die Ruthen seines Grimmes; Sind nicht besser, sind nicht schlimmer, Als, in seiner Hand, der Krieg, Oder Pest und Hungersnoth. Aber fehlt Religion: Sind wir selbst strafwürd'ge Sünder! Nun denn, bei St. Paul und Peter, Ich will heute mich bekehren, Beichte sagen, Messe hören, Wenn du mir zu schaffen gibst. Gut, du kannst, da dich's gelüstet, Bald ein Probestückchen machen; Arbeit gibt's bei uns vollauf. Geht, ihr Andern, macht euch lustig, Zieht auf frische Kundschaft aus. Struzza, reiche du zuvor Aus dem Mauerschrank im Winkel Unser Arsenal hervor. Die Banditen entfernen sich. Hei, was Arsenal? sieh hier, Alles trag' ich schon bei mir. Er entblößt einen Dolch. Schau, die Scheere keiner Parze Schneidet dir, so glatt und sicher, Jeden Lebensfaden ab, Wär' er auch von Stahl gesponnen ... Nichts da! hast ja nur bisher Eitel Fuscherei getrieben. Heut erst sollst du, in Venedig, Beim Gewerbe zünftig werden. Sieh, man hält hier stark auf Ordnung. Du bist Fremdling; fremde Fuscher Duldet meine Innung nicht. Mancher hat es zwar versucht, Unsre Kunst für eigne Rechnung Und auf eigne Faust zu treiben; Aber ungesegnet kam er, Hui und Pfui! zur Welt hinaus. Struzza bringt ein Kästchen, setzt es auf den Tisch und entfernt sich. Also, Handwerksneid auch hier! Sticht der zünft'ge Dolch denn besser, Als des Fuschers gutes Messer? indem er das Kästchen öffnet und einige Stilete hervorzieht. Bursche, wie du albern fragst! Fleisch ist Fleisch und Stahl ist Stahl. Aber wer der Kunst sich weiht, Soll sie kunstgerecht behandeln. Junge, tritt heran und schau: Dieser Dolch, – die schöne Klinge – Strich um Strich muß dir daran, Wer Bestellung gibt, bezahlen. Gilt es eines Zolles Tiefe, ... Nicht zum Tode, nur zum Schrecken, Forderst keck du zehn Zechinen. Zwei Zoll, in des Menschen Leib, Kosten zwanzig; drei Zoll dreißig. Geht's auf's Leben, dann begehre Was du willst, nach Stand und Würden. Mäß'ge Apothekertaxe. Hier ein Dolch, schau an, von Glas! Gut, in's dicke Fleisch zu stoßen; Brichst du in der Wund' ihn ab, Bleibt er sicher drin verschlossen Bis zum Auferstehungstag. – Sieh, zum Beispiel, mancher möchte Gern vom reichen Vetter erben, Aber will nicht jähen Tod, Sondern, vor des Vetters Sterben, Dies und das noch mit ihm handeln; Oder, nur aus Frömmigkeit, Ihn nicht in die Ewigkeit, Ohne letzte Oelung, senden. Dazu dient dies edle Glas! Nun, das heiß ich zunftgerecht; Zunft gerecht, nicht kunst gerecht! – Kunstgerecht geht die Natur, Drum geht Kunst naturgerecht. Also, Meister unsrer Zunft, Laß mich frei und eigen schalten ... Still, das Beste kommt zuletzt! Dieser Dolch mit seiner Spitze, Feiner, als der Sonnenstrahl, Gleicht dem mörderischen Blitze; Denn er tilget schnell das Leben, Hinterläßt kein blut'ges Maal. Nur ein Schrämmchen in die Haut, Nur ein Punkt, wie Mückenstich, Liefert auf die Todtenbahre; Denn die kaum sichtbare Spitze Ist ins schärfste Gift getaucht. Nimm hin, denn schon heut bedarfst du Heut des edeln Kleinods schon. Schön, das gibt ein Meisterstück. Aber sprich, an wem? und wo? Kennst du, Bursche, in Venedig Endlich alle Weg' und Stege; Alle Mauern, alle Gassen; Jedes Loch, um aufzupassen; Jede Gondel, jedes Boot? Ho! in meinem eignen Wamse Weiß ich besser nicht Bescheid. Und dann unsere edeln Kunden, Die ich alle dir schon mehrmals Nannte und mit Fingern zeigte, Wenn sie zum Senate gingen, Oder in die Freudenhäuser; In die Kirchen; und am Spieltisch; Bei Gelagen, Saufereien, Tänzen und Prozessionen? Besser kenn' ich sie, als dich. Jener prächtige Parozzi ... Prächtig, bei St. Paul und Peter, Wie ein Silbersarg voll Aas; Reizend wie ein Sodomsapfel! Und der kluge Falieri ... Der, mit seiner Vipernzunge, Freund und Feind und sich vergiftet. Und der kecke Contarino ... Keck aus Stolz, und stolz aus Dummheit. Dann der umsichtsvolle Memmo ... Umsichtsvoller, als ein Hase! Lästermaul, so wirst du doch Pater Tolomeo ehren. Ehre dem ehrwürd'gen Fuchs, In dem Hühnerstall Venedig! Alle kenn' ich sie, Diese lust'gen Springinsfelde, Diese Lebemänner, diese Lockern Zeisige von Haus' aus, Die den Juden und den Wuchrern Längst ihr väterliches Erbe, Und dem Teufel in der Hölle Leib' und Seel' verpfändet haben. Sie sind unsre besten Kunden, Und wir zählen deren mehr. O ich weiß, der Schurken Menge Wird Venedig bald zu enge; Drum ist's Billigkeit und Noth, Daß man unsre Hilfe fordert, Bloß ein wenig Raum zu schaffen. Also frisch, ich bin bereit; Fordre, Meister, und gebeut! Welchem reichen Geizhals soll ich, Welchem läst'gen Nebenbuhler, Welchem Oberen im Amte, Seine Himmelspforte öffnen? Höre mich! Vor allen Dingen Wirst du deine Andacht halten, In der Kirche von San Marco Zehn Ave Maria beten; Deinem Heil'gen dich empfehlen, Daß er seinen Schutz gewähre. Beide gehn wir dann verkleidet, Schwarz, im pelzverbrämten Leibrock, Zierlich, wie die Nobili, In den Garten Dolabella. Dort wird heut des Dogen Nichte, Im Begleite anderer Frauen, Sich des Frühlingsabends freun. stutzend. Wie? die schöne Rosamunde? Unter irgend einem Vorwand Trittst du hin zur zarten Rose Und – brichst sie vom Lebensbaum. Bist du rasend? Nur ein Ritzchen In den weißen, zarten Arm Mit dem gift'gen Messerspitzchen, Und des Todes schöne Braut Fällt dir ohne Klagelaut. Geh zur Hölle! Was? erschrickst du Vor dem leichten Probestück? grinsend. Ich erschrecken? Ich? Hi, hi! Wenn's die heiligen zehntausend Jungfrau'n sammt und sonders wären! Aber, Meister, das verdrießt mich, Daß du meiner starken Faust Nur ein schwaches Mägdlein bietest. Warum nicht den Sbirren-Hauptmann, Mitten unter seiner Schaar? Alles, Freund, hat seine Zeit. Und, zum Teufel, welcher Teufel Hat dies Opfer sich erkoren? Still davon, ich plaudere nicht. Kein Besteller wird verrathen. Alles, was man uns vertraut, Bleibt verschwiegen und begraben, Wie Geheimniß einer Beicht'. Also vorwärts, ich begleite Dich zur Kirche, dann zum Garten. Du? wozu denn mich begleiten? Traust du meinem Muth so wenig? Das ist unsre alte Satzung! Tritt der Neuling in die Zunft, Muß der Meister, auf der Stelle, Zeuge sein der ersten That. Der Erfahrene hat Rath; Und es giebt oft schwier'ge Fälle! Wie, zum Beispiel, wird die Donna Vom Gefolge stets umschwärmt; Ist sie nimmer dir recht nah; Weißt du es nicht anzugreifen: Nur ganz leise darfst du pfeifen, Und ich bin zur Hilfe da. Alte Satzung soll man ehren! Nun wohlan, so laß uns hin! Und mein Dolch soll dich belehren, Bursche, daß ich Meister bin. Folge mir zur Kleiderkammer, Länger dürfen wir nicht zaudern. Trage mir die Dolche nach. Geht ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. allein, halblaut, in tiefer Bewegung. O allwaltendes Verhängniß! Muß der Frevel, wider Willen, Mir den Abgrund deiner Weisheit Selbstverrätherisch enthüllen! Ja, du hast mich, du erwählt; Und ich fühl', am tiefsten Innern, Deine furchtbarstrenge Führung. Er geht schweigend durchs Zimmer, bleibt in Gedanken verloren stehen. Dann mit Fassung. Nun so mag das Spiel beginnen! Ob verlieren, ob gewinnen, Ist nicht heut die Frage mehr. Meine Stunde hat geschlagen; Und das Schicksal rief mich her. Freie Faust will ich mir machen, Abellino muß allein Meister in Venedig sein; Die elenden Spießgesellen Sind zum Rabenfutter reif. Einzig werd' ich, einzig stehn, Einzig soll um meinen Willen, Wie die Welt um ihre Achse, Die Lagunenstadt sich drehn! Alle, die Verwirrung brüten, Und mit Trümmern der Gesetze Ihre Schulden decken wollen, Dolche miethen, Kuppler zahlen, Lotterbuben aller Enden Sollen künftig sich zu mir, Als der einz'gen Sonne wenden. Und ist Alles fest umsponnen, Und die Stadt von mir umgarnt: Dann urplötzlich und zermalmend, Donnr' ein Wetterstrahl von oben In das ungewarnte Nest. Und in Nord und Ost und West Fährt die wüste Brut zerstoben. draußen. Abellino! Ich erscheine! Ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Ein Garten. Seitwärts im Vordergrunde eine Rosenlaube mit einer Rasenbank. Andreas Gritti, Doge von Venedig, und Dandolo, im Lustwandeln. Den Gesandten Frankreichs, sagt Ihr, Hat mein Wort verdrossen, das ihm In der Signoria ward? War's unwürdig, war's zu hart? Warum nennet sich sein Herr Allerchristlichster der Fürsten, Er, der Türken Busenfreund, Die nach blut'gem Untergang Jedes Christenreiches dürsten? Darf ich, darf die Republik Je vergessen unsrer Schmach? Je vergessen Corfu's Jammer? Fünfzehntausend arme Christen Schleppten sie in Sklaverei, Und die Insel liegt verwüstet! Das geschah durch Frankreichs Ränke; Und der tückische Doria Sah die Landung der Barbaren, Floh mit seiner ganzen Flotte, Feig und schadenfroh, davon. Euer Zorn, durchlauchter Herzog, Allerdings grollt er gerecht. Aber ... Die Achseln zuckend. Ich versteh' Euch, Freund. Frankreich und der deutsche Kaiser Stehn uns allzuüberlegen. Doch, fürwahr! noch ist Venedig Nicht der fremden Fürsten Magd. Hundert unserer Galeeren Furchen noch den Ocean. Und aus tausend Feuerschlünden Brüllt der Löwe des St. Marcus Noch den stolzen Gegner an. Ach, der Löw' ist alt geworden, Seine Kräfte sind gebrochen; Und die Zeit, die aus der Fülle Ihres Schatzes Alles reichet, Gibt die Jugend nie zurück. Mit gewohnter Ehrfurcht schauet Noch Italien zu Euch auf. Noch hat Kaiser Karl des Schreckens Nicht vergessen, als er vor Euch In die Berge von Vicenza Zitternd und verlassen floh; Als Ihr Padua erstürmtet, Und den Paß von Serravalle. Aber wenn einst ... gnädiger Herr ... Andre Stunden, andre Sterne! Fort den Trübsinn, Dandolo! Laßt den Sterblichen verschwinden, Blüht die Menschheit doch unsterblich Wie Natur, in ew'ger Jugend. Andre werden nach uns kommen, Ihres Vaterlandes Zier, Groß und größer wohl, denn wir. bitter lächelnd. Andre? Meint Ihr unsre Helden, Die, alltäglich und allnächtlich, Hinter Flaschen Wein verschanzt, Frech die alte Tugend höhnen? Denen keiner Jungfrau Ehre, Keine Tugend heilig gilt? Die nach Ehrenstellen geizen, Um Provinzen auszuplündern, Und, mit dem erstohlnen Golde, Ungebundner Lust zu pflegen? Die in Pracht und Weichlichkeit Cyperns Wollust und Verderben Dem Lagunenstaat vererben? 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Die Vorigen. Canari kömmt. Ha, Canari! steht bei mir! Unsern Cato, unsern lieben Prokurator von San Marco, Quälet seine finstre Stunde. Ist kein David mit der Harfe Bei der Hand, den Geist zu bannen? Nicht doch, besser wirkt vielleicht Unter Rosamundens Fingern Ihres Zitherspieles Zauber. Er verzagt, weil wir ergraun, An Venedigs Herrlichkeit, An Venedigs jungem Adel. Greisenkummer, Greisengrille! Wenn wir altern und erschwachen, Dünkt die Welt uns alt und schwach. Meint Ihr, Signor Dandolo, Weil die Thränen oder Jahre Unsrer Augen Licht verdunkeln, Daß der Sonne Glanz verarmet, Und die Sterne minder funkeln? ernst. Freund Canari, redet offen; Unser Grabstein ist nicht fern: Was ist für den Staat zu hoffen? Mit dem Erbfeind aller Christen In den schwersten Krieg verflochten, Sehn wir unsre Städte fallen, Unsre Eilande verödet. Thatlos schwärmen unsre Flotten Durch das weite Mittelmeer; Denn den Schiffen fehlen Helden, Und dem Staatsschatz fehlt das Gold. Frankreich bläst des Krieges Feuer Im Palast des Sultans an; Kaiser Karl stößt schlau und treulos In die Flammen uns voran; Während Rom in tiefer Stille, Rom – das nimmer rückwärts schreitet, Priesterschaft und Laien wirbt, Adel und Gemeine kirret Und des Volkes Sinn verwirret, Um die Schranken zu zerstören, Die des Papstes Einfluß wehren. Ist das Alles? oder war Unser Staat, bei tausend Stürmen, Nie in schwererer Gefahr? Nie, so glaub' ich; denn die Alten Wußten noch, woran sich halten: Da war Muth zu jedem Wagstück, Sittenernst und Freiheitsstolz. Heut ist alles das vergessen, Und des Freistaats Majestät Von der Selbstsucht Gift zerfressen. – Alle Banden sind gelöst, Und der Körper ist verwest. Zwar noch hangen seine Glieder Leben heuchelnd an einander: Aber tragt ihn an die Luft, Und der Moder fällt zusammen. scherzhaft ängstlich. Hier ist mehr als König Saul! Wo ist David? Wo die Harfe? Spottet meiner nicht, Canari, Wenn wir, mitten im Senate, Spuren von Verschwörung wittern! In der Mitte dieser Stadt Vor Banditendolchen zittern! – Deckt nicht jede Morgensonne Dem erschrocknen Blick des Volkes Neue Gräuelwerke auf? In Kanälen und in Straßen Blutige, entstellte Leichen? Niemand weiß, wer sie entseelte, Niemand, wer die Mörder soldet. Still! ein Wörtchen im Vertrauen, Dandolo, zu Euerm Trost. Dunkle Spuren sind gefunden, Und wir schleichen leise nach. Wirklich? Ist es Staatsgeheimniß Unsrer Inquisition. Nein, bis jetzt das mein'ge einzig, Und es soll das Eure werden. Dandolo, ich denk', Ihr kennet Jenen tapfern, jungen Ritter Flodoardo von Florenz. Hm, der von den Mediceern Ward, vor siebenzehn, achtzehn Monden, Aus Toskana weggetrieben? Weggetrieben; ihm zum Ruhme, Darf ich hoffen! denn er stand dort Gleich verhaßt dem lastervollen Alexander Medicis, Wie dem Mörder dieses Herzogs, Lorenzino, dessen Vetter. Hat, als Fremdling, nun bei uns Glaub' ich, Kriegesdienst genommen? Unser Admiral Pesaro Rief ihn zu sich auf die Flotte. Aber Fremdling ist er nicht; Denn sein Name steht, gleich unserm, In das goldne Buch geschrieben. Er stammt von den Mocenighi. Und was trieb ihn nach Florenz? Schon vor mehr denn hundert Jahren Setzte bei den Florentinern Sich ein Mocenighi an. Seinen Vater kannt' ich gut. Waren beide Waffenbrüder, Dienten beid' auf gleichem Schiffe, Und er rettet' einst mein Leben, Mit Gefahr des eignen, als wir Vor den Dardanellen kreuzten. Ich gedenk' es seinem Sohn, Und will diesem Vater werden. Mög' er würdig sein der Sohnschaft! Dafür hat der kühne Jüngling Geltenden Beweis geleistet. Wißt Ihr nicht, daß er's gewesen, Der in Corfu meine Nichte, Und noch zwanzig edle Jungfrau'n, Von der Sklaverei befreite? War es dieser? Und wo ist er? Ich will ihm den Handdruck geben. Vor zehn Tagen nahm er Urlaub, Um nach Padua zu reisen. Jeden Tag erwart' ich ihn. Doch, Canari, erst vorhin Waren andre Angelegenheiten Gegenstände des Gesprächs. Von den Spuren der Verschwörung, Sagtet Ihr, die Ihr gefunden, Denen Ihr im Stillen nachschleicht ... Habt Ihr selber Euch, mit Absicht, In der Rede unterbrochen? Nein, ich habe das Geheimniß Unserm Herrn und Euch versprochen. Also eben jener ... Kömmt wer? ... Jener junge tapfre Mann, Der ... Ich höre Frauenstimmen In der Nähe. Wenn's gefällt, Gehn wir ein'ge Schritte weiter. Kommt in den Palast zurück. Sie gehn ab. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Iduella und Rosamunde von der andern Seite. Eine wunderliche Laune! Oder was hat dich verstimmt? Was getrieben, die Gesellschaft So ganz plötzlich zu verlassen? Kann ich's sagen? Schmerz und Wehmuth, – Wunderbare Bangigkeit Hat mich jählings überfallen. Kaum, nur kaum vermocht' ich, mich Lauten Weinens zu erwehren. War's die Allmacht der Musik? Waren es Erinnerungen, Die, mit ihren Geisterzungen, In den Klängen jener Saiten Da zu meiner Seele sprachen? ... Aber mir ist wieder wohl, Und ich athme leicht und heiter. Ja, wie Rosen nach dem Regen, Wenn, vom Thau der Wolken schwer, Sie das Köpfchen hangen lassen ... Zittert da nicht noch ein Tröpfchen Thränenthau dir in den Wimpern? Nicht doch! fröhlich, liebe Seele! Ihre Hand nehmend. Fort, wir müssen uns zerstreun. Weißt Du keine Neuigkeit? Keine. Aber ich! Die wäre? forschend. Daß der schöne Florentiner Bald aus Padua ... Du wendest Mir den Rücken zu? Du hörst nicht? abgewandt. Nein, ich will nichts von ihm hören. Nicht? Wie sprichst du, Wunderbare? Nichts von Deinem Retter hören? Weil du meiner spottest, weil du ... Spotten? Nennst du Warnen Spott? Und warum mich ewig warnen? Ich erkenne deine Liebe, ... Treue, liebe Iduella, ... Deine Mühen sind umsonst! Rosamunde, das klingt herbe. Du, die ich in zarter Kindheit Oft in meinem Arm gewiegt; Du, für die ich hundert Nächte, Hundert schlummerlos durchwachte; Du, an der selbst deine Mutter Fester, zärtlicher nicht hing, ... Alle meine Müh'n umsonst? sie mit Heftigkeit umarmend. O, vergib mir, Iduella, Freundin, Mutter ... o, vergib mir! Darf ich ... möcht' ich dich denn täuschen? Sollt' ich selber mich belügen? Ach, du weißt es! Alles kennst du; Ich vermag's ja nicht zu ändern. Quäle meine Seele nicht! Also weihst du eigensinnig Dich dem bodenlosen Abgrund? Bin ja glücklich, o sehr glücklich! Wie ein Trunkner, der im Taumel An des Abgrunds Rande jauchzt. – liebkosend. Laß mich dulden – schweigen hoffen. Hoffen? Armes Kind, was hoffen? Weiß ich's selber? Mit dem Mutterherzen red' ich Zu der theuern Tochter Herz; Doch vielleicht ist's allzuspät. Deine Seele glüht im Fieber Der gewalt'gen Leidenschaft. Glaub es nicht. O, meine Freundin! Wie der kalte Spiegel deine Lieben, frommen Züge, will ich Deine Lehren in mich fassen. Flodoardo floh verstoßen Von Toskana zu uns her: Nichts vom Erbtheil seiner Väter Folgte dem Verbannten nach. Er ist arm! – Ich sage arm! Und ihn nähret nur das Brod, Was sein Degen ihm verdient. Mindert das des Ritters Werth? Seinen Werth nicht; wohl dein Hoffen! Wähnst du, daß die edle Tochter Eins der alten Wahlgeschlechter, Daß die Nichte, daß die Erbin Eines Herzogs von Venedig Ihren Trauring am Altare Einem armen Kriegsmann ... Frevle nicht an meiner Seele; Denn sie liebt das Heil'ge rein. Sprach ich von Altar und Trauring? Oder gar vom Hochzeitschmucke Aus ostindischem Gewebe, Und mit Kanten von Brabant? Nie sei davon wieder Rede! Was Geburt und Stand gebieten, Weiß ich, und verehr' ich schweigend. Fest nur ruht des Staates Bau Auf dem Felsengrund der Sitte. – – Doch im Reich der Seelen scheidet Nicht des Ranges Machtgebot; Da thront Gott allein als Vater; Und die Geister stehn verbrüdert. Auch von diesem Reich, o Freundin, Bin ich hier schon Bürgerin. Still, im heiligsten Gefühle Lieb' ich, ohne Wünsch' und Ziele. Mir ist schwer, dich zu verstehn; Hast du selbst dich wohl verstanden? Doch ... nichts mehr davon ... nur Eins. Stets vergaß ich eine Frage: Ist des Ritters tapfre That Würdig schon vergolten worden? Wer ein solches Heldenleben In den Kauf für fremdes wirft, Sage an, wie zahlt man dem? verlegen. Keine Zahlung ... aber doch ... Wenn der Herzog ... selbst wenn du ... Ich? ... Mein Leben ist sein Gut. – Als er aus dem Kampf in Corfu Wieder zur Galeere kam, Und er meine Banden lös'te, ... Glänzend, wie ein Siegesengel In der Cherubs-Herrlichkeit Stand der Retter vor mir da. Ach, ich wollte Dank ihm stammeln, Konnt' es nicht ... doch er verstand mich ... Und im Wahnsinn des Entzückens Warf ich mich zu seinen Füßen, Küßt' ich des Erlösers Hand, Und des Mitleids Thräne glänzte In des stolzen Siegers Augen. Fast zuviel! Des Anstands Würde ... Doch, nach so viel Schreckenstagen, Nach so langen Todesängsten, Solche plötzliche Errettung, – Alles das entschuldigt viel! Glaub' indessen, daß auch jeder Andere Soldat soviel Und noch mehr geleistet hätte. Jeder? – O, wie irrst du sündlich! Warum gab Andrés Doria Corfu unserm Feind zum Raube? Warum floh Pesaro nach? – Einzig Flodoardo trennte Sich verwegen von der Flotte. Lange kreuzt' er um die Insel Mit der einzigen Galeere! Nächtlich setzt' er Boten aus. Dann, ... im letzten Augenblick, Als der Zug gefangner Frauen, Für den Sultan auserwählt, Schon beim düstern Schein von Fackeln, Durch das Thor der alten Burg, Jammernd zum Gestade wankte; – Alle mit gebundnen Händen, Janitscharen links und rechts In den Waffen; Allah brüllend ... Da nun – jählings, ... welches Schauspiel! Vor uns gaukelt, hart am Strande, Eine breite Flammensäule; Glühnde Wolken wirbeln auf. Dieser Brand ... es war das Schiff, Welches gen Konstantinopel Uns Gefangne tragen sollte. Todtenstille des Entsetzens Folgte jetzt. Der Zug hielt an. Drauf vernahm man fernes Lärmen, Schreien, Flintenschüsse, Jauchzen. Und, wie wenn der Sturm von weitem Durch die Wälder sich daherwälzt, Wälzte sich die Schlacht heran. Bald erblickt' ich mir zur Seite Das Gefecht, der Säbel Wüthen; Die gebrochnen Reihn der Türken; Und – mit glühndem Angesicht, Und mit einem Schwert voll Blutganz ... Flodoarden über Leichen. Er vollstreckte seine Pflicht. halblaut, aber mit Nachdruck. Als er mit den Flammenblicken Mich im Zug der Frau'n erkannte, Schrie er laut: Victoria, Die Erlauchte ist gerettet! – Meinst du, oder meinst eu nicht; War dies Alles seine Pflicht? Kind, nichts mehr davon! – Wahrhaftig Keine Silbe. Jedes Wörtchen Ist ein Windstoß in die Gluten. Kehren wir zum Saal zurück; Oder plaudern And'res; oder, Willst du lieber, bring' ich dir, In den Garten die Guitarre. Kannst du doch so gütig sein! Ja, am liebsten die Guitarre! Denn der Abend naht sich prachtvoll; Hier, auf dieser Rasenbank, Will ich, Liebe, deiner warten. Sinn' indeß auf heitern Sang. Ab. nach einer Stille, im Nachdenken. Sinnen soll ich? – Ewig kann ich sinnen; – Er nur ist's, den der Gedank' umkreis't. Er ist fern! ... die flücht'gen Stunden rinnen, Und das schöne Leben liegt verwais't. Unbeglückt, o Frühling, bleibt dein Prangen, Deines Odems Wehn ein Seufzer nur; Jede Blume schmachtet im Verlangen, Und im Brautschmuck trauert die Natur. Fehlt die Sonne ihren goldnen Sphären: O, so kann des Mondes blasse Pracht, Kann das Sternenheer uns nicht gewähren, Als – das dunkle Schauspiel einer Nacht! 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Abellino, als hochbetagter Greis, in der Tracht eines Nobili, nähert sich langsam Rosamunden. Im Hintergrunde zwischen Gebüschen wird von Zeit zu Zeit Matteo sichtbar. überrascht. Ah! wer kömmt, mich jetzt zu stören? Ein Paar altersblöde Augen, Und der Krückstab, wahrlich, taugen Schlecht zum Botendienst und Suchen. ihn mitleidig betrachtend. Signor, und wen sucht Ihr Euch? Eine Lilie ohne Stütze, Die der erste Sturm zerknickt; Eine unschuldsvolle Taube, Ueber welcher in den Lüften Schon der Falke gierig flattert; Rosamunden, die erlauchte Nichte unsers Herrn und Fürsten. Die Ihr sucht, ist leicht zu finden, Weil sie selber vor Euch steht. So betrog mich nicht die Ahnung! So viel Mild und Majestät, Einer Andern angehören? Wahrlich, nie hätt' ich's erwartet, Blumen noch für mich im Schnee Eurer Winterzeit zu finden. Doch, um Blumen mir zu senden, Habt Ihr mein wohl nicht begehrt? Nein, Signora, spottet nicht, Wenn ein Greis in Eurer Nähe Das verlorne Paradies Seines Lebens wieder sieht! – Würde doch der stille Zauber Eurer Anmuth, Eurer Tugend, Auch im kalten Marmorsteine Flammen des Gefühls entzünden, Und blutdürst'ge Tiger binden. Aber dennoch ... glaubt's, Signora, Glaubt, das größte Ungeheuer, Welches die Natur gebar, Folgt gehorsam dem Gebote Seiner Mutter, der Natur; Aber furchtbar ist der Mensch, Welcher, die Natur verlachend, Nicht der Welt mehr, nicht dem Himmel, Nur sich selbst noch angehört; Welcher einsam, wie ein Satan, Losgesprochen von der Schöpfung, Auf den Trümmern alles Schönen Seiner Selbstsucht Thron erbaut. verlegen. Ich versteh' Euch nicht ... mir graut ... leise. Grau'nvoll, freilich! Menschen sind es, Die Euch nach dem Leben trachten. lächelnd. Mir? O scherzt nicht, würd'ger Alter! Traun, Euch treibt ein Mißverständniß In die finstre Sorg' um mich. Ist vielleicht bei meinem Namen Ein unfreundlich Wort erklungen? Nun, Ihr wißt's, der Menschen Zungen Sind oft schlimmer, als ihr Herz. Engel sehen unterm Himmel Ueberall nur ihres Gleichen; Ja, auch in der Hölle selbst, Weinend nur gefallne Engel. O Signora ... hören müßt Ihr's ... Glauben müßt Ihr's ... Euerm Leben Wird von Mördern nachgestellt. bestürzt. Herr, was wollet Ihr? Euch warnen. Und wer seid Ihr? Euer Schutzgeist. Ihr nicht ... Gott wird mich bewachen! Er hat mich hieher gesandt. ängstlicher. Wer? – Ihr redet irre, Signor. Laßt mich, daß ich mich entferne. leise. Bleibet! Fürchtet nichts. Vertraut mir. Nur ein Schritt von dieser Stelle, Und der Tod hat Euch erbeutet. Redet leise! Zittert nicht! Laßt, ich bitt', Euch nichts befremden, Was in diesem Augenblicke Gräßliches begegnen kann. Dieses nur bekennt mir noch; Dies nur bei dem ew'gen Rächer Aller Schuld beschwör' ich Euch! Sprecht: habt Ihr das stolze Herz Irgend eines Mann's verhöhnt? Irgendwo die düstern Gluten Einer Eifersucht empört? Sinnt umher! Nennt mir den Namen; Denn Ihr nennt den Namen dessen, Der dem Dolche Euch geweiht hat. mit Hoheit. Was hab' ich mit Euch zu schaffen? Hebet Euch von hinnen, Alter; Ich befehle ... Nimmermehr! Höret mich! Fasset Zuversicht! Unsichtbar in dieser Nähe Schleicht der Tod schon, und der Mordstahl Gegen Eure Brust gerichtet. Flieht, wahnsinn'ger alter Mann. Nur das Mitleid hindert mich, Hilfe mir herbei zu rufen. seiner Greisenrolle vergessend, in voller Kraft aufgerichtet. Täuscht Euch nicht, erlauchtes Fräulein! Euer Schutzgeist wird nicht weichen. Fasset Muth, die Macht der Hölle Soll kein Haar von Euerm Haupte Krümmen dürfen, keins entweihn! mit Grausen. Gott im Himmel, – Mensch, wer bist du? Abellino ist mein Name. Heilige, gedenket seiner, Wenn Venedig ihn verdammt. Unmensch, möchtest du mich morden? Hilfe! drängt sie gewaltsam in die Laube. Still, Unglückliche! Er pfeift. 8. Auftritt Achter Auftritt. fährt mit gezucktem Dolch, in großen Sätzen, gegen die Laube. Wozu rufst du Kerl? indem er ihn niedersticht. Zum Tode! taumelt neben der Laube zu Boden. Ei, Verruchter! auf die Rasenbank gesunken, mit matter Stimme. Hilfe! Hilfe! sterbend. Abellino! – falscher Satan ... Spießgesell der Pestilenz, Fluchst du Abellino noch? Nun, der Fluch des Teufels gilt fast Einem Gottessegen gleich. Zu seinem Dolch, indem er ihn betrachtet und verbirgt. Blut'ger Stahl, du bist geheiligt! Seine Blicke fallen auf Matteo und Rosamunde. Welch ein Anblick! Wunderbar! Dort der Menschheit Schlamm und Hefe, Hier die reinste ihrer Blüten! Wie? die Beiden Eines Stammes Vom Geschlecht der Sterblichen? O fürwahr, nicht halb so weit Liegen, wie es Manchem dünket, Höll und Himmel auseinander; Ihre Grenzen stoßen hart In der Menschenbrust zusammen. Er blickt schweigend auf die Ohnmächtige nieder, kniet und spricht halblaut. Rosamunde! – Rosamunde! Schönes Ebenbild des Todes, Lächle neu das Leben an. Ach, daß du mich Mörder nanntest! Daß du mich so schwer verkanntest, Mich, der, Heilige, für dich Tausend Tode sterben kann! – – Still! – sie regt sich! – sie erwacht! Und das Rosenlicht des Lebens Fließt um ihre Wangen wieder. – Nun, ade, du Auserwählte! Mein, für Zeit und Ewigkeit, Mein bleibst du! In dieser Stunde Hab' ich dich zur Braut geweiht! Nobili und Fürsten buhlen Wohl um diese schöne Hand, Und dies stolze, edle Herz – – Was sie Alle nicht erringen, Soll sich der Bandit erzwingen. von Ohnmacht genesend. Iduella! – Iduella! Sie starrt mit Grausen den Knieenden an. Ha, du noch? – Entsetzlicher! ehrfurchtvoll. Abellino's treue Faust Hat dem Abgrund Euch entrissen. mit abgewandtem Gesicht auf den Leichnam deutend. Meuchelmörder, – Meuchelmörder! Edle Frau, ich habe da Einen garst'gen Wurm zertreten, Der ins Herz der reinsten Rose Sich des Gifts entleeren wollte. O Signora ... Fleuch von hinnen! ihre Hand ergreifend. Blickt mit Gnaden auf mich nieder indem sie aufspringt. Bösewicht! ihre Hand küssend. Lebt wohl! Lebt wohl! die Hand befreiend. Ungeheuer, tödte mich; – Nur besudle nicht der Pesthauch Deines Mundes meinen Leib! Laß mich fahren! – Hilfe! Hilfe! springt auf, und indem er schnell umherschaut. Lebet wohl, wir sehn uns wieder! Entflieht in den Hintergrund. flüchtet nach einer andern Seite. 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Canari und Iduella von entgegengesetzten Seiten einander begegnend. Ah, das nenn' ich wohlgetroffen! Nur ein Wörtchen! Ist's erlaubt, Vom Befinden Eures Fräuleins Nach dem Abenteuer gestern ... Sie hat sanft die Nacht geruht; Und vom tödtlichen Entsetzen Blieb ihr keine Spur zurück. Eine kühn're Heldenseele Hat vielleicht auf Erden nie Einen zarten Leib bewohnt. Grenzenlos war mein Erstaunen, Als sie diesen Morgen schon Scherzend, zu der Laute Klang, Uns ihr Abenteuer sang. Herrlich! Eures Zöglings würdig! Nur die höchste Lebensweisheit, Oder bloß die reinste Unschuld, Dürfen, größer als das Schicksal, Harmlos mit dem Schicksal scherzen. Ist der beispiellose Frevler, – Abellino, glaub' ich, heißt er, – Schon entdeckt, schon eingefangen? Nichts! er ist und bleibt entronnen. Der versteht sich meisterlich, Scheint es, auf die schwarze Kunst. Denn, beim ersten Lärmen, wurden Alle Pforten flugs geschlossen, Alle Gondeln losgebunden, Alle Winkel ausgesucht Keine Spur, er blieb verschwunden. Doch man sagt mir, diese Nacht Sei der große Fang vollbracht, Den die Staats-Inquisitoren Lange schon vergebens wünschten; Und das wüste Mordgesindel, Welches unsichtbar, seit Monden, Uns erschreckte, sei erhascht. Richtig, Alles ist gefangen, Schon verhört und bald gehangen, Nach Venedigs guter Art. Leider war ihr Spießgesell Abellino nicht darunter. Aber wißt Ihr, was nicht minder Mich an der Geschichte freut? Und das wäre? Das kein Andrer, Als der junge, muth'ge Ritter, Flodoardo von Florenz, Das verborgne Nest entdeckte, Und, mit Wagung seines Lebens, Jene Ottern lebend fing. Er? – ist wieder in Venedig? Wunderschnell bekränzt er sich Mit dem Lorbeer der Verdienste, Wie kaum einer unsers Adels. Seid gerecht, und sagt, wie Keiner. Seine Waffenthat auf Corfu Hat zu ew'gen Schuldnern ihm Viel der edelsten Geschlechter, Und den Dogen selbst, gemacht. Aber das gelungne Wagstück In der Höhle der Banditen, Für Venedigs Sicherheit, Trägt ihm nun sogar den Namen Unsrer Republik ins Schuldbuch. Wahrlich, dieser seltne Mann Wagt zuletzt das Niegewagte, Und – den Kühnen liebt das Glück. Wohl! Er mag vom Glücke sagen. Eine Spanne weiter rechts, Und die Kugel eines Strolchs Wäre ihm durch's Herz geschlagen. Wie? der Ritter ist verwundet? Kleinigkeit. Zwei Tropfen Bluts! Nur ein Streifschuß links am Arm. sich beurlaubend. Eure Herrlichkeit verzeihn; – Diese Botschaft ist zu wichtig, Daß ich selbst sie nicht zuerst Rosamunden bringen sollte. Ab. allein. Frau'n gebührt das Heroldsamt, Nicht den Männern. Sie verstehen es, Uebles zierlich zu umschleiern, Schönes zehnfach zu verschönern ... Nun zum Dogen! 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Canari und Flodoardo. Ha, willkommen! Ihr verwöhnt uns, Flodoardo, Euch, nach einer Trennung, niemals Anders wieder zu erblicken, Als geschmückt mit neuer Großthat. Eure Herrlichkeit ... Seit wann Kamt Ihr heim aus Padua? Um die Vesperstunde gestern. Wie? so spät? und habt, kaum etwas Später, die Banditen schon Ausgestöbert, eingeschlossen, Aufgehoben, weggeschleppt? Unter uns gesprochen, treibt Ihr Nicht ein wenig Hexerei? – Leider unter unserm Adel Sind der Hexenmeister wenig! Darum ist auch ganz Venedig Eures Ruhmes heute voll. Eure Herrlichkeit beliebt ... mit steigender Wärme. Was da » Herrlichkeit? « – die Hand her, Edler Jüngling! Nicht die Hand her, – Her das Herz, das Heldenherz! Er umarmt ihn. Gott mit dir, du tapfrer Degen! Nenne mich nicht Herrlichkeit – Vater nenn' mich, das bin ich! Sieh, dein Vater, dem du gleichest, Einst war er mein andres Ich; Nun erbt meine Lieb' auf dich. ihn gerührt umarmend. O schon längst lieh ich im Herzen Dankbar Euch den Vaternamen. Denn wer nahm sich meiner an, Als ich, ein verbannter Flüchtling, Wieder nach Venedig kam? Als ich unbekannt und einsam, In der Heimath meiner Ahnen, Ein verlorner Fremdling stand? Wer hat ... Ei, was fragst du mich? Weiß ich denn ein Wort von Allem? Also still davon, mein Sohn, Still! – Hingegen eine Bitte: Weil der Vater auch den Umgang Seines Sohnes gern genösse – Er ist alt, und alte Herrn, Weißt du, plaudern gern ihr Stündchen – Mußt du, ohne Widerrede, Haus und Tafel mit mir theilen. Hand her! Mir geziemt Gehorsam. Schön, das Bündniß bleibt geschlossen, Und es gelte bis zum Tode. – Hat der Doge dich gesprochen? Nein; berufen ließ er mich. Seine Hoffnung baut auf dich. Ach, noch hab' ich nichts geleistet ... Als genug war, die Erwartung Zu noch Höherem zu steigern. Du hast Kraft; Wir haben Macht, Jede Bahn dir aufzuriegeln, Die den Mann zum Ruhme führt. Lieber Freund, versäume nicht, Heute deine Ehrerbietung Rosamunden zu bezeugen. Denn mit ungewohntem Antheil, Sagen sollt' ich fast, mit Wärme, Sprach des Dogen edle Nichte Gestern uns von dir, und ... Er unterbricht sich, betrachtet eine Weile schweigend Flodoarden, dem er einige Schritte näher tritt. verlegen, indem er Canari's Aufmerksamkeit ausweicht. Wirklich? Allerdings ... noch heut ... ich werde ... Was erblick' ich? wie vorhin. Was bemerkt Ihr? ernst. Tief hinab glaubt' ich zu schaun, In den glühnden Boden eines Heimlichen Vulkans. – Es brannte Flammenhell auf deinem Antlitz Bei dem Namen Rosamundens. – Sah ich recht? Sah ich im Abgrund Deines Innern jenen Brand Einer Leidenschaft, die dich nur ... Lähmen, nur – entehren könnte! fest. Mich entehren? Nein, Ihr irrt. Nun, so röthete die Wangen Dir der bloße Wiederschein Von dem Flammenschwert des Cherub, Der dein beßres Selbst bewacht. Er nimmt Flodoardo's Hand in die seine. Freund, du gabst mir Vaterrecht. Laß mich's üben! – Offenherzig, Was verrieth denn dies Erröthen, Als ich Rosamunden nannte? Liebst du sie? – – Nach einer Pause, in der er Antwort erwartet. Unglücklicher! Dann brich auf und rette dich; Rette dich, wenn du noch kannst, Vor dir selbst! – Sei deiner würdig. Meint Ihr, daß es mich entwürd'ge, Wenn ich jener Herrlichen Nicht die Huldigung versage, Die ihr ganz Venedig bringt? läßt Flodoardo's Hand fallen. Ich verstehe dich. – So hätt' ich Dennoch mich in dir getäuscht? Dieser Schwäche, dieser Thorheit Glaubt' ich nimmermehr dich fähig. Sohn, verzeih es, wenn dein Vater, Mit dem vollen Vaterherzen Warnend, sorgend zu dir spricht! Weißt du denn, wohin empor Deines Wahnsinns stolzer Blick Sich erheben will? – es warben Schon Italiens Fürstensöhne Um Andreas Gritti's Nichte; Schon die Söhne von Venedigs Alleredelsten Geschlechtern. Rosamunde, jeder Fürstin An Geburt und Reichthum gleich, Wies die Werbenden zurück. Denn ihr Oheim, zweifle nicht, Hat die Hand der schönen Nichte Einem Mächtigern bestimmt. düster. Sei es! Ich steh' ohne Anspruch. Hüte sehr dich, fremden Augen Deine Schwachheit auszuplaudern; Denn entweder straft dich schwer Das Gelächter aller Spötter, Oder plötzliche Verbannung. Mich erschrecken beide nicht. seine Hand nehmend. Sohn, mein Sohn, sei deiner würdig! Kämpfe kühn den schwersten Kampf, Laß, von dieser Leidenschaft, Deinen freigebornen Geist Nicht zu früh in Ketten schlagen; Sie wird deiner besten That Des Verdienstes Kranz entreißen. Freilich, auch die Liebe, sagt man, Kann zum Heldenwerk begeistern. Und warum die Liebe nur? Auch die Rachgier; auch Verzweiflung, Auch der Trunkenbold im Rausche, Kann vollbringen, was der Held; Auch der Söldner stirbt für Geld; Ja doch, Sumpfluft leuchtet! Aber Sumpflicht ist kein Himmelslicht. Was durch die Jahrhunderte Will in ew'gem Glanze flammen, Muß aus höhern Welten stammen, Wo die Tugend, frei und herrlich, Fremd dem Staube, ihre Fahne Für die Gottessache schwingt. Still, dort drüben, durch die Hallen, Tritt der Herzog schon heran. Laß uns ihm entgegen eilen. Ab. allein. Was ist Macht, was Gold und Weltruhm? Armes Spielzeug armer Seelen, Die des Himmlischen entbehren. Rosamunde, – ein Gedanke Nur an Dich, du Wunderbare, Und die Güter dieses Lebens Fallen tief in ihrem Werth. Mich durchschauert Gotteskraft, Die aus mir ein höh'res Wesen, Zu dem Höchsten auserlesen, Und zum Schwersten mächtig, schafft. Laß mich kämpfen, – laß mich ringen! Kann ich auch mein höchstes Gut, Kann ich's endlich nicht erschwingen: O so gilt mir, für's Gelingen, Doch des Wollens stolzer Muth! 3. Auftritt Dritter Auftritt. Der Doge. Canari. Flodoardo. dem Dogen entgegeneilend. Gnäd'ger Fürst ... durchlauchter Herzog ... Flodoardo Mocenigho, Seid uns im Palast willkommen. Dankbar grüßt, durch meinen Mund, Euch das Volk der hundert Inseln. Der Senat der Republik, Willig, das Verdienst zu krönen, Wird mit Markus goldnem Orden Euer doppeltes belohnen. Pflichten gegen Vaterland Sind nur Schulden, nicht Verdienste. Wer, wie ich, die Schuld entrichtet, Hat nichts Uebriges gethan. Die Banditen hatten jede Oeffentliche Sicherheit Der Lagunen aufgehoben. Wie von ganz Italien, Wurden sie Venedigs Plage. Ihre blut'ge Gilde wußte Sich in eine Nacht zu hüllen, Deren Finsterniß sogar Auch dem Auge von Venedigs Weltberühmter Polizei Undurchdringlich worden war. Ueberraschend habt Ihr aber Euern Meisterstreich vollführt. Was geschehn ist, scheint mir wenig, Für die Sicherheit des Staates. Denn da, wo sich Raben sammeln, Muß ein Aas sein, das sie lockt. Wäre dieses erst entdeckt, Läg's im Grund des Meer's vergraben: Ohne anders flöhn die Raben. Ihr sprecht räthselhaft, in Bildern. Redet klar. Vermuthet Ihr Böse Geister andrer Art, Die im Staat Verderben brüten, Und das Mordgesindel locken? Laßt mich schweigen, gnäd'ger Herr. Warum sollt' ich Argwohn säen? Schlimmer, als die schlimmste Wahrheit Ist der Glaube des Verdachts. Würde meiner Ahnung aber Jemals das, wovon sie nur Noch der Schatten ist, begegnen ... Wohl! Ich bau' auf Eure Treue. Habt Ihr Kunde von dem Gauner, Den sie Abellino nennen? Keine andre, als das Zeugniß Der Banditen auf der Folter, Daß er Ihrer einer sei; Was ich ohnehin schon wußte. Wahrlich, jedes andre Beispiel Von vermessener Verruchtheit Bleibet hinter dieses Menschen That von gestern weit zurück; Und ein Wunder, daß das Schrecken Bei dem grauenvollen Schauspiel Nicht das Leben meiner armen Rosamund' auf ewig brach. Er beschleicht sie; überfällt sie; Nennt sich ihren Engel; spricht, Glaub' ich, gar von seiner Liebe; – Dann, da sie um Hilfe schreit, Und ein fremder Mann herbeieilt, Sticht er meuchlings diesen nieder, Und wird plötzlich unsichtbar. War's Verrücktheit oder Frechheit? Für die Frechheit scheint der Frevel Mir zu albern und zu planlos; Für Verrücktheit allzuklug. War der Mensch des süßen Weins voll, Konnt' er Eins und Andres sein. Wahnsinn und Schamlosigkeit Sind ja für den trunknen Zecher Stets die Neig' im leeren Becher. Uebrigens der Tollkopf wird Seinem Galgen nicht entwischen. Er, allein noch von der wüsten Bande, streicht jetzt frei umher. Ohne Zweifel hielt ich ihn Mit dem andern Volk gefangen; Aber finster war's im Schlupfloch. Plötzlich hörte man die Scheiben Eines Fensters klirrend springen. Die Soldaten stürzten nach, Und erkannten hell im Mondschein Eines Fliehenden Gewand. In Venedig wird er schwerlich Sein Gewerbe länger treiben; Denn der Armensünder-Glocke Dumpfer Ton hat ihm das Schicksal Seiner Bande heut verkündet, Und das seine ihm geweissagt. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Die Vorigen und Dandolo mit einem Papier in der Hand. Ha, Freund Dandolo! willkommen! Seht, wie finster ist sein Gruß. Keine schwarze Wetterwolke, Welche Hagelschauer trägt, Wie sie stumm von ferne steht, Droht so düster. – Nun, was gibt es? Wie Ihr's saget: Hagelschauer. Stets der alte Hiobsbote! Ja, ein Hagelschauer ist's, Der die Sicherheit der Stadt, Der die Freude jedes Hauses, Der die Ehre unsrer Namen, Der den Ruhm der wohlbewährten Alten Ordnungen des Staats Niederschlägt, wie dürre Halmen! Redet, gebt die bittre Neuheit Uns nicht tropfenweis zu trinken. Gnädiger Herr, ein einz'ger Mann Spottet unsrer Macht und Vorsicht; Füllt die Stadt mit Schrecken an. Er bedroht in offner Fehde Zehner-Rath und Signoria. – Abellino ist sein Name. Urtheilt! eben diese Nacht, Da die Rotte der Banditen Ihren Untergang gefunden, Schlug er furchtlos Aufrufzettel An die Kirche von St. Marcus, An das Thor des Arsenals, Und bei der Rialto-Brücke, Selbst an Euern Palast an. Ei, das klingt mir fast, als spiele Satan bei uns Karneval. Wollt Ihr's, gnäd'ger Herr, gestatten, Les' ich diesen Zettel ab. Wie's beliebt. lesend. »Venetianer! Leider sah die letzte Nacht Unsre tapfern Bravo's Alle Zu der Seufzerbrücke wandeln. Alle starben heldenmüthig Durch die Rache unsrer Feinde. Darum aber zage Niemand. Einer lebt noch, der bin Ich! Wer mich anruft, soll mich finden; Wer mich haschen will – den Dolch. Kommt! – Ich sehne mich, die Schatten Meiner Brüder in dem Blute Der Tyrannen zu versöhnen. Mög' es Dog' und Signoria, Zehner-Rath und Jeder wissen; Keinen fürcht' ich. Abellino.« nach einiger Stille. Ist der Blutmensch Abellino Keinem Irrenhaus entlaufen: So äfft uns durch ihn die Hölle. Er, der gestern noch es wagte, Gleichsam unter unsern Augen Eine Mordthat zu vollbringen, – Beispielloser Frevelmuth? – Heute, mitten unter uns, Ruft der Gaunerkönig höhnend, Vor dem Angesicht Europa's, Unsre Ohnmacht aus und Schande. Tausend biet' ich der Zechinen, Aus dem eignen Schatze, jedem, Der das Ungeheuer tödtet. Dandolo, – Canari, folgt mir, Die Pregadi sind versammelt. Euch, Herr Ritter, werd' ich bei mir An der Tafel heut erwarten. Mit Dandolo und Canari ab. allein. Eine Handvoll rothen Goldes Will er um das Wagstück bieten? Und nicht mehr. – Gibt es nichts Beßres? Ach, der Welt verwöhnter Sinn Kennt nichts Edleres, als Gold. Was dem Menschen die Natur Als ihr Schönstes angewiesen: Leben, Liebe, Ruhm und Tugend ... Alles wiegt – ein Goldstück auf. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Rosamunde und Flodoardo. betroffen. Signor ... eben so. Mein erlauchtes Fräulein ... Ah, wie bin ich überrascht! Eben, Signor, war't Ihr noch Mein Gespräch mit Iduella. Doch wir ahneten so nah uns Nicht den Helden dieses Tages. Ueberglücklich preis' ich mich, Im Geheimniß Eurer Seele Fortzuleben, ... mit verbindlichem Lächeln. Mein Herr Ritter, Wohl beneidenswürdig wäret Ihr, Wenn Euch das beglücken könnte! Denn, so lang' ich nicht vergesse, Daß ich Ehre, Freiheit, Leben, Euerm Muthe danken muß, Werdet Ihr in vollem Maße Jenes Ueberglücks genießen. Fast indessen will es scheinen, Ist's mit der Genügsamkeit, Die Ihr äußert, kaum ein Ernst. Es sind angenehme Worte. Worte tauscht man aus wie Münzen, Achtet einzig aufs Gepräge, Wenig auf den innern Werth. Doch zuletzt bei Tausch und Täuschung Findet jeder seine Rechnung. Glaubt Ihr? – Gönnet mir's, zu zweifeln. Keiner lernet vom Gepräge Schöner Worte, schöner Münzen, Wie er steht, wie reich er ist. Niemand auch, der leicht sich dünket, Weiß dabei, wie arm er ist: Alles wohnt in Täuschung glücklich. Doch die Täuschung, die uns treu bleibt, Gilt der besten Wahrheit gleich. mit wachsender Lebhaftigkeit. Nimmermehr. O, das ist Hofgeist, Denkart aus der feinen Welt; Oder eines Menschenfeindes, Dessen Herz die Welt belog. Nein, der Thau der Morgenröthe, Wenn er auf der Lilie bebt, Glänzt so lauter nicht, so klar, Wie in Stimme, Blick und Zügen Euer ganzes Wesen lebt. Dieses Aug', aus dem der Himmel Reiner Güt' und Unschuld lächelt, – Warum wollt' es denn betrügen? O wenn solche Lippen lügen, Glaub' ich keinem Himmel mehr. Alles Heil'ge, alles Wahre, Ist dann hohle Gaukelei; Und die Tugend bloß ein Irrlicht Uns'rer kranken Phantasie. Welch ein Aufruhr eines armen, Mißverstandnen Wörtchens willen! Sagt' ich denn, ich woll' Euch täuschen? Würd' ich's dürfen, wenn ich's wollte? Wer in Wahn und Täuschung fällt, Hat sich, glaubt es, seine Falle Meist mit eigner Hand gestellt. Nun denn, mag auf dieser Erde Alles eitel Blendwerk sein, Und der blöde Geist oft irren: Doch das Wahre, doch das Schöne Und das Heil'ge ist kein Wahn. Darum will ich an Euch glauben, Und in diesem Glauben mich, Ueber Wahn und Trug im Leben, Zu dem Wahren und dem Schönen, Und dem Heiligen erheben. verlegen und erröthend, indem sie eine Rose von ihrem Busen nimmt und damit spielt. Lieber Ritter ... wenn ich ... laßt uns Dies Gespräch ... und diese Richtung ... Meine Hochachtung für Euch Will mir nicht erlauben ... Ritter ... Worte, wie die Euern, schwächen Meine Zuversicht in Euch. betreten. Fräulein, Ihr verkennt mich schwer! Treues Zeugniß von dem Innern Meines Herzens legt' ich ab; – Und Ihr wähnt, gemeines Schmeicheln Eines Höflings anzuhören; Und vermengt mich mit dem Haufen Fader Süßlinge, die Euch Täglich ihren Weihrauch opfern. Oder, was in meinen Worten Hat die Achtung, die die Welt, Hat die Ehrfurcht, die mein Herz Für Euch fordern kann, verletzt? Euer Mißtraun ... nehmt es von mir, Denn es stürzt mich in Verzweiflung. Nicht doch! Warum gebt Ihr Meiner Rede diesen Sinn? Nein ... nur wenn Ihr jene Sprache Schwärmerischer Trunkenheit ... Mein Verhältniß, und ... das Eure ... mit Ehrerbietung. Niemals werd' ich mich vermessen Fräulein, Eurer Fürstlichkeit, Und der Stellung zu vergessen, Daß Ihr meine Herrin seid. lebhaft. Nein! O das nicht! Warum zürnet Ihr? Warum spottet Ihr mich Herrin? – – Edler Retter meines Lebens, Ich beschwör' Euch, seid nicht grausam. Sprecht, was fordr' ich denn? Nur Schonung, Nur Beachtung einer Grenze, Die um uns die Sitte zog; Einen heiteren Verkehr nur Zwischen Euch und mir, den nicht Die Verleumdung lästern darf. Zweifelt nicht an meines Herzens Ewiger Erkenntlichkeit. Mein Gebet preis't Euch vor Gott Flodoardo Mocenigho, Nein, verkennet mich nicht länger, Glaubet mich nicht undankbar. Viel schon habe ich gesonnen, Nicht, wie ich vergelten könne, Was Ihr einst für mich gewagt; Sondern einzig ... Haltet ein! Könnt' Ihr mich betrüben wollen? Nichts hab' ich für Euch gewagt. Nichts, als Euer eignes Leben. Es gehörte mir nicht an, Seit ich Euch gesehen hatte. Nun, verschmähet Euer Stolz denn Die Beweise meines Dankes, O so, bitt' ich, helft mir sinnen, Daß ich Euch ein Zeichen gebe, Wie ich, edler Mann, Euch ehre. schüchtern. Darf ich kühn ein Zeichen fordern, Nur ein Zeichen Eurer Huld? Sorglicher, als je ein König Seinen Schatz bewachen ließ, Als die Kirch' ihr Heiligthum, Werd' ich's hüten und bewahren. Wie die Andacht vor dem Bilde Ihres Heil'gen kniet und betet, Will ich, wenn ich Euch nicht sehe, Vor der Gabe Eurer Hand Meinen Geist zu Euch erheben ... Darf ich ... Fräulein ... darf ich fordern? Und was muß ich ... Diese Rose, Die in Euern Händen blüht! Diese Blume nur? Betrachtet Die Bedeutungsvolle wohl. Nicht umsonst führt sie den Namen Einer Königin der Blumen, Denn sie trägt die schönen Farben Dessen, was die Welt beherrscht. Diese süße Glut, im Innern Ihres Busens, nennt sich Halblaut. Liebe; Und das dunkle Grün der Blätter Deutet auf die stille Hoffnung. erröthend. Warum wollt Ihr ... warum wendet Ihr Euch stets zu dieser Sprache? Ritter ... müßt' ich den Tod Für Euch wandeln, o wie freudig! Aber ... nur nicht diese Sprache! Wählt, erhöret meine Bitte, Wählt Euch Andres ... zu ihren Füßen mit flehender Stimme. Diese Rose! hinwegblickend. Stehet auf, so sollen wir Nicht beisammen sein. Verstoßt mich, Aber lasset mir die Rose, Und die Blume wird mich trösten, Wird zu dem Verbannten sagen: Rosamunde denket dein! Darf ich ... Er streckt die Hand zur Blume. will ihm die Blume rasch entziehen. Die Rose fällt vom Stengel zu Boden. Ach! Sie ist gebrochen! nimmt die Rose von der Erde, steht auf und betrachtet schweigend die Blume. Ach, ihr laßt mir wohl die Liebe, Aber traurig – ohne Hoffnung! halblaut mit gesenkten Augen. Und die Ros' habt Ihr genommen, Sie drückt den grünen Stengel an ihre Brust. Und – die Dornen mir gelassen. Nein, laßt mich die Dornen tragen, Gebt sie mir, und mir die Hoffnung! O, ich will die Schmerzen segnen, Welche solche Hoffnung bringen. traurig. Bald verdorrt das grüne Laub, Und die Rose wird entblättert; Nur die Dornen bleiben immer! Nur die Dornen! – Wehe mir! Sie verhüllt das Gesicht. mit ängstlichem Ungestüm. Fräulein! Fräulein! – Höret mich! Nein, ich wollt' Euch nicht beleid'gen. O verzeiht. Ich war im Wahnsinn In den tiefsten Abgrund wünsch' ich Meine Unbesonnenheit und mich. Weinet nicht. Denn jede Zähre Steigert meine Schuld und klagt Meinen Frevel herber an. Ich will fliehn mit meiner Liebe In die weite, öde Welt; Will, die Sünde abzubüßen, Ewig Euer Antlitz meiden. – Wein't nicht! Lebet wohl! Verzeiht! ihn anlächelnd. Zögert einen Augenblick! – Thränen sind der Zoll der Schwäche. Und Ihr waret nur der Zeuge Weiblicher Gebrechlichkeit. Kaum noch Eurer Achtung würdig, Steh' ich hier vor Euch verrathen. – Ja, Ihr wißt, an wen ich glaube! Unter allen Sterblichen Hab' ich meine Ruh' und Ehre Euch, nur Euch anheimgestellt. Ja, Ihr wißt, in wem ich lebe; Daß mir Erd' und Himmel nun Keine Lust und Freude spenden, Als durch Euch, aus Euern Händen. Nun übt Großmuth, edler Freund, Großmuth ist des Mannes Krone! Tief vergrabt in Eurer Brust, Das Geheimniß meiner Leiden, Das Geheimniß meiner Lust. Liebt mich, wie die Gottheit liebt, Nur durch Thaten, ohne Worte. Plaudert mit ihr in Gedanken, Früh und spät, in allen Träumen; Aber stumm bleib' Eure Lippe, Still, wie der verschwieg'ne Tod. Selbst die Augen laßt verstummen. Gleich beschneieten Vulkanen, Tragt das Herz voll ew'ger Flammen, – Aber Blicke, kalt, wie Eis ... Nun lebt wohl! Man wird mich suchen! Sie will sich entfernen. Einen Augenblick verweilt! Denn ich träume, fiebre, schwindle! Weiß nicht, ob Ihr selbst es seid, Oder ob ein schöner Wahnsinn Zaubereien vor mir treibt? Er kniet und küßt ihre Hand. Laßt die treue Wirklichkeit Meine Sinne überwiegen ... Rosamund'! es ist kein Wahn. Ja, der Himmel aller Sel'gen Ist mir Sel'gen aufgethan, entzieht sich und geht einige Schritte. Lebet wohl! – Ich höre Rauschen. Sorgt, daß Ungeweihte nicht Mit Verrätherohren lauschen! steht auf. Eins nur! – Ach, das Eine noch! Liebe gabt Ihr mir und Glauben, – Nur die Hoffnung wollt Ihr rauben? der Rosenstengel zittert in ihrer Hand. Sie läßt ihn fallen und geht langsam zur Thür, von der sie gekommen war. hebt ihn auf, drückt ihn an sein Herz, und eilt zum Hintergrunde nach der entgegengesetzten Seite. Auch die Hoffnung läßt sie mir! Er bleibt stehen, wendet sich und streckt die Arme nach Rosamunden. Rosamunde! sieht, stehen bleibend, zurück. Flodoardo! Sie läßt die halberhobenen Arme mit einem Seufzer sinken und entfernt sich schnell. Eben so Flodoardo auf der andern Seite. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Im Zimmer des Signor Parozzi. Auf dem Tische Weinflaschen und Gläser. Parozzi und Memmo treten ein. Seid verdammt, Ihr trägen Schnecken! Einer heute, Einer morgen, Und ist doch so viel zu thun! Ist dein Pförtner sicher drunten? Kennt er unsre Leute wohl! Daß kein ungebetner Gast Uns im Besten überrumple? Der ist wohlverwahrt. Sei ruhig Brüderchen, was gibt es Neues? Höllenlärmen in der Stadt! Unsre Bravo's sind gehangen. Friede sei mit ihrer Asche. Und das Beste: In den Foltern Sagte Keiner auf uns aus. Ja, der Einz'ge, der uns kannte, Fiel durch fremden Dolch zuerst, Durch den Teufel Abellino. Richtig! Der mit Anschlagszetteln ... Das ist weltbekannter Plunder! Sonst nichts Neues? Die Geschichte In dem Dolabella-Garten ... Alte längstverlegne Waare! Brüderlein, hier unter uns: Sage ehrlich, hast du wirklich Den Matteo hingeschickt? Und wohin? Ei, du verstehst mich! Um des Dogen spröde Nichte Für das Körbchen abzustrafen, Das sie, glaub' ich, dir gelieh'n. auffahrend. Mensch, wer hat dir das gelogen? Ei, ich dacht' es nur bei mir. Du verdientest, in Gesellschaft Deiner albernen Gedanken, Einen Pfahl und einen Strick. Nun, man weiß ja doch, Parozzi, Daß du ihr den Hof gemacht; Daß ... Nichts weißt du, sag' ich, nichts! Aber willst du etwas wissen, Mag ich's dir wohl anvertrau'n. Doch sub rosa! Und ich hab' es Aus unmittelbarer Quelle, Vom Bandit Matteo selbst. So erzähl'; ich kann ja schweigen. Früher oder später wird Die Signora dennoch endlich In die bess're Welt verschickt. Denn sie weiß um ein Geheimniß, Welches, würd' es je verrathen, Einen großen heil'gen Namen An den Pranger schlägt. Nun ist Weiberzungen nicht zu trau'n, Wenn sie ein Geheimniß brennt. Weiter doch, ich bin ganz Ohr. Unser frommer Herr Abbate, Dessen andachtsvoller Wandel Jedes Christenherz erbaut, Dessen Wort und heil'ge Hand Wunder unter uns verrichtet ... Heil'ge haben Fleisch und Blut, Haben ihre schwachen Stündchen, Gleich uns Kindern dieser Welt! – Ließ vom bösen Geist sich plagen, Sich, als Seelenbräutigam, Rosamunden anzutragen. hämisch lachend. Ei verflucht! Darauf begab's sich, Beide waren jüngst beisammen, Ob zum Beichten oder Beten Ist mir wahrlich unbekannt; ... Kurz, der Heil'ge kam in Flammen. Und vergaß sich so, daß er ... Still! Mich dünkt, ich höre kommen. Er geht gegen die Thür. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Die Vorigen. Falieri. Ha, bist du's? Warum so spät? Nun fehlt uns noch Contarino Und Abbate Tolomeo. Wartet nicht auf Tolomeo, Denn er ist beim Nuntius. Um den Handel abzuschließen, Den wir gestern ihm geboten? Alles, Alles geht vortrefflich. Schon die meisten Klöster wirken Für uns thätig auf das Volk. Rom verleiht uns Gold und Segen Für die Hoffnung, daß wir bald Die Gewalt des heil'gen Stuhls In Venedig mehren werden. Auch das Arsenal ist unser, Jeden Tag, wann wir es fordern. Wirklich? O du Tausendkünstler! Ist der alte, blöde Fuchs In die Eisen dir gelaufen? Sprich doch! Er hat angebissen! Lange sperrte sich der Hauptmann! Endlich rollt' ich sein Gewissen Ohne Müh, wie einen Faden, Ueber hundert kleine Rollen Voller goldenen Dukaten. Und nicht zu vergessen, Leutchen, Immer ärger schimpft Janhagel Auf den Dogen und sein Kleeblatt. Seht doch, heißt es, den Tyrannen! Herrscht er nicht mit Eigenmacht Unbedingter, als ein König? Müssen nicht die Signoria, Die Pregadi und Quaranti, Und die Savi und die Capi, Stumm nach seinem Pfeifchen tanzen? Sind nicht die Inquisitoren, Und der ganze Zehner-Rath Sammt und sonders, Gliederpuppen, Welche die Holzköpfe schütteln, Heben, bücken, nicken lassen, Wie er sie am Drahte zupft? Alle Karten liegen gut! Nur einmal das Spiel begonnen! Doch bei Bechern nicht und Mädchen, Und nicht an der Pharobank, Wird die Kraft der Republik, Und die Freiheit hergestellt. Kinder, es ist hohe Zeit! Täglich stürzen wir uns tiefer In das weite Meer der Schulden, Wo zuletzt der beste Schwimmer Jämmerlich ertrinken kann. Freilich; ja! Das sag' ich immer, Morgens aus den schönsten Träumen Pochen Gläubiger mich wach! Abends schläfern sie mich wieder Mit Jeremiaden, ein. Sämmtlich sind wir Patienten In dem gleichen Lazareth. Seht Ihr, sagt' ich Euch nicht immer: Lasset uns fein züchtig leben? Aber das war Wind in Wind. Kyrie Eleïson! Schweigt von Eurer Reu' und Buße! Wollet Ihr, wie Cato, Brutus, Für die Republik Euch wagen? Oder feigen Knaben gleichen, Die, der Ruthe zu entwischen, In der Herzensangst, den Aeltern Ueberm Kopf das Haus verbrennen? Meinerseits beklag' ich nicht, Daß ich etwas Wildfang war; Nicht mit andern Alltagsmenschen Hinterm Tisch zusammenschnurrte, Federn schnitzte, Männchen malte Und vor einer Maus erschrack. Kühne Geister unserer Art Sind der faulen Welt vonnöthen, Wie Sturmwinde der Natur, Die den stillen Sumpf der Luft Frei von giftg'en Dünsten fegen. Geister unsers Gleichen treiben Die Gewohnheit aus dem Gleise, Brechen, was unhaltbar ist, Daß das Bess're Raum gewinne; Spornen Kräfte, wecken Leben, Und beflügeln neu das Streben Der entschlafften, trägen Menschheit Zu den Zeilen der Vollendung. Ganz vortrefflich! Unterdessen, Eh' wir für die Menschheit sorgen, Thu'n wir, glaub' ich nicht gar übel, Erst an unser Haus zu denken. – Wie, wenn all' die schönen Plane Für Venedigs Freiheit scheitern? Wie, wenn das Despotenjoch, Das wir zu zerbrechen schwören, Stärker hält, als wir vermuthen? Seht, ein Feldherr vor der Schlacht Hält zwar nur den Sieg im Auge, Doch bereitet er mit Umsicht Auch den sichern Rückzug vor. Jetzt liegt, Alles gegen Alles, Da, auf einer einz'gen Karte. Mög' es enden, wie es wolle, Mit Verderben oder Sieg, Stets, und das bleibt unser Trost, Endet glanzvoll unsre Rolle. Hinter sich darf Niemand schau'n; Jedem von uns droh'n im Nacken Schand und Elend oder Tod. Vor uns aber winkt ein Ziel, Werth, das Leben dran zu setzen. Alles schon ist angebahnt, Jeder Zufall schon berechnet; Und die Augen uns'rer Feinde Sind durch Zauberhand geblendet, Bis die Pulvermine springt, Und der Abgrund sie verschlingt. – Alles oder nichts! va banque! Bald entweder stehen wir glorreich, Schöpfer einer neuen Schöpfung; Oder wir, und unsre Feinde, Finden gleichen Untergang Im Zusammensturz des morschen Tausendjährigen Gebäu's! Und die alterthümlichen Ungeheuren Trümmer werden Uns ein majestätisch Grab. Majestätisch oder nicht; Grab bleibt doch am Ende Grab. zu Memmo. Sieh, Parozzi möchte sagen: Wenn's mit Brutus hinken will, Muß man Catilina spielen. Und am Ende hat er Recht. Oder sollten wir, wie andre Arme Schlucker unsers Adels, Säck' aus unsern Mützen machen, Um vom Markt uns selber drin Mageres Gemüs zu betteln? Horch! – Mir däucht, die Pforten gehn! Das ist Riegelschlag, Parozzi! Still! der schreitet schwer und langsam Durch den Gang. Es ist ein Fremder. Eilt zur Thüre. Wenn's nicht Tolomeo ist! 8. Auftritt Achter Auftritt. Die Vorigen. Contarino. Ha, willkommen, Contarino! Ei, wie bist du blaß und matt! Hast du mit den holden Phrynen Wiederum die Nacht verschwärmt? Einen Sessel her! gibt ihm den Stuhl. Was fehlt dir? Um zehn Pfunde meines Blutes Bin ich leichter heut denn gestern; Und trotz dem mir noch zu schwer. Ist dir Unglück widerfahren? Wein her! Habt Ihr alten Cyprer? Oder Sect? Lacrymä Christi Vom Vesuve? Malvasier? Gebt vom stärksten! Denn der Starke Soll des Schwachen Stütze sein. gießt ihm Wein ein. Hier vom ältesten Falerner, Derb und hochroth wie Rubin; Süß und durch die Nerven brennend, Wie der Kuß der ersten Liebe. gibt ihm das leere Glas zurück. Nicht zu viel gelobt! – Da Capo! Rother Wein setzt rothes Blut. Wirklich? wurdest du verwundet? Wie? und wo denn? und von wem? während er trinkt. Wie? Durch eine Degenklinge. Wo? im Neste unsrer Bravo's. Und von wem? Von dem verdammten Flodoardo Mocenigho. Drei ist guter Dinge Zahl, Füllt noch einmal den Pokal! Schlug der Milchbart dich gefährlich? Ich versichere dich, auf Ehre! Seine Klinge, ohne Milchbart, Fuhr mir sieben Zoll lang – schau! Zeigt das Pflaster auf entblößter Brust. Scharf, durch Wams und Hemd und Fleisch, Bis hinunter auf die Knochen. Er trinkt. Brr! Mich fröstelt's, wie im Fieber. Er füllt sich am Tisch ein Glas. Hurtig, hurtig, Arzenei! Contarino, jetzt berichte, Wie geriethest du zu Händeln? Dieser Flodoardo, heißt es, Sei des Herzogs neuster Günstling. Ohne Zweifel wird er nächstens Einer unsrer Capi sein. Wenn er nicht zuvor den Hals bricht. Schweigt und hört. Denn gestern war ich, Leider! Aug' und Ohrenzeuge Der Verhaftung unsrer Bravo's. Alle Wetter! Du dabei! betroffen. Du? Und wurdest du erkannt? Schweigt und hört! Ich will erzählen. Euerm Rathsbeschluß gemäß Sollt' ich für den Inquisitor, Für den lauernden Canari Einen langen Schlaf bestellen. Also spät am Abend gestern Fahr' ich hin nach Malamocco, Geh' zum mir bekannten Posten; Huste dreimal. Man erwiedert Das gegebne Zeichen mir. Ich begehre nach dem Häuschen Mit der rothen Ueberschwelle. Man versteht mich. Mit verbundnen Augen werd' ich von Kanal Zu Kanal umhergefahren, Stets von einem Kerl bewacht. Mit der größten Vorsicht haben Die Banditen ihren Wohnsitz Gegen Freund und Feind verhehlt. Darum bleibt's ein Räthsel, wie Jener Spürhund Flodoardo Sich zu ihrem Nest gefunden. Weiter, weiter! Als den Augen Wiederum zu sehn erlaubt ward, Sahen sie, bei Licht und Qualm Einer Lamp', im engen Zimmer Mehrere handfeste Kerls. Keinen kannt' ich, keiner mich. Falscher Bart und Bauertracht Hatten mich gar wohl verstellt. Doch zum größten Unglück fehlte Der, den ich gesucht, Matteo, Dieser Bande Herr und Meister. Ich entschloß mich, zu verweilen, Und den Hauptmann zu erwarten. Plötzlich stürzt ein junges Weib, Leichenblaß mit stieren Blicken, Durch die Thür herein und schreit: »Nehmt die Flucht! Wir sind verrathen!« Alle stehn, wie angedonnert. Und es drängen Hellebarden, Degenklingen, Feuerröhre, Durch die schmale Thür herein. Flodoardo Mocenigho, An der Sitze der Soldaten, Ruft mit wahrer Bärenstimme: »Namens unsrer Republik, Ohne Widerstand, ergebt Euch!« Welcher Teufel zündete Diesem Wagehals hieher? Die Geschichte macht mich todtkalt. Jetzt ein fürchterliches Brüllen Der Verrathnen. Jeder greift Fluchend zu der nächsten Waffe. Flugs erlischt das Lampenlicht; Tisch und Bänke stürzen nieder, Und die Finsterniß wird nur Noch vom Monde matt gebrochen. Mitgefangen, mitgehangen! Dacht' ich, und lief mit dem Schwerte Flodoarden auf den Leib. bedenklich. Mitgefangen, mitgehangen! Aber meine Hiebe glitten Von ihm ab als wär' er Stahl. Denn sein Degen flatterte Rings um ihn, wie Blitz, und schien Hundert Klingen auszustrecken. Plötzlich schlitzt' er mir die Brust auf, Blutend zog ich mich zurück. Ein'ge Flintenschüsse fielen. Ich erkannt' im Pulverblitz Eine unbesetzte Thür; Floh durch eine Winkelkammer, Brach das Fenster durch, entkam Ueber ein paar niedre Zäune Zum Kanal, und war gerettet. Nun, das Kammerfenster sei Von uns allen benedeit! Jetzt genug von mir, Ihr Herren, Und kein Wörtchen mehr darüber. Nicht um meine Wunde klag' ich; Aber daß ich sie vergebens Für die große Sache trage. Denn die Bravo's sind nicht mehr, Und Canari lebt noch immer! Er und Dandolo, der Finstre, Gelten beid' im Volke viel; Gelten beim Senat und Herzog; Und, Ihr alle wißt's, sie sind Unserm Treiben weit furchtbarer, Als Senat und Signora. Räumt Ihr sie nicht aus dem Wege, Spielt Ihr grob verlornes Spiel. Allerdings, wenn die vier Augen Schlafen, schläft die Republik. Hm, man muß von andern Orten Ein paar Bravo's herbefördern. Und wie steht es mit den Geldern? Rom will uns die Summen schießen, Heute, morgen, wie's gefällt. unmuthig. Lieber borgt' ich von der Hölle! Laßt Euch vor den Römern warnen! Wagt Ihr Gut und Blut um Freiheit, Um sie wieder zu verschachern? Nichts gereichte unserm Staate Vor der Welt zu höherm Ruhm, Als der alte Widerstand Gegen geistliche Gewalt; Und Ihr werft den Ruhm der Väter In den Koth, um Sündengeld! Aller Tyranneien Gipfel Bleibt die ungebundne Macht Derer, die für Höll' und Himmel Bind'- und Löseschlüssel führen; Ohne Vaterland, und darum Taub dem Ruf des Vaterlandes, Ohne Gattin, ohne Kinder, Fremd den zärtlichsten Gefühlen, Lebt das halb erstarrte Herz Nur im kalten Stolz der Selbstsucht. Selbst der Kirche Majestät Wird der Schemel ihres Hochmuths, Und der Schleier ihrer Kühnheit. Frevler, dank' dem Himmel, daß dich Kein Dominikaner hört! Worte! Worte! – Lungenkraft, Die das Ohr füllt, nicht den Beutel! Oder willst du in der Wüste Uns der zweite Moses werden? Wohl, so schlage frische Quellen Aus dem dürren Fels hervor. 9. Auftritt Neunter Auftritt. Die Vorigen. Abellino schleicht, von Keinem bemerkt, bei Contarino's letzten Worten herein. mit vielen Verbeugungen. Hollah! Hollah! guten Abend, Oder gute Nacht, Ihr Herrn. voller Bestürzung durcheinander. Wer da? – He, Verrätherei! Ein Gespenst! – Was will der Schleicher? mit entblößtem Degen gegen ihn. Mensch, wer bist du? sich verbeugend. Abellino, Eurer Herrlichkeit zu dienen. mit neuer Bestürzung. Abellino? – Ist er das? Was will dieser? Wie gelangtest Du herein, in den Palast? Durch die Thür, – nein, glaubt Ihr's lieber? Durch ein offnes Schlüsselloch. Keinen Spaß zur Unzeit, Bursche. Sprich, was suchest du bei uns? Kundschaft. Welche Kundschaft? Wie Ihr fremd thut! Habt Ihr, nach dem Tod der Bravo's, Meinen Aufruf nicht vernommen? – Eure Feinde sind die meinen; Darum wend' ich mich zu Euch. Zieht doch Eurer nackten Klinge, Bitt' ich, wiederum das Hemd an; Denn sie schämt sich; ist noch Jungfrau; Und die Jungfrau'n – fürcht' ich nicht! zu Parozzi. Fort, den Degen auf die Seite. Kömmt der Kerl nicht, wie gerufen? mit Verbeugungen. Eure Herrlichkeiten haben Meiner also nicht vonnöthen? Nun denn, – unterthän'ger Knecht! Mein Geschäft ist abgethan. Will sich entfernen. wirft den Degen weg. Bleib! zurückkehrend. Was steht noch zu Befehl? Bleib! Wir könnten dich gebrauchen; Scheinst dein Handwerk zu verstehn. Zweifelt Eure Herrlichkeit An den Wundern meiner Kunst, Laßt sie ihre Proben machen. Wen von Euren Herrlichkeiten Langeweilet diese Welt? Er mustert mit fragendem Blick. Binnen zwei Minuten ist er Schon ins Paradies gestellt. Seht', ich streif' an ihm vorüber, Regt kein Fältchen sich an mir, Und er stürzt, an meiner Seite, Wie vom Schlag getroffen nieder. – – Ständ' er hundert Schritte weiter, Schickt' ich ihm aus einer Windbüchs', Ohne Knall und ohne Schall, Blaue Pillen in den Magen. Wenn's gefällt, ich zeig' Euch gern Andre Taschenspielerstückchen; Geh', zum Beispiel, hier am Schenktisch, Wie von ungefähr, vorbei, Er geht neben dem Tisch vorüber. Und – Ihr seht nichts! – allen Bechern Ist der Wein sogleich vergiftet. schaudernd. Gott sei bei uns! Neben diesem Sind wir Sünder doch noch Engel! argwöhnisch. Gut! mach' an dir selbst das Pröbchen, Leere diese Becher alle! trinkt ein Glas um's andere leer. Meint Ihr, daß mich's nimmt? Hi, hi! Kehl' und Magen salb' ich immer Mit probatem Gegengift. Scherz beiseite, Abellino! Falls du treu bist und verschwiegen ... mit Unwillen. Bei St. Peter und St. Paul. Glaubt Ihr, ich sei Eures Gleichen? Hat ein Bravo, der sein Wort gab, Treu' und Glauben je gebrochen? Haben meinen Kameraden Siedend Pech und Folterstrick Eine Silbe abgezwickt? Oder glaubt Ihr, ich verhandle Meine Kunst und meine Gunst, Einer feilen Dirne gleich, Jedem, der das Meiste bietet? Längst schon könnt' ich der Regierung Fettes Gnadenbrödchen schlucken, Hätt' ich ihr von Euern Plänen Nur ein Wort ins Ohr geflüstert! Oder dort den Löwenhals Am herzoglichen Palaste Mit Papierchen füttern wollen! Welche Pläne? Kerl, was weißt du? die Finger auf dem Mund. Daß ich Eure Heimlichkeiten Besser, als Ihr selbst, verberge. Mich bedünkt, ihm ist zu trau'n. Abellino, sieh, wir wollen Dich ganz königlich besolden. Wahr' indessen deine Haut! Unsre Staatsinquisitoren Haben hundert Argusaugen Und Briareus Riesenarm. füllt sich ein Glas und trinkt. Mit Erlaubniß Eurer Gnaden! Jedem ist sein Ziel bestimmt. Ganz gewiß werd' ich gehangen, Oder wenigstens geköpft, Oder bei lebend'gem Leibe, Wie Laurenzius, gebraten. Immer bleibt's zuletzt der Tod; Eine und dieselbe Speise, Die in andrer Brühe schwimmt. Zeterkerl, mit seinen Späßen Macht er einem Zähneklappern! Oder müßt' ich mich denn schämen, Selber ein Geschenk zu nehmen, Das ich, mit freigeb'ger Hand, So viel Ehrenleuten spende? Doch kurz ab und rasch zur Sache. Habt Ihr etwas zu bestellen? Höre! Kennst du den Canari, Den Großstaatsinquisitoren? Allerdings. Nun ... du verstehst mich. Muß er dran? Nur er allein? Dandolo ... auch Flodoardo ... Erst Canari! Hörst du? Sterben? Ja doch! Aber unverzögert! Gut. Die Nacht schon wird er tief Im Lagunenschlamme schlafen Wieviel forderst du dafür? Nichts, als hundert Golddukaten, Fünfzig heut zum Hand- und Aufgeld, Fünfzig nach vollbrachter Arbeit. Du bist theuer. Das ist Taxe. Seltne Waare, hoher Preis! Was ist in Venedig seltner, Als die unbefleckte Treue? Als der Staatsmann ohne Ränke, Als der Pfaffe ohne Stolz, Als der Noble ohne Schulden? Je rechtschaffener der Mann, Um so besser muß man zahlen. Denn der braven Leute sind ja Wenig aus der Welt zu räumen. Alltagsmenschen liefr' ich Euch Jederzeit um halben Preis; Und so liebe, lose Seelen, Wie, zum Beispiel, unsers Gleichen, Nun – ich gebe sie um Spottgeld. Meinerseits verbitt' ich höflich Diesen Witz von » unsers Gleichen! « Zahlt dem Kerl und laßt ihn ziehn; Denn, wenn ich nicht irre, riecht er Ganz nach Satans Schwefelpfuhl. wirft ihm einen Beutel zu. Abellino, hier die Summe. Morgen also ...? Ist's verrichtet! Eurer Gnaden, Herrlichkeiten, Unterthän'ger Knecht! Adio! Will fort! He, wo treffen wir uns wieder? Ueberall, an allen Ecken; In der Kirche, im Theater, Auf dem Markt und in der Messe. Sorgt doch nicht! Ich häng' an Euch, Wie Beelzebub am Sünder! Schnell ab. 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Der Doge wandelt schwermüthig auf und ab. In einiger Ferne Flodoardo nachdenkend an einen Baum gelehnt. bleibt steh'n, trocknet die Augen. Wirklich? – Thränen? Seltne Gäste, Seit der Knabenzeit mir fremd! O, der Mittag meiner Jahre Ist vorbei! Der Abend kömmt. Nur der Morgen und der Abend Pflegen ihren Thau zu weinen; Und der Greis ist wieder Kind. Nein, ich würde so nicht trauern, Waffenbruder, mein Canari! Hätt' in offner See- und Landschlacht Dir ein Todesengel lächelnd Des Vollenders Kranz gereicht. Aber du, so schmählich, meuchlings, In dem mitternächt'gen Schlummer Hingewürgt von tück'scher Faust; Aus dem Bett, aus dem Palaste Bei den silbergrauen Locken Jammervoll hinausgerissen, Und ins Meer hinausgeworfen ... O entsetzlich! – Warum schlief Diese Nacht der Vorsicht Auge? Warum hat des Schicksals Weisheit Diesen makellosen Greis An des Mörders Dolch geliefert, Und, gewogner dem Verbrecher, Diesen seiner Straf' entrückt? Was frommt Gottesfurcht auf Erden, Wenn der Himmel mit den Sündern Gegen Heil'ge sich verschwört? Er verhüllt das Gesicht. Ruhig, Alter! – Ruhig, Wahnsinn! Indem er Flodoarden erblickt, und sich ermannt, nach einer Pause. Ihr noch immer dort, Herr Ritter? herankommend. Mein erlauchter Herr und Fürst! Eure Trauer ist gerecht, Meinen Freund hab' ich verloren; Ihren Stolz die Republik! Aber Ihr verlort den Vater! Es entehrt des Mannes Wange Nicht die Thrän' um solches Gut. Doch verbannt das stumme Brüten Dieses unfruchtbaren Grams. Geht, und heilt ihn durch den Zorn Um die gräuelvolle That, Bis das schwarze Blut des Mörders Unterm Henkerbeile fließt, Und die satte Rache wieder Euch die erste Freude gönnt. Der soll nimmer uns entrinnen! Ganz Venedig lärmt empört. Hunderttausend Augen forschen Auf dem Land und auf dem Meer Nach dem Bösewicht umher. Und in allen Häusern schallet Laute Klage um Canari; Denn er war der Schutzgeist Aller ... Und ich – durft' ihn Vater nennen. Kaum nur wißt selbst Ihr, wie brünstig Euch das edle Herz geliebt hat; Mit wie glänzenden Entwürfen Es sich trug für Eure Zukunft. Selbst zum Erben seiner Güter Waret Ihr von ihm erlesen. – Doch er ist nicht mehr! – So nehm' ich, Als Vermächtniß des Erwürgten, Euch an meinem Herzen auf. Immer blieb ich noch der Schuldner Eurer Waffenthat auf Corfu, Und der Rettung Rosamundens. – Kommt – gebt mir Canari's Platz – Nennt mich Vater. Seid mir Sohn. O mein Fürst, werd ich mich je Solcher Gnade würdig finden? Dankbarkeit ist keine Gnade; Und unwürdig meines Herzens Kann der Retter Rosamundens, Kann Canari's Sohn nicht sein. Aber, wenn ich's jemals würde! – Ach, wer darf fürs Schicksal bürgen, Und fürs schwache Herz des Menschen? Wenn sich je, durch meine Schuld, Eure unverdiente Huld Wider mich in Fluch verkehrte! ... Vatersegen baut den Kindern Freudenhütten hier auf Erden; Aber Vaterfluch schreit Sündern Bis zum Weltgerichte nach. Eure Rede däucht mir seltsam. Was bewegt Euch, mehr den Fluch, Der Euch nicht bedräut, zu fürchten, Als, was gern ich will gewähren, Meinen Segen zu begehren? vor ihm hinkniend. O, ich fleh' um diesen Segen, Theurer Fürst und Herr, und – Vater! gerührt. Gott mit Euch. – Von Herzensgrunde Wie ein Vater für den Sohn, Wünsch' und bet' ich um Gedeihen Vor der ew'gen Liebe Thron; Möge mild des Herren Engel Eure Wege vorbereiten; Möge selbst des Lebens Trübsal Euch nur heiligen und läutern. Tausendfält'ge Früchte soll Eurer Thaten Aussaat bringen; Selbst des Feindes Tück' und Mißgunst Helfe Euch zum Wohlgelingen; Daß der Fallstrick Euern Füßen Eine Leiter, und das Gift Euern Wunden Balsam werde. Flodoardo Mocenigho, Bess'res kann ich nicht gewähren! Und der Himmel wird erhören. Stehet auf, mein Sohn, und werdet Meines Alters treuer Stab. bleibt noch in tiefer Rührung auf den Knieen, und küßt die Hand des Dogen mit Inbrunst. O zu viel! – Wie kann ich's meiden, Daß Euch nie mein Undank kränkt? ... Ich bin Mensch; nicht sündenrein ... Ich bin Mensch, und kann verzeih'n! Mahnt mich einst an diese Stunde. steht auf. O mein väterlicher Fürst, Diese Huld vernichtet mich! ... Meine Sprach' erlischt im Seufzer; Mein Gedanke wird zur Thräne ... seine Hand drückend. Thaten sind die besten Zungen. Sprecht durch sie zu mir, als Sohn. Gebt, als Sohn, mir einst Ersatz, Wenn die Freude meines Alters, Meine Tochter ... von mir scheidet. betroffen. Scheidet? Wie? ... Nun darf ich wohl Das Geheimniß Euch entschleiern. Doch Geheimniß soll's noch bleiben! – – Herzog Carlo von Savoyen, Fürst von Piemont, bewirbt Sich um Rosamundens Hand. Er erblickte meine Nichte Auf dem letzten Carneval, Und es ward seit jenem Tage Rosamunde seine Wahl. Ihr begreift, das Haus Savoyen, Alt und groß und immer wachsend, Mächt'gen Königen verwandt, Mit dem Anspruch auf Morea, Ja sogar auf Cyperns Krone, Wird der Republik zu wichtig! Eine Tochter von Venedig Auf der Savoyarden Throne Gibt dem Löwen von St. Marcus Neue Würd' und neue Stärke. Ich erkenn' es ... allerdings ... Also förmlich schon ... Noch nicht. Alles Unterhandeln geht Durch den Weg vertrauter Schreiben Bis zur Reife des Geschäfts. Nur das jungfräuliche Sträuben Meiner Nichte, oder ihre Allzutreue Zärtlichkeit Für den Oheim, hindern noch Die Vollziehung unsers Wunsches. Aber Rosamunde wird Endlich ihrem Vaterlande Opfer bringen. Ehrfurcht zollt sie Dem Gebot der Staatsklugheit. Dennoch, nur mit Furcht und Zittern, Denk' ich, daß erfüllet wird, Was ich wünsch' und wünschen muß, Wenn der fürstliche Gemahl Einst das hochgeliebte Kind, Meines Lebens Lust, mir nimmt, Und die Braut er von Venedig In die eigne Hauptstadt heimführt; O, fürwahr, dann bin ich, dann Ein verwaister, alter Mann! Dann bedarf ich eines Sohnes, Der mich liebt, wie sie mich liebte. Wenn es mir auch möglich wäre, Ihre Zärtlichkeit für Euch, Gnäd'ger Fürst, zu überbieten, Dennoch könnte nimmermehr Auch der reinste Engelwillen Die erfinderische Sorgfalt Ihrer Liebe übertreffen: Niemand ihre zarte Vorsicht Und die Anmuth ihres Pflegens. O, sie weiß es. Darum kann sie, Wird sie nie den theuern Oheim Fremder Liebe überlassen. Das ist Rosamundens Sprache. Aber ihren Eigensinn Sollt nicht Ihr mit solchen Reden Zur Halsstarrigkeit verziehn. Es ist meiner Nichte würdig, Höheres dem Staat zu leisten, Als die Krankenwärterin Eines greisen Manns zu werden. Ja, ich hoffe, täuscht mich nicht! Mit entscheidendem Gewichte Soll einst Euer Wort mit Ansehn Meinen Wünschen bei der Nichte Den vermißten Nachdruck geben. Werd' ich ... kann ich ... die Erwartung ... Dankbar pflegt sie Euch zu ehren, Wie sehr billig ist und recht; Und es wiegt das kleinste Wort Ihres muthigen Befreiers In der Wagschal' ihres Urtheils Schwerer, denn das Flehn der Andern. Wird sie aber nun vernehmen, Was Ihr mir geworden seid; Daß ich, als verwais'ten Sohn Des ermordeten Canari, Euch zu mir ans Herz gezogen, Ins Geheimniß unsers Hauses Selbst Euch eingeweihet habe: Dann wird allgemach auch sie Trauter Euch entgegen treten; Und Ihr habt das Recht gewonnen, Ihr ein freies Wort zu sprechen. Still! dort unter den Cypressen Naht sich Dandolo. Er sucht mich. Lasset ihn allein mit mir. ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Der Doge und Dandolo. ihm entgegen. Seid willkommen auf der Insel, Letzter meiner alten Freunde, Den mir noch das Schicksal ließ. Welche Botschaft bringet Ihr Aus Venedig? Manche Botschaft, Aber keine fröhliche. Her, nur her! – die schrecklichste Ist ja schon vorangegangen; Nun kann auch, was immer kömmt, Mich fürwahr nicht tiefer beugen. Ist der Leichnam des Erschlagnen Endlich aufgefunden? Nirgends. Die Bemühungen der Fischer Und der Gondoliers sind eitel. Kein Kanal blieb undurchforscht. Taucher stürzten in die Tiefe Der Lagunen ohne Nutzen. Und die Schiffe unsers Hafens Suchten eitel durch des Meeres Wasserwüsten weit umher. Dennoch deuten immerdar Des vergoss'nen Blutes Tropfen, Vom zerwühlten Bett Canari's Längs der Marmorstiege nieder Zu den Schwellen des Palastes, Und zum Ufer des Kanals. Niemand lös't jedoch das Räthsel, Wie die Unthat möglich war? Wie bei finstrer Nacht die Mörder Durch verschloss'ne Pforten drangen? Jeder von den Dienern schwört: In der mitternächt'gen Stille Kein verdächtiges Geräusch, Keinen Laut gehört zu haben. Doch das ewig wache Auge, Dem die Nacht nicht Nacht ist, kennet Den geheimnißschweren Gräuel; Kennt den Stifter alles Jammers. Nein, verschwiegen bleibt er nicht! Wie geborgen sich der Frevler Dünk', in trotz'ger Sicherheit; – Ihm im Nacken streckt sich schon Unsichtbar die Rächerhand. Und ist seine Stunde reif, Schleppet sie ihn ins Gericht, Seine That ans Sonnenlicht. Missethat zu offenbaren, Wird der todte Stein lebendig, Müssen stumme Gräber plaudern. O, der Möder ist bekannt ... schnell. Wie denn? Hat sich schon genannt! Angegeben? Wann und wo? nimmt ein Papier hervor. Abermals durch Mauerzettel. Dies Papier ward in der Frühe An der alten Löwensäule Auf St. Marcusplatz gefunden. Was enthält's? Es lautet also: »Jeder weiß, Venetianer, Goldner Lohn ist dem verheißen, Welcher von Canari's Mörder Irgend eine Spur verräth. Euch die Mühe zu erleichtern, Will er selber sich verrathen. Hier sein Name: Abellino. « ungläubig lächelnd. Freund, man äfft uns. Das ist Machwerk Loser Buben, deren Muthwill Mit der Angst Venedigs scherzt. Welch ein Grund denn wäre denkbar, Daß ein Meuchelmörder laut Seinen Namen ausposaunen, Seine That verkünden sollte, Während das vergoss'ne Blut Wider ihn noch auf zu Gott schreit? Eure Durchlaucht woll' erwägen, Daß, im Garten Dolabella, Eurer Nichte eigne Augen Diesen Abellino sah'n; Daß die Züge in der Handschrift Hier durchaus dieselben sind, Die wir gestern schon erblickten. O mein Herzog, richtet nicht Diese Zeiten nach den Tagen, Die mir ehmals beide sah'n! Vormals schminkte noch die Sünde Ihr bleifarbenes Gesicht; Strebte sie noch gern, der Blüthe Reiner Unschuld gleich zu scheinen. Doch das Laster heut'ger Welt, Voller Stolz, verschmäht sogar Auch nur Tugend noch zu heucheln. Abgefallen ganz vom Himmel, In verkehrter Ruhmbegier Durch das Leben fortgewirbelt, Will man heut in Ausschweifungen Glänzen, groß in Lastern sein, Held noch in Verbrechen heißen. Nicht doch! bleiben wir gerecht. Unzufriedne Schwermuth wirft Ihren Trauerflor uns beiden Um die Augen, um die Seele; Darum dünkt der Schnee uns schwarz, Und der heitre Himmel finster. Mögen neben reinen Seelen Immerhin Verworfne wandeln, Wie der Schatten neben Licht; Gott kennt Beid' und hält Gericht. Längst schon wären alle Bande Der Gesellschaft aufgelös't, Längst die Staaten schon zertrümmert, Wenn der Erdball, wie Ihr wähnt, Nur ein weiter Tummelplatz Rasender Satane wäre. Aber fest in den Geleisen Heil'ger Ordnung geht die Welt, Unserm Zweifel zu beweisen, Daß des Guten Macht dem Bösen Immerdar die Wage hält. Glaubet Ihr's im Ernst, mein Fürst? Eine altererbte Ordnung In den Fugen festzuhalten, Traun, bedarf's der Tugend wenig. Denn die Bosheit selber liefert Dazu dauerhaften Kitt. Das Gewohnte wirkt gewalt'ger, Als das Machtwort der Vernunft; Unlösbarer, denn der Eid Fesseln Eigennutz und Neid. Glaubt Ihr, daß nur Edelmuth Des Gesetzes Hoheit schütze? O, die Feigheit wird viel öfter, Als das Recht, des Rechten Stütze! zeigt auf die Stadt in der Ferne. Fasset Muth! Laßt Euch nicht beugen. Seht, wie noch in Majestät Dort Venedigs Thürm' und Tempel Aus dem Schoos des Meeres steigen. Seht die Riesenstadt, sie schwebt, Ihre Zinnen in den Wolken, Herrschend, nur durch eigne Kraft, Ueber Adria's Gewässern. Wohl, sie schimmert noch im Lichte Ihres Sonnenunterganges. Doch ist sie nur noch das Grabmal Längst gestorbner Herrlichkeit; Ein Geripp', in dessen Innern Würmer der Verwesung nagen. Meuchelmörder höhnen schmählich Des Gesetzes Heiligthum. Und ein schwelgerischer Adel, Buhlend um die Hand des Pöbels, Rüstet, mit Verbrecherkünsten, Seines Vaterhauses Sturz. Dandolo, bannt die Gespenster! Schaut, noch steht die Riesenstadt. Ist sie's wirklich? Oder ist sie Ihr Gespenst nur? Ist sie noch Königin der weiten Meere? Warum zittert Cypern? warum Liegt ihr Corfu öd' und wüst? Ah, ihr Zepter ist gebrochen! Genua, des Kaisers Magd, Spottet ihrer, zerrt die stolze Nebenbuhlerin zu sich In die Schmach der Knechtschaft nieder. Wehe uns, der Tag wird kommen, Und vielleicht ist er schon nah, Da des edeln Marcuslöwen Leichnam Geierbeute wird. O mein herrliches Venedig, O mein theures Vaterland! Weh, wenn dir einst stummer Knechtschaft Joch den stolzen Nacken beug! Dann wirst du, mit Wittwentrauer, Deiner alten Helden Enkel Halbentblößt und hungernd sehn, Wie sie, vor zerfallnen Kirchen Bettelnd, um ein Zehrgeld flehn. Deine Marmormauern werden Unbewohnt zum Schutt verwittern; Die Kanäle und Lagunen In Morast und Sumpf erstarren, Sonder Wasser für die Gondel, Sonder Erdreich für den Wandrer, Während bleiche Fieberseuchen Drüberhin in Nebeln schleichen. Eure düstern Weissagungen Rufen nicht und bauen nicht Unser edeln Stadt Verhängniß. Kommt! – Ein Wort von andern Dingen! – Männern soll die Macht des Schicksals Nie die Macht des Muthes rauben. Laßt uns, statt an Weissagung, An des Himmels Weisheit glauben. Beide gehen ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Rosamunde und der Abbate Tolomeo. mit den Augen suchend. Meint' ich doch, in dieser Gegend Töne meines Oheims Stimme, Ich bedaure sehr ... Mit nichten! Man vergißt in Eurer Nähe Jeden gern, wohl gar sich selbst. Stellen wir das Suchen ein; Mein Geschäft will keine Eile; Und die Aussicht, hier aufs Meer, Bildet ungesucht den schönsten Hintergrund für Er heftet den Blick bedeutsam auf sie. soviel Reiz. Können denn sogar die Heil'gen Sich des Hoftons nicht erwehren! Wenn zufällig Ton des Hofes Ton des Herzens ist, Signora. Aber Ihr – wie dürft Ihr mich Sünder zu den Heil'gen reihen? Wie Ihr zu den Schönen mich. Gut. Wir irrten beid' uns, glaub' ich. Ach, wenn ich so heilig glänzte, Als Ihr schön, ha, wieviel Wunder, Und wie große würd' ich wirken! In der That, dann wäret Ihr Wundershalb ein Heiliger. Könnt Ihr ahnen, welches Wunder Dann mein erstes werden sollte? ... Eine halbe Spötterin Würd' ich augenblicks bekehren. Nichts, als das? – Wie leichtes Spiel! – Bleibt der Würde, bleibt der Pflicht Eures Standes eingedenk, – Und die Spötterin verstummt. verdrossen. Würde! – Pflicht! – Was wollt Ihr sagen? Höher, denn die Menschen würde, Ragt die Standes würde nicht; Und – das Schöne anzubeten, Untersagt mir keine Pflicht. Nur besorg' ich, Eure Andacht Habe böse Wahl getroffen. Geht, verehrt die ew'ge Anmuth Unsrer Himmelskönigin. Und warum nicht Rosamundens, Dieser holden Königin Alles Schönen unterm Himmel? Weil sie Euern Scherz verlachen, Euern Ernst verachten müßte. etwas bestürzt, schweigt eine Weile. Wie? ... verlachen mich? – verachten? Ihr seid grausam. – Wohl, Signora, Hätte sich mein Herz betrogen, So geschah's durch Euren Zauber. Wenn mich sonst in frohen Stunden Euer Flammenblick durchblitzte, Sprach er da nicht andre Worte? Wenn zuweilen Ihr, mit wahrhaft Schwesterlicher Traulichkeit, Offenbartet, was Euch quälte; Wenn ich Euch von mir erzählte, Und das zarte Mitgefühl Mir aus Euren Thränen sprach: War's Verachtung? war es Spott? Oder stilles Ueberneigen Eures Wesens zu dem meinen? Lange hab' ich stumm geduldet Diese bittersüße Qual; Und Ihr selbst habt sie verschuldet. Längst schon kämpfte der Entschluß, Euch mein Innerstes zu nennen ... Und nun zeigt Ihr mir Verdruß? Oder traget Ihr vielleicht Fromme Scheu vor meinem Kleide? Laßt dem Pöbel seinen Wahn ... Waffenrock und Mönchsgewand Sind das Werk derselben Scheere; Und das Vorurtheil ist – Zuthat. einen Schritt zurücktretend. Vorurtheil! – Signor Abbate, Eure Weihen, Eure Pflichten, Die Gelübde ... Vorurtheil? Allerdings ... doch ... wohlverstanden! Ja, ... der geistige Vermittler Zwischen Welt und Himmel, – Er, Nicht der Mensch empfängt die Weihen! – Unentweiht steht der Geweihte; Irdisch bleibt der Mensch und – schwach. Und – die reizendste der Schwächen Ist zugleich die höchste Macht Unsrer irdischen Natur. Nennt die Liebe nicht Verbrechen! Wäre sie es, welchen Namen Könntet Ihr denn allem Leben, Ja, der weiten Schöpfung geben, Die als Werk der Liebe prangt? Ihr erschreckt mich. – Welche Worte! Zittert, daß sie Euer Engel Nicht ins ew'ge Schuldbuch trägt. lächelnd. Hm! mit dem nun wüßte sich Unser eins schon abzufinden. Ich bewunderte bis heut, Mit gesammter Stadt Venedig, Eure strenge Heiligkeit; – Jetzt genug! – Gehabt Euch wohl! Denn mir graut, Euch anzuhören. vertritt ihr den Weg. Nein, Ihr dürft mich nicht verlassen; Nicht verstoßen, nicht vernichten! Dafür hab' ich nicht, Signora, Mit dem innigsten Vertrauen Mein Geheimstes aufgeschlossen. Glaubt nicht, daß ich Euch verkenne, Boshaft, halblaut. Nicht schon wissen sollte, wie Ihr, Liebenswürd'ge Evenstochter, Vom verbot'nen Baume nascht. Gleißner! Euer Heil'genschein Wird um Euch, wie Höllenrauch. kalt lächelnd. Gleißnerei um Gleißnerei. Ich, nun freilich, bin kein Engel. Doch auch Ihr nicht, wie es scheint. Man hat Augen, man hat Ohren; Und man hört und sieht zuweilen, Wie Ihr Andern wohl gewährt, Was Ihr spröde mir versagt. Wißt, Herr Abt, vor wem Ihr steht. Euch geziemt nicht diese Sprache! Wollt Ihr einer Schuld mich zeigen? Schuld? – Das Wörtchen klingt zu rauh. Aber wie, zum Beispiel, wenn Eines Herzogs von Savoyen Halbverlobte, schöne Braut, Mit der tiefsten Heimlichkeit In den Armen eines Lieblings, ... Eines Ritters von Florenz, Ihre Treue ... nein, die Hoffnung Des erhabnen Bräutigams ... stolz. Wißt, der Herzog von Savoyen Trägt kein Recht auf meine Hand, Und – mir mangelt es an Neigung, Rechenschaft Euch abzulegen. Künftig mög' es Euch belieben, Meine Gegenwart zu meiden. Ab. allein. So? – das könnte wohl geschehn! Aber nächstens, hoff' ich, wirst du Deinen Himmel dankbar preisen, Ein Asyl bei mir zu finden. Aergerlich, nach einer Pause. Abgewiesen! ... ausgehöhnt! ... Hätt' ich das erwarten sollen? Allzustürmisch, besser – plump, Fuhr ich viel zu weit hinaus. Für die schlaue, kalte, feine Diplomatik in der Liebe Bist du noch zu warm, Abbate! – Uebrigens steht nichts zu fürchten; Sie hat zu viel Zartgefühl, Um den Vorfall auszuplaudern, Und mich Andern zu verrathen. Mangelte ihr diese Großmuth: Würde sie doch Klugheit haben, Ihres eignen Namens, welcher Mit im Spiele steht, zu schonen. Und – wenn ihr auch Klugheit fehlte, Würd' ihr dennoch Niemand glauben, Denn mein Ansehn bei dem Volke ... Bst! der alte Herzog naht! Er läßt sich seitwärts in betender Stellung auf die Knie nieder. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Der Doge. Abbate Tolomeo. steht still, wie er ihn erblickt. Ah! Er ist es! – Ich will bleiben. Schon der Anblick eines Beters Weckt den Frohsinn im Gemüth, Und zieht unsre Andacht nach. wendet, wie zufällig, das Gesicht; sieht den Dogen und erhebt sich langsam von den Knien. nähert sich. Ich beklag' es, wenn ich Eure Stille Andacht unterbrach. erwiedert durch verbindliche Verbeugung. Ich vernahm durch meine Nichte, Daß Ihr mich gesucht, Herr Abt. Pflicht und Freude, Eurer Durchlaucht Einen schwachen Dienst zu leisten, Führte mich zur Insel her. Heut empfing ich aus Turin, Von dem Erzbischof ein Schreiben. Er berichtet: länger könne Nicht der Herzog von Savoyen Seiner Sehnsucht widerstehn, In Venedig Euch zu sehn. Zwar es rufen ihn Geschäfte Erst gen Rom, zum heil'gen Stuhl; Doch von dannen, ohne Weilen, Will er nach Venedig eilen. Meinen Dank für diese Botschaft. An dem heut'gen Tag der Trauer Hat sie Doppelwerth für uns. Ich verstehe. Tief und schmerzvoll Beugte Euch des Schicksals Hand Heute durch den Tod des Freundes, Aber in Gebet und Demuth Werfet Eure Zentnerlast Vor den Thron des Ew'gen nieder, Und sein Engel wird erscheinen Und Euch, aus dem Kelch des Glaubens, Balsam in die Wunde gießen. Eine Wunde, frommer Herr, Bei schon winterweißen Haaren, Kann zur Noth wohl auch verharrschen; Heilen aber wird sie nimmer. Junges Fleisch benarbt sich schnell; Altes schwer; es läßt dem Tode Immer gern das Thürlein offen. Was ein Jüngling einbüßt, kann er, Auf der weiten Lebensstrecke, Wieder zu gewinnen streben; Nicht der Greis, zwei Zoll vom Grabe. Doch ich murre nicht, und soll's nicht! Hab' ich mir doch aus Canari's Reicher Hinterlassenschaft Schon den besten Theil genommen. Edler Dulder, wahrhaft großer! Eure willige Ergebung In des Himmels heil'gen Rathschluß, Dies gelass'ne, stumme Trinken Aus dem bittern Leidenskelch, Soll auch mir Unwürdigen Musterbild im Leiden werden. Wie sich zufällig erinnernd. Eure Durchlaucht sprach so eben ... Doch, das ist bloß Nebensache ... Von der Hinterlassenschaft Eures frommen Freundes, glaub' ich; Und von einem schönen Antheil? ... Meinen Glückwunsch ... Geht nicht irre! Den, für welchen er gern lebte, Seinen Sohn, die einz'ge Freude Seines Alters, wählt' ich mir. Diesem will ich Vater werden. Heil dem Manne, der der Waisen Und der Wittwen sich erbarmt! Das ist ein gottselig Werk. Seinen Sohn? – Wie Jeder glaubte, Starb der Signor Prokurator Unvermählt? – Ein Sohn also ... Wie's die Welt nennt: – Kind der Liebe? Wohl! im edlern Sinn des Wortes. Edel? Ach mein theurer Fürst, Mancher Adel ist auf Erden, Dessen Stammbaum man im Himmel Gar nicht kennt und kennen will. Also unterlag Canari Einer sündlichen Versuchung! Und er fuhr in Sünden hin, Ohne Absolution! – – Lasset hundert Messen mehr Für die arme Seele lesen. Nein, hochwürd'ger Herr, Ihr deutet Meine Worte falsch. Es ist Rede hier von einem Jüngling, Der ihm lieb war, wie sein Kind; Von dem Ritter Flodoardo. So? Verzeihung, daß ich irrte! Ist's der junge Florentiner? Eben er! Von Euerm Alter! Tapfer, muthig, ohne Gleichen, Wie ein alter Paladin; Bieder, klug – ein wahres Glückskind! Was er anrührt, wird zu Golde; Was er unternimmt, gelingt. O, ich kenn' ihn und verehr' ihn! Möchte Euch des Himmels Gnade Durch ihn segnen, theurer Fürst; Möchte Eure edle Nichte, Ist sie ihm einst anvermählt, Jedes Glück an seiner Seite ... unterbricht ihn. He, davon ist keine Rede. Keine? – doch sagt ganz Venedig, Daß dem selt'nen Mann gelungen, Was bisher den reichsten Werbern, Was sogar auch Fürsten fehlschlug: Rosamundens Herz zu rühren. Thorheit, sag' ich, ist's; Verleumdung! Wirklich? Nun, ich glaub' es gern; Denn die Welt liegt tief im Argen! Freilich scheint es wohl bedenklich, Daß so manche Augenzeugen Wunderbar geblendet wurden. Mißgunst, Neugier, Eifersucht, Tragen sonst doch scharfe Ballen! Und was sah'n sie? Nichts besondres; Nichts als das Gewöhnliche Zwischen einem jungen Paare, Das schon einverstanden lebt: Stilles Seufzen und Erröthen; ... Stummes Deuten, Augenwinke; ... Selbstvergess'nes Für-sich-Träumen In der heitersten Gesellschaft; Rasches Wechseln, wie bei Trunknen, Zwischen Lustigkeit und Wehmuth; – Oeftres Sichzusammenfinden, Immer, wie durchs Ohngefähr. in Gedanken verloren. Sah man das? ... Ich weiß es nicht. Ah, in dem Fall wird es Pflicht, Das Geschwätz zu widerlegen. Denn daß jener junge Mann Euch, Da Ihr ihn so zärtlich schirmt, Hinterlistig, frech verrathen, – Daß er sich vermessen hätte, Nach des Herzogs eigner Nichte Seine Schlingen auszuwerfen ... Himmelschreiend wäre das! Meine Nichte also, sagt man ... ausweichend. Afterrede bloß, – Verleumdung! Der Gerechte muß viel leiden. Will sich Niederträchtigkeit Ueber das Gemein' erheben, Geht sie, als Verleumdung, auf; Speit und lästert. Wenn der Koth Staub wird, steigt er stolz empor Und bedeckt die Wiesenblumen Und des Tempels goldne Kuppeln Mit – sich selbst. Ihr habet Recht. Unterdessen wird mir wichtig, Der Geschwätze Grund zu kennen. Sehr gelegen deshalb kömmt Eben Donna Iduella, Wie ich sehe gegen uns. schnell herumblickend. Eure Durchlaucht ... ich muß bitten ... Sehr ... mir Urlaub zu gestatten. Die gewohnte Stunde schlägt, Welche mich zur Andacht ruft. Nur ein Augenblickchen zögert, Daß Ihr selber ... dringend. Gnäd'ger Herr ... gibt das Zeichen der Entlassung. Sei's! – Es wäre Sünde, wollt' ich Eurer frommen Neigung Zwang thun. Schließet mich, hochwürd'ger Herr, In das heilige Gebet ein. ab. allein, geht in unruhiger Verlegung einzelne Schritte. Doch wohl möglich! Pause. Nimmermehr! Was? – Er, den ich an mein Herz nahm, Eine undankbare Natter? – Nein, dies denken ist schon Todtschlag. Pause. Ja, sehr sonderbar zuweilen! Läge da des Räthsels Schlüssel Von des Mädchens Widerstreben? Ist der Herzog von Savoyen Ihr verhaßt, weil sie schon wählte? Wählte? – Wen? – Es macht mich sinnlos. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Der Doge und Iduella. Näher, näher nur, Signora. Sagt mir, wo ist Rosamunde? Froh im Kreise der Gespielen. Mitten im Zitronenwäldchen, Auf dem Rasenplatz im Freien. Dort ist nichts für sie zu fürchten, Denn die Insel wird ringsum, Durch die Gondeln, wohl gehütet. Wollte Abellino nah'n, Müßt' er schwarze Kunst versteh'n, Und, vollkommen unsichtbar, Durch die Gondelwachen gehn. Sagt mir, ... Euer Blick durchschaut Rosamundens ganzes Wesen. Meine Nichte kennt Ihr besser Als sie selbst sich kennt. Ihr saht, Wie die zarte Knosp' allmälig Sich zur Blüthe, – wie das Kind Sich entfaltet hat zur Jungfrau. Kein Gedanke kann so leise Durch des Mädchens Seele schleichen, Den Ihr nicht sogleich gewahrtet. Sagt mir, scheint Euch Rosamunde Nicht, seit ein'ger Zeit, verwandelt? Darf ich fragen: wie verwandelt? Fremd mit Allem außer sich; In sich selber still verschlossen, Wie, wenn sie in ihrer Brust Ein Geheimniß hüten müßte? Aenderlich in ihren Launen, Wie der Märztag? die Gedanken Weit entfernt oft von der Stätte, Wo sie mit den Leuten spricht? Gnäd'ger Herr, Ihr malt der Jungfrau Erstes Insichselbst-Erwachen, Wie sie stumm ihr Wesen anstaunt, Das sie nicht enträthseln kann. Wenn der Schmetterling aus seiner Pupp' hervorsteigt, und die Flügel Mit dem Gold und Purpurglanze Leise aus einander breitet, Steht er kaum veränderter, Als die Jungfrau, wenn die Hülse Ihrer Kindheit von ihr bricht. Gut. Allein mich dünkt, ihr Herz Trage eine wunde Stelle. Sie ist ungewöhnlich reizbar. Allerdings; wie könnt' es fehlen? Sie ist nun nicht mehr dieselbe, Die sie einst war; nun nicht mehr, Wie das Kind, in Anderm lebend, Sondern heim an sich gewiesen, Nun sich selbst bedeutsam worden. Andre Sinnen und Gefühle, Niegekannte Ahnungen Haben ihre Welt verwandelt. Fremd und schüchtern steht sie drinnen, Und von allem tief ergriffen. So wie einer Harfe Saiten Schon im sanften Zug des Windes Ueber dessen Härte klagen, Tönet, wenn auch zart berührt, Das jungfräuliche Gemüth, Unter Lust und Trauer, wieder. Laßt mich Euch bestimmter fragen. Es bewirbt ein großer Fürst sich Sehr um meiner Nichte Hand; Ungern würd' ich sie verweigern. Doch verwahret dies Geheimniß Tief, Signora! Niemand darf, Selbst nicht Rosamund', erfahren, Was ich Euch entdecken möchte. Zwar sie weiß um die Bewerbung, Aber lehnt sie standhaft ab. Ja, so fest scheint sie entschlossen, Jeden Antrag zu verschmäh'n, Daß sie wohl, im schlimmsten Fall, Einen Nonnenschleier lieber, Als den Trauring, nehmen würde. Nie hat sie mich sonst durch eine Widerspenstigkeit gekränkt; Wie der treue Schatten, folgte Stets ihr Wille meinen Winken. Und wie anders steht es nun! Jetzt belagern meine Bitten Ihren Eigensinn vergebens, Sie verwirft des Fürsten Hand! Sollte sich mein Argwohn irren? Hat ihr unerfahrnes Herz Schon vielleicht sich in den Strom Einer Leidenschaft geworfen? Liebt sie? Wen? Signora, redet! Unverhohlen sprecht; sagt Alles! Ihr wißt Alles. Gnäd'ger Herr, Wer mag immer ganz verstehen, Was ein junges Herz bewegt? Wer mag in die Tiefen sehen, Die es vor sich selbst selbst verbirgt? Wie dem Mann der frische Ruhm, Seine unentweihte Ehre, So ist erstgeborne Liebe Einer Jungfrau Heiligthum. Und, wie seine Klugheit, wacht Ihr Gefühl des Schicklichen Für die Reinheit des Kleinodes. Klugheit ist das Schickliche In der That und Kraft des Mannes; Das Gefühl des Schicklichen Ist des Weibes ganze Klugheit. ungeduldiger. Mit dem krausen Schaum der Worte Stillt Ihr meinen Hunger nicht. Nichts, Signora; Sachen! Sachen; Nennt mir Namen, Tage, Orte. Wen liebt meine Nichte? – Wen? ... Warum stockt Ihr? ... Gnäd'ger Fürst ... Redet offen, ich gebiet' es! – – Mit argloser Zuversicht Hatt' ich Euch, wie einer Mutter, Meinen Liebling anvertraut; Wollt Ihr mit des Kindes Thorheit Euch nun wider mich verschwören? Eine Aussicht auf den Thron Nun mit Weibertand zerstören? Nein, Signora, irrt Euch nicht! – Liebt sie, sprecht, den jungen Ritter Von Florenz, den Flodoardo? Seit wie lange? Wer half kuppeln? Hielten sie Zusammenkünfte? Wo? bei wem? Was treiben sie? Warum zaudert Ihr? Das Schweigen Klagt Euch an; es spricht Euch schuldig! schon während der Rede des Dogen zu sprechen bemüht, geräth in größere Bestürzung und fällt zu dessen Füßen. Zürnet nicht, durchlauchter Herzog, Zürnt nicht! Höret mich zuvor. Wenn der erste Augenblick Durch den Schein mich zwar verdammet Spricht der zweite doch mich los. Ich bin Eurer Gnade würdig. sie bei der Hand erhebend. Stehet auf. Signora, redet. Das Vertrauen Eurer Nichte Unbedingt mir zu erhalten, Mußt' ich meine Zunge binden; Mußt' ich vor dem Oheim schweigen. Hätte Rosamundens Argwohn Ihr Vertrau'n zu mir verdrängt: Würde sie sich meinem Rath, Meiner Leitung ganz entrissen, Ganz, dem steuerlosen Schiff gleich, Sich der Fluth der Leidenschaft Wehrlos hingegeben haben. Sie zu retten, – meine Pflicht Gegen Euch und Eure Nichte Zu vollstrecken, mußt' ich schweigen. Ist sie also noch zu retten? Ja, ich hoff' es noch: durch Trennung! Schickt den Ritter von Florenz Jahrelang in ferne Länder. legt, wie in Betäubung, die Hand vor Stirn und Augen. Also wirklich? Flodoarden Liebt sie? Seit dem Unglückstage, Da, zum erstenmal, Canari Euch den Ritter vorgestellt, Sie zum erstenmal den Fremdling Im Palast gesehen hatte, Ward ihr Leben und ihr Weben Zaubertaumel, Fiebertraum. Und nachher, als sie auf Corfu, Durch des Ritters Arm, befreit ward, Da erschien die heft'ge Neigung Ihrer dankbegier'gen Seele Als die heiligste der Pflichten. schmerzlich. Nun genug! – o, schon zuviel! ... Indem er sie mit einem Zeichen beurlaubt. Ich werd' Euch auf andre Zeit Wieder zu mir rufen lassen. ab. allein. Also muß am gleichen Tage Mir der Jugend erster Freund Und des Alters letzte Freude, ... Alles mir entrissen werden? O, wie arm sink' ich ins Grab! Schweigen des Nachdenkens. Er soll fort! Fort nach Morea ... Morgen, heut', – auf ewig fort! Konnte sich die Ungerath'ne So vergessen, – mich vergessen, ... Nun, sie lern' auch ihn vergessen! Fort mit ihm, bis an die letzten Ufer der bewohnten Welt! Nichts soll von ihm wiederkehren, Selbst die ungewisse Kunde Seines Schicksals, seines Endes, Muß auf weitem Wege sterben, Eh' sie unser Ohr erreicht. Pause. Gritti! Gritti, sei gerecht! Ist ihr Leichtsinn sein Verbrechen? Soll's ihm nun Verbannung lohnen, Daß dem fernen Asien Die Verlorne er entriß? Du hast ihn zum Sohn gesegnet, Und die erste Vatergunst Soll ein Todesurtheil werden? O, daß noch Canari lebte! Wer gibt Rath und Trost, und führt Mich aus diesem Labyrinthe? 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Abellino plötzlich aus dem Gebüsche vor dem Dogen. Ich, mein Fürst, wenn Ihr's erlaubt. Mensch! – wer bist du? Abellino. Euer und der Republik Treuer und ergebner Diener. empört, nach Schwert und Dolch suchend. Ha! daß ich jetzt wehrlos stehe! Fürchtet nichts, durchlauchter Herr. mit Hoheit. Wen suchst du auf dieser Insel? Was hast du mit mir zu schaffen? Abellino wollte sich Seinem Herrn und Fürsten zeigen; Denn man sagt, der Doge trüge Große Neugier, ihn zu seh'n. Ja, am Galgen. mit Verbeugung. Gnäd'ger Herr, Die Erhöhung wäre wahrlich Viel zu hoch für mein Verdienst. Wie gelangtest du zur Insel? Auf den Sohlen, durch die Luft, Um Euch Trost zu sagen, wenn Ihr An Banditentreue glaubt. Unmensch, warum mußtest du Don Canari's Mörder werden? Um ihn von der argen Welt, Die ihn haßte, zu befrei'n. Wer bezahlte dich? Mein Herz. Treibe deinen Höllenscherz, Teufel, unter deinen Teufeln. Glaubt, es ist mein baarer Ernst; Aber Euch beliebt zu zweifeln. Zum Beweis, wie wahr ich rede, Gnäd'ger Herr, erlaubt zu sagen: Euer Freund ist nicht der Letzte; Einen Andern hol' ich nach. Ungeheuer, du! was reizt dich, Deine Hand in Blut zu tauchen, In das Blut der besten Menschen? Meine Liebe für ihr Blut. Zittre, frecher Meuchelmörder, Vor dem Grimm der Republik! Zittern? ich? Hi, hi! die Feige Zittert selbst vor Abellino. Wenn du uns entrinnst, du kannst Nie der schweren Rache Gottes, Die dich fordern wird, entgehn. Hei, ich denke, wenn dort oben Mit uns abgerechnet wird, Will ich, sonder Müh' und Noth, Meine Blutschuld leicht verfechten. Wollt' Ihr aber Buße pred'gen, Da sind andere Signoren; Diebische Prokuratoren, Falsche Staatsinquisitoren, Hinterlist'ge Senatoren, Ha! welch eine Menge – Ohren! ... Ihnen predigt, gnäd'ger Herr! Und ich will Euch Texte geben, Bei St. Peter und St. Paul! Eure Leute soll's dabei Wie das kalte Fieber schütteln. Macht nur einen Abendgang Mit mir, durch Paläst' und Zellen, Durch die Winkel, wo kein Licht brennt, Und nichts geht vom Zehngebote, Als das sechste auf den Kauf ... Keinen schwärzern Bösewicht Fänd' ich überall, als dich. O Verzeihung, gnäd'ger Herr! Es gibt da noch fromme Leute, – Wär' ich schwärzer, als ein Mohr, Schneeweis prangt ich neben ihnen! Edle Herrn, zum Beispiel, welche Lieber heute noch, denn morgen, Unsre große Republik In die Lüfte sprengen möchten, Um vom Geld- und Aemter-Regen Sich ein Sümmchen zu erfegen. Frömmler, die im heil'gen Eifer, Wegen dieser Welt Verderben, Fast vor Leid und Jammer sterben, Aber dann, im Hinterstübchen, Sich nicht scheuen, selbst dem Himmel Tapfer X für U zu machen. Priester, die in stolzer Demuth, Freien Denkern Scheiterhaufen, Brudermördern Ablaß spenden; Die Vernunft des Volks beschneiden, Um die willenlose Heerde Unterm Hirtenstab zu weiden. Schweig, denn mich gelüstet, wahrlich, Deines Lästerwitzes nicht. Du hast Trauer, hast Entsetzen Ueber unsre Stadt gebracht; Und je länger hier dein Fuß weilt, Je unsel'geres Verderben Ruft dein böser Geist hervor. Du kannst deine Schuldenlast Nicht mit tausend Henkerqualen, Nicht mit hundert Toden zahlen. – Dennoch soll mich's nicht gereu'n, Gnade dir, für Recht, zu bieten, Räumst du, ungesäumt zur Stunde, Das Gebiet der Republik. Mangelt dir der Reisepfennig? Hier ein Beutel voll Dukaten. Schleudert ihm denselben zu. wirft die Börse nachlässig auf den Boden. Herr, ich bin nicht, um Zechinen Zu erpressen, hier erschienen; Sondern, daß Ihr rühmen möget: Den Banditen Abellino Sahet Ihr, in dieser Stunde, Angesicht zu Angesicht. Einst kann die Erinn'rung freuen. Schwerlich, Mensch, in deinem Sinn. ernst. Hört mich! faßt mein Wort mit Glauben, Und bewahrt es im Gedächtniß; Denn es ist das Wort der Wahrheit Und der Wahrsagung zugleich; Sonst ein seltnes Schwesterpaar! Bis dies Wort erfüllet worden, Werd' ich Euch nicht mehr erscheinen. Die geheiligte Person Eurer Durchlaucht steht gehütet; Jedes Haar von Euerm Haupt Wird von einem Dolch bewacht. Wenn im tiefsten Grund erschüttert, Bald, vielleicht in wenig Tagen, Eures Staates Feste wankt: Zittert nicht, erlauchter Herr, Traut auf Euer treues Glück, Auf Venedigs guten Stern! Wenn, vielleicht heut' oder morgen, Der und Jener unversehens Aus dem Lande der Lebend'gen In das Reich der Todten zieht: Härmet Euch nicht um die Todten! Traut auf Euer treues Glück, Auf Venedigs guten Stern! Ich vertrau' ihm, selbst wenn du Seinen Untergang verkündigst. Herr' gedenket meiner Worte! Still, Würgengel, steh' mir Rede! Sprich, wo ruht Canari's Leichnam? Leider kannst du nicht sein Leben, Doch die Asche wieder geben. Sucht ihn in der blauen Luft. Sucht mit tausend Luchsenaugen; Dennoch müßt Ihr ihn nicht finden. Wen ich mir aufs Korn genommen: Weggeblasen, und verstoben Ist er aus der Welt, als hätte Ihn sein Schöpfer nie geschaffen. Basta! Habt ihr mehr zu fragen? mit zorniger Bewegung. Steh' mir Rede! Wisse, rings Ist die Insel scharf bewacht. Sbirren horchen in der Nähe. Waffen her! – Du bist gefangen! Ich gefangen? Hi, hi, hi! Abellino schon gefangen? Ei, da wär' er werth zu hangen. schreiend. He da! Hilfe! Leute, Hilfe! richtet dicht vor dem Dogen einen Pistolenschuß in die Luft und verschwindet im Gebüsch. Also Basta! und Adio! zurücktaumelnd. Halt! Wohin ist er geflüchtet? Lebt kein Rächer mehr dort oben? Leute, hieher! hieher, Leute! Er geht rasch gegen den Hintergrund. 4. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Der Doge schläft in einem Lehnsessel. fächelt ihn mit der Hand, beugt sich beobachtend über ihn und entfernt sich wieder leise. Ihm ist wohl! – Er schlummert süß. Du, sein unsichtbarer Engel, Kühl' im Traume ihm die Schläfen Mit dem weichsten Veilchenkranz! Ach, das harte, rauhe Leben Flicht für ihn nur Dornenkronen. Welche Nacht der finstern Schrecken Mußte dieser Vielgeprüfte Heute abermals bestehn! Wer mag sein Entsetzen denken, Als er, aus dem Schlaf gerissen, Um sein Bett die Trauerboten Mit erbleichten Wangen sah, Und von schreckgelähmten Zungen Dandolo's Ermordung hörte; – Als er selber durch die Nacht Zum Palast des Freundes flog, Und die blutbedeckten Hallen, – Aber keinen Leichnam fand! Sie geht zum Schlafenden, fächelt ihn und entfernt sich wieder. Was will diese Zeit gebären? Ungewohntes kündet sich. Was soll jener Ernst verkünden In den Mienen aller Menschen? Was die wunderbare Stille, Wie vor schweren Hochgewittern, In der lebensreichen Stadt? – Längs den Mauern, stumm wie Schatten, Zieh'n die Leute durch die Gassen. Jeder horcht und keiner spricht; Und auf allen Gondeln schweigen Zitherspiel und Rudersang. Warum will mir Niemand sagen, Wer dies stumme Graun gebot? Leichter ist die Noth zu tragen, Die man trägt, als welche droht. Indem sie den Dogen wieder fächelt, erwacht er. Du hier, meine Rosamunde? Dieser Schlaf hat mich erquickt. Könntest du doch, gleich den Mücken, Auch die Sorgen weiter schicken. Nein, auch das nicht! Du, noch gestern, Selbst die schwerste meiner Sorgen, Bist es heute schon nicht mehr. Des Geschickes Schläge fallen Schneller auf mein graues Haupt, Als im Hagelsturme Schloßen. – Ein Schmerz will den andern tödten. Ach, wie bin ich doch so arm! Könnt' ich doch, mit eignem Leben, Eure hundert Wunden heilen, Fröhlich böt' ich es dahin. mit traurigem Lächeln. Gäbest du dich, mir zu Liebe, Auch dem Herzog von Savoyen? schaudernd. Wenn es Euer Leiden endet ... Ja, mein Oheim, ja dem Tode; ... Und der Herzog ist mein Tod. Still! Zu andrer Zeit davon! Ist die Leiche Dandolo's Noch nicht aufgefunden worden? Niemand weiß darum. Der Satan Hält erschrecklich mir sein Wort. Sage! als du halbgenesen Von der Ohnmacht warst, im Garten, Bei der Mordthat Abellino's, Hast du wirklich, mit Bewußtsein, Deutlich, seinen Schwur verstanden, Das er dich zur Braut gewählt? Allerdings. vom Lehnstuhl aufspringend. Der ist im Stande, Die Verheißung zu erfüllen! Ja, buchstäblich hält er Wort. Nun allmälig jagt auch mir Der Banditenkönig Grausen Durch die Seele. – Geh, mein Kind. Geh; laß jetzt mich den Geschäften. küßt ihm die Hand und entfernt sich. allein. Welche unheilreiche Zeit! Bin ich noch Venedigs Herzog? Träum' ich einen schweren Traum? Meine Nicht', um die ein Fürst Bei mir wirbt, Banditenbraut? Ich, das Haupt der Republik, Bloß noch Schützling eines Gauners? Dandolo, und du, Canari, Blutig von mir weggerissen; Ohne Macht ist das Gesetz, Euch zu schützen und zu rächen. Warum stehst du selbst noch länger, Alter Eichstamm in der Wüste, Und streckst deine dürren Aeste Klagend zu den Wolken auf? Stürz' auch du hinab zum Moder! Krone, Mark und Wurzel hat Schon des Himmels Blitz zerrissen; Und der Sturm dich längst entlaubt! 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Der Doge und Flodoardo. Eure Durchlaucht ... Näher! näher! Haben die verdächt'gen Bürger Im Verhöre ausgesagt? Sie beharrten fest im Läugnen; Schworen, daß der Waffenvorrath, Der, bei ihnen, in Gewölben, Aufgehäuft gefunden worden, Nur für Rechnung andrer Häuser In Italien gekauft sei. Zwei derselben haben endlich Auf der Folter eingestanden, Ein venedischer Senator Habe diese Waffenmenge Dort durch sie verwahren lassen. – Wider unsre Republik Sei Verschwörung nah' am Ausbruch. Sie versprachen, was sie wissen Zu entdecken. Gott sei Dank! Und der Name des Senators? Sie gelobten, ihn zu nennen. Doch der Eine sank in Ohnmacht, Und dem Andern machten Schmerzen Ganz unmöglich, mehr zu sprechen. Eben jetzt vergönnt man ihnen Zur Erholung kurzen Stillstand. Wisset Ihr der Bürger Namen? ein Papier überreichend. Hier, mein Fürst. den Zettel überblickend. Ganz unbekannte! Reicht ihm mit zärtlicher Bewunderung die Hand. Junger Mann, dich müßt' ich lieben, Hättest du schon meinem Herzen Auch den Todesstreich versetzt. Dein Entdecken dieser Waffen, Und der tückischen Verräther, Rettet unsre Republik. Um den Preis vergißt man Vieles ... Glückssohn, dem soviel gelingt, Möchte Dir noch Eins gelingen, Den Banditen Abellino ... Aber ... hüte selber dich Vor des Fürchterlichen Schlingen! Ich will einen Augenblick Mich in mein Gemach begeben. Bleibet hier! Ab. allein. Bald ist die Rolle Bis ans Ende ausgespielt. O mein Glück, verlaß mich nicht! Nur noch achtundvierzig Stunden Treu mir! dann ist's überwunden. Es ist die Zeit, die Bank zu sprengen. Die Verschworenen beginnen In die Karten mir zu schielen, Und das falsche Spiel zu wittern. Drum zum Ziel. – Der beste Spieler Ist zuletzt des Zufalls Spiel, Und im feinsten Rath ist Unrath. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Flodoardo. Parozzi. sehr freundlich. Ha, mein edler Mocenigho! ihm entgegen. Mir gegrüßet, Don Parozzi. Lange ward mir nicht die Ehre, Eure Herrlichkeit zu sehn. ihm die Hand drückend. Ach, mein Bester, Niemand mehr, Als ich selbst, verlor dabei. Man ist Meister wohl des Herzens, Aber Meister nicht der Stunden. Tausendfache Kleinigkeiten, Kränklichkeiten, Lustparthien, Ehstandssachen, Staatsgeschäfte, Hielten mich im Garn verstrickt; Nicht der Traum bloß, auch das Wachen, Quält uns mit dem Mißgeschick, Daß man fort und immer fort will, Und im sehnsuchtsvollen Streben Keinen Zoll breit weiter rückt. Ihr scheint wohlgemuth und heiter. Könnt' ich anders bei Euch sein? Glaubt mir, wenn der Knochenmann Hipp' und Sanduhr vor mir schüttelt, – Wäret Ihr bei mir, ich lachte Ihm ins grinsende Gesicht. Spötter, Spötter! warum wichet Ihr mir aus, wenn oft ich gern Näher Euch gekommen wäre? Ausgewichen? Ihr seid grausam. Aber wer, zum Beispiel, lehnte Rund und kalt, vor drei, vier Wochen, Meine Einladung zum Ball ab? Wer vermied geflissentlich Lustbarkeiten und Bankette, Wenn er wußte, daß ich Gast war? laut auflachend. Allerliebst, der Streit gefällt mir! Wer uns hörte, würde schwören, Daß wir Liebesleutchen wären, Die sich zanken, um die Wollust Der Versöhnung zu erhöhn. Er umarmt ihn. Hier die Hand! – und hier den Mund! Nun denn ... ewige Versöhnung! Eure Herrlichkeit beschämt mich. Also bin ich guter Christ; Sammle helle Feuerkohlen Auf dem Haupte meines Feindes. Weg den Groll, und ew'ge Freundschaft! lächelnd. Ew'ge Freundschaft! O ich sah Manche, schön, wie Aphroditen, Aus dem Schaum des Weins gestiegen, Wieder mit dem Rausch entfliegen. Falsches Gleichniß! Wir ja sind Nüchtern, wie zwei Diplomaten, O, die schließen ew'gen Frieden, Dauerhaft, wie Märzenschnee. etwas betreten. Ich begreif' Euch nicht. Ihr scheint Zweifel oder Widerwillen ... Nein, ich bitte sehr, verzeiht! Kindischbange Aengstlichkeit Läßt mich zittern, Eure Freundschaft Könnte mir verloren gehn. Eben meine Furcht verbürgt, Was mir dieses Kleinod gilt. Doch wozu Versicherungen? Worte, sagen, was man sein kann; Thaten lehren, was man ist. Darf ich einen Dienst Euch leisten, So gebietet über mich. Allzugütig, lieber Ritter. Im Palast hier, sagt man, seid Ihr Wie im eignen Haus daheim. Könnt Ihr eine Unterredung Mit dem Herzog mir verschaffen? Aber ganz allein mit ihm. Es sind dringende Geschäfte. Mit Vergnügen. Wollt Ihr Euch Einen Augenblick gedulden? Ab in das Gemach des Dogen. allein, mustert den Saal mit Wohlgefallen, und durchschreitet ihn mit einer Art Hochgefühls. Ja, noch ein paar rauhe Wochen, Ein paar Stürme durchgekämpft, Und es dürfte dann wohl dieser Alterthümliche Palast Don Parozzi's Wohnsitz werden .... Uebel scheint sich's nicht zu leben In den königlichen Sälen, Von der Ehrfurcht einer Welt, Und der alten Pracht umgeben. Wenn einst vor der Marcuskirche, Mitten auf der Riesentreppe, Die durchlauchte Signoria Mir begegnet, – mir das Haupt deckt Mit herzoglichem Barete: Ha, in andrer Majestät Will ich mich dem Volke zeigen, Als der altersschwache Gritti. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Der Doge. Parozzi. ihm ehrerbietig entgegen. Eurer Durchlaucht unterthänigst ... Welcher angenehme Zufall Lockt Euch heute, seltner Gast, Zu mir her in den Palast? Darf Anhänglichkeit und Treue Für den Staat und Eure Durchlaucht Zufall heißen ... Ei, zuweilen Kann selbst Tugend Zufall sein. Das Verhältniß macht den Menschen; Heut' ihn trotzig, morgen weibisch, Heute ehrlich, morgen feil. Sagt, was wäre Alexander Ohne Philipps Thron geworden? Was der Gauner Abellino An der Spitze eines Heeres? Es geziemt mir, glaub' ich, nicht, Meiner Vaterlandesliebe Ehrenreden hier zu halten. Besser spricht für sie das Werk. Was betrifft es? Die Verschwörung, Deren erster Faden, sagt man, Flodoardo Mocenigho Aufgefunden haben soll. Ha, das große Wort des Tages, Dessen Donnerruf die Ohren Taub für jedes Andre macht. – Frische Botschaft? ... oder besser ... Die Augen forschend auf Parozzi's Miene. Ein Beweis, daß dort am Ende Alles falsch sei, eitel, nichtig, Leeres Schreckbild unsers Argwohns? Nein, im Gegentheil, ich trage Euch ein Licht zu, dessen Strahlen Der Verschwornen finstre Werkstatt Tief ins Innerste beleuchten. stutzig. Ihr? – Wie so? Erzählt. Was gibt es? Doch, durchlauchter Herr, mein Name Bleibe ewiglich geheim. Ist er nicht als Bürgschaft nöthig ... Nein, ich bring' Euch bessre Bürgschaft So empfangt mein Wort; es soll Euer Name heimlich bleiben. Würd' er ruchbar ... o, es müßten Welt und Nachwelt ihren Fluch Mit Empörung auf mich schleudern. Denn – o Gott – ich darf's kaum sagen, Dem geschwornen Bürgereide, Und der Pflicht fürs Vaterland Soll ich meines Herzens Frieden, Meine zärtlichsten Gefühle, Und was je dem Mann von Ehre, – Was den Völkern aller Zeiten Hoch galt – kurz ... ich muß, ich soll Meinen eig'nen Freund verrathen. schaudernd. Euern eignen Freund? ... Doch weiter! Ihr könnt jetzt nicht mehr zurück, Und das rasch entfloh'ne Wort Aus der Luft nicht wieder fangen. Lange hab' ich schwer gerungen Zwischen Liebe und Gesetz. Mitleid und Erbarmen klagten Laut um den verirrten Freund; Aber lauter schrie der Jammer Unsrer edeln Republik. Schwerer hat das Schicksal niemals Einen Sterblichen geprüft. Nirgends sah ich für mich Ausflucht, Immer drängte nur die Wahl: Hochverräther an der Freundschaft Oder an dem Staat zu werden. Allerdings, die Wahl ist graunvoll. Doch Ihr habt den Kampf bestanden; Und – es tröstet mich für Euch, – Euer Schmerz, wie mich bedünkt, Spricht gesetzt, spricht ziemlich nüchtern. Drum zur Sache. Nennt den Namen. Darf ich? Muß ich nicht befürchten, Daß dies Wort, wenn mir's entfährt, Euer Herz zu schwer erschüttre, Eure köstliche Gesundheit In den feinsten Wurzeln tödte? düster. Sorget nicht um mich, und wagt's! Meine Proben sind bestanden. Denn, man sagt, er sei euch theuer. Und Ihr hättet ... Rasch zum Ende! Klage, Kläger und Beweis! Eure Botschaft ... nimmt gemächlich einen Brief hervor. Gnäd'ger Herr, Als ich, um die Dämmrung, gestern In der Kühle mich erging, Fand ich einen offnen Brief Unweit der Rialtobrücke. Das Papier, ein Spiel des Windes Flatterte vor mir am Boden. Ich erhascht' es, steckt' es zu mir, Und fand zentnerschweren Inhalt. – Wie Ihr seht, das Schreiben ist An Don Kassowich gerichtet, Obersten Befehliger Der dalmatischen Besatzung. Ihm wird eilends angedeutet, Daß die Stunde der Entscheidung Zwar um sechs und sieben Tage Weiter hin verschoben sei; Daß er aber dennoch wachsam Bleiben müsse, und bereit, Auf den ersten Wink des Bundes Mit dem Kriegesvolk zu wirken. Ferner, daß er den Marcasca, Hauptmann bei der Zeughauswache, Von dem wicht'gen Platz entferne; Denn der Hauptmann sei verdächtig. Und die Unterschrift? Sie lautet ... Flodoardo Mocenigho. Hier der Brief in seiner Urschrift. Er überreicht denselben. mit ruhigem Ernst, indem er den Brief durchsieht, spricht, immer die Augen auf das Papier geheftet. Das ist Flodoardo's Handzug! ... Nach einer Pause. Und man findet auf den Straßen Von Venedig solche Briefe? ... Feiner pflegen doch Verschworne Sonst ihr falsches Spiel zu treiben. Mit noch feinerm Finger aber Spielt die Vorsehung hinein. mit dem Blick auf ihn. Ihr habt Recht, wahrhaftig Recht! Drum baut jeder Bösewicht, Und wie schlau er's sich berechne, Immer nur den eignen Galgen. Alle Bosheit ist nur Dummheit, Die zuletzt sich selber fängt; Jeder Vorsatz des Verbrechens Aufruhr eines Sonnenstäubchens Wider Gottes Weltenszepter. Allerdings! – Wie sehr beklag' ich Die Verirrung Flodoardo's! Nur Verblendung, nur Verzweiflung Einer hoffnungslosen Liebe Warb vielleicht den jungen Mann Für den Bund der Mißvergnügten. Dieser Bund bot seinem Stolze Eine große Hoffnung an, Oder eine große Rache ... In der That, ich lieb' ihn noch! Und ... warum nicht? ... mir scheint's möglich, Ihn vielleicht auch jetzt zu retten, Ohne Nachtheil für den Staat. In der Macht von Eurer Durchlaucht Liegt es, schnell ihn zu entfernen; Jeder Fingerzeig des Briefes Ließe sich auch dann benutzen, Wenn die Handschrift Flodoardo's Schon im Rauch verflogen wäre. kopfschüttelnd. Laßt das Recht den rechten Weg ziehn! Euch verdank' ich Eure Treue. Aber wie gesagt, mein Name ... Bleibt verschwiegen, zweifelt nicht. Indem er ihm das Zeichen der Entlassung gibt. Morgen, an dem Namensfeste Meiner Nichte Rosamunde, Hoff' ich, werdet Ihr nicht fehlen? Eure Durchlaucht ... allzugnädig ... Ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Der Doge allein, nachher ein Diener. Hm! ein Wind spielt auf der Gasse Mit dem Briefe? wirlt ihn eben Vor Parozzi's Füße nieder? Er klingelt. Mir weht Wind in die Geschichte! Ein Diener kömmt. Ruft aus meinem Arbeitszimmer Mir den Ritter von Florenz. ab. den Brief noch einmal musternd. Das schrieb Flodoardo's Hand. Hier ist Wahrheit, unläugbar; Doch der Mann, der mir das brachte, Sah der Lüge etwas gleich. Wem soll ich, und was hier glauben? Sei's, ich will mich gehen lassen. In verworrenen Geschäften Ahnt ein dunkles Rechtsgefühl Leichter oft das Wahre aus, Als der glücklichste Verstand. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Doge und Flodoardo. Mein durchlauchter Herr, ich möchte ... hält ihm den Untertheil des Briefes vor die Augen. Weß ist diese Unterschrift? Meine eigne. hält ihm den ganzen Brief vor. Und die Handschrift? Irr' ich nicht, so schrieb ich's selber. steckt den Brief zu sich. Wann habt Ihr dem Obersten Der dalmatischen Besatzung Diesen Brief gesandt? – Besinnt Euch. Dem schrieb ich noch keine Zeile. Oberst Kassowich? Noch niemals. Sagt mir denn, was haltet Ihr Von der Treue des Marcasca, Hauptmanns bei der Zeughauswache? Ich bedaure, Eure Durchlaucht Nicht befriedigen zu können, Denn er ist mir unbekannt. Nun denn ... Mehr ein and'res Mal. Er will sich entfernen. Eure Durchlaucht, eine Bitte Wollet Ihr mir noch gewähren ... Ein Geschäft von Wichtigkeit ... Nur des Augenblicks bedarf es, Um die Sache abzuthun. schon an der Seitenthür. Dringenderes ruft mich fort. Zögert hier ein Viertelstündchen, Und verlasset nicht den Saal. Ab. allein, verdrießlich. Nur ein Viertelstündchen! Wüßt er's, Wie Minuten heute schwer sind! – – Und was wollt' er mir mit seinen Sonderbaren Fragen deuten? – Jener Brief dazu! – Vermuthlich Gar ein Liebesdienst Parozzi's! Und wozu? O, ganz gewiß Will mir dieser glatte Flachkopf Einen übeln Streich versetzen. Nattern tragen flache Köpfe! 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Flodoardo. Rosamunde. ihr entgegen. Ha, Signora! heiter. Hier so einsam? Müßt' Ihr, Ritter, vor den Thüren Meines Oheims Schildwacht halten? etwas verstimmt. Wirklich Schildwacht; und das mehr Als in einem Sinn des Wortes. Schön, ich muß ihn glücklich preisen. Unter Eurer Obhut ist er Wohlgeschirmter, als wenn tausend Der dalmatischen Soldaten Seinen edeln Leib bewachten. mit Achselzucken. Ah, ich stände andrer Orten Besser wohl an meinem Platz; – Aber ich bin hier gebannt; ... Soll davon, und darf es nicht. scherzend. Sehr verbindlich, edler Herr, Schon, im ersten Augenblick Eines flüchtigen Gesprächs, Langeweile mir zu klagen. Macht mich ja nicht stolz, zu glauben, Ihr vergesset neben mir Ganz Venedig und die Welt. sich in ihren Ton stimmend. Zweifelt nicht; so ist es wirklich. Ganz Venedig und die Welt, Nur Euch selbst nicht, über Euch. Ist nicht morgen Namensfest Uns'rer heil'gen Rosamunde? Hab' ich da nicht tausend Dinge Diesem Festtag vorzurüsten? Vertraulich, halblaut. Und – ich hoffe mir bei Euch, Wenn's gelänge, die Gewährung Einer Bitte zu verdienen. Einer Bitte? und die wäre? Daß die Herrin meines Lebens Mich, wie ihren Diener einen, Mit dem süßen Du benenne. mit Lächeln und Kopfschütteln, drängt ihn sanft von sich. Wie ich hier Euch nenne, Auf das Herz deutend. weiß ich; Euch jedoch frommt's nicht zu wissen. Uebrigens laßt uns die Formen Eingeführten Brauches ehren. Sie sind nichts an sich, und zarter, Als der Spinne feinster Faden; Dennoch stärker als der Stärkste. Wißt, der Sturm der Leidenschaften Wird von ihrer Macht gefesselt, Der die Welt sonst aus den Fugen Aller Ordnung treiben würde ... Ah, schon straft mich heut die Reue, Daß ich gestern ... daß die Blume ... Lebhafter und ängstlich. Ich beschwör' Euch, edler Lieber, Laßt es keiner Seele ahnen, Wer sie gab und – was sie deutet! Fürchtet nichts, erlauchtes Fräulein, Das Juweel ist wohlverwahrt; Liebes- oder Leichenschmuck, Ruht es hier am treuen Herzen. Indem er an der goldenen Halskette zupft, um sie hervorzuziehen und ungeduldig das Brustkleid dabei öffnet, erblickt man einen verborgenen Panzer. erschrocken. Flodoardo! ... Was soll das? Warum traget Ihr den Panzer In Venedig? im Palast Eures Herzogs? – Ist Gefahr? Sprecht, um Gotteswillen! stellt Euch Abellino nach dem Leben? betreten, verbirgt den Panzer. Nichts ... es war Vergeßlichkeit ... Diesen Morgen ... Ihr seid blaß? Warum zittert Ihr – Wir Männer Haben öfters tolle Händel. Nein, gepanzert und gewaffnet, Wie zur Feldschlacht, wie auf Corfu, Denkt Ihr, blut'ge Lustbarkeiten Mir zum Feste zu bereiten. Darum, darum ist's zu thun! Dies geheimnißvolle Gähren In der Stadt und im Palast, Dieses Treiben, dieses Fliegen Stummer Boten her und hin, Die Verdoppelung der Wachten, Die Versammlung aller Räthe ... Alles sagt mir an: es hange Schon ein unglücksschweres Schicksal Drohend über unsern Häuptern. Vertraulicher. Flodoardo, bin ich wirklich Eurer Achtung nicht ganz unwerth, O so nehmt die Angst von mir. Sagt, was stehet uns bevor? Fürchtet nichts; ich will nicht zittern Schwebt Ihr selber in Gefahr? O gesteht mir's! Warum schweigt Ihr? Euer Leben, ist's nicht mein? Retter, Engel meines Daseins, O verhehlt mir nichts, ich flehe, Ich beschwör' Euch ... Edler, Lieber ... Leise, ihn in Thränen anlächelnd. Ich befehle dir es, hörst du? Ich gebiete dir's! ihre Hand küssend. Wer könnte Den Gehorsam da verweigern? Nun, so wißt's! – Doch, was ich sage, Niemand soll's von Euern Lippen Wieder hören, auch nur ahnen. – Allzufrüh entsiegelt, bringt Das Geheimniß mir den Tod! – Ja, ich steh' in voller Schlacht. Schwerern Streit muß ich heut' führen, Als in Corfu mit den Heiden. Im Verborgnen zielen hundert Feuerröhre, hundert Klingen Auf mein Herz, beim ersten Wink, Wenn der Zufall mich verräth. mit Bangigkeit. Gilt es Euch allein – so flieht! Fliehet auf Pesaro's Flotte; Rettet, rettet Eure Tage. Was Ihr rettet, ist mein Leben. Säumet nicht! Nun wird die kalte Todesangst von meiner Seele Nicht mehr weichen, bis ich Euch Aus der Stadt entronnen weiß. Hört mich ganz. Obwohl ich einzeln, In zweideut'ger Stellung, kämpfe, Weder Feind von meinen Feinden, Noch der Freund von meinen Freunden, Kämpf ich dennoch nicht um mich. Nein, der Streit geht um viel Hohes, Um das Leben Eures Oheims, Um die Sicherheit Venedigs, Um die uralt heil'ge Ordnung, Um den Ruhm der Republik. ihn anstarrend. Steht es so? – Es wird mir Licht. Nun, – so walte Gott! – Ihr bleibt! Bleibt und streitet; fallet, sieget; Alles gleich! – Wir Menschen leben Nicht des eiteln Lebens willen. Seid beruhigt. Morgen schon Hoff' ich, ist das Werk vollbracht. Laßt Euch, was nun auch geschehe, Nichts erschüttern; glaubet nichts, Was man irgend wegen meiner Deuteln, rathen, plaudern wird. Würdig will ich Eurer leben; Eurer würdig kann ich sterben. Indem er kniend ihre Hand küßt. Weinet nicht, denn diese Thränen Sind zu früh, sie sind zu köstlich; Können mit dem schwarzen Blute Meiner Feinde nimmermehr Aufgewogen werden! – Bete, Engel Gottes, bete freundlich! Deine Lippe ruft den Sieg; Denn du stehst der Gottheit näher, Als wir Sündige, verwandt. Gott hat noch zu allen Zeiten Einen Liebling aus dem Himmel Auf die Erd' herabgesandt, Um, in menschlicher Gestalt, Sehnsucht nach dem Göttlichen Unter Sündern zu entzünden: Und du – bist die Botin Gottes. 8. Auftritt Achter Auftritt. Die Vorigen. Der Doge. indem er Beide erblickt, bleibt plötzlich stehen; dann mit Aufwallung des Zorns, als Flodoardo ihm entgegen treten will. Ritter, das geziemt Euch übel ... Ihr vermeidet auf der Stelle, Für die Zukunft, den Palast, Und begebt Euch auf die Flotte! Rosamunde, du mein Stolz einst, Meine Schmach jetzt, – fort von hier! Fort, in dein Gemach, und wenn du Lieber willst, ins Nonnenkloster. bescheiden. Eure Durchlaucht, ich gehorche. – Mein Gebieter seid Ihr über Thun und Lassen, Tod und Leben; Nur drei Dinge bleiben dennoch Auch dem ärmsten Sklaven frei; Ueberzeugung und Gewissen, Und des Herzens innre Neigung. – Wenn ich Eure edle Nichte Tief und anspruchlos verehre ... bitter. Wirklich? Auf den Knien sogar? – Undankbarer, dafür will ich Euch mit meinem Fluche danken! in bittender Stellung. Euer Segen, Fürst und Vater, Hat des Fluches Arm entwaffnet. O, gedenket heut' der Stunde, Als Ihr, mir zum Troste, sprachet: »Ich bin Mensch, und kann verzeihn.« zur Nichte gewandt. Warum zögerst du? Was denkst du Noch zu heucheln? Fort, von hinnen! mit ruhigem Stolz. Ich gehorche, theurer Oheim; Doch gestattet mir, in Demuth, Euch mein Lebewohl zu sagen. Binnen einer Stunde werd' ich Fern von hier im Kloster wohnen. Diesem Manne, der mich ehmals Aus der Knechtschaft der Barbaren Lösete mit seinem Blute, Ihm gehört mein Herz zu eigen. Meine Hand verschenk' ich nicht, Und – sie läßt sich nicht verkaufen. Still! Davon ist hier nicht Rede. Wenn Ihr mir ein Wort erlaubet, Allerdings, durchlauchter Herzog. Ihre Liebe macht nun ewig Meine höchste Seligkeit. Ihre Hand darf ich nicht fordern. Wäre sie um einen Preis Zu erringen, o der schwerste Würde mir ein Federspiel. ärgerlich. Wirklich? Nun, so rüstet Euch, Hier gibt's etwas zu verdienen! Geht, und sprenget die Verschwörung, Eh' sie uns sprengt und den Staat. stürzt ihm freudig zu Füßen. O, mein Herzog! viel zu wenig! Viel zu wenig! – Könnte das schon Euern Zorn mit uns versöhnen? Geht, vollbringt's, und hintennach Prahlt, es sei nur Spiel gewesen. Geht, und schleppt den Abellino Bei den Haaren mir hierher, Mir lebendig hier zu Füßen ... O, zu niedrig ist der Preis! ... heftig. Nimmermehr! Es ist zuviel. Oheim, was hat er verbrochen, Daß Ihr seinen Tod begehrt? aufspringend und Rosamunden sanft zurückhaltend. Rosamunde, laßt mich walten! Das, das ist die heiße Schlacht, Die ich lief're! Laßt mich walten! Ja, mein gnäd'ger Fürst und Herr, Binnen vierundzwanzig Stunden Ist's gethan, wie Ihr geboten, Oder zählt mich zu den Todten. stutzig. Junger Mensch, Euch dreht der Schwindel! zieht Papiere hervor, die er ihm überreicht. Wenn Ihr unbedingten Glauben Mir zu würdigen geruht, Wenn und was sich auch ereigne, Und wenn Alles wider mich Zeugend beide Hände aufstreckt, Nichts in Euch die Zuversicht Auf mein Wort und meine Treue Wanken macht, dann wird's gelingen! Ja, bei meiner ew'gen Liebe Bei' der Unschuld dieser Heil'gen Bei dem Throne der Vergeltung In den Himmeln sei's geschworen: Ich bin Euch und dieser Heil'gen Und dem Vaterlande treu. Die Papiere hier? Ich bitte, Daß es Euch gefallen wolle, Was darin bezeichnet ist, Wegen Truppen und Galeeren, Wegen Wachten und Verhaftung Einzelner Venetianer, Alles auf das Pünktlichste In der vorgeschrieb'nen Stunde, Nicht zu früh, und nicht zu spät, Ohne Fehl vollziehn zu lassen. Morgen dann, zur achten Stunde, Wenn, zum großen Feiermahle, In dem glanzerfüllten Saale Herrn lind Frau'n versammelt sind, Werd' ich wiederum erscheinen. Mein Erscheinen gilt als Botschaft Unsers Sieges, unserer Freiheit! ihn durchforschend. Ihr mit dieser Zuversicht Der Entwürfe solltet Ihr Mehr schon, als ich selber, wissen Von dem Werk der Finsterniß? Warum wenn's in Eurer Macht steht, Hebet Ihr nicht pflichtgemäß Ganz die Decke vom Geheimniß? Laßt mich schweigen, gnäd'ger Fürst. Hinter seinem Garn verborgen, Liegt der Vogelsteller lauernd, Athmet kaum. Ein unvorsicht'ger Laut entführet ihm die Beute. Was ich Euch in diesen Blättern, Was ich mündlich Euch vertraute, Darf kein Sterblicher vernehmen, Bis die That es ihm verräth. Lautlos fällt der Blitz vom Himmel, Und zermalmt die Felsenburgen; Dann verkünden erst die Donner Seine Macht. Es sei darum. Wohl, ich darf Euch trau'n; Ihr redet Mit der Zuverlässigkeit Eines Mannes, der sein Spiel kennt. Aber bauet nicht zu viel Auf die eigene Berechnung! O ich weiß! es rechnet freilich Noch ein And'rer im Verborg'nen! Unser Spiel wird von dem Spiele Jener fremden Hand durchkreuzt, Welche mit dem Staub der Wüste, Mit dem Frost der Winternacht Niebezwungne Heere schlägt; Mit dem Blasen eines Windes Unbewegliche Armaden In den nahen Abgrund legt. Doch auch dann. .. mein Herr und Vater, Gönnt mir Euer fürstlich Wort, Zu vollziehn, was ich gebeten. Auch nach einem Strohhalm, sagt man, Hascht in banger Todesnoth Der Ertrinkende voll Hoffnung. Hier mein Wort, und hier die Hand! Morgen um die achte Stunde ... Wenn ich nicht erscheinen würde ... Wenn die neunte Stunde schlägt, Und ich nicht erschienen wäre ... Er überreicht einen versiegelten Brief. Dann erbrecht dies schwarze Siegel, Und vollstreckt des Inhalts Winke. Nun die Stunde ruft zum Werke; Laßt mich an die Arbeit eilen. Lebet wohl! Ich muß von hinnen. Rosamunde lebet wohl! – – O du auserwähltes Licht Meiner Laufbahn, leuchte mir, Hin durch Stürm' und Finsternisse Wie dem Schiffenden sein Nordstern ... Bete! – hoffe! – traure nicht! mit Begeisterung. Soll Venedigs Tochter trauern, Wenn für Recht und ew'ge Ordnung, Für des Vaterlandes Ruhm, Helden in die Schranken treten? Sind denn meine Wangen bleich? Sind in diesen Augen Thränen? – Fahre wohl, du edler Streiter. Wer, den Gott in seiner Brust, Nicht vor Schicksalstücken zittert, Hat den Sieg schon halb errungen, Hat das Stärkste schon bezwungen. Fahre wohl; ich weine nicht! Ueberwind', ich will dich kränzen; Stirb, ich sterbe freudig nach. Wenn für Heil'ges Waffen glänzen, Ist der ganze Himmel wach. reichen sich die Hände zum Abschiede; – heften die Blicke stumm auf einander – trennen sich schweigend, und gehen langsam auf verschiedenen Seiten ab. nach einer Pause. Ist's das Alter? Sind's die Zeiten? Alles dünkt mich irr' und wirre; Und der Geist schwebt dumpf und stumpf Ueber'm Chaos wüster Händel. – That ich recht, all' meine Macht Und das Schicksal von Venedig In des Jünglings Hand zu werfen? Selbst die Frag' ist schon zu spät. 9. Auftritt Neunter Auftritt. Der Doge. Drei Senatoren. Auf Befehl des Zehner-Rathes Kommen wir, durchlauchter Herr, Euch zu bitten, die Verhaftung Flodoardo Mocenigho's Allerschleunigst anzuordnen. Flodoardo Mocenigho's? Und weßhalb? Es haben wirklich Ein'ge der gefangnen Bürger Unterm Schmerz der Foltereisen Eingestanden und bekannt, Daß der Ritter von Florenz Für den Zweck der Mißvergnügten Sie erst angeworben, dann Ihnen Pulver und Gewehre Selber anvertrauet habe. Thorheit! und er selber hätte Sie dann hintennach verrathen? Selber sie dann eingefangen? Und sie hätten voller Großmuth Ihn verschwiegen, bis die Qual Sie am Ende übermannte? ... Ich begebe mich zur Stelle Zu dem Zehner-Rathe. – Folgt mir. Alle ab. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Zimmer im Palast Parozzi's. – Seitwärts ein Tisch mit Weinflaschen. Im Hintergrunde ein schwarzbehangener Tisch, darauf ein Kruzifix zwischen brennenden Kerzen, vornan ein Todtenkopf. Parozzi, Memmo, Falieri, Abbate Tolomeo treten herein. Eure Herrlichkeiten, diesmal Seid Ihr Männer nach der Uhr! zu Parozzi. Was? Altar und Kruzifix? Und der Todtenschädel? – Theurer, Schafft das grausige Gesicht Mit den hohlen Augen fort! Solche Weltgerichtsfiguren Taugen zu uns lust'gen Zechern, Wie Erdbeben und Orkane Allenfalls zum Maskenball. Der hochwürd'ge Abbate Will uns, scheint es, Messe lesen. Freunde, heut zum letztenmal Sammeln wir uns hier zu Rath, Morgen Nacht ruft uns die That. Darum, denk' ich, sollen wir Unsern Bundesschwur erneuern, Treu zu halten Mann an Mann. Ja, und feierlich betheuern, Auch den letzten Tropfen Bluts Für das heil'ge Werk zu opfern, Bis es in Vollendung strahlt; – Bis der ketzerische Stolz, Ausgerottet im Senate, Gotte gibt, was Gottes ist, Und, zu Rom dem Stuhle Petri Unterwürfig, dessen Recht In der Kirche anerkennt: – Bis, von weltlichen Gesetzen Unbeschränkt, die heilige Inquisition des Glaubens Reinheit freudig schirmen kann; – Bis das Laster der verruchten Simonie entwurzelt worden: Daß gesammte Geistlichkeit Nicht unmittelbar vom Staate, Wie bisher, abhängig schmachte, Sondern ihrem Oberhirten Wie in andern Christenländern, Wieder heimgegeben sei. hämisch. Pah! das wird sich Alles machen! Erst gefegt und dann der Tanz. Doch wozu die Kinderpossen, Bundesschwur und Firlefanz? Schwören oder nicht, wir müssen Vorwärts in Triumph und Tod. Vorwärts geißelt uns die Noth! Es bedarf wohl keines Schwures, Daß es Niemanden gelüste Unter'm Henkerbeil zu enden. Und wer dennoch wanken möchte, Den, Ihr wißt's, trifft unser Dolch. Aber wichtiger ist heut, Daß wir uns ein Haupt erwählen, Welches die zerstreute Kraft Blinder Glieder kennt und züchtet, Und vereint zum Ziele richtet. Wohlgesprochen! Hab' ich das Nicht schon tausendmal gepredigt? Seht das wahre Haupt im Staat Ist, Ihr wißt's, der Zehner-Rath. Er hat Willen und Gedanken; Ist der Geist, der Alles treibt; Und der Dog' an diesem Haupte Nur das Aeußre, – das Gesicht. Gut, Ihr Andern bildet künftig Unsern neuen Zehner-Rath; Seid Ihr dann das Buch der Weisheit, So macht mich zum Titelblatt. lächelnd zu Memmo. Merkt Ihr nicht, daß Falieri Selber nach der Krone schielt? Unser edler Freund, ich wette, Sieht sich mit dem Herzogsmantel Schon im Geiste angethan; Und wie er, voll Majestät, Auf dem goldnen Bucentauro, An dem Fest der Himmelfahrt, Ueber Adria's Gewässern Mit dem goldnen Trauring schwebt; Dann, umringt von tausend bunten Gondeln, Barken und Galeeren, Bei dem Donner des Geschützes, Und dem Festklang aller Glocken, Die Vermählung mit dem Meere Unter Jubelruf vollbringt. heftig. Eignet mir doch nicht die Träume Eures faden Hochmuths zu! Denkt, statt an den Hermelinschmuck Um den Leib, an euern Hals, Und vergeßt nicht, daß der Weg, Den wir mit einander morgen Wagen werden in der Nacht, Uns erst an der Seufzerbrücke Hart vorbeiführt, neben Kerkern, Und den schaurigen Bleikammern, – Rechts vorüber an den Säulen Von St. Theodor und Marcus, Zwischen welchen, aller Zeiten, Blutgerüst' und Galgen wachsen. Darum thut ein sichrer Führer In der dunkeln Nacht uns Noth. Nöthiger uns noch die Eintracht! Was geschehn soll, ist beschlossen; Der Entwurf ist fest geregelt, Jede Rolle ausgetheilt. Dabei laßt es nun bewenden; Bannt den Hader; ruft ihn nicht Durch die Eifersucht herbei. Horcht! Man kömmt! Es sind die Freunde! 11. Auftritt Eilfter Auftritt. Die Vorigen. Contarino. Abellino. Contarino und – der Teufel! Heda! füllet an die Becher Mit dem besten Cyprier; Denn ich bring' Euch frohe Mähr. Die Geschäfte gehn von statten! Und ich komme auch nicht leer. Die gefangnen Bürger sah ich In die Marterkammer schleppen. Wetter, das gab Höllenspaß! Unsre armen Schelme riefen Erst die heil'gen zwölf Apostel, Dann auch die zehntausend Jungfraun, Als die Bürgen ihrer Unschuld; Aber deren keiner kam. Darum blieb beständig Frage: Was ein Mann, wie unser Schneider, Mit den Piken und Gewehren, Statt der Nadeln und der Scheeren, Schneidern, näh'n und bügeln könne? Oder was der feiste Bäcker Backen woll' aus Blei und Pulver? Jener pfiff, gleich einer Spitzmaus, Wenn der Schmerz aufs höchste stieg; Dieser blies aus vollen Backen, Wie vor seines Ofens Glut. Und bekannte einer? Keiner. Selbst, als man den Bäcker endlich, Halb entkleidet, mit den Armen Oben an die Eisenstange Aufgehangen, unten aber Ein Paar Schuhe ihm von Blei An den Fuß gebunden hatte, Seht, er blies nur? muckste nicht. Muckste nicht, auch wenn der Henker, Aus der glüh'nden Pfanne, lustig Pech und Schwefel, mit dem Besen, Gegen die Gelenk' ihm spritzte. Bravo! Bravo! halblaut, im Gefühl eines Gefolterten. Mordio! Anders pfiff das Schneiderlein, Als es ausgespannt, durchsichtig, Wie ein lock'res Spinngewebe Diesen Feuerregen spürte. Gnade! schrie es, ich bekenne! – Und bekannte? Allerdings ... Wetter! das ist übel! Halt! Alles, alles ist vorbei; Leute, flieht! Wir sind verloren, Sind verrathen, sind verkauft! Jesus du, Marie und Joseph! ärgerlich. Quacke nicht und laß mich reden. Kurz, das Schneiderlein bekannte, Den bei ihm gefundnen Waffenvorrath habe ihm Flodoardo zugestellt. Flodoardo? O vortrefflich! Schnell zum Zehner-Rath und Herzog Flogen Boten Sbirren eilten In die Wohnung Mocenigho's, Doch der Vogel war entwischt. Aufgeschoben ward sodann Das Verhör bis übermorgen. Gut, dann sitzen, hoff' ich, wir Selber auf den Richterstühlen, Und das Schwert schlägt umgekehrt Daß, in aller Welt, der Schneider Zu dem klugen Einfall kam! Er, wie's blinde Huhn zur Gerste. Mir gelang es im Vorbeigehn, Unbemerkt, und wie im Niesen, Ihm den Namen zuzuflüstern. füllt und vertheilt die Gläser. Trink auf Contarino's Wohl! Seine Geistesgegenwart Hat uns wunderbar gerettet. trinken. Contarino! Contarino! nimmt ebenfalls ein Glas. Und die Gans vom Capitol, Und der Schneider von Venedig! Doch, vor Allen dich, Parozzi, Deinen Brief an Kassowich, Und die Hexenfeder, welche Flodoardo's Züge stahl Euch zusammen sollte man, Zum Gedächtniß ew'ger Zeiten, Unter die gestirnten Bilder Unsers Firmaments versetzen. Denn mit einem Federstriche Ward der Ritter von Florenz Aus des Herzogs Schutz gerissen; Kassowich, der Eisenfresser, Von dem wicht'gen Platz verstoßen; Unserm Mann, dem Oberst Follo, Dessen Stelle eingeräumt. Also sind wir nun des Kriegsvolks, Auch des Arsenals versichert. Selbst Marcasca sitzt verhaftet. Trinket auf Parozzi's Wohl. trinkend. Brav, Parozzi! Hoch, Parozzi! In der That ein Meisterstreich Ein gewonnen Treffen; das ist Mehr, als Abellino's Dolch! Hm, ich hab' es oft gehört, Daß, in eines rechten Teufels Faust, die Feder ärger morde, Als ein zweischneidiges Schwert; Ja, die Dinte unfehlbarer, Denn Tofana-Wässerlein. Nun, von heut an will ich's glauben! Kann mich, als Bandit in Ehren Nicht der scharfe Dolch ernähren, Ruf' ich: Dint' und Feder her! Und vertausch' ich das Gewehr. zu Abellino. He da, heldenmüth'ger Bravo, Hast du keine frischen Lorbeern Heut um deine Stirn gesammelt? Treu vollstreckt, was Ihr geboten. Sahst du Spur von Flodoardo? Er gibt eben großen Schmaus. Lügner, nein, er ist entwischt. Hi, hi, hi! hab' ich doch selber Thor und Riegel ihm geöffnet. Sprachst ja erst von einem Schmause ... Den er Fischen gibt und Würmern. froh zusammenfahrend. Ist er wirklich ... wirklich ... bst! Er schnalzt mit den Fingern in die Luft hinaus. Falls ich in der Finsterniß Einen Andern nicht, statt seiner, In den Freudenhimmel schickte. Aber kennet Ihr vielleicht Flodoardo's Siegelring? Wie den eigenen. reicht ihm einen Ring. Nun so schaut, Diesen zog ich ihm vom Finger. Das ist Flodoardo's Ring. Unsere Sache steht gewonnen! Zehnerrath und Signoria Gehn verlockt, auf falscher Fährte. Lasset nicht zu früh uns freuen! Teufels Mehl wird oft zu Kleien. Füllt die Becher! Morgen Nacht Ist das große Werk vollbracht. Nicht allein mit ihren Schrecken Soll die stumme Finsterniß Unsre kühne That bedecken; Auch der trunkne Gott der Lust Will uns schadenfröhlich morgen Seinen Rosenmantel borgen. – Wenn die kerzenhellen Säle Im herzoglichen Palast Tummelplatz der Freude werden; Wenn die bunten Tänzerreih'n, Nach dem Zauberruf der Flöten, Sich entwirren und verschlingen, Muß die Mine donnernd springen. Jeder von uns, edle Herrn, Kennt den ihm bestimmten Platz. Kurz vor Mitternacht verläßt Contarino still den Ball; Nimmt das Zeughaus; stellt das Kriegsvolk Längs dem Marcusplatze auf, Und Geschütz an alle Brücken. Jede Gondel, die verdächtig Naht, wird in den Grund gebohrt. Bei dem ersten Schusse stürzen Unterdeß wir Andern alle Auf die Gäste bei dem Balle. Was sich widersetzt, das fällt. Abellino aber führt, Wohlvertheilt auf vielen Wegen, Uns die Mißvergnügten her, Die im Dunkeln sich bewaffnet Auf den beiden Lido's sammeln. Abellino ist mein Trost! Er muß künftig Messer Grande, Herr und Haupt der Sbirren sein! Ja, das muß er! Schenket ein. Er ist unser rechter Arm. Hoch soll Abellino leben! He! er lebe! lebe hoch! Alle sammeln sich um den Trinktisch, stoßen an und verlieren sich in frohe Gespräche. hat indessen den Todtenkopf genommen und betrachtet. Kamerad, was machst du hier? Gelt, du meinst 's ist Alles eitel. Er kömmt damit in den Vordergrund, und zeigt ihn den übrigen, die aber im Gespräch sich durchs Zimmer zerstreuen und nicht auf ihn hören. Schaut, der Seele kahles Haus! Alle Pracht ist dran verflogen; Die Verwesung grinst heraus: Denn der Gast ist fortgezogen. Seelchen, wie gefiel es dir In dem winzigen Quartier? Welche Pläne wurden hier, Unterm Schädeldach, geboren? Galt's des Ruhmes Sternenflug, Oder Büberei im Stillen? Oder frommen Weltbetrug? Oder Weltverbessrer-Grillen? Oder, in der Alltagsnoth, Sorge nur um täglich Brod? – Vieles ward hier ausgeboren, ... Das Geborne – ist verloren! Seelchen, blitzte mild gut Frommer Thränen schöne Glut Einst durch diese Augenlücken? Oder – Brunst verborgner Tücken? – Und was hat zumeist, von allen Lebensschätzen, dir gefallen? Voller Tafeln Gaumenweide? Hübscher Weiber Liebelei? Prunk und Pracht in Sammt und Seide? Fürstengunst und Kriecherei? Bänder, Sterne, Ordenskreuze? Handel durch die weite Welt? Oder, wohlgezählt vom Geize, Eisenkisten voller Geld? – – Die Begierden sind verglommen, ... Sprich, was hast du mitgenommen? Pulvis sumus, sumus umbra! Seelchen, edler Gottesschatten, Mußtest mit dem Staub dich gatten; Bliebst du göttlicher, denn Staub? Gabest du der Welt zum Raub Deines Daseins seltne Freuden Für der Tugend stillen Glanz? Trugest du, für Recht und Wahrheit, Des Märtyrers Dornenkranz? Sprich, was hast du dort bekommen, Wo Vergeltung lohnt die Frommen? Keine Antwort? Alles stumm? Er sieht auf die Uebrigen zurück, die im Hintergrund des Zimmers lebhaft sprechen. Hei, wie streiten die herum! Thoren, die sich darum grollen, Was sie morgen träumen wollen! Zum Todtenkopf. Vorwärts, pred'ge Kamerad, Predige das Wort in That: Gegen den Hintergrund gehend mit erhobener Stimme. Pulvis sumus, sumus umbra! 5. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Glänzende Versammlung von Senatoren und Edeln, unter ihnen da Doge, Contarino, Parozzi, Memmo, Falieri, Abbate, Tolomeo, – und von Edelfrauen, unter denen auch Rosamunde und Iduella. Sie bewegen sich in geselliger Unterhaltung durcheinander; einige stehen in einzelnen Gruppen vertheilt. der zu Parozzi und Contarino in den Vorgrund kömmt, halblaut. Sagt doch, Leutchen, ist's hier richtig? Oder habt Ihr's recht gehört? Warum mußte Mann für Mann Von den Gästen Dolch und Degen, Vor dem Eintritt in den Saal, In die Hand der Diener legen? verdrießlich. Ei, es sei ein Rathsbeschluß, Der verwirrten Zeiten wegen. He, nun stehn wir da, wie Laffen, Plötzlich ohne Wehr und Waffen. Was beginnen, wenn wir nun Schaffen sollen, was uns obliegt? Hm, im Nothfall wird von uns Jeder doch ein Dutzend Weiber, Oder einen von den dürren Federputzern auf sich nehmen? Er schlägt sich auf die Hüfte. Uebrigens, ich bin versehn! Sorget nicht. Sobald es dunkelt, Werd' ich mich von hinnen schleichen, Werd' ich frische Waffen reichen. Sie gehen gegen den Hintergrund, da sie den Dogen und Rosamunden nahe sehen. Richte dich empor und leuchte, Als die Königin des Festes, Allen in der Freude vor. Oheim! – Oheim! meine Seele Will in Bangigkeit verschmachten. Längst schon hat die achte Stunde Im St. Marcusthurm geschlagen, ... Längst ... und Er ist noch nicht hier. Nur vor wenigen Minuten ... Schlug das erste Viertel schon, Und die neunte Stunde naht. Oheim, Unglück ist gekommen! Zieht das schwarze Siegel vor. Nichte des Andreas Gritti, Will dein stolzer Muth verzweifeln? Nimmermehr! Und welches Loos Immerhin das Schicksal werfe Rosamunde, Wir sind Wir! Festen, unerschrocknen Sinnes, Unveränderten Gesichts, Laß uns beide dem Verhängniß, Laß dem Tode, wenn es sein muß, In das starre Antlitz schau'n. naht sich. Eure Durchlaucht ... zum Senator. Sind die Gäste Allzumal im Saal beisammen? Habt Ihr einzeln durchgezählt? Allesammt, und keiner fehlt. Ruft nun aus der Vorderhalle Die Dalmatier heraus; Laßt sie mit den Hellebarden Wachen an des Saales Pforten. entfernt sich. Der Doge und Rosamunde folgen ihm. tritt im Gespräch mit Parozzi vor. Glaubt mir doch! Geht selbst zum Fenster. ärgerlich. Still, und scheint nicht so verlegen. Eure Furcht malt Euch Gespenster Ohne Zweifel Abtheilungen Der dalmatischen Besatzung Um die Wachten abzulösen. Nein, es sind bei tausend Mann, Die den Marcusplatz besetzen; Während tausend andre schon, In vierfache Reih'n gegliedert, Den Palast und uns umzingeln. kopfschüttelnd. Seltsam! Laßt mich selber sehn. Ohne Contarino's Willen Reget sich kein Kriegesvolk. Sollt' er wirklich eigenmächtig Den Beschluß geändert haben? Sein verdammter Ungestüm Kann uns in Verderben werfen. Verliert sich unter den Gästen. naht sich. Falieri, was gibt's draußen? Alles wimmelt von Soldaten. finster murmelnd. Wenn's nicht Vogelsteller sind. ängstlich seufzend. O, daß ich doch Flügel hätte, Auch nur einer Fledermaus! Ich, wahrhaftig muß hinaus, Frische, freie Luft zu schöpfen. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Die Vorigen. Wachten mit Hellebarden besetzen den Hintergrund. Zwei Dalmatier treten hinter des Dogen Sitz. Unter den Anwesenden Bewegung und Erstaunen. winkt Parozzi heran. He, Parozzi, seht Ihr dort? halblaut. Nichts! ein halbes Dutzend alter Schnurrbärt' aus Dalmatien. Lustig! Immer unbefangen! Steht nicht, wie die thörichten Jungfrau'n da, mit leeren Lampen. Ja, ... wenn das Gewissen ... das ... verdrießlich und schnell. Man muß kein Gewissen haben, Dann beißt auch das böse nicht. Still! Der Doge, scheint's, will reden. in der Mitte des Saals. Laßt Euch, Edle von Venedig, Dieses krieg'rische Geräusch Nicht befremden, und noch minder Eure frohe Laune stören. Freilich, seltsam muß es scheinen, Hier zu Lust vereinte Gäste Mitten im Geklirr der Waffen, Gleich Gefangenen, zu sehn. Und vielleicht noch wunderbarer, Als das Räthsel, ist die Lösung. halblaut zu Falieri. Wenn uns nicht ein Wunder hilft, Kann mich wahrlich nichts mehr wundern. Alle wißt Ihr, welch Entsetzen Abellino, jener Mörder Des ehrwürdigen Canari, Des gerechten Dandolo, Durch die Stadt verbreitet hat. Ja, sein Dolch scheint nur das Werkzeug Einer mächtigen Verschwörung. Alle ausgebotne Summen, Alle Schlauheit, alle Kunst Ihn zu fangen, war umsonst. Stets verschwand er, wie der Schatten, Vor der Fackel der Verfolger. Flodoardo Mocenigho, Der durch kühne Waffenthaten Das Vertrau'n Venedigs ward, Flodoardo Mocenigho Hat sich nun erboten, jenen Ungeheuern Meuchelmörder Uns lebendig einzuliefern. Nur auf sein Begehren ward Der Palast umringt mit Kriegern, Und das Innere mit Wachten Angefüllt, wie bei Belagrung. Nur auf sein Begehren darf Niemand, bis zur neunten Stunde, Diesen unsern Saal verlassen. Jeder aber darf herein. Die Großstaatsinquisitoren, Die erlauchte Signoria, Der gesammte Zehner-Rath, Haben seinem Wunsch gewillfahrt, Denn ich selber stellte ihnen Bürgschaft für des Ritters Treue. Um die neunte Stunde will er Heut die Siegesbotschaft bringen. – Bringt er sie, dann wollen wir Uns der ungebundnen Lust Ohne Fessel überlassen, Und die Königin des Festes Soll des Siegers Haupt bekränzen; Schöner, als die Republik Ihn belohnen kann, vergelten. gehen mit Zeichen der Verwunderung und des Beifalls, in Unterhaltung durcheinander. lachend zu Parozzi. Fehlgeschossen allerseits! – – Ihn bekränzen, in des blauen Meeres Grund, die Nereiden. Garstig könnt' ich doch den Honig Ihrer Hoffnungen versalzen, – Seht – hier – Flodoardo's Ring! Nun, man darf schon wieder athmen. Gritti hat die Goldforelle Ausgeschickt, den Hecht zu fressen. Geht mit den Andern in den Hintergrund. im Gespräch mit dem Dogen vortretend. Daß der gnadenreiche Himmel, Für des edeln Ritters Heil, Mein inbrünstig Flehn und Seufzen Hören würde! – Ach, in diesem Schattenspiel des nicht'gen Lebens Ist ja Alles – Alles eitel, Und das Eitelste die Hoffnung! Traut nicht allzufest! – der Hoffnung Schönstes Morgenroth ist oft nur Wetterleuchten aus der Ferne. Nichts erwart' ich, nichts befürcht' ich. Was Gott fügt, das ist mein Hoffen. Doch mich dünkt, hochwürd'ger Abt, Euer Ton verkündet Unheil ... Nichts ... o gar nichts ... Nur, im Fall Irgend eine Trauerbotschaft, Statt des Siegers ... forschend. Trauerbotschaft? Wollet Ihr mich auf das Schwerste Vorbereiten? Ist vielleicht ... Nicht doch! nicht doch! Leere Sagen, Farbenwechselnde Gerüchte, ... Eitel luft'ge Wechselbälge, Deren Mutter Niemand kennt ... ungeduldig. Flodoardo sei ... Ja, leider Durch des Meuchelmörders Hand ... aus dem Hintergrund kommend. Eure Durchlaucht ... verhüllt das Gesicht, dann nach einer Pause mit männlicher Ruhe. Was begehrt Ihr? Ritter Mocenigho bittet Um Erlaubniß, einzutreten. erschüttert. Flodoardo Mocenigho? War es so? Noch einmal sagt es. Flodoardo Mocenigho ... Flodoardo? – Hoch willkommen Tret' er ein! mit Schrecken. O heil'ger Gott! entfernt sich. zum Tolomeo, mit Besorgniß. Euch ist unwohl! – Ihr seid blaß. matt. O, das zieht vorüber ... Schwindel ... Er wankt seitwärts zu einem Stuhl in den Vordergrund, wo Parozzi, Memmo, Contarino und Falieri im Gespräch stehen. Er setzt sich kraftlos nieder. mit starker Stimme zur Versammlung. Fried' und Segen auf Venedig! Flodoardo Mocenigho's Ankunft soll ich Euch verkünden. Er ist hier schon im Palaste. Nehmet, edle Herrn und Frau'n, Nehmet Eure Plätze ein, Daß wir still und ohne Stören, Seine wicht'ge Meldung hören. Die Anwesenden entwirren sich; die Frauen lassen sich längs dem Saal in Sesseln nieder; die Herren stehen dahinter. Im Vorgrund seitwärts sitzt der Doge, zwei Dalmatier mit Hellebarden hinter seinem Stuhl wachend; neben ihm Rosamunde mit Iduellen. Ihnen gegenüber sitzt der Abbate Tolomeo. Contarino, Parozzi, Falieri und Memmo stehen zunächst hinter demselben in heimlichem Gespräch. halblaut. Wetter! hört Ihr's nicht? Er lebt! Hat der Bravo uns belogen? düster. Ihn vielleicht, wie uns, der Ring. Ich will meine Seele wetten, Der gewissenlose Gauner Nahm von Freund' und Feinden Geld, Und der Schelm betrog sie beide. Sagt' ich's – sagt' ich's Euch nicht immer? Teufelsmehl wird oft zu Kleien! Ruhig! Laßt mit fester Haltung Uns der Dinge Ausgang sehn. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Die Vorigen. Flodoardo. indem sie bei seinem Anblick die Hände betend zusammenlegt und mit Entzücken himmelwärts blickt. Ja er ist's! Gelobt sei Gott! sich dem Dogen mit heiterm Antlitz nähernd. Eure Durchlaucht ... hastig. Seid willkommen, Edler Ritter, tausendmal ... Habt Ihr Euer Wort gelös't? Alles, wie Ihr mir geboten, Ist erfüllt; die Republik Frei von jeglicher Gefahr; Und der Himmel lächelt heiter. Und der Mörder unsrer Freunde? Abellino's Tod und Leben Liegt in Eure Hand gegeben. Die Verschwörung ist zertrümmert, Ihre Banden sind gesprengt; Ihre Helfershelfer füllen Schon die Kerker und Bleikammern. Und die Rädelsführer? ... Diese Stehn im Saal hier schon beisammen. bestürzt. Wie? Ich hoffe sie zu zwingen, Ohne Lärmen und Gewalt, Vor der festlichen Versammlung Ihr Verbrechen zu bekennen. Hier sind viel erhabne Zeugen, Glieder oberster Behörden. Ihre Gegenwart ist wichtig. Darum bitt' ich Eure Durchlaucht, Zu gestatten, daß ich jetzt Meinem Werke hier das Siegel Der Vollendung geben dürfe. kopfschüttelnd. Dieses Fest, und dieser Ort, Sind dafür nicht gut gewählt. Also scheint's. Doch wird die Folge Wahrlich die Rechtfertigung Meiner Bitte bei Euch führen. Halb nur ist mein Thun gelungen, Ohne freies Eingeständniß Der Verbrecher und der Schuld. Dazu möcht' ich edler Zeugen Wider diese mich bedienen; Zeugen, welche wohl verdienen, Theil am heut'gen Fest zu nehmen; Zeugen, deren Rang und Würde Ungern nur vor Richterstühlen, Sündern gegenüberstände. nach einigem Besinnen. Wohl, es sei! Ich geb' Euch Vollmacht. Doch gedenkt der zarten Frauen, Die vom heut'gen Fest mit Recht Fröhlichern Genuß erwarten. Ich verheiße diesen schönen Töchtern unsrer Republik Heut den seltensten Genuß, Und was immer auch geschehe, Niemand fürchte. Wir stehn sicher. Ich vertrau' Euch. Ihr habt Vollmacht. Nennt die Häupter der Verschwörung. zu den Verschwornen. Contarino, Falieri, Memmo, und Parozzi, Ihr, Auch Abbate Tolomeo, Eure Schuld ist aufgedeckt. Stehet Rede, gebet Antwort! Jede Ausflucht ist verloren. – Auf den Lidos werden sich Keine Mißvergnügten sammeln, Ihre Führer sind gefangen! – Contarino, Euer Oberst Follo liegt schon in den Eisen; Die Dalmatier sind treu. Kassowich befiehlt die Truppen, Und Marcasca wacht persönlich Vor des Arsenales Thor. Kriegsvolk füllet den Palast, Selbst den Saal; Ihr seid entwaffnet! Euch Parozzi, Falieri, Memmo, gibt um Mitternacht Kein Kanonenschuß das Zeichen Rosamundens Namensfest In ein Blutbad zu verwandeln. – Ihr, hochwürd'ger Herr Abbate, Habt die Summen Roms verspielt; Denn Venedigs Kirchenfreiheit Steht von heut' an unerschüttert. Alles Läugnen wird vergebens. Redet! – Freies Eingeständniß Kann die vollgefüllte Schale Eures sträflichen Beginnens Um ein Großes noch erleichtern. nach langer Stille, in der die Verschwornen betrübt dastanden. Ist es möglich? – Redet Niemand? Oder lähmet das Entsetzen Ob der niegehörten Frechheit Aller freien Edeln Zunge? – – Wo wagt man uns, gegen Ordnung Und Verfassung, anzuklagen? Ist der Tanzsaal ein Gerichtshof? Und wer wagt es, schamlos uns Der Verrätherei zu zeihen? Ist's ein Mensch von Ehre? nein! Von Florenz, als Ränkestifter Ausgetrieben, steht er selber In Venedig wiederum Schweren Hochverraths bezüchtigt. Und ein solcher darf hier frech Edle, unbescholtnen Namens, Oeffentlich mit Schimpf besudeln? Und Ihr schweigt, Venetianer? Nun, – im Namen des Gesetzes, Fordr' ich den Verhaft des Lügners! Hört! ich selbst gab eigenhändig Dem durchlauchten Herzog gestern Einen Brief, den Flodoardo Schrieb. Und dieser Brief ist Zeugniß Von dem Hochverrath des Menschen! mit ruhiger Würde. Wohl, daß Ihr mich des erinnert. Euer Schreiber, der so trefflich Meine Schrift zu malen weiß, Sitzt gefangen; ja noch mehr, Hat die Büberei erzählt. Und wie steht's? – Wo ist mein Ring? Sprecht, wo ist mein Siegelring? Gestern Nacht gab Abellino Euch den Ring, als Pfand und Bürgschaft, Daß er Euern Mordbefehl Gegen mich vollzogen habe. betroffen. Welche ... beispiellose Bosheit! ... Was schaff' ich mit Meuchelmördern, Die bei Euch im Solde leben? Länger, o Venetianer, Dürfen wir es nicht erdulden, Daß der fremde, eingeschlichne Abenteurer uns entehre. Wir begehren laut Gesetz, Die Verhaftung dieses Menschen, Gegen welchen die Gefang'nen Schon im peinlichen Verhör, Vor den Richtern Zeugniß gaben. Contarino, auch der Schneider, Den Ihr weiland tapfer nanntet, Hat mit Wankelmuth bekannt, Wie Ihr meinen Namen ihm Auf der Folter eingeflüstert. Nun genug der schweren Schmach! Will Venedigs Adel, will Uns der Herzog selber nicht Wider diesen Läst'rer schützen: So verlassen wir den Saal Und verwahren unser Recht. Halt! Ihr bleibt. Ihr seid Gefangne. Eure Bosheit ist entlarvt. Was im Finstern Ihr gebrütet, Kriecht ans Licht, als Vipernbrut, Die nach Euerm eignen Blut, Mit den scharfen Zungen lechzet. Auf, bekennet und bereuet! Reue ist die letzte Tugend, Die dem Sünder treu verbleibt. Warum schweigt sie denn in Euch? Muß ich fremde Hilfe rufen, Ihr das Zungenband zu lösen? mit halber Fassung. Rufe deine ganze Hölle; Was vermagst du wider uns? O, nur Einer soll erscheinen Aus dem Reich der Finsterniß! Er entfernt sich. nach einer Pause. Kaum vermag ich's, vom Betäuben Des Entsetzens zu genesen. So, wie Mocenigho sprach, Sieges sicher spricht die Wahrheit Mit zermalmender Gewalt. Aber meine Seele sträubt sich, Das Unglaublichste zu glauben. – Ihr, Abbate Tolomeo, Ihr, Parozzi und Ihr Andern, Gräßlichen Beschuldigungen, Wie sie wider Euch ergehn, Soll man anders widerstehn. Sagt, was brachte solche Lähmung Euch in Stimme und Geberde? Wer blies Euch die Todtenfarbe Auf die hangenden Gesichter? Warum bohren Eure Blicke In die Erd', als wollten sie Da sich einen Abgrund höhlen? schlägt die Augen auf. Edelleute von Venedig Sind, o Fürst, noch nicht gewöhnt, Unvertheidigt und gesetzlos Sich vor Euch beschimpft zu sehn. Nur Bestürzung übermannt uns, Furcht nicht. – Auch verbiss'ner Zorn Jagt das Blut wohl aus den Wangen Ins erstarrte Herz zurück. warnend. Falieri, Falieri! Nehmet Eurer Schanze wahr! 4. Auftritt Vierter Auftritt. Die Vorigen. Abellino schleicht langsam aus dem Hintergrund hervor. Zwei Dalmatier folgen ihm wachend mit entblößten Degen. Geräusch des Schreckens durch die ganze Versammlung. schaudernd. Daß der Abgrund ...! Gott sei bei uns! auffahrend. He, was wagt der Bösewicht? ängstlich. Oheim, Oheim! Laßt gewähren, Denkt der Vollmacht Flodoardo's. indem er sich aus seiner geduckten Stellung aufstreckt und den Verschwornen nahet. Pulvis sumus, sumus umbra! Lange Pause. Todtenstille. Weh! das Schifflein unsrer Hoffnung Hängt am Felsenriff geborsten! Seine Ruder sind gebrochen, Und das Meer verschlingt die Wimpel. – Auf! den letzten Sprung gethan, An das Ufer des Erbarmens, Oder – in die Fluth der Tiefe! Auf! ich schreite Euch voran! Indem er sich gegen den Dogen wendet und ehrfurchtsvoll vor ihm niederkniet. Trauer bracht' ich und Entsetzen Ueber Euer heil'ges Haupt. Es erfüllte mich mit Leid. – Doch nur um Gerechtigkeit, Nicht um Gnade, will ich flehen. Hier, durchlauchter Herr, das Blutgeld! Hier der Beutel voll Zechinen, Welchen mir Parozzi gab, Als er zu Canari's Morde Meine scharfen Dolche borgte, Hier ein zweiter, den er trunken Nach der That mir an den Hals warf. Seht, sein eigner ist's! Sein Wappen Glänzt da golden eingestickt. Er legt die beiden Beutel zu des Dogen Füßen. wüthend. Unthier! Unthier! gift'ger Drache! Den die Höll' ins Leben spie, Wann trieb ich gemeine Sache Mit dir, Ungeheuer? – Nie! – Nie hat dich zuvor mein Auge Irgendwo erblickt. Wer bist du? Und wie wagst du, deine Blutschuld Reinen Händen aufzulügen? Sagt, Venetianer, sagt, Wer ist diese Mißgestalt, Die das Zeichen Kains trägt? Sagt, wer suchte aus dem tiefsten Koth des Pöbels sie hervor, Um, mit dem gestohlnen Beutel, Eben heut, und eben hier, Mir Verbrechen zu beweisen? zu Abellino mit Abscheu. Unhold! fort vor meinen Füßen! Dich umschwebt noch Leichenduft! Fort, und trage deine Sache Mit den edeln Herren aus. steht auf. Hei, die ist bald ausgetragen, Ihnen trägt sie Stoppeln ein! Zu Parozzi. Also habt Ihr über Nacht Mich denn ganz und gar vergessen? – Große Herren, kurz Gedächtniß! ... Aber, Contarino, Ihr Werdet Euch doch mein erinnern? Wißt Ihr, als Ihr, laut Beschluß Eurer Freunde, mir gebotet, Dandolo aufs Korn zu nehmen, – Wißt Ihr, wie auf Eurer Brust Mir das goldne Kreuz gefiel, Und Ihr's von der Kette risset, Mich mit Eurer Huld zu zieren? Schaut, heut trag' ichs, Euch zu Ehren. Scheusal, wenn, was ich verlor, Du im Gassenkehricht fandest, Hebe nicht den Koth zugleich auf, Meine Ehre zu beflecken. Ekelhafter, als die Kröte Die in faulen Winkeln faucht, Wärst du längst von mir zertreten, Hätt' ich jemals dich begegnet. gegen den Dogen gewandt. Hier die unberührten Summen Für das Leben Dandolo's; Er legt zwei Beutel zu den andern am Boden. Und das goldne Kreuz dazu. Falieri, wollt auch Ihr Euern alten Freund verläugnen? verächtlich von ihm gewendet. Schurke! sprich mit deines Gleichen! zu Tolomeo. Aber Ihr, hochwürd'ger Herr, Gestern wolltet Ihr, voll Gnaden, Mich zum Messer Grand' erheben, Mich zum Haupte aller Sbirren! Wie verricht' ich heut mein Amt? erhebt sich im Sessel, gegen den Herzog gewandt. Eure Ehrfurcht für die Kirche, Mein durchlauchter Herzog, wird, Hoff ich, unter Euern Augen Meine priesterliche Würde Nicht dem Spott des Pöbels lassen. Darum bitt' ich, zu erlauben, Daß ich mich von hier entferne. Will gehen. hastig. Bleibt! – Ihr seid wohl schwer beschuldigt; Und die Wachten des Palastes Halten Thor und Thür gesperrt. Ich bin Römer; im Gefolge Eines päpstlichen Legaten; Schon, als Priester, nicht dem Stab Weltlicher Gerichtsbarkeit Unterworfen ... Ich erkläre Euch, wie jene Angeklagten, Bis die Sachen heiter worden, Zu Verhafteten des Staats. Heiter soll der Handel werden Gleich der Luft nach Wetterschauern! Zu den Verschwornen. Mir entwischet Ihr nicht mehr. Wie des bösen Geistes Kralle Eure armen Seelen, lass' ich Euer zappelndes Gewissen Nimmer aus den Klauen fahren. Und mit Skorpionengeißeln Will ich das Gedächtniß Euch Aus dem Todtenschlafe jagen. Horchet, horcht! Hier klirren Schlüssel Vom Geheimniß der Verschwörung. He! wer kennt dies schwarze Heft? Er schüttelt ein schwarzgebundenes Papierheft in die Höhe. plötzlich aufzuckend. Ha, Verdammter! Er sinkt dumpf in sich zusammen. tückisch lachend. Hi, hi, hi! Hier die Rechnung aller Summen Des hochwürdigen Abbate! Hier ans Volk Verkündigungen, Nach vollbrachter Umwälzung. Hier der Plan, die Unterschriften Und die Briefe dieser Herrn. Hier die Liste aller Opfer, Die sie meinem Dolche weihten! Rosamunde oben an, Deren heilig schönes Leben Ich dem tölpischen Matteo Guten Glückes abgewann. – Eine grausenhafte Reihe! Flodoardo schließt den Zug, Und ein reicher Vetter Memmo's, Der, bei vollen Silber-Kisten, Allzuzähes Leben hat. Pause. Kennt Ihr, Herrn, den Abellino? Sie andonnernd. Auf, ermannet Euch, Verbrecher, Euer jüngster Tag ist da, Und erschienen ist der Rächer! – Wem zuerst von Euch die Reue Den verschloss'nen Mund erbricht, Ihm soll Gnade widerfahren. Pause. Wie sie dastehn, bleich und schauernd; Stumm die schuldbeladnen Häupter Zur erstarrten Brust gesenkt! Und dort drüben Heil'ge Gottes Ihnen traurig gegenüber! Also werden sich dereinst, An des Weltgerichtes Morgen, Vor dem Stuhle des Vergelters, Sel'ge und Verdammte scheiden. halblaut zu Memmo, den er anstößt. Memmo, warum schweigst du immer? Was denn? soll ich? ... Reden, reden! mit Jammerblick auf ihn. Also muß ich? – Muß ich reden? Er schwankt langsam einen Schritt vor, fällt aufs Knie und streckt die Hände gegen den Dogen. Gnade, o durchlauchter Herzog! Willig wollen wir und reuig Die Verirrung eingestehn. Meine Richter aber werden Nicht in mir den Rädelsführer, Sondern den Verführten sehn ... Alle zugleich schreiend. verzweiflungsvoll einfallend. Hört ihn nicht, Venetianer, Angst hat ihm das Hirn verwirrt! Stille, still! Verdammter, schweig! Wer hat dich dazu gerufen? Ist vom Teufel der besessen? Wahnsinn alles! eitel Wahnsinn! Ach, die Schurken! Also liefern Sie sich selber an den Strang! steht erschrocken auf, geht zu den Verschworenen, die sich von ihm zurückziehen. mit gebieterischer Stimme. Schweigt! Die Mine ist gesprungen! Bei St. Peter und St. Paul, Euer Lied ist ausgesungen! Fort! fort! in die stillen Kammern, Die Euch schon bereitet stehn; Dort versöhnt Euch mit dem Himmel. mit Verzichtung. Hört mich, Edle von Venedig! Hört mich! – Ist es denn beschlossen, Will man uns verderben sehn – Nun so sei es. Aber wisset, Wir sind schuldlos. Lug und Trug, Und Parteisucht will uns morden. Könnt Ihr's dulden? – Was uns heut Wider alles Recht geschieht, Kann Euch morgen widerfahren. Wollt Ihr's dulden? – Ihr seid Zeugen, Daß der Herzog selbst befahl, Keiner soll den Saal verlassen. – Doch wohin ist Flodoardo? Offen klag' ich vor Venedig Der Parteisucht, der Gewaltthat Euch, Andreas Gritti, an. Unsre freien Männerstimmen Im Senate, gegen Willkür, Hatten Euern Stolz empört. Die sind unsere Verbrechen! Darum dürstet Eure Rachsucht; Darum mußte Euer Günstling, Jener freche Abenteurer, Flodoardo Mocenigho, Uns, an ungewohntem Orte, Hier mit Klagen überfallen; Er, den die Gerichte schon Selbst, als Angeklagten, rufen. Eh' wir Antwort geben konnten, Ließt Ihr aber ihn entwischen, Wider das gegebne Wort. Will man uns in Kerker schleppen, Schleppt den Flodoardo mit. Will man ihn entrinnen lassen, So gebührt auch uns die Freiheit. Don Parozzi, Euer Witz Stöhnet in den letzten Aengsten. Denn bei der Bedingung sehet Ihr die Freiheit nimmer wieder. Flodoardo Mocenigho Steht noch mitten unter Euch ... Abellino hat's vollbracht; Flodoardo kehre wieder! Er wirft Netzkappe, Falschhaar, Pflaster, Mantel und Wamms ab, steht als Flodoardo da, und spricht mit dessen eigner Stimme. Jetzt ihr Herren, mögt ihr mir Sämmtlich in die Karte schau'n! Die Verschwornen fahren zusammen. Lautes Geräusch des Erstaunens durch die Versammlung. erhebt sich jach vom Sessel, sinkt langsam zurück, und spricht in tiefster Bewegung mit unterdrücktem Ton des Schmerzes. Höllisch Wesen! – Weh, wie wird mir? ... Er der Mörder! ... Schwarze Lüge! Wüstes Blendwerk meiner Sinnen! Kann ein Mensch mit seinem Todfeind, Nebeln gleich, zusammenrinnen? Und doch ist er's! Er steht da! ... die bei Abellino's Verwandlung ihr Antlitz verhüllte, tritt zum Dogen, ihre eignen Gefühle bekämpfend. Mein erlauchter Oheim ... Vater ... Ihr entfärbt Euch ... Eure Blicke ... Ruhet ... sammelt Eure Kraft. Laßt dies grauenvolle Räthsel, Wenn es kann, sich selbst entwirren. Richtet nicht! ... Ihr gabt ihm Vollmacht ... Und er bat, – erinnert Euch – Um Vertrau'n, was immerhin Sich vor uns ereignen möge ... der mehrmals zum Dogen zu reden versuchte, als er dessen Bewegungen bemerkte. Darf ich ... hab' ich Euch verstanden? Nur ein Wort ... zu Rosamunden, ohne ihn zu hören. O still! o still! Fluche, Kind, des blöden Alters Allzugläub'ger Zuversicht. Sieh, da steht er! – Er ist's selber? – Gram- und schamlos freut er sich Der verbrecherischen Tugend. Al, so kann des Himmels Erbfeind Auch des Himmels Werk verrichten? Mußte dieser kalte Würger, Für die Rettung von Venedig, – Mußt' er seinen Höllengeistern Blut'ge Menschenopfer weih'n? Und – das Blut der besten Bürger? ... Fort! – mit Allen in die Kerker! vor ihm kniend. Oheim! um der Heil'gen willen, Höret ihn, eh' Ihr verdammt! Ist's kein Gaukelspiel des Bösen, Ist er's selber, so verläßt Eh' die Sonne ihren Himmel, Als der Ritter seine Ehre. halblaut. Fort! Man zeigt auf dich mit Fingern; Heißt dich die Banditenbraut. Laut. Fort! der Mörder mit den Andern! Laßt sie in die Kerker wandern. alle mit Geschrei durch einander. Nicht zum Kerker! Stoßt ihn nieder! Nieder mit dem Meuchelmörder! Er allein hat Blut vergossen! Stoßt ihn nieder! Nicht zum Kerker! mit Wildheit. Ohne Gnade! macht ihn nieder! Nieder! Er treibt schwarze Kunst, Steht im Bund mit bösen Geistern. Nieder, eh' er Euch entrinnt! Alles, Alles ist sein Werk! Wie die hohe Signoria, Hat er alle Welt belogen, Und die Republik verwirrt. Uns verführt' er als Bandit, Zu vermessenen Entwürfen, Während er, als Flodoardo, Gleisnerisch den Retter spielte, Um in Würden aufzusteigen. Wir sind rein! An seinen Fingern Klebt vergoßnes Bürger-Blut! Schweigt. Ihr fühlt des Himmels Zorn Donnert Euch zum Abgrund nieder. Wie einst die gefallnen Engel Den Erzstreiter Michael, Wollt Ihr mich, im Sturze, mit Euch In die Höll' hinunterzerren. Aber Eure Angst umklammert Meinen Schatten nur, nicht mich. Traun, ich bin Bandit geworden. Seit geraumer Zeit schon hatten Leichen, mit dem blut'gen Mund Ihrer Wunden, uns das Dasein Eurer Mörderzunft verklagt. Eitel forschte man ihr nach; Und mich jammerte der Stadt Da beschloß ich, was Beamten Und Behörden nicht gelungen, Einzig und allein zu wagen. So kann auch das Kind die Nadel Mühelos vom Boden heben, Was zwölf riesenstarken Männern Nicht in gleicher Zeit gelingt. Und ich ward Bandit. Ich spürte Glücklich aus das Mordgelichter Und zugleich die dunkle Hand, Welche alle Dolche lenkte. Da beschloß ich, ich allein Wolle Mittelpunkt von allem Lastervolk Venedigs sein; Ueberlieferte die Rotte Der Banditen den Gerichten; Kündigte mich allen Kunden Keck als Abellino an; Und gab meinen eignen Thaten Schauerliche Ruchbarkeit. So erwarb ich wunderschnell Das Vertrauen der Verruchten. Zu den Verschwornen. Klagt mich nicht als Mörder an. Ihr – Ihr waret es! nicht ich! Abenteuerliche Mährchen Zu ersinnen, bist du flink. Schuldlos stehn wir. Ueber dich Komme heut das Blut Canari's Und des edeln Dandolo. Meiner Unschuld Zeugen harren! Muß ich die Ermordeten Wieder aus den Gräbern wecken, Daß sie Euch der Lüge zeih'n? Auf denn, auf, ihr meine Todten! Es ist an der Zeit, wacht auf! Er eilt schnell zur Thür des Hintergrundes. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Die Vorigen. Canari und Dandolo, von Flodoardo geführt, nahen sich langsam durch die Versammlung dem Dogen. – Alles fährt auf. – Todesstille. – Der Doge starrt, ohne Bewegung, mit Grauen und Entzücken den Kommenden entgegen. – Rosamunde hebt in sprachloser Inbrunst die Blicke und gefalteten Hände zum Himmel. – Die Verschwornen verhüllen ihr Antlitz. entgeistert. Aus! ... nun aus! ... und Alles aus! Er stößt sich einen Dolch in die Brust und stürzt zu Boden. Seid Ihr's! Geister meiner Sel'gen! ... mit Rührung. O mein Herzog! ... O mein Fürst! ... Die drei Greise umschlingen sich mit ihren Armen, still weinend. in Verklärung die Hände gen Himmel streckend. Der Vergeltung Himmelskrone Strahlet Gottes stillen Duldern Schon hienieden um das Haupt! aus dem Hintergrund herangekommen, zu den Verschwornen. Auf Befehl und in dem Namen Der Großstaatsinquisitoren, Signor Contarino, Memmo, Falieri, folget mir! Folgt, Abbate Tolomeo! auf Parozzi's Leiche deutend. Doch der Feigste ist entwischt. Wachten! Ihr begleitet uns! Die nahe stehenden Dalmatier schleppen Parozzi's Leichnam fort. Mit gesenkten Häuptern folgen Tolomeo, Contarino, Falieri und Memmo. Die Hallebardierer von des Dogen Stuhl schließen sich dem Zuge an. Flodoardo folgt ihnen einige Schritte. Mehrere Herren begegnen ihm glückwünschend. Rosamunde steht von Frauenzimmern umringt. Die gesammten Anwesenden bilden, in froher Aufmerksamkeit sich nähernd, einen Halbkreis um die drei Greise. betrachtet die beiden Freunde. Bin ich wach? War das Vergangne Fiebrische Gespensterei? Oder tröstet mich ein Wahnsinn, Voll Erbarmens, um Verlornes? Redet, daß ich auch das Leben Eurer Stimmen wieder höre. Redet, daß der warme Hauch Eurer Worte mir bezeuge, Was mir Aug' und Hände sagen. In der Einsamkeit, worin uns Flodoardo's Lieb' und Klugheit Achtundvierzig Stunden barg, Hörten wir von Euerm Gram; Hörten ihn mit Schmerz und – Freude. Dieser edle Gram der Freundschaft In der Brust des frommen Herrn Ist der reinste Sold im Leben, Und der schönste Ehrenkranz Auf dem Sarg des treuen Dieners. – O verzeiht uns, wenn wir Euch Und Venedig schmerzlich täuschten. So nur ließ allein die Rotte Der Berschwornen sich, geblendet, In den eignen Schlingen fahn. Als wir die Gefahr des Staates, Und des treuen Flodoardo Unfehlbare Wege sahn, Boten willig wir die Hände Zu dem schlau verweg'nen Plan. heiter. Stark und fest noch steht Venedig! Heere wanken, Flotten sinken, Wenn die Tugend wankt und sinkt; Doch wo sie auch in der Brust Eines einz'gen Bürgers noch Treu für Fürst und Vaterland Mit der alten Liebe flammt, Wird sie eine Welt entzünden, Und die Hölle überwinden. Flodoardo Mocenigho ... Meine blöden Sinne taumeln. Gönnt mir Frist. Ich will mich sammeln. Ah, wie bleiern macht das Alter Den sonst schnellen Flug des Geistes; Und wie blitzesschnell dagegen Den sonst lahmen Flug der Zeit. Eh mein Auge sieht, was kömmt, Ist's nicht mehr. – Wo war ich? Wie? ... Ja, Ihr lebt! ... Ihr seid es Beide! Euer Tod – die blut'gen Spuren Eurer fortgeschleppten Leichen – Alles Täuschung! Ja, Ihr seid's; – Die Verbrecher sind entlarvt; Ihre Anschläg' offenbart, Eingestanden, hier; von ihnen Eingestanden! – War es möglich? Söhne des uralten Adels Hochverräther! – Eingestanden! Unsre Ohren wurden Zeugen. Abellino lag ja selber Hier, zu unsern Füßen! – Nicht doch, Flodoardo wollt' ich sagen! Seht, ich schwindle. Viel zuviel war's! Wärt ihr Beide nicht die Bürgen Dieser heitern Wirklichkeit, Müßt ich irre an mir werden. Kommt! zerstreut mich! – Nur Zerstreuung! Heut', am Rosamundenfeste, Feiern wir im Leben schon Wiedersehen nach dem Tode! Kommt! Es harren längst die Gäste ... Aber ... Einer fehlt! ... der Beste! Er, der wunderkühne Mann, Der die schwierigste der Schlachten Für die Republik gewann. Eilt zu Flodoardo und führt ihn vor. Wo verbirgt er sich? – Heran? O, wie konnt' ich dich verkennen! Er umarmt ihn bewegt. Zürne mir nicht, edler Mann ... Und wie können wir dich ehren? Zu Rosamunden, die sich nähert. Schmücke du des Helden Schläfe Mit dem immergrünen Lorbeer. Liebe lohnt die schwersten Opfer. dem Flodoardo gegenüber mit niedergesenkten Augen. Reiner lohnet das Bewußtsein. Sie hebt einen Myrthenkranz von ihrem Haarschmuck und legt ihn um Flodoardo's Scheitel, indem sie ihn anlächelt. Glauben hab' ich Euch gehalten! kniet, indem sie ihn bekränzt, vor ihr nieder. Und die Hoffnung? und die Liebe? mit großer Rührung. Rosamunde, ... Nichte ... Tochter, ... Beut ihm dar die Hand des Danks! Beut sie ihm ... Er ist mein Sohn; Und empfah' des Vaters Segen. sinkt neben Flodoardo vor dem Dogen auf die Knie.