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Woher, so ernsthaft mein Nachbar? Zwar wir Leuthe haben immer was zu thun, wenn wir die Herde recht pflegen, und unser kleines Gut, wie man thun soll, besorgen wollen.
Du hast recht, redliches Weib! die Tage kommen und gehen bey der Arbeit
Du bist ein frommer Mann, drum bist du so gesegnet; man ist immer wol zu Muthe, wenn man redlich ist und die Gœtter ehrt; besonders sollen Leute fromm seyn, die in ihrem Leben noch grosse Geschichten erwarten. Was wird endlich aus der Sache werden? Wir dœrfen hier uns wol von unserm Geheimniss unterhalten; Sie sieht um sich her. wenn ich nur noch
Die Gœtter haben was grosses mit ihnen vor; Evander ist der schœnste, weit umher; er ist so schœn, wie die Bild-Sæule, die in dem Delphischen Tempel steht; er ist weise, wie sonst Mænner sind, von viel mehr Jahren und Erfahrung. Kyhnheit hat er, wie Hercules; er wyrde mit Lœwen streiten; und wer ybertrift ihn im Ringen, im Wett-Lauf, in jeder Ybung, die Stærke und Schnelligkeit fodert? Seine Lieder sind die besten, als hætte sie Apoll ihm im Traum gegeben.
Eben so sehr ybertrift Alcimna die andern Mædchens; sie ist schœn, wie die Gratien sind; und besizt jede Anmuth, die ein Mædchen zieren, in vollestem Maasse; sie ybertrift die andern alle, wie die Rose gemeine Gras-Blumen ybertrift.
Ich fyrchte und hoffe immer wechselweise von ihrer Liebe; vielleicht habens die Gœtter gefyget, dass sie sich lieben sollen; aber – – – wir wissens doch nicht. Immer hoff ich, das Schiksal werde sie nie trennen; aber – – – wir haben doch yber ihr Schiksal nicht so zu entscheiden, wie wenn sie unsre eigenen Kinder wæren; man wird sie wieder von uns fodern; vielleicht geschieht es bald; wir kœnnen doch nicht zugeben, dass der Gott der Ehen sie verbinde; wir myssen noch ihre Hofnungen entfernen.
Gewiss! du hast recht, Lamon! Ich hoffe, wir werden die Geheimnisse bald am Tag sehen; ich wynsch es mit grœsserer Ungeduld als du, ich bin drum auch ein Weib.
Die Gœtter werden die Sache beym besten leiten. Wie schmerzhaft wyrd' es fyr mich seyn, wenns nicht so wære; wie sehr verdienen beyde, glyklich zu seyn! Es quælt mich, dass ich den Wunsch seiner zærtlichen Liebe nicht erfyllen darf. Ich lyge ungern; und was soll ich ihm fyr Ursachen lygen? Ich hab es immer verabscheut; die Gœtter wollens uns verzeihen. Wir wollen sagen, du und ich haben in der gleichen Nacht einen warnenden Traum gehabt.
Du bist schlau; es sey in einer guten Stunde geredet, wenn wir durch lygen sie betriegen myssen, so seys eben wie du gesagt hast. Wir kœnnen auf keine andre Art ihrem bestændigen Flehen entrinnen. Aber lebe wol; ich muss in meinen Garten gehn; sieh! da kœmmt dein Sohn; ich will hier durchs Gebysche schlypsen.
Ich suche sie schon lange umsonst; sie ist hier nicht, am Wasser-Fall nicht; und unter den Hasel-Stauden hab ich sie umsonst Er sieht umher. Da hab ichs. Er weicht mich aus; mein Vater weicht mich aus, so oft er fyrchtet, ich wolle von meiner Alcimna ihm reden. Gœtter! Ich weiss nicht, was ich von allem denken soll. Was kann es ihm zuwieder seyn, dass ich das beste Mædchen im ganzen Land liebe? denn jeder, er selbst, gestehet ihr den Vorzug vor allen zu. Das macht mir bang, recht bang. Aber wo ist sie? Sie kœmmt noch nicht. Hier an diesen Baum von so glatter Rinde will ich ihren Namen schneiden. Er langt ein Messer aus seiner Hirten- Tasche. Du sollst ihren Namen tragen, und den meinen; dann wachse hoch auf; dich soll kein Beil verlezen; dieser Baum ist der Liebe heilig, wird, der vorybergeht, sagen. Da er anfængt in die
Rinde schneiden, kœmmt Alcimna, leise hinter ihn gehypft; sie dekt ihm die Augen mit beyden Hænden.
O! wenn er mich nur nicht bis hieher verfolgt; mich hielte Milon, der Ziegen-Hirt auf. Wie sehr ist seine Liebe mir zur Last!
O das dacht ich, du werdest Evandern hier finden. Evander gewinnt in allem, im Ringen, im Wett-Lauf, im Singen, und bey den Mædchen. Evander! du hast schon manch schœnes Lamm gewonnen.
So spœttisch! Lass mich dir nicht so unwerth seyn; ich muss dir ein Lied singen, das ich heute fryh – – –
Du magst kœnnen was du willst, Evander, so kannst du mich doch im Flœten nicht ybertreffen; ich habe eine hier; diese
Und ich die ganze Herde, dass du der beschwerlichste Mensch bist im ganzen Land; wirst du denn ewig schwazen? Du bist wie ein Ast voll Dœrne, der sich dem Vorybergehenden anhængt; du schleppst dich immer mit.
So geh ich. Er geht ab, und kœmmt wieder. Nun, ich habe noch was rechtes vergessen; ich muss euch was erzehlen: Gestern, die Sonne war schon im Meer, da gieng ich am Ufer, und – – –
Zu End, eh' ich angefangen habe. Nun da ich am Gestad war, da sah ich Asphalion, den Fischer; er hieng eben sein Neze auf, der sprach, er habe vor Sonnen-Untergang fynf grosse Schiffe auf dem hohen Meer gesehen, und er glaube, sie werden an unserm Ufer landen, wenns nur nicht – – –
Ist er auch gewiss weg, der Schwazhafte? Sie sieht sich um. Ja; und sollt er auch hinter jenem Gebysche noch horchen, was hinderts mich, mein Geliebter! dir's zu sagen, dass nach deiner Gegenwart mich mehr verlangt hat, als die Zeisig zu ihren Jungen zurykverlangt, wenn ein muthwilliger Knab auf dem Felde sie fieng; er mag ihr liebkosen wie er will, so sizt sie traurig da, und lauert wie sie entwischen kœnne; sie flieht mit nicht begierigerer Eile ihren Jungen zu, als ich dir zuflog, da Milon mich aufsieng, und ich ihm entwischte.
O meine Geliebte! wie bin ich beglykt, dass du so mich liebst! Als ich hieher gieng, an jenem Rosen-Zaun vorbey, siehe, da fand ich diese Rosen, so neben einander gewachsen, und Brust an Brust zugleich aufgeblyhet. Vereint streuen sie die syssen Geryche umher, vereint werden sie verwelken. Pflanze, meine Geliebte! pflanze dies Bild unsrer Liebe vor deinen Busen.
Ja, ich pflanze sie vor meinen Busen; sieh! wie schœn sie stehen. So blyheten wir neben einander auf.
Ich war recht erschroken, als ich, da ich dort bey jenen Buchen voryber hypfte, den Milon fand; er war mir so werth, wie die Hummeln den Bienen sind. Er stand da mitten im Weg. Jedes Mædchen, sprach er, das diese Strasse gehen will, muss mir hier einen Kuss geben; so lass mich doch gehen, sprach ich unwillig; aber er hætte mich bis izt nicht gehen lassen; sieh, sprach ich da, wem gehœrt wol jene weisse Kuh, die dort im Sumpf wattet, die hat sich gewiss verirrt; und da er hinsah, da hypft ich hinter ihm weg; und ich war schon weit, noch eh
Ja du, du staunest, als hættest du was zu sagen, das du nicht gerne sagen willst. Mache mich nicht unruhig.
Mich machen die Zœgerungen, die mein Vater immer den sehnlichsten Wynschen unsrer Liebe giebt, unruhig. Es scheint, als wich er es aus, mich allein zu
Heute hat er von den Erstlingen der fynf Bæume, die er gepflanzt hat, da ich den ersten Fryhling erlebte, den Gœttern geopfert; ich kam von ungefehr dahin, wo er opferte, und, um seine Andacht nicht zu stœren, blieb ich im Gebysche stehen, und da hoert' ich ihn so zu den Gœttern betten: Ihr gutthætigen Gœtter! Hœret mein Gebett, und nehmet dies mein Opfer gnædig an. Seyd gnædig meinem Sohn, und lasst die wunderbaren Schiksale, die auf ihn warten, glyklich
Was auch fyr Schiksale auf mich warten; die Gœtter geben, dass es gute sind! so wird deine Liebe allein mich zum Glyklichsten machen.
O mein Geliebter! Lass traurige Gedanken uns nicht unruhig machen; lass uns ein Unglyk nicht trybe Stunden machen, dass vielleicht nimmer kommen wird. Ermuntre dich, lache mich an; Hœre, wir wollen das Lied singen, das wir so gegen einander singen.
Ich komm aus Liebe zu dir zuryk; ihr finget da, und sagt euch tausend Sachen, und merket nichts von allem, was um euch her geschieht; hœrtet ihr denn dies Gewimmel nicht?
Sie sind ans Ufer gestiegen; und gerade neben diesem Gebysch, dort unter den Linden- Bæumen, schlagen sie Gezelte auf. Ich wollt's euch sagen, damit ihr nicht yberfallen werdet; wer weiss was sie hier wollen; ihr werdet hier nicht sicher seyn.
Wie sehr bin ich ungedultig, meinen Sohn zu sehen. Die Jahre der Gefahr sind nun vorbey. Achtzehn Jahre, so befahl das Orakel, soll ich ihn unbekannt bey den Hirten lassen. Und dies ist nun der achtzehnde Fryhling, seit dem ich ihn versandt habe; ein junges Kind, schœn, wie man die Liebes- Gœtter mahlt. Ich hoffe, an ihm einen Sohn zu finden, der die sanften Eindryke von Tugend und Billigkeit unverderbt behalten hat.
Ich selbst bin ungedultig, unsern Prinzen
Die Gœtter geben, dass alles beglykt sey! Zwar vielleicht wird er ungern diese Ruhe in dem Schoosse der einfæltigen Natur, und diese stillen Schatten verlassen. Die Eindryke, die diese Anmuths-volle Gegend auf mich macht, sind so lieblich, dass es scheint, meine Seele empfind es, dass der Aufenthalt bey der einfæltigen schœnen Natur unserm Wesen der angemessenste
In der That, unsre Lebens-Art ist so sehr von der ersten Einfalt unterschieden, und hat so viel fremdes an sich genommen, dass es wunderbare Eindryke auf den machen muss, der mit einmal in dieselbe hineingefyhrt wird, und nicht von seiner ersten Jugend an, jene edle Einfalt verkennen gelernt hat.
Es ist nun schon eine Stunde, dass ich ihn erwarte; dort kœmmt jemand durchs Gebysche, ein schœner Jungling; so schœn, dass in mir der Wunsch entsteht, dass der mein Sohn seyn mœchte. Er kœmmt gerade auf uns zu.
Ja nun; es ist uns immer etwas wunderbares, Leuthe aus den Stædten zu sehen. Aber sagt mir, ihr Herren, seyd ihr nicht mit dem Fyrsten aus Zirta hieher gekommen, der gestern an unserm Ufer gelandet hat?
Ich? Ha! Ha! Das lass ich wol bleiben. Ich war als kleiner Knabe nur einmal in der Stadt, in Delphos. Ich war erstaunt yber alles, was ich da sah; aber ich mœchte doch unsre schœne Gegend nicht an die Stadt vertauschen, wo man so viele Straffen vorbey laufen muss, um in das freye Feld zu sehen.
Ich wyrde mich schwerlich daran gewœhnen, unter Leuthen zu wohnen, die ganz andre Sitten haben, als wir. Sie lachen yber uns Leuthe, die so einfæltig sind; aber wir sind doch immer eben so glyklich, wie sie; sie haben so viele Geschæfte, um es zu seyn; wir nicht; wir
Ich liebte dich, so bald ich dich sah. Aber sollt ich meinen alten Vater, den ich auch liebe, hylflos zuryklassen, und mit dir nach der Stadt gehn? Mein Vater hat mit zærtlicher Sorgfalt meine Jugend gepflegt, sollt ich nicht mit dankbarer Sorgfalt sein Alter pflegen. Bleibet ihr bey uns, ihr Herren, ihr sollt das Beste
Mein Vater sendet mich zu ihm, ich soll ihm diese Frychte bringen; ich musste sie von den Bæumen brechen, die er vor achtzehn Jahren gepflanzt hat; in dem Fryhling, sagt' er, da ich ein Jahr alt war. Sie sind reif, und syss wie Honig. Wo werd ich ihn finden?
Gœtter! So alt ist mein Sohn! Sein Pfleg- Vater mysste die Bæume gepflanzt haben in eben dem Fryhling, da ihm das Kind ybergeben ward. Arates! ô wenn er es selbst wære!
Aber sagt mir doch endlich einmal, wo ich den Fyrsten finde. Ich muss gehen, ich habe noch vieles zu thun bey der Herde und im Baum- Garten, und mein Mædchen erwartet mich am Bach.
Ja, mein Herr! Ich bins; und dieser Jyngling ist es, der euch die Frychte yberbracht hat. Sie sind von den Bæumen, die ich in dem Fryhling gepflanzt habe, da mir das Kind ybergeben ward; und das ist die verschlossene Schrift, die man mir mit ihm ybergab.
Es ist untryglich wahr, umarme mich, du bist mein Sohn! umarme deinen glyklichen Vater. Sie umarmen sich.
Ja, ich bin dein Vater! auf Befehl der Gœtter hab ich dich, als kleines Kind, aus meinen væterlichen Armen versandt, und diesem Mann deine zarte Jugend vertraut.
Und, du bist mein Vater nicht! O! Ich werde dennoch Vater dich nennen, dich, der mich so zærtlich geliebt hat.
Habt Dank ihr Gœtter! dass ihr meinen Sohn so gnædig erhalten, so gytig mir wieder geschenkt habt! Du mein Freund, wie werd ich deine zærtliche Sorge fyr ihn dir belohnen kœnnen?
Den Gœttern seys gedankt, die alles so zum Glyke leiten; meine Sorge fyr ihn wird mir belohnt seyn, wenn er mich immer liebt, und wenn er glyklich ist. Ich bedarf nichts von allem, das du mir geben kœnntest.
Glykliche Leuthe, die so wenig bedœrfen! Aber, Arates! ich will meine Freude
Gœtter! Das ist wunderbar, ich weiss nicht, ob ich wache oder træume, ich bin ganz verwirrt. Am liebsten mœcht ich wol zu meiner Alcimna gehn, und ihr sagen, was mit mir vorgegangen ist. Allein, ha! da kœmmt schon jemand. Wer ist der, der so zu mir herhypft?
Dass endlich der strenge Wille des Orakels erfyllt ist, und du aus der niedrigen, gleichfœrmigen, ekelhaften Lebens-Art erlœsst wirst, in der du durch ein zu strenges Schiksal deine erste Jugend verlohren hast.
Den Gœttern seys gedankt, die es so gefygt haben. Ich werde die Anmuth meiner jugendlichen Tage nimmer vergessen. Diese angenehmen Geschæfte! Dieso unschuldigen Freuden!
Unschuldige Freuden! Ha! Ha! Ha! O Prinz! du weist noch nicht was Freuden sind. Komm in die feinere Welt, da wirst
Wenn das Morgen-Roth die schœne Gegend erhellet, und dann jede Pflanze, jeder Vogel neues Leben gewinnt, da empfindest du keine Freude?
Ich glaube, er meynt, man mysse wenigstens hinterm Pflug gehn. Zu Evandern. Meine Geschæfte! sind præchtige Kleider, Gastereyen, Danzen,
Wir hier. Wir sind einfæltig; wir heissen Geschæfte, das, womit wir uns oder andern nuzen; und auch diese geben uns Zufriedenheit und Freude; wir lieben die nyzliche Biene mehr, als den Schmetterling; er mag auch noch so schœn gepuzt seyn.
Gœtter! wie niedrig denkt unser Prinz! wie riecht er nach der Herde! Zu Evandern. Leuthe von niedrerer Art mœgen sich ihr Leben immer sauer werden lassen; wir Leuthe von Stand geniessen
Nichts weniger als das. Sie sind schœn
O einfæltiger Mensch! Wisse dich immer gross mit deiner Kunst, das beste Glyk, das die Gœtter uns gewæhren, aus deinem Herzen zu verbannen, und dich selbst um die besten Freuden zu betriegen. Du kœnntest dich eben so leicht bereden, die sysse Birne sey bitter, die Rose gebe widrige Geryche.
Du wirst, mein Prinz! diese wunderliche Denk-Art bald selbst læcherlich finden, die eine so niedrige Erziehung dir gab.
Ist dieser læcherliche Mensch weg? Ich will diesen da fragen wer es ist, der so bewafnet dahergeht. Wer bist du, mein Freund! mit so fyrchterlichem Aussehen? Was soll der Speer in deiner Hand, und was ist das an deiner Seite?
Aber wozu schleppest du so fyrchterliches Geræthe bey dir, in der Zeit der Freude? Ich wyrde des Mannes lachen, der den ganzen ruhigen Winter alles sein Geræthe herumschleppen wollte, das er im Sommer seinen Garten und sein Feld zu bauen braucht.
Ja, es sind viele, und immer mit solchem Geræthe versehen. Ha! Ha! – – – Du must mir verzeihen, ich muss lachen.
Darum, weil ihr immer so auf eurer Hut seyn mysst. Ihr werdet viel Wœlfe und andre reissende Thiere da haben; bey uns haben wir diese Sorgfalt nicht nœthig,
Ja, das ist auch nicht ohne Noth, Prinz! Es hat schon mancher Fyrst durch sein eigen Volk sein Leben verlohren. Wir myssen das Volk in Furcht behalten, dass es nicht in allgemeinem Aufruhr gegen seinen Fyrsten aufsteht.
Aber das muss ein bœses Volk seyn, bey dem ich nicht leben mœchte. Ists nicht so, wie wenn man den Vater gegen seine
Freylich; und was hat das Volk auch da zu sagen? Es sind viele Fyrsten, die keine andern Geseze, als ihren eigenen Willen und ihre Leidenschaften haben; die mit dem Volk und mit seinem Vermœgen so umgehen, dass es endlich, zur Raserey gebracht, frech genug ist, seinen Fyrsten umzubringen.
O Gœtter! In was fyr ein Land wollt ihr mich fyhren! Und ihr seyd also diejenigen, die, wenn ein Fyrst bœse ist, das geplagte Volk in Furcht erhalten. Mir schauert; ich versteh die abscheuliche Sache nicht. Es ist also, wie wenn ein wytender Wolf unsre Herden wyrde anfallen,
Nein; aber wir sind auch nicht allein darum da. Wenn ein Fyrst sein Land erweitern will, dann ziehen wir in das benachbarte Land; dann kommen eben so viele oder noch mehr eben so bewafnete Mænner; man steht in guter Ordnung gegen einander, und schlægt tod, so viel man kann; wer am tapfersten gewesen ist – –
Gœtter! Ich muss lachen; ich muss wie mit einem Kind mit ihm reden; er weiss auch gar nicht, was gross Zum Prinz. Wer am meisten Feinde getœdet hat; wer am meisten dem Feind hat Abbruch thun kœnnen, dessen Bild wird dann zum ryhmlichen Denkmal in Erz gegossen, oder in Marmor gehauen.
Das ist abscheulich. O! ich mag weiter nichts wissen; mir schauert nur eins noch; mein Vater ist doch so grausam nicht.
Nein, er ist kein kriegerischer Fyrst; unter ihm ist bey unserm Ehren-vollen Stand wenig Ruhm zu gewinnen.
Und du beklagst es noch? O Gœtter! Ruhm und Ehre erlangt man, wenn man beleidigte Menschen erwyrgt; bey uns wyrde man denjenigen verabscheuen, der
O ich verlasse dich! was du mir da sagst, erfyllt mich mit Abscheu; ich will niemand mehr fragen, niemand mehr sehen. Aber, Gœtter! da steht schon wieder ein andrer.
Erlaube, gnædigster Prinz! Er wirst sich vor ihm auf die Erde.
Das ist wunderlich; so hat mein freundlicher Hund sich geberdet, wenn er mich lange nicht gesehen hat. Aber warum thust du das?
Ein Sclave? ich habe Mitleiden mit dir; durch was fyr ein Unglyk bist du in dies Elend gerathen? Wie ich gehœrt habe, so ist das das elendeste Schiksal, in das die Menschen kommen kœnnen.
Mein Prinz! Ich bin keiner von jenen elenden Sclaven, die durch Unglyk oder Verbrechen ihre Freyheit verlohren haben. Es ist meine eigene Wahl; aus Ehrfurcht fyr dich opfre ich meine Freyheit deinem gnædigen Willen auf; ich werde nur glyklich seyn, wenn – – –
Was ich aus deinen wunderlichen Reden verstehe, so dynkts mich, du seyest ein veræchtlicher Narr. Was das fyr Leuthe sind! Ich bin ganz verwirrt; ich wynsche, dass das alles ein Traum sey! Da ist einer von ehrwyrdigerm Ansehen; ô sage mir, Freund! ob ich wache oder træume? Ehrwyrdiger Mann! An dir werd ich doch einen vernynftigen Menschen finden.
Du betriegest dich nicht, Prinz! Bey mir findesft du den Schlyssel zu jeder Wissenschaft. Wer sich meines Unterrichts bedient, der wird gelehrt und ehrenwerther als ein Kœnig seyn.
Wie sehr befreu ich mich, dich gefunden zu haben! Du kennest also auch die Wissenschaft, wie man das Feld bauen soll, und die Pflege der Pflanzen?
Vielleicht find die Musen dir besonders gewogen, und du dichtest schœne Gesænge, die das Gemyth der Menschen erquiken?
Das ist wunderbar! So kennst du der Menschen Thun und Lassen, und was ihnen gut ist, wenn sie sollen glyklich seyn?
Ich rechne den Sternen ihren Lauf aus; ich kenne Sprachen, die entfernte Nationen reden; ich habe berechnet, wie viele Sandkœrner auf einer Meile Landes ligen; und habe erst vor kurzem noch einen neuen Flek im Mond entdekt, den Endymion selbst nicht gekannt hat.
O ihr Gœtter! Nun will ich entfliehen! O lasst mich! lasst mich! Ich werde mich Tage lang nicht wieder von meiner Verwirrung erholen.
Aber, mein Kranz steht doch recht?
Ich muss lachen. Es ist doch den Mædchen wie angebohren, dass sie allem gefallen wollen, was nur Augen hat.
Du wirst hier Sachen vernehmen, die dich in Erstaunen sezen, mein liebes Kind!
Das werd ich nicht. Lass mich fliehen, ich will an dem wildesten Ort mich vor diesen Leuthen verbergen; komm eh jemand kœmmt, oder ich entfliehe allein.
Ich bins nicht, mein Kind! Du bist von hohem Hause aus der Stadt. Es ist nun sechszehn Jahre, dass eben der Mann, der uns hieher fyhrte, dich zu mir gebracht hat, weil ein Traum es deinem Vater befohlen hat; izt ist er hier, um dich abzuholen.
Gœtter! Wie sezest du mich in Erstaunen, ich bin ganz verwirrt; aber es muss wahr seyn; warum solltest du ein so wunderliches
Du, mein Getreuer! sollst so wichtige Dienste nicht umsonst gethan haben. Es ist also gewiss das Weib, der du das Kind ybergabest.
Ganz gewiss, mein Herr! Ich hætte noch ihre Gesichts-Zyge gekannt, wenn sie mir auch den Ring nicht mehr hætte aufweisen kœnnen, den ich dir ybergeben habe. Auch ist deine Tochter so liebenswyrdig, dass du sie gern dafyr erkennen wirst. Dort steht sie.
Seyd mir gegrysst, o sey mir gegrysst, meine Tochter! bestes Geschenke der Gœtter! Umarme mich, geliebtes Kind!
Den Gœttern seys gedankt, die alles so zum glyklichen Ende leiten! O geliebtes Weib! wie wol war deine Sorge angewandt!
O wie die Unschuld der Sitten und des Herzens so schœn ist! Weib! deine Sorge soll nicht unbelohnt bleiben. Noch einmal, umarme mich, geliebtes Kind!
Chloe mag izt zu Hause ihre Geschæste besorgen, bis ich sie wieder rufen lasse; ich eile zum Fyrsten, ihm meine Freude zu sagen. Indess, mein Kind! bleibe du
Ihr seyd sehr gutherzig, dass ihr mir so sehr gewogen seyd, da ihr mich doch nur den Augenblik zum ersten mahl sehet, ihr Jungfern!
Aber wenn ich auch alles ausdæchte, so wisst' ich doch izt nichts zu befehlen. Wie kann einer Person so viel fehlen, dass zwo nur dafyr bey ihr seyn myssen, um ihr zu gehorchen; entweder myssen die gar nichts zu thun haben, als sie anzugaffen, oder die andre muss sehr unruhig und wunderlich seyn.
Ein vornehmes Frauenzimmer muss sich niemals als nur mit Artigkeiten beschæftigen; das ybrige kœmmt immer uns zu. Dein Blik befiehlt, und wir fliegen; es giebt immer tausend Kleinigkeiten, die man zu befehlen hat.
Das begreif ich nicht. Ich muss lachen; Das wære so, wie wenn ich ein Veilgen haben wollte, das ich neben mir blyhen sæhe, und statt es mit kleiner Myhe selbst zu brechen, mysst' es meine Gespielin thun.
Erlaube, dass ichs dir sage; du must die einfæltigen Sitten an die Sitten der Hœfe vertauschen. Ein Frauenzimmer von Stande muss seinem Stande gemæss leben. Fyrhin werden wir dich nimmer verlassen, um dir Lehren zu geben.
Aber – – – mir deucht die einfæltigen. Sitten, so wie wir sie hier haben, sind darum bequemer und darum auch besser, weil sie sich von selbst geben, und nicht so myhsam myssen gelernt werden, wie wenn man einen Vogel einen fremden Gesang lehren will. Sagt mir noch was von den Sitten der Stadt; ich fyrcht, ich fyrcht, sie werden mir sehr beschwerlich seyn.
Am Morgen, wenn du erwachest, und das ist, wenn der Mittag kœmmt; ein
Wenn der Mittag kœmmt? Ich sollte also den muntern Morgen-Gesang der Vœgel nicht mehr hœren, und die Sonne nicht mehr aufgehen sehn; das wære mir artig.
Das ist nærrisch geredet, ihr Jungfern! Das wird mir eine artige Lebens-Art seyn, wenn sie sich schon so schœn anfængt. Nun weiters.
Darnach werden wir beyde da seyn, und dich ankleiden; und das muss Anstands halber mehr als eine Stunde dauern; und
So muss mir das eine wunderliche Kleidung seyn, wenn ich zwo Gehylfinnen haben muss, um in einer Stunde nicht fertig zu werden. So wie ich hier bin, bin ich doch so reinlich und so gut gekleidet, als irgend ein Mædchen auf dieser Trift; und ich habe mir doch alle Morgen in der Quelle mein Gesicht gewaschen, die Haare aufgebunden, und frisch aufgeblyhete Blumen vor den Busen und in die Haare gepflanzt; und doch war ich alle mal fertig, wenn die Sonne kam.
Nach diesem wirst du Besuche annehmen; wenn du nach der Stadt kœmmst,
Nun, die Leuthe sind sehr gefællig; aber sie werden mir doch zur Last seyn, wenn ich immer soll was sie wollen, und nicht kann was ich will.
Deine Schœnheit wird eine Menge Liebhaber anloken; da, bemerke das, must du, gegen alle gefællig, keinen zu viel hoffen lassen; je mehr schmachtende Liebhaber ein Frauenzimmer hat, je beneidens-werther ist sie. Bedenke, wie schmeichelhaft das ist, wenn einer den andern an Wiz, Pracht und Eifer, dir Vergnygen
Warum? Das dynkt dich nicht angenehm; von allen jungen Herren angebettet, und von allen Schœnen beneidet zu seyn?
Nein, das dynkt mich nichts weniger als angenehm; weil ich mich nicht verstellen kann, und mich nicht verstellen will; weil ich niemanden kan glauben lassen, ich sey ihm gewogen, dem ich doch nicht gewogen bin; und weil mir die schmachtenden Herren alle zur Last seyn werden, weil ich keinen andern lieben kan, als den ich wirklich liebe.
Ja, ja, ich scheu mich nicht, es zu gestehen; einen Hirten lieb ich, den lieb ich ohne Verstellung yber alles, und er liebet mich auch yber alles. Er ist schœn wie die aufgehende Sonne, und angenehm wie der Fryhling. Wie er, singt kaum die Nachtigall – – –
Ha! Ha! Ha! Verzeihe, wir myssen lachen; verzeihe, gnædige Gebieterin! du wirst nicht lange in der Stadt seyn, um einen Hirten zu vergessen. Du wirst, ich wette, in kurzem yber dich selbst lachen, wenn du die muntre Jugend der Stadt erst gesehen hast, ihren Wiz, ihre Artigkeit. O wie leicht wird es dir seyn, einen einfæltigen Hirten zu vergessen! Ihm wird
Lachet nicht; ich beschwœr euch, eh ich ihn vergesse, werd ich mein selbst vergessen. Weg mit euern unertræglichen Artigkeiten! Ihn werd ich lieben, ihn allein; ja, du Geliebter! eh sollen diese Bæume verderben, ehe die Wiesen verdorren; eh soll dein erquikendes Licht verlœschen, du Sonne! eh ich ihm ungetreu werde. Ja, du Geliebter! ich schwœr es dir – – –
Was ist das: Edle Geburt?
Sie wird nicht wollen mit Zu Alcimna. Dein Vater war immer gytig; ich hoff es selbst.
Ich hoff es nicht nur, ich glaub es; weñ ich ihn sehe, dann will ich mit Thrænen ihn umarmen, ich will so vest ihn umschlingen, wie das Epheu den Stamm umwindet; dann will ich ihn flehen und weinen, und gewiss – – – – Doch lasst mich gehn; mein Hirt wird recht ungedultig seyn, dass ich so lange nicht komme.
Wie sehr werd ich aller Orten aufgehalten; was das fyr ein unruhiges Gewimmel
Mein Sohn! Es ist so lange, seit ich dich gesehen habe; warum hast du so lange dich von mir entfernt?
So verlæssest du sie denn ungern? Sag mir: Haben diese Reichthymer, dieses Glyk, mit dem die Gœtter dich izt beschenkt haben, fyr dich keinen Reiz?
Diese schimmernde Pracht sezt mich
Aber das ist mir verdriesslich, dass sie mich immer umschwermen wollen, um
Mein Sohn! Das sind die Vorrechte der Fyrsten, die nur schlecht die Myhe belohnen, die ein solcher auf sich nihmt, ihre Geseze zu verwalten und ihr Wol zu besorgen.
Mein Vater! Aber wenn sie einen aus ihnen zu ihrem Fyrsten wehlen, so werden sie den wehlen, der der weiseste und der beste ist; darum werden sie auch dich gewehlt haben. Aber wie sind sie thœricht, da sie sagen, ich werde einst yber sie herrschen, noch ehe sie wissen, ob ich weise und gut bin. Wird einer seinen Weingarten einem zu bauen yberlassen, von dem er nicht weiss, ob er die Pflege des Weinstoks versteht?
Das ist nun einmal so angenommen. Du wirst noch unzæhlige Sachen zu fragen haben. Aber sage mir, du scheinst mir so unruhig, als wenn du mir unwillig nach meinem Palaste folgtest?
Du seufzest, mein Sohn! Fyr sich. Er weiss die Geschichte seiner Alcimna noch nicht; ich will ihn mit dem angenehmsten Entzyken yberfallen.
Alcimna! Ich habe von deiner Liebe gehœrt, mein Sohn! aber erst sollst du des Arates Tochter, sehen, die hab ich zu deiner Gemahlin bestimmt.
Erlaube mir, mein Prinz! dass ich meine Tochter vor dich fyhre, die so æhnliche Schiksale mit dir gehabt hat. Aber – – – warum so traurig, mein Prinz?
Ich muss sie sehen, weils mir mein Vater befiehlt. Bey Seite. Ach ihr Gœtter! Mein Vater hat mein Elend beschlossen!
Ich habe mit der besten Sorge fyr ihn gewæhlt; und eben das macht ihn untrœstlich. Wo ist deine schœne Tochter?
O ihr Gœtter! So muss ich izt dem Prinz zur Schau zugeschleppet werden, und dich nicht sehn, den ich allein liebe, den ich allein lieben werde.
Eure Liebe, ihr Kinder! sey von den Gœttern gesegnet! Sie haben euch fyr einander bestimmt. Du bist es zufrieden, mein Freund?