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[Georg Büchner hat die Arbeit an dem Drama »Woyzeck« vor seinem Tod nicht mehr abschließen können. Überliefert sind nur eine Reihe von Szenenentwürfen (H1, H2, H3) und eine unvollständige Reinschrift mit vorläufigem Charakter (H4), die leider nicht einmal die endgültige Abfolge der Szenen erkennen läßt. Bekannt geworden ist das Drama durch Rekonstruktionsversuche, zunächst durch die Edition von Karl Emil Franzos, später dann durch die Lesefassung Fritz Bergemanns, die lange Zeit als verbindlich angesehen wurde.
Damit sich jeder Leser selbst ein Bild von dem überlieferten Text machen kann, werden hier Büchners Handschriften nach der kritischen Edition von Werner R. Lehmann wiedergegeben. Zwei Handreichungen sollen dem Benutzer die Orientierung erleichtern. Da Büchner den Figuren seines Dramas im Laufe der Arbeit unterschiedliche Namen gab, wurden den Figurenbezeichnungen in den ersten Entwürfen die endgültigen Namen der vorläufigen Reinschrift nachgestellt. Zum anderen soll die folgende Übersicht über die Szenenreihenfolge in drei maßgeblichen Rekonstruktionsversuchen des Dramas erste Hinweise auf eine möglichen Anordnung der Szenen geben. Die drei Rekonstruktionsversuche selbst unterscheiden sich freilich nicht nur im Hinblick auf die Anordnung der Szenen, sondern auch durch unterschiedliche Lesungen der Handschriften und durch abweichende Kontaminationen der verschiedenen Entwürfe zu den einzelnen Szenen.
Reihenfolge der Szenen in der Lese- und Bühnenfassung von Fritz Bergemann (zuerst in: Georg Büchner: Werke und Briefe, Leipzig 1921.)
H4,5 – H4,1 – H4,2 – H2,3 mit Erg. aus H1,1 – H2,5 – H1,2 – H1,3 – H4,4 – H4,8 – H4,6 – H4,9 mit Erg. aus H2,7 – H4,7 mit Erg. aus H2,8 – H4,10 – H4,11 – H4,12 mit Erg. aus H1,6 – H4,13 mit Erg. aus H1,7 – H3,1 – H1,8 – H4,14 – H4,15 – H4,16 – H4,17 – H1,14 – H1,15 – H1,17 mit Erg. aus H1,10 – H1,19 – H1,20 – H1,16
Reihenfolge der Szenen in der Lese- und Bühnenfassung von Werner R. Lehmann (zuerst in: Büchner-HKA – siehe Sigelliste)
H4,1 – H4,2 – H2,3 mit Erg. aus H1,1 – H2,5 – H1,2 – H4,4 – H4,5 – H4,6 – H4,7 – H4,8 – H4,9 mit Erg. aus H2,7 – H4,10 – H4,11 – H4,12 – H4,13 – H4,14 – H4,15 – H4,16 – H4,17 – H3,1 – H1,14 – H1,15 – H1,16 – H1,17 – H1,19 – H1,20 – H1,18 – H1,21 – H3,2
Reihenfolge der Szenen in der Lese- und Bühnenfassung von Henri Poschmann (zuerst in: Georg Bücher, Woyzeck. Nach den Handschriften neu hergestellt und kommentiert von Henri Poschmann, Leipzig 1984.)
H4,1 – H4,2 – H2,3, mit Erg. aus H1,1 – H2,5 – H1,2 – H1,3 – H3,1 – H4,4 – H4,5 – H4,6 – H4,8 – H4,9 mit Erg. aus H2,7 – H4,7 – H4,10 – H4,11 – H4,12 – H4,13 – H1,8 – H4,14 – H4,15 – H4,16 – H4,17 – H1,14 – H1,15 – H1,16 – H1,17 – H1,19 – H1,20 – H1,18 – H3,2 – H1,21.]
Meine Herren! Meine Herren! Sehn Sie die Creatur, wie sie Gott gemacht, nix, gar nix. Sehen Sie jezt die Kunst, geht aufrecht hat Rock und Hosen, hat ein Säbel! Ho! Mach Compliment! So bist Baron. Gieb Kuß! Er trompetet. Wicht ist musikalisch. Meine Herren hier ist zu sehen das astronomische Pferd und die kleine Canaillevögele. Ist favori von alle gekrönte Häupter. Die rapräsentation anfangen! Man mackt Anfang von Anfang. Es wird sogleich seyn das commencement von commencement.
Zeig' dein Talent! zeig deine viehische Vernünftigkeit! Beschäm die menschlich Societät! Meine Herren, dieß Thier, das Sie da sehn, Schwanz am Leib, auf sei 4 Hufe ist Mitglied von alle gelehrte Societät, ist Professor an unse Universität, wo die Studente bey ihm reiten und schlage lerne. Das war einfacher Verstand. Denk jezt mit der doppelte raison. Was machst du wann du mit der doppelte Raison denkst? Ist unter der gelehrte Société da ein Esel? Der Gaul schüttelt den Kopf. Sehn Sie jezt die doppelte Räson? Das ist Viehsionomik. Ja das ist kei viehdummes Individuum, das ist eine Person. Ei Mensch, ei thierisch Mensch und doch ei Vieh, ei bête. Das Pferd führt sich ungebührlich auf. So beschäm die société. Sehn Sie das Vieh ist noch Natur, unideale Natur! Lern Sie bey ihm. Fragen Sie den Arzt, es ist höchst schädlich. Das hat geheiße: Mensch sey natürlich. Du bist geschaffe
Er – Sie! Teufel! Er setzt sich zitternd nieder. Er späht, tritt an's Fenster. Wie das geht! Ja wälzt euch übernander! Und Sie: immer, zu – immer zu.
Blut? Warum wird es mir so roth vor den Augen! Es ist mir als wälzten sie sich in einem Meer von Blut, all mitnander! Ha rothes Meer.
Immer! zu! – Immer zu! – Hisch! hasch, so gehn die Geigen und die Pfeifen. – Immer zu! immer zu! Was spricht da? Da unten aus dem Boden hervor, ganz leise, was, was? Er bückt sich nieder. Stich! Stich! Stich die Woyzecke todt! Stich! stich die Woyzecke todt! Immer Woyzecke! das zischt und rumort und donnert.
Ich hab kei Ruh, ich hör's immer, wie's geigt und springt, immer zu! immer zu! Und dann wann ich die Augen zumach, da blizt es mir immer, es ist ei groß breit Messer und das liegt auf eim Tisch am Fenster und ist in einer eng dunkel Gaß und ein alter Mann sizt dahinter. Und das Messer ist mir immer zwischen den Augen.
Woher weißt du's? Was soll ich's sagen. Nu, er lachte und dann sagt' er: ein köstlich Weibsbild! Die hat Schenkel und Alles so heiß!
So hat er das gesagt?
Von was hat mir doch heut Nacht geträumt? War's nicht von eim Messer? Was man doch närrische Träume hat.
Ach Tochter, liebe Tochter,
Was hast du gedenkt,
Daß du dich an die Landkutscher
Und die Fuhrleut hast gehängt? –
Was kann der liebe Gott nicht, was? Das Geschehene ungeschehn machen. Hä hä hä! – Aber es ist eimal so, und es ist gut, daß es so ist. Aber besser ist besser. Singt.
Branntewei das ist mein Leben,
Branntwei giebt Courage.
Und ein ordentlicher Mensch hat sein Leben lieb, und ein Mensch, der sein Leben lieb hat, hat keine Courage, ein tugendhafter Mensch hat keine Courage. Wer Courage hat ist ein Hundsfott.
Ich spreche ohne Beziehungen, ich spreche nicht mit Rücksicht, wie die Franzose spreche, und es war schön von Euch. – Aber wer Courage hat ist ein Hundsfott!
Teufel! du zerbrochne Bartschüssel, du abgestanden Seifbrüh du sollst mir dei Urin trinke, du sollst mir dei Rasirmesser verschlucken!
Herr Er thut sich Unrecht, hab ich Ihn denn gemeint, hab ich gesagt Er hätt Courage? Herr laß Er mich in Ruh! Ich bin die Wissenschaft. Ich bekomm für mei Wissenschaftlichkeit alle Woche ein halbe Gulden, schlag Er mich nicht grad oder ich muß verhungern. Ich bin eine Spinosa pericyclyda; ich hab ein lateinischen Rücken. Ich bin ein lebendiges Skelett. Die ganze Menschheit studirt an mir. Was ist der Mensch? Knochen! Staub, Sand, Dreck. Was ist die Natur? Staub, Sand, Dreck. Aber die dummen Menschen, die dummen Menschen. Wir müssen Freunde seyn. Wenn Ihr keine Courage hättet gäb es keine Wissenschaft. Nur Natur, keine Amputation, [??]. Was ist das? Bein, Arm, Fleisch, Knochen, Adern? Was ist das? Dreck? Was steckt's im Dreck? Laß ich den Arm so abschneide? nein. Der Mensch ist egoistisch, aber haut, schießt, sticht, hurt. Er schluchzt. Wir müssen. Freunde ich bin gerührt. Seht ich wollte unsre Nasen wärn zwei Bouteillen und wir könnten sie uns einander in den Hals gießen. Ach was die Welt schön ist! Freund! ein Freund! Die Welt! Gerührt. Seht die Sonn kommt zwischen de Wolke hervor, als würd e potchambre ausgeschütt. Er weint.
Ich size gut da, und ich weiß – aber es size manche Leut vor der Thür und sie wissen es nicht: Es wird mancher mit den Füßen voran zur Thür n'aus getragen!
Ich siz gut so und läg noch besser gut so. Ja Andres grobe Hobelspän sind ja auch noch Polster. Wenn alle Leut wüßten wieviel Uhr es ist, sie würde sich ausziehn, und ei seidens Hemd anthun und sich die Hobelspän schütteln lassen.
Was liegt denn da üben? Ebe glänzt es so. Es zieht mir immer so zwischen de Augen herum. Wie es glizert. Ich muß das Ding haben.
Draußen liegt was. Im Boden. Sie deuten immer drauf hin und hörst du's jezt, und jezt, wie sie in den Wänden klopfen? eben hat einer zum Fenster hereingeguckt. Hörst du's nicht? Ich hör's den ganzen Tag. Immer zu. Stich! stich die Woyzecke todt.
Leg dich Louis [Woyzeck]. Du mußt ins Lazareth. Du mußt Schnaps trinke und Pulver drin, das schneidt das Fieber.
Es war eimal ein arm Kind und hat kei Vater und kei Mutter war Alles todt und war Niemand mehr auf der Welt. Alles todt, und es ist hingangen und hat greint Tag und Nacht. Und weil auf der Erd Niemand mehr war, wollt's in Himmel gehn, und der Mond guckt es so freundlich an und wie's endlich zum Mond kam, war's ein Stück faul Holz und da ist es zur Sonn gangen und wie's zur Sonn kam, war's ein verreckt Sonneblum und wie's zu den Sterne kam, warens klei golde Mück, die waren angesteckt wie der Neuntödter sie auf die Schlehe steckt und wie's wieder auf die Erd wollt, war die Erd ein umgestürzter Hafen und war ganz allein und da hat sich's hingesetzt und geweint und da sitzt es noch und ist ganz allein.
Friert's dich Magreth [Marie], und doch bist du warm. Was du heiße Lippen hast! (heiß, heiß Hurenathem) und doch möcht' ich den Himmel geben sie noch eimal zu küssen.
[??] und wenn man kalt ist so friert man nicht mehr.
Du wirst vom Morgenthau nicht frieren.
Was hast du vor? Louis [Franz], du bist so blaß. Louis [Franz] halt! Um des Himmels willen, Hü – Hülfe!
Nimm das und das! Kannst du nicht sterben? So! so! Ha sie zuckt noch, noch nicht, noch nicht? Immer noch? Stößt zu. Bist du todt? Todt! Todt! Es kommen Leute, läuft weg.
1. PERSON. Halt!
2. PERSON. Hörst du? Still! Da!
1. PERSON. Uu! Da! Was ein Ton.
2. PERSON. Es ist das Wasser, es ruft, schon lang ist Niemand
1. PERSON. Uu jezt wieder. Wie ein Mensch der stirbt.
2. PERSON. Es ist unheimlich, so dunstig, allenthalb Nebel, grau und das Summen der Käfer wie gesprungne Glocken. Fort!
1. PERSON. Nein, zu deutlich, zu laut. Da hinauf. Komm mit.
Tanzt alle, immer zu, schwizt und stinkt, er holt euch doch eimal Alle. Singt.
Frau Wirthin hat 'ne brave Magd,
Sie sitzt im Garten Tag und Nacht,
Sie sitzt in ihrem Garten,
Bis daß das Glöcklein zwölfe schlägt,
Und paßt auf die Soldaten.
Er tanzt. So Käthe! setz dich! Ich hab heiß, heiß, Er zieht den Rock aus. es ist eimal so, der Teufel holt die eine und läßt die andre laufen. Käthe du bist heiß! Warum denn? Käthe du wirst auch noch kalt werden. Sey vernünftig. Kannst du nicht singen?
Teufel, was wollt ihr? Was geht's euch an? Platz! oder der erste – Teufel! Meint ihr ich hätt Jemand umgebracht? Bin ich Mörder? Was gafft ihr! Guckt euch selbst an! Platz da! Er läuft hinaus.
1. KIND. Fort! Magrethchen [Marie]!
2. KIND. Was is?
1. KIND. Weißt du's nit? Sie sind schon alle hinaus. Drauß liegt eine!
2. KIND. Wo?
1. KIND. Links über die Lochschanz in dem Wäldche, am rothen Kreuz.
2. KIND. Fort, daß wir noch was sehen. Sie tragen's sonst hinein.
Das Messer? Wo ist das Messer? Ich hab' es da gelassen. Es verräth mich! Näher, noch näher! Was ist das für ein Platz? Was hör ich? Es rührt sich was. Still. Da in der Nähe. Magreth [Marie]? Ha Magreth [Marie]! Still. Alles still! (Was bist du so bleich, Magreth [Marie]? Was hast du eine rothe Schnur um den Hals? Bey wem hast du das Halsband verdient, mit deinen Sünden? Du warst schwarz davon, schwarz! Hab ich dich jezt gebleicht. Was hänge die schwarze Haar, so wild? Hast du die Zöpfe heut nicht geflochten?) Da liegt was! kalt, naß, stille. Weg von dem Platz. Das Messer, das Messer, hab ich's? So! Leute. – Dort. Er läuft weg.
So da hinunter! Er wirft das Messer hinein. Es taucht in das dunkle Wasser, wie ein Stein! Der Mond ist wie ein blutig Eisen! Will denn die ganze Welt es ausplaudern? Nein es liegt zu weit vorn, wenn sie sich baden, Er geht in den Teich und wirft weit. so jezt – aber im Sommer, wenn sie tauchen nach Muscheln, bah es wird rostig. Wer kann's erkennen – hätt' ich es zerbrochen! Bin ich noch blutig? ich muß mich waschen. Da ein Fleck und da noch einer.
Ein guter Mord, ein ächter Mord, ein schöner Mord, so schön als man ihn nur verlangen thun kann, wir haben schon lange so kein gehabt. – – – –
Ja Andres, das ist er – der Platz ist verflucht. Siehst du den leuchtenden Streif, da über das Gras hin, wo die Schwämme so nachwachsen? da rollt Abends der Kopf, es hob ihn eimal einer auf, er meint' es sey ein Igel, 3 Tage und 3 Nächte, er wurde zwerch, und er war todt. Leise. Das waren die Freimaurer, ich hab' es haus.
Hörst du's Andres? Hörst du's es geht neben uns, unter uns. Fort, die Erde schwankt unter unsern Sohlen. Die Freimaurer! Wie sie wühlen! Er reißt ihn mit sich.
Bist du ein Maulwurf, sind dei Ohre voll Sand? Hörst du das fürchterliche Getös am Himmel? Ueber der Stadt. Alles Gluth! Sieh nicht hinter dich. Wie es hervorschießt, und Alles donnert.
Was geht Sie's an! Trag Sie Ihre Auge zum Jud und laß sie sich putze, vielleicht glänze sie auch noch, daß man sie als 2 Knöpf verkaufe könnt.
Sie! Sie! Frau Jungfer, ich bin e honnette Person, aber Sie, es weiß jeder, Sie guckt siebe Paar lederne Hose durch.
Luder! Schlägt das Fenster zu. Komm mei Bu, soll ich dir singe? Was die Leut wolle! Bist du auch nur e Hurekind und machst dei Mutter Freud mit deim unehrliche Gesicht.
Pst! still! Ich hab's aus! Die Freimaurer! Es war ein
Meinst? Sieh um dich! Alles starr, fest, finster, was regt sich dahinter. Etwas, was wir nicht fasse. Geht still, was uns von Sinnen bringt, aber ich hab's aus. Ich muß fort!
Der Mann schnappt noch über, er hat mir Angst gemacht. Wie unheimlich, ich mag wenn es finster wird gar nicht bleiben, ich glaub' ich bin blind, er steckt ein an. Sonst scheint doch als die Latern herein. Ach wir armen Leut. Sie singt.
Und macht die Wiege knickknack,
Schlaf wohl mei lieber Dicksack.
KIND das tanzt.
Auf der Welt ist kein Bestand,
Wir müssen alle sterben,
Das ist uns wohlbekannt!
Hey! Hopsa! Arm Mann, alter Mann! Arm Kind! Jung Kind! Sorgen und Fest! Hey Louisel, soll ich dich [Satz bricht ab.]
Ein Mensch muß auch der Narr von Verstand seyn, damit er sagen kann: Narrisch Welt! Schön Welt!
Meine Herrn, meine Damen, hier sind zu sehn das astronomische Pferd und die kleine Canaillevogel, sind Liebling von alle Potentate Europas und Mitglied von alle gelehrte Societät, verkündige de Leute Alles, wie alt, wie viel Kinder, was für Krankheit. Schießt Pistol los, stellt sich auf ein Bein. Alles Erziehung, habe nur eine viehische Vernunft, oder vielmehr eine ganz vernünftige Viehigkeit, ist kein viehdummes Individuum wie viel Person, das verehrliche Publikum abgerechnet. Herein. Es wird sein, die rapräsentation. Das commencement vom commencement wird sogleich nehm sein Anfang.
Sehn Sie die Fortschritte der Civilisation. Alles schreitet fort, ein Pferd, ein Aff, ein Canaillevogel! Der Aff ist schon ein Soldat, s'ist noch nit viel, unterst Stuf von menschliche Geschlecht!
Bruder! Vergißmeinicht! Freundschaft! Ich könnt ein Regenfaß voll greinen vor Wehmuth! wann ich noch Rum hätt! Es stinkt nur, es riecht nur. Warum ist dieße Welt so schön? Wann ich's ein Aug zu mach und über mei Nas hinguck, so is Alles roseroth. Brandewein, das ist mei Leben.
Er sieht Alles rosenroth, wann ihm's Kreuz über sei Nas guckt.
[??]. S'is kei Ordnung! Was hat der Laternputzer vergesse mir die Auge zu fege, s'is Alles finster. Hol der Teufel de liebe Herrgott! Ich lieg mir selbst im Weg und muß über mich springe. Wo is mei Schatten hingekomm? Kei Sicherheit mehr im Stall. Leucht mir einmal einer mit dem Mond zwische die Bein ob ich mei Schatte noch hab.
Fraßen ab das grüne, grüne Gras,
Fraßen ab das grün, grün Gras
Bis auf den Ra-a-sen.
Sternschnuppe, ich muß den Stern' die Nas schneuzen.
Das ist mir ein Geselle, die Handthierung, ist dir recht, Schaum, ei Thorheit, Thierisches Vergnügen meines seeligen Mannes [??] und empfiehlt sich mit mehr ungezeugten Kindern.
Mach kei Loch in die Natur.
Warum hat Gott die Mensche geschaffe? Das hat auch sei Nutz. Was würde der Landmann, der Schuhmacher, der Schneider anfange, wenn er für die Mensche kei Schuh, kei
Brandwein das ist mein Leben,
Brandwein giebt Courage.
Wie sie den Kopf trägt, man meint das schwarz Haar müßt sie abwärts ziehn, wie ein Gewicht, und Auge, schwarz ...
Ich es gesehn hab', Er auf die Straß gepißt hat, wie ein Hund. Geb' ich Ihm dafür alle Tag 3 Groschen und Kost? Die Welt wird schlecht, sehr schlecht, schlecht, sag' ich. O! Woyzeck das ist schlecht.
Nit anders kann, nit anders kann. Aberglaube, abscheulicher
Aber ich hab's gesehn, daß Er an die Wand pißte, ich steckt gerad meinen Kopf hinaus, zwischen meiner Valnessia und Myan[??]. Hat Er mir Frösch gefange? Hat Er Laich? Kein Süßwasserpolyp? keine Hydra? Vestillen? Cristatellen? Stoß Er mir nicht an's Mikroskop, ich hab eben den linken Backzahn von einem Infusionsthier darunter. Ich sprenge sie in die Luft, alle miteinander. Woyzeck, keine Spinneneier, keine Kröten? Aber an die Wand gepißt! Ich hab's gesehen. Tritt auf ihn los. Nein Woyzeck, ich ärgre mich nicht, ärgern ist ungesund, ist unwissenschaftlich. Ich bin ruhig, ganz ruhig und ich sag's Ihm mit der größten Kaltblütigkeit. Behüte wer wird sich über einen Menschen ärgern! einen Menschen. Wenn es noch ein Proteus wäre, der einem krepirt! Aber Er hätte doch nicht an die Wand pissen sollen.
Wenn die Natur aus ist, das ist, wenn die Natur aus ist! Wenn die Welt so finster wird, daß man mit den Händen an ihr herumtappen muß, daß man meint sie verrinnt zu Spinnweb! Das ist, so wenn etwas ist und doch nicht ist. Wenn alles dunkel ist und nur noch ein rother Schein im Westen, wie von einer Esse. Wenn – Schreitet im Zimmer auf und ab.
Haben Sie schon die Ringe von den Schwämmen auf dem Boden gesehn? lange Linien, krumme Kreise, Figuren, da steckt's! da! Wer das lesen könnte.
Wenn die Sonn im hellen Mittag steht und es ist als müsse die
Woyzeck! Er kommt ins Narrenhaus, Er hat eine schöne fixe Idee, eine köstliche alienatio mentis, seh' Er mich an, was soll Er thun? Erbschen essen, dann Hammelfleisch essen, sein Gewehr putzen, das weiß Er Alles und da zwischen die fixen Ideen, die W[??], das ist brav Woyzeck, Er bekommt ein Groschen Zulage die Woche, meine Theorie, meine neue Theorie, kühn, ewig jugendlich. Woyzeck, ich werde unsterblich. Zeig' Er sein Puls, ich muß Ihm morgens und Abends den Puls fühlen.
Laufen Sie nicht so Herr Doctor, ein guter Mensch geht nicht so schnell. Hahaha, ein guter Mensch, Schnauft. ein guter Mensch, Sie hetzen sich ja hinter dem Tod drein, Sie machen mir ganz Angst.
Herr Sargnagel, Sie schleifen sich ja so Ihre kleinen Beine ganz auf dem Pflaster ab. Reiten Sie doch nicht auf ihrem Stock in die Luft.
Sie ist in 4 Wochen todt, via coronar congestionis, im siebenten Monat, ich hab' schon 20 solche Patienten gehabt, in 4 Wochen, richt Sie sich danach.
Herr Doctor, erschrecken Sie mich nicht, es sind schon Leute am Schreck gestorben, am puren hellen Schreck.
Daß dich das Wetter, ich halt Sie Herr Flegel, ich laß Sie nicht Teufel. 4 Wochen? Herr Doctor, Sargnagel, Todtenhemd, ich leb so lang ich da bin, 4 Wochen, und die Leute Citron in den Händen, aber sie werden sagen, er war ein guter Mensch, ein guter Mensch.
Ey guten Morgen Herr Hauptmann. Den Hut und Stock schwingend. Kikeriki! Freut mich! Freut mich! Hält ihm den Hut hin. Was ist das Herr Hauptmann? Das ist Hohlkopf. Ha?
Was ist das Herr Doctor? Das ist n'e Einfalt! Hahaha! Aber nichts für ungut. Ich bin ein guter Mensch – aber ich kann auch wenn ich will Herr Doctor, hahaha, wenn ich will. He Woyzeck, was hetzt Er sich so an uns vorbey? Bleib Er doch Woyzeck, Er läuft ja wie ein offnes Rasirmesser durch die Welt, man schneidt sich an Ihm, Er läuft als hätt Er ein Regiment Kastrirte zu rasirn und würd gehenkt über dem letzten Haar noch vorm Verschwinden – aber, über die langen Bärte, was wollt ich doch sagen? Woyzeck – die langen Bärte ...
Ein langer Bart unter dem Kinn, schon Plinius spricht davon, man muß es den Soldaten abgewöhnen, du, du ...
Hä? über die langen Bärte? Wie is Woyzeck, hat Er noch nicht ein Haar aus eim Bart in seiner Schüssel gefunden? He, Er versteht mich doch, ein Haar von einem Menschen, vom Bart eines sapeur, eines Unterofficier, eines – eines Tambourmajor? He Woyzeck? Aber Er hat eine brave Frau. Geht Ihm nicht wie andern.
Was der Kerl ein Gesicht macht! er steckt [??] in den Himmel nein, muß nun auch nicht in der Suppe seyn, aber wenn Er sich eilt und um die Eck geht, so kann Er vielleicht noch auf Paar Lippen eins finden, ein Paar Lippen, Woyzeck, ich habe auch die Liebe gefühlt, Woyzeck.
Kerl Er ist ja kreideweiß.
Herr, Hauptmann, ich bin ein arm Teufel, – und hab sonst nichts auf der Welt Herr Hauptmann, wenn Sie Spaß machen –
Herr Hauptmann, die Erd ist höllenheiß, mir eiskalt! eiskalt, die Hölle ist kalt, wollen wir wetten. Unmöglich, Mensch! Mensch! unmöglich.
Kerl, will Er erschossen werden, will Er ein Paar Kugeln vor den Kopf haben? Er ersticht mich mit seinen Augen, und ich mein's gut mit Ihm, weil Er ein guter Mensch ist Woyzeck, ein guter Mensch.
Ich geh! Es ist viel möglich. Der Mensch! es ist viel möglich. Wir habe schön Wetter Herr Hauptmann. Sehn Sie so ein schön, festen groben Himmel, man könnte Lust bekomm, ein Kloben hineinzuschlagen und sich daran zu hänge, nur wege des Gedankenstrichels zwischen Ja, und wieder ja – und nein, Herr, Herr Hauptmann ja und nein? Ist das Nein am Ja oder das Ja am Nein Schuld? Ich will drüber nachdenke. Geht mit breiten Schritten ab, erst langsam dann immer schneller.
Mir wird ganz schwindlich vor den Menschen, wie schnell, der lange Schlingel greift aus, es läuft der Schatten von einem Spinnbein, und der Kurze, – das zuckelt. Der Lange ist der Blitz und der Kleine der Donner. Haha, hinterdrein. Das hab' ich nicht gern! ein guter Mensch ist [??] und hat sein Leben lieb, ein guter Mensch hat keine courage nicht! ein Hundsfott hat courage! Ich bin blos in Krieg gegangen um mich in meiner Liebe zum Leben zu befestigen. Von d. [??] zu Fuß, von da zum [??], von da zur courage, wie man zu so Was kommt. Grotesk! grotesk!
Ach bist du's auch! Ey wahrhaftig! nein man sieht nichts, man müßt's doch sehen! Louisel [Marie] du bist schön!
Was eine schöne Straße, man läuft sich Leichdörn, es ist gut auf der Gasse stehn, und in Gesellschaft auch gut.
Es gehn viel Leut durch die Gass, nicht wahr? und du kannst reden mit wem du willst, was geht das mich an! Hat er da gestanden? da? da? grad so bey dir? so? Ich wollt ich wär er gewesen.
Ey, er? Ich kann die Leut die Straße nicht verbieten und wehrn, daß sie ihr Maul mitnehm wenn sie durchgehn.
Und die Lippe nicht zu Haus lasse. Es wär Schade sie sind so schön! Aber die Wespen setzen sich gern drauf.
Rühr mich an Franz! Ich hätt lieber ein Messer in de Leib, als dei Hand auf meine. Mei Vater hat mich nicht angreifen gewagt, wie ich 10 Jahr alt war, wenn ich ihn ansah.
Weib! – Nein es müßte was an dir seyn! Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht. Es wäre! Sie geht wie die Unschuld. Nun Unschuld du hast ein Zeichen an dir. Weiß ich's? Weiß ich's? Wer weiß es?
Meine Herrn, ich bin auf dem Dach, wie David, als er die Bathseba sah; aber ich sehe nichts als die culs de Paris der Mädchenpension im Garten trocknen. Meine Herrn wir sind an der wichtigen Frage über das Verhältniß des Subjects zum Object. Wenn wir nur eins von den Dingen nehmen, worin sich die organische Selbstaffirmation des Göttlichen, auf einem so hohen Standpunkte manifestirt und ihr Verhältniß zum Raum, zur Erde, zum Planetarischen untersuchen, meine Herrn, wenn ich dieße Katze zum Fenster hinauswerfe, wie wird dieße Wesenheit sich zum centrum gravitationis und dem eigenen Instinct verhalten? He Woyzeck, Brüllt. Woyzeck!
Ey, ey, schön Woyzeck. Reibt sich die Hände. Er nimmt die Katze. Was seh' ich meine Herrn, die neue Species Hasenlaus, eine schöne Species, wesentlich verschieden, enfoncé, der Herr Doctor Er zieht eine Loupe heraus. Ricinus, meine Herren – Die Katze läuft fort. Meine Herrn, das Thier hat keinen wissenschaftlichen Instinct. Ricinus, herauf, die schönsten Exemplare, bringen Sie ihre Pelzkragen. Meine Herrn, Sie können dafür was anders sehen, sehn Sie, der Mensch, seit einem Vierteljahr ißt er nichts als Erbsen, beachten Sie die Wirkung, fühlen Sie einmal was ein ungleicher Puls, da und die Augen.
Courage! Woyzeck noch ein Paar Tage, und dann ist's fertig, fühlen Sie meine Herrn fühlen Sie. Sie betasten ihm Schläfe, Puls und Busen. à propos, Woyzeck, beweg den Herrn doch einmal die Ohren,
Bestie, soll ich dir die Ohren bewegen, willst du's machen wie die Katze! So meine Herrn, das sind so Uebergänge zum Esel, häufig auch in Folge weiblicher Erziehung und die Muttersprache. Wieviel Haare hat dir die Mutter zum Andenken schon ausgerissen aus Zärtlichkeit? Sie sind dir ja ganz dünn geworden, seit ein Paar Tagen, ja die Erbsen, meine Herren.
Christianche, du bekommst en Reuter, sa, sa. Das Kind wehrt sich. Zu Karl. Da kauf dem Bub en Reuter.
Ja Andres; den Streif da über das Gras hin, da rollt Abends der Kopf, es hob ihn einmal einer auf, er meint' es wär' ein Igel. Drei Tag und drei Nächt und er lag auf den Hobelspänen Leise. Andres, das waren die Freimaurer, ich hab's, die Freimaurer, still!
Es geht hinter mir, unter mir Stampft auf den Boden. hohl, hörst du? Alles hohl da unten. Die Freimaurer!
Red was! Starrt in die Gegend. Andres! Wie hell! Ein Feuer fährt um den Himmel und ein Getös herunter wie Posaunen. Wie's heraufzieht! Fort. Sieh nicht hinter dich. Reißt ihn in's Gebüsch.
Und wenn! Trag Sie Ihre Auge zum Jud und laß Sie sie putze, vielleicht glänze sie noch, daß man sie für zwei Knöpf verkaufe könnt.
Was Sie? Sie? Frau Jungfer, ich bin eine honette Person, aber Sie, Sie guckt 7 Paar lederne Hose durch.
Luder! Schlägt das Fenster zu. Komm mein Bub. Was die Leut wollen. Bist doch nur en arm Hurenkind und machst deiner Mutter Freud mit deim unehrliche Gesicht. Sa! Sa! Singt.
Marie, es war wieder was, viel, steht nicht geschrieben: und sieh da ging ein Rauch vom Land, wie der Rauch vom Ofen?
Der Mann! So vergeistert. Er hat sein Kind nicht angesehn. Er schnappt noch über mit den Gedanken. Was bist so still, Bub? Furchst' dich? Es wird so dunkel, man meint, man wär blind. Sonst scheint doch als die Latern herein. Ich halt's nicht aus. Es schauert mich. Geht ab.
Was die Steine glänze! Was sind's für? Was hat er gesagt? – Schlaf Bub! Drück die Auge zu, fest, Das Kind versteckt die Augen hinter den Händen. noch fester, bleib so, still oder er holt dich. Singt.
Mädel mach's Ladel zu,
S' kommt e Zigeunerbu,
Führt dich an deiner Hand
Fort in's Zigeunerland.
Spiegelt sich wieder. S' ist gewiß Gold! Unseins hat nur ein Eckchen in der Welt und ein Stückchen Spiegel und doch hab' ich einen so rothen Mund als die großen Madamen mit ihren Spiegeln von oben bis unten und ihren schönen Herrn, die ihnen die Händ küssen, ich bin nur ein arm Weibsbild. – Das Kind richtet sich auf. Still Bub, die Auge zu, das Schlafengelchen! wie's an der Wand läuft, Sie blinkt mit dem Glas. die Auge zu, oder es sieht dir hinein, daß du blind wirst.
S' ist gut, Marie. – Was der Bub schläft. Greif' ihm unter's Aermchen der Stuhl drückt ihn. Die hellen Tropfen steh'n ihm auf der Stirn; Alles Arbeit unter der Sonn, sogar Schweiß im Schlaf. Wir arme Leut! Da is wieder Geld Marie, die Löhnung und was von mein'm Hauptmann.
Ich bin doch ein schlecht Mensch. Ich könnt' mich erstechen. – Ach! Was Welt? Geht doch Alles zum Teufel, Mann und Weib.
Langsam, Woyzeck, langsam; ein's nach dem andern. Er macht mir ganz schwindlich. Was soll ich dann mit den zehn Minuten anfangen, die Er heut zu früh fertig wird? Woyzeck, bedenk' Er, Er hat noch seine schöne dreißig Jahr zu leben, dreißig Jahr! macht 360 Monate, und Tage, Stunden, Minuten! Was will Er denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Theil Er sich ein, Woyzeck.
Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denke. Beschäftigung, Woyzeck, Beschäftigung! ewig das ist ewig, das ist ewig, das siehst du ein; nun ist es aber wieder nicht ewig und das ist ein Augenblick, ja, ein Augenblick – Woyzeck, es schaudert mich, wenn ich denk, daß sich die Welt in einem Tag herumdreht, was n'e Zeitverschwendung, wo soll das hinaus? Woyzeck, ich kann kein Mühlrad mehr sehn, oder ich werd' melancholisch.
Woyzeck Er sieht immer so verhetzt aus. Ein guter Mensch thut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. – Red' Er doch was Woyzeck. Was ist heut für Wetter?
Ich spür's schon, s' ist so was Geschwindes draußen; so ein Wind macht mir den Effect wie eine Maus. Pfiffig. Ich glaub' wir haben so was aus Süd-Nord.
Ha! ha! ha! Süd-Nord! Ha! Ha! Ha! O Er ist dumm, ganz abscheulich dumm. Gerührt. Woyzeck, Er ist ein guter Mensch, ein guter Mensch – aber Mit Würde. Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral das ist wenn man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat ein Kind, ohne den Segen der Kirche, wie unser hochehrwürdiger Herr Garnisonsprediger sagt, ohne den Segen der Kirche, es ist nicht von mir.
Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum ansehn, ob das Amen drüber gesagt ist, eh' er gemacht wurde. Der Herr sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen.
Was sagt Er da? Was ist das für n'e kuriose Antwort? Er macht mich ganz confus mit seiner Antwort. Wenn ich sag: Er, so mein ich Ihn, Ihn.
Wir arme Leut. Sehn Sie, Herr Haupt mann, Geld, Geld. Wer kein Geld hat. Da setz eimal einer seinsgleichen auf die Moral in die Welt. Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unseins ist doch einmal unseelig in der und der andern Welt, ich glaub' wenn wir in Himmel kämen so müßten wir donnern helfen.
Woyzeck Er hat keine Tugend, Er ist kein tugendhafter Mensch. Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg, wenn's geregnet hat und den weißen Strümpfen so nachsehe wie sie über die Gassen springen, – verdammt Woyzeck, – da kommt mir die Liebe. Ich hab auch Fleisch und Blut. Aber Woyzeck, die Tugend, die Tugend! Wie sollte ich dann die Zeit herumbringen? ich sag' mir immer: Du bist ein tugendhafter Mensch, Gerührt. ein guter Mensch, ein guter Mensch.
Ja Herr Hauptmann, die Tugend! ich hab's noch nicht so aus. Sehn Sie, wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt einem nur so die Natur, aber wenn ich ein Herr wär und hätt ein Hut und eine Uhr und eine anglaise und könnt vornehm reden, ich wollt schon tugendhaft seyn. Es muß was Schöns seyn um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl.
Gut Woyzeck. Du bist ein guter Mensch, ein guter Mensch. Aber du denkst zuviel, das zehrt, du siehst immer so verhetzt aus. Der Diskurs hat mich ganz angegriffen. Geh' jezt und renn nicht so; langsam hübsch langsam die Straße hinunter.
TAMBOUR-MAJOR. Marie!
Geh' einmal vor dich hin. – Ueber die Brust wie ein Rind und ein Bart wie ein Löw – So ist keiner – Ich bin stolz vor allen Weibern.
TAMBOUR-MAJOR. Wenn ich am Sonntag erst den großen Federbusch hab' und die weiße Handschuh, Donnerwetter, Marie, der Prinz sagt immer: Mensch, Er ist ein Kerl.
Ach was! Tritt vor ihn hin. Mann!
TAMBOUR-MAJOR. Und du bist auch ein Weibsbild. Sapperment, wir wollen eine Zucht von Tambour-Majors anlegen. He? Er umfaßt sie.
Eine Sünde so dick und so breit. Es stinkt daß man die Engelchen zum Himmel hinaus rauche könnt. Du hast ein rothe Mund, Marie. Keine Blase drauf? Adieu, Marie, du bist schön wie die Sünde –. Kann die Todsünde so schön seyn?
Dieweil der Tag lang und die Welt alt ist, könn' viel Mensche an eim Plaz stehn, einer nach dem andern.
Ich hab's gesehn Woyzeck; Er hat auf die Straß gepißt, an die Wand gepißt wie ein Hund. Und doch 2 Groschen täglich. Woyzeck das ist schlecht. Die Welt wird schlecht, sehr schlecht.
Die Natur kommt, die Natur kommt! Die Natur! Hab' ich nicht nachgewiesen, daß der musculus constrictor vesicae dem Willen unterworfen ist? Die Natur! Woyzeck, der Mensch ist frei, in dem Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit. Den Harn nicht halten können! Schüttelt den Kopf, legt die Hände auf den Rücken und geht auf und ab. Hat Er schon seine Erbsen gegessen, Woyzeck? – Es giebt eine Revolution in der Wissenschaft, ich sprenge sie in die Luft. Harnstoff 0,10, salzsaures Ammonium, Hyperoxydul.
Woyzeck muß Er nicht wieder pissen? geh' Er eimal hinein und probir Er's.
Aber an die Wand pissen! Ich hab's schriftlich, den Akkord in der Hand. Ich hab's gesehn, mit dießen Augen gesehn, ich steckt grade die Nase zum Fenster hinaus und ließ die Sonnstrahlen hineinfallen, um das Niesen zu beobachten. Tritt auf ihn los. Nein Woyzeck, ich ärgre mich nicht, Ärger ist ungesund, ist unwissenschaftlich. Ich bin ruhig ganz
Sehn Sie Herr Doctor, manchmal hat einer so n'en Character, so n'e Structur. – Aber mit der Natur ist's was anders, sehn Sie mit der Natur Er kracht mit den Fingern. das ist so was, wie soll ich doch sagen, zum Beispiel ...
Herr Doctor haben Sie schon was von der doppelten Natur gesehn? Wenn die Sonn in Mittag steht und es ist als ging die Welt in Feuer auf hat schon eine fürchterliche Stimme zu mir geredt!
Die Schwämme Herr Doctor. Da, da steckts. Haben Sie schon gesehn in was für Figuren die Schwämme auf dem Boden wachsen? Wer das lesen könnt.
Woyzeck Er hat die schönste aberratio mentalis partialis, die zweite Species, sehr schön ausgeprägt. Woyzeck Er kriegt Zulage. Zweite Species, fixe Idee, mit allgemein vernünftigem Zustand, Er thut noch Alles wie sonst, rasirt sein Hauptmann?
Er ist ein interessanter casus. Subject Woyzeck Er kriegt Zulag. Halt Er sich brav. Zeig Er sei Puls! Ja.
Herr Doctor, die Pferde machen mir ganz Angst; wenn ich denke, daß die armen Bestien zu Fuß gehn müssen. Rennen Sie nicht so. Rudern Sie mit Ihrem Stock nicht so in Er erwischt den Doctor am Rock. Herr Doctor erlauben Sie, daß ich ein Menschenleben rette, Sie schießen [Satz bricht ab.]
Herr Doctor, ich bin so schwermüthig, ich habe so was Schwärmerisches, ich muß immer weinen, wenn ich meinen Rock an der Wand hängen sehe, da hängt er.
Hm! aufgedunsen, fett, dicker Hals, apoplectische Constitution. Ja Herr Hauptmann Sie können eine apoplexia cerebralis kriegen, Sie können sie aber vielleicht auch nur auf der einen Seite bekommen, und dann auf der einen gelähmt seyn, oder aber Sie können im besten Fall geistig gelähmt werden und nur fort vegetiren, das sind so ohngefähr Ihre Aussichten auf die nächsten 4 Wochen. Übrigens kann ich Sie versichern, daß Sie einen von den interessanten Fällen abgeben und wenn Gott will, daß Ihre Zunge zum Theil gelähmt wird, so machen wir die unsterblichsten Experimente.
Herr Doctor erschrecken Sie mich nicht, es sind schon Leute am Schreck gestorben, am bloßen hellen Schreck. – Ich seh schon die Leute mit den Citronen in den Händen, aber sie werden sagen, er war ein guter Mensch, ein guter Mensch – Teufel Sargnagel.
Sonntagsonnwetter. Musik vor der Stadt. Vorhin sind die Weibsbilder hinaus, die Mensche dampfe, das geht.
Ich muß hinaus. Es dreht sich mir vor den Augen. Tanz. Tanz. Was sie heiße Händ habe. Verdammt Andres!
1. HANDWERKSBURSCH.
Ich hab ein Hemdlein an das ist nicht mein,
Meine Seele stinkt nach Branndewein ...
2. HANDWERKSBURSCH. Bruder, soll ich dir aus Freundschaft ein Loch in die Natur machen? Vorwärts! Ich will ein Loch in die Natur machen. Ich bin auch ein Kerl, du weißt, ich will ihm alle Flöh am Leib todt schlagen.
1. HANDWERKSBURSCH. Meine Seele, mei Seele stinkt nach Brandewein. Selbst das Geld geht in Verwesung über. Vergißmeinich! Wie ist dieße Welt so schön. Bruder, ich muß ein Regenfaß voll greinen. Ich wollt unse Nase wärn zwei Bouteille und wir könnte sie uns einander in de Hals gießen.
Immer zu! – immer zu! Fährt heftig auf und sinkt zurück auf die Bank. immer zu immer zu, Schlägt die Hände in einander. dreht euch, wälzt euch. Warum bläßt Gott nicht die Sonn aus, daß Alles in Unzucht sich übernanderwälzt, Mann und Weib, Mensch und Vieh. Thut's am hellen Tag, thut's einem auf den Händen, wie die Mücken. – Weib. – Das Weib ist heiß, heiß! – Immer zu, immer zu. Fährt auf. Der Kerl! Wie er an ihr herumtappt, an ihrem Leib, er, er hat sie wie ich zu Anfang!
1. HANDWERKSBURSCH predigt auf dem Tisch. Jedoch wenn ein Wandrer, der gelehnt steht an dem Strom der Zeit oder aber sich die göttliche Weisheit beantwortet und sich anredet: Warum ist der Mensch? Warum ist der Mensch? – Aber wahrlich ich sage euch, von was hätte der Landmann, der Weißbinder, der Schuster, der Arzt leben sollen, wenn Gott den Menschen nicht geschaffen hätte? Von was hätte der Schneider leben sollen, wenn er dem Menschen nicht die Empfindung der Schaam eingepflanzt, von was der Soldat, wenn Er ihn nicht mit dem Bedürfniß sich todtzuschlagen ausgerüstet hätte? Darum zweifelt nicht, ja ja, es ist lieblich und fein, aber Alles Irdische ist eitel, selbst das Geld geht in Verwesung über. – Zum Beschluß meine geliebten Zuhörer laßt uns noch über's Kreuz pissen, damit ein Jud stirbt.
Immer zu! immer zu! Still Musik! Reckt sich gegen den Boden. Ha was, was sagt ihr? Lauter, lauter, – stich, stich die Zickwolfin todt? stich, stich die Zickwolfin todt. Soll ich? Muß ich? Hör ich's da auch, sagt's der Wind auch? Hör ich's immer, immer zu, stich todt, todt.
Andres! Andres! ich kann nit schlafe, wenn ich die Aug zumach, dreht sich's immer und ich hör die Geigen, immer zu, immer zu und dann spricht's aus der Wand, hörst du nix?
TAMBOUR-MAJOR. Ich bin ein Mann! Schlägt sich auf die Brust. ein Mann sag' ich.
Wer will was? Wer kein besoffen Herrgott ist der laß sich von mir. Ich will ihm die Nas ins Arschloch prügeln. Ich will – Zu Woyzeck. da Kerl, sauf, der Mann muß saufen, ich wollt die Welt wär Schnaps, Schnaps.
TAMBOUR-MAJOR. Kerl, soll ich dir die Zung aus dem Hals ziehe und sie um den Leib herumwickle? Sie ringen, Woyzeck verliert. Soll ich dir noch soviel Athem lassen als en Altweiberfurz, soll ich?
TAMBOUR-MAJOR. Der Kerl soll dunkelblau pfeifen.
Ha. Brandewein das ist mein Leben,
Brandwein giebt courage!
S' ist ganz, grad. Wollt Ihr Euch den Hals mit abschneide? Nu, was is es? Ich geb's Euch so wohlfeil wie ein andrer, Ihr sollt Euern Tod wohlfeil haben, aber doch nit umsonst. Was is es? Er soll nen ökonomischen Tod habe.
»Und ist kein Betrug in seinem Munde erfunden« – Herrgott! Herrgott! Sieh mich nicht an. Blättert weiter. »Aber die Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch begriffen und stelleten sie in's Mittel dar. – Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht. Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.« Schlägt die Hände zusammen. Herrgott! Herrgott! Ich kann nicht. Herrgott gieb mir nur soviel, daß ich beten kann. Das Kind drängt sich an sie. Das Kind giebt mir einen Stich in's Herz. Karl! Das brüst sich in der Sonne!
Der hat die golden Kron, der Herr König. Morgen hol' ich der Frau Königin ihr Kind. Blutwurst sagt: komm Leberwurst! Er nimmt das Kind und wird still.
Der Franz ist nit gekomm, gestern nit, heut nit, es wird heiß hier. Sie macht das Fenster auf.
»Und trat hinein zu seinen Füßen und weinete und fing an seine Füße zu netzen mit Thränen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen und küssete seine Füße und salbete sie mit Salben.« Schlägt sich auf die Brust. Alles todt! Heiland, Heiland ich möchte dir die Füße salben.
Das Kamisolche Andres, ist nit zur Montur, du kannst's brauche Andres. Das Kreuz is meiner Schwester und das Ringlein, ich hab auch noch ein Heiligen, zwei Herze und schön Gold, es lag in meiner Mutter Bibel, und da steht:
Friedrich Johann Franz Woyzeck, Wehrmann, Füsilir im 2. Regiment, 2. Bataillon, 4. Compagnie, geb. d.i. ich bin heut alt 30 Jahr, 7 Monat und 12 Tage.