Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Ich möchte vom Nachtwächter unseres Dorfes erzählen. Er heißt Andreas Marxele, trägt schwarze Hosen, eine geblumte Weste aus Perkal und einen Rock mit zu engen und zu kurzen Ärmeln und mit einem so schmalen Schulterblatt, daß ich immer das Gefühl der Not und Bedrängnis hatte, wenn ich Andreas reden und dazu hantieren sah. Es war dann anzuschauen, als ob er sich aus einem Gefängnis zu befreien suche, aber mit allen sterblichen Anstrengungen weder lösen, noch erleichtern könne. Man dachte, dieser Mann würde Großes leisten, wenn er nur eine weitere Jacke trüge. Es würde dann die Arme ganz anders ausspannen und es mit dem Leben wie ein Held aufnehmen. Man müßte staunen. So aber hemmt ihn der enge Ärmel am Ellbogen, und sobald er den Nacken strecken und sich gegen die bösen Mächte des Schicksals aufbäumen will, zwängt ihn der schmale Rücken derart ein, daß er sich wieder klein und demütig zusammenduckt.
Wir Studenten nannten ihn daher nur den gefesselten Prometheus. Als uns der Professor an der Lateinschule von diesem wunderbaren Manne der Sage erzählte, der nach dem Glauben der Griechen den Menschen das Feuer vom hellen Olymp auf die schattige Erde herunterholte, damit sie warm und heiter bekämen wie die Götter oben und damit sie nicht mehr im Dunkel sich verlaufen und die Nasen aneinander schlagen müßten, – wie aber dann der besagte Held
Alles lachte. Wir Lachweiler aber, die den Mann so gut kannten, stimmten, ohne uns weiter zu besinnen, wie von irgend etwas Treffendem in diesem Worte Jakobs unaussprechlich überzeugt, bei: »Ja, das ist der Lachweiler Nachtwächter, Andreas Marxele.«
Erst später erkannten wir, worin der Vergleich so gut war. Abgesehen davon, daß Herr Andreas Marxele in seinen Kleidern wie ein Gefesselter erschien, trug er auch in seinem übrigen Gehaben etwas Prometheushaftes zur Schau. Keiner politisierte im ganze Dorfe so tüchtig, keiner ging so weit aus den alten Geleisen der Überlieferung, keiner begrüßte jede Erweiterung der Volksrechte mit einer so starken, sozusagen wilden Freude, keiner schimpfte gegen den Zaren in Petersburg, den Sultan am Goldenen Horn und gegen die herrenmäßigen Reden des deutschen Kaisers so trotzig wie dieser kleine, magere Mann in den zu engen und zu kurzen Ärmeln. Er war der einzige, der im Gasthof zur Krone vor allen Gästen behaupten durfte, die französische Revolution sei alles in allem etwas Gutes gewesen.
»Aber bedenken Sie,« wandte der Schullehrer Philippus Korn ein und schob erregt die Brille zurück,
»Und bedenken Sie, Herr Magister, diese welschen Könige, die ihr Volk in Luxus und Krieg verdarben.«
»Bedenken Sie dagegen,« wiederholte der Lehrer und schob die Brille wieder vor, »bedenken Sie die Guillotine!«
»Bedenken Sie, Herr Lehrer, die Bastille und die Lettres cachées!« – Der Nachtwächter sagte: lettres kaschesch.
»Und die erschlagenen Grafen, Priester und Damen, bedenken Sie!«
»Und die Millionen armer, geplagter Bauern, den dritten, in den Kot getretenen Stand, bedenken Sie, Herr Lehrer!«
»Ach,« wandte sich Ignatius zu seinem jungen Vetter im Lehrerseminar, der ihn besucht hatte und mit dem er gemeinsam drei Deziliter Landwein trank, »ach, mit solchen Menschen kann man nicht disputieren, – sie kennen keine Pragmatik in der Geschichte.«
»Sie haben keine Seminarbildung,« ergänzte der Kandidat behende.
»Nichts wissen sie von Klio, von Herodot und Thukydides!«
»Es fehlt ihnen das historische Augenmaß, sozusagen die Retrospektive in die Vergangenheit,« schloß der
Als Andreas von Pragmatik und Thukydides hörte, wurde ihm übel. Er leerte das Glas und ging. Fremdwörter schlugen ihn in die Flucht. Gegen solche Gelehrsamkeit konnte er nicht aufkommen. Dann fühlte er schmerzlicher als je, daß sein Rock zu eng und seine Ärmel zu kurz waren.
Sein Verstand hatte Licht und Schärfe. Aber die Schulung ging ihm ab. Der Pfarrer wollte den geweckten Burschen in die Realschule der Stadt schicken. Aber da kehrte der Vater den Geldbeutel heraus, leer bis zum untersten Zipfel wie er war, und sagte bloß: »Bub, da studier' einmal!«
Und statt der neun Musen hütete Andreas die neun Ziegen des Bauern Chlor. Damals fühlte dieser Prometheus zum erstenmal die Zwangsjacke, und besonders wenn ein Student mit dem Käppi und den Büchern unter dem Arm des Weges kam, wo Andreas weidete, dann drückte das enge Tuch den armen Sehnsüchtigen unleidlich. – Er schob dann die Faust vor den Mund und biß und weinte hinein.
Von nun an machte er den gewöhnlichen Lebensgang eines ordinären Lachweilers durch. Also mußte er zuerst dem Bauer Chlor, dem er verdingt war, das magere Vieh auf die Wiese treiben, abends die Geißen
Sonntags hockte Andreas über geliehenen Büchern, die er vom Titel bis zum letzten Wort auslas. In einem Jahre hatte er die Bibliothek von Lachweiler ausgeplündert und wie ein Junges, das nun nicht mehr bloß Milch, sondern auch Brocken erträgt, sperrte er den Mund auf und verschlang die Bibliothek des Bezirksfleckens. Als auch dieser Kram verzehrt war, öffnete er den Mund noch weiter und ließ sich jetzt Bücher aus der nächsten Stadt kommen. Und er las alles,
Natürlich stand seine Weisheit nicht wie ein festes, auf soliden Steinquadern erbautes Haus, sondern mehr wie ein zusammengewürfelter Haufen von tausend heimischen und fremden Raritäten, über denen seine Phantasie wie ein buntes Wölklein schwebte und sie bald tiefer, bald heller färbte. Andreas hatte kein System, und ausstudierte Leute, die mit Methode vorgingen,
Einmal kam der Kirchherr gerade dazu, als Andreas in einem Ringe von feiernden Sonntagsleuten das Sternbild der Jungfrau erklärte. Weil es heller Tag und somit kein Verrat durch die himmlische Figur zu fürchten war, mischte der Erzähler Gelesenes und Erdachtes frech durcheinander. Da sei nämlich ein eiskaltes Mädchen gewesen, das Hunderten von Knaben das Herz gebrochen, indem es die Armen mit seinem Zauber behexte und den Narren im entscheidenden Momente dann schmählich den Rücken kehrte. Darauf hätten die Mütter der Knaben gen Himmel geseufzt, und, siehe, zur Strafe sei das Jüngferchen mit goldenen Sternennägeln da oben festgeheftet worden. Von den kalten Räumen des Weltalls herab müsse es nun so viele fröhliche Hochzeiten auf Erden mitansehen, während es selber vor Einsamkeit und Liebesmangel fast erfriere und froh wäre, wenn wenigstens der spröde Mond im Vorüberfahren es ein bißchen anlächeln wollte. Aber das tue weder der Viertels- noch der volle Mond, sondern verächtlich fahre er weit daneben vorbei. Wenn sie recht zusehen wollten, die Dörfler, heute abend, meinte Andreas, und schaute listig gegen Westen, wo ein breiter Wolkensaum lagerte und einen bedeckten Nachthimmel ansagte, so würden sie ganz deutlich die Jungfrau erblicken, wie sie mit
»Aber, Meister, habt Ihr sie denn selber schon erschaut?« fragte nun der Pfarrer, den roten Daumen nach seiner Gewohnheit zwischen den Hals und Kragen steckend, während er die Männer mit einem heimlichen Lächeln gleichsam aufforderte: »Gebt mir jetzt wohl acht, – wir haben den Fuchs!«
»Ich? – Hochwürden, – ich? – jawohl! – so macht sie!« Andreas spannte die Arme kläglich aus, »und das Haar hat sie dreifach gezopft! Jawohl!«
»Na, na, Meister, dann habt Ihr auch den großen Bären gesehen, – und das Boot, – die Andromeda, den Pegasus ...«
Das waren Fremdwörter! – Marxele fing es an schwindelig zu werden.
»Weiß nicht!« stotterte er und kaute am Stengel der Geraniumblüte, die er immer im Munde trug.
»Die sind doch noch deutlicher auf unserem nördlichen Globus zu sehen!«
»So!« – Marxele zupfte verlegen an seinen zu kurzen Ärmeln. Prometheus fühlte seine Ketten wieder.
»Unser Pfarrer!« sagte leise hinter ihm ein Zuhörer zum andern, »alles weiß er, alles!«
»Aber keine Spur von einem Bären,« fuhr der Geistliche fort und wurde im Erklären unwillkürlich aus Angewöhnung ernster, »nichts Boot, nichts Andromeda oder Pegasus! – Die alten Griechen haben sich den
»Aber gestehen Hochwürden nur,« widersprach der Nachtwächter, »die Jungfrau, das steht fest, sitzt da oben!« – Er spuckte die Geraniumblüte im Eifer aus.
»Das müßt Ihr mir erst zeigen, bevor ich es glaube.«
»Gerne, Hochwürden, gerne!«
»Gern oder ungern – Und wenn wir sie nicht finden –« der Pfarrer drohte mit dem Zeigefinger.
»Nun, dann ist sie gottlob erlöst, die arme Seele; sie hat lange genug gelitten – aber ein Strumpfband oder ein langes Haar von ihr wird sich wohl –«
Alles lachte, der Geistliche am lautesten. Diesmal hatte sich Andreas mit Glanz herausgehauen. Nur sein Gesicht blieb trocken. Nie lachte er zu den eigenen Witzen. Eher machte er eine abweisende, strenge Miene dazu.
Aber zufrieden bückte er sich unter den Tisch, nahm das Geraniumblümchen auf und schob es wieder in den linken Mundwinkel.
Kurz nach dieser kleinen Begebenheit starb der einzige und nächste Verwandte des Marxele, nämlich sein Vater selber. Er war ein sehr braver Nachtwächter
Es meldete sich nun Andreas Marxele zum Nachtwächter an. Der Posten ward ihm sogleich zuerkannt. Er hatte schon für seinen Vater das Amt hie und da versehen, das heißt auf dem Bänklein und auf der Kirchenstiege geschlafen. Aber ohne das – und sogar wenn Andreas unbeliebt gewesen wäre, er hätte das Amt doch bekommen. Denn in unserm Dorfe erben sich alle Ämter vom Vater auf den Sohn fort, der Küster, der Ammann, der Weibel, der Armenvogt, die Schulräte, selbst der Vorbeter in der Kirche, mag der Sohn eine noch so dünne Stimme haben, und selbst der Kaminfeger, mag der Erbe noch so engbrüstig sein.
Das neue Amt paßte für Andreas indessen wie für keinen zweiten. Sein unruhiger, schwärmerischer, an tausend Geheimnissen herumgrübelnder Geist fand Freude an diesem Herumschweifen durch die von Nacht und Mond erfüllten Gassen. Er schlief während der Nachtfahrt nicht mehr, ging dafür ziemlich weit zum Dorfe hinaus, spazierte im nahen Wäldchen und freute sich an den Glühwürmchen im Grase oder an dem heimlichen Getue der Nachtfalter in den Büschen. Er wollte wissen, wie der nahe Weiher um Mitternacht aussehe, ob wirklich beim zwölften Stundenschlag aus seiner
Und vom Hügel aus sehen wollte er, wie das große Dorf sich nachts von da oben ausnehme, wenn die Sterne nur ganz kümmerlich wie tief herunter geschraubte Laternchen brennen. Man konnte dann die Gebäude kaum voneinander unterscheiden. Die schwarzen Massen der Dächer verschwammen ineinander, wie die Rücken einer dichtgedrängten Herde von Kühen und Kälbern. Nur den Kirchturm und das breite Dach der Krone, die gewaltige Linde auf dem Friedhof und den kaltblinkenden Spiegel des Weihers mochte man herausfinden.
Schweifte dann der Mond aus einer Wolke hervor, dann fiel es wie Gold über die Dächer, dann blitzten die gotischen Fensterbogen der Kirche mit den Guckscheiben der Bauernhäuser, den glatten, grauen Schindeln und den Weidenblättern am Bache um die Wette. Während die eine Hälfte der Gassen im tiefsten Schatten lag, in einem Schatten, der genau die Formen der Häuser und ihrer vorspringenden Giebel zeigte, – lag die andere Hälfte in goldigem Flimmer da, und man sah jede Katze, die in Minnediensten darüber lief, und die fliegende Zeichnung jeder darüberschwebenden
Andreas sann und träumte viel in solchen Nächten. Er sprach mit den Ahnen auf dem Friedhof und mit den Rittern des alten Schlosses, das in seiner zerbröckelten Armut auf einem kleinen Hügel stand. Und da war es, wo seine Seele Kraft und Mut sog, um in eine kleine und verdrehte Zeit große Worte zu werfen.
Um drei Uhr ging er heim, Tannennadeln im Haar und Harz an den Ärmeln. Dann schlief er bis acht Uhr, wohl auch bis zwölf, rüstete sich sein Junggesellenmahl und unterhielt sich dann ein Stündchen vom Fenster aus über die Gasse mit den Nachbarn, indem er zweimal
Was Meister Andreas die Woche über entdeckt hatte, das wurde das Dorf am Sonntag gewahr. Dann sprudelte er eine Unmenge von Sagen und Märchen aus und erzählte von den alten Schloßherren so genaue Geschichten, als ob er ihre Tagebücher gelesen hätte. Er malte den Leuten die Farben der Mondnacht, das Leben des Nachtgeflügels, die Geräusche der Mitternacht und die gespensterhafte Stimmung des schlafenden Dorfes so aufgeregt vor, daß man nur hören und immer nur hören mochte und den Wächter um sein Amt oder um die Phantasie beneidete, die so viel aus diesem Amte zu machen wußte.
Besonders aber, wenn das Volk zur Gemeindetagung gerufen wurde, erkannte ein jeder, der nicht mit ewiger Blindheit geschlagen war, was man an Meister Andreas für einen wohlbedachten, im ernsten und einsamen Studium der Nacht gereiften Volksmann habe. Er allein wagte aus dem Ringe des stumpfen und so geduldigen Volkes heraus den Herren Oberhäuptern die Meinung
Nicht so Andreas Marxele. Er besaß den Mut des Widerstandes, diese göttliche Gabe der Volksfreiheit. Mit dem Zeigefinger rieb er sich nur ein wenig die grauen Äuglein, wie um klarer zu sehen, und begann dann mit den Worten: »Herr Präsident, Herren Genossen!« – alles zu sagen, was ihm nicht gefiel. Er sagte es mit einer dunkeln, glatten, gleichsam geölten Stimme. Aber sehr deutlich hörte sich seine Rede an, und Wort folgte auf Wort mit der Regelmäßigkeit des Tick-Tack an der Uhr.
Begann zum Beispiel bei den Wahlen die Komödie der Abdankungen, dann durfte das hohe Ratskollegium auf ein gründliches Spottverslein rechnen. Ja, einmal, als der Ammann wieder üblicherweise erklärte, er könne unmöglich das Amt wieder übernehmen, er sei zu alt, seine Gaben unzureichend, er wünsche einen bessern Nachfolger und danke – hier wurde seine Stimme weinerlich – für das fünfzigjährige Zutrauen seines lieben, ihm stets ans Herz gewachsenen Dorfes – als er dies gesagt und sich in der allersichersten Erwartung niedergesetzt hatte, nun erst recht einhellig wiedergewählt zu werden, – da war Andreas unverfroren genug, die Sache ernst zu nehmen und den Finger emporzustrecken.
»Herr Nachtwächter Andreas Marxele hat das Wort.« –
Der Gerufene zog die Geraniumblüte aus dem Munde, kreuzte die Arme über die Brust und begann: »Herr Präsident, Herren Genossen! – Der Herr Gemeindeammann hat erklärt, er könne die Verwaltung des Dorfes nicht mehr übernehmen. Und ich begreife den verdienten Mann. Er ist achtzigjährig – –«
»Zweiundachtzig!« warf eine Stimme ein.
»Sogar zweiundachtzig! – Einem solchen Alter gebührt schon lange ein ehrenvoller Feierabend!« –
»Otium cum dignitate!« – fügte der Pfarrer bei, der gerne Lateinisch sprach und ebenso gerne den Gemeindeammann weggewählt hätte wie Andreas.
»Opium cum dignitate«, – sagt der Pfarrer, – kann sein! Aber zur Sache! – Wie man zu jung, so kann man auch zu alt für eine öffentliche Stellung sein. Ehre dem Manne, der das einsieht und aus freien Stücken resigniert! –
»Ein Mann ein Wort! – Der Ammann hat bestimmt erklärt, eine Wiederwahl nicht mehr anzunehmen. Sollen wir ihn nun dennoch wählen? – Hieße das nicht soviel, als sagten wir: ›Herr Ammann, gesagt haben Sie das wohl, aber wir glauben es nicht, im Gegenteil, wir wissen, daß Sie recht gerne wieder Ammann werden mögen. – Sie haben nur Spaß mit uns getrieben! Also wir wählen Sie wieder und Sie
Nein, eines solchen Narrenstückes ist unser greiser Ammann nicht fähig. Wenn er sagt: ich kann nicht mehr, so kann er eben nicht mehr.
Wir sind freie Bürger! – (ohne diesen Satz hielt Andreas keine Rede!) – Bei uns gibt es so viele Könige als Köpfe. Es wäre doch eine Schande, hätten wir kein Holz mehr für einen neuen Ammann, tannenes oder buchenes, – das buchene freilich ist besser!
Da hat zum Beispiel der Kronenwirt einen Vetter, der studiert hat und bei ihm auf dem Gasthof wohnt. Er kennt die Leute und ihre Verhältnisse, ist er doch barfuß mit uns über die Gassen gelaufen und hat mit uns Äpfel aus dem Garten des Kaplans gestohlen, als der geistliche Herr im Bade war. – Er wohnt mitten im Dorfe, und jeder kann ihn also leicht finden und auch noch einen guten Schoppen bei Gelegenheit trinken. Er ist reich, also braucht er keine Sporteln; er schreibt eine schöne Schrift, also kann man in Zukunft alle Amtsbriefe lesen; er hat einen guten, strammen Charakter, also wird er den Sünder zwar am Schopf nehmen, aber nicht so fest schütteln, daß er alle Haare verliert. Kurz und gut, ich schlage den Herrn Fürsprech August Bronn zur Krone vor.«
Andreas setzte sich in den Kirchenstuhl und schob das Geranium wieder zwischen die Lippen.
In Zukunft gab es keine Abdankungskomödie mehr. Mit dem Mut der Verzweiflung hielt selbst der alte Glöckner noch das Turmseil, der halbblinde Weibel das Bürgerverzeichnis und der gichtische Küster seine Kirchenschlüssel fest. An jeder Kirchgemeinde hatte er sie aus der Tasche genommen, mit Pathos geschüttelt und gerufen: »Ich danke dem, der sie mir abnimmt.« – Doch immer war er bestätigt worden, weil niemand das Gotteshaus am Bettag so nett ziere, keiner so fleißig die Bänke abstaube und die Kerzen so rasch anzünden würde. Nun aber verließ er sich nicht mehr auf diese Vorzüge, der weggewählte Ammann war für alle ein warnendes Beispiel.
An jenem Siegestage glaubte Andreas, daß seine Ärmel sich geweitet und das Schulterblatt sich verbreitert hätte. Er war glücklicher als Prometheus. Das Licht der Volksfreiheit hatte er vom Altar des Vaterlandes
Oder?
Ja, als der Zauber seiner witzigen Beredsamkeit in den Ohren verrauscht war, standen die alten Männer zusammen und sagten, dem Ammann sei unrecht geschehen. Einundfünfzig Jahre habe er in guter und böser Stunde die Zügel geführt. Drei französische Könige, der Kirchenstaat und mehrere Fürstentümer seien inzwischen untergegangen, die türkische Flotte sei zerstört, der Zar gebeugt und Paris erobert worden, – und Lachweiler stehe noch in unversehrter, solider Dorfmajestät. Das sei des Ammann Markus Verdienst. Zum wenigsten hätte man ihm die Ehre antun und ihn nochmals wählen sollen. Ein junger Ammann sei ein Unglück. Die Bronn vorab hätten immer ein stürmisches Blut gehabt. Man solle nur den übermütigen jungen Studenten anschauen, – wie der unter seinesgleichen den König spiele. Unfehlbar werde es sich rächen, daß man aus den ehrwürdigen Fußtapfen der alten Bräuche getreten sei. –
Der reiche Ammann hatte viele Vettern im Dorfe, manche, die ihm wegen geliehenen Geldes oder wegen Anstellung auf seinen Gütern verpflichtet waren. So wurde der Anhang der Unzufriedenen immer größer. Man besuchte die Krone seltener, und jede Verordnung des neuen, etwas schneidigen Ammanns wurde unter Dr. Bronn sich nicht vom klugen Kronenwirt hätte bestimmen lassen, schon vor der Herbstgemeinde sein Amt niederzulegen, um einen höhern Posten im Bezirksamt zu übernehmen. Alles atmete auf und lobte den Jüngling, der infolge seines Talents und seiner Stellung vom Bezirksstädtchen aus Lachweiler weit stärker beeinflußte als er es je in Lachweiler selbst vermocht hätte.
Als nun der alte Ammann wieder in alle Ehren seines Amtes eingesetzt wurde und dafür der Dorfschaft vier Fäßchen Bier aus der Krone spendierte, nebst einem Würstchen und einer Semmel für die Stimmfähigen, da fühlte Andreas plötzlich wieder die engen Ärmel und das schmale Schulterblatt; er aß aber das Würstchen doch und trank vier Gläser Bier. Am Ende der Schmauserei winkte ihm der Ammann und fragte ihn, ob er wohl einige Nachmittage frei machen könnte. Es wären einige Bücher einzubinden. Andreas hatte sich nämlich diese schöne und saubere Kunst schon in den Knabenjahren angeeignet, um so eher zu Lektüre zu kommen. Der Nachtwächter ging also zum Ammannhause hinunter, nicht ohne Herzklopfen. Aber Herr Markus spielte mit keiner Silbe auf das Frühere an, sondern war umgänglich und freundlich mit ihm und zeigte Neugier, wie man eine dicke Broschüre so genau
Von da an vertiefte sich Andreas, von der Dorfpolitik angeekelt, in die Politik der Großtaaten. Er ging gleichsam wie ein enttäuschter Minister des Innern in das Departement des Äußern über. Da war nun kein Land zu groß, daß er es nicht mit seinem staatsmännischen Blick überschaut, kein Fürst zu hoch, daß er nicht seine Handlungen unter das Brillenglas genommen und kritisiert hätte. Er redete von einer Sauordnung
»Meister Andreas,« fragte ich, damals ein Student von unklarem Sinne und großer, aber schnell verflackernder Begeisterung, »warum haltet Ihr es mit den Engländern?«
»Ich bin für die Gleichheit aller Menschen, also auch für die Gleichheit der Völker,« erwiderte er. »Verstehst du das, Junge?«
»Ich verstehe, aber ...«
»Aber nun sind die Buren so ein Völklein gewesen, bei dem die größte Ungleichheit nistete. Die wenigen Bürger regierten eigenmächtig über die vielen Ansässigen. Die Fremden waren fast rechtlos, die Neger unterjocht. Weg muß das Vorrecht! – und die Buren sollen Gott danken, daß die Engländer und die nicht die Russen oder die Franzosen gekommen sind,
Damals bat ich den Nachtwächter, mich einmal auf die Nachtrunde mitzunehmen. Ich trug das Anliegen schon lange auf dem Herzen.
Andreas brummte.
»Darf ich, Vetter?« – Ich hatte die Gewohnheit, jedem Vetter zu sagen, von dem ich etwas Gutes erwartete.
»So geh um fünf Uhr zu Bette und weck' mich um halb zehn!«
»Soll geschehen,« jubelte ich.
Begreiflich ging ich nicht schlafen und stand schon gegen neun Uhr vor dem niedrigen Stübchen des Nachtwächters, das zu ebener Erde lag.
»Teufelskerl, kann Er nicht warten?« grölte Andreas und rekelte die Arme und dehnte sich im Bette, daß die Laden krachten.
»Na, da du einmal da bist, so mach wenigstens Licht!«
Gehorsam zündete ich die Lampe an.
»Jetzt nimm das Schnupftuch und schütte mir den Kaffee an! – dort! – ach was – im Ofenrohr, im Ofenrohr!«
Ich wickelte lieber mein Nastuch als das rote, verschnupfte des Nachtwächters um die Hand und zog den
»Euer Rock ist wohl zu eng, Meister!«
»Gerade wie ich ihn brauche!« versetzte Marxele keuchend.
Stillschweigend tranken wir, am Tischchen stehend, unsere Tassen aus. Dann setzten wir die Mützen auf und traten in die geheimnisvolle Nacht hinaus.
Es war Ende Februar. Kein Schnee lag mehr auf der Erde. Ein leichter, feuchter, fast warmer Wind ging. Am Himmel regte sich alles in großer Unordnung. Zahlreiche, niedrige, ziemlich heitere Wolken fuhren von Süden nach Norden, die kleinern schneller, die größern langsamer, so eine über die andere hinaus, sich gegenseitig beschattend, stoßend und hemmend. Dazwischen schauten große Stücke eines nachtblauen, aber doch hellen Himmels herunter. Im Spiele der Wolken vergrößerten und verengerten sie sich wieder. Bald waren sie wie mächtige Fenster, bald wie unzählbare Ritzen einer verhängten Pforte, bald drohten sie gar im Geschiebe der nachdrängenden Wolken zu ersticken. Bleiche, kleine Sterne schimmerten daraus hervor. Aber ihr Licht erschien so unruhig und so dem Verlöschen nahe, als spürten auch sie wie das Blendlaternchen des Nachtwächters den Wind und müßten im Luftzug hin und herschwanken. Im Westen unter einer unauflöslichen Wolkenschicht wanderte der Mond dahin. Man sah nichts von ihm als die große Helligkeit, die er unter seiner Decke über die höheren Wolken in der Mitte des Himmels goß. Durch die Nacht ging jene Luft, in der schon die Erwartung von tausend sehnenden Lenzgeschöpfchen, ja schon etwas vom herben Geruch der Schneeglöcklein und von der Milde der Veilchen atmet.
Im ganzen Jahr weiß ich keine Zeit, die ich mehr liebe, als diese letzten Wochen des Hornung ohne Schnee,
Schon ruhte das ganze Dorf. Nirgends ein Ton. Nur aus der Kammer des Kaplans hörte man das Perpendikel einer schnarrenden Uhr hin und her ächzen. Der engbrüstige Mann mußte nachts einen Flügel des Fensters offen halten. Durch die schwitzenden und mit Draht vergitterten Fenster der Kirche blinzelte die ewige Lampe und auch aus dem Studierstübchen des Pfarrers lächelte noch ein Licht. Aber dieses Lächeln hatte etwas Strenges und Ernstes an sich. Ich mußte an die Lampe des feilenden Cicero oder des philosophierenden Plato denken. Hinter den erhellten Vorhängen ging regelmäßig ein Schatten auf und ab.
»Er studiert die Predigt,« erklärte Andreas und sein blinzelndes Auge fügte verständlich hinzu: »Mein Gott, ich hätte nicht nötig, so herumzustürmen, um einen zeitgemäßen Sermon zu halten. Es predigt sich doch so leicht!« –
Jetzt bewegte sich der Schatten eiliger, er huschte eigentlich an den wehenden Gardinen vorbei, er flog
»Wieso?« fragte ich erstaunt.
»Bei ruhigen Darstellungen,« erzählte Andreas, »spaziert der Pfarrer gleichmäßig um den runden Tisch herum; kommen Einwürfe, so steht er still. Hat er aber den Teufel glücklich zu schanden gemacht, dann schwenkt er sein Kirchenfähnlein im Triumphe und rennt die letzten feindlichen Barrikaden um.«
Wir mußten beide lachen. Aber es war keine unehrerbietige Heiterkeit. Denn der Pfarrer galt uns als ein guter Prediger, der das sonntägliche Gemüt meisterlich zu fassen und zu erbauen wußte.
Wir gingen dem Gitter des Friedhofs entlang. Die dürren Stauden auf den Gräbern raschelten, manchmal klingelte auch ein schlecht gehängtes Metallschild am Kreuz. Sonst war es da wirklich totenstill. Zuweilen glitzerte etwas durch die Dunkelheit, sei es ein Messingknopf oder eine vergoldete Inschrift oder ein Blechkranz, der um die Kreuzarme gewunden war. Die Gräber schienen mir außerordentlich schmal und in die Länge gereckt und mir war, ich sähe ihnen deutlich die Figur der darunter ruhenden ebenso schmalen und ausgereckten Leiber an.
Ich weiß nicht, warum mir in diesem Augenblicke immer wieder die Erschaffung Adams einfiel. So einen länglichen viereckigen Erdteig, wie diese schmalen Häufchen
Und jetzt liegen sie wieder da, diese Adams, mit der Erde in einen Haufen vermischt – gänzlich verstaubt!
Viele sind noch frisch unter dem Boden, dachte ich weiter. Ihre Leiber sind noch weiß, ihr Blut ist kaum erkaltet. Sie haben sicher noch einen Satz, den sie nicht ausreden konnten, auf den Lippen, – einen Schritt, den sie noch gerade tun wollten, gleichsam in den Sohlen. Und nun müssen sie hier, unfertig wie sie sind, vermodern! – Andere schleppten sich sozusagen selber müde zum Grabe. Das Alter hatte sie bereits so ausgemergelt, ihren Leib so braun, verwittert, erdenhaft gemacht, daß sie sich eigentlich nur noch in die Schollen zu legen hatten, um als ein Stück von ihnen zu gelten.
Viele lagen da, die ich wohl gekannt hatte. Ich erinnerte mich jetzt wieder an sie alle, nachdem ich ihrer jahrelang nie mehr gedacht hatte. Dort unter dem großen, dicken Stein schlief die Jungfer Manette, die aus ihren unerschöpflichen Taschen zuerst ein braun gestreiftes Schnupftuch, dann eine große Dose mit dem Bilde der Helvetia, dann sieben Schlüssel zu sieben
Und weil er schon wie ein tüchtiger Mann sich gebärdet hatte, so ward ihm die seltene Ehre zuteil, mitten unter den Männergräbern seine weichen Knabenknöchlein zur Ruhe zu legen.
Die Kindergräber sind weiter hinten, man sieht sie von der Straße aus nicht, sonst würde ich die Grüße
Bei seinem Anblick fühle ich immer Herzklopfen und ich vernehme eine leise Frauenstimme: »Walter, – wie geht es ohne mich? – hast du Ordnung?« – Dann verschwimmen mir die Augen und ich drücke die Rechte, wo's am ärgsten klopft, und sage: »Es geht, – Mutter, es geht, wie es ohne dich –«
»Was hast du, Junge?« – fragt mich der Nachtwächter.
»Nichts, gar nichts,« sagte ich schluckend und würgend.
»Herr, gib ihnen die ewige Ruhe!« fuhr er fort und zog die Mütze.
»Und das ewige Licht leuchte ihnen,« versetzte ich im Tone des alten Kirchengebetes und entblößte gleichfalls das Haupt.
»Laß sie ruhen im Frieden!«
»Amen,« beschloß ich.
Mir wurde sehr feierlich zumute.
»Man sollte eigentlich für die Lebendigen um Ruhe bitten,« sagte Andreas. Er flüsterte nur. Ich nickte. »Die haben Ruhe!« fügte er leise bei und ließ die grauen Äuglein über die vielen Hügel, Kreuze und Steinmale fahren.
»Wie sie schlafen!« lispelte er wieder, – »stiller als Kinder! – man soll sie nicht mehr stören!« –
In diesem Augenblicke meinte ich, aus dem Gottesacker tiefe, stille, regelmäßige Atemzüge zu hören und einen Odem von solchem Frieden zu spüren, daß mir alles Grauen vor dem nächtlichen Friedhof verging. Er kam mir, je länger ich zusah, immer freundlicher vor, wie ein großer Schlafsaal, wo von Bett zu Bett alles die Härte des Tages ausschläft und an der Türe und auf den Fenstergesimsen schweigsame Geister wachen und den Frieden der Stätte wahren.
Aus diesem Bilde weckte mich das häßliche Kreischen eines Uhrschlüssels. Wir befanden uns vor dem Ammannhause, wo eine Kontrolluhr angebracht war, die um elf und drei Uhr aufgezogen werden mußte. Das mächtige Haus lag im Schatten der umliegenden Gebäude. Eine schneeweiße Katze strich gerade um seine Ecke. Die Läden standen offen und leise klirrte im Windhauch ein Scheibenflügel auf und zu. Die Fenster lagen so niedrig, daß man leicht in die Stube gesehen hätte, wenn es nicht zu dunkel gewesen wäre. Die nur angelehnte Haustüre, die gleich in die Küche führt, klapperte leise. Der kinderlose Ammann begab sich regelmäßig um neun Uhr mit seiner greisen Frau und dem Hausgesinde zur Ruhe. Da wurde nichts verschlossen oder zugeriegelt. Herr Markus Ebescher pflegte zu sagen: »Wenn ich nicht mehr bei offenen Fenstern und Türen schlafen kann, so will ich nicht
Nun eilten wir zum Dorfe hinaus und stiegen allmählich durch einen Wiesenweg dem Hügel zu. Aus einem Stall drang das Schnaufen einer Kuh, die unruhig den Kopf an der Holzwand rieb und mit den Füßen am Boden scharrte. Beim letzten Haus, am Fuße des Funkenbühls, zwinkerte ein Licht aus der niedrigen Kammer in den Feldweg hinaus. Auch hier stand das Fenster offen. Meister Andreas näherte sich dem Gesimse und wollte etwas hinaufrufen.
»Seid Ihr es, Nachtwächter?« kam ihm von innen eine schwache, aber deutliche Stimme zuvor. Man hörte Flüstern und das Geräusch einer laubgefüllten Bettdecke.
»Jawohl, Frau Katharina, – und was machen wir heute?«
»Danke, Vetter, der Nachfrage! – Ich spüre den Wind in allen Gliedern.«
»Wer wacht Euch die Nacht?« spann Andreas fort.
»Kronenwirts Agnes.«
Bei diesem Namen wurde mir warm. Dieses Mädchen war es, mit dem mich früher immer die Schulbuben geneckt hatten und jetzt das eigene Herz. Es glich so ganz den Mägdlein, um die im Gedicht der Volkslieder Müllersburschen, Wachtsoldaten oder
»Wackeres Mägdlein,« hatte inzwischen Andreas in die Stube geantwortet.
Ich hätte ihm dafür um den Hals fallen mögen. »Ein wackeres Mägdlein!« – Also auch er, der Hagestolz, auch die seit Jahren sieche Katharina Frommel wußten das, nicht ich allein.
Das Flüstern in der Kammer wurde wieder hörbar. Was sprachen sie wohl miteinander?
»Vetter Andreas,« bat ich leise, »fragt doch, ob sie gut pflegt!«
»Aber kochen wird sie nicht können!« rief der Nachtwächter hinein.
Drinnen kicherte jemand.
»Freilich kann sie kochen, – den Kaffee und den Haberschleim – jawohl, das kann sie.«
»Ob sie's besser kann, als die Berta Walomer?« gab ich dem Nachtwächter neuerdings ein.
»Aber die andere, – wie heißt sie nur?« rief Andreas hinauf.
»Lachmanns Therese?«
»Nein, nicht die!«
»Die Berta, das Walomerkind?«
»Ja! – die wird's noch besser machen!«
Wieder kicherte es drinnen unbeschreiblich nett.
»Was Ihr denkt – weit besser kocht die Agnes!« – rief die Kranke vom Lager, »noch nie ist ihr die Milch
Ich war selig. Ja, ja, die Agnes! – ihr gleich nichts Sterbliches. Sonne und Mond finden keine solche mehr.
»Könnte sie nicht ans Fenster kommen?« fragte ich leise den Marxele.
»Jetzt ist's genug! – bist du denn rein verrückt?« Spöttisch und doch liebreich sah er mich an. »Du Naseweis!«
»Mit wem redet Ihr, Meister Andreas?« fragte die Frau nun aus dem Kämmerchen hervor. »Ist jemand bei Euch?«
»Lehrers Walter ist mitgekommen, – will mal die Nacht ausspionieren, das Bürschchen.«
»Grüß' dich Gott, Walter!« erscholl jetzt die gebrechliche Stimme Katharinas; – »was doch den Studenten nicht alles in den Kopf kommt! – Du meine Güte! – Ist doch ein Volk das! –«
»Grüß' Euch Gott, Frau Katharina!« rief ich kaum hörbar.
»Wer schlafen kann, soll schlafen, Walter!« machte die Alte, »das ist mein Zuspruch.«
»Meiner auch,« bestätigte Andreas.
Mir aber war wohl. Agnes schlief also auch nicht. Wie köstlich, daß wir beide die gleiche Nacht durchwachten und gar, daß wir es beide voneinander wußten!
Zwischen den Wiesenbäumen eilten wir nun schräg den Hügel empor. Droben setzten wir uns an den Ranft und betrachteten, ohne ein Wort zu reden, das unter uns liegende Gelände. Erst hier oben merkte ich recht, wie still die Welt war. Das Gewoge der Wolken am Himmel, das Aufflackern und Verlöschen der Gestirne, diese große überirdische Bewegung, ging so lautlos vor sich, daß man sie eher zu träumen glaubte. Das Dorf lag in einförmigem Halbdunkel mit seinen wie eine furchtsame Herde zusammengekoppelten, eng ineinander geschmiegten Häusern da. Wo ein starker,
Wo das Dorf aufhört und die Wiesenwege sich in
Aber bald verliert sich auch noch diese furchtsame Spur von Menschenleben. Die große, dunkle Ebene dehnt sich aus, etwas dunkler, wo ihr ein Gehölze entkeimt, etwas heller, wo sich eine Halde gegen den Horizont neigt. Ja, ein geübtes Auge, zum Beispiel ein Dorfbube, der noch nicht Botanik am Gymnasium gehört hatte, konnte genau an den Schattierungen unterscheiden, wo Gras wächst, wo ein Acker liegt oder wo sich feuchtes Ried in sumpfiger Behäbigkeit durch die Auen dehnt. Einige Fetzen Schnee leuchten aus jenen Versenkungen des Bodens herauf, die die Sonne nur ein Stündchen am hohen Mittag trifft. Den Fluß erkennt man am Wuchs der Tannen und Buchen, die sein tiefes, rauschendes Bett gleich den bärtigen Lippen eines Sängers beschatten. In seinem ganzen Laufe kann man ihn verfolgen, wie er erst aus den Hügeln, die sich vom Dorfe weg gegen Süden ziehen, heraustritt, einen Haken auf tausend Schritte gegen Lachweiler schlägt, dann aber, als besinne er sich auf die großen Städte, die Dome und Fünfmaster, die seiner warten,
Unmäßig liebe ich diesen Fluß, und wenn ich einmal an seinen Wassern stehe, kann ich mich fast nicht mehr wegreißen.
Aber das Auge wandert noch weiter, bis dorthin, wo die Erde wie mit einem feinen Messer abgeschnitten scheint und der breitgewölbte Bogen des Himmels beginnt.
Sonst kam mir die Welt von dieser Anhöhe aus unendlich groß vor. Heute dünkte sie mich beschämend klein. Warum? – Ich glaube, weil sie schlief und weil im Schlafe selbst ein Riese sich von einer Mücke nicht unterscheidet. Beide sind gleich kraft- und wehrlos.
Die Stadt, wo ich mit Jakob von der Krone vom Montag bis Samstag mittag als Gymnasiast weile,
Plötzlich schrak ich zusammen. Hatte da nicht hinter uns jemand einen Stein geworfen?
»Das bröckelt immer so von der Mauer,« beruhigte mich der Nachtwächter und wies auf die Ruine des Schlosses zurück, die zwanzig Schritte von uns im Rücken stand. Dann richtete Andreas seine flink herumschießenden Augen wieder auf das Weichbild zu unsern Füßen. Seine Miene war belebt. Das dichte schwarze Haar, das lang und ungekämmt über die vorstehenden Ohren und die hohe, runde Stirn fiel, flatterte im Winde, der hier stärker ging, – seine Augen glänzten, die dünne, gerade, große Nase zitterte wie der Rüssel eines Käfers, und die Lippen, schmale, scharfwinkelige Lippen, wie ich sie zeitlebens nur bei sehr strengen Kritikern und bittern Spöttern sah, diese Lippen bewegten sich wie in einem unhörbaren, innern Gespräch.
»An was denkt Ihr jetzt, Andreas?« fragte ich fast scheu.
»Immer an das gleiche,« machte er gereizt.
»So sagt es mir doch!« flehte ich und nahm seine
»So lauf, Hagelsjunge!« forderte er, hielt aber meine Hände fest.
»Vetter!« schmeichelte ich, »sagt es nur! – Wir sind einer Meinung!« –
Damit hatte ich gewonnen.
»Ich habe die Dächer gezählt, – es sind hundert und mehr! – Verstehst du?«
Ich nickte bejahend, obwohl ich nicht wußte, was er damit sagen wollte. An einen seltsamen, unerwarteten Eingang war man bei Andreas' Gesprächen ja immer gewohnt.
»Unter dem Dache schlafen vier, fünf und mehr Menschen. Alle strecken die Glieder müde von sich, alle haben die Augen geschlossen, und die Arme hängen ihnen die Bettlade hinunter. Sie sind sich jetzt alle aufs Tüpfelchen ähnlich, was sag' ich, Dummkopf, – ganz gleich sind sie sich: der Ammann, der Pfarrer, der Wirt zur Krone, der Walomerbauer, sein Knechtlein, die Wäscherin, das Häuslermädchen, der Käserbub, die arme Gertrud im Spinnhaus, der Lehrer, dein frecher Jakob und das Kerlchen, das man gestern dem Küfer getauft hat. Alle sind wie tot. Und so geht es jetzt über die ganze Welt.«
»Ja,« sagte ich, von dem Gedanken überrascht, daß
»Alle Tage zeigt unser Herrgott den Menschen, daß sie im Grunde gleich sind. Nur ein Schläfchen fällt sie an, und der Herr und der Bettelmann sind nichts mehr als Menschen, ungleich nur noch im Haar und Wuchs.«
»Wie Ihr doch recht habt!« bekannte ich und forschte an dem braunen, lederfarbigen Gesicht des Erzählers, ob er das aus den Büchern oder aus sich selber habe. »So was liest man nicht in Büchern,« entschied ich für mich, »das gibt er vom Eigenen.«
»Und da frag' ich mich, ob dieser alltägliche Unterricht, – wie sagt Ihr Gelehrten schon? – Anschauungsunterricht? –«
Ich nickte, aber es verletzte mich, daß er mich zu jenen Gelehrten zählte, deren Namen er mit einer spöttischen Betonung aussprach. Ich wollte jetzt um keinen Preis ein Gelehrter von jener Sorte, sondern ein Gelehrter wie Andreas sein.
»Ob dieser Anschauungsunterricht die Menschen nicht ein bißchen vernünftiger machen sollte, so etwa, daß die niedrigen Leut' den Rücken nicht mehr so tief bücken und das Herrenvolk die Nase nicht mehr so hoch hebt.« – Andreas riß einen dürren Halm aus und
Sein Wort gefiel mir. Ich nickte kräftig und faßte sein Hand viel fester. Alles, was neu war und fast nach Revolution roch, schlug mir mächtig in die Sinne.
»Ich frage weiter, warum diese Menschen, die da unter den Dächern liegen wie Nullen, am Morgen aufstehen und wegen etwas mehr Seide oder mehr Namen oder mehr Münzen oder wegen sonst was, das ihnen von außen anklebt, nicht wie alle andern eine Eins, sondern eine Zwei, eine Drei, ja, eine Acht und Neun sein wollen. Noch mehr, die andern sollten Nullen bleiben, sollten wie Hunde hinter ihnen herlaufen und aus der Eins eine Zehn und Tausend und Hunderttausend machen! Jetzt liegen sie alle platt auf der Matratze, und morgen will einer dem andern über den Kopf schauen, als stände die Menschheit auf einer Leiter und wir natürlich zu unterst, – so ein Nachtwächter, – nur ein Nachtwächter! – Donnerwetter noch einmal!« – Andreas riß zornig einen ganzen Büschel Gras aus.
»O wie schön sagt Ihr das!« rief ich begeistert aus und preßte seine Rechte noch heftiger. Ich war sechzehnjährig und hatte es noch genau wie die Kinder, die nichts loben können, ohne es zugleich zu liebkosen, wie sie auch nichts verurteilen, ohne es zu mißhandeln.
»Das gefällt dir!« sagte Andreas selbstgefällig.
»Und wie!« – versetzte ich im Studentenjargon.
»Das ist gediegen!« lachte ich immer noch. Damals konnte ein Student keinen Satz sprechen, ohne das famose Wörtlein »gediegen«. Der Geschichtsprofessor war uns »ein gediegener Kerl«, die Philisterin eine »gediegene Alte«, das Bier »ölte gediegen«, und der Kandidat, der für den erkrankten Lateinlehrer dozierte, ein »gediegener Schöps«, war »gediegen abgestunken«, als er uns eine Moralpauke halten wollte, aber »gediegen« überbrüllt wurde.
»Und die armen Leut', sollen sie so verschupft bleiben, he?« Andreas sagte verschupft für zurückgesetzt.
»Nein, auch die Ärmsten sollen was Rechtes sein
»Senkrecht oder nicht, aber das sollen sie! – Du bist in der Stadt und studierst. Recht so! – Du hast Geld von der Mutter und dazu einen Brosamen Talent. – Aber ich war auch nicht auf den Kopf gefallen. – Schändlich! Weil ich meinen Reichtum im Kopf und nicht im Beutel hatte, durfte ich nicht studieren. Wäre es umgekehrt gewesen, so wäre ich jetzt ein Doktor oder ein Bezirksrat. So aber bin ich ein Nachtwächter geworden.«
Das sagte er mit einer unnatürlichen, herben Lustigkeit, die mir ins Herz schnitt.
»Nein, Vetter, Ihr seid wahrhaftig mehr als ein Nachtwächter!« – rühmte ich aufrichtig. »Von Euch kann das Dorf viel lernen, und es hat schon sicher viel gelernt.«
»Was du nicht fabelst!« scherzte er und sah mich mißtrauisch an. –
»Es ist mir heilig ernst!«
Andreas lächelte und drückte zufrieden meine Hand. Es schien, als wolle er sich diesem glücklichen Gefühl überlassen, das meine Worte erregt hatten. Doch mißmutig schüttelte er bald wieder den dichthaarigen Kopf.
»Nein, Walter, – am Tage mag's angehen, – aber des Nachts, wo's die Sterne hören, darf man nicht lügen. – Nein, nein, ich bin doch ein Dummkopf! – Ich weiß nichts! – Was ich zusammenlese,
Mit einer Bitterkeit und Trauer sagte er das, daß es mich selber erschütterte. So offen und geradeswegs hatte er gesprochen, daß ich fühlte, es wäre Sünde, etwas dagegen zu erheben. Jede Aufmunterung hätte niedrig, ja ruchlos ausgesehen.
»Wenn ich die Häuser da unten auseinanderrisse, eines hier hinauf, ein anderes zum Tobel hinunter setzte und alles so zerstreute, dann hätte ich immer noch alle Häuser, aber ein Dorf wäre das nicht mehr. – Merkst, wohin ich ziele, Junger? – Am Zusammenhang liegt alles. – So ist's auch bei mir. Die vielen Kenntnisse, die ich vor den andern Dörflern voraushabe, stehen nicht im Zusammenhang. Will ich sie zusammenbringen, so gibt es eine Flickerei, aber keinen Rock. Ich kenne euere Regeln nicht, keine Gesetze weiß ich, die Schule geht mir ab, Walter, die Schule!« –
Er krempelte den Kragen seines Rockes auf, ihn fröstelte. Dann ließ er die Hände lahm auf die Knie sinken. Ganz hinfällig schien er mir.
Ich wagte kein lautes Wort zu reden.
»Sieh, Walter, – ich fühle gut, daß es im Politischen nicht ist, wie es sein sollte. Unser Dorf erstickt unbewußt in der alten, dumpfen Luft. Man verstopft
Der erregte Mann streckte die Arme in den Ärmeln und wand den Rücken. Seine Stimme zitterte. Es flimmerte darin wie von Tränen. Prometheus schüttelte an den Ketten. Aber die Ärmel blieben eng und der Rücken blieb eingeschnürt.
»Wenn ein junger, talentvoller Mensch,« zürnte Andreas, »über seine Schulbank hinauswächst und nach dem Gymnasium verlangt, so muß er eine schwere Geldkatze daheim haben. Sonst geht es nicht. Nun soll ein armer Siebentkläßler nach dem Examen den Finger strecken und rufen: ›Herr Lehrer, ich will Professor werden!‹ oder: ›Herr Lehrer, ich will ein Advokat, ein Mechaniker, ein Baumeister werden!‹ – Die ganze Schule würde sich den Bauch vor Lachen halten. ›Seht da, unser Hänschen will ein Herr werden!‹ hieße es, ›und seine Mutter ist doch nur eine Waschfrau, und sein Vater ist nicht der Kronenwirt, sondern nur sein Bäckergeselle. Seh' einer, wie hoch unser Hänschen hinaus will!‹ – Ich hab's in den Ohren, so würde man schreien, und die armen Leute, die selber auch einen Sohn hätten, schrien am lautesten und frühesten.
»Im allgemeinen ist das so,« wandte ich schüchtern ein, »aber es gab doch auch arme Büblein, die es weit brachten. So der Walliserbub Matthäus Schinner, der kleine Newton und der geplagte Gymnasiast Schiller, aber es sind noch viele.« – In meinen Augen waren alle Gymnasiasten mehr oder weniger Märtyrer.
»Im allgemeinen ist das so,« äffte mich Andreas nach, »aber gerade im allgemeinen sollte das nicht so sein, nur als Ausnahme etwa! – Und dazu, hat deinen Büblein die Welt das Emporkommen nicht sauer genug gemacht, ja, ihnen davon die schönsten Jahre verpfuscht? – Nachdem sie den Magen durch Hunger und schlechte Kost verdorben haben, wird ihnen jetzt Wein und Braten in Fülle. Aber was nützt das ihnen, wenn sie es nicht mehr ertragen? – Und dann, Walter, das waren ein paar wenige Riesen. Die hatten einen Mut und Willen, um Berge zu versetzen. Aber unsere armen Landkinder sind nicht solche Riesen, – man kann ein großes Talent und einen kleinen Mut haben. Ja, gerade, weil das Talent so furchtsam ist, gehorcht es der grobschlächtigen Welt und flickt Schuhe im Dorfe oder weidet Kühe auf der Allmende, weil es kein Geld für Bücher und Schulen hat. Und die Menschen schauen zu und rühren sich nicht. Pfui doch über eine solche Welt!« – Andreas spie kräftig aus.
Ich war versucht, aus Ekel vor dieser Welt gleichfalls
»Unser Dorf,« redete Andreas weiter, »ist freilich nicht schlechter als die übrige Welt. In der Stadt haben sie eine große Partei, namens Majorität – hab' ich es recht ausgesprochen? – die verwünschten fremden Wörter!«
»Majorität, ja, ja, so heißt sie!«
»Wer nicht zu ihr gehört, kommt auf keinen festen Sessel, und wenn er einen Doppelzentner Verstand hätte. Beim Stadtammann muß einer junkerlich sein, wie ein altes Wappen, bei den Sozialisten röter als Scharlach, sonst profitiert er nichts. Man fragt nach Konfession, nach Politik, nach Geld und erst ein Jahr später nach dem Verstand. Nach dem Herzen aber fragt man erst, wenn einer gestorben ist. Dann heißt es: ›Der Selige hat doch ein gutes Herz gehabt!‹«
»Nun sind aber,« schloß der Nachtwächter, »nur die wenigsten so gut katholisch wie du, oder so rot wie der Bebel oder so junkerlich wie dein Kamerad, der Jakob. Alle andern kommen zu kurz und so gibt es
»Da schlafen sie nun,« klagte er weiter und fuhr mit der Rechten geringschätzig über das Dorf hin, »schlafen unter ihren schweren Dächern und vergessen, daß sie Sklaven von ganz wenigen Menschen, oft von einem einzigen sind. O wenn sie alle dächten wie ich! – Wahrhaft, sie würden jetzt nicht schlafen.«
»Was täten sie?« fragte ich hastig.
Der Mann bog sich über den Abhang hinaus. Wie eine drohende, unheimliche Wolke schien er über dem Dorfe zu liegen. Er hatte jetzt etwas Großes, Gebieterisches in seinem Benehmen.
»Erheben würden sie sich alle,« schrie er und sprang auf vom Rasen, »um die Gleichheit und Brüderlichkeit würden sie kämpfen mit mir. Dehnen und recken würden sie sich, bis ihre Ketten auseinander fielen.«
In diesem Augenblick krachte es. Andreas Marxele hatte im Übereifer eine zu große und zu heftige Geste ausgeführt. Die Nähte am Ellbogen und an der Schulter platzten, Prometheus hatte in Wahrheit die Fesseln zersprengt.
Aber keineswegs trat das Gefühl der Erlösung ein, wie man etwa erwarten möchte. Im Gegenteil hielt der Begeisterte plötzlich inne und betrachtete bestürzt den Schaden.
»Das wäre eine Revolution, bravo, bravo!« jubelte ich, immer noch im Klange seiner großen Worte lebend. Was bedeutete doch ein zerrissener Ärmel neben der Zertrümmerung einer alten, wurmstichigen Welt, die wir doch beabsichtigten?
»Sieh einmal nach, ich glaube gar, auch die Naht im Rücken.«
»Und Ihr glaubt, Meister Andreas, daß dann auch die Ärmsten und Niedrigsten ohne Geld – –«
»Narr, da hast du eine Nadel, – hefte mir die Naht im Rücken zu! – puh, das ist kalt!«
»Hei, ja, das ist dann aber köstlich, wenn man bloß mit seinem hellen Kopfe und mit seinem guten Herzen –«
»Bist du verrückt, Student? – Vor allem muß ich einen neuen ganzen Rock haben, hörst du, einen ganzen Rock!«
»Einen ganzen Rock!« stotterte ich mechanisch, aus sieben Himmeln in die niedrigste Prosa geworfen.
»Das ist alles recht gut, – aber wenn man keine Kleider hat, kann man nicht auf die Straße predigen gehen, und wenn man hungert, kann man nicht kämpfen. – Hält sie? – Hätt' ich nur eine Sicherheitsnadel!«
Mir war, ich falle von einem Berge hinunter.
»Das sag' ich nicht, nein, das werd' ich niemals sagen! – Aber ich hab' es dir ja eben noch gebeichtet: ich bin ein Nichtsnutz, ein Fasler, ich habe keinen Zusammenhang, gar keinen Zusammenhang. Hör' nicht auf mich, ich führe falsch!« –
Dabei ergriff er mich so flehentlich an der Hand, daß ich nicht wußte, sollte ich ihm verzeihen oder selber um Verzeihung bitten.
Langsam gingen wir den Hügel hinunter.
Je näher er dem Dorfe kam, desto beruhigter wurde Andreas. »Nein, lieber Junge,« sprach er, »es ist schon alles richtig, was ich dir gesagt habe. Aber mir mangelt die Schule, ich kann's nicht recht zusammen bringen, nicht ordentlich beweisen. Bei allem, was ich sage, fühle ich Löcher. Das nimmt mir alles Vertrauen. Oft zweifle ich an allem, was ich sage und fühle. Und doch weiß ich dann wieder, wie durch eine innere Stimme, daß ich ganz sicher auf dem rechten Weg gehe. Aber diese Löcher! – O Walter,« – er faßte mich mit beiden Händen an den Schläfen und schaute mir tief in die Augen, – »mach' du einmal, was ich nicht kann! Studiere, – werde stark, – ich glaube, du könntest viel helfen.«
Nie in meinem Leben hat mich eine Zumutung stolzer gemacht als diese. Ich stand auf den Zehen und erwiderte den Blick Andreas' mit roten, brennenden
»Die Hand darauf!«
»Da!«
»Jetzt aber still,« gebot der Nachtwächter, »Frau Katharina wird schlafen.«
Er verkroch sich gleichsam in seinen Rock, so fröstelte ihn, und mich dünkte, sein Atem pfeife leise, wie bei einem Engbrüstigen.
»Ist Euch unwohl?« flüsterte ich.
»Seit ein paar Tagen Influenza! – Aber ein Nachtwächter kann doch nicht im Bett liegen.«
Leise trippelten wir hintereinander am Hause der Kranken vorbei. Ich blickte sehnsüchtig zur Stube empor. Und siehe, an der erhellten Diele, die man von der Straße aus leicht sah, zeichnete sich deutlich Strich auf Strich Agnesens Köpfchen als ruhiger Schatten ab. Sie saß wohl vor dem Nachtlicht und las. Denn ihr feiner Kopf mit der Haarkrone, dann die Linie der Stirne und der so leise und vornehm unten gebogenen Nase und das sanft gerundete Kinn, alles im schärfsten Profil, bewegten sich gar nicht. Wie schön war nur schon der Schatten von Agnes! –
Und noch etwas sah ich. Als wir zwei durch den breiten Lichtstrahl, der vom Fenster über den Weg fiel, dahin schritten, da krampfte Andreas erschreckt die aufgerissene Naht am rechten Ärmel zusammen, als
Immer noch ging der feuchte, warme Luftzug durch die kleinen Sträßchen. Unandächtig huschte er durch die Gitter in den Gottesacker, zupfte an den Blechkränzen und rüttelte die kleinen, an den Kreuzen befestigten Porträte von Kindern und Großmüttern herum. Dann fegte er mutwillig einen Haufen dürrer Blätter über das Grab eines alten würdigen Ratsherrn, der sein Lebtag die säuberlichste Ordnung geliebt hatte, und endlich verfing sich dieses respektlose Lüftchen im Stachelhaar einer alten Tanne, die zwischen Friedhof und Pfarrhaus stand.
Wir gingen jetzt auf der andern Seite des Gottesackers ins Dorf hinunter. Hier war die jüngste Gräberreihe. Man erkannte sie leicht. Die Gräber hatten noch die frische, braune Erdfarbe, und ihr Hügel war noch nicht eingesunken.
Merkwürdig, es war mir unmöglich, jenes befreiende Gefühl, das ich auf dem Herweg empfunden hatte, wieder zu erwecken. Gar nicht mehr wie eine Erlösung kam mir diese Ruhe vor. »Was soll denn Ruhe?« fragte ich mich empört. »Nein, Unruhe des Lebens, Streiten und Jagen, Ausgreifen mit Händen und Füßen, das ist besser als dieser tatlose, bleierne Schlaf allhier! – Selbst Leiden ist besser. Lieber um eine Rinde Brot kämpfen, als hier unten keinen Hunger mehr haben und für immer satt sein! Lieber mit engen
Da, am Schlusse der Reihe gähnte eine Spalte im Boden, hart an der Sträßchenmauer. Daneben lag eine Schaufel und ein zweizackiger Pickel. Da hatte man also das Bett für einen Verstorbenen gerüstet. Grausend wandte ich mich ab. Denn neben der Öffnung lag die ausgeworfene Erde, faul, naß, schleimig und überall grinste häßliches, gelbbraunes Gebein des frühern Grabbewohners aus dem Schutt.
»Wer ist gestorben?« fragte ich den Nachtwächter. Ich war erst gestern in die Fastnachtferien heimgekommen.
»Der Weberseppel,« antwortete Andreas gedrückt.
»Der?« machte ich verwundert.
»Vor einer Woche an der Kirchweih hat er noch Kerzen und Eierringel vor der Krone verkauft.«
»Was, und der ist schon gestorben?«
»Schon? – er war ja zweiundsiebzig!«
»Wenn auch!« – Mich dünkte, das sei immer noch zu früh. Der Tod kam mir furchtbar unverschämt vor. Kann er nicht warten, bis man wenigstens rund hundert oder zweihundert Jahre zählt? – Und auch dann noch ist es viel zu früh! – Nein, man sollte gar nicht sterben! Ich griff an mein etwas
»Was macht denn auch so alt, Vetter?« fragte ich, während Andreas die Uhr beim Ammann aufzog, als es eben drei schlug. Doch sogleich wurde ich rot. Welch dumme Frage! Die Jahre! – wird er mir antworten. Das war selbstverständlich, das wußte jedes Kind.
»Natürlich die Zeit,« verbesserte ich mich darum rasch.
»Nein, nicht die Zeit!« sagte Andreas ernst.
»Was denn?« bat ich höchst verwundert.
»Die Menschen machen einander alt!«
»Die Menschen? – wieso? –« Voll Staunen hielt ich den Mund offen.
»So nimm dafür die Ungleichheiten, alles das, worüber wir uns dort oben ereifert haben, – das macht alt!«
Unwillkürlich blickte ich zur Hügelkuppe hinauf, die über die schwarzen, feuchten Dächer emporragte.
»Nun pack' dich ins Bett! – Es gibt Regen.«
In der Tat, der Himmel hatte sich gänzlich mit unbeweglichen, grauen Wolken bedeckt. Der Wind wehte nicht mehr. Kleine, warme Tropfen fielen klingend in die Dachröhren nieder.
»Ich danke Euch vielmal,« sagte ich und drückte
»Gar nichts zu danken!« versetzte der andere kurz, schier trotzig, und wandte sich zum Weggehen.
Traurig sah ich ihm nach. Ich hatte erwartet, daß er sich herzlicher verabschiede. Ich war ihm doch eben nur ein Bübchen, wie alle andern. Weinen hätte ich mögen.
So blieb ich denn unbeweglich stehen. Andreas mußte es bemerkt haben. Nach drei Schritten kehrte er sich nach mir zurück, stutzte und trat dann ganz nahe vor mich hin.
»Was willst du denn noch?«
»Andreas!« rief ich und wirklich traten mir Tränen aus den Augen.
»Mit dem Flennen ist nichts getan! – Aber Junge, weißt du noch, was du mir versprochen hast, – vor dem Dorfe versprochen hast?«
»Ja, Andreas!«
»Es hat's einer gehört, der nie schläft!« – drohte der Nachtwächter.
»Soll ich schwören, Andreas?« – rief ich voll Hitze und streckte die Finger.
»Laß, laß! – ich glaube dir – Aber es ist schwer! – Ich könnte es nicht! – Nun, gute Nacht!« – Damit preßte er die zerrissenen Säume der Naht neuerdings zwischen die Finger und schlüpfte eilends durch das steile Nagelgäßchen zu seiner Hütte hinunter.
Langsam und glücklich ging ich unter solchen Plänen heim, und da es mir unerträglich heiß in der Kammer wurde, öffnete ich die Fenster, wiewohl nun der Regen über das Gesimse hereintropfte. Indem ich mich entkleidete, dachte ich immer noch, wie notwendig es für meine große Aufgabe sei, vor allem ein bedeutender Redner zu werden. Ob ich dazu veranlagt sei, diese höchst überflüssige Frage stellte ich nicht einmal. Man kann alles werden. – Hätte mir Andreas aufgetragen, ein Bildhauer oder ein Musiker zu werden, so hätte ich ebensowenig gezaudert, mich an die Arbeit zu machen. »Possunt quia posse videntur,« – hatte uns kürzlich der Lateinlehrer aus Vergil zugerufen. Jetzt verstand
Ha, ich wollte schon zeigen, daß es auch heute noch Redner gibt, die den Donner und Blitz auf der Zunge tragen.
Ich verstieg mich immer weiter in meine Rednerträume. Unabsehbar viele Köpfe sah ich tief unter mir. Auf einer Rednerbühne hing ich hoch über ihnen. Ich redete und redete in einem wunderbaren Flusse von Gedanken. Wie große, lange, hochgewölbte Wellen rauschte Satz auf Satz daher. Ich empfand keine Mühe, brauchte nicht zu denken. Es war mir, als käme alles von selbst und als läge noch Unerschöpfliches in mir. Hüte sah ich in die Luft fliegen, weiße Manschetten glänzen, Brillengläser zu mir auffunkeln, rote, lachende und weinende Gesichter. Alles schwankte, verwirrte sich, stürmte durcheinander in weiten, dunklen
Aha, ich saß ja wieder auf dem Hügel, aber alles war seltsam verkehrt. Der Himmel mit den stoßenden Wolken stand jetzt nicht mehr über mir, sondern lag unter mir. Ins Leere hingen meine Füße nieder, fast schwindelte mir. Aber ich redete immerfort und sah deutlich hie und da zwischen den Wolken, die sich ein Weilchen verzogen, die Volksmassen auftauchen, und wieder blinkten steif gestärkte, schneeige Manschetten und flogen Hüte und blitzten Augengläser. »Gleichheit muß sein!« – schrie ich. »Der Ammann soll abdanken, ein Junger muß kommen!«
Wieder bedeckten die Wolken alles unter mir und wieder riß ein Sturm sie auf. Jetzt sah ich in den nachtblauen Himmel, aber immer noch war alles unter mir. Mir wurde, als beuge ich mich über ein unendliches Seebecken. Aber gleich erschien mir dieser Himmel tief zu meinen Füßen als so fest und so unbewegt, als stellte er die Front eines gewaltigen glänzenden Marmorhauses dar. Und tausend ungleiche Sterne glänzten wie Fenster hervor und jedes öffnete sich und aus den kleineren tauchten zwei, aus den größern drei Köpfe hervor, Männer, Frauen, Kinder, und alle lauschten zu mir hinauf.
»Und alle Häuser müssen gleich schön sein und alle gleich viele und gleich große Fenster haben!« zürnte ich weiter, »denn Gleichheit muß von nun an sein!«
Auf einmal gefiel mir dieses kleine, fast windschiefe Fenster besser als die breiten Prunkscheiben, und ich bereute, was ich vorhin gepredigt hatte. »Nein, auch die kleinen Fenster kann man belassen!« rief ich laut hinunter, damit sie es höre.
Da trat sie weiter aus der Fensterlichtung hervor und lächelte ein wenig zu mir hinauf.
»Auch die kleinen Häuser,« gab ich ferner zu, »sie sind sehr nützlich! – Frau Katharina brauchte das ihrige nicht umzubauen!«
Das Mädchen hielt die Hand ans Ohr, um besser zu verstehen. Die Falte verschwand, und mit Augen und Mund lächelte sie noch hübscher.
»Auch die Menschen müssen nicht durchaus alle gleich sein!« gestand ich wieder ein; »es gibt junge und es gibt alte! – Die einen müssen leben, die andern müssen sterben! – Das ist wahr! Und es gibt schöne –« – – ich machte einen tiefen Knicks gegen das Fensterchen, – »und häß –, nein, ich wollte sagen, weniger schöne, reiche und arme. Da muß man schauen, wie man sich etwa verträgt. Ist es nicht so?« –
Da nickte der liebliche Kopf, und die Augen lachten ein so großes Ja, daß mir die Sinne vergingen.
Da blies ein starker Wind daher und wieder deckte sich alles undurchdringlich mit Wolken.
Als mich die Morgensonne weckte, war mein erster Gedanke – etwa Andreas Marxele?
Fehlgeschossen!
»Der große Redner der Zukunft, der neue Heiland der Volksfreiheit, der – –«
Halt ein – du beschämst mich! Erinnere dich doch, daß ich im leichtsinnigsten Jahre des Lebens stand und daß heute Schmutziger Donnerstag war!
Ach, ich dachte an Blechmusik, an Fleischtörtchen, an unsern Umzug und an ein unerlaubtes Tänzchen zu Nacht.
Die Fastnacht ist nirgends so groß und schön wie in den Dörfern hinten im Lande. Jedes Haus hat für sich Fastnacht und auf dem ärmsten Tische duften schon am Morgen Birnenwecken zum Kaffee. In Küchen, die nur das gesottene Rindfleisch das Jahr über kennen – ein so ausgesottenes Rindfleisch, daß die Katze es dem Hund und der Hund der Katze überläßt – gibt es zu Mittag nun Braten vom Lamm oder einer fetten Ziege und geräucherte Schweinswürstchen, die wie ein Kranz im Sauerkraut liegen. Am Abend aber wird
Das ist die Fastnacht im Hause. Dann kommt die Fastnacht mit den Nachbarn. Die Schlagsahne füllt einen größern Kessel, zu den Wecken gesellt sich ein Apfelkuchen und statt der Zwetschge wird heute Kirsch geschnapset. Ein Dorfkünstler nimmt die Mundharmonika oder eine verquiekte Handorgel, und nun wird durch die niedrige Stube gewalzt, daß die Loden stäuben, die alten Stühle klappern und Großmutter das Fenster öffnet, um frische Luft zu schnappen.
Endlich die Fastnacht im großen Dorfrahmen, die Buden mit roten alten Ladenweibern und Eierringeln und gebackenen Männchen und Fräulein; der Geruch von Bratwürstchen und sauren Leberchen, der aus der Krone dem Vorübergehenden in die Nase strömt; die geschlossene Schulstube; der Umzug der Bürschchen unter vierzehn Jahren verbunden mit Bogenschießen und Abendessen in der Krone; der wandernde Schabernack, den die Jünglinge durch das Dorf aufführen mit Verkleidungen, schrecklichen Masken, drolligen Kapriolen, bissigen Inschriften auf den Stangen und der gelungenen Verspottung irgendeiner Dorfschwäche oder sogar eines vaterländischen Gebrechens; endlich am Abend eine Bauernkomödie im großen Saal der Krone, halb aus einem
Er sieht im Geiste die Kirchleute in gemessenem Zuge zur Chortreppe hervortreten, niederknien und das Haupt beugen, um die Asche auf den Scheitel zu empfangen. Wie viele verschiedene Köpfe! – er kennt sie alle! – Da ist der Gemeindeammann Markus, der mühsam seine steifen, achtzigjährigen Beine krümmt. Sein weißhaariger Kopf ist breit und stark wie eine
Aber alle diese Häupter beugen sich, alle begraben die Fastnacht unter dem Ernst eines neuen, weiterblickenden Lebens. Es geht ein Zug von Buße durch die Menschenzeilen und auch er, der Pfarrer, wird in der Sakristei das graue Haupt beugen und den Kaplan sprechen hören: »Gedenke, o Mensch, daß du Staub bist und zu Staub zurückkehrest!« – »Ja, ja alles ist Staub, alles ist Wind, außer Gott und seiner Gerechtigkeit!« – murmelt der Priester und schlummert nun doch leise ein, während die Lippen sich noch lange wie im Gebet bewegen und die Finger die Tabakprise pressen.
Ein Schrei schallt schrill von der Straße.
Zwei Männer fallen in enger Verschlingung vor der Kronenstiege zu Boden und ringen in stummer Wut weiter. Der Sägmeister Simon faßt den Georg Scheiwe, einen jungen Bergbauern, an der Gurgel, daß dieser keucht wie ein Erstickender. Aber Georg wälzt sich schwer auf den Bedränger und stößt ihm zweimal das Knie so kräftig in den Bauch, daß der lange Simon von der Säge den Hals des Gegners losläßt und vor Übelsein schwitzt. Doch greift er gleich wieder nach dem geschwollenen Gesichte Georgs und will ihn an Ohr
Der Saal stinkt von Zigarren, halbgeleerten Gläsern, verkalteten Speiseresten und dem trunkenen Atem der
Der Pfarrer erwacht vom rasselnden Geschrei seiner Weckuhr. Ihn friert. Ei sieh! – er reibt sich müde die Augen – da hat er auf dem Stuhl genächtigt und – wahrhaft! – noch immer die Prise Tabak zwischen den Fingern. Er schnupft und niest und steht neu belebt auf. Gott sei's gedankt, die Herodias hat ausgetanzt und der Bussprediger Johannes ist wieder Meister im Dorf! –
Drei Tage später saß ich wieder in der langweiligen Bank des städtischen Gymnasiums, verwechselte Gerundium und Gerundiv und schrieb: er »trit« statt er »tritt«. Vom Fenster aus sah ich unten an der Türe des linken Gymnasiumflügels eine Hausiererin stehen und der Frau unseres verhaßten Pedells Schuhschnüre, Nadelbüchsen, Zündschachteln, Ansichtskarten, rote Kerzlein, Seidenmaschen und anderen schönen Firlefanz anbieten. Bedächtig nahm die Pedellin ein jegliches in ihre rübenroten, fleischigen Hände und legte es wieder hin, während ein junges Pedellchen sich an ihre blaue Küchenschürze klammerte und nichts anderes erwartete, als die Mutter würde gleich den ganzen Kram mitsamt der Häuslerin aufkaufen. Ich wunderte mich nun ungeheuer, was die Dame schließlich kaufen würde. Etwa die rote Schleife, die sie immer wieder in die Hand nahm? – Aber die
»Welche Farbe wird sie nun wohl wählen?« fragte ich mich, indessen Jakob gerade erzählte, warum Cicero in seiner Rede für Ligarius eine so schwierige Verteidigung gehabt habe. Meisterlich sagte Jakob das und mit einem so überlegenen Lächeln, als fände er es gar nicht schwierig, in einem Prozesse zu siegen, wo der Richter der beleidigte, und der Advokat der mitschuldige Teil ist. Der Professor
»Wird sie wohl gar Himmelblau wählen oder Karminrot oder – nein, das ist unmöglich – orangegelb?« marterte ich mich immer noch.
»Wahrhaft, nun nimmt sie Berlinerblau!« – ich fiel beinahe in Ohnmacht.
»Also, was haben wir auf morgen durchzunehmen, Walter? nun?« – flötete die Stimme des Lateinlehrers über mir.
Ich schrak zusammen, stand langsam auf und blickte ratlos und hilfesuchend umher.
»Was wählen wir aus, Walter? – kommt's bald?« giftelte der entsetzliche Mensch weiter.
»Berlinerblau!« versetzte ich.
Noch heute weiß ich nicht, ob mir diese Antwort infolge meiner Träumerei oder aus Ärger oder aus Not entschlüpfte. Genug, das ungeheure, tosende Lachen einer Stube voll Menschen, alle im ersten Baß ihrer eben gebrochenen Stimmen, dröhnte wie ein Donnerwetter an mein Ohr. Mit heißem Gesichte und fliegenden Rockschößen rannte der arme Lehrer zum Saale hinaus.
Diesen Vorfall hatte ich schon wieder vergessen, als ich unser Kosthaus, ein freundliches Hotel an der Marktgasse betrat und mit dem Essen auf Jakob wartete, der noch schnell seine Bücher auf die nahe Bude geschafft hatte. Die Suppe wurde schon gereicht. Er kam noch
Das war mir alles einerlei. Solche Kleinigkeiten berührten mich gar nicht. Ich hatte nicht genug Geduld für diese langsame, stufenweise Lösung der Volksbande. Mit einem Ruck mußte meines Ermessens die Demokratie sich die Zwangsjacke sprengen, gerade wie Andreas getan hatte. Zwar war ich sehr verstimmt, daß er am Tage nach unserer Nachtwache den Rock beinahe noch schmaler an der Schulternaht geschlossen und die Ärmel noch kürzer und noch enger trug. Doch fing ich an zu glauben, daß dies jene berühmte Vorsicht großer Volksmänner sei, um desto bequemer die Freiheit zu predigen. Sicher, in diesen knappen Ärmeln vermutete niemand einen Fessellöser!
Dennoch, ich weiß nicht recht warum, so oft mir diese engen Ärmel in den Sinn kamen, verdüsterte sich mein Zukunftsbild, als wäre es zum vornherein in eine solche Zwangsjacke bestimmt.
Endlich trat Jakob eiliger als gewöhnlich über die Schwelle. Er trug, wie ich wohl merkte, eine jähe Meldung auf den Lippen.
»Hast du noch keinen Bericht?«
»Von wem? – von was? Sprich doch!« forderte ich und riß ihn fast zornig am Arme.
»Der Andreas Marxele ist gestorben.«
Wie gelähmt starrte ich den Kameraden an.
»Er muß sich erkältet haben, schreibt mir Agnes; – er soll – Herr Kellner, Herr Kellner, tragen Sie die Suppe ab! – sie ist ja ganz kalt!«
Ich muß hier beifügen, daß wir erst in der Universitätsstadt den Kellner ohne »Herr« kennen lernten.
»Da starb er also gerade nach der Fastnacht, – die wollte er noch erleben, na, ein Kauz war er immer!« – plauderte Jakob leichthin.
»Mein Gott!« vermochte ich endlich zu stammeln.
»Nehmen wir Rindsbraten? – Was hast du bestellt? – Herr Kellner! – Läuft der Schuft schon wieder weg.«
»Und was schreibt Agnes noch, Jakob, bitte,« heischte ich ganz bleich und tonlos.
»Drei Tage lag er im Fieber, – he, garçon! hieher! – also Rindsbraten, Walter, – und Erbsen mit Kartoffeln, – nicht Walter?«
»Drei Tage im Fieber!« schrie ich und fühlte es naß in meine Augen steigen.
»Bringen Sie Rindsbraten und – so sag' doch
»Rüben, ja, und Erbsen mit Ei, ja,« – machte ich mechanisch. Es war mir ganz gleichgültig, was ich essen sollte.
»Er träumt heute den ganzen Tag,« entschuldigte mich Jakob beim Kellner, der über meine Antwort impertinent lachte. »Und einen Goldwändler!« gebot mein Freund dem enteilenden Kellner nach und faßte mich nun derb bei der Hand.
»Was hast du? – Du siehst ja wie eine Wachspuppe aus!« fragte er in seiner lustigen Art, aber doch teilnehmend.
»Drei Tage lag er im Fieber, Jakob?«
»Und was für Zeug er phantasiert habe, – es war zum Totlachen!«
»Zum Totlachen? – schreibt Agnes zum Totlachen?« fragte ich schmerzlich.
»Kauz du! – da lies selber!« – er warf mir den Brief hin und fing an, eifrig den prachtvollen Braten in dunkelbrauner Sauce zuzuschneiden.
»Zum Totlachen schreibt sie natürlich nicht, – so ein Mädchen, wo wollte das Kind so was nehmen?«
»Er phantasierte –« las ich leise.
»Lies laut!« – herrschte mich Jakob an.
»Er phantasierte den ganzen Tag. Es wird Merkwürdiges davon erzählt. – Wenn es wahr ist! – Einmal habe er den Zaren zu sich gerufen, – wieder
»Asthma, Asthma! – der arme Kerl!« bedauerte Jakob und goß sich von der braunen Brühe über die Erbsen.
»Dann versuchte er das alte Nachtwächterlied zu singen und wollte Uhren aufziehen. Viele Bekannte besuchten ihn, aber er erkannte keinen. Der Doktor befahl dann, daß man nur noch den Pfarrer und die Pfleger in die Stube lasse. Es heißt aber, der Ammann stecke dahinter. Denn die Reden des Irren seien ungesund für gesunde Köpfe. Er hetze und verwirre! Das glaub' ich nicht. Andreas war immer so gut! – Warum hat man doch Angst vor einem Sterbenden? – Was kann der noch Böses tun?«
»Das versteht dieser Zopf wieder einmal nicht!« bemerkte Jakob und wischte sich mit der Serviette den blühenden Mund ab.
Mich aber dünkte diese Zeile wahrhaft groß. Ich liebte ihretwillen Agnes noch mehr.
»Am dritten Morgen wurde er ruhiger und niemand
Herzlich küßt Dich Deine Schwester Agnes Bronn.«
»Ich gehe nicht,« sagte Jakob sogleich entschieden. »Am Freitag vormittag haben wir ja Chemie und Dr. Müller wird reinen Wasserstoff darstellen, weißt du!«
»Meinetwegen bleib! – aber ich gehe.«
Nun aber fing mich der Freund so eindringlich an zu bitten, ich möchte doch hier bleiben, sonst müsse er anstandshalber auch mitkommen, – er spannte meine Neugier bezüglich des chemischen Prozesses so hoch und bewies mir so klar, daß das Rektorat uns den Freitag nie freigeben würde, daß ich allmählich schwankte und zauderte.
»Wir sind ihm auch nicht verwandt!« fügte er bei.
»O doch, ich bin ihm sehr nahe verwandt!« widersprach ich leise.
»Und gehen wir dem Nachtwächter, so müssen wir auch dem Küster – er hustet schon sehr verdächtig – dann dem Orgeltreter, dem Glöckner, dem Weibel, kurz jedem Bein ans Grab folgen. Nein, Walter, es geht nicht. – Aber trink doch! – da stoß an! – es gilt dem Andenken des guten, alten Nachtwächters!«
Aha, Andreas Marxele war nicht zufrieden mit uns. – Nun beschloß ich erst recht fest, an der Beerdigung teilzunehmen. Aber ich wollte Jakob nichts verraten. Denn ich fürchtete seine Herrschaft über mich. So wie ich ihn kannte, wäre er fähig gewesen, mich in seiner Bude festzubinden, bis die Eisenbahn abgefahren wäre.
Am Abend klopfte ich an der hohen Türe zum Rektorat.
»Herrrrr – rein!«
Der Basileus, wie wir den Rektor nannten, ein großer, stark gebauter, hagerer Mann, legte die Feder auf das Pult und trat mit drei mächtigen Schritten in die Mitte des Zimmers, wo wir Studenten der Etikette gemäß uns zu postieren hatten.
Sein Gesicht war soeben glatt rasiert worden, – sein Rock saß wie angegossen und zeigte kein Stäubchen, die Brille funkelte wie neugeschliffen, – und das Auge, dieses unbestimmbar zwischen Grau und Blau und Braun schillernde Auge, war ebenso kalt und neugeschliffen wie das Glas davor. So meinte ich wenigstens in jenem Augenblick und ich fühlte, als ich den Mächtigen so sah, daß ich mir den Gang zu ihm hätte ersparen können. Von diesem Menschen
»Walter Heinrich, glaube ich,« sagte der Rektor und versuchte dabei ein wenig zu lächeln, das heißt, er schloß die Augen halb und öffnete den Mund, daß alle seine plombierten Zähne sichtbar wurden.
»Ja, Herr Rektor, – Schüler der vierten Klasse!« bekannte ich ordnungsgemäß.
»Stimmt! – und?« –
Ich begann meine Mütze wie eine Scheibe zu drehen. Meine Finger schwitzten. Wenn ich einmal rund herum bin, werde ich wissen, ob ich heim darf oder nicht, – dachte ich blitzschnell bei mir.
»Dürfte ich wohl für den Freitag Urlaub bekommen!« platzte ich laut heraus.
Beim Worte Urlaub kräuselte sogleich eine Menge feiner Falten die eben noch glatte, hohe Stirne des Rektors bis unter das graue Haar hinauf. Eine leichenhafte Kälte legte sich über sein ganzes Gesicht.
Denn dieses Wort Urlaub war in seinen Ohren, was im Gehör eines nervösen Musikers eine grundfalsche Note. Nichts war dem Rektor so heilig als die Ordnung an der Staatsschule. Er sah es für seine eigene Komposition an, daß alle Kurse ihre Stunden regelmäßig einhielten, daß die Herren Professoren auf die Minute ihren Vortrag begannen, daß die Pause genau zehn Minuten dauerte und er die Herbst- und Lenzferien seit zwanzig Jahren immer, man denke! –
Ich hatte inzwischen die Mütze vom Schirm zur hintern Naht gedreht. Nun ging es wieder dem Schilde zu.
»Am Freitag ist doch Schule,« sagte der Rektor streng, – »Sie haben,« – der Basileus zog sein Notizbuch hervor und blätterte darin, »Sie haben,« las er, »am Vormittag Latein, Französisch und Chemie. – Nachmittag Zeichnen und Deutsch. – Von diesen Stunden kann ich nicht dispensieren.«
Ich schwieg betrübt.
»Warum wollen Sie Vakanz?« hob der Rektor wieder an, indem er dem Worte Vakanz eine bösartige Färbung gab. »Ist etwa jemand krank zu Hause?« – wieder versuchte er, freundlich zu scheinen. Es fiel ihm wohl ein, daß er eigentlich zuerst danach hätte fragen müssen.
»Gestorben? – die Erde sei ihm leicht! – was wollen Sie nun noch?«
»Zur Beerdigung!«
»Ach so,« der Rektor schlug sich leicht vor die Stirne, »zur Beerdigung! Ja richtig, das tut man ja!«
Hoffnung erwachte in mir. »Darf ich gehen? – Ich könnte allenfalls mit dem Ein-Uhr-Zug wieder zurückkehren.«
»Nun ja, das Latein, – immerhin! – Aber bedenken Sie das Französische. Wer kommt ohne das heute durch die Welt! – Was hatten Sie denn da für eine Note?« – er blätterte im Taschenbuch weiter zurück, wo er alle Noten aller Klassen, aller Jahre säuberlich eingezeichnet hatte.
»Mittelmäßig!« gestand ich, um das peinliche Suchen mir und dem Quäler zu ersparen.
»Ah, mittelmäßig, sehen Sie! Sehen Sie!« – triumphierte der Rektor. »Und dann erst noch die wichtige Chemie, die Grundlage allen Wissens. – Irre ich nicht, so stellt Herr Professor Dr. Müller den Wasserstoff dar. Wissen Sie auch, was das heißt, Wasserstoff darstellen – H – y – dro – gen – ium?«
»Ich würde die Lektion nachholen, Herr Rektor.«
»Sie haben ja keine Eltern und Geschwister! – ist es denn Ihr Onkel oder Pate, – Ihr – Ihr – nun denn, ist dieser Herr Marzellus Anders –«
»Ah so, ist es Ihr Schwager – ach, – wollte sagen –«
»Es ist der Nachtwächter von Lachweiler,« erklärte ich nicht ohne Scham. Aber sogleich schämte ich mich noch viel mehr über diese elende Scham selber.
»Der Nacht – wächter? – ich staune!«
»Ein Freund und Genoß –« ich hatte den Mützenschirm erreicht.
»Mein lieber Walter,« schnitt mir der Basileus das Wort ab und legte die Linke, an der ein Ring und zwei blaue Tintenflecken glänzten, auf meine rechte Achsel, »reden wir nicht weiter davon! – Sie bleiben am Freitag hier.«
Dann legte er auch die andere Hand, an der kein Ring, aber drei Tintenflecken klebten, auf meine linke Achsel, und fuhr im Tone eines strengen, doch wohlmeinenden Arztes weiter: »Sie schwärmen! – Die Professoren beklagen sich über Sie; erst heute noch Dr. Setzer wegen des Lateinischen. – Im Deutschen sind Sie tüchtig, – aber in der Mathematik merken Sie nicht auf und zeichnen sonderbare Figuren in die Rechenhefte. – Mir unverständlich, ganz unverständlich! – Kürzlich haben Sie ein Gedicht in Ihre Algebra gemacht, eine Ode an die Natur?« –
Es überkam mich heiß. Mich dünkte, der Rektor nehme mir Stück um Stück der Bekleidung weg, bis
»Gute Verse, – glatte Strophen! – aber unreif, Jüngling, unreif!«
Noch einmal drehte ich die Mütze im Kreise.
»Dann haben Sie die lächerliche und mir ganz unverständliche Passion, Mädchennamen in die Bank zu kritzeln, – Laura – Beat – rice – Leonore – wer steckt eigentlich dahinter, wie?« – Erbarmungslos rückte der peinliche Befrager die Brille zurecht, um mich besser zu betrachten.
Jetzt wurde mir die Weste ausgezogen.
»Wer, mein Freund, ist diese Laura?«
»Herr Rektor, – ich – ich weiß – nicht –«
»Das sag' ich ja, – Sie sind ein Schwärmer, – und die wissen alle nicht, was sie tun. Da rat' ich Ihnen: waschen Sie jeden Morgen Brust und Rücken mit Brunnenwasser, – gehen Sie um neun Uhr zu Bette, – trinken Sie kein Bier, – rauchen Sie keine Zigarren und noch weniger Zigaretten, – sündigen Sie keine Gedichte mehr und lassen Sie mir die Bänke in Ruhe!«
Damit führte er mich gegen die Türe und öffnete sie.
»Dann können Sie mit Ihrem Talent ein tüchtiger Mann, eine Ehre für unsere Anstalt und eine Kraft für unser Vaterland werden. Adieu!«
»Adieu, Herr Rektor!« sagte ich kleinlaut.
Jetzt fielen auch die Hosen und ich stand nur noch im Hemd, im dünnen Armensünderhemd da.
Jakob und ich kauften nun einen Kranz aus wirklichem Lorbeer und ließen ihn mit Andreas' Lieblingsblumen durchsetzen, weißen und blaßroten Geranien. Jakob, – denn er war viel besser als er schien! – holte dazu aus dem ersten Seidengeschäft der Stadt eine breite Schleife aus grünem Damast mit echten Goldfransen. Nach langem Überlegen ließen wir noch spät am Abend den gestickten Spruch: »Aus Freundschaft« als ungenügend und gemein, wegtrennen und dafür in goldener Schrift hinsetzen:
Am Freitag stellte Dr. Müller wirklich den Wasserstoff dar. Als die trübe Mischung sich endlich löste, das Phlegma niedersank und das reine Element in der Retorte emporstieg und sich an der Öffnung entzündete:
Zwei Tage später vernahmen wir, daß unser Kranz der schönste auf dem Grabe gewesen sei. Doch habe die Inschrift im Gemeinderat Unruhe erweckt, und man sei zum Gemeindeschreiber, der eine Bibliothek besitzt, und als dieser das Rätsel nicht lösen konnte, zum Pfarrer gegangen, um zu erfahren, ob in dem Ausdruck »Prometheus der bäuerlichen Freiheit« nicht eine geheime Aufreizung oder eine verkappte Verletzung der Dorfmajestät liege? Was eigentlich Prometheus heiße – ob das ein Tier oder ein Mensch gewesen sei? – Und wenn ein Mensch, – wie er gelebt und vor allem, ob er konservativ, altväterisch politisiert oder etwa auch in das freche Horn der Jungen gestoßen habe? – Darauf habe der Pfarrer leicht gelächelt und gesagt: »Herren Gemeinderäte! – Dieser Prometheus hat nie gelebt. Darum lasset den Spruch nur am Bande, ein Mensch, der nie existiert hat, wird Euch doch nicht Kopfweh machen!«
Darauf habe der Ammann den Lehrer Philippus zu sich rufen lassen und ihn um Aufschluß über den Prometheus gebeten. Denn der Rat des Geistlichen
Doch wie man sich an die Exekution machte, da kam noch rechtzeitig der alte Kronenwirt dazu. »Was geht das den ganzen löblichen Gemeinderat an, was mein Bub und der Walter dem Nachtwächter ins Grab schenken?« habe er gerufen. Keinen Buchstaben daran lasse er ändern und so wahr die Herren hinterrücks am Kranze das geringste flicken, werde er sorgen, daß solch häßliches und lächerliches Schildbürgerstücklein in allen drei Bezirkszeitungen gehörig geschildert und ihre Urheber mit Namen und Geschlecht dabei aufgeführt werden, wie die Spieler auf dem Theaterzettel.
Das habe gewirkt. Denn der Kronenwirt war ein unbescholtener, ganzer und höchst unabhängiger Mann. Man habe sich also damit begnügt, die Seidenschleife verkehrt auf das Grab zu legen, den tapferen Spruch zur Erde gewandt.
Ich aber stand am Fenster, das in der Richtung nach Lachweiler sah, und sprach mit dem Pathos eines Studenten, der Cicero seit acht Tagen zu lesen begonnen hat: »Ihr Toren! – begrabt die Freiheit wie Ihr wollt mit der Nacht Euerer alten, rußigen Vorurteile,« – hier hob ich meine Stimme und richtete mich schon nicht mehr an mein kleines Dorf allein, sondern an die ganze reparaturbedürftige Welt, – »es gibt immer wieder Nachtwächter, die wie Andreas Marxele die Laterne durchs Dunkel weiter tragen, bis es endlich Tag wird.«
An jenem Tage erfand ich eine neue Einteilung der Weltgeschichte. Die Vergangenheit stand im Zeichen des kämpfenden Prometheus, – die Gegenwart lag im Banne des duldenden Andreas Marxele, und die Zukunft gehörte dem siegenden – ach, ach, die Bescheidenheit ist eine so häßliche Sache!