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Die Baststreifen zum Aufbinden! Blickt auf. Aber was treibst denn du? Du gießt ja schon dreimal aufm nämlichen Fleck.
Aber frag nit so dalket! Weißt denn nit, was heut für ein Tag ist? Kann er nit jede Minuten kommen, unser hochwürdiger Herr Sohn?
»Unser hochwürdiger Herr Sohn?« – Freilich kann er kommen, und wenn er kommt, so wird er dasein, das is aber kein Anlaß zu solche Stückeln.
Hihi, wie er lauft! Er kann's ja selber nit erwarten. Und da tät er unsereins, a Mutter, noch ausmachen! Nimmt die Gießkanne und gießt in Gedanken wieder an der nämlichen Stelle. Ich bin so neugierig, wie er ausschaut, unser hochwürdiger Herr Sohn! Die Madeln aufm Grund werdn sich gewiß kränken, daß der geistlicher Herr worden ist. Jesses, jetzt gieß ich da 's vierte Mal!
Nix is! Der Schalanter war's, der besoffene Drechsler von nebenan, mit sein Bubn, den s' grad bei der Assentierung bhalten haben und der a nit nüchtern ist. Wegen derer Neuigkeit und aus Hetz haben s' mich hinausgenarrt. Sie haben auch nach unsern Eduard gfragt und wolln ihn sehn, wenn er kommt, ich hab ihnen's aber gleich gsagt, es wird ihm keine besondere Ehr sein.
Was man nit an die Kinder alles erlebt, wenn man alt wird! Ich seh 'n noch heut vor mir, den Rutschepeter,
Ja, gnä Herr, das is a eigene Gschicht. Ich weiß, Sie habn sich die Jahr her gwundert, daß wir uns kein guten Bissen vergönnen, nur um den Bubn studiern zu lassen, aber das is so eins aus dem andern kommen. Meine Eltern waren Tagwerkerleut, hat keins lesen noch schreiben können, aber der Vater hat gsagt, das därf nit so fortgehn bei unsere Kinder, die müssen was lernen. Na, da hat's halt mehr schwarzs Brot und Erdäpfel gebn als Fleisch, wie man sich leicht denken kann, aber wir Kinder sind dafür fleißig in die Schul gschickt wordn. Und wie ich, mein Bruder und meine Schwester an sein Todbett gstanden sein, da hat er gsagt, sagt er: »Sehts, euch geht's schon viel besser, als's uns gangen is, müßts halt auch dazuschaun, daß's euern Kindern wieder um ein Teil besser geht als wie euch. Bei manch einem hat es kein Geschick und kein Aussehn, daß es mit ihm besser wird, aber die, die er hinterlaßt, können sich darauf einrichten, wenn er ihnen ehrlich an die Hand geht, und möchten's die Leut so halten und nit bloß alleweil alleinig auf sich denken, so hätten s' vor nötige Gedanken zu keine unnötigen Zeit, und das Geschimpf und Geraunz über Gott und Welt möcht a End finden.« Hat er gsagt – und nach derer Red habn wir uns alle, ich, mein Bruder und meine Schwester gricht. So habn auch wir für unser Kind das Opfer gebracht, aber es reut uns net, bis auf den heutigen Tag net, wie auch die Sach steht, gelt, Alte?
Freilich hab ich glaubt, ich könnt 'm Eduard auf
U mein, Euer Gnaden, das war a liebs Gschöpf, nit zu groß, nit z' klein, nit z' fett, nit z' mager, so »aufrichtig« war's gwachsen, und dann das noble, feine Gsichterl mit die pechschwarzen Haar, bildsauber, mit ein Wort bildsauber, und so stolz und wieder so bscheiden und so lustig und wieder so nachdenklich und herzensgut – Wird immer weinerlicher. – und so a schöns, liebs, guts Kind ...
Ja so, ich hab dich selber aufgfordert. Also, daß ich sag, damals sein grad wieder die Blattern stark in Wien umgangen, das Madel hat sich gelegt, hundert und hundert sein davonkommen, sie hat draufgehn müssen. Unser Sohn hat sich's von der Familie erbeten, daß er bei der Kranken wachen darf, er ist auch dann nachtüber an der Leich gesessen und mit beim Begräbnis gewesen, aber von der Zeit ab war er ein anderer. Ich hab mich damals über ihn geärgert und gesagt: »Wenn dir deine Eltern nix mehr sein und wenn dich die Welt nimmer gfreut, so geh lieber gleich in ein Kloster!« Sagt er: »Vater, sei nicht kindisch. Ihr seids und bleibt meine lieben, alten Leut, und von der Welt will ich mich nit absperren, sie soll mich ja zerstreuen, aber – hat er gsagt – die Philippin, das war mein Lieb für Zeit und Ewigkeit, die bleibt mir, ob tot oder lebendig, die werd ich nicht los, und da wär mir's halt am liebsten so bissel seitab vom ärgsten Gwühl; in ein Kloster werd ich nicht gehn, aber Geistlicher will ich werdn!« Teuxel hnein, ich hab ihm freilich alls vorgstellt – was das für a schwerer Stand
Ah, freilich, man braucht s' schon manchmal, ich werd'n selber ersuchen, daß er unser Hedwig kopuliert.
Ja, und bald auch noch. Wenn man so a mannbars Madl auf gute Art ausm Haus bringn kann, is's ja eh a wahrs Glück. Das ewige Aufpassen, Behüten und Überwachen wird einm zwider. Soll s' ein Mann nehmen, soll der sich um sie sorgen.
Was? Was? – Die kann doch von nix wissen, wen meint s' denn nachher? Mit erzwungener Freundlichkeit, lauernd. No, erraten S' ihn etwa gar, den Bräutigam?
Ah, erraten tät ich ihn schon, wir habn nur allweil gfürcht, er möcht für die Fräuln Hedwig z' gring sein.
Der Frey? Was, der Klavierklimperer, der Tastenhacker?! Na, der sollt sich unterstehn und mir kommen! Der junge Stolzenthaler is's, wenn Sie's wissen wolln, den wird s' heiraten, das is a Partie, der kann s' doch versorgn, da kann s' doch was genießen. Ah, da hab ich a saubere Entdeckung gmacht. Also so was hat sich hinter meinem Rücken angsponnen? 's ganze Haus redt schon davon, nur ich, der Vater, weiß nix! Wär ja notwendig, daß man allweil daheim bei seiner Familie hocken bleibet und sich in gar kein Wirtshaus trau et, damit man nit hinterher Ab durch die Türe des Seitentraktes.
Wenn ein Gschöpf auf Gottes Erdboden, so soll doch der Mensch allweil denken, mein ich. Jetzt hast es!
Schrei du noch mit mir herum, wo mir eh so viel hart gschieht wegn der Hausfrau und besonders wegn der Fräuln Hedwig. Und 'n Dingsda, 'n Stolzenthaler soll s' heiraten, hat er gsagt? Das is ja der nämliche, der mit der Schalanter-Pepi a Techtelmechtel hat?
Fallt mir ein! Ich hab nix zu lachen, aber ös habts auch nichts zu lachen, das geb ich euch schriftlich. Is
Ich bitt mir's aus, ich bin gar kein lieber Anton. Ich frag, habn die zwei ein Aug aufeinander, und wenn, wo hast du – als Mutter – dann die deinen ghabt?
»Nicht aufgmuntert!« Was das für a Red is! Abschrecken hättst s' solln, daß s' gar nit auf so dumme Gedanken kommen.
Aber, Anton, bei so junge Leut, die sich noch gar nit zu verstellen wissen! Du bist ja nicht blind und wirst dich von unsrer Bekanntschaft her erinnern – –
Unsinn! Ich war kein Klavierlehrer und du keine Hausherrnstochter. Was weiß ich, wie zwei Geschöpf von so ein himmelweiten Abstand auf die Lieb verfallen, wo sich das eine aufdrängen und das andere wegwerfen muß?!
Jetzt, wo du weißt, wie die Sach steht, solltest du als guter Vater unserer Hedwig ihrm Glück nicht entgegen sein.
Sonst nix? Bist du a gute Mutter? Redst du mir zu, unser einzigs Kind an ein Hungerleider zu verheiraten? Gott sei Dank, daß ich mir ihr Glück mehr angelegen sein laß. Heiraten sollt s', das steht, aber ich hab a Partie für sie, was a Partie is! Gelt, da schaust? Ja, das
Da wird nix übereilt, das ist unter Männern abgmacht, und wenn du meinst, ich könnt mich über eine Weil anders besinnen, so verrechnest dich stark; eher bring ich das Madel um! Himmelsapperment, geh und tu, was ich schaff! Du kennst mich doch, wenn ich einmal mein Kopf aufgsetzt hab!
Das kommt von dö verkehrten Einrichtungen! Bei ein Bubn fallt's ein gwiß nit ein, daß man ihm a Lehrerin halt, aber bei dö Madeln muß's a Lehrer sein, da zügelt man sich so ein jungen Lakl ins Haus, und nachher hat man's davon. Unglückseligs Klavierspiel, wem das a von uns zwei eingfallen is? Der alte Stolzenthaler hat mir gesagt, es wär jetzt schon notwendig, daß sein Bub amal gsetzt wurd, und bei mein Madel merk ich, es ist a höchste Zeit, daß's unter die Haubn kommt. Dö passen ja immer schöner zsamm.
Ich maße mir natürlich nicht an, Ihren Entschluß zu kritisieren, aber meiner Ehre als Lehrer bin ich es schuldig, daß ich Sie aufmerksam mache, obwohl Ihr Fräulein Tochter ein sehr hübsches Talent besitzt und ich mein möglichstes getan habe, so war doch die Dauer des Unterrichtes zu kurz.
Ja, ja, sehn S', Sie könnten meiner Tochter vielleicht mehr Geläufigkeit beibringen, als der ihrem Zukünftigen lieb wär.
Nicht? Tut mir leid. Schaun S' halt um a Häuserl weiter, vielleicht finden Sie dort einen Vater, der deutlicher ist. Ich wünsche es Ihnen!
'schamster Diener! Bemühn Sie sich nicht wegn ein andermal, ich bleib mir gleich. – Ich bitte, wohin denn?
Bleiben Sie! Ruft zur Türe hinein. Sidi, die Hedwig soll dem Herrn Klavierlehrer seinen Hut mitbringen.
Na, nehmen S' ihn! Zu Hedwig. Dieser Herr wird unser Haus nicht mehr betreten. Du kannst dein Klavierspiel als aufgegeben betrachten; es sind dabei Saiten angeschlagen worden, die mir nicht behagen. Überhaupt wird nunmehr jedes Spiel für dich ein Ende haben, und der Ernst des Lebens wird an dich herantreten. Sieht Frey, der noch immer auf selbem Flecke steht. Ja – gehorsamer Diener!
So holn Sie's. So a vergessener Ding, das ging ein noch ab. Zu Hedwig. Also, wo sind wir stehngeblieben? Ja, der Ernst des Lebens wird an dich herantreten, du wirst deine Bestimmung er füllen – kurz und gut, ich hab eine Partie für dich, an der nichts auszusetzen ist, tu mir also den Gefallen und setz auch daran nix aus!
So nimm dir die Zeit und schau dir 'n gehörig an. Ich hab seine Photographie mitgebracht. Hat ein Bild aus der Tasche gezogen, das er ihr aufdrängen will. Da!
Oh, sapperlot, das is a verbotene – vom Hausierer. Steckt es rasch ein, zu seiner Frau. Es war halt gestern so a bissel lustig. Zu Hedwig. Du willst das Bild nicht sehen! Gut, kriegst es auch nicht zu sehen! Zu Sidonie. Es war halt gestern so a Abend. – Zu Hedwig. Du nimmst ihn ungschaut. Punktum!
Na, wie du halt glaubst, meine liebe Sidi! Ich mein nur, so stark wird s' doch sein, daß s' ja oder nein sagen kann.
Sie wird's schon sagen. Laß mich nur machen, sie wird ja sagen. Nicht wahr, mein Herzbinkerl? Schmeichelt ihr. Du wirst a Leben haben als Frau von Stolzenthaler, und dabei wirst auch unser höchste Freud sein; es kost dich nur a kleinwinzigs Wörtel. Na, druck die Äugerln zu, machs Goscherl auf und sag ja.
Das getraust du dir uns, deinen Eltern, gegenüber? – Das muß man sagen, du hast eine saubere Erziehung genossen! – Aber den Menschen hast du in sein Verderben geredt – auf alle Fälle, wie d' dich a besinnst, der muß unschädlich gmacht werdn – schau dir 'n in zwei Monaten an – in kein Haus, wo ich aus- und eingeh, mehr a Lektion!
Das geschieht ihm! Aus ist's! Und du besinn dich, was du deinen Eltern schuldig bist. Ein Gehorsam, verstehst? Eltern wissen allemal besser, was den Kindern taugt, und müßt ich dich zwingen, so würd ich dich auch zu dein Glück zwingen. Du sollst es auf der Welt besser haben als wie wir, dafür sollen eben die Eltern sorgen, daß es den Kindern immer um a Stückl besser geht, als es ihnen selber ergangen is. Da an der Stell hat das vor kurzem noch unser Hausmeister gesagt – und ich werd doch als Vater nit gegen ein Hausmeister zurückstehen! Komm, Sidi, laßn wir s' jetzt gehn. Sie soll sich das ganz alleinig überlegn.
Liebs Kind, von dem Klavierlehrer kann jetzt keine Red mehr sein, der Vater ist zu aufgebracht gegen ihn, tu dem armen Menschen nit noch schaden, gib ihn auf, dann wollen wir schon machen, daß das wegen dö Lektionen nur geredt bleibt. Sei gescheit!
Sie wollen mich zwingen zu meinem Glück. Jemanden zwingen, glücklich zu sein! Legt beide Hände an die Stirne. O mein Gott, das ist ja ein unsinniger Gedanke!
Robert! Leidenschaftlich mit beiden Händen die seinen erfassend und ihn etwas zur Seite ziehend. Warum sind Sie weggegangen, als ich Ihnen zu Gehör geredet, mich nicht zu verlassen?
Wie bedächtig! Robert, ich breche Ihnen den Finger, um Sie aus dieser Gelassenheit zu bringen. Sagen Sie, was nun zu tun ist?
Sie kennen den Mann nicht genauer, der Ihnen bestimmt ist; ich werde Ihnen denselben schildern, und wenn Sie es dann nicht wissen, was zu tun ist – – Zuckt die Achsel. Es ist dies ein Mensch ohne alle Bildung, ohne jede bessere Anlage; sei nem Vater rühmt man wenigstens Tätigkeit nach, der Junge aber rührt keine Hand und läßt andere für sich arbeiten, er hat sich nur die Aufgabe gestellt, das Leben zu genießen, und wenn Sie erst wissen, was ihm Genuß ist, dann können Sie nur mehr ein Gefühl für ihn haben, das des Ekels!
Oh, was Sie auch über ihn sagen mögen, ich
Es ist ein gewagter Schritt, den ich Ihnen vorschlage, aber es ist der einzige, und Zeit und Umstände drängen. Hedwig, vertrauen Sie sich ganz meiner Ehrenhaftigkeit an – laufen Sie mit mir in die weite Welt!
Dann ist unser Schicksal entschieden. Ich habe mich für den Fall entschlossen, sofort wieder zum Militär einzurücken, und die Lektionen, die ich den Rekruten auf dem Exerzierplatze zu erteilen habe, wird mir Ihr Herr Papa nicht streitig machen. Mit einem Seufzer. Und Sie, Hedwig – Wendet sich ab, kleine Pause. –, wollen Sie Ihre Briefe zurück haben?
Tun Sie es nicht. Der Zufall könnte diese armen Blätter einmal ans Licht bringen, und Sie ahnen nicht, welche Roheiten Sie dann von dem Manne zu gewärtigen hätten.
Du hast nicht den Mut, den Schein des Leichtsinns auf dich zu laden, um dir ein treues Herz fürs ganze Leben zu gewinnen? Oh, um aller Heiligen willen, habe nur nicht die Schwäche, dich willenlos ins Elend stoßen zu lassen. Erhalt mir dein Bild rein, laß mich's nicht denken herabgekommen
Ah, bravo, das is schön, ein Kind gegen die eigenen Eltern verhetzen! Sie elender, undankbarer Mensch, ist das der Lohn, daß wir Ihnen in unsern Haus ein Jahr und sechs Monat Geld habn verdienen lassen?!
Mißbrauchen Sie doch nicht den geheiligten Elternnamen, Sie opfern Ihre Tochter ja doch nur einer Laune – einer reichen Verschwägerung –, Sie schlagen Kapital aus Ihrem Kinde!
Ah, freut mich sehr. Gibt ihm die Hand. Hochwürden kommen eben recht. Führt ihn vor. Bitte, klären Sie meine Tochter auf über die Pflichten, die ein Kind gegen seine Eltern hat! Wir wollen nur ihr Glück – und selbst für den Fall, daß sie das Glück nit für a Glück halt – geradheraus, ohne Umschweife –, was soll sie tun?
Da is der Kaffee. Herr Johann, hörn S' vom Arbeiten auf. Sie stellt das Mitgebrachte auf den Tisch und ruft. Michel! Setzen S' Ihnen daher, Herr Johann! Deutet auf das Sofa.
Es is ein Skandal, der Meister schaut gar nit auf ihn, auf einmal wird sein Lehrzeit um sein, und er wird nix verstehn.
Das macht nix, die Genossenschaft muß mich doch von der Draxlerei freisprechen – wegen Mangel an Beweis.
Du tragst ihn hinunter, auch wenn der Herr nit Zu Johann. Aber greifen S' zu, lieber Herr Johann – Rückt ihm den großen Hafen hin. –, da is das Tröpferl, das Ihnen vermeint is.
Marschier und bleib gleich unten im Laden, damit man doch nit 'n ganzen Tag 'n Dienstboten alleinig im Gschäft laßt!
A wengerl abtrinken, daß ich nix verschütt, wär schad drum; sicher is er mir ja eh. Küß die Hand, Frau Meisterin.
So, mein lieber Johann. Setzt sich an das andere Ende des Sofas, streift sich die Schürze glatt. Aber Sie essen ja gar nichts!
Is er vielleicht nicht süß genug? A Stückerl Zucker? Nehmen S' doch, a Semmerl oder ein Kipferl. Lassen S' Ihnen nix abgehn.
Weil wir just so gemütlich beieinander sitzen, muß ich Ihnen doch sagen, obwohl Sie erst kurze Zeit bei uns sind, hab ich Ihnen doch was angmerkt, Sie Schlankl, Sie.
Na, na, lassen S' es gut sein, junge Leut sein amal junge Leut, und ich hab's net ungern, wenn s' a Gfühl zeigen. Mein Pepi sticht Ihnen halt in die Augen.
Da muß man halt gscheit sein. Schaun S', Johann – Vertraulich näher rückend. –, muß's denn grad so a jungs Flitscherl sein?
Das is halt Gustosach, aber wenn's wer mit einem gut meint, so muß man 'n nit nachm Taufschein fragn. – Essen S', lassen S' nix über, die Semmeln dürfen nit überbleiben, wurden ja altbacken. Stecken Sie's ein. Sie steckt ihm mit der rechten Hand eine Semmel in die rechte Tasche und, indem sie den Arm um seinen Leib
legt, mit der linken eine andere in die linke Rocktasche. So – sehen S' – so!
Is ja kein Unglück. Werden s' gleich wieder herausfischen, wo schwimmt s' denn? Sie steht neben ihm, hat die Linke um seinen Leib gelegt, ihr Gesicht dem seinen ganz nahe gebracht und schlägt ihn jetzt mit der Rechten auf die Wange. Johann!
Loslassen! – Potiphar! – Verstanden? Wissen S', ich bin ein katholischer Gesell! Lieber ungegessen ins Himmelsreich als mit alle Taschen voll Proviant in d' Höll! Zieht eine Semmel nach der andern heraus und wirft sie ihr vor die Füße. Da – da!
Ja, ja, komm gleich. Wirft das Gebäck ins Körbchen, mit einem zornigen Blick auf Johann. So ein dummer Mensch is mir noch nit vorkommen! Was glauben S' denn von mir?
Weißt, Mauserl, ich kann mir schon denken, wie dir is, denn solchene, wie ich bin, rennen wenig in Wean herum. Aber nur a Einsehn und kein Flehnerei, dös vertragt unsereins net.
Machen Sie's nur aus, Herr von Stolzenthaler, wann s' etwa wieder dalket war. – Wie schaust denn du aus? Du hast ja gweint.
Na ja, Frau Mutter, alles, was recht is, es war schon a Schub! Aber ich bin a aufrichtiger Kerl, ich hab ihr's doch früher sagen müssen, eh ihr's fremde Leut zutragen. Mein Alter will mich verheiraten, und da ich ihm schon mehr zu Trutz als z' Gfallen tan hab, so hab ich da net nein sagen mögen. Is a wieder a Abwechslung, und a Abwechslung muß der Mensch habn, sonst wird 's Leben öd.
Da hörn S' Ihnen dös an. Es kann ja ein Menschen recht sein, daß mer ihm merken laßt, mer weiß, was er für a Mensch is, aber mit einer Handvoll davon hat man gnug, auf die Dauer wird dös langweilig.
Ui jegerl, jetzt fanget noch eins zum Musiziern an, ah, da wird's mer doch zu unterhaltlich. Nimmt seinen Zylinder – Stößer – vom Tisch, drückt ihn schief auf den Kopf. Gute Nacht, Frau Mutter.
Fragn S' doch nit! Ich soll mich etwa nit kränken? Zwei Jahr geh ich jetzt mit dem Menschen, hab alle seine schrecklichen Launen ertragn, weil ich denkt hab, wenn er sich gwöhnt, so nimmt er mich am End doch und ich wurd glücklich und Hausfrau und könnt alle andern auslachen.
Deswegen hätten S' mich doch unter d' Augen
Aber, liebs Kind, wenn man die Leut braucht, därf man sich mit ihnen nit verfeinden, da muß man schon a Aug zudrucken, und du bist a jung und lustig, verlangst dein Vergnügn und ein bissel ein Putz, das hättn mer dir net beschaffen können, und zu keiner Arbeit bist net erzogn.
A harte hätt sich für dich nit gschickt, und was Feins konnt mer dich nit lernen lassen, hätten überhaupt keine Not gehabt und könnten anders dastehn, hätt der Mann net allweil Geld ausm Haus tragn. Dein Vater, der is an allem schuld.
Was hab ich jetzt davon? Das Gfetzwerk und der Gschmuck werdn bald versetzt oder verkauft sein, ich steh da als a arms verlassens Gschöpf, das nix hat als a üble Nachred und um das sich kein Mann mehr umschaut.
Gehst denn nit! Dir werdn noch gnug kommen. So a Madel, wie du eins bist, dös mag sein, wie's will, und is noch allweil für kein z' schlecht! Aber wenn dir gar so um ein Mann is – muß's gleich sein? –
Ewig kann mer sowieso net auf der Welt beieinander bleiben. Was anders wär's, wenn s' uns weitmächtig von der Weanastadt, weiß Gott wohin, verlegen täten; aber so bleibn wir ja vorläufig da.
Weil vielleicht bei dir 's Madl so gut aufghoben is?! Zu Johann. Aber was machen denn Sö noch da, Johann, nachm Feierabend? Gehen S' in ein Wirtshaus, daß S' auch a Mensch werdn!
Laßts euch erzähln! Wir sein von die ersten gwesn, dö drankommen sein. Nur angschaut habn s' ihn, den Martin, gleich hat's gheißen: »Der Mann wird genommen!« – »Den Mann nehm ich zu mein Regiment.« Ein völligs Griß war um ihn. Ich hab's allweil gsagt, und
Bhüt Ihner Gott! Den Menschen kann ich nit leiden. Wenn er nit wie a Vieh bei der Arbeit alles zsammreißet, er wär bei mir net dö vierzehn Tag alt wordn, die er da is.
Mach dir nix draus. Klopft ihm auf die Achsel. Da steht einer, aus dem noch was wird, dazu is er der Bursch, sagts, ich hab's gsagt. Zu Barbara. Aber jetzt, Waberl, tu dich um! Auf das viele Trinken wird man nur noch durstiger, und 'n ganzen Tag habn wir nix zum Beißen ghabt, also schaff was her!
Dalassen werd ich noch eins! Leerst du mir nit 's Geldladel aus, wenn ich nur ein Schritt ausm Gwölb mach?
Nix eingangen wär heut? Gut, nimm's nur auf dein Gwissen! Je mehr du uns herunterbringst, nimm's Wirft eine Brieftasche auf den Tisch. – ich hab eine Lieferung übernehmen wolln – da liegt die Kaution, gut, ich reiß sie an. Brauch die Lieferung gar nit. Der heutige Tag is mir heilig. Gibt Barbara eine Banknote. Nimm und hol ein Wein und was zu essen – was Guts, bitt ich mir aus! A Tag, wie der heutige – –
Ich bitt dich gar schön, du tragst dein Geld ins Wirtshaus, als hätten wir jeds Jahr dreihundertfünfundsechzg Bubn und alle Tag Assentierung.
Ja, weil ich a Ordnung verlang! Matz will ich heißen, wenn das nit schon zwei Stunden am Tisch steht.
Nur 'n Fuß därf man ins Haus setzen, so muß man sich schon ärgern, und da traun sich die Leut, mir was nachzsagen, weil ich lieber auswärts bin! Ja, wann dös Hauswesen a Hauswesen wär, aber schau nur amal, wie's dr da ausschaut – kein Ordnung und kein Geld vorhanden. Wenn das Hauswesen gführt worden wär, hätt man am Madel nit die Schand zu erleben braucht, und du hättst nit not, drei Jahr 'n Schießprügel z' schleppen, den einjährigen Freiwilligen hätt's uns auch noch tragn. Aber, wer is an allem schuld? Dein Mutter, an allem!
Streiten S' nur nit wieder mit ihr, wenn s' zurückkommt. Dö paar Täg, die ich noch frei bin, will ich a Ruh habn.
Gegen 's Reden hab ich ja nix, nur gegen 's Streiten. D' Nachbarschaft wird sich auch nit ängstigen, wenn s' uns a Weil nit hört, und wenn ich fort bin, können Sie's ja wieder einbringen, aber bis dahin leid ich's nit.
Du willst's nit leiden? Ja, wer is denn eigentlich der Herr da zwischen dö vier Mäuern, ich frag, wer?
Mit dir? Fallet mir ein! Sein wir uns gleich? Darfst du dir a Antwort gegen mich herausnehmen? Wär schön! Mit dir hab ich, Gott sei Dank, noch anzschaffen! Streiten werd ich mich mit dir! Wer bist denn du gegen meiner, dummer Bub!?
Lassen S' Ihnen nit abhalten – ich komm nur wegen die Kinder. Geht nach vorne. Grüß eng Gott! Droht
Martin mit dem Finger. Dich hab ich bis in die Kuchel hinaus schreien ghört, Gifthahn!
Ich dank dir, Pepi. Setzt sich. So, da habts wieder die Alte, und jetzt laßts mit euch reden. – Wie's noch klein warts, da bin ich da im Haus gwesen und hab euch aufwachsen gsehn. Wenn fremde Leut alle Unarten von die Kinder lieb finden, so ist das eine Gustosachen, wenn's aber die eigenen Eltern tun, so ist das a Malör. – Es war a Malör. – Man hat von euch so wenig wie von andere Kinder sagen können, daß's ös amal schön und gscheit werden müßts, aber ös all zwei seids aufzogn wordn – Deutet auf Josepha. –, du als die Schönste – Auf Martin weisend. – und der als der Gscheiteste! So is mit eng a Stolz herangewachsen, der gefährlichste, der, der selber nit weiß, auf was und warum. Ich hab gnug dagegn gredt und hätt a nit aufghört damit, bis's eng amal zwider wordn wär und ihr doch danach tan hätts, es is aber früher euern Eltern zwider wordn, und es hat gheißen: »Hörts net auf die Alte!« Na, da hat die Alte ihr Sacherl gnommen und is gangen, reden hätt s' nix sollen und ruhig zuschaun, das war ihr net gegeben. Sie war halt a Großmutter, die Alte. Stampft mit dem Stock bekräftigend auf. Dann bin ich erst wiederkommen – wie ös schon die Kinderschuh vertreten ghabt habts – nachschaun, was aus euch wordn is. Ich hab mir gnug gsehn. Du bist schön wordn, aber noch lang nit die Schönste, und du warst net dumm, aber noch lang nit der Gscheiteste. Dös habts ös a ganz gut verspürt, aber keins hat sich's eingstehn wolln. Zu Josepha. Mit ein ehrlichen Gwerbsmann hättst du dich nit verkünden lassen – wohl aber ausrichten mit ein Hausherrnssohn. Zu Martin. Und du bist gleich blindwütig über jeden hergfalln, der nur mit ein Wörtel den großen Herrn beleidingt hat, der du ganz einwendig vor dir selber warst. Der nämliche Stolz, von dem ich vorhin gredt hab, hat das eine von euch zum Leichtsinn, das andere zum Jähzorn Zu Josepha. – daß zwischen dir und 'm jungen Stolzenthaler alles vorbei is.
Sei nit schadenfroh, Martin. – Ich komm, weil ich's für mein Pflicht halt, ich komm – und wenn's auch gleich wieder heißt: »Hörts nit auf die Alte« –, um euch zu sagen: Kinder, es is jetzt Gelegenheit und die höchste Zeit, daß's gscheit werdts! Ös habts mir schon viel Sorg gmacht und manche schlaflose Nacht kost, ös wißts ja nit, was der Leichtsinn und der Jähzorn aus ein Menschen machen können! Sie erhebt sich. Ich bitt euch mit aufghobenen Händen, daß ich mir noch Guts von euch auf der Welt erhoffen kann, werdts gscheit! Tritt zu Josepha. Schau, Pepi, mein liebs Kind, du bist jetzt wieder frei ledig. Du warst jung, so viel jung und unbehüt – viel schlimmer noch – ich will's nit bereden –, laß dich jetzt auf kein so zweites Stückl ein, das eine verzeiht man dir, wann's dein einzigs bleibt, nach ein zweiten möcht man sich schon besinnen, weil man fürcht, das Verzeihen und die Leichtfertigkeit könnten fortdauern, daß kein Herrgott für a End stünd und du selber nit. Sei gscheit, und wie damal sag ich dir: bleib brav! Wendet sich an Martin. Und du, Martin, mein liebs Enkelkind, du kommst jetzt unter lauter fremde Leut, zum Militär, und da tragt man zwar Handschuh, aber nur zur Paradi, hab ich mir sagen lassen, und für gwöhnlich faßt mer kein mit zarte Händ Alle sind unterdem etwas nach rückwärts gekommen, sie trippelt nach der Tür, wo ein Weihwassergefäß hängt, sie macht Josepha das Zeichen des Kreuzes auf die Stirne. So, Pepi! Sie geht zu Martin. Bei dir reich ich nit so hoch. Sie macht ihm das Kreuzeszeichen auf die Brust. So! Und jetzt bhüt euch Gott! Seids gscheit, Kinder – seids gscheit!
Und der Martin wie a Kartauser und Duckmauser. Mein Gott, 's is a alts Weib, das sich in der heutigen Welt gar nimmer auskennt.
Ös brauchts niemand zu gfallen als euern Eltern. Laßts euch nit irr machen! Zu Martin. Du bist allweil wer, a wenn d' nix bist, noch allweil mehr als die andern! Auf Josepha. Und wenn die will, kann s' heut noch Singt. Hoch solln sie leben, hoch solln sie leben, dreimal hoch!
Das sind keine Ausdrück, einem hochwürdigen Herrn gegenüber. Zu Eduard. Das mußt du deinem Vater untersagn.
Untersagn? Das tät ich mir ausbitten. Möcht wissen, ob er das amal von seine Kinder leidt? Ja so, nun, nix für ungut, Eduard.
Aber, herzliebe Eltern, wie mögt ihr euch um so was streiten!? Der einzige Grund, der mich's bereuen ließe, daß ich diesen Stand gewählt, wäre ja der, wenn ihr über das Kleid euer Kind vergessen könntet.
Na ja – na – das hat man davon, wenn man sich für deine Ehr annimmt. – Ich bitt, nimmt das Glachter nit bald a End?
Da muß man schon nachgebn, es geht nit anders. Zu Anna. Also, worin hat er denn recht ghabt, unser hochwürdiger Herr Sohn?
Siehst es, wie schön sich das macht, wenn du so sagst?! – Unser hochwürdiger Herr Sohn hat recht ghabt, daß er der Frau Stolzenthaler – wie s' no a Fräuln war – gsagt hat, sie soll gehorchen und ihr Glück Gott anheimstellen – ja. Net von dö Stadthäuser und dem wunderlieben Landgut red ich – aber jetzt, wo das Kinderl auf der Welt is, wird sie schon selber einsehn, daß auch das Glück da is!
Schaun wir jetzt a bisserl hinein. Geht an das Tor, zieht an der Klingelschnur; eine helltönende Hausglocke läutet. Hörst, das is ein anderer Ton als von unserer Hausglocke; die hört man schon schwer vor lauter Alter.
Dann sein S' so gut und richten S' a Empfehlung von uns aus; sagen S' nur, von de alten Schönischen, und es is uns auftragn wordn, ein Besuch von der gnädigen Frau ihren Herrn Eltern anzsagen, sie kommen heut heraus. Verstehen S'?
No, is recht, ich könnt das von meiner Kluft net sagen. Na, es gfreut mich, daß ich dich doch amal troffen hab und daß du net zu stolz bist, mir d' Hand zu geben. Ausgwichen bist mir eh, wo du können hast. Is net schön, grad auf dich hab ich 's meiste ghalten von meine Schulkameraden. Hast mir wehtan damit.
Na ja, dafür, daß ich nix bin, bin ich dir halt z' laut, gelt? Du hast gstudiert und gute Zeugniß, aber, mein Lieber, wenn man a nit gstudiert is und keine Zeugniß aufzuweisen hat, so bleibt mer doch a Mensch! Manchem taugt halt das Büffeln und scheuche Wesen net, daß mer aber a ohne Zeugniß wer sein kann, das werd ich noch beweisen.
Ah, dös is gut, das fragst mich jetzt? Da wird sich schon a Gelegenheit schicken, das muß von selber kommen.
Na, na, is's denn gar so eilig? Warten S' noch a wengerl, so kommt mein Weib nach und unser Madl, dös sich fürn heutigen Tag frei gmacht hat, vielleicht bringen s' noch a paar lustige Geister mit, und dann könnten wir miteinander ...
Seit der Hausmeisterbub in der Kutten steckt, wissen sich die Alten vor Stolz gar nimmer aus! Hast schon recht ghabt, daß d' ihm das gsagt hast vom Studiern und von die Zeugniß.
Aber, Vater, jetzt lassen S' mit Ihnen reden. Aus dem, was S' im Hergehn gsagt habn, bin ich mir nit gscheit wordn. Was is eigentlich mit Ihnern Gschäft?
No, nix is's. Aufgebn hab ich's. Seit 'm letzten Zins ist 's Gwölb gsperrt. Erst is mer der Lehrbub von seine Eltern weggholt wordn – die dummen Leut habn gsagt, er lernet bei mir nix. So gut trifft er's gar nirgends mehr! Wer weiß, wo er sich jetzt überarbeiten muß! Na, und dann habn wir den Gselln weggebn.
Na ja, das hab ich selber allweil gsagt, daß er arbeit wie a Vieh, aber auf einmal – bald danach, wie die Pepi und der Stolzenthaler auseinander waren – fangt er an, gleich um die Hälfte weniger zu arbeiten; no, ich hab da kein Arg ghabt, und von mir aus hätt er's a mit der Hälfte richten können, aber dein Mutter hat mir gleich in derer Sach a Licht aufgsteckt. Der Mensch wär dir in das Madel ganz verschameriert gwesen, und dö hätt a schon angfangt, sentimentalisch z' werdn. D' Mutter hat die Pepi gleich zsammpackt und in eine lustige Gsellschaft bracht, und ich hab 'n Herrn Johann expediert.
Na, weißt, wie der Michel und der Johann amal fort waren, da habn wir auch den Dienstboten weggebn, es sein da a Menge Nester leer gstanden, auf die
Ja – und allweil mitn Büchel in der Hand, der Fadian! Mein Feldwebel is's, über den ich euch schon oft klagt hab wegen seiner Seckatur beim Exerziern und seine Rapport, dö mir ein Straf um die andere einbracht und mein ganze Konduit verschandelt haben. Gehn wir auf d' Seit, bis er sich wieder verloren hat. Tät mir leid, wenn ich vor dem Kerl die Hand zum Gruß heben müßt.
Sie haben recht. Ich bin ja die reichste Frau vom Grund! Wie kann ich mich anders fühlen als glücklich? Ich bin auch Mutter geworden. Resi, komm her!
Sie haben es gesehen, das kleine, arme Ding! Man sagte mir, sein Vater habe zuviel gelebt, als daß für das Kind etwas überbliebe; es wird hinsiechen, wochen-, vielleicht monatelang, aber es wird nicht fortkommen. Sie drückt ihr Taschentuch an die Augen. Oh, Sie sehen, ich bin recht glücklich! Ihnen muß es zur Genugtuung gereichen, daß Sie mich in solcher Lage finden.
Ich weiß, aber es geschah mir immer leid darum. Es ist mir lieb, daß ich Sie so zufällig treffe. Wollen Sie diese Briefe zu sich nehmen und zu denen von meiner Hand legen?
Wenn Sie diesen Weg verfolgen, so finden Sie ziemlich außerhalb des Ortes, schon anfangs der Au, ein kleines Gasthaus. Die Tische stehen im Freien, und wenn Sie sich dort aufhalten wollen, so suche ich Gelegenheit, gegen Abend vorüberzugehen und Ihnen das Päckchen unauffällig einzuhändigen.
Schau amal so was! Is die Frau von Stolzenthaler gar a ehmalige Flamme vom Herrn Feldwebel, und bei all zwei, scheint mir, gloost's noch a bissel. No, is mir lieb, daß ich das weiß!
Dös verstehst du nit, mein Lieber. Da laßt sich a Brandl schürn. Ich bleib jetzt da, bis ich 'n Stolzenthaler zu Gsicht krieg.
Ich bitt dich gar schön, sorg dich um dö nit, dö wird sich akrat wie dö anderen Weiber z' helfen wissen! Lügn und – wo dös nimmer hilft – weinen, das trifft s' wohl auch! D' Hauptsach is, daß's für uns a Geld und a Hetz gibt. Der Stolzenthaler laßt gwiß was aus, ob dafür, daß man gredt hat, oder daß man nix weitersagn soll, dös is egal! Den Herrn Feldwebel aber, den lassen wir sitzen und warten, solang uns gfällig is, dann schaun wir uns ihn an, jagn ihm erst durch a paar Wörteln ein heilsamen Schrocken ein, und wenn wir so mitten im gmütlichen Dischkurs drin sein, dann wolln wir a fragn, was er eigentlich gegen dich hat.
Er spricht nicht, sondern schreit, obwohl es ihm wegen Atemnot Beschwer macht. Man hört ihn schon hinter der Szene. Alsdann heim auf a paar Stund – als solider Familienvater – haha – natürlich – aber dann treff mer sich wieder unten in dem Landkaffeehaus – in dem Schandkaffeehaus – wo s' a Nudelbrett für a Billard ausgebn! Haha!
's halt dich eh nit lang z' Haus, haha – kommt dir eh schwer gnug an – 'n gsetzten Ehegatten z' spieln. Haha!
Na ja, mer is halt nimmer frei, und dö Meinige, obwohl s' um ein Kopf kleiner ist, will mir doch immer über d' Achsel schaun.
Wär schon recht. Aber pack an, wann d' dich traust! Was wahr is, muß mer sagn: das Weib hat amal so was Nobles in ihr. Taugt mir zwar gar nit, aber was will man machen? Na, jetzt schau ich hnein. Servus!
A schon a paar Schlachten auf der Schmelz gwonnen, was? Zu Schalanter. So habn ausgdrechselt, wie ich hör?
Mein Gott, a bissel a Arbeit reicht nit hin, und viel is net da. Mir klein Gewerbsleut sein eh aufs Betteln angwiesen, is gscheiter, man entschließt sich gleich dazu.
Was soll s' denn machen, das arme Madl? Ah, es is traurig, wenn man sieht, wie's auf der Welt zugeht. Vertraulich näherrückend. Herr von Stolzenthaler, der waren Sie ihr erster, und es kommt auch keiner, über den s' Ihnen vergessen wird.
Der habn S' alles golten und gelten alles, das is aber leider nit bei alle der Fall, mit denen Sie umgangen sein und noch umgehen, Herr von Stolzenthaler! – Alle Achtung vor Ihnerer Frau Gemahlin ...
No, keine fünf Minuten is's her, da hat s' da an der Gartentür mit ein saubern Feldwebel gredt. Wir kennen ihn, es is mein Sohn sein Feldwebel.
Daß einer a Frauenzimmer anschmacht, das kann man keinm verbieten, aber dann bin ich kommen, und wie ich kommen bin, war ich da!
Ich sag ja nit, daß s' was Unehrenhafts vorhat! Brief habn sich halt die zwei amal gschriebn, und da will s' ihm die sein heimlich zruckgebn.
Brief –?? Und dö wärn nit gleich verbrennt wordn, wie ich nur ein Fuß in ihr Haus gsetzt hab? Dö hätt sie noch in Händen? Plötzlich sich gegen Schalanter wendend. Wenn Sie in derer Sach so a ehrlichs Gwissen habn, daß Sie sich morgen früh noch zu mir traun, so können S' kommen. Verstanden? Der Stolzenthaler verlangt gar nix umsonst, er zahlt a für 'n Beweis,
Ich küß d' Hand, Euer Gnaden! Morgen fruh werd ich so frei sein! Kommt vor. Na, was hab ich gsagt? Deutet aufs Landhaus. Heut mag's dir da drin a bissel lustig werdn!
Na, na, nur nit streiten. Kinder, nur kein Streit heut. Zu Barbara. Waberl, just hab ich a Gschäft gmacht, 'n Stolzenthaler hab ich ein Floh ins Ohr gsetzt,
Das is gut! Bin ich außerm Haus, so heißt's, ich wär kein guter Familienvater; bleib ich aber
Richtig, die Schmuckschatulln: Ja so, du willst 'n Hut aufsetzen? Steht auf und geht mit dem Kästchen nach dem Tische, wiegt es in den Händen. Na, da drin hast schon hübsch was beisamm. Darf ma nit hneinschaun?
Na, na, du stürzt ja her wie eine Löwin, der man ihr Jungs raubt. Man könnt meinen, weiß Gott, was da drin is.
Bagatell, wegen dem Schlösserl. Hat sich rasch zur Seite gewendet und das Kästchen aufgebrochen. Offen is's! Stellt es auf den Tisch und nimmt einzelne Schmuckgegenstände heraus, die er auf die Platte streut. Na also, die Herrlichkeiten!
Deinen Zerstörungstrieb hast du befriedigt, und wenn deine Neugierde gestillt sein wird, so sei so gut und verlaß mich, geärgert hast du mich ja genug.
Gleich sein wir am Grund! Er stürzt das Kästchen um und schüttelt es zwischen beiden Händen, triumphierend. Haha, da is ja noch was drin, in einm geheimen Fachel!
Ist das auch ein Schmuckgegenstand? Kleine Pause, schreiend. Ist das auch ein Schmuckgegenstand? Ich bitt mir eine Antwort aus!
Ich bitt, schaffen S' nur an! Lispeln und säuseln werd ich, wenn mir zum Aus-der- Haut-Fahren is! – Ist das wahr, daß Sie einen Feldwebel in Ihr Herz geschlossen ghabt haben, der Robert Frey heißt und dem Sie heut heimlich diese Briefe haben zruckstellen wolln? Ist das wahr?
Nix?! Schleudert die Briefe auf den Tisch. Das da hab ich zu verzeihen! Wissen Sie, Mardam – das da! – Als aufgeklärter Mensch find ich nix daran, daß man Sie schön gfunden hat, auch an dem Briefwechsel find ich nix, denn bei dö meisten Madln hat in gwissen Jahrn a Süßholzraspler ein Anwert, bis ihnen die Augen aufgehen, wann a Mann kommt, was a Mann is, und der war da ich, der Stolzenthaler – oder ich bin's net gwesen! Denn in solchenen Fällen fliegen so unnötige Papierln stantepede in Ofen, nit, daß man sie aufbehalt, noch viel weniger, daß man sie nach Jahr und Tag dem Schreiber heimlich zruckgibt, daß der Mosjö sich einbilden kann und mer selber auf den Glauben kommt, daß mer noch auf ihn denkt, denn wann noch auf ihn denkt wird, dann bin ich's net gwesen, dann hat den Stolzenthaler – der für sich d'
O nein, wir bleiben beisamm, jetzt fangt erst unser Zsammsein recht an. Ich werd Sie koramisieren, daß Ihnen alle Freud darüber vergeht und daß Sie's gwiß hundertmal im Tag bereuen, daß Sie sich zur Frau von Stolzenthaler hinaufgeschwindelt haben!
Wieder?! Sie sagen es noch einmal, ich hätte nach Ihnen verlangt?! – Ah, mein Gott – und wenn Sie sich an mir vergreifen, ich werfe Ihnen die Wahrheit ins Gesicht! – Nicht mein Wille war es, der mich in dieses Haus brachte, denn zu erfahren, was ich hier erfahren mußte, dazu drängt sich kein Weib, das auf sich hält. Sie haben mir meine bescheidene Bildung zu verleiden gesucht. Musik, Lesen, all das schalten Sie langweilig, fade, unnütz. – Sie verlachten mich, wenn mich das Elend anderer rührte; Sie höhnten, weil ich nicht den Ton Ihrer Gesellschaften nachahmen wollte; Sie taten alles, um mir so widerwärtig zu bleiben, wie Sie es mir vom Anfange an waren, als man mich gezwungen, Sie zu nehmen – hören Sie? – gezwungen!
Auf was pochen Sie nur? Was wollen – was können Sie einem Weibe sein? Sie, der Sie geschaffen sind, jedes elend zu machen! Selbst wenn Sie sich eines vom Schmutze der Straße auflesen, kann es Ihnen nicht dankbar sein. Sie faßt ihn an der Hand und wendet ihn einen Schritt gegen die Wiege. An der Wiege des Kindes – das
Nix mehr über den Punkt. Kleine Pause, dann gedrückt. Wenn deine Eltern kommen, reden wir weiter, jetzt führt's zu nix. Ich geh nunter ans Tor und erwart s'. Die Brief steck ich zu mir. Steckt dieselben in die Brusttasche, geht an die Türe rechts, zunächst der Rampe. Überleg dir's, was du vor deine Leut sagen willst. Ab.
Die Wahrheit – vor ihnen wie vor dir! Ah, daß ich's endlich von der Seele habe! – Nun ist's vorbei, er kann mich nimmer halten wollen, und sie können mich nach dem Vorgefallenen nicht mehr in seinen Händen lassen – ich bin frei, und nichts hält mich mehr da, wo mich nichts bindet. Sie blickt nach der Wiege, tritt hinzu und kniet an derselben nieder. Oh, daß du leben bliebest – wie andere rosig und lächelnd – zänkisch und greinend – wie andere so unausstehlich lieb! Ah, armes Ding, mir läuft ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, daß ich dich geboren habe. Etwas, nur bestimmt, zu liegen die Tage und Nächte, zu leiden, zu wimmern und zu sterben, ohne gelebt zu haben! Erhebt sich rasch. Wenn sie sich aber auf dich berufen, um mich hier festzubannen –? Ich leugne, daß du ein Kind bist, ich leugne es! Und sie werden mir so kommen, sie werden mich zu bereden suchen, sie werden gegen mich sein, alle! Soll ich sie erwarten? Noch einmal das Opfer eines Versuches werden? Man kann Haß versöhnen, Unrecht vergessen, Sünde verzeihen, aber der Verachtung kann man nicht abhelfen! Das kann man nicht! – Ich muß fort – rasch entschlossen – solang ich noch den Freund in der Nähe habe und ihn zu finden weiß!
Sie drückt auf die Glocke, die auf dem Tische steht. Ich will zu ihm – Robert soll mir raten. Welchen Weg er weist, diesmal folg ich ihm unbedingt auf jedem.
Sie geht hinüber zur Wiege. Sei gut – wo ich auch sein werde, ich lasse dich bald zu mir holen. Mein armes Flämmchen, du sollst bei mir verlöschen. Sie schrickt empor, deckt den Schleier über das Kind. Ein Wagen! – Sie kommen – hinweg! Sie eilt an das Fenster, das im Hintergrunde rechts offensteht, und schwingt sich aus demselben, dabei entfällt ihr das Taschentuch – kleine Pause.
Jetzt, Herr Schwiegersohn, können wir reden. Was da a vorgfalln is, nehmen S' mein Wort, daß mein Kind zu seiner Pflicht zrückkehren wird; aber kein Aufsehn, kein Skandal, das bitt ich mir aus!
Ah, Herr von Hutterer, Sie wissen Ihnen ja gewaltig in Respekt z' setzen, da könnt ja am End a wahr sein, was Ihre Tochter sagt! – Wir habn ein Attack ghabt, weil ich dö Brief bei ihr gfunden hab –
Dank schön für d' Auskunft. Großartig. Wenn Sie Ihre Tochter wiedersehen, so sagn S', ich laß s' grüßen, und jetzt willige ich in die Scheidung; aufzwingen tut sich der Stolzenthaler niemand, dös tut er net!
So ist's also wahr!? Schlägt die Hände ineinander und ringt sie nach dem Boden, vor Wut weinend. Jesses und Josef, das muß mir gschehn, 'm Stolzenthaler, wo sich Hunderte – was Hunderte? – wo sich Tausende glücklich schätzen wurden, da muß grad ich auf eine treffen, die mein Anwert gar nicht z' schätzen weiß! – Herrgott, jetzt sitzen wir alle da, und kein is recht gschehn. Dö is petschiert samt ihrm Feldwebl, ich bin's aber a! Und wenn ich jetzt gleich eine find, kann ma a jede bereden, daß s' mit ein nach Ungarn abi rennt und unitarisch wird, wann ihr etwa vor derer Prozedur graust!?
Ja, ich bitt, da suchen Sie s', so weit die Au liegt; können lang herumrennen. Viel Vergnügn! Zurück.
Ihre Gesellschaft abgerechnet. Sagen Sie mir nur, wie ein Mensch weniger Worte haben kann als ein Papagei?
Ich darf in kein Wirtshaus mehr gehen – nein – der Schmerz in einem trinkt mit, und dann wird's zuviel.
Da wärn wir an Ort und Stell – Verstohlen nach Frey deutend. –, und dort sitzt a unser Mann. – Aber wo bleiben denn die andern? So kommts doch!
Guten Abend – guten Abend wünsch ich! Zu Tonl. Laßt aus, du! Mußt d' übrall dabeisein? Wirst net bei der Mutter Zu den Gästen. Was ist denn gfällig?
Ein Wein, aber a guter, schlechten hab ich heut schon gnug trunken. Bringen S' gleich a paar Flascheln mit, dö für uns ausreichen, wie S' uns da sehn.
Jetzt sein wir erst noch nit vollzählig. Da kann mer sich ja nie aufn Wirt sein Augenmaß verlassen. Wo is denn 's Madl und der Katscher?
Und wie Sö ausschaun! Ganz verwahrlost. Gehn S', halten S' Ihnen und lassen S' Ihnen a bissel auf gleich richten. Sie schickt sich an, seine Halsbinde zu ordnen,
wendet ihr Gesicht gegenüber dem seinen ab. Ui – und trunken hat er a! Na, Sie braucheten schon wirklich wem, der auf Ihnen schauet.
So, meine Herrschaften – Verstummt sofort, wie er Tonl mit dem Gewehrriemen spielen sieht – entsetzt. Tonl – du Himmelsapperment – gehst mer weg, gehst mer vom Gwehr weg, 's könnt' ja 's größte Unglück gschehn!
Glauben Sö, ich rühr das Ding an?! Ich kann ja nit umgehn damit. Es ghört mein mittern Bubn, der allweil, wo er nur kann, mit dö Jager rennt. Wo er's nachher daheim hinlehnt oder hinhängt, da bleibt's schon von mir aus, dös können S' mer glaubn. Aber dös is a wahr, der Sackermenter laßt sich nie blicken, wann er's ausm Weg räumen soll. Ja, ich tät schön bitten, wo setzen sich denn die Herrschaften hin?
Da setzen mer uns her. Ruck mer zsamm, habn mer alle Platz. Mit Verlaub. Guten Abend, Herr Feldwebel!
Mein Lieber, wenn Sie nit so schön lügen lernen wie die andern, werden Sie's bei die Madeln nie weit bringen.
Haben Sie früher so was an mir bemerkt, oder leg ich's vielleicht jetzt darauf an, wo ich mich verwahrlos, trink und net auf mich schau?
Das is ja eben 's Elend, es müßt gar nit sein, wenn man den natürlichen Dingen ihren Verlauf ... wenn man den Dingen ihren natürlichen Verlauf lassen hätt. Ah, Ihre Leut können's nit verantworten! Aber, Pepi, schaun S', wenn Sie mit Ihnen reden ließen – alles wurd gleich anders, wann Sie mit mir durchgingen, wohin, wo wir all zwei fremd sein, wann Ihnen die Leut gar nit kennen und wann ich mich über alles hinaussetz, Pepi, über alles –
Na, da hätten S' weiter was! Na, na, mein lieber Johann, aus Ihnen redt jetzt der Wein. Ich denk gar nimmer ans Heiraten; für ein Braven wär ich a Unglück, und ein Schlechten möcht ich selber nit.
Wenn S' zahlt habn, Johann, so gehen S'! Ich will nit, daß auf Sie gstichelt wird. – Behalten S' mich im Andenken, aber schaun S' mer net nach, mich tät's nur scheniern, und Ihnen machet's kein Freud. Wann S' aber amal hörn, daß ich gstorbn bin, dann kommen S' zu meiner Leich – gwiß –, damit doch ein ehrlicher Mensch dabei is, 's andere wird eh lauter Glumpert sein.
Na, na. Tschapperl, am End weinen wir gar, zahlet sich aus! Sein S' gscheit und schaun S' wieder auf Ihnen – hörn S' – machen S' mir nit die Schand, als ob mein Wort nix bei Ihnen geltet! – Bleiben S' gsund, alls andere gibt sich mit der Zeit. Den guten Willn gegen mich werd ich Ihnen nie vergessen, Johann. Drückt ihm die Hand. 's soll Ihnen recht gut gehn dafür! Schon halb gewendet, dreht sie sich rasch wieder gegen ihn. Sö, wann ich a bravs Madl find – so eine, die sich d' Hand, an der ich s' halt, sauber abwischt, wann s' erfahrt, wer ich bin – soll ich Ihnen s' rekommandiern? Ja? Gibt ihm einen leichten Schlag auf die Wange. Bhüt dich Gott!
Ich muß eng ja aufführn. Es is nämlich
STÖTZL, KATSCHER, SEDLBERGER. Oho!
Aber, Herr Feldwebel, werdn doch nit schon gehn? Wär uns nit lieb, wenn wir Ihnen von da vertreibeten, wir hätten – weil sich grad die Glegenheit schickt – a paar Wörtel wegn unsern Martin z' reden.
Und, Gott sei Dank, kann ich a für mich selber reden. Schon lang hätt ich gern um a Auskunft ersucht, warum grad gegen mich so vorgangen wird.
Weil Sie mich vor Ihren Eltern fragen, so will ich Ihnen die Antwort nicht schuldig bleiben. Ich handle nicht aus Gehässigkeit gegen Sie, ich tue meine Pflicht. Sie sind der Nachlässigste, sind ein Trinker, ein Raufbold –
Und wie Sie verlangen können, daß man Ihnen alle Ausschreitungen nachsehen soll, das begreif ich nicht. Wir haben in der Kompagnie Leute aus den besten Häusern, die ihrem Dienst unverdrossen nachkommen und vor denen man Sie nicht herumschreien lassen kann, daß Sie sich für einen Soldaten zu gut fühlen.
Das glaub ich. Wenn ich es aber, soweit an mir liegt, versuche, einen aus Ihnen zu machen, so geschieht es zu Ihrem eigenen Besten, und vielleicht sehen Sie das später auch einmal ein.
Dank schön, geben S' Ihnen dö Müh net. Da sitzen meine Eltern, noch brauch ich kein Vormund, und zu was ich nit taug, taug ich nit!
Mit wem red ich? Mit dem Martin Schalanter doch allein! Zu diesem. Woher Sie diesen Dünkel haben, weiß ich nicht. Im Haus ist Ihnen wahrscheinlich zuviel nachgesehen worden, und Sie haben nicht das beste Beispiel vor Augen gehabt.
Solchen Sinn aber biegt oder bricht die Welt. Solange ich Ihr Vorgesetzter bin, werde ich sorgen, daß Sie der Kompagnie weder außer der Kaserne noch in Reih und Glied Schande machen, darauf geb ich Ihnen mein Wort, und damit haben wir ausgeredet. Adieu! Wendet sich. Herr Wirt!
Laßn mer's gut sein, Vater! Net hetzen, Sie wissen, wann ich amal anfang, weiß ich nit, wo ich aufhör!
Herr Feldwebel, es is nit recht, ein Menschen so zu reizen! Verstehn S'? Es war schon oft da, daß, wann der Mann vor der Front sein Teil kriegt hat, bis's ihm zviel wordn is, daß hernach der Unteroffizier a vor der Front sein Teil kriegt hat, der grad gnug war.
Diese alberne Drohung hör ich nicht das erstemal von Ihnen, ich will sie auch diesmal nicht gehört haben. Ich fürchte Sie nicht.
Kennen S' ihn? Haha! Mein lieber Herr Feldwebel, da nehmen S' Ihnen ein Beispiel dran, daß man sich auch mit Leuten, die man veracht, nit verfeinden soll, weil man nit weiß, was einm die für ein Streich spielen können.
Das heißt, daß wir vor einer gwissen Villa im Hinterhalt glegen sein und daß die gwisse Dame nicht kommen kann, weil der Herr Gemahl alles weiß!
Mein Gott, Sie haben die arme Frau denunziert? Um mir einen Possen zu spielen, ein wehrloses Weib preisgegeben –! Ah, das ist feig! Sie sind noch erbärmlicher, als ich gedacht habe, Sie sind wirklich, wie es sich von einem Menschen erwarten läßt, dessen Vater ein Säufer und dessen Mutter eine Kupplerin ist!
Mein Gott, wieder der Platz! Wie oft habe ich ihn schon gekreuzt! In der Furcht, verfolgt zu werden, gehe ich in der Irre und, wie ich sehe, immer im Kreise herum. – Ah, es ist nicht mehr möglich, Robert zu finden. Ich will rasten. Mut und Kraft sammeln. Wenn ich dann immer nach einer Richtung vorwärts dringe, so muß ich ja endlich auf eine Ortschaft, auf eine menschliche Wohnung treffen. Sie setzt sich auf einen kleinen Erdhügel links.
Es hilft nix, mich tragen die Füß nimmer. Die Angst, die in mir steckt. Das Herz schlagt nit natürlich – als wollt's heraus! Laß mich! Er sinkt zusammen.
Schoferl, net da eine, da gehts der Donau zu, da komm übri! Erblickt Martin und Josepha. Ui, da sein ein. Machts eng davon! D' Streif kommt! Mit Schoferl vorne rechts ab.
Für ihn ist auch der kürzeste zu lang. – Die Bahre erscheint im Hintergrunde. Er stirbt, ehe wir die offene Straße erreichen.
Das weißt du ganz gut, Lump! – Die Dirne zu dem übrigen Gesindel und den Mann noch heute an die kompetente Militärbehörde!
Wir haben Eile, jeder Verzug ist für den ... Kranken gefährlich; wenn Sie an der Bahre nebenher gehen wollen, das kann ich gestatten. Zu den Trägern. Auf – langsam –
Du setzst halt schon wieder 'n Respekt aus dö Augen! Zu Eduard. Guten Morgen, hochwürdiger Herr Sohn, was führt denn dich so zeitlich in aller Gottes Fruh her?
Die Sorge hat mich hergetrieben. Gestern ist dem unseligen Menschen, dem Martin Schalanter, das Todesurteil publiziert worden, und heute morgens soll er erschossen werden. Ich denke nun, es wäre gut, wenn man diese Vorgänge hier im Hause vertuschen könnte und für einige Tage die Zeitungsblätter beiseite schaffte. Die Kenntnis von all diesen düsteren Einzelheiten würde Fräulein Hedwig, ich wollte sagen, die junge Frau Stolzenthaler – seit sie von ihrem Manne geschieden ist, bin ich immer uneins, wie ich sie nennen soll –, es würde sie, glaube ich, zu sehr erschüttern.
Ah, ja freilich, dös wär gfehlt! Mein Gott, seit s'
Ja, jetzt hat er schon recht, unser hochwürdiger Herr Sohn, aber zu Anfang von derer Affär hat er ein Bock gschossen.
Das gschieht einm hochwürdigen Herrn nie. Wer hat's denn wissen können, wie's ausgeht? Hintnach is leicht reden.
Na, wann dürften wir denn nachher was reden, wann net hintnach, mir Leut ausm Volk, dö mir von vornherein nix z' sagn haben?! Ich bleib dabei, er hat damals a bissel voreilig 'n Gehorsam empfohlen.
Dös schon gar net – und ich weiß ebensogut, wie unsereins net so und net so sagn, damit man einm nit nachsagen kann, er hätt so oder so gsagt, das kann er a nit; aber was er können hätt, dös will ich ihm wohl sagn – weil dös auf der Hand liegt – und völlig selbstverständlich is – ganz natürlich – nämlich, wenn man die Sach betracht – so – na ja! – na ja ... das is gut, jetzt weiß ich selber nit, was er eigentlich hätt tun sollen!
Oh, ich weiß es heute nur zu gut. Ich hätte mich erst ganz genau mit den Verhältnissen vertraut machen sollen, und dann wäre es am Platze gewesen, ohne der Neigung des Mädchens irgendwie das Wort zu reden, dem Vater Hedwigs die geplante Verbindung auf das eindringlichste abzuraten.
Leider! Aber, daß ich es sage, ich dachte damals nur an euch und mich, und ich war gewohnt, euch immer
Ja, ja, mein lieber Eduard, du warst aber a unser Einzigs, wir haben nie ganz alleinig auf uns denkt; was dich a ernstlichs Opfer kost hätt, das hätt uns ja eh gar kein Freud machen können, und wann was hat sein müssen, so hat mer dir immer durchblicken lassen, warum und weswegen. Gelt ja?
Ich weiß es. Ihr wart die sorglichsten Pfleger meiner Kindheit, die treuesten Berater des heranwachsenden jungen Mannes, und jetzt, nachdem wir Jahre mit gleichem Herzschlag durchlebt und uns alle kleinsten und größten Erinnerungen gemeinsam verbinden, jetzt seid ihr meine ehrlichsten, meine trautesten, meine besten Freunde. Gott erhalte euch mir, treue Elternherzen! Drückt ihnen die Hand und geht in den Haustrakt ab.
Gutn Morgn! Sie verzeihn schon! Ich hab 'n geistlichen Herrn zum Tor hereingehn gsehn, ich soll ihm a Post sagn, dö nöt mehr viel Zeit hat.
Natürlich wird er mit ihr reden ... Er is er sich nicht z' gut dafür halten!
Erlauben S', Herr Schön – wir sein nur unserer Tochter nach, weil wir s' über d' Straßen haben laufen gsehn – wir sein gleich fertig – wir gehen heut eh lieber allen Leuten ausm Gsicht. Zu Pepi. Warst du beim Martin drin, Pepi?
Nein, er hat nit nach mir verlangt, und es is das nix für mich. Ich hab eh die ganze Nacht gweint. Ich hab ihm gestern die Schoberlechner- Leni, die er früher gern gsehn hat, hineingschickt und ihr Zigarrn und a paar Groschen Geld für ihn mitgebn.
Na, da gehn S' in Gotts Nam, daß's nit etwa z' spät wird! Bei mir versäumen S' nix, 's hat wohl noch a Weil hin, bis S' mich im Spital aufsuchen können, aber es bleibt nit aus.
Ja, ja – mir mit sö – Hebt den Kopf, sieht alle starr der Reihe nach an. – oder sö mit uns! Senkt den Kopf wieder und geht mit Barbara durch die Mitte ab.
So! Komm nur, mein Kind, du kannst schon im Freien sein, wenn du willst, die Luft ist ganz mild, die schadt dir nix.
Ich weiß. Ich gehe sofort zu ihm. Zu Hedwig tretend. Gnädige Frau, ich empfehle mich! Fassen Sie Vertrauen! Gott, der so schwere Prüfungen über Sie verhängte, wird Ihnen auch die Kraft verleihen, dieselben zu ertragen.
Keine Phrasen, Hochwürden! – Wissen Sie, wie man das nennt, wenn jemand eine Prüfung veranstaltet, um ein Ergebnis herbeizuführen, auf das er ganz gut im voraus rechnen kann? Man nennt das experimentieren. – Vor Jahren wohnte ein Mediziner in unserm Hause, den ich als kleines Mädchen von ganzem Herzen verabscheute, weil er arme Kaninchen lebend zerschnitt. Er wußte ganz genau, wie weit er sich auf die Stärke dieser Tierchen verlassen konnte, ob sie ihm tot unter dem Leise lächelnd. Wollen Sie mich glauben machen, Gott wäre so ein Mediziner? Da Eduard sprechen will, hebt sie abwehrend die Hand und fährt fort. Ich will Ihnen sagen, was mich tröstet. Ich habe mich einem Gebote gefügt, das das einzige ist, das eine Verheißung in sich schließt, »auf das du lange lebest und es dir wohl gehe auf Erden!« Das Wohlergehen hat nicht zutreffen wollen; ich hoffe zu Gott, daß auch der andere Teil der Verheißung sich als trügerisch erweist und daß mich mein Kind bald nachholt.
Ich sage ja nichts. Wenn ich euch jetzt wie ein lebendiger Vorwurf bin, so laßt euch doch vor mir nichts merken, ich werde es ja nicht mehr lange sein.
Kind? – Er faßt ratlos nach der Hand seiner Frau. Sidi! Fährt sich mit beiden Händen in die Haare, in Tränen ausbrechend. Ah, grau – grau – das ist die richtige Farb – die richtige! – Von Sidonie gefolgt, in den Trakt ab.
Wer ist das? Das Mädchen sollt ich kennen. Sie erschauert. Ach ja, ich weiß! Streicht mit der Hand über die Stirne und den Scheitel. Es war auch sonst von ihr die Rede. Wir gehören in eine Kategorie.
Nur ruhig, Alter! Nimmt das kleine Bukett, das sie an der Brust trägt, herab. Die hab ich aus der Vase von den gestrigen zusammengelesen. Eine weiße Rose herauslösend und sie Josepha hinhaltend. Übernächtig – bleich – und welk – paßt das? Nehmen Sie! – Ob an einen oder an mehrere, wir sind ja doch zwei Verkaufte!
Ich nimm mich halt zsamm. Es gschieht mir ja recht – und es is jedenfalls gscheiter, wie noch länger als Auswürfling unter dö Menschen herumlaufen. Ich komm mir vor wie a wilds Tier, das nachträglich zu einer menschlichen Bsinnung kommen is. – Er sieht nach der Türe. Es ist schon spät, gelt ja?
Nein! Sehn wollt ich dich noch einmal. Sagn wollt ich dir, daß du mir der liebste von meine Spielkameraden warst, wann wir gleich die spätern Jahr immer weiter auseinanderkommen sein. Du warst mir der liebste und unliebste, denn du warst mir immer voraus, dir war ich allweil neidig, ich weiß a seit kurzem, auf was. Auf dein ruhigs, anständigs Elternhaus. Wie du jetzt vor mir stehst, denk ich zruck an die Zeiten, dö glücklichen Täg – wo mer noch von nix gwußt hat. – Es hätt ganz anders werdn können.
Net zruck, Eduard, wohin denn? Vorauf liegt ja nichts. Sieht wieder nach der Türe. Es wird immer später.
Weißt, was muß der Mensch doch haben, an das er sich halten kann in schwerer Stund, a der schlechteste! Ein Herz, auf das er zähln kann, das's zutiefst ehrlich mit ihm meint, und wann er ihm a allweil nur weh tan hat. Ich ging mich hart, recht hart, von da.
Hinschickt? Nein! Sie muß von selber kommen. Erbarmen hast ja auch du mit mir, aber sie – sie hat mich immer gern ghabt, und a Lieb, a Lieb möcht ich noch sehn, bevor ich von der Welt geh.
Rühr mich net an mit dö Hand – mit dö Händ net! Sie lehnt den Kopf an den Türpfosten links, leise weinend. Das muß ich an dir erleben, Martin? Das hätt ich nit denkt! Hätt's nit denkt!
O Großmutter, weil S' nur da sein! Ich weiß ja, daß mich nix weiß brennen kann und daß ich Ihnen all die Lieb, Treu und Sorg schlecht heimzahl, aber Sie sein die einzige Seel auf Gottes Erdboden, um die mir is. Mit gefalteten Händen. Sein S' gut mit mir, Großmutter, sein S' gut!
Der Gang is mir recht hart wordn bei meine alten Füß, und weil's mir da – Zeigt aufs Herz. – sitzt, aber sehn hab ich dich doch müssen, Martin, und ich bin nit kommen, daß ich dir 's Herz schwer mach.
Dös wird's mir von selber. Wenn s' mich nur allweil auf Ihnen hätten hören lassen, Großmutter, ich könnt jetzt als braver Bursch vor die Leut dastehn und Ihnen könnt ich für dö alten Täg manche Freud machen – so hab ich Schimpf und Schand über dös weiße Haar bracht, und jetzt soll ich hinaus, wo die Welt im lichten Sonnenschein liegt ... Herrgott, ich bin ja doch nur a armer Teufel, der nach und nach so schwarz wordn is. Ich frag net, ob es gerecht is – aber is's menschlich, ein hinknien lassen – ein letzten Blick ins Land – d' schwarze Binden – Bricht zusammen und umfaßt die Knie der Herwig. Großmutter, helfen S'!
Jesus, Maria! Was is ihr? Großmutter, sein S' gscheit! Großmutter, ich bin ja schon wieder kuraschiert – hörn S'? Eduard, nimm dich um sie an, schau, wie s' zittert, führ s' nachher – wenn wir schon a bissel weit weg sein – über die Stiegn, bring s' nach Haus, laß s' a nit so bald allein, tu mir die Lieb! Ich bin schon wieder kuraschiert, Großmutter, es handelt sich ja nur um ein Augenblick, dann is ja alles vorbei, und es is gut für mich, und es is recht. Haben S' kein Angst um mich, ich sorg mich nur um Ihnen, nur um Ihnen.
Mein lieber Eduard, du hast's leicht, du weißt nit, daß's für manche 's größte Unglück is, von ihre Eltern erzogn zu werdn. Wenn du in der Schul den Kindern lernst: »Ehret Vater und Mutter!«, so sag's auch von der Kanzel den Eltern, daß s' darnach sein sollen.
Ich komm schon! Die wenigen Schritt, die ich noch zu gehen hab, will ich nimmer vom Boden aufschaun, den letzten Blick mach ich in das ehrliche Gsicht, in dö treuen Augen, denen ich manche Tränen kost hab und dö schon über meiner Wiegn gwacht haben. Großmutter, niemand