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Vermeldet Simplicii bäurisch Herkommen und gleichförmige Auferziehung
Es eröffnet sich zu dieser unserer Zeit (von welcher man glaubt, daß es die letzte sei) unter geringen Leuten eine Sucht, in der die Patienten, wenn sie daran krank liegen, und soviel zusammen geraspelt und erschachert haben, daß sie neben ein paar Hellern im Beutel ein närrisches Kleid auf die neue Mode mit tausenderlei seidenen Bändern antragen können, oder sonst etwa durch Glücksfall mannhaft und bekannt worden, gleich rittermäßige Herren und adelige Personen von uraltem Geschlecht sein wollen; da sich doch oft befindet, daß ihre Voreltern Taglöhner, Karchelzieher und Lastträger; ihre Vettern Eseltreiber; ihre Brüder Büttel und Schergen; ihre Schwestern Huren; ihre Mütter Kupplelerinnen oder gar Hexen; und in Summa ihr ganzes Geschlecht von allen 32 Anichen her also besudelt und befleckt gewesen, als des Zuckerbastels Zunft zu Prag immer sein mögen; ja sie, diese neuen Nobilisten sind oft selbst so schwarz, als wenn sie in Guinea geboren und erzogen wären worden.
Solchen närrischen Leuten nun mag ich mich nicht gleichstellen, obzwar, die Wahrheit zu bekennen, nicht ohn ist, daß ich mir oft eingebildet, ich müsse ohnfehlbar auch von einem großen Herrn, oder wenigst einem gemeinen Edelmann, meinen Ursprung haben, weil ich von Natur geneigt, das Junkern-Handwerk zu treiben, wenn ich nur den Verlag und das Werkzeug dazu hätte. Zwar ohngescherzt, mein Herkommen und Auferziehung läßt sich noch wohl mit eines Fürsten vergleichen, wenn man nur den großen Unterscheid nicht ansehen wollte. Was? Mein Knan (denn also nennet man die Väter im Spessart) hatte einen eignen Palast, so wohl als ein anderer, ja so artlich, dergleichen ein jeder König mit eigenen Händen zu bauen nicht vermag,
Gleichwie nun aber meines Knans Hauswesen sehr adelig vermerkt wird, also kann ein jeder Verständiger auch leichtlich schließen, daß meine Auferziehung derselben gemäß und ähnlich gewesen; und wer solches dafür hält, findet sich auch nicht betrogen, denn in meinem zehenjährigen Alter hatte ich schon die principia in obgemeldten meines Knans adeligen Exerzitien begriffen, aber der Studien halber konnte ich neben dem berühmten Amphistidi hin passieren, von welchem Suidas meldet, daß er nicht über fünfe zählen konnte; denn mein Knan hatte vielleicht einen viel zu hohen Geist, und folgte dahero dem gewöhnlichen Gebrauch jetziger Zeit, in welcher viel vornehme Leut mit Studieren, oder wie sie es nennen, mit Schulpossen sich nicht viel bekümmern, weil sie ihre Leut haben, der Plackscheißerei abzuwarten. Sonst war ich ein trefflicher Musicus auf der Sackpfeifen, mit der ich schöne Jalemj-Gesäng machen konnte: Aber die Theologiam anbelangend, laß ich mich nicht bereden, daß einer meines Alters damals in der ganzen Christenwelt gewesen sei, der mir darin hätte gleichen mögen,
Beschreibet die erste Staffel der Hoheit, welche Simplicius gestiegen, samt dem Lob der Hirten, und angehängter trefflicher Instruktion
Er begabte mich mit der herrlichsten Dignität, so sich nicht allein bei seiner Hofhaltung, sondern auch in der ganzen Welt befand, nämlich mit dem Hirtenamt: Er vertraut' mir erstlich seine Säu, zweitens seine Ziegen, und zuletzt seine ganze Herd Schaf, daß ich selbige hüten, weiden, und vermittelst meiner Sackpfeifen (welcher Klang ohnedas, wie Strabo schreibet, die Schaf und Lämmer in Arabia fett macht) vor dem Wolf beschützen sollte; damals gleichete ich wohl dem David, außer daß jener, anstatt der Sackpfeife, nur eine Harfe hatte, welches kein schlimmer Anfang, sondern ein gut Omen für mich war, daß ich noch mit der Zeit,
Aber indessen wieder zu meiner Herd' zu kommen, so wisset, daß ich den Wolf ebensowenig kannte, als meine eigene Unwissenheit selbst; derowegen war mein Knan mit seiner Instruktion desto fleißiger. Er sagte: »Bub bis fleißig, loß di Schoff nit ze wit vunananger laffen, un spill wacker uff der Sackpfeiffa, daß der Wolf nit komm, und Schada dau, denn he is a solcher veirboinigter Schelm und Dieb, der Menscha und Vieha frißt, un wenn dau awer farlässi bist, so will eich dir da Buckel arauma.« Ich antwortet mit gleicher Holdseligkeit: »Knano, sag mir aa, wei der Wolf seihet? Eich huun noch kan Wolf gesien.« »Ah dau grober Eselkopp«, repliziert' er hinwieder, »dau bleiwest dein Lewelang a Narr, geit meich wunner, was aus dir wera wird, bist schun su a grußer Dölpel, un waist noch neit, was der Wolf für a veirfeußiger Schelm is.« Er gab mir noch mehr Unterweisungen, und wurde zuletzt unwillig, maßen er mit einem Gebrümmel fortging, weil er sich bedünken ließ, mein grober Verstand könnte seine subtilen Unterweisungen nicht fassen.
Meldet von dem Mitleiden einer getreuen Sackpfeif
Da fing ich an mit meiner Sackpfeifen so gut Geschirr zu machen, daß man den Krotten im Krautgarten damit hätte vergeben mögen, also daß ich vor dem Wolf, welcher mir stetig im Sinn lag, mich sicher genug zu sein bedünkte; und weilen ich mich meiner Meuder erinnert' (also heißen die Mütter im Spessart und am Vogelsberg), daß sie oft gesagt,
Bis hieher und nicht weiter kam ich mit meinem Gesang, denn ich ward gleichsam in einem Augenblick von einem Trupp Kürassierer samt meiner Herd Schaf umgeben, welche im großen Wald verirret gewesen, und durch meine Musik und Hirtengeschrei wieder zurecht gebracht worden waren.
Hoho, gedachte ich, dies sind die rechten Käuz! dies sind die vierbeinigten Schelmen und Dieb, davon dir dein Knan sagte, denn ich sah anfänglich Roß und Mann (wie hiebevor die Amerikaner die spanische Kavallerie) für eine einzige Kreatur an, und vermeinte nicht anders, als es müßten Wölfe sein, wollte derowegen diesen schrecklichen Centauris den Hundssprung weisen, und sie wieder abschaffen; Ich hatte aber zu solchem End meine Sackpfeife kaum aufgeblasen, da ertappte mich einer aus ihnen beim Flügel, und schleudert' mich so ungestüm auf ein leer Baurenpferd, so sie neben andern mehr auch erbeutet hatten, daß ich auf der andern Seiten wieder herab auf meine liebe Sackpfeife fallen mußte, welche so erbärmlich anfing zu schreien, als wenn sie alle Welt zu Barmherzigkeit bewegen hätte wollen: aber
Simplicii Residenz wird erobert, geplündert und zerstört, darin die Krieger jämmerlich hausen
Wiewohl ich nicht bin gesinnet gewesen, den friedliebenden Leser mit diesen Reutern in meines Knans Haus und Hof zu führen, weil es schlimm genug darin hergehen wird: So erfordert jedoch die Folge meiner Histori, daß ich der lieben Posterität hinterlasse, was für Grausamkeiten in diesem unserm Teutschen Krieg hin und wieder verübet worden, zumalen mit meinem eigenen Exempel zu bezeugen, daß alle solche Übel von der Güte des Allerhöchsten, zu unserm Nutz, oft notwend g haben verhängt werden müssen:
Das erste, das diese Reuter taten, war, daß sie ihre Pferd einstelleten, hernach hatte jeglicher seine sonderbare Arbeit zu verrichten, deren jede lauter Untergang und Verderben anzeigte, denn obzwar etliche anfingen zu metzgen, zu sieden und zu braten, daß es sah, als sollte ein lustig Bankett gehalten werden, so waren hingegen andere, die durchstürmten das Haus unten und oben, ja das heimlich Gemach war nicht sicher, gleichsam ob wäre das gülden Fell von Kolchis darinnen verborgen; Andere machten von Tuch, Kleidungen und allerlei Hausrat große Päck zusammen, als ob sie irgends ein Krempelmarkt anrichten wollten, was sie aber nicht mitzunehmen gedachten, wurde zerschlagen, etliche durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, als ob sie nicht Schaf und Schwein genug zu stechen gehabt hätten, etliche schütteten die Federn aus den Betten, und fülleten hingegen Speck, andere dürr Fleisch und sonst Gerät hinein, als ob alsdann besser darauf zu schlafen gewesen wäre; Andere schlugen Ofen und Fenster ein, gleichsam als hätten sie ein ewigen Sommer zu verkündigen, Kupfer und
Da fing man erst an, die Stein von den Pistolen, und hingegen an deren Statt der Bauren Daumen aufzuschrauben, und die armen Schelmen so zu foltern, als wenn man hätt Hexen brennen wollen, maßen sie auch einen von den gefangenen Bauren bereits in Backofen steckten, und mit Feuer hinter ihm her waren, ohnangesehen er noch nichts bekannt hatte; einem andern machten sie ein Seil um den Kopf, und reitelten es mit einem Bengel zusammen, daß ihm das Blut zu Mund, Nas und Ohren heraussprang. In Summa, es hatte jeder seine eigene Invention, die Bauren zu peinigen, und also auch jeder Bauer seine sonderbare Marter: Allein mein Knan war meinem damaligen Bedünken nach der glückseligste, weil er mit lachendem Mund bekannte, was andere mit Schmerzen und jämmerlicher Weheklag sagen mußten, und solche Ehre widerfuhr ihm ohne Zweifel darum, weil er der Hausvater war, denn sie setzten ihn zu einem Feuer, banden ihn, daß er weder Händ noch Füß regen konnte, und rieben seine Fußsohlen mit angefeuchtem Salz, welches ihm unser alte Geiß wieder ablecken, und dadurch also kitzeln mußte, daß er vor Lachen hätte zerbersten mögen; das kam so artlich, daß ich Gesellschaft halber, oder weil ichs nicht besser verstand, von Herzen
Wie Simplicius das Reiß-aus spielt, und von faulen Bäumen erschrecket wird
Da machte ich gleich den Anfang, meinen unglücklichen Zustand, den ich vor Augen sah, zu betrachten, und zu gedenken, wie ich mich förderlichst ausdrehen möchte; wohin aber? dazu war mein Verstand viel zu gering, einen Vorschlag zu tun, doch hat es mir so weit gelungen, daß ich gegen Abend in Wald bin entsprungen. Wo nun aber weiters hinaus? sintemal mir die Wege und der Wald so wenig bekannt waren, als die Straß durch das gefrorne Meer, hinter Nova Zembla, bis gen China hinein: die stockfinstere Nacht bedeckte mich zwar zu meiner Versicherung, jedoch bedeuchte sie meinen finstern Verstand nicht finster genug, dahero verbarg ich mich in ein dickes Gesträuch, da ich sowohl das Geschrei der gedrillten Bauren, als den Gesang der Nachtigallen hören konnte, welche Vögelein sie, die
Ist kurz, und so andächtig, daß dem Simplicio darüber ohnmächtig wird
Kaum hatte ich mich zum Schlaf akkomodieret, da hörete ich folgende Stimm: »O große Liebe, gegen uns undankbare Menschen! Ach mein einziger Trost! mein Hoffnung, mein Reichtum, mein Gott!« und so dergleichen mehr, das ich nicht alles merken noch verstehen können.
Dieses waren wohl Wort, die einen Christenmenschen, der sich in einem solchen Stand, wie ich mich dazumal befunden, billig aufmuntern, trösten und erfreuen hätten sollen: Aber, o Einfalt und Unwissenheit! es waren mir nur böhmische Dörfer, und alles ein ganz unverständliche Sprach, aus der ich nicht allein nichts fassen konnte, sondern auch ein solche, vor deren Seltsamkeit ich mich entsetzte; da ich aber hörete, daß dessen, der sie redete, Hunger und Durst gestillt werden sollte, riet mir mein ohnerträglicher Hunger, mich auch zu Gast zu laden, derowegen faßte ich das Herz, wieder aus meinem hohlen Baum zu gehen, und mich der gehörten Stimm zu nähern, da wurde ich eines großen Manns gewahr, in langen schwarzgrauen Haaren, die ihm ganz verworren auf den Achseln herumlagen, er hatte einen wilden Bart, fast formiert wie ein Schweizer-Käs, sein Angesicht war zwar bleichgelb und mager, aber
Simplicius wird in einer armen Herberg freundlich traktiert
Wasgestalten mir wieder zu mir selbst geholfen worden, weiß ich nicht, aber dieses wohl, daß der Alte meinen Kopf in seinem Schoß, und vorn meine Juppen geöffnet gehabt, als ich mich wieder erholete; da ich den Einsiedler so nahe bei mir sah, fing ich ein solch grausam Geschrei an, als ob er mir im selben Augenblick das Herz aus dem Leib hätte reißen wollen. Er aber sagte: »Mein Sohn, schweig, ich tue dir nichts, sei zufrieden« etc. je mehr er mich aber tröstete, und mir liebkoste, je mehr ich schrie: »O du frißt mich! O du frißt mich! du bist der Wolf, und willst mich fressen.« »Ei ja wohl nein, mein Sohn«, sagte er, »sei zufrieden, ich freß dich nicht.« Dies Gefecht währete lang, bis ich mich endlich so weit ließ weisen, mit ihm in seine Hütten zu gehen, darin war die Armut selbst Hofmeisterin, der Hunger Koch, und der Mangel Küchenmeister, da wurde mein Magen mit einem Gemüs und Trunk Wassers gelabt, und mein Gemüt, so ganz verwirret war, durch des Alten tröstliche Freundlichkeit wieder aufgericht und zurecht gebracht: Derowegen ließ ich mich durch die Anreizung des süßen Schlafes leicht betören, der Natur solche Schuldigkeit abzulegen. Der Einsiedel merkte meine Notdurft, darum ließ er mir den Platz allein in seiner Hütten, weil nur einer darin liegen konnte; ohngefähr um Mitternacht erwachte ich wieder, und hörete ihn folgendes Lied singen, welches ich hernach auch gelernet:
Unter währendem diesem Gesang bedünkte mich wahrhaftig, als wenn die Nachtigall sowohl als die Eul und Echo mit eingestimmt hätten, und wenn ich den Morgenstern jemals gehört, oder dessen Melodei auf meiner Sackpfeifen aufzumachen vermocht, so wäre ich aus der Hütten gewischt, meine Karten mit einzuwerfen, weil mich diese Harmonia so lieblich zu sein bedünkte, aber ich entschlief, und erwachte nicht wieder, bis wohl in den Tag hinein, da der Einsiedel vor mir stand, und sagte: »Auf Kleiner, ich will dir Essen geben, und alsdann den Weg durch den Wald weisen, damit du wieder zu den Leuten, und noch vor Nacht in das nächste Dorf kommest;« Ich fragte ihn: »Was sind das für Dinger, Leuten und Dorf?« Er sagte: »Bist du denn niemalen in keinem Dorf gewesen, und weißt auch nicht, was Leut oder Menschen sind?« »Nein«, sagte ich, »nirgends als hier bin ich gewesen, aber sag mir doch, was sind Leut, Menschen und Dorf?« »Behüt Gott«, antwortet' der Einsiedel, »bist du närrisch oder gescheid?« »Nein«, sagte ich, »meiner Meuder und meines Knans Bub bin ich, und nicht der Närrisch oder der Gescheid.« Der Einsiedel verwundert' sich mit Seufzen und Bekreuzigung, und sagte: »Wohl liebes Kind, ich bin gehalten, dich um Gottes willen besser zu unterrichten.« Darauf fielen unsere Reden und Gegen-Reden wie folgend Kapitel ausweiset.
Wie Simplicius durch hohe Reden seine Vortrefflichkeit zu erkennen gibt
Einsiedel: Wie heißest du?
Simplicius: Ich heiße Bub.
Einsiedel: Ich sehe wohl, daß du kein Mägdlein bist, wie hat dir aber dein Vater und Mutter gerufen?
Simplicius: Ich habe keinen Vater oder Mutter gehabt.
Einsiedel: Wer hat dir denn das Hemd geben?
Simplicius: Ei mein Meuder.
Einsiedel: Wie hieß dich denn dein Meuder?
Simplicius: Sie hat mich Bub geheißen, auch Schelm, ungeschickter Tölpel, und Galgenvogel.
Eins.: Wer ist denn deiner Mutter Mann gewesen?
Simpl.: Niemand.
Eins.: Bei wem hat denn dein Meuder des Nachts geschlafen?
Simpl.: Bei meinem Knan.
Eins.: Wie hat dich denn dein Knan geheißen?
Simpl.: Er hat mich auch Bub genannt.
Eins.: Wie hieß aber dein Knan?
Simpl.: Er heißt Knan.
Eins.: Wie hat ihm aber dein Meuder gerufen?
Simpl.: Knan, und auch Meister.
Eins.: Hat sie ihn niemals anders genannt?
Simpl.: Ja, sie hat.
Eins.: Wie denn?
Simpl.: Rülp, grober Bengel, volle Sau, und noch wohl anders, wenn sie haderte.
Eins.: Du bist wohl ein unwissender Tropf, daß du weder deiner Eltern noch deinen eignen Namen nicht weißt!
Simpl.: Eia, weißt dus doch auch nicht.
Eins.: Kannst du auch beten?
Simpl.: Nein, unser Ann und mein Meuder haben als das Bett gemacht.
Simpl.: Ja ich.
Eins.: Nun so sprichs denn.
Simpl.: Unser lieber Vater, der du bist Himmel, heiliget werde Nam, zu kommes d' Reich, dein Will scheh Himmel ad Erden, gib uns Schuld, als wir unsern Schuldigern geba, führ uns nicht in kein böß Versucha, sondern erlös uns von dem Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Ama.
Eins.: Bist du nie in die Kirchen gangen?
Simpl.: Ja, ich kann wacker steigen, und hab als ein ganzen Busem voll Kirschen gebrochen.
Eins.: Ich sage nicht von Kirschen, sondern von der Kirchen.
Simpl.: Haha, Kriechen; gelt es sind so kleine Pfläumlein? gelt du?
Eins.: Ach daß Gott walte, weißt du nichts von unserm Herr Gott?
Simpl.: Ja, er ist daheim an unserer Stubentür gestanden auf dem Helgen, mein Meuder hat ihn von der Kürbe mitgebracht, und hingekleibt.
Eins.: Ach gütiger Gott, nun erkenne ich erst, was für eine große Gnad und Wohltat es ist, wem du deine Erkenntnis mitteilest, und wie gar nichts ein Mensch sei, dem du solche nicht gibst: Ach Herr verleihe mir deinen heiligen Namen also zu ehren, daß ich würdig werde, um diese hohe Gnad so eifrig zu danken, als freigebig du gewesen, mir solche zu verleihen: Höre du Simplicius (denn anders kann ich dich nicht nennen) wenn du das Vaterunser betest, so mußt du also sprechen: Vater unser, der du bist im Himmel, geheiliget werde dein Nam, zukomme uns dein Reich, dein Will geschehe auf Erden wie im Himmel, unser täglich Brot gib uns heut, und –
Simpl.: Gelt du, auch Käs dazu?
Eins.: Ach liebes Kind, schweige und lerne, solches ist dir viel nötiger als Käs, du bist wohl ungeschickt, wie dein Meuder gesagt hat, solchen Buben wie du bist, stehet nicht
Simpl.: Ich weiß nicht, wo ich hin soll – unser Haus ist verbrannt, und mein Meuder hinweggelaufen, und wiederkommen mit dem Ursele, und mein Knan auch, und unser Magd ist krank gewesen, und ist im Stall gelegen.
Eins.: Wer hat denn das Haus verbrannt?
Simpl.: Ha, es sind so eiserne Männer kommen, die sind so auf Dingern gesessen, groß wie Ochsen, haben aber keine Hörner, dieselben Männer haben Schafe und Kühe und Säu gestochen, und da bin ich auch weggelaufen, und da ist danach das Haus verbrannt gewesen.
Eins.: Wo war denn dein Knan?
Simpl.: Ha, die eisernen Männer haben ihn angebunden, da hat ihm unser alte Geiß die Füß geleckt, da hat mein Knan lachen müssen, und hat denselben eisernen Mannen viel Weißpfennig geben, große und kleine, auch hübsche gelbe, und sonst schöne glitzerichte Dinger, und hübsche Schnür voll weißen Kügelein.
Eins.: Wann ist dies geschehen?
Simpl.: Ei wie ich der Schaf hab hüten sollen, sie haben mir auch mein Sackpfeif wollen nehmen.
Eins.: Wann hast du der Schaf sollen hüten?
Simpl.: Ei hörst dus nicht, da die eisernen Männer kommen sind, und danach hat unser Ann gesagt, ich soll auch weglaufen, sonst würden mich die Krieger mitnehmen, sie hat aber die eisernen Männer gemeinet, und da sein ich weggelaufen, und sein hieher kommen.
Eins.: Wo hinaus willst du aber jetzt?
Simpl.: Ich weiß weger nit, ich will bei dir hier bleiben.
Eins.: Dich hier zu behalten, ist weder mein noch dein Gelegenheit, iß, alsdann will ich dich wieder zu Leuten führen.
Simpl.: Ei so sag mir denn auch, was Leut für Dinger sein?
Simpl.: Haha.
Eins.: Nun geh und iß.
Dies war unser Diskurs, unter welchem mich der Einsiedel oft mit den allertiefsten Seufzern anschauete, nicht weiß ich, ob es darum geschah, weil er ein so groß Mitleiden mit meiner Einfalt und Unwissenheit hatte, oder aus der Ursach, die ich erst über etliche Jahr hernach erfuhr.
Simplicius wird aus einer Bestia zu einem Christenmenschen
Ich fing an zu essen, und hörete auf zu papplen, welches nicht länger währete, als bis ich nach Notdurft gefuttert hatte, und mich der Alte fortgehen hieß: Da suchte ich die allerzartesten Wort hervor, die mir mein bäurische Grobheit immermehr eingeben konnte, welche alle dahin gingen, den Einsiedel zu bewegen, daß er mich bei sich behielte: Ob es ihm nun zwar beschwerlich gefallen, meine verdrießliche Gegenwart zu gedulden, so hat er jedoch beschlossen, mich bei sich zu leiden, mehr, daß er mich in der christlichen Religion unterrichtete, als sich in seinem vorhandenen Alter meiner Dienste zu bedienen, seine größte Sorg war, mein zarte Jugend dürfte eine solche harte Art zu leben in die Länge nit ausharren mögen.
Eine Zeit von ungefähr drei Wochen war mein Probier-Jahr, in welcher eben S. Gertraud mit den Gärtnern zu Feld lag, also daß ich mich auch in deren Profession gebrauchen ließ, ich hielt mich so wohl, daß der Einsiedel ein sonderliches Gefallen an mir hatte, nicht zwar der Arbeit halber, so ich zuvor zu vollbringen gewohnet war, sondern weil er sah, daß ich eben so begierig seine Unterweisungen hörete, als geschickt die wachsweiche und zwar noch glatte Tafel meines Herzens solche zu fassen sich erzeigte. Solcher Ursachen
Ich habe seithero der Sach vielmal nachgedacht, und befunden, daß Aristoteles lib. 3. de Anima wohl geschlossen, als er die Seele eines Menschen einer leeren ohnbeschriebenen Tafel verglichen, darauf man allerhand notieren könne, und daß solches alles darum von dem höchsten Schöpfer geschehen sei, damit solche glatte Tafel durch fleißige Impression und Übung gezeichnet, und zur Vollkommenheit und perfection gebracht werde; dahero denn auch sein Commentator Averroes lib. 2. de Anima (da der
Solches alles erwies ich mit meinem eigenen Exempel, denn daß ich alles sobald gefaßt, was mir der fromme Einsiedel vorgehalten, ist daher kommen, weil er die geschlichte Tafel meiner Seelen ganz leer, und ohn einzige zuvor hineingedrückten Bildnisse gefunden, so etwas anders hineinzubringen hätt hindern mögen; gleichwohl aber ist die pure Einfalt gegen andre Menschen zu rechnen noch immerzu bei mir verblieben, dahero der Einsiedel (weil weder er noch ich meinen rechten Namen gewußt) mich nur Simplicium genannt.
Mithin lernete ich auch beten, und als er meinem steifen Vorsatz, bei ihm zu bleiben, ein Genügen zu tun entschlossen, baueten wir für mich eine Hütten gleich der seinigen, von Holz, Reisern und Erden, fast formiert wie die Musketierer im Feld ihre Zelte, oder besser zu sagen, die Bauren an teils Orten ihre Rübenlöcher haben, zwar so nieder, daß ich kaum aufrecht darin sitzen konnte, mein Bett war von dürrem Laub und Gras, und ebenso groß als die Hütte selbst, so daß ich nit weiß, ob ich dergleichen Wohnung oder Höhlen eine bedeckte Lagerstatt, oder eine Hütte nennen soll.
Wasgestalten er schreiben und lesen im wilden Wald gelernet
Als ich das erstemal den Einsiedel in der Bibel lesen sah, konnte ich mir nicht einbilden, mit wem er doch ein solch heimlich und meinem Bedünken nach sehr ernstlich Gespräch haben müßte; ich sah wohl die Bewegung seiner Lippen, hingegen aber niemand, der mit ihm redet', und ob ich zwar nichts vom Lesen und Schreiben gewußt, so merkte ich doch an seinen Augen, daß ers mit etwas in selbigem Buch zu tun hatte: Ich gab Achtung auf das Buch, und nachdem er solches beigelegt, machte ich mich dahinter, schlugs auf, und bekam im ersten Griff das erste Kapitel des Hiobs, und die davorstehende Figur, so ein feiner Holzschnitt, und schön illuminiert war, in die Augen; ich fragte dieselbigen Bilder seltsame Sachen, weil mir aber keine Antwort widerfahren wollte, wurde ich ungeduldig, und sagte eben, als der Einsiedel hinter mich schlich: »Ihr kleinen Hudler, habt ihr denn keine Mäuler mehr? habt ihr nicht allererst mit meinem Vater (denn also mußte ich den Einsiedel nennen) lang genug schwätzen können? ich sehe wohl, daß ihr auch dem armen Knan seine Schaf heimtreibt, und das Haus angezündet habt, halt, halt, ich will dies Feuer noch wohl löschen«, damit stand ich auf, Wasser zu holen, weil mich die Not vorhanden zu sein bedünkte. »Wohin Simplici?« sagt' der Einsiedel, den ich hinter mir nicht wußte. »Ei Vater«, sagte ich, »da sind auch Krieger, die haben Schaf, und wollens wegtreiben, sie habens dem armen Mann genommen, mit dem du erst geredet hast, so brennet sein Haus auch schon lichterloh, und wenn ich nicht bald lösche, so wirds verbrennen«; mit diesen Worten zeigte ich ihm mit dem Finger, was ich sah: »Bleib nur«, sagte der Einsiedel, »es ist noch keine Gefahr vorhanden«; Ich antwortete, meiner Höflichkeit nach: »Bist du denn blind, wehre du, daß sie die Schaf nicht forttreiben, so will ich Wasser holen.« »Ei«, sagte der Einsiedel, »diese Bilder leben nicht, sie sind nur gemacht, uns vorlängst geschehene
Der Einsiedel mußte wider seinen Willen und Gewohnheit lachen, und sagte: »Liebes Kind, diese Bilder können nicht reden, was aber ihr Tun und Wesen sei, kann ich aus diesen schwarzen Linien sehen, welches man lesen nennet, und wenn ich dergestalt lese, so hältst du dafür, ich rede mit den Bildern, so aber nichts ist.« Ich antwortet: »Wenn ich ein Mensch bin wie du, so müßte ich auch an den schwarzen Zeilen können sehen, was du kannst, wie soll ich mich in dein Gespräch richten? Lieber Vater, berichte mich doch eigentlich, wie ich die Sach verstehen soll?« Darauf sagte er: »Nun wohlan mein Sohn, ich will dich lehren, daß du so wohl als ich mit diesen Bildern wirst reden können, allein wird es Zeit brauchen, in welcher ich Geduld, und du Fleiß anzulegen.« Demnach schrieb er mir ein Alphabet auf birkene Rinden, nach dem Druck formiert, und als ich die Buchstaben kannte, lernete ich buchstabieren, folgends lesen, und endlich besser schreiben, als es der Einsiedel selber konnte, weil ich alles dem Druck nachmalet.
Redet von Essenspeis, Hausrat und andern notwendigen Sachen, die man in diesem zeitlichen Leben haben muß
Zwei Jahr ungefähr, nämlich bis der Einsiedel gestorben, und etwas länger als ein halbes Jahr nach dessen Tod, bin ich in diesem Wald verblieben; derohalben sieht mich für gut an, dem kuriosen Leser, der auch oft das Geringste wissen will, unser Tun, Handel und Wandel, und wie wir unser Leben durchgebracht, zu erzählen.
Unsere Speis war allerhand Gartengewächs, Rüben, Kraut Bohnen, Erbsen und dergleichen; wir verschmäheten auch keine Buchen, wilden Äpfel, Birn, Kirschen, ja die Eicheln machte uns der Hunger oft angenehm; das Brot, oder besser zu sagen, unsere Kuchen backten wir in heißer Aschen aus
Unsern Hausrat betreffend, dessen war genug vorhanden, denn wir hatten eine Schaufel, eine Haue, eine Axt, ein Beil, und einen eisernen Hafen zum Kochen, welches zwar nicht unser eigen, sondern von obgemeldtem Pfarrer entlehnet war, jeder hatte ein abgenutztes stumpfes Messer, selbige waren unser Eigentum, und sonsten nichts; ferner bedurften wir auch weder Schüsseln, Teller, Löffel, Gabeln, Kessel, Pfannen, Rost, Bratspieß, Salzbüchs noch ander Tisch- und Küchengeschirr, denn unser Hafen war zugleich unser Schüssel, und unsere Hände waren auch unsere Gabeln und Löffel, wollten wir aber trinken, so geschah es durch ein Rohr aus dem Brunnen, oder wir hängten das Maul hinein, wie Gideons Kriegsleute. Von allerhand Gewand, Wollen, Seiden, Baumwollen und Leinen, beides zu Betten, Tischen und Tapezereien, hatten wir nichts, als was wir auf dem Leib trugen, weil wir für uns genug zu haben schätzten, wenn wir uns vor Regen und Frost beschützen konnten. Sonsten hielten wir in unserer Haushaltung keine gewisse Regel oder Ordnung, außerhalb an Sonn- und Feiertagen, an welchen wir schon um Mitternacht hinzugehen anfingen,
An den Werktagen taten wir, was am nötigsten zu tun war, je nachdem sichs fügte, und solches die Zeit des Jahrs, und unser Gelegenheit erforderte; einmal arbeiteten wir im Garten, das ander Mal suchten wir den feisten Grund an schattigen Orten, und aus hohlen Bäumen zusammen, unsern Garten, anstatt des Dungs, damit zu bessern, bald flochten wir Körbe oder Fischreusen, oder machten Brennholz, fischten, oder taten ja so etwas wider den Müßiggang. Und unter allen diesen Geschäften ließ der Einsiedel nicht ab, mich in allem Guten getreulichst zu unterweisen; unterdessen lernete ich in solchem harten Leben Hunger, Durst, Hitz, Kälte und große Arbeit überstehen, und zuvorderst auch Gott erkennen, und wie man ihm rechtschaffen dienen sollte, welches das Vornehmste war. Zwar wollte mich mein getreuer Einsiedel ein mehrers nicht wissen lassen, denn er hielt dafür, es sei einem Christen genug, zu seinem Ziel und Zweck zu gelangen, wenn er nur fleißig bete und arbeite, dahero es kommen, ob ich zwar in geistlichen Sachen ziemlich berichtet wurde, mein Christentum wohl verstand, und die teutsche Sprach so schön redete, als wenn sie die Orthographia selbst ausspräche, daß ich dennoch der Einfältigste verblieb; gestalten ich, wie ich den Wald verlassen, ein solcher elender Tropf in der Welt war, daß man keinen Hund mit mir aus dem Ofen hätte locken können.
Vermerkt ein schöne Art selig zu sterben, und sich mit geringem Unkosten begraben zu lassen
Zwei Jahr ungefähr hatte ich zugebracht, und das harte eremitisch Leben kaum gewohnet, als mein bester Freund auf Erden seine Haue nahm, mir aber die Schaufel gab, und mich seiner täglichen Gewohnheit nach an der Hand in unsern Garten führte, da wir unser Gebet zu verrichten pflegten: »Nun Simplici, liebes Kind«, sagte er, »dieweil gottlob die Zeit vorhanden, daß ich aus dieser Welt scheiden, die Schuld der Natur bezahlen, und dich in dieser Welt hinter mir verlassen soll, zumalen deines Lebens künftige Begegnisse beiläufig sehe, und wohl weiß, daß du in dieser Einöde nicht lang verharren wirst, so hab ich dich auf dem angetretenen Weg der Tugend stärken, und dir einige Lehren zum Unterricht geben wollen, vermittelst deren du, als nach einer ohnfehlbaren Richtschnur, zur ewigen Seligkeit zu gelangen dein Leben anstellen sollest, damit du mit allen heiligen Auserwählten das Angesicht Gottes in jenem Leben ewiglich anzuschauen gewürdiget werdest.«
Diese Wort setzten meine Augen ins Wasser, wie hiebevor des Feinds Erfindung die Stadt Villingen, einmal, sie waren mir so unerträglich, daß ich sie nicht ertragen konnte, doch sagte ich: »Herzliebster Vater, willst du mich denn allein in diesem wilden Wald verlassen? Soll denn ...« mehrers vermochte ich nicht herauszubringen, denn meines Herzens Qual ward aus überflüssiger Lieb, die ich zu meinem getreuen Vater trug, also heftig, daß ich gleichsam wie tot zu seinen Füßen niedersank; Er hingegen richtet' mich wieder auf, tröstet' mich, so gut es Zeit und Gelegenheit zuließ, und verwies mir gleichsam fragend meinen Fehler, ob ich nämlich der Ordnung des Allerhöchsten widerstreben wollte? »Weißt du nicht«, sagt' er weiters, »daß solches weder Himmel noch Höll zu tun vermögen? nicht also mein Sohn! was unterstehest du dich, meinem schwachen Leib (welcher für sich selbst der Ruhe begierig ist) aufzubürden?
Dieser sorgfältige fromme Mann hielt mir allein dies wenige vor, nicht zwar, als hätte er nichts mehrers gewußt, sondern darum, dieweil ich ihn erstlich meiner Jugend wegen nicht fähig genug zu sein bedünkte, ein mehrers in solchem Zustand zu fassen, und dann weil wenig Wort besser, als ein langes Geplauder, im Gedächtnis zu behalten sind, und wenn sie anders Saft und Nachdruck haben, durch das Nachdenken größern Nutzen schaffen, als ein langer Sermon, den man ausdrücklich verstanden hat, und bald wieder zu vergessen pflegt.
Diese drei Stück, sich selbst erkennen, böse Gesellschaft meiden, und beständig verbleiben, hat dieser fromme Mann ohne Zweifel deswegen für gut und nötig geachtet, weil er solches selbsten praktiziert, und daß es ihm dabei nicht
Nachdem er mir nun obige Stück vorgehalten, hat er mit seiner Reuthaue angefangen sein eigenes Grab zu machen, ich half so gut ich konnte, wie er mir befahl, und bildete mir doch dasjenige nicht ein, worauf es angesehen war, indessen sagte er: »Mein lieber und wahrer einziger Sohn (denn ich habe sonsten keine Kreatur als dich zu Ehren unsers Schöpfers erzeuget) wenn meine Seele an ihren Ort gangen ist, so leiste meinem Leib deine Schuldigkeit und die letzte Ehre, scharre mich mit derjenigen Erden wieder zu, die wir anjetzo aus dieser Gruben gegraben haben.« Darauf nahm er mich in seine Arm und drückte mich küssend viel härter an seine Brust, als einem Mann, wie er zu sein schien, hätte möglich sein können: »Liebes Kind«, sagte er, »ich befehle dich in Gottes Schutz, und sterbe um soviel desto fröhlicher, weil ich hoffe, er werde dich darin aufnehmen«; Ich hingegen konnte nichts anders, als klagen und heulen, ich hängete mich an seine Ketten, die er am Hals trug, und vermeinte ihn damit zu halten, damit er mir nicht entgehen sollte. Er aber sagte: »Mein Sohn lasse mich, daß ich sehe, ob mir das Grab lang genug sei.« Legte demnach die Ketten ab, samt dem Oberrock, und begab sich in das Grab, gleichsam wie einer, der sich sonst schlafen legen will, sprechend: »Ach großer Gott, nun nimm wieder hin die Seele, die du mir gegeben, Herr, in deine Hände befehl ich meine Geist«, etc. Hierauf beschloß er seine Lippen und Augen sänftiglich, ich aber stand da wie ein Stockfisch und meinte nicht, daß seine liebe Seel den Leib gar verlassen haben sollte, dieweil ich ihn öfters in dergleichen Verzückungen gesehen hatte.
Ich verharrete, wie mein Gewohnheit in dergleichen Begebenheiten war, etlich Stund neben dem Grab im Gebet, als sich aber mein allerliebster Einsiedel nicht mehr aufrichten wollte, stieg ich zu ihm ins Grab hinunter, und fing
Simplicius läßt sich wie ein Rohr im Weiher umtreiben
Über etlich Tag nach des Einsiedels Ableiben verfügte ich mich zu obgemeldtem Pfarrern, und offenbarte ihm meines Herrn Tod, begehrte benebens Rat von ihm, wie ich mich bei so gestalter Sache verhalten sollte? Unangesehen er mir nun stark widerraten, länger im Wald zu verbleiben, so bin ich jedoch tapfer in meines Vorgängers Fußstapfen getreten, maßen ich den ganzen Sommer hindurch tat, was ein frommer Monachus tun soll; Aber gleich wie die Zeit alles ändert, also ringert' sich auch nach und nach das Leid, so ich um meinen Einsiedel trug, und die äußerliche scharfe Winterskält löschte die innerliche Hitz meines steifen Vorsatzes zugleich aus, je mehr ich anfing zu wanken, je träger wurde ich in meinem Gebet, weil ich anstatt göttliche und himmlische Ding zu betrachten, mich die Begierde, die Welt auch zu beschauen, überherrschen ließ, und als ich dergestalt nichts nutz wurde im Wald länger gut zu tun, gedachte ich wieder zu gedachtem Pfarrer zu gehen, zu
Da es nun sah, als ob diese Reuter in ihrer tyrannischen Grausamkeit ganz unsinnig worden wären, kam ein solcher Schwarm bewehrter Bauren aus dem Wald, als wenn man in ein Wespennest gestochen hätte, die fingen an so greulich zu schreien, so grimmig dareinzusetzen und daraufzuschießen, daß mir alle Haar gen Berg standen, weil ich noch niemals bei dergleichen Kürben gewesen, denn die Spessarter und Vogelsberger Bauren lassen sich fürwahr so wenig als die Hessen, Sauerländer und Schwarzwälder auf ihrem Mist foppen; davon rissen die Reuter aus, und ließen nicht allein das eroberte Rindvieh zurück, sondern warfen auch Sack und Pack von sich, schlugen also ihre ganze Beut in Wind, damit sie nicht selbst den Bauren zur Beut würden, doch kamen ihnen teils in die Händ.
Diese Kurzweil benahm mir beinahe die Lust, die Welt zu beschauen, denn ich gedachte, wenn es so darinnen hergehet, so ist die Wildnis weit anmutiger, doch wollte ich
Ist ein seltsame Comoedia, von fünf Bauern
Damit ich aber diesem meinem Entschluß nachkommen, und ein rechter Waldbruder sein möchte, zog ich meines Einsiedlers hinterlassen hären Hemd an, und gürtet' seine Kette darüber; nicht zwar, als hätte ich sie bedurft, mein unbändig Fleisch zu mortifizieren, sondern damit ich meinem Vorfahren sowohl im Leben als im Habit gleichen, mich auch durch solche Kleidung desto besser vor der rauhen Winterskält beschützen möchte.
Den zweiten Tag, nachdem obgemeldtes Dorf geplündert und verbrannt worden, als ich eben in meiner Hütten saß, und zugleich neben dem Gebet gelbe Rüben, zu meinem Aufenthalt, im Feuer briet, umringten mich bei vierzig oder fünfzig Musketier; diese, ob sie zwar ob meiner Person Seltsamkeit erstauneten, so durchstürmten sie doch meine Hütten und suchten, was da nicht zu finden war, denn nichts als Bücher hatte ich, die sie mir durcheinander geworfen,
Indem dieser seinen überstandenen Jammer also klaget', kam ein andere Partei Soldaten zu Fuß überzwerchs den Wald herauf; die hatten obgedachte Bauren angetroffen, fünf davon gefangen bekommen, und die übrigen totgeschossen; unter den Gefangenen waren vier, denen der übel zugerichte Reuter kurz zuvor so schändlich zu Willen sein müssen. Als nun beide Parteien aus dem Anschreien einander erkannten, einerlei Volk zu sein, traten sie zusammen, und vernahmen wiederum vom Reuter selbst, was sich mit ihm und seinen Kameraden zugetragen; da sollte man sein blaues Wunder gesehen haben, wie die Bauren gedrillt wurden, etliche wollten sie gleich in der ersten Furi totschießen, andere aber sagten: »Nein, man muß die leichtfertigen Vögel zuvor rechtschaffen quälen, und ihnen eintränken, was sie an diesem Reuter verdient haben.« Indessen bekamen sie mit den Musketen so treffliche Rippstöß, daß sie hätten Blut speien mögen; zuletzt trat ein Soldat hervor, und sagte: »Ihr Herren, dieweil es der ganzen
Simplicius wird spoliert, und läßt sich von den Baurn wunderlich träumen, wie es zu Kriegszeiten hergehet
Als ich wieder heimkam, befand ich, daß mein Feurzeug und ganzer Hausrat, samt allem Vorrat an meinen armseligen Essenspeisen, die ich den Sommer hindurch in meinem Garten erzogen, und auf künftigen Winter vorm Maul erspart hatte, miteinander fort war: Wo nun hinaus? gedachte ich, damals lernete mich die Not erst recht beten; Ich gebot allem meinem wenigen Witz zusammen, zu beratschlagen, was mir zu tun oder zu lassen sein möchte? Gleich wie aber meine Erfahrenheit schlecht und gering war, also konnte ich auch nichts Rechtschaffenes schließen, das Beste war, daß ich mich Gott befahl, und mein Vertrauen allein auf ihn zu setzen wußte, sonst hätte ich ohn Zweifel desperieren und zu Grund gehen müssen: Überdas lagen mir die Sachen, so ich denselben Tag gehöret und gesehen, ohn Unterlaß im Sinn, ich dachte nicht soviel um Essenspeis und
In solchen Gedanken entschlief ich vor Unmut und Kälte, mit einem hungerigen Magen, da dünkte mich, gleichwie in einem Traum, als wenn sich alle Bäum, die um meine Wohnung standen, jähling veränderten, und ein ganz ander Ansehen gewönnen, auf jedem Gipfel saß ein Kavalier, und alle Äst wurden anstatt der Blätter mit allerhand Kerlen geziert, von solchen hatten etliche lange Spieß, andere Musketen, kurze Gewehr, Partisanen, Fähnlein, auch Trommeln und Pfeifen. Dies war lustig anzusehen, weil alles so ordentlich und fein gradweis sich auseinanderteilete; die Wurzel aber war von ungültigen Leuten, als Handwerkern, Taglöhnern, mehrenteils Bauren und dergleichen, welche nichts destoweniger dem Baum seine Kraft verliehen, und wieder von neuem mitteilten, wenn er solche zuzeiten verlor; ja sie ersetzten den Mangel der abgefallenen Blätter aus den ihrigen, zu ihrem eigenen noch größeren Verderben; benebens seufzeten sie über diejenigen, so auf dem Baum saßen, und zwar nicht unbillig, denn die ganze Last des Baums lag auf ihnen, und drückte sie dermaßen, daß ihnen alles Geld aus den Beuteln, ja hinter sieben Schlössern hervorging; wenn es aber nicht hervor wollte, so striegelten sie die Commissarii mit Besen, die man militärische Exekution nannte, daß ihnen die Seufzer aus dem Herzen, die Tränen aus den Augen, das Blut aus den Nägeln, und das Mark aus den Beinen herausging; noch dannoch waren Leut unter ihnen, die man Fatzvögel nannte, diese bekümmerten sich wenig, nahmen alles auf die leichte Achsel, und hatten in ihrem Kreuz anstatt des Trosts allerhand Gespei.
Heutiger Soldaten Tun und Lassen, und wie schwerlich ein gemeiner Kriegsmann befördert werde
Also mußten sich die Wurzeln dieser Bäume in lauter Mühseligkeit und Lamentieren, diejenigen aber auf den untersten Ästen in viel größerer Müh, Arbeit und Ungemach gedulden und durchbringen; doch waren diese jeweils lustiger als jene, daneben aber auch trotzig, tyrannisch, mehrenteils gottlos, und der Wurzel jederzeit eine schwere unerträgliche Last, um sie stand dieser Reim:
Diese Reimen waren um soviel desto weniger erlogen, weil sie mit ihren Werken übereinstimmten, denn fressen und saufen, Hunger und Durst leiden, huren und buben, raßeln und spielen, schlemmen und demmen, morden, und wieder ermordet werden, totschlagen, und wieder zu Tod geschlagen werden, tribuliern, und wieder gedrillt werden, jagen, und wieder gejaget werden, ängstigen, und wieder geängstiget werden, rauben, und wieder beraubt werden, plündern, und wieder geplündert werden, sich fürchten, und wieder gefürchtet werden, Jammer anstellen, und wieder jämmerlich leiden, schlagen, und wieder geschlagen werden; und in Summa nur verderben und beschädigen, und hingegen wieder verderbt und beschädigt werden, war ihr ganzes Tun und Wesen; Woran sie sich weder Winter noch Sommer, weder Schnee noch Eis, weder Hitz noch Kält, weder Regen noch Wind, weder Berg noch Tal, weder Felder noch Morast, weder Gräben, Päß, Meer, Mauren, Wasser, Feuer, noch Wälle, weder Vater noch Mutter, Brüder und Schwestern, weder Gefahr ihrer eigenen Leiber, Seelen und Gewissen, ja weder Verlust des Lebens,
Obschon im Krieg der Adel, wie billig, dem gemeinen Mann vorgezogen wird, so kommen doch viel aus verächtlichem Stand zu hohen Ehren
Dieses verdroß einen Feldweibel so sehr, daß er trefflich anfing zu schmälen, aber Adelhold sagte: »Weißt du nicht, daß man je und allwegen die Kriegsämter mit adeligen Personen besetzt hat? als welche hierzu am tauglichsten sein; graue Bärt schlagen den Feind nicht, man könnte sonst ein Herd Böck zu solchem Geschäft dingen, es heißt:
Sag mir, du alter Krachwadel, ob nicht edelgeborne Offizier von der Soldateska besser respektieret werden, als diejenigen, so zuvor gemeine Knecht gewesen? und was ist von Kriegsdisziplin zu halten, wo kein rechter Respekt ist? darf nicht der Feldherr einem Kavalier mehr vertrauen, als einem Baurenbuben, der seinem Vater vom Pflug entlaufen, und seinen eigenen Eltern kein gut tun wollen? Ein rechtschaffener Edelmann, ehe er seinem Geschlecht durch Untreu, Feldflucht, oder sonst etwas dergleichen einen Schandflecken anhängte, ehe würde er ehrlich sterben: Zudem gebührt dem Adel der Vorzug in allwege, wie solches leg. Honor. dig. de honor. zu sehen. Johannes de Platea will ausdrücklich, daß man in Bestallung der Ämter dem Adel den Vorzug lassen, und die Edelleut den Plebejis schlecht soll vorziehen; ja solches ist in allen Rechten bräuchlich, und wird in Hl. Schrift bestätigt, denn
Überdas hat der Adel mehr Mittel, ihren Untergehörigen mit Geld, und den schwachen Kompagnien mit Volk zu helfen, als ein Bauer: So stünde es auch nach dem gemeinen Sprichwort nicht fein, wenn man den Bauren über den Edelmann setzte; auch würden die Bauren viel zu hoffärtig, wenn man sie also strack zu Herren machte, denn man sagt:
Hätten die Bauren durch lang-hergebrachte löbliche Gewohnheit die Kriegs- und andere Ämter in Possession, wie der Adel, so würden sie gewißlich sobald keinen Edelmann einkommen lassen; zudem, ob man euch Soldaten von Fortun (wie ihr genannt werdet) schon oft gerne helfen wollte, daß ihr zu höhern Ehren erhaben würdet, so seid ihr aber alsdann gemeiniglich schon so abgelebt, wenn man euch probiert hat, und eines Bessern würdig schätzet, daß man Bedenkens haben muß, euch zu befördern; denn da ist die Hitz der Jugend verloschen, und gedenket ihr nur schlechts dahin, wie ihr euren kranken Leibern, die durch viel erstandene Widerwärtigkeit ausgemergelt, und zu Kriegsdiensten wenig mehr nutz sein, gütlich
Der Feldweibel antwortet': »Welcher Narr wollte denn dienen, wenn er nicht hoffen darf, durch sein Wohlverhalten befördert, und also um seine getreuen Dienst belohnt zu werden: Der Teufel hol solchen Krieg! Auf diese Weis gilts gleich, ob sich einer wohl hält, oder nicht. Ich hab von unserm alten Obristen vielmals gehört, daß er keinen Soldaten unter sein Regiment begehre, der sich nicht festiglich einbilde, durch Wohlverhalten ein General zu werden. So muß auch alle Welt bekennen, daß diejenigen Nationen, so gemeinen, aber doch rechtschaffenen Soldaten forthelfen, und ihre Tapferkeit bedenken, gemeiniglich victorisieren, welches man an den Persern und Türken wohl siehet. Es heißt:
Adelhold antwortet': »Wenn man eines redlichen Manns rechtschaffene Qualitäten siehet, so wird er freilich nicht übersehen, maßen man heutigen Tags viel findet, welche vom Pflug, von der Nadel, von dem Schusterleist, und vom Schäferstecken zum Schwert gegriffen, sich wohl gehalten, und durch solche ihre Tapferkeit, weit über den gemeinen Adel, in Grafen- und Freiherrenstand geschwungen; Wer war der Kaiserliche Johann von Werd? wer der Schwedische Stallhans? wer der Hessische kleine Jacob und S. Andreas? Ihresgleichen sind noch viel bekannt, die ich Kürze halber nicht alle nennen mag. Ist also gegenwärtiger Zeit nichts Neues, wird auch bei der Posterität nicht abgehen, daß geringe, doch redliche Leut durch Krieg zu hohen Ehren gelangen, welches auch bei den Alten geschehen: Tamerlanes ist ein mächtiger König, und schreckliche Furcht der ganzen Welt worden, der doch zuvor nur ein Säuhirt war; Agathokles König in Sizilien, ist eines Hafners Sohn
Der Feldweibel antwort: »Dies alles lautet zwar wohl auf meinen Schrot, indessen sehe ich aber wohl, daß uns die Türen, zu ein und anderer Würde zu gelangen, durch den Adel verschlossen gehalten werden. Man setzt den Adel, wenn er nur aus der Schalen gekrochen, gleich an solche Ort, da wir uns nimmermehr keine Gedanken hin machen dürfen, wenn wir gleich mehr getan haben, als mancher Nobilist, den man jetzt für einen Obristen vorstellet. Und gleich wie unter den Bauren manch edel Ingenium verdirbt, weil es aus Mangel der Mittel nicht zu den Studiis angehalten wird: Also veraltet mancher wackere Soldat unter seiner Musket, der billiger ein Regiment meritierte, und dem Feldherrn große Dienste zu leisten wüßte.«
Simplicius tut den ersten Sprung in die Welt, mit schlechtem Glück
Ich mochte dem alten Esel nicht mehr zuhören, sondern gönnete ihm, was er klagte, weil er oft die armen Soldaten prügelte wie die Hund: Ich wendet mich wieder gegen die Bäume, deren das ganze Land voll stand, und sah, wie sie sich bewegten, und zusammenstießen, da prasselten die Kerl
Von dem gewaltigen Gerassel dieser schädlichen Wind, und Zerstümmlung des Baums selbsten, ward ich aus dem Schlaf erweckt, und sah mich nur allein in meiner Hütten. Dahero fing ich wieder an zu gedenken, was ich doch immermehr anfangen sollte? im Wald zu bleiben war mir unmöglich, weil mir alles so gar hinweggenommen worden, daß ich mich nicht mehr aufhalten konnte, nichts war mehr übrig, als noch etliche Bücher, welche hin und her zerstreut, und durcheinandergeworfen lagen: Als ich solche mit weinenden Augen wieder auflas, und zugleich Gott inniglich anrief, er wollte mich doch leiten und führen, wohin ich sollte, da fand ich ohngefähr ein Brieflein, das mein Einsiedel bei seinem Leben noch geschrieben hatte, das lautet also: »Lieber Simplici, wenn du dies Brieflein findest, so gehe alsbald aus dem Wald, und errette dich und den Pfarrer aus gegenwärtigen Nöten, denn er hat mir viel Guts getan: Gott, den du allweg vor Augen haben, und fleißig beten sollest, wird dich an ein Ort bringen, das dir am bequemsten ist. Allein habe denselbigen stets vor Augen, und befleißige
Ich küßte dies Brieflein und des Einsiedlers Grab zu viel tausend Malen, und machte mich auf den Weg, Menschen zu suchen, bis ich deren finden möchte, ging also zween Tag einen geraden Weg fort, und wie mich die Nacht begriff, suchte ich einen hohlen Baum zu meiner Herberg, mein Zehrung war nichts anders als Buchen, die ich unterwegs auflas, den dritten Tag aber kam ich ohnweit Gelnhausen auf ein ziemlich eben Feld, da genoß ich gleichsam eines hochzeitlichen Mahls, denn es lag überall voller Garben auf dem Feld, welche die Bauren, weil sie nach der namhaften Schlacht vor Nördlingen verjagt worden, zu meinem Glück nicht einführen können, in deren einer macht ich mein Nachtlager, weil es grausam kalt war, und sättigte mich mit ausgeriebenen Weizen, dergleichen ich lang nicht genossen.
Wie Hanau von Simplicio, und Simplicius von Hanau eingenommen wird
Da es taget', füttert ich mich wieder mit Weizen, begab mich zum nächsten auf Gelnhausen, und fand daselbst die Tor' offen, welche zum Teil verbrannt, und jedoch noch halber mit Mist verschanzt waren: Ich ging hinein, konnte aber keines lebendigen Menschen gewahr werden, hingegen lagen die Gassen hin und her mit Toten überstreut, deren etliche ganz, etliche aber bis aufs Hemd ausgezogen waren. Dieser jämmerliche Anblick war mir ein erschrecklich Spektakul, maßen sich jedermann selbsten wohl einbilden kann, meine Einfalt konnte nicht ersinnen, was für ein Unglück den Ort in einen solchen Stand gesetzt haben müßte. Ich erfuhr aber ohnlängst hernach, daß die kaiserlichen Völker etliche Weimarische daselbst überrumpelt. Kaum zween
Ich muß dem Leser nur auch zuvor meinen damaligen visierlichen Aufzug erzählen, ehe daß ich ihm sage, wie mirs weiter ging, denn meine Kleidung und Gebärden waren durchaus seltsam, verwunderlich und widerwärtig, so daß mich auch der Gouverneur abmalen lassen: Erstlich waren meine Haar in dritthalb Jahren weder auf griechisch, teutsch noch französisch abgeschnitten, gekampelt noch gekräuselt oder gebüfft worden, sondern sie standen in ihrer natürlichen Verwirrung noch, mit mehr als jährigem Staub, anstatt des Haar-Plunders, Puders oder Pulvers (wie man das Narren- oder Närrinwerk nennet) durchstreuet, so zierlich auf meinem Kopf, daß ich darunter hervorsah mit meinem bleichen Angesicht, wie ein Schleiereul die knappen will, oder sonst auf eine Maus spannet. Und weil ich allzeit barhäuptig zu gehen pflegte, meine Haar aber von Natur kraus waren, hatte es das Ansehen, als wenn ich ein türkischen Bund aufgehabt hätte; das übrige Habit stimmte mit der Hauptzierd überein, denn ich hatte meines Einsiedlers Rock an, wenn ich denselben anders noch einen Rock nennen darf, dieweil das erste Gewand, daraus er geschnitten worden, gänzlich verschwunden, und nichts mehr davon übrig gewesen, als die bloße Form, welche mehr als tausend Stücklein allerhandfarbiges zusammengesetztes, oder durch vielfältiges Flicken aneinandergenähetes Tuch, noch vor Augen stellte. Über diesem abgangenem, und doch zu vielmalen verbessertem Rock, trug ich das hären Hemd, anstatt eines Schulterkleids (weil ich die Ärmel anstatt eines Paar Strümpfs brauchte, und dieselben zu solchem Ende herabgetrennet hatte), der ganze Leib aber war mit eisernen Ketten, hinten und vorn fein kreuzweis, wie
Dieses männische Weib, oder dieser weibische Mann, wie er mir vorkam, ließ mich überall besuchen, fand aber nichts bei mir, als ein Büchlein von Birkenrinden, darin ich meine täglichen Gebet geschrieben, und auch dasjenige Zettelein liegen hatte, das mir mein frommer Einsiedel, wie in vorigem Kapitel gemeldet worden, zum Valete hinterlassen, solches nahm er mir; weil ichs aber ungern verlieren wollte, fiel ich vor ihm nieder, faßte ihn um beide Knie, und sagte: »Ach mein lieber Hermaphrodit, laßt mir doch mein Gebetbüchlein!« »Du Narr«, antwortet' er, »wer Teufel hat dir gesagt, daß ich Hermann heiße?« Befahl darauf zweien Soldaten, mich zum Gubernator zu führen, welchem er besagtes Buch mitgab, weil der Phantast ohnedas, wie ich gleich merkte, selbst weder lesen noch schreiben konnte.
Also führete man mich in die Stadt, und jedermann lief zu, als wenn ein Meerwunder auf die Schau geführt würde; und gleichwie mich jedweder sehen wollte, also machte auch jeder etwas Besonders aus mir, etliche hielten mich für einen Spionen, andere für ein Unsinnigen, andere für ein wilden Menschen, und aber andere für ein Geist, Gespenst, oder sonst für ein Wunder, welches etwas Besonders bedeuten würde: Auch waren etliche, die hielten mich für ein Narren, welche wohl am nächsten zum Zweck geschossen haben möchten, wenn ich den lieben Gott nicht gekannt hätte.
Wasgestalten er von dem Gefängnis und der Folter errettet worden
Als ich vor den Gubernator gebracht wurde, fragte er mich, wo ich herkäme? Ich aber antwortet, ich wüßte es nicht. Er fragt' weiter: »Wo willst du denn hin?« Ich antwortet abermal: »Ich weiß nicht.« »Was Teufel weißt du denn«, fragte er ferner, »was ist denn dein Hantierung?«
Da wandte sich der Gubernator zu etlichen von seinen Offiziern, die ihm eben aufwarteten, und sagte: »Entweder ist dieser ein Erzschelm, oder gar ein Narr! zwar kann er kein Narr sein, weil er so schreibt«; und indem als er so redet', blättert' er in meinem Büchlein so stark herum, ihnen mein schöne Handschrift zu weisen, daß des Einsiedlers Brieflein herausfallen mußte, solches ließ er aufheben, ich aber entfärbte mich darüber, weil ich solches für meinen höchsten Schatz und Heiligtum hielt; welches der Gubernator wohl in acht nahm, und daher noch ein größern Argwohn der Verräterei schöpfte, vornehmlich als er das Brieflein aufgemacht und gelesen hatte, denn er sagte: »Ich kenne einmal diese Hand, und weiß, daß sie von einem mir wohlbekannten Kriegsoffizier geschrieben worden ist, ich kann
Dieser Anfang mich zu bewillkommen, war der Welt noch nicht genug, sondern es kamen Henker und Steckenknecht, mit grausamen Folterungs-Instrumenten, welche mir, ohnangesehen ich mich meiner Unschuld zu getrösten hatte, meinen elenden Zustand allererst grausam machten: »Ach Gott!« sagte ich zu mir selber, »wie geschieht mir so recht, Simplicius ist darum aus dem Dienst Gottes in die Welt gelaufen, damit ein solche Mißgeburt des Christentums den billigen Lohn empfange, den ich mit meiner Leichtfertigkeit verdienet habe. O du unglückseliger Simplici! wohin bringt dich deine Undankbarkeit? Siehe, Gott hatte dich kaum zu seiner Erkenntnis und in seine Dienst gebracht, so läufst du hingegen aus seinen Diensten, und kehrest ihm den Rücken! Hättest du nicht mehr Eicheln und Bohnen essen können wie zuvor, deinem Schöpfer ohnverhindert zu dienen? Hast du nicht gewußt, daß dein getreuer Einsiedel und Lehrmeister die Welt geflohen, und sich die Wildnis auserwählt? O blindes Ploch, du hast dieselbe verlassen, in Hoffnung, deinen schändlichen Begierden (die Welt zu sehen) genug zu tun. Aber nun schaue, indem du vermeinest, deine Augen zu weiden, mußt du in diesem gefährlichen Irrgarten untergehen und verderben; Hast du unweiser Tropf dir nicht zuvor können einbilden, daß dein
Das betrügliche Glück gibt Simplicio einen freundlichen Blick
Ihm wurde erlaubt, zum Gubernator zu gehen, und über ein halbe Stund hernach wurd ich auch geholt, und in die Gesindstube gesetzt, allwo sich schon zween Schneider, ein Schuster mit Schuhen, ein Kaufmann mit Hüten und Strümpfen, und ein anderer mit allerhand Gewand eingestellt, damit ich ehest gekleidet würde; da zog man mir den Rock ab, samt der Ketten und dem härenen Hemd, auf daß die Schneider das Maß recht nehmen könnten; folgends erschien ein Feldscherer, mit scharfer Laugen und wohlriechender Seifen, und eben als dieser seine Kunst an mir üben wollte, kam ein anderer Befehl, welcher mich greulich erschreckte, weil er lautet', ich sollte mein Habit wieder anziehen; solches war nicht so bös gemeint, wie ich wohl besorgte, denn es kam gleich ein Maler mit seinem Werkzeug daher, nämlich mit Minien und Zinnober zu meinen Auglidern, mit Lack, Endig und Lasur zu meinen korallenroten Lippen, mit Auripigmentum, Rausch-schütt und Bleigelb zu meinen weißen Zähnen, die ich vor Hunger bleckte, mit Kienruß, Kohlschwärz und Umbra zu meinen gelben Haaren, mit Bleiweiß zu meinen gräßlichen Augen, und mit sonst vielerlei Farben zu meinem wetterfarbigen Rock, auch hatte er eine ganze Hand voll Pinsel. Dieser fing an mich zu beschauen, abzureißen, zu untermalen, den Kopf über eine Seite zu hängen, um seine Arbeit gegen meine Gestalt genau zu betrachten; bald ändert' er die Augen, bald die Haar, geschwind die Naslöcher, und in Summa alles, was er im Anfang nicht recht gemacht, bis er endlich ein natürliches Muster entworfen hatte, wie Simplicius eins war: Alsdann durfte allererst der Feldscherer auch über mich herwischen, derselbe zwagte mir den Kopf, und richtet' wohl anderthalbe Stund an meinen Haaren, folgends schnitt er sie ab auf die damalige Mode, denn ich hatte Haar übrig. Nachgehends setzt' er mich in ein Badstüblein, und säubert' meinen mageren ausgehungerten Leib von mehr
Nach dem Nachtessen wurde mein Herr in ein Bett gelegt, dergleichen mir niemals weder bei meinem Knan noch Einsiedel zuteil worden; aber mein Bauch kurret' und murret' die ganze Nacht hindurch, daß ich nicht schlafen konnte, vielleicht keiner andern Ursach halber, als weil er entweder noch nicht wußte was gut war, oder weil er sich über die anmutigen neuen Speisen, die ihm zuteil worden, verwunderte; ich blieb aber ein Weg als den andern liegen, bis die liebe Sonn wieder leuchtet' (denn es war kalt) und betrachtet, was für seltsame Anständ ich nun etliche Tag gehabt, und wie mir der liebe Gott so treulich durchgeholfen, und mich an ein so guten Ort geführet hätte.
Wer der Einsiedel gewesen, dessen Simplicius genossen
Denselben Morgen befahl mir des Gouverneurs Hofmeister, ich sollte zu obgemeldtem Pfarrern gehen, und vernehmen, was sein Herr meinetwegen mit ihm geredt hätte: Er gab mir einen Leibschützen mit, der mich zu ihm brachte, der Pfarrer aber führet' mich in sein Museum, setzt' sich, hieß mich auch sitzen, und sagte: »Lieber Simplici, der Einsiedel, bei dem du dich im Wald aufgehalten, ist nicht allein des hiesigen Gouverneurs Schwager, sondern auch im Krieg sein Beförderer und wertester Freund gewesen; wie dem Gubernator mir zu erzählen beliebt', so ist demselben von Jugend auf weder an Tapferkeit eines heroischen Soldaten, noch an Gottseligkeit und Andacht, die sonst einem Religioso zuständig, niemal nichts abgangen, welche beiden Tugenden man zwar selten beieinander zu finden pflegt; Sein geistlicher Sinn und widerwärtige Begegnisse hemmeten endlich den Lauf seiner weltlichen Glückseligkeit, so daß er seinen Adel und ansehnliche Güter in Schotten, da er gebürtig, verschmähet' und hintansetzet', weil ihm alle Welthändel abgeschmack, eitel und verwerflich vor kamen: Er verhoffte, mit einem Wort, seine gegenwärtige Hoheit um ein künftige bessere Glori zu verwechseln, weil sein hoher Geist einen Ekel an aller zeitlichen Pracht hatte, und sein Dichten und Trachten war nur nach einem solchen erbärmlichen Leben gerichtet, darin du ihn im Wald angetroffen, und bis in seinen Tod Gesellschaft geleistet hast: Meines Erachtens ist er durch Lesung vieler papistischen Bücher von dem Leben der alten Eremiten hierzu verleitet worden.«
Ich will dir aber auch nicht verhalten, wie er in den Spessart und seinem Wunsch nach zu solchem armseligen Einsiedler-Leben kommen sei, damit du inskünftig auch andern Leuten etwas davon zu erzählen weißt: Die zweite Nacht hernach, als die blutige Schlacht vor Höchst verloren worden, kam er einzig und allein vor meinen Pfarrhof,
Nachdem nun neulich die Schlacht vor Nördlingen verloren, und ich, wie du weißt, rein ausgeplündert, und zugleich übel beschädiget worden, hab ich mich hieher in Sicherheit geflehnet, weil ich ohndas schon meine besten Sachen hier hatte: Und als mir die baren Geldmittel ausgehen wollten, nahm ich drei Ring und obgemeldte güldene Ketten, mitsamt dem anhangenden Conterfait, so ich von deinem Einsiedel hatte, maßen sein Petschier-Ring auch darunter war, und trugs zu einem Juden, solches zu versilbern, der hat es aber der Köstlichkeit und schönen Arbeit wegen dem Gubernator käuflich angetragen, welcher das
Simplicius wird ein Page, item, wie des Einsiedlers Weib verloren worden
Der Pfarrer zögerte mich auf in seinem Losament bis zehn Uhr, ehe er mit mir zum Gouverneur ging, ihm meinen Entschluß zu sagen, damit er bei demselben, weil er eine freie Tafel hielt, zu Mittags ein Gast sein könne; denn es war damals Hanau blockiert, und eine solche klemme Zeit bei dem gemeinen Mann, bevorab den geflehnten Leuten in selbiger Festung, daß auch etliche, die sich etwas einbildeten, die angefrornen Rübschalen auf der Gassen, so die Reichen etwa hinwarfen, aufzuheben nit verschmäheten: Es glückte ihm auch so wohl, daß er neben den Gouverneur selbst über der Tafel zu sitzen kam, ich aber wartete auf mit einem Teller in der Hand, wie mich der Hofmeister anwies; in welches ich mich zu schicken wußte, wie ein Esel ins Schachspiel: Aber der Pfarrer ersetzte allein mit seiner Zung, was die Ungeschicklichkeit meines Leibs nicht vermochte. Er sagte, daß ich in der Wildnis erzogen, niemals bei Leuten gewesen, und dahero wohl für entschuldigt zu halten, weil ich noch nicht wissen könnte, wie ich mich halten sollte; meine Treu, die ich dem Einsiedel erwiesen, und das harte Leben, so ich bei demselben überstanden, wären verwundernswürdig, und allein wert, nicht allein meine Ungeschicklichkeit zu gedulden, sondern auch mich dem feinsten Edelknaben vorzuziehen. Weiters erzählte er, daß der Einsiedel alle seine Freud an mir gehabt, weil ich, wie er öfters gesagt, seiner Liebsten von Angesicht so ähnlich sei, und daß er sich oft über meine Beständigkeit und ohnveränderlichen Willen, bei ihm zu bleiben, und sonst noch über viel Tugenden, die er an mir gerühmt, verwundert hätte. In Summa, er konnte nicht genugsam aussprechen, wie mit ernstlicher Inbrünstigkeit er kurz vor seinem Tod mich ihm, Pfarrern, rekommendiert, und bekannt hätte, daß er mich so sehr als sein eigen Kind liebe.
Dieses und dergleichen war des Gouverneurs und Pfarrern Tischgespräch, von meinem Einsiedel und seiner Liebsten, welches Paar Ehevolk um soviel desto mehr bedauret
Simplicius tadelt die Leut, und siehet viel Abgötter in der Welt
Damals war bei mir nichts Schätzbarliches als ein reines Gewissen und aufrichtig frommes Gemüt zu finden, welches mit der edlen Unschuld und Einfalt begleitet und umgeben war; ich wußte von den Lastern nichts anders, als daß ich sie etwa hören nennen, oder davon gelesen hatte, und wenn ich deren eins wirklich begehen sah, war mirs ein erschreckliche und seltene Sach, weil ich erzogen und gewöhnet worden, die Gegenwart Gottes allezeit vor Augen zu haben, und aufs ernstlichst nach seinem heiligen Willen zu leben, und weil ich denselben wußte, pflegte ich der Menschen Tun und Wesen gegen denselben abzuwägen, in solcher Übung bedünkte mich, ich sehe nichts als lauter Greuel: Herr Gott! wie verwundert ich mich anfänglich, wenn ich das Gesetz und Evangelium samt den getreuen Warnungen Christi betrachtete, und hingegen derjenigen Werk ansah, die sich für seine Jünger und Nachfolger ausgaben; Anstatt der aufrichtigen Meinung, die ein jedweder rechtschaffene Christ haben soll, fand ich eitel Heuchelei, und sonst so unzählbare Torheiten bei allen Welt-Menschen, daß ich auch zweifelte, ob ich Christen vor mir hätte oder nicht? denn ich konnte leichtlich merken, daß männiglich den ernstlichen Willen Gottes wüßte, ich merkte aber hingegen keinen Ernst, denselben zu vollbringen.
Also hatte ich wohl tausenderlei Grillen und seltsame Gedanken in meinem Gemüt, und geriet in schwere Anfechtung, wegen des Befehls Christi, da er spricht: Richtet
Nächst der Hoffart und dem Geiz, samt deren ehrbaren Anhängen, waren Fressen und Saufen, Huren und Buben, bei den Vermöglichen ein tägliche Übung; was mir aber am aller-erschrecklichsten vorkam, war dieser Greuel, daß etliche, sonderlich Soldaten-Bursch, bei welchen man die Laster nicht am ernstlichsten zu strafen pflegt, beides aus ihrer Gottlosigkeit und dem heiligen Willen Gottes selbsten, nur einen Scherz machten. Zum Exempel, ich hörete einsmals einen Ehebrecher, welcher wegen vollbrachter Tat noch gerühmt sein wollte, diese gottlosen Wort sagen: »Es tuts dem geduldigen Hahnrei genug, daß er meinetwegen ein paar Hörner trägt, und wenn ich die Wahrheit bekennen soll, so hab ichs mehr dem Mann zuleid, als der Frauen zulieb getan, damit ich mich an ihm rächen möge.« »O kahle Rach!« antwortet' ein ehrbar Gemüt, so dabeistand, »dadurch man sein eigen Gewissen beflecket, und den schändlichen Namen eines Ehebrechers überkommt!« »Was Ehebrecher?« antwortet' er ihm mit einem höhnischen Gelächter, »ich bin darum kein Ehebrecher, wenn ich schon diese Ehe ein wenig gebogen habe; dies sind Ehebrecher, wovon das sechste Gebot sagt, allwo es verbeut, daß keiner einem andern in Garten steigen, und die Kirschen ehe brechen solle, als der Eigentums-Herr!« Und daß solches also zu verstehen sei, erklärte er gleich darauf, nach seinem Teufels-Catechismo, das siebente Gebot, welches diese Meinung deutlicher vorbringe, indem es sagt: »Du sollst nicht stehlen«,
Als ich noch bei meinem Einsiedel den Weg zum ewigen Leben studierte, verwundert ich mich, warum doch Gott seinem Volk die Abgötterei so hochsträflich verboten? denn ich bildete mir ein, wer einmal den wahren ewigen Gott erkannt hätte, der würde wohl nimmermehr keinen andern ehren und anbeten; schloß also in meinem dummen Sinn, dies Gebot sei ohnnötig, und vergeblich gegeben worden: Aber ach! ich Narr wußte nicht was ich gedachte, denn sobald ich in die Welt kam, vermerkte ich, daß (dies Gebot ohnangesehen) beinahe jeder Weltmensch einen besondern Neben-Gott hatte, ja etliche hatten wohl mehr, als die alten und neuen Heiden selbsten, etliche hatten den ihrigen in der Kisten, auf welchen sie allen Trost und Zuversicht setzten; mancher hatte den sei nen bei Hof, zu welchem er alle Zuflucht gestellt, der doch nur ein Favorit, und oft ein liederlicher Bärnhäuter war, als sein Anbeter selbst, weil sein luftige Gottheit nur aus des Prinzen aprilenwetterischer Gunst bestand; andere hatten den ihrigen in der Reputation, und bildeten sich ein, wenn sie nur dieselbige erhielten, so wären sie selbst auch halbe Götter; noch andere hatten den ihrigen im Kopf, nämlich diejenigen, denen der wahre Gott ein gesund Hirn verliehen, also daß sie einige Künste und Wissenschaften zu fassen geschickt waren, dieselben setzten den gütigen Geber auf ein Seit, und verließen
Ich kam einsmals mit einem vornehmen Herrn in eine Kunstkammer, darinnen schöne Raritäten waren, unter den Gemälden gefiel mir nichts besser als ein Ecce Homo! wegen seiner erbärmlichen Darstellung, mit welcher es die Anschauer gleichsam zum Mitleiden verzückte; daneben hing eine papierne Karte in China gemalt, darauf standen der Chinesen Abgötter in ihrer Majestät sitzend, deren teils wie die Teufel gestaltet waren; der Herr im Haus fragte mich, welches Stück in seiner Kunstkammer mir am besten gefiele? Ich deutet auf besagtes Ecce Homo, er aber sagte, ich irre mich, das Chineser Gemäld wäre rarer, und dahero auch köstlicher, er wolle es nicht um zehen solcher Ecce Homo mangeln. Ich antwortet: »Herr, ist euer Herz wie euer Mund?« Er sagte: »Ich versehe michs.« Darauf sagte ich: »So ist auch euers Herzens Gott derjenige, dessen Conterfait ihr mit dem Mund bekennet, das köstlichste zu sein.« »Phantast«, sagt' jener, »ich ästimiere die Rarität!« Ich antwortet: »Was ist seltener und verwundernswürdiger, als daß Gottes Sohn selbst unsertwegen gelitten, wie uns dies Bildnis vorstellt?«
Dem seltsamen Simplicio kommt in der Welt alles seltsam vor, und er hingegen der Welt auch
So sehr wurden nun diese und noch eine größere Menge anderer Art Abgötter geehrt, so sehr wurde hingegen die wahre göttliche Majestät verachtet, denn gleichwie ich niemand sah, der sein Wort und Gebot zu halten begehrte, also sah ich hingegen viel, die ihm in allem widerstrebten, und die Zöllner (welche zu den Zeiten, als Christus noch auf Erden wandelt', offene Sünder waren) mit Bosheit übertrafen. Christus spricht: »Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen, tut wohl denen die euch hassen, bittet für die so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid euers Vaters im Himmel; denn so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? tun solches nicht auch die Zöllner? und so ihr euch nur zu euren Brüdern freundlich tut, was tut ihr Sonderliches? tun nicht die Zöllner auch also?« Aber ich fand nicht allein niemand, der diesem Befehl Christi nachzukommen begehrte, sondern jedermann tat gerad das Widerspiel, es hieß, ›viel Schwäger, viel Knebel-Spieß‹, und nirgends fand sich mehr Neid, Haß, Mißgunst, Hader und Zank, als zwischen Brüdern, Schwestern, und andern angebornen Freunden, sonderlich wenn ihnen ein Erb zu teilen zugefallen war; auch sonst haßte das Handwerk aller Orten einander, also daß ich handgreiflich sehen und schließen mußte, daß vor diesem die offenen Sünder, Publikanen und Zöllner, welche wegen ihrer Bosheit und Gottlosigkeit bei männiglich verhaßt waren, uns heutigen Christen mit Übung brüderlicher Liebe weit überlegen gewesen; maßen ihnen Christus selbsten das Zeugnis gibt, daß sie sich untereinander geliebet haben. Dahero betrachtete ich, wenn wir keinen Lohn haben, so wir die Feinde nicht lieben, was für große Strafen wir dann gewärtig sein müssen, wenn wir auch unsere Freund hassen; wo die größte Lieb und Treu sein sollte, fand ich die höchste Untreu, und den gewaltigsten Haß. Mancher Herr schund seine
Zum aller-erschrecklichsten kam mirs vor, wenn ich etliche Großsprecher sich ihrer Bosheit, Sünd, Schand und Laster rühmen hörete, denn ich vernahm zu unterschiedlichen Zeiten, und zwar täglich, daß sie sagten: »Potz Blut, wie haben wir gestern gesoffen! Ich hab mich in einem Tag wohl dreimal voll gesoffen, und ebenso vielmal gekotzt. Potz Stern, wie haben wir die Bauren, die Schelmen, tribuliert. Potz Strahl, wie haben wir Beuten gemacht. Potz hundert Gift, wie haben wir ein Spaß mit den Weibern und Mägden gehabt.« Item: »Ich hab ihn daniedergehauen, als wenn ihn der Hagel hätte niedergeschlagen. Ich hab ihn geschossen, daß er das Weiß über sich kehrte. Ich hab ihn so artlich über den Dölpel geworfen, daß ihn der Teufel hätte holen mögen. Ich hab ihm den Stein gestoßen, daß er den Hals hätt brechen mögen.« Solche und dergleichen unchristliche Reden erfüllten mir alle Tag die Ohren, und überdas, so hörte und sah ich auch in Gottes Namen sündigen, welches wohl zu erbarmen ist; von den Kriegern wurde es am meisten praktiziert, wenn sie nämlich sagten: »Wir wollen in Gottes Namen auf Partei, Plündern, Mitnehmen, Totschießen, Niedermachen, Angreifen, Gefangennehmen, in Brand stecken, und was ihrer schrecklichen Arbeiten und Verrichtungen mehr sein mögen. Also wagens auch die Wucherer mit dem Verkauf in Gottes Namen, damit sie ihrem teuflischen Geiz nach schinden und schaben mögen.«
Ein sonderbarer neuer Brauch, einander Glück zu wünschen, und zu bewillkommen
Als ich nun vermeinte, ich hätte Ursach zu zweifeln, ob ich unter Christen wäre oder nicht? ging ich zu dem Pfarrer, und erzählte alles, was ich gehöret und gesehen, auch was ich für Gedanken hatte, nämlich daß ich die Leut nur für Spötter Christi und seines Worts, und für keine Christen hielte, mit Bitt, er wollte mir doch aus dem Traum helfen, damit ich wisse, wofür ich meine Neben-Menschen halten sollte; Der Pfarrer antwortet': »Freilich sind sie Christen, und wollt ich dir nicht raten, daß du sie anders nennen solltest.«
Indem als wir so miteinander redeten, führet' man etliche, so vom Gegenteil waren gefangen worden, übern Platz, welches unsern Diskurs zerstöret', weil wir die Gefangenen auch beschauten. Da vernahm ich eine Unsinnigkeit, dergleichen ich mir nicht hätte träumen dürfen lassen: Es war aber ein neue Mode einander zu grüßen und zu bewillkommen, denn einer von unserer Garnison, welcher hiebevor dem Kaiser auch gedient hatte, kannte einen von den Gefangenen, zu dem ging er, gab ihm die Hand, drückt' jenem die seinige vor lauter Freud und Treuherzigkeit, und sagte: »Daß dich der Hagel erschlag (altteutsch), lebst du auch noch Bruder? Potz Fickerment, wie führt uns der Teufel hier zusammen! ich hab schlag mich der Donner vorlängst gemeint, du wärst gehängt worden!« Darauf antwortet' der ander: »Potz Blitz Bruder, bist dus, oder bist dus nicht? daß dich der Teufel hol, wie bist du hieher kommen? ich hätte mein Lebtag nicht gemeint, daß ich dich wieder antreffen würde, sondern hab gedacht, der Teufel hab dich vorlängst hingeführt.« Und als sie wieder voneinandergingen, sagt' einer zum andern, anstatt behüt dich Gott: »Strick zu, Strick zu, morgen kommen wir vielleicht zusammen, dann wollen wir brav miteinander saufen.«
Dem Secretario wird ein starker Geruch in die Kanzlei geräuchert
Meines Herrn Gunst vermehrte sich täglich, und wurde je länger je größer gegen mich, weil ich nicht allein seiner Schwester, die den Einsiedel gehabt hatte, sondern auch ihm selbsten je länger je gleicher sah, indem die guten Speisen und faulen Tag mich in Kürze glatthaarig machten. Diese Gunst genoß ich bei jedermänniglich, denn wer etwas mit dem Gubernator zu tun hatte, der erzeigte sich mir auch günstig, und sonderlich mochte mich der Secretarius wohl leiden, indem mich derselbe rechnen lernen mußte, hatte er manche Kurzweil von meiner Einfalt und Unwissenheit; er
Als wir dergestalt vom Tintenfaß (welches mich allerdings an des Fortunati Säckel gemahnet') diskurierten, kam mir das Titular-Buch ohngefähr in die Händ, darinnen fand ich, meines damaligen Dafürhaltens, mehr Torheiten, als mir bishero noch nie vor Augen kommen; Ich sagte zum Secretario: »Dieses alles sind ja Adams-Kinder, und eines Gemächts miteinander, und zwar nur von Staub und Aschen! Wo kommt dann ein so großer Unterscheid her? Allerheiligst, Unüberwindlichst, Durchleuchtigst! Sind das nicht göttliche Eigenschaften? hier ist einer Gnädig, dort ist der ander Gestreng; und was muß allzeit das Geborn dabei tun? man weiß ja wohl, daß keiner vom Himmel fällt, auch keiner aus dem Wasser entstehet, und daß keiner aus der Erden wächst, wie ein Krautskopf; warum stehen nur Hoch- Wohl- Vor- und Großgeachte da, und keine Geneunte? oder wo bleiben die Gefünfte, Gesechste, und Gesiebente? was ist das für ein närrisch Wort: Vorsichtig? welchem stehen denn die Augen hinten im Kopf?« Der Secretarius mußte meiner lachen, und nahm die Mühe, mir eines und des andern Titel, und alle Wort insonderheit auszulegen, ich aber beharrete darauf, daß die Titel nicht recht geben würden, es wäre einem viel rühmlicher, wenn er Freundlich tituliert würde, als Gestreng; Item, wenn das Wort Edel an sich selbsten nichts anders als hochschätzbarliche Tugenden bedeute, warum es dann, wenn es zwischen Hochgeborn (welches Wort einen Fürsten oder Grafen anzeige) gesetzt werde, solchen fürstlichen Titel verringere? das Wort Wohlgeborn sei eine ganze Unwahrheit, solches würde eines jeden Barons Mutter bezeugen, wenn man sie fraget', wie es ihr bei ihres Sohns Geburt ergangen wäre?
Indem ich nun dieses also belachte, entrann mir ohnversehens ein solcher grausamer Leibsdunst, daß beides ich und der Secretarius darüber erschraken; dieser meldet' sich augenblicklich sowohl in unsern Nasen, als in der ganzen Schreibstuben so kräftig an, gleichsam als wenn man ihn zuvor nicht genug gehöret hätte. »Troll dich du Sau«, sagt'
Einer lernet den Simplicium aus Neid wahrsagen; ja noch wohl ein andere zierliche Kunst
Ich kam aber sehr unschuldig in dies Unglück, denn die ungewöhnlichen Speisen und Arzneien, die man mir täglich gab, meinen zusammengeschrumpelten Magen und eingeschnorrtes Gedärm wieder zurechtzubringen, erregten in meinem Bauch viel gewaltige Wetter und starke Sturmwind, welche mich trefflich quälten, wenn sie ihren ungestümen Ausbruch suchten; und demnach ich mir nicht einbildete, daß es übel getan sei, wenn man dies Orts der Natur willfahre, maßen einer solchen innerlichen Gewalt in die Läng zu widerstehen ohnedas unmöglich, mich auch weder mein Einsiedel (weil solche Gäst gar dünn bei uns gesäet wurden) niemals nichts davon unterrichtet, noch mein Knan verboten, solche Kerl ihres Wegs nicht ziehen zu lassen, also ließ ich ihnen Luft, und alles passiern, was nur fort wollte, bis ich erzähltermaßen mein Kredit beim Secretario verloren: Zwar wäre dessen Gunst noch wohl zu entbehren gewesen, wenn ich in keinen größern Unfall kommen wäre, denn mir gings, wie einem frommen Menschen der nach Hof kommt, da sich die Schlang wider den Nasicam, Goliath wider den David, Minotaurus wider Theseum, Medusa wider Perseum, Circe wider Ulyssem, Aegisthus wider Menelaum, Paludes wider Coraebum, Medea wider den Peliam, Nessus wider Herculem, und was mehr ist, Althea wider ihren eigenen Sohn Meleagrum rüstet.
Mein Herr hatte einen ausgestochenen Essig zum Pagen
Simplicio werden zwei Augen aus einem Kalbskopf zuteil
Des andern Tags hatte mein Herr seinen Offiziern und andern guten Freunden eine fürstliche Gasterei angestellt, weil er die angenehme Zeitung bekommen, daß die Seinigen das feste Haus Braunfels ohne Verlust einzigen Manns eingenommen; da mußte ich, wie denn mein Amt war, wie ein anderer Tischdiener helfen Speisen auftragen, einschenken, und mit einem Teller in der Hand aufwarten: Den ersten Tag wurde mir ein großer fetter Kalbskopf (von welchen man zu sagen pflegt, daß sie kein Armer fressen dürfe) aufzutragen eingehändigt; weil nun derselbig ziemlich mürb gesotten war, ließ er das eine Aug mit zugehöriger ganzer Substanz ziemlich weit herauslappen, welches mir ein anmutiger und verführerischer Anblick war: Und weil mich der frische Geruch von der Speckbrühe und aufgestreutem Ingwer zugleich anreizete, empfand ich einen solchen Appetit, daß mir das Maul ganz voll Wasser wurde: In Summa, das Aug lachte meine Augen, meine Nasen, und meinen Mund zugleich an, und bat mich gleichsam, ich wollte es doch meinem heißhungerigen Magen einverleiben: Ich ließ mir nicht lang den Rock zerreißen, sondern folgte meinen Begierden, im Gang hob ich das Aug mit meinem Löffel, den ich erst denselben Tag bekommen hatte, so meisterlich heraus, und schickte es ohne Anstoß so geschwind an seinen Ort, daß es auch kein Mensch inne ward, bis das Schüppen-Essen auf den Tisch kam, und mich und sich selbst verriet; denn als man ihn zerlegen wollte, und eins von seinen allerbesten Gliedmaßen mangelte, sah mein Herr gleich, warum der Vorschneider stutzte; Er wollte fürwahr den Spott nicht haben, daß man ihm einen einäugigen Kalbskopf aufzustellen das Herz haben sollte! Der Koch mußte vor die Tafel, und die so aufgetragen hatten, wurden mit ihm examiniert; zuletzt kam das Fazit über den armen Simplicium heraus, daß nämlich ihm der Kopf mit beiden Augen aufzutragen gegeben worden wäre, wie es aber weiter gangen, davon
Wie man nach und nach einen Rausch bekommt, und endlich ohnvermerkt blind-voll wird
Bei dieser Mahlzeit (ich schätze, es geschieht bei andern auch) trat man ganz christlich zur Tafel, man sprach das Tischgebet sehr still, und allem Ansehen nach auch sehr andächtig: Solche stille Andacht kontinuierte so lang, als man mit der Supp und den ersten Speisen zu tun hatte, gleichsam als wenn man in einem Kapuziner-Konvent gessen hätte; Aber kaum hatte jeder drei oder viermal ›Gesegne Gott‹ gesagt, da wurde schon alles viel lauter: Ich kann nicht beschreiben, wie sich nach und nach eines jeden
Mein Pfarrer war auch bei dieser Gasterei, ihm beliebte so wohl als andern, weil er auch so wohl als andere ein Mensch war, ein Abtritt zu nehmen. Ich ging ihm nach, und sagte: »Mein Herr Pfarrer, warum tun doch die Leut so seltsam? woher kommt es doch, daß sie so hin und her torkeln? mich dünkt schier, sie sein nicht mehr recht witzig, sie haben sich alle satt gessen und getrunken, und schwören bei Teufelholen, wenn sie mehr saufen können, und dennoch hören sie nicht auf, sich auszuschoppen! müssen sie
Wie übel dem Simplicio die Kunst mißlingt, und wie man ihm die klopfende Passion singt
Als ich dergestalt mit einem Teller in der Hand vor der Tafel aufwartete, und in meinem Gemüt von allerhand Tauben und werklichen Gedanken geplagt wurde, ließ mich mein Bauch auch nicht zufrieden, er kurret und murret ohn Unterlaß, und gab dadurch zu verstehen, daß Bursch in ihm vorhanden wären, die in freie Luft begehrten; ich gedacht,
Handelt abermal von nichts anderm als der Säuferei, und wie man die Pfaffen davon soll abschaffen
Wie dies vorüber, mußte ich wieder aufwarten wie zuvor, mein Pfarrer war noch vorhanden, und wurde sowohl als andere zum Trunk genötiget, er aber wollte nicht recht daran, sondern sagte: Er möchte so bestialisch nicht saufen; hingegen erwies ihm ein guter Zechbruder, daß er Pfarrer wie eine Bestia, er der Säufer und andere Anwesende aber wie Menschen söffen. »Denn«, sagte er, »ein Vieh säuft nur soviel als ihm wohl schmecket, und den Durst löscht, weil sie nicht wissen was gut ist, noch den Wein trinken mögen; uns Menschen aber beliebt, daß wir uns den Trunk zunutz machen, und den edlen Rebensaft einschleichen lassen, wie unser Voreltern auch getan haben.« »So wohl«, sagt' der Pfarrer, »es gebührt mir aber rechte Maß zu halten«; »Wohl«, antwortet jener, »ein ehrlicher Mann hält sein Wort«, und ließ ihm darauf einen mäßigen Becher einschenken, denselben dem Pfarrer zuzuzotteln; er hingegen ging durch, und ließ den Säufer mit seinem Eimer stehen.
Als dieser abgeschafft war, ging es drunter und drüber, und ließ sich ansehen, als wenn diese Gasterei ein bestimmte Zeit und Gelegenheit sein sollte, sich gegeneinander mit Vollsaufen zu rächen, einander in Schand zu bringen, oder sonst ein Possen zu reißen; denn wenn einer expediert wurde, daß er weder sitzen, gehen oder stehen mehr konnte, so hieß es: ›Nun ists wett! Du hast mirs hiebefür auch so gekocht, jetzt ist dirs eingetränkt‹, und so fortan etc. Welcher
Wie der Herr Gubernator ein abscheulichen Fuchs geschossen
Da es nun wieder Fried worden, nahmen die Meistersäufer die Spielleut samt dem Frauenzimmer, und wanderten in ein ander Haus, dessen Saal auch zu einer andern Torheit erkoren und gewidmet war; Mein Herr aber setzte sich auf sein Lotterbett, weil ihm entweder vom Zorn oder der Überfüllung wehe war, ich ließ ihn liegen, wo er lag, damit er ruhen und schlafen könnte, war aber kaum unter die Tür des Zimmers kommen, als er mir pfeifen wollte, und solches doch nicht konnte. Er rief, aber nicht anders als ›Simpls‹. Ich sprang zu ihm, und fand ihn die Augen verkehren wie ein Vieh, das man absticht; Ich stand da vor ihm wie ein Stockfisch, und wußte nicht was zu tun war: er aber deutet' aufs Tresor und lallete: »Br, bra, bring da das; du Schuft, la, la, lang, langs Lavor, ich m, mu, muß e, ein Fu, Fuchs schießen!« Ich eilete und brachte das Lavor-Becken, und als ich zu ihm kam, hatte er ein Paar Backen wie ein Trompeter; Er erwischte mich geschwind bei dem Arm, und akkommodierte mich zu stehen, daß ich ihm das Lavor gerad vors Maul halten mußte, solches brach ihm mit schmerzlichen Herzstößen ohnversehens auf, und goß eine solche wüste Materi in bemeldtes Lavor, daß mir vor unleidenlichem Gestank schier ohnmächtig wurde, sonderlich weil mir etliche Brocken (sal. ven.) ins Gesicht spritzten: Ich hätte beinahe auch mitgemacht, aber als ich sah, wie er verbleichte, ließ ichs aus Furcht unterwegen, und besorgte, die Seel würde ihm samt dem Unflat durchgehen, weil ihm der kalte Schweiß ausbrach, und sein Angesicht einem Sterbenden ähnlich sah: Als er sich aber gleich wieder erholte, hieß er mich frisch Wasser holen, damit er seinen Weinschlauch wieder ausspülete.
Demnach befahl er mir den Fuchs hinwegzutragen, welcher mich, weil er in einem silbern Lavor lag, nichts Verächtliches, sondern ein Schüssel voller Vor-Essen für vier Mann zu sein bedünkt', das sich beileib nicht hinwegzuschütten
Wie Simplicius den Tanz verdorben
Mein Herr ging eben aus, als ich meines Lavors los worden, ich trat ihm nach gegen ein großes Haus zu, allwo ich im Saal Männer, Weiber und ledige Personen so schnell untereinander herumhaspeln sah, daß es frei wimmelte; die hatten ein solch Getrippel und Gejohl, daß ich vermeinte, sie wären alle rasend worden, denn ich konnte nicht ersinnen, was sie doch mit diesem Wüten und Toben vorhaben möchten? ja ihr Anblick kam mir so grausam, fürchterlich und schrecklich vor, daß mir alle Berg gen Haar standen, und konnte nichts anders glauben, als sie müßten aller ihrer Vernunft beraubt sein: Da wir näher hinzukamen, sah ich, daß es unsere Gäst waren, welche den Vormittag noch witzig gewesen; »mein Gott!« gedacht ich, »was haben doch
Ich hätte trefflich gern gewußt, wohin doch das närrisch Wesen gemeint sein möchte? fragte derowegen meinen Kameraden und vertrauten Herzbruder, der mich erst kürzlich das Wahrsagen gelernet, was solche Wut bedeute? oder wozu dieses rasende Trippen und Trappen angesehen sei? Der berichtet' mir für eine gründliche Wahrheit, daß sich die Anwesenden vereinbart hätten, dem Saal den Boden mit Gewalt einzutreten; »Warum vermeinst du wohl«, sagt' er, »daß sie sich sonst so tapfer tummeln sollten? hast du nicht gesehen, wie sie die Fenster vor Kurzweil schon ausgeschlagen? eben also wird es auch diesem Boden gehen.« »Herr Gott«, antwortet ich, »so müssen wir ja mit zugrund gehen, und im Hinunterfallen samt ihnen Hals und Bein brechen?« »Ja«, sagt' mein Kamerad, »darauf ists angesehen, und da geheien sie sich den Teufel darum, du wirst sehen, wenn sie sich also in Todsgefahr begeben, daß jeder ein hübsche Frau oder Jungfer erwischt, denn man sagt, es pflege den Paaren, so also zusammenhaltend fallen, nicht bald wehe zu geschehen.« Indem ich dieses alles glaubte, überfiel mich eine solche Angst und Todessorg, daß ich nicht mehr wußte, wo ich bleiben
Wie sich ein Ganser und eine Gänsin gepaart
In meinem Gäns-Stall konzipierte ich, was beides vom Tanzen und Saufen ich im ersten Teil meines ›Schwarz und Weiß‹ hiebevor geschrieben, ist derowegen ohnnötig, dies Orts etwas Ferners davon zu melden: Doch kann ich nicht verschweigen, daß ich damals noch zweifelte, ob die Tänzer den Boden einzutreten so gewütet, oder ob ich nur so überredet worden? Jetzt will ich ferner erzählen, wie ich wieder aus dem Gänskerker kam: Drei ganzer Stund, nämlich bis sich das Praeludium Veneris (der ehrlich Tanz sollt ich gesagt haben) geendet hatte, mußte ich in meiner eigenen Unlust sitzen bleiben, ehe einer herzuschlich, und an dem Riegel anfing zu rappeln; Ich lausterte wie ein Sau, die ins Wasser harnt, der Kerl aber, so an der Tür war, machte solche nicht allein auf, sondern wischte auch ebenso geschwind hinein, als gern ich heraußen gewesen wäre, und schleppte noch dazu ein Weibsbild an der Hand mit sich daher, gleichwie ich beim Tanz hatte tun sehen: Ich konnte nicht wissen, was es abgeben sollte, weil ich aber vieler seltsamen Abenteuren, die meinem närrischen Sinn denselben Tag begegnet, schier gewohnt war, und ich mich drein ergeben hatte, fürderhin alles mit Geduld und Stillschweigen zu ertragen, was mir mein Verhängnis zuschicken würde; Also schmiegt ich mich zu der Tür mit Furcht und Zittern das End erwartend; gleich darauf erhob sich zwischen diesen beiden ein Gelispel, daraus ich zwar nichts anders verstand, als daß sich das eine Teil über den bösen Geruch desselben Orts beklagte, und hingegen der ander Teil das erste hinwiederum tröstete: »Gewißlich schönste Dame«, sagt' er, »mir ist versichert von Herzen leid, daß uns die Früchte der Lieb zu genießen vom mißgünstigen Glück kein ehrlicher Ort gegönnet wird; Aber ich kann daneben
Wann trefflich gut zu baden sei
Ob ich nun zwar dergestalt aus dem Gänsstall glücklich entronnen, so wurde ich jedoch erst meines Unglücks recht gewahr, denn meine Hosen waren voll, und ich wußte nicht wohin damit; in meines Herrn Quartier war alles still und schlafend, dahero durfte ich mich zur Schildwacht, die vorm Haus stand, nicht nähern, in der Hauptwach Corps de Guarde wollte man mich nicht leiden, weil ich viel zu übel stank, auf der Gassen zu bleiben war mirs gar zu kalt und unmöglich, also daß ich nicht wußte wo aus noch ein. Es war schon weit nach Mitternacht, als mir einfiel, ich sollte mein Zuflucht zu dem vielgemeldten Pfarrer nehmen; Ich folgete meinem Gutbefinden, vor der Tür anzuklopfen, damit war ich so importun, daß mich endlich die Magd mit Unwillen einließ. Als sie aber roch was ich mitbrachte (denn ihre lange Nas verriet gleich meine Heimlichkeit), wurde sie noch schelliger; Derowegen fing sie an mit mir zu keifen, welches ihr Herr, so nunmehr fast ausgeschlafen hatte, bald hörete: Er rief uns beide vor sich ans Bett, sobald er aber merkte, wo der Has im Pfeffer lag, und die Nas ein wenig gerümpft hatte, sagte er: Es sei niemals, ohnangesehen was die Kalender schreiben, besser baden, als in solchem Stand, darin ich mich befände, er befahl auch seiner Magd, sie sollte bis es vollends Tag würde, meine Hosen waschen und vor den Stubenofen hängen, mich selbst aber in ein Bett legen, denn er sah wohl, daß ich vor Frost ganz erstarrt war. Ich war kaum erwärmt, da es anfing zu tagen, so stand der Pfarrer schon vorm Bett, zu vernehmen wie mirs gangen, und wie meine Händel beschaffen wären, weil ich meines nassen Hemds und der Hosen halber noch nicht aufstehen konnte, zu ihm zu gehen: Ich erzählte ihm alles, und machte den Anfang an der Kunst, die mich mein Kamerad gelernet, und wie übel sie geraten. Folgends meldet ich, daß die Gäst, nachdem er der Pfarrer hinweg gewesen,
Ich ging in meines Herrn Quartier, darin noch alles steinhart schlief, bis auf den Koch und ein paar Mägd, diese putzten das Zimmer, darinnen man gestern gezecht, jener aber rüstete aus den Abschrötlin wieder ein Frühstück oder vielmehr ein Imbiß zu; Am ersten kam ich zu den Mägden, bei denen lag es hin und wider voller zerbrochener so Trink- als Fenstergläser, an teils Orten war es voll von dem, so unten und oben weggangen, und an andern Orten waren große Lachen von verschüttetem Wein und Bier, also daß der Boden einer Landkarten gleichsah, darinnen man unterschiedliche Meer, Inseln und trockene oder fußfeste Länder hätte abbilden und vor Augen stellen wollen. Es stank im ganzen Zimmer viel übler, als in meinem Gänsstall; derowegen war auch meines Bleibens nicht lang daselbsten, sondern ich machte mich in die Küchen, und ließ meine Kleider beim Feur am Leib vollends trocknen, mit Furcht und Zittern erwartend, was das Glück, wenn mein Herr ausgeschlafen hätte, ferners in mir wirken wollte; Daneben betrachtet ich der Welt Torheit und Unsinnigkeit, und zog alles zu Gemüt, was mir verwichenen Tag und selbige Nacht begegnet
Der ander Page bekommt sein Lehrgeld, und Simplicius wird zum Narren erwählt
Als mein Herr aufgestanden, schickte er seinen Leibschützen hin, mich aus dem Gänsstall zu holen, der brachte Zeitung, daß er die Tür offen, und ein Loch hinter dem Riegel mit einem Messer geschnitten gefunden, vermittelst dessen der Gefangene sich selbst erledigt hätte: Ehe aber solche Nachricht einkam, verstand mein Herr von andern, daß ich vorlängst in der Küchen gewesen. Indessen mußten die Diener hin und wieder laufen, die gestrigen Gäst zum Frühestück einzuholen, unter welchen der Pfarrer auch war, welcher zeitlicher als andere erscheinen mußte, weil mein Herr meinetwegen mit ihm reden wollte, ehe man zur Tafel säße. Er fragte ihn erstlich, ob er mich für witzig oder für närrisch hielte? oder ob ich so einfältig, oder so boshaftig sei? und erzählet' ihm damit alles, wie unehrbarlich ich mich den vorigen Tag und Abend gehalten, welches teils von seinen Gästen übel empfunden und aufgenommen werde, als wäre es ihnen zum Despekt mit Fleiß so angestellt worden, item daß er mich hätte in einen Gänsstall versperren lassen, sich vor dergleichen Spott, so ich ihm noch hätte zufügen können, zu versichern, aus welchem ich aber gebrochen, und nun in der Küchen umgehe, wie ein Junker, der ihm nicht mehr aufwarten dürfe, sein Lebtag sei ihm kein solcher Poß widerfahren, als ich ihm in Gegenwart so vieler ehrlichen Leut gerissen, er wisse nichts anders mit mir anzufangen, als daß er mich lasse abprügeln, und weil ich mich so dumm anließe, wieder für den Teufel hinjage.
Als man dergestalt oben in der Stuben von mir redete, akkordierte der tolle Fähnrich, den ich an meine Stell selbander eingesperrt hatte, unten mit mir in der Küchen, und brachte mich durch Drohwort und einen Taler, den er mir zusteckte, dahin, daß ich ihm versprach, von seinen Händeln reinen Mund zu halten.
Die Tafeln wurden gedeckt, und wie den vorigen Tag mit Speisen und Leuten besetzt, Wermut-, Salbei-, Alant-, Quitten- und Zitronenwein mußte neben dem Hippokras den Säufern ihre Köpf und Mägen wieder begütigen, denn sie waren schier alle des Teufels Märtyrer. Ihr erstes Gespräch war von ihnen selbsten, nämlich wie sie gestern einander so brav vollgesoffen hätten, und war doch keiner unter ihnen, der gründlich gestehen wollte, daß er voll gewesen, wiewohl den Abend zuvor teils bei Teufelholen geschworen, sie könnten nicht mehr saufen, auch, Wein mein Herr! geschrien und geschrien hatten. Etliche zwar sagten, sie hätten gute Räusch gehabt, andere aber bekannten, daß sich keiner mehr vollsöffe, seit die Räusch aufkommen. Als sie aber von ihren eigenen Torheiten beides zu reden und zu hören müd waren, mußte sich der arme Simplicius leiden: Der Gouverneur selbst erinnerte den Pfarrer, die lustigen Sachen zu eröffnen, wie er versprochen hätte.
Dieser bat zuvörderst, man wollte ihm nichts für ungut halten, dafern er etwa Wörter reden müßte, die seiner geistlichen Person übel anständig zu sein vermerkt würden; Fing darauf an zu erzählen, erstlich aus was für natürlichen Ursachen mich die Leibsdünste zu plagen pflegten, was ich durch solche dem Secretario für eine Unlust in die Kanzlei
Mein Herr hatte nunmehr genug Nachricht von meiner Einfalt, wollte mich derowegen stimmen, ihm und seinen Gästen mehr Lust zu machen, er sah wohl, daß die Musikanten nichts galten, solang man mich unterhanden haben würde, denn ich bedünkte mit meinen närrischen Einfällen jedermann, über siebzehn Lauten zu sein. Er fragte, warum ich die Tür an dem Gänsstall zerschnitten hätte? Ich antwortet: »Das mag jemand anders getan haben.« Er fragte: »Wer denn?« Ich sagte: »Vielleicht der, so zu mir kommen.« »Wer ist denn zu dir kommen?« Ich antwortet: »Das darf ich niemand sagen.« Mein Herr war ein geschwinder Kopf, und sah wohl, wie man mir lausen mußte, derowegen übereilt er mich, und fragte, wer mir solches denn verboten hätte? Ich antwortet gleich: »Der tolle Fähnrich«; und demnach ich an jedermanns Gelächter merkete, daß
Hierauf erzählte der Hofmeister vor der Tafel, daß ich neulich vom Bollwerk oder Wall heimkommen, und gesagt: Ich wüßte wo der Donner und Blitz herkäme, ich hätte große Plöcher auf halben Wagen gesehen, die inwendig hohl gewesen, in dieselben hätte man Zwiebelsamen samt einer eisernen weißen Rüben, der der Schwanz abgeschnitten, gestopft, hernach die Plöcher hintenher ein wenig mit einem zinkigten Spieß gekitzelt, davon wäre vornenheraus Dampf, Donner und höllisch Feuer geschlagen. Sie brachten noch mehr dergleichen Possen auf die Bahn, also daß man schier denselben ganzen Imbiß von sonst nichts, als nur von mir zu reden und zu lachen hatte. Solches verursachte einen allgemeinen Schluß zu meinem Untergang, welcher war, daß man mich tapfer agieren sollte, so würde ich mit der Zeit einen raren Tischrat abgeben, mit dem man auch den größten Potentaten von der Welt verehren, und die Sterbenden zu lachen machen könnte.
Vom Mann der Geld gibt, und was für Kriegsdienste Simplicius der Kron Schweden geleistet, wodurch er den Namen Simplicissimus bekommen
Wie man nun also schlampamte und wieder wie gestern gut Geschirr machen wollte, meldet' die Wacht mit Einhändigung eines Schreibens an den Gouverneur einen Commissarium an, der vor dem Tor sei, welcher von der Kron Schweden Kriegsräten abgeordnet war, die Garnison zu mustern, und die Festung zu visitieren. Solches versalzte allen Spaß, und alles Freudengelach verlummerte wie ein Sackpfeifen-Zipfel, dem der Blast entgangen: Die Musikanten und die Gäst zerstoben wie Tabakrauch verschwindet, der nur den Geruch hinter sich läßt; mein Herr trollte selbst mit dem Adjutanten, der die Schlüssel trug, samt einem Ausschuß von der Hauptwacht und vielen Windlichtern dem Tor zu, den Plackschmeißer, wie er ihn nannte, selbst einzulassen: Er wünschte, daß ihm der Teufel den Hals in tausend Stück breche, ehe er in die Festung käme! Sobald er ihn aber eingelassen, und auf der innern Fallbrücken bewillkommte, fehlte wenig oder gar nichts, daß er ihm nicht selbst an Stegreif griff, seine Devotion gegen ihn zu bezeugen, ja die Ehrerbietung wurde augenblicklich zwischen beiden so groß, daß der Commissarius abstieg, und zu Fuß mit meinem Herrn gegen sein Losament fortwanderte, da wollte jeder die linke Hand haben, etc. »Ach!« gedachte ich, »was für ein wunderfalscher Geist regiert doch die Menschen, indem er je den einen durch den andern zum Narren macht.« Wir näherten also der Hauptwacht, und die Schildwacht rief ihr ›Wer da?‹ wiewohl sie sah, daß es mein Herr war; Dieser wollte nicht antworten, sondern jenem die Ehr lassen, daher stellete sich die Schildwacht mit Wiederholung ihres Geschreis desto heftiger. Endlich antwortet' er auf das letztere ›Wer da?‹: »Der Mann ders Geld gibt!« Wie wir nun bei der Schildwacht vorbeipassierten und ich so hinten nachzog, hörete ich ermeldte Schildwacht, die ein neugeworbener
Folgende Tage gings bei der Musterung bunt über Eck her, ich einfältiger Tropf war selbst geschickt genug, den klugen Commissarium (zu welchen Ämtern und Verrichtungen man wahrlich keine Kinder nimmt) zu betrügen, welches ich eher als in einer Stund lernete, weil die ganze Kunst nur in fünf und neun bestand, selbige auf einer Trommel zu schlagen, weil ich noch zu klein war, einen Musketierer zu präsentieren. Man staffierte mich zu solchem End mit einem entlehnten Kleid, und auch mit einer entlehnten Trommel (denn meine geschürzten Pagehosen taugten nichts zum Handel), ohne Zweifel darum, weil ich selbst entlehnt war, damit passierte ich glücklich durch die Musterung. Demnach man aber meiner Einfalt nicht zugetraute, einen fremden Namen im Sinn zu behalten, auf welchen ich antworten und hervortreten sollte, mußte ich der Simplicius verbleiben, den Zunamen ersetzte der Gouverneur selbsten, und ließ mich Simplicius Simplicissimus in die Roll schreiben, mich also wie ein Hurenkind zum ersten meines Geschlechts zu machen, wiewohl ich seiner eigenen Schwester, seinem Selbstbekenntnis nach, ähnlich sah. Ich behielt auch nachgehends diesen Namen und Zunamen, bis ich den rechten erfuhr, und spielte unter solchem meine Person zu Nutz des Gouverneurs und geringen Schaden der Kron Schweden ziemlich wohl, welches denn alle meine Kriegsdienste sind, die ich derselben mein Lebtag geleistet, derowegen denn ihre Feinde mich deswegen zu neiden kein Ursach haben.
Simplicius wird von vier Teufeln in die Höll geführt, und mit spanischem Wein traktiert
Als der Commissarius wieder hinweg war, ließ vielgemeldter Pfarrer mich heimlich zu sich in sein Losament kommen, und sagte: »O Simplici, deine Jugend dauret mich, und deine künftige Unglückseligkeit bewegt mich zum Mitleiden; Höre mein Kind, und wisse gewiß, daß dein Herr dich aller Vernunft zu berauben, und zum Narren zu machen entschlossen, maßen er zu solchem End bereits ein Kleid für dich verfertigen läßt, morgen mußt du in diejenige Schul, darin du deine Vernunft verlernen sollst; in derselben wird man dich ohne Zweifel so greulich drillen, daß du, wenn anders Gott und natürliche Mittel solches nicht verhindern, ohne Zweifel zu einem Phantasten werden mußt. Weil aber solches ein mißlich und sorglich Handwerk ist, also hab ich um deines Einsiedlers Frommkeit und um deiner eigenen Unschuld willen, aus getreuer christlicher Liebe dir mit Rat und notwendigen guten Mitteln beispringen, und gegenwärtige Arznei zustellen wollen; Darum folge nun meiner Lehr, und nimm dieses Pulver ein, welches dir das Hirn und Gedächtnis dermaßen stärken wird, daß du unverletzt deines Verstands alles leicht überwinden magst: Auch hast du hierbei einen Balsam, damit schmiere die Schläf, den Wirbel, und das Genick samt den Naslöchern, und diesen beiden Stück brauche auf den Abend, wenn du schlafen gehest, sintemal du keine Stund sicher sein wirst, daß du nicht aus dem Bett abgeholet werdest, aber sieh zu, daß niemand dieser meiner Warnung und mitgeteilten Arznei gewahr werde, es möchte sonst dir und mir übel ausschlagen, und wenn man dich in dieser verfluchten Kur haben wird, so achte und glaube nicht alles, was man dich überreden will, und stelle dich doch, als wenn du alles glaubtest, rede wenig, damit deine Zugeordneten nicht an dir merken, daß sie leer Stroh dreschen, sonsten werden sich deine Plagen verändern, wiewohl ich nit wissen
Wie der Pfarrer gesagt hatte, also gings; Im ersten Schlaf kamen vier Kerl in schrecklichen Teufels-Larven vermummt zu mir ins Zimmer vors Bett, die sprangen herum wie Gaukler und Fastnachts-Narren, einer hatte einen glühenden Haken, und der ander eine Fackel in Händen, die anderen zween aber wischten über mich her, zogen mich aus dem Bett, tanzten ein Weil mit mir hin und her, und zwangen mir meine Kleider an Leib, ich aber stellte mich, als wenn ich sie für rechte natürliche Teufel gehalten hätte, verführte ein jämmerliches Zetergeschrei, und ließ die allerfurchtsamsten Gebärden erscheinen; aber sie verkündigten mir, daß ich mit ihnen fort müßte, hierauf verbanden sie mir den Kopf mit einer Handzwell, daß ich weder hören, sehen noch schreien konnte: Sie führten mich unterschiedliche Umweg, viel Stegen auf und ab, und endlich in einen Keller, darin ein großes Feuer brannte, und nachdem sie mir die Handzwell wieder abgebunden, fingen sie an mir in spanischem Wein und Malvasier zuzutrinken. Sie hatten mich gut überreden, ich wäre gestorben, und nunmehr im Abgrund der Höllen, weil ich mich mit Fleiß also stellete, als wenn ich alles glaubte, was sie mir vorlogen: »Saufe nur tapfer zu«, sagten sie, »weil du doch ewig bei uns bleiben mußt, willst aber nicht ein gut Gesell sein und mitmachen, so mußt du in gegenwärtiges Feur.« Die armen Teufel wollten ihre Sprach und Stimm verquanten, damit ich sie nicht kennen sollte, ich merkte aber gleich, daß es meines Herrn Furierschützen waren, doch ließ ichs mich nicht merken, sondern lachte in die Faust, daß diese, so mich zum Narren machen sollten, meine Narren sein mußten. Ich trank meinen Teil mit vom spanischen Wein, sie aber soffen mehr als ich, weil solcher himmlischer Nektar selten an solche Gesellen
Simplicius kommt in den Himmel, und wird in ein Kalb verwandelt
Als ich wieder zu mir selber kam, befand ich mich nicht mehr in dem öden Keller bei den Teufeln, sondern in einem schönen Saal, unter den Händen dreier der allergarstigsten alten Weiber, so der Erdboden je getragen; ich hielt sie anfänglich, als ich die Augen ein wenig öffnete, für natürliche höllische Geister, hätte ich aber die alten heidnischen Poeten schon gelesen gehabt, so hätte ich sie für die Eumenides, oder wenigst die eine eigentlich für die Tisiphone gehalten, welche mich wie den Athamantem meiner Sinn zu berauben aus der Höllen ankommen wäre, weil ich zuvor wohl wußte, daß ich darum da war, zum Narren zu werden: Diese hatte ein paar Augen wie zween Irrwisch, und zwischen denselben eine lange magere Habichtsnas, deren Ende oder Spitz die untere Lefzen allerdings erreichte, nur zween Zähn sah ich in ihrem Maul, sie waren aber so vollkommen, lang, rund und dick, daß sich jeder beinahe der Gestalt nach mit dem Goldfinger, der Farb nach aber sich mit dem Gold selbst hätte vergleichen lassen; In Summa, es war Gebeins genug vorhanden zu einem ganzen Maul voll Zähn, es war aber gar übel ausgeteilt, ihr Angesicht sah wie spanisch Leder, und ihre weißen Haar hingen ihr seltsam zerstrobelt um den Kopf herum, weil man sie erst aus dem Bett geholt hatte; ihre langen Brüst weiß ich nichts anderm zu vergleichen, als zweien lummerichten Kuhblasen, denen zwei Drittel vom Blast entgangen, unten hing an jeder ein schwarzbrauner Zapf halb Fingers lang; Wahrhaftig ein erschrecklicher Anblick, der zu nichts anderm als für eine treffliche Arznei wider die unsinnige Liebe der geilen Böck hätte dienen mögen, die anderen zwo waren gar nicht schöner, ohne daß dieselben stumpfe Affennäslein, und ihre Kleider etwas ordentlicher angetan hatten: Als ich mich besser erkoberte, sah ich, daß die eine unser Schüsselwäscherin, die anderen zwo aber zweier Furierschützen Weiber
Den andern Tag erwachte ich wiederum (denn sonst
Wie sich Simplicius in diesen bestialischen Stand geschickt
Vermittelst des Lochs, so der tolle Fähnrich hiebevor in die Tür geschnitten, hätte ich mich wohl erledigen können, weil ich aber ein Narr sein sollte, ließ ichs bleiben, und tat nicht allein wie ein Narr, der nicht so witzig ist, von sich selbst herauszugehen, sondern stellte mich gar wie ein hungerig Kalb, das sich nach seiner Mutter sehnet, mein Geplärr wurde auch bald von denjenigen gehört, die dazu bestellt waren; maßen zween Soldaten vor den Gänsstall kamen und fragten, wer darinnen wäre? Ich antwortet: »Ihr Narren, hört ihr denn nicht, daß ein Kalb da ist!« Sie machten den Stall auf, nahmen mich heraus, und verwunderten sich, daß ein Kalb sollte reden können! Welches ihnen anstand, wie die gezwungenen Aktionen eines neugeworbenen ungeschickten Komödianten, der die Person, die er vertreten soll, nicht wohl agieren kann, also daß ich oft meinte, ich müßte ihnen selbst zum Possen helfen. Sie beratschlagten
Also wurde ich von den beiden Soldaten dem Gouverneur präsentiert, gleichsam als ob sie mich erst auf Partei erbeutet hätten, dieselben beschenkte er mit einem Trinkgeld, mir selbst aber versprach er die beste Sach, so ich bei ihm haben sollte. Ich gedachte wie des Goldschmieds Jung und sagte: »Wohl Herr, man muß mich aber in keinen Gänsstall sperren, denn wir Kälber können solches nicht erdulden, wenn wir anders wachsen und zu einem Stück Haupt-Vieh werden sollen.« Der Gouverneur vertröstete mich eines Bessern, und dünkte sich gar gescheit sein, daß er einen solchen visierlichen Narren aus mir gemacht hätte; hingegen gedacht ich: »Harre mein lieber Herr, ich hab die Prob des Feuers überstanden, und bin gehärtet worden; jetzt wollen wir probieren, welcher den andern am besten agieren wird können.« Indem trieb ein geflehnter Baur sein Vieh zur Tränke, sobald ich das sah, verließ ich den Gouverneur, und eilete mit einem Kälber-Geplärr den Kühen zu, gleichsam als ob ich an ihnen saugen wollte, diese, als ich zu ihnen kam, entsetzten sich ärger vor mir als vor einem Wolf, wiewohl ich ihrer Art Haar trug, ja sie wurden so schellig, und zerstoben dermaßen voneinander, als wenn im Augusto ein Nest voll Hornissen unter sie gelassen worden
Gleichwie mich nun jedermann von selbiger Zeit an das Kalb nannte, also nannte ich hingegen auch einen jeden mit einem besonderen spöttischen Nachnamen, dieselben fielen mehrenteils der Leut und sonderlich meines Herrn Bedünken nach gar sinnreich, denn ich taufte jedweden nachdem seine Qualitäten erforderten. Summariter davon zu reden, so schätzte mich männig lich für einen ohnweisen Toren, und ich hielt jeglichen für einen gescheiten Narrn. Dieser Gebrauch ist meines Erachtens in der Welt noch üblich, maßen ein jeder mit seinem Witz zufrieden, und sich einbildet, er sei der Gescheiteste unter allen.
Obige Kurzweil, die ich mit des Bauren Rindern anstellete, machte uns den kurzen Vormittag noch kürzer, denn es war damals eben um die winterliche Sonnenwende: Bei der Mittagsmahlzeit wartete ich auf wie zuvor, brachte aber benebens seltsame Sachen auf die Bahn, und als ich essen sollte, konnte niemand einzige menschliche Speis oder Trank in mich bringen, ich wollte kurzum nur Gras haben, so damals zu bekommen ohnmöglich war. Mein Herr ließ ein paar frische Kalbfell von den Metzgern holen, und solche zweien kleinen Knaben über die Köpf streifen: Diese setzte er zu mir an den Tisch, traktierte uns in der ersten Tracht mit Wintersalat, und hieß uns wacker zuhauen, auch ließ er ein lebendig Kalb hinbringen, und mit Salz zum Salat anfrischen. Ich sah so starr darein, als wenn ich mich darüber verwunderte, aber der Umstand vermahnete mich mitzumachen. »Jawohl«, sagten sie, wie sie mich so kaltsinnig sahen, »es ist nichts Neues, wenn Kälber Fleisch, Fisch, Käs, Butter und anders fressen: Was? sie saufen auch zu Zeiten ein guten Rausch! die Bestien wissen nunmehr wohl, was gut ist; ja«, sagten sie ferner, »es ist
Dieses ließ ich mich um soviel desto ehender überreden, weil mich hungerte, und nicht darum, daß ich hiebevor schon selbst gesehen, wie teils Menschen säuischer als Schwein, grimmiger als Löwen, geiler als Böck, neidiger als Hund, unbändiger als Pferd, gröber als Esel, versoffener als Rinder, listiger als Füchs, gefräßiger als Wölf, närrischer als Affen, und giftiger als Schlangen und Kröten waren, welche dennoch allesamt menschlicher Nahrung genossen, und nur durch die Gestalt von den Tieren unterschieden waren, zumalen auch die Unschuld eines Kalbs bei weitem nicht hatten. Ich fütterte mit meinen Mit-Kälbern, wie solches mein Appetit erforderte, und wenn ein Fremder uns ohnversehens also beieinander zu Tisch hätte sitzen sehen, so hätte er sich ohne Zweifel eingebildet, die alte Circe wäre wieder auferstanden, aus Menschen Tiere zu machen, welche Kunst damals mein Herr konnte und praktizierte. Eben auf den Schlag, wie ich die Mittagsmahlzeit vollbrachte, also wurde ich auch auf den Nachtimbiß traktiert; Und gleichwie meine Mitesser oder Schmarotzer mit mir zehrten, damit ich auch zehren sollte, also mußten sie auch mit mir zu Bett, wenn mein Herr anders nicht zugeben wollte, daß ich im Kühestall über Nacht schlief; und das tat ich darum, damit ich diejenigen auch genug narrete, die mich zum Narren zu haben vermeinten: Und machte diesen festen Schluß, daß der grundgütige Gott einem jeden Menschen in seinem Stand, zu welchem er ihn berufen, so viel Witz gebe und verleihe, als er zu seiner Selbsterhaltung vonnöten, auch daß sich dannenhero, Doktor hin oder Doktor her, viel vergeblich einbilden, sie seien allein witzig und Hans in allen Gassen, denn hinter den Bergen wohnen auch Leut.
Redet von Etlicher wunderbarlichem Gedächtnis, und von Anderer Vergessenheit
Am Morgen als ich erwachte, waren meine beiden verkälberten Schlafgesellen schon fort, derowegen stand ich auch auf, und schlich, als der Adjutant die Schlüssel holete, die Stadt zu öffnen, aus dem Haus zu meinem Pfarrer, demselben erzählte ich alles, wie mirs sowohl im Himmel als in der Höll ergangen. Und wie er sah, daß ich mir ein Gewissen machte, weil ich so viel Leut, und sonderlich meinen Herrn betröge, wenn ich mich närrisch stellete, sagte er: »Hierum darfst du dich nicht bekümmern, die närrische Welt will betrogen sein, hat man dir deinen Witz noch übrig gelassen, so gebrauche dich desselben zu deinem Vorteil, bilde dir ein, als ob du gleich dem Phönix, vom Unverstand zum Verstand durchs Feuer und also zu einem neuen menschlichen Leben auch neu geboren worden seist: Doch wisse dabei, daß du noch nicht über den Graben, sondern mit Gefahr deiner Vernunft in diese Narrenkappe geschloffen bist, die Zeiten sind so wunderlich, daß niemand wissen kann, ob du ohne Verlust deines Lebens wieder heraus kommest, man kann geschwind in die Höll rennen, aber wieder heraus zu entrinnen, wirds Schnaufens und Bartwischens brauchen, du bist bei weitem noch nicht so gemannet, deiner bevorstehenden Gefahr zu entgehen, wie du dir wohl einbilden möchtest, darum wird dir mehr Vorsichtigkeit und Verstand vonnöten sein, als zu der Zeit, da du noch nicht wußtest, was Verstand oder Unverstand war, bleibe demütig, und erwarte in Geduld der künftigen Veränderung.«
Sein Diskurs war vorsetzlich so variabel, denn ich bilde mir ein, er habe mir an der Stirn gelesen, daß ich mich groß zu sein bedünkte, weil ich mit so meisterlichem Betrug und feiner Kunst durchgeschloffen; und ich mutmaßete hingegen aus seinem Angesicht, daß er unwillig und meiner überdrüssig worden, denn seine Mienen gabens, und was
»Dieses erzähle ich alles darum«, sagte er ferner, »damit du nicht für unmöglich haltest, daß durch Medizin einem Menschen sein Gedächtnis trefflich gestärket und erhalten werden könne, gleichwie es hingegen auch auf mancherlei Weis geschwächt und gar ausgetilgt wird, maßen Plinius lib. 7 cap. 24 schreibet, daß am Menschen nichts so blöd sei, als eben das Gedächtnis, und daß es durch Krankheit, Schrecken, Furcht, Sorg und Bekümmernis entweder ganz verschwinde, oder doch einen großen Teil seiner Kraft verliere. Von einem Gelehrten zu Athen wird gelesen, daß er alles was er je studiert gehabt, sogar auch das ABC vergessen, nachdem ein Stein von oben herab auf ihn gefallen. Ein anderer kam durch eine Krankheit dahin, daß er seines Dieners Namen vergaß, und Messala Corvinus wußte seinen eigenen Namen nicht mehr, der doch vorhin ein gut Gedächtnis gehabt. Schramhans schreibet in fasciculo Historiarum, fol. 60 (welches aber so aufschneiderisch klinget, als ob es Plinius selbst geschrieben) daß ein Priester aus seiner eigenen Ader Blut getrunken, und dadurch schreiben und lesen vergessen, sonst aber sein Gedächtnis unverrückt behalten, und als er übers Jahr hernach eben an selbigem Ort und damaliger Zeit abermal desselbigen Bluts getrunken,
Der Pfarrer erzählte mir des Dings noch viel, gab mir wieder etwas von Arznei, und instruierte mich wegen meines fernern Verhalts, damit machte ich mich wieder nach Haus, und brachte mehr als hundert Buben mit, die mir nachliefen, und abermals alle wie Kälber schrien, derowegen lief mein Herr, der eben aufgestanden war, ans Fenster, sah soviel Narren auf einmal, und ließ sich belieben, darüber herzlich zu lachen.
Ein überzwerches Lob einer schönen Dame
Sobald ich ins Haus kam, mußte ich auch in die Stub, weil adelig Frauenzimmer bei meinem Herrn war, welches seinen neuen Narrn auch gerne hätte sehen und hören mögen. Ich erschien, und stand da wie ein Stumm, dahero diejenige, so ich hiebevor beim Tanz ertappet hatte, Ursach nahm zu sagen: Sie hätte sich sagen lassen, dieses Kalb könne reden, so verspüre sie aber nunmehr, daß es nicht wahr sei. Ich antwortet: »So hab ich hingegen vermeinet, die Affen können nicht reden, höre aber wohl, daß dem auch nicht also sei.« »Wie«, sagte mein Herr, »vermeinst du denn, diese Damen seien Affen?« Ich antwortet: »Sind sie es nicht, so werden sie es doch bald werden, wer weiß wie es fällt, ich habe mich auch nicht versehen ein Kalb zu
Redet von lauter Helden und namhaften Künstlern
Hierauf erfolgte die Mittagsmahlzeit, bei welcher ich mich wieder tapfer gebrauchen ließ, denn ich hatte mir vorgesetzt, alle Torheiten zu bereden, und alle Eitelkeiten zu strafen, wozu sich denn mein damaliger Stand trefflich schickte; kein Tischgenoß war mir zu gut, ihm sein Laster zu verweisen und aufzurupfen, und wenn sich einer fand, der sichs nicht gefallen ließ, so wurde er entweder noch dazu von andern ausgelacht, oder ihm von meinem Herrn vorgehalten, daß sich kein Weiser über einen Narrn zu erzürnen pflege: Den tollen Fähnrich, welcher mein ärgster Feind war, setzte ich gleich auf den Esel. Der erste aber, der mir auf meines Herrn Winken mit Vernunft begegnete, war der Secretarius, denn als ich denselben einen Titel-Schmied nannte, ihn wegen der eiteln Titel auslachte, und fragte, wie man der Menschen ersten Vater tituliert hätte? antwortet' er: »Du redest wie ein unvernünftig Kalb, weil du nicht weißt, daß nach unsern ersten Eltern unterschiedliche Leut gelebt, die durch seltene Tugenden, als Weisheit, mannliche Heldentaten, und Erfindung guter Künste, sich und ihr Geschlecht dermaßen geadelt haben, daß sie auch von andern über alle irdischen Ding, ja gar übers Gestirn zu Göttern erhoben worden; Wärest du ein Mensch, oder hättest aufs wenigst wie ein Mensch die Historien gelesen, so verstündest du auch den Unterscheid, der sich zwischen den Menschen enthält, und würdest dannenhero einem jeden seinen Ehrentitel gern gönnen, sintemal du aber ein Kalb, und keiner menschlichen Ehr würdig noch fähig bist, so redest du auch von der Sach wie ein dummes Kalb, und mißgönnest dem edlen menschlichen Geschlecht dasjenige, dessen es sich zu erfreuen hat.« Ich antwortet: »Ich bin so wohl ein Mensch gewesen als du, hab auch ziemlich viel gelesen, kann dahero urteilen, daß du den Handel entweder nicht recht verstehest, oder durch dein Interesse abgehalten wirst, anderst zu reden als du weißt: Sag mir, was sind für
Ich will aber Wehr und Waffen fahren lassen, und mich zu den Künsten wenden, welche zwar etwas geringer zu sein scheinen, nichts desto weniger aber ihre Meister ganz ruhmreich
Da ich mich so gehetzt sah, antwortet ich: »Die herrlichen
Von dem müheseligen und gefährlichen Stand eines Regenten
Mein Herr wollte auch mit mir scherzen, und sagte: »Ich merke wohl, weil du nicht edel zu werden getrauest, so verachtest du des Adels Ehrentitel«; Ich antwortet: »Herr, wenn ich schon in dieser Stund an deine Ehrenstell treten sollte, so wollte ich sie doch nicht annehmen!« Mein Herr lachte, und sagte: »Das glaube ich, denn dem Ochsen gehöret Haberstroh; wenn du aber einen hohen Sinn hättest, wie adelige Gemüter haben sollen, so würdest du mit Fleiß nach hohen Ehren und Dignitäten trachten. Ich meinesteils achte es für kein Geringes, wenn mich das Glück über andere erhebt.« Ich seufzete und sagte: »Ach, arbeitselige Glückseligkeit! Herr, ich versichere dich, daß du der allerelendste Mensch in ganz Hanau bist.« »Wie so? wie so? Kalb«, sagte mein Herr, »sag mir doch die Ursach, denn
»Du Bärnhäuter«, sagte mein Herr, »wer lernet' dich so predigen?« Ich antwortet: »Liebster Herr, sage ich nicht
Von Verstand und Wissenschaft etlicher unvernünftiger Tier'
Unter währendem meinem Diskurs sah mich jedermann an, und verwunderten sich alle Gegenwärtigen, daß ich solche Reden sollte vorbringen können, welche wie sie vorgaben, auch einem verständigen Mann genug wären, wenn er solche so gar ohne allen Vorbedacht hätte vortragen sollen; Ich aber machte den Schluß meiner Red, und sagte: »Darum denn nun, mein liebster Herr, will ich nicht mit dir tauschen; zwar ich bedarfs auch im geringsten nit, denn die Quellen geben mir einen gesunden Trank, anstatt deiner köstlichen Wein', und derjenige, der mich zum Kalb werden zu lassen beliebet, wird mir auch die Gewächs des Erdbodens dergestalt zu segnen wissen, daß sie mir wie dem Nabuchodonosore (Nebukadnezar) zur Speis und Aufenthalt meines Lebens auch nicht unbequem sein werden;
Mein Herr antwortet': »Ich weiß nicht was ich an dir habe? du bedünkest mich für ein Kalb viel zu verständig zu sein, ich vermeine schier, du seiest unter deiner Kalbshaut mit einer Schalkshaut überzogen?« Ich stellte mich zornig, und sagte: »Vermeinet ihr Menschen denn wohl, wir Tiere seien gar Narren? Das dürft ihr euch wohl nicht einbilden! Ich halte dafür, wenn ältere Tier als ich so wohl als ich reden könnten, sie würden euch wohl anders aufschneiden: Wenn ihr vermeint, wir seien so gar dumm, so sagt mir doch, wer die wilden Bloch-Tauben, Häher, Amseln und Rebhühner gelernet hat, wie sie sich mit Lorbeerblättern purgieren sollen? und die Tauben, Turteltäublein und Hühner mit S. Peters Kraut? Wer lehret Hund und Katzen, daß sie das betaute Gras fressen sollen, wenn sie ihren vollen Bauch reinigen wollen? Wer die Schildkröt, wie sie die Biß mit Schierling heilen? und den Hirsch, wenn er geschossen, wie er seine Zuflucht zu dem Dictamno oder wilden Polei nehmen solle? Wer hat das Wieselin unterrichtet, daß es Rauten gebrauchen solle, wenn es mit der Fledermaus oder irgendeiner Schlang kämpfen will? Wer gibt den wilden Schweinen den Efeu, und den Bären den Alraun zu erkennen, und sagt ihnen, daß es gut sei zu ihrer Arznei? Wer hat dem Adler geraten, daß er den Adlerstein suchen und gebrauchen soll, wenn er seine Eier schwerlich legen kann? Und welcher gibt es der Schwalbe zu verstehen, daß sie ihrer Jungen blöde Augen mit dem Chelidonio arzneien solle? Wer hat die Schlang instruiert, daß sie soll Fenchel essen, wenn sie ihre Haut abstreifen, und ihren dunkeln Augen helfen will? Wer lehret den Storch, sich zu klistieren? den Pelikan, sich Ader zu lassen? und den Bären, wie er sich von den Bienen solle schröpfen lassen? Was, ich dürfte schier sagen, daß ihr Menschen eure Künste und Wissenschaften von uns Tieren erlernet habt! Ihr freßt und sauft euch krank und tot, das tun wir Tier aber nicht! Ein
Hält allerlei Sachen in sich, wer sie wissen will, muß es nur selbst lesen, oder sich lesen lassen
Hierauf fielen unterschiedliche Urteil über mich, die meines Herrn Tischgenossen gaben, der Secretarius hielt dafür, ich sei für närrisch zu halten, weil ich mich selbst für ein vernünftig Tier schätzte und dargebe, maßen diejenigen, so ein Sparren zu viel oder zu wenig hätten und sich jedoch weis zu sein dünkten, die aller-artlichsten oder visierlichsten Narren wären: Andere sagten, wenn man mir die Imagination benehme, daß ich ein Kalb sei, oder mich überreden könnte, daß ich wieder zu einem Menschen worden wäre, so würde ich für vernünftig oder witzig genug zu halten sein. Mein Herr selbst sagte: »Ich halte ihn für einen Narrn, weil er jedem die Wahrheit so ungescheut sagt, hingegen sind seine Diskurse so beschaffen, daß solche keinem Narrn zustehen.« Und solches alles redeten sie auf Latein, damit ichs nicht verstehen sollte. Er fragte mich, ob ich studiert hätte, als ich noch ein Mensch gewesen? Ich wüßte nicht, was Studieren sei, war mein Antwort, »aber lieber Herr«, sagte ich weiters, »sag mir, was Studen für Dinger sein, damit man studieret? Nennest du vielleicht die Kegel so, damit man kegelt?« Hierauf antwortet' der tolle Fähnrich: »Wat wolts met deesem Kerl sin, hei hett den Tüfel in
Nach der Mahlzeit schickte mein Herr nach obgemeldtem Pfarrherrn, dem erzählte er alles, was ich vorgebracht hatte, und gab damit zu verstehen, daß er besorge, es gehe nicht recht mit mir zu, und daß vielleicht der Teufel mit unter der Decken läge, dieweil ich vor diesem ganz einfältig und unwissend mich erzeigt, nunmehr aber Sachen vorzubringen wisse, daß sich darüber zu verwundern! Der Pfarrer, dem meine Beschaffenheit am besten bekannt war, antwortet':
»Dieses alles glaubte ich wohl«, antwortet' mein Herr, »allein liegt mir an, daß er zuvor so unwissend gewesen, nunmehr aber von Sachen zu sagen weiß, solche auch so perfekt dahererzählet, dergleichen man bei älteren, erfahrneren und belesneren Leuten, als er ist, nicht leichtlich finden wird; er hat mir viel Eigenschaften der Tier erzählt, und mein eigene Person so artlich beschrieben, als wenn er sein
»Herr«, antwortet' der Pfarrer, »dieses kann natürlicher Weis wohl sein, ich weiß, daß er wohl belesen ist, maßen er sowohl als sein Einsiedel gleichsam alle meine Bücher die ich gehabt, und deren zwar nicht wenig gewesen, durchgangen, und weil der Knab ein gut Gedächtnis hat, jetzo aber in seinem Gemüt müßig ist, und seiner eigenen Person vergißt, kann er gleich hervorbringen, was er hiebevor ins Hirn gefaßt; ich versehe mich auch, daß er mit der Zeit wieder zurechtzubringen sei.« Also setzt' der Pfarrer den Gubernator zwischen Furcht und Hoffnung, er verantwortet' mich und mein Sach auf das beste, und bracht mir gute Tag, sich selbst aber ein Zutritt bei meinem Herrn zuwege. Ihr endlicher Schluß war, man sollte noch ein Zeitlang mit mir zusehen; und solches tat der Pfarrer mehr um seines als meines Nutzens wegen, denn mit diesem, daß er so ab- und zuging, und sich stellet', als wenn er meinethalben sich bemühet', und große Sorg trüg, überkam er des Gubernators Gunst, dahero gab ihm derselbige Dienst, und machte ihn bei der Garnison zum Kaplan, welches in so schwerer Zeit kein Geringes war, und ich ihm herzlich wohl gönnete.
Was Simplicius ferner für ein edel Leben geführt, und wie ihn dessen die Kroaten beraubt, als sie ihn selbst raubten
Von dieser Zeit an besaß ich meines Herrn Gnad, Gunst und Lieb vollkommenlich, dessen ich mich wohl mit Wahrheit rühmen kann; nichts mangelt' mir zu meinem bessern Glück, als daß ich an meinem Kalbskleid zu viel, und an Jahren noch zu wenig hatte, wiewohl ich solches selbst nicht wußte; so wollte mich der Pfarrer auch noch nicht witzig haben, weil ihn solches noch nicht Zeit und seinem Nutzen verträglich zu sein bedünkte. Und demnach mein
Simplicii Reiter-Leben, und was er bei den Kroaten gesehen und erfahren
Ob nun zwar die Hanauer gleich Lärmen hatten, sich zu Pferd herausließen, und die Kroaten mit einem Scharmützel etwas aufhielten und bekümmerten, so mochten sie ihnen jedoch nichts abgewinnen, denn diese leichte War ging sehr vorteilhaftig durch, und nahm ihren Weg auf Büdingen zu, allwo sie fütterten, und den Bürgern daselbst die gefangenen hanauischen reichen Söhnlein wieder zu lösen gaben, auch ihre gestohlenen Pferd und andere War verkauften, von dannen brachen sie wieder auf, schier ehe es recht Nacht, geschweige wieder Tag worden, gingen schnell durch den Büdinger Wald dem Stift Fulda zu, und nahmen unterwegs mit, was sie fortbringen konnten, das Rauben und Plündern hinderte sie an ihrem schleunigen Fortzug im geringsten nichts, denn sie konntens machen wie der Teufel, von welchem man zu sagen pflegt, daß er zugleich laufe und (s.v.) hofiere, und doch nichts am Wege versäume; maßen wir noch denselben Abend im Stift Hirschfeld, allwo sie ihr Quartier hatten, mit einer großen Beut ankamen, das wurde alles partiert, ich aber wurde dem Obrist Corpes zu teil.
Bei diesem Herrn kam mir alles widerwärtig und fast spanisch vor, die hanauischen Schlecker-Bißlein hatten sich in schwarzes grobes Brot, und mager Rindfleisch, oder wenns wohl abging, in ein Stück gestohlnen Speck verändert; Wein und Bier war mir zu Wasser worden, und ich mußte anstatt des Betts bei den Pferden in der Streu vorliebnehmen; für das Lautenschlagen, das sonst jedermann belustiget, mußte ich zuzeiten, gleich andern Jungen, untern Tisch kriechen, wie ein Hund heulen, und mich mit Sporen stechen lassen, welches mir ein schlechter Spaß war; für das hanauische Spazierengehen durfte ich mit auf Fourage reiten, Pferd striegeln, und denselben ausmisten; das Fouragiern aber ist nichts anders, als daß man mit großer Mühe
Dieses unruhige Leben schmeckte mir ganz nicht, dahero wünscht ich mich oft vergeblich wieder nach Hanau; mein größtes Kreuz war, daß ich mit den Burschen nicht reden konnte, und mich gleichsam von jedwedem hin und wieder stoßen, plagen, schlagen und jagen lassen mußte; die größte Kurzweil, die mein Obrister mit mir hatte, war, daß ich ihm auf teutsch singen, und wie andere Reuterjungen aufblasen
Simplicius erschnappet ein gute Beut, und wird darauf ein diebischer Waldbruder
Mein Handel und Wesen wurde aber allem Ansehen nach je länger je ärger, ja so schlimm, daß ich mir einbildete, ich sei nur zum Unglück geboren, denn ich war wenig Stunden von den Kroaten hinweg, da erhascheten mich etliche Schnapphahnen, diese vermeinten ohn Zweifel, etwas Rechts an mir gefangen zu haben, weil sie bei finsterer Nacht mein närrisch Kleid nicht sahen, und mich gleich durch zween aus ihnen an einen gewissen Ort in Wald hineinführen lassen; Als mich diese dahin brachten, und es
Als ich mich nun abwegs machen wollte, strauchelt ich über das Feuerrohr, das nahm ich zu mir, weil ich bereits mit dem Geschoß umzugehen bei den Kroaten gelernet hatte; da ich weiterschritt, stieß ich auch an einen Knappsack, welcher gleich meinem Kleid von Kalbfellen gemacht war, ich hob ihn ebenmäßig auf, und fand, daß eine Patrontasche mit Pulver, Blei und aller Zugehör wohl versehen unten daran hing. Ich hängte alles an mich, nahm das Rohr auf die Achsel wie ein Soldat, und verbarg mich ohnweit davon in einen dicken Busch, der Meinung, daselbst ein Weil zu schlafen: Aber sobald der Tag anbrach, kam die ganze Partei auf vorbenannten Platz, und suchten das verlorne
Zuletzt, als sie lang genug gesucht und doch nichts funden hatten, nahmen sie ihren Weg weiters, ich aber machte den Ranzen auf zu frühestücken, und langte im ersten Griff einen Säckel heraus, in welchem dreihundert und etlich sechzig Dukaten waren. Ob ich nun hierüber erfreuet worden, bedarf zwar keines Fragens: Aber der Leser sei versichert, daß mich der Knappsack viel mehr erfreute, weil ich ihn mit Proviant so wohl versehen sah, als diese schöne
Hierauf zehrte ich fröhlich zu Morgen, fand auch bald ein lustig Brünnlein, bei welchem ich mich erquickte, und meine schönen Dukaten zählete. Wenn mirs allbereit das Leben gälte, ich sollte anzeigen, in welchem Land oder Gegend ich mich damals befunden, so könnte ichs nicht; ich blieb anfangs so lang im Wald, als mein Proviant währte, mit welchem ich sparsam Haus hielt; als aber mein Ranzen leer worden, jagte mich der Hunger in die Baurenhäuser, da kroch ich bei Nacht in Keller und Küchen, und nahm von Essenspeis, was ich fand und tragen mochte, das schleppte ich mit mir in Wald, wo er am allerwildesten war, darinnen führte ich wieder überall ein einsiedlerisch Leben wie hiebevor, ohne daß ich sehr viel stahl, und desto weniger betete, auch keine stetige Wohnung hatte, sondern bald hie bald dort hin schweifte. Es kam mir trefflich wohl zustatten, daß es im Anfang des Sommers war, doch konnte ich auch mit meinem Rohr Feuer machen, wenn ich wollte.
Wie Simplicius zu den Hexen auf den Tanz gefahren
Unter währendem diesem meinem Umschweifen haben mich hin und wieder in den Wäldern unterschiedliche Baursleut angetroffen, sie sind aber allezeit vor mir geflohen, nicht weiß ich, wars die Ursach, daß sie ohnedas durch den Krieg scheu gemacht, verjagt, und niemals recht beständig zu Haus waren; oder ob die Schnapphahnen dasjenige Abenteur, so ihnen mit mir begegnet', in dem Land ausgesprengt haben? Also daß hernach diese, so mich
Nach langem Hin- und Hersinnen gedacht ich: Wer weiß wie dirs noch gehet, hast du doch Geld, und wenn du solches zu guten Leuten in Sicherheit bringest, so kannst du ziemlich lang wohl darum leben; Also fiel mir ein, ich sollt's einnähen, derowegen machte ich mir aus meinen Eselsohren, welche die Leut so flüchtig machten, zwei Armbänder, gesellet meine hanauischen zu den schnapphahnischen Dukaten, tat solche in besagte Armbänder wohl arrestieren, und oberhalb der Ellenbogen um meine Arm binden. Wie ich nun meinen Schatz dergestalt versichert hatte, fuhr ich den Bauren wieder ein, und holte von ihrem Vorrat was ich bedurfte und erschnappen konnte, und wiewohl ich noch einfältig gewesen, so war ich jedoch so schlau, daß ich niemal, wo ich einst einen Particul geholt, wieder an denselbig Ort kam, dahero war ich sehr glückselig im Stehlen, und wurde niemals auf der Mauserei ertappt.
Einsmals zu End des Mai, als ich abermal durch mein gewöhnlich, obzwar verbotenes Mittel meine Nahrung holen wollte, und zu dem Ende zu einem Baurnhof gestrichen war, kam ich in die Küchen, merkte aber bald, daß noch Leut auf waren (Nota, wo sich Hund befanden, da
In diesem Lärmen kam ein Kerl auf mich dar, der hatte ein ungeheure Krott unterm Arm, gern so groß als eine Heerpauke, der waren die Därm aus dem Hintern gezogen, und wieder zum Maul hineingeschoppt, welches so garstig aussah, daß mich darob kotzerte: »Sieh hin Simplici«, sagte er, »ich weiß, daß du ein guter Lautenist bist, laß uns doch ein fein Stückchen hören.« Ich erschrak, daß ich schier umfiel, weil mich der Kerl mit Namen nannte, und in solchem Schrecken verstummte ich gar, und bildete mir ein, ich läge in einem so schweren Traum, bat derowegen innerlich im Herzen, daß ich doch erwachen möchte, der mit der Krott aber, den ich steif ansah, zog seine Nasen aus und ein, wie
Warum man Simplicio nicht zutrauen soll, daß er sich des großen Messers bediene
Demnach es etliche und zwar auch vornehme gelehrte Leut darunter gibt, die nicht glauben, daß Hexen oder Unholden seien, geschweige daß sie in der Luft hin und wider fahren sollten; also zweifele ich nicht, es werden sich etliche finden, die sagen werden, Simplicius schneide hier mit dem großen Messer auf: Mit denselben begehre ich nun nicht zu fechten, denn weil Aufschneiden keine Kunst, sondern jetziger Zeit fast das gemeineste Handwerk ist, also kann ich nicht leugnen, daß ichs nicht auch könnte, denn ich müßte ja sonst wohl ein schlechter Tropf sein. Welche aber der Hexen Ausfahren verneinen, die stellen sich nur Simonem den Zauberer vor, welcher vom bösen Geist in die Luft erhoben wurde, und auf S. Petri Gebet wieder herunter gefallen. Nicolaus Remigius, welcher ein tapferer, gelehrter und verständiger Mann gewesen, und im Herzogtum Lothringen nicht nur ein halb Dutzend Hexen verbrennen lassen, erzählet von Johanne von Hembach, daß ihn seine Mutter, die eine Hex war, im sechzehnten Jahr seines Alters mit sich auf ihre Versammlung genommen, daß er ihnen, weil er hatte lernen pfeifen, beim Tanz aufspielen sollte; zu solchem End stieg er auf einen Baum, pfiff daher, und siehet dem Tanz mit Fleiß zu (vielleicht weil ihm alles so wunderlich vorkam). Endlich spricht er: »Behüt lieber Gott, woher kommt so viel närrisch und unsinniges Gesind?« Er hatte aber kaum diese Wort ausgesagt, so fiel er vom Baum herab,
Simplicius wird wieder ein Narr, wie er zuvor einer gewesen
Ich fang meine Histori wieder an, und versichere den Leser, daß ich auf dem Bauch liegen blieb, bis es allerdings heller Tag war, weil ich nicht das Herz hatte, mich aufzurichten; zudem zweifelt ich noch, ob mir die erzählten Sachen geträumt hätten, oder nicht? und ob ich zwar in ziemlichen Ängsten stak, so war ich doch so kühn zu entschlafen, weil ich gedachte, ich könnte an keinem ärgern Ort, als in einem wilden Wald liegen, in welchem ich die meiste Zeit, seit ich von meinem Knan war, zubracht, und dahero derselben ziemlich gewohnt hatte. Ungefähr um
Ich wurde in kurzer Zeit beiden meisten hohen Offiziern, sowohl im kursächsischen als kaiserlichen Lager bekannt, sonderlich bei dem Frauenzimmer, welches meine Kappe, Ärmel und abgestutzten Ohren überall mit seidenen Banden zierte, von allerhand Farben, so daß ich schier glaube, daß etliche Stutzer die jetzige Mode davon abgesehen. Was mir aber von den Offizierern an Geld geschenkt wurde, das teilte ich wieder mildiglich mit, denn ich verspendierte alles bei einem Heller, indem ichs mit guten Gesellen in Hamburger und Zerbster Bier, welche Gattungen mir trefflich wohl zuschlugen, versoff; unangesehen ich an allen Orten, wo ich nur hinkam, genug zu schmarotzen hatte.
Als mein Obrister aber ein eigene Lauten für mich überkam, denn er gedachte ewig an mir zu haben, da durft ich nicht mehr in den beiden Lagern so hin und wieder schwärmen, sondern er stellete mir einen Hofmeister dar, der mich beobachten, und dem ich hingegen gehorsamen sollte: Dieser war ein Mann nach meinem Herzen, denn er war still, verständig, wohlgelehrt, von guter, aber nicht überflüssiger Konversation, und was das Größte gewesen, überaus gottsfürchtig, wohl belesen, und voll allerhand Wissenschaften und Künsten; bei ihm mußte ich des Nachts in seinem Zelt schlafen, und bei Tag durft ich ihm auch nicht aus den Augen, er war eines vornehmen Fürsten Rat und Beamter, zumal auch sehr reich gewesen, weil er aber von den Schwedischen bis in Grund ruiniert worden, zumaln auch sein Weib mit Tod abgangen, und sein einziger Sohn Armut
Ist ziemlich lang, und handelt vom Spielen mit Würfeln, und was dem anhängig
Weil mein Hofmeister mehr alt als jung war, also konnte er auch die ganze Nacht nicht durchgehend schlafen, solches war ein Ursach, daß er mir in der ersten Wochen hinter die Brief kam, und ausdrücklich vernahm, daß ich kein solcher Narr war, wie ich mich stellete: wie er denn zuvor auch etwas gemerkt, und von mir aus meinem Angesicht ein anders geurteilet hatte, weil er sich wohl auf die Physiognomiam verstand. Ich erwachte einsmals um Mitternacht, und machte über mein eigen Leben und seltsame Begegnisse allerlei Gedanken, stand auch auf, und erzählte danksagungsweis alle Guttaten, die mir mein lieber Gott erwiesen, und alle Gefahren, aus welchen er mich errettet; legte mich hernach wieder nieder mit schweren Seufzern, und schlief vollends aus.
Mein Hofmeister hörete alles, tat aber, als wenn er hart schlief, und solches geschah etliche Nächt nacheinander, also daß er sich genugsam versichert hielt, daß ich mehr Verstand hätte, als mancher Betagte, der sich viel einbilde; doch redet' er nichts mit mir im Zelt hiervon, weil es zu dünne Wänd hatte, und er gewisser Ursachen halber nicht haben wollte, daß noch zur Zeit, und ehe er meiner Unschuld versichert wäre, jemand anders dieses Geheimnis wüßte. Einsmals ging ich hinter das Lager spazieren, welches er gern geschehen ließ, damit er Ursach hätte mich zu suchen, und also die Gelegenheit bekäme, allein mit mir zu
Hierauf fiel ich ihm um den Hals, und erzeigte mich vor übriger Freude nicht anders, als wenn er ein Prophet gewesen wäre, mich von meiner Narrnkapp zu erlösen; und nachdem wir uns auf die Erde gesetzt hatten, erzählte ich ihm mein ganzes Leben, er beschaute meine Händ, und verwundert' sich beides über die verwichenen und künftigen seltsamen Zufälle; Wollte mir aber durchaus nicht raten, daß ich in Bälde mein Narrnkleid ablegen sollte, weil er, wie er sagte, vermittelst der Chiromantia sah, daß mir mein fatum ein Gefängnis androhe, das Leib- und Lebensgefahr mit sich brächte. Ich bedankte mich seiner guten Neigung und mitgeteilten Rats, und bat Gott, daß er ihm seine Treuherzigkeit belohnen, ihn selber aber, daß er (weil ich von aller Welt verlassen wäre) mein getreuer Freund und Vater sein und bleiben wollte.
Demnach standen wir auf, und kamen auf den Spielplatz, da man mit Würfeln turnieret', und alle Schwür mit hunderttausend mal tausend Galleen, Rennschifflein, Tonnen und Stadtgräben voll usw. herausfluchte; der Platz war ungefähr so groß als der Alte Markt zu Köln, überall mit Mänteln überstreut, und mit Tischen bestellt, die alle mit Spielern umgeben waren; Jede Gesellschaft hatte drei viereckigte Schelmenbeiner, denen sie ihr Glück vertrauten, weil sie ihr Geld teilen, und solches dem einen geben, dem andern aber nehmen mußten: So hatte auch jeder Mantel oder Tisch einen Schunderer (Scholderer wollte ich sagen, und hätte
An diesen närrischen Leuten sah man sein blaues Wunder, weil sie alle zu gewinnen vermeinten, welches doch unmöglich, sie hätten denn aus einer fremden Taschen gesetzt, und ob sie zwar alle diese Hoffnung hatten, so hieß es doch: Viel Köpf, viel Sinn, weil sich jeder Kopf nach seinem Glück sann, denn etliche trafen, etliche fehlten; etliche gewannen, etliche verspielten: Derowegen auch etliche fluchten, etliche donnerten; etliche betrogen, und andere wurden besäbelt. Dahero lachten die Gewinner, und die Verspieler bissen die Zähn aufeinander; teils verkauften Kleider, und was sie sonst lieb hatten, andere aber gewannen ihnen das Geld wieder ab; etliche begehrten redliche Würfel, andere hingegen wünschten falsche auf den Platz, und führten solche unvermerkt ein, die aber andere wieder hinwegwarfen, zerschlugen, und mit Zähnen zerbissen, und den Scholderern die Mäntel zerrissen. Unter den falschen Würfeln befanden sich Niederländer, welche man schleifend hineinrollen mußte, diese hatten so spitzige Rücken, darauf sie die Fünfer und Sechser trugen, als wie die mageren Esel darauf man die Soldaten setzt. Andere waren oberländisch, denselben mußte man die bayrische Höhe geben, wenn man werfen wollte: Etliche waren von Hirschhorn, leicht oben und schwer unten gemacht: Andere waren mit Quecksilber oder Blei, und aber andere mit zerschnittenen Haaren, Schwämmen, Spreu und Kohlen gefüttert; etliche hatten spitzige Eck, an andern waren solche gar hinweggeschliffen; teils waren lange Kolben, und teils sahen aus wie breite Schildkrotten. Und alle diese Gattungen waren auf nichts anders, als auf Betrug verfertigt, sie taten dasjenige, wozu
Als ich nun so da stand, und den Spielplatz samt den Spielern in ihrer Torheit betrachtet, sagte mein Hofmeister, wie mir das Wesen gefalle? Ich antwortet: »Daß man so greulich Gott lästert, gefällt mir nicht, im übrigen aber lasse ichs in seinem Wert und Unwert beruhen, als eine Sach die mir unbekannt ist, und auf welche ich mich noch nichts verstehe.« Hierauf sagte mein Hofmeister ferner: »So wisse, daß dieses der allerärgste und abscheulichste Ort im ganzen Lager ist, denn hier sucht man eines andern Geld, und verlieret das seinige darüber: Wenn einer nur einen Fuß hiehersetzt, in Meinung zu spielen, so hat er das zehente Gebot schon übertreten, welches will ›Du sollst deines Nächsten Gut nicht begehren!‹ Spielest du und gewinnest, sonderlich durch Betrug und falsche Würfel, so übertrittest du das siebent und achte Gebot: Ja es kann kommen, daß du auch zu einem Mörder an demjenigen wirst, dem du sein Geld abgewonnen hast, wenn nämlich dessen Verlust so groß ist, daß er darüber in Armut, in die äußerste Not und Desperation, oder sonst in andere abscheuliche Laster gerät, dafür die Ausred nichts hilft, wenn du sagst: Ich hab das Meinig darangesetzt, und redlich gewonnen; denn du Schalk bist auf den Spielplatz gangen, der Meinung, mit eines andern Schaden reich zu werden: Verspielest du denn, so ists mit der Buß darum nicht ausgericht, daß du des Deinigen entbehren mußt, sondern du hasts, wie der reiche Mann, bei Gott schwerlich zu verantworten, daß du dasjenige so unnütz verschwendet, welches er dir zu dein und der Deinigen Lebensaufenthalt verliehen gehabt! Wer sich auf den Spielplatz begibt zu spielen, derselbe begibt sich in eine Gefahr, darinnen er nicht allein sein Geld, sondern auch
Ich antwortet: »Liebster Herr, wenn denn das Spielen ein so schrecklich und gefährlich Ding ist, warum lassens dann die Vorgesetzten zu?« Mein Hofmeister antwortet' mir: »Ich will nicht sagen darum, dieweil teils Offizier selbst mitmachen; sondern es geschieht deswegen, weil es die Soldaten nicht mehr lassen wollen, ja auch nicht lassen können, denn wer sich dem Spielen einmal ergeben, oder welchen die Gewohnheit, oder vielmehr der Spielteufel eingenommen, der wird nach und nach (er gewinne oder verspiele) so erpicht darauf, daß ers weniger lassen kann, als den natürlichen Schlaf; wie man denn siehet, daß etliche die ganze Nacht durch und durch rasseln, und für das beste Essen und Trinken hinein spielen, und sollten sie auch ohne Hemd davongehen: Das Spielen ist bereits zu unterschiedlichen Malen bei Leib- und Lebensstraf verboten und aus Befehl der Generalität durch Rumormeister, Profosen, Henker und Steckenknecht mit gewaffneter Hand öffentlich und mit Gewalt verwehret worden; Aber das half alles nichts, denn die Spieler kamen anderwärts in heimlichen Winkeln und hinter den Hecken zusammen, gewannen einander das Geld ab, entzweiten sich, und brachen einander die Häls darüber: Also daß man solcher Mord- und Todschläg halber und vornehmlich auch, weil mancher sein Gewehr und Pferd, ja sogar sein weniges Kommißbrot verspielte, das Spielen nicht allein wieder öffentlich erlauben, sondern sogar diesen eigenen Platz dazu widmen mußte, damit die Hauptwacht bei der Hand wäre, die allem Unheil, so sich etwa ereignen möchte, vorkäme, welche doch nicht allezeit verhüten kann, daß nicht einer oder der ander auf dem Platz bleibt. Und weil das Spielen des leidigen Teufels eigene Invention ist, und ihm nicht wenig einträgt, also hat er auch absonderliche Spiel-Teufel geordnet, und in der Welt herumschwärmen, die sonst nichts zu tun haben, als die
Ich verkreuzigte und versegnete mich, daß man unter einem christlichen Heer solche Sachen üben ließ, die der Teufel erfunden sollt haben, sonderlich weil augenscheinlich und handgreiflich so viel zeitliche und ewige Schäden und Nachteil daraus folgeten; Aber mein Hofmeister sagte, das sei noch nichts was er mir erzählt hätte; wer alles Unheil beschreiben wollte, das aus dem Spielen entstünde, der nehme sich eine unmögliche Sach vor, weil man sagt, der Wurf, wenn er aus der Hand gangen, sei des Teufels, so sollte ich mir nichts anders einbilden, als daß mit jedem Würfel (wenn er aus des Spielers Hand auf dem Mantel oder Tisch daherrolle) ein kleines Teufelchen daherlaufe, welches ihn regiere, und Augen geben lasse, wie es seiner Prinzipalen Interesse erfordere. Dabei sollte ich bedenken, daß sich der Teufel freilich nicht umsonst des Spielens so eifrig annehme, sondern ohne Zweifel seinen trefflichen Gewinn dabei zu schöpfen wisse. »Dabei merke ferner, daß gleichwie neben dem Spielplatz auch einige Schacherer und
Ist etwas kürzer, und kurzweiliger als das vorige
Mein Hofmeister wurde mir je länger je holder, und ich ihm hingegen wiederum, doch hielten wir unsere Vertraulichkeit sehr geheim, ich agierte zwar einen Narrn, brachte aber keine groben Zoten noch Büffelspossen vor, so daß meine Gaben und Aufzüg zwar einfältig genug, aber jedoch mehr sinnreich als närrisch fielen. Mein Obrister, der ein treffliche Lust zum Waidwerk trug, nahm mich einsmals mit, als er ausspazierte Feldhühner zu fangen mit dem Tyras, welche Invention mir trefflich wohl gefiel; Dieweil aber der vorstehende Hund so hitzig war, daß er einzufallen pflegte, ehe man tyrassieren konnte, deswegen wir denn wenig fangen konnten: Da gab ich dem Obristen den Rat, er sollte die Hündin mit einem Falken oder Steinadler belegen lassen, wie man mit Pferden und Eseln zu tun pflege, wenn man gern Maultier hätte, damit die jungen Hund Flügel bekämen, so könnte man alsdann mit denselbigen die Hühner in der Luft fangen. Auch gab ich den Vorschlag, weil es mit Eroberung der Stadt Magdeburg, die wir belagert hielten, so schläferig herging, man sollte ein mächtig langes Seil, so dick als ein halbfüderiges Faß verfertigen, solches um die Stadt ziehen, und alle Menschen samt dem Vieh in beiden Lagern daranspannen, und dergestalt die Stadt in einem Tag übern Haufen schleifen lassen. Solcher närrischen Tauben und Grillen ersann ich täglich einen Überfluß, weil es meines Handwerks war, so daß man meine Werkstatt nie leer fand: So gab mir auch meines Herrn Schreiber, der ein arger Gast und durchtriebener Schalk war, viel Materi an die Hand, dadurch ich auf dem Weg unterhalten wurde, den die Narren zu wandeln pflegen, denn was mich dieser Speivogel überredte, das glaubte ich nicht allein für mich selbsten, sondern teilte es auch andern mit, wenn ich etwa diskurierte, und sich die Sach dahin schickte.
Als ich ihn einsmals fragte, was unser Regiments-Kaplan für einer sei, weil er mit Kleidungen von andern unterschieden?
Mit diesem Musterschreiber, welcher auch wie sein Vater Ulrich Herzbruder hieß, machte ich ein solche Freundschaft, daß wir ewige Brüderschaft zusammen schworen, kraft deren wir einander in Glück und Unglück, in Lieb und Leid nimmermehr verlassen wollten: Und weil dieses mit Wissen seines Vaters geschah, hielten wir den Bund desto fester und steifer, demnach lag uns nichts härter an, als wie wir meines Narrenkleids mit Ehren loswerden und einander rechtschaffen dienen möchten; welches aber der alte Herzbruder, den ich als meinen Vater ehrete und vor Augen hatte, nicht guthieß, sondern ausdrücklich sagte: Wenn ich in kurzer Zeit meinen Stand änderte, daß mir solches ein schweres Gefängnis und große Leib- und Lebensgefahr gebären würde. Und weil er auch sich selbst und seinem Sohn einen großen bevorstehenden Spott prognostizierte, und dahero Ursach zu haben vermeinte, desto vorsichtiger und behutsamer zu leben, also wollte er sich um soviel desto weniger in einer Person Sachen mischen, deren künftige große Gefahr er vor Augen sehen konnte, denn er besorgte, er möchte meines künftigen Unglücks teilhaftig werden, wenn ich mich offenbarte, weil er bereits vorlängst meine Heimlichkeit gewußt, und mich gleichsam in- und auswendig gekannt, meine Beschaffenheit aber dem Obristen nicht kundgetan hatte.
Kurz hernach merkte ich noch besser, daß meines Obristen Schreiber meinen neuen Bruder schrecklich neidete, weil er besorgte, er möchte vor ihm zu der Sekretariat-Stell erhoben werden, denn ich sah wohl, wie er zuzeiten
Ein schelmische Diebs-Kunst, einander die Schuh auszutreten
Weil der Gebrauch im Krieg ist, daß man gemeiniglich alte versuchte Soldaten zu Profosen macht, also hatten wir auch einen dergleichen bei unserm Regiment, und zwar einen solchen abgefeimten Erz-Vogel und Kern-Böswicht, daß man wohl von ihm sagen konnte, er sei vielmehr als vonnöten erfahren gewesen; denn er war ein rechter Schwarzkünstler, Siebdreher und Teufelsbanner, und von sich selbsten nicht allein so fest als Stahl, sondern auch über das ein solcher Gesell, der andere fest machen, und noch dazu ganze Eskadronen Reuter ins Feld stellen konnte: Sein Bildnis sah natürlich aus, wie uns die Maler und Poeten den Saturnum vorstellen, außer daß er weder Stelzen noch Sensen trug. Ob nun zwar die armen gefangenen Soldaten, so ihm in seine unbarmherzigen Hände kamen, wegen dieser seiner Beschaffenheit und stetigen Gegenwart sich desto unglückseliger schätzten, so waren doch Leute, die gern mit diesem Wenddenschimpf umgingen, sonderlich Olivier unser Schreiber, und je mehr sich sein Neid wider den jungen Herzbruder (der eines sehr fröhlichen Humors war) vermehrte, je fester wuchs die große Vertraulichkeit zwischen
Eben damals wurde meine Obristin mit einem jungen Sohn erfreuet, und die Taufsuppe fast fürstlich dargereicht, bei welcher der junge Herzbruder aufzuwarten ersucht ward, und weil er sich aus Höflichkeit gern einstellete, war solches dem Olivier ein erwünschte Gelegenheit, sein Schelmenstück, mit welchem er lang schwanger gangen, auf die Welt zu bringen: Denn als nun alles vorüber war, mangelte meines Obristen großer vergoldter Tischbecher, welchen er so leichtlich nicht verloren haben wollte, weil er noch vorhanden gewesen, da alle fremden Gäst schon hinwegwaren; der Page sagte zwar, daß er ihn das letztemal bei dem Olivier gesehen, er war dessen aber nicht geständig; Hierauf wurde der Profos geholet, der Sache Rat zu schaffen, und wurde ihm benebens anbefohlen, wenn er durch seine Kunst den Diebstahl wieder herzu könnte bringen, daß er das Werk so einrichten sollte, damit der Dieb sonst niemand als dem Obristen kund würde, weil noch Offizier von seinem Regiment vorhanden waren, welche er, wenn sich vielleicht einer davon übersehen hätte, nicht gerne zuschanden machen wollte.
Weil sich nun jeder unschuldig wußte, so kamen wir auch alle lustig in des Obristen großes Zelt, da der Zauberer die Sach vornahm; da sah je einer den andern an, und verlangte zu vernehmen, was es endlich abgeben und wo der verlorne Becher doch herkommen würde: Als er nun etliche Wort gemurmelt hatte, sprangen einem hier, dem andern dort ein zwei drei auch mehr junge Hündlein aus den Hosensäcken, Ärmeln, Stiefeln, Hosenschlitzen, und wo sonst die Kleidungen offen waren: Diese wuselten behend in dem Zelt hin und wieder herum, waren alle überaus schön, von mancherlei Farben, und jeder auf ein sonderbare Manier gezeichnet, also daß es ein recht lustig Spektakel war, mir aber wurden meine engen kroatischen Kälberhosen so voll junger Hund gegaukelt, daß ich solche abziehen, und weil
Da mußte nun nicht allein der Obriste, sondern auch alle anderen Gegenwärtigen dafürhalten, daß sonst niemand als der junge Herzbruder den Becher gestohlen, derowegen sagte der Obriste zu ihm: »Siehe da, du undankbarer Gast, hab ich dieses Diebsstück, das ich dir nimmermehr zugetraut hätte, mit meinen Guttaten um dich verdienet? Schaue, ich habe dich zu meinem Secretario des morgenden Tags wollen machen, aber nun hast du verdienet, daß ich dich noch heut aufhängen ließe! welches auch ohnfehlbar geschehen sollte, wenn ich deines ehrlichen alten Vaters nicht verschonete; geschwind packe dich aus meinem Lager, und lasse dich die Tag deines Lebens vor meinen Augen nicht mehr sehen!« Er wollte sich entschuldigen, wurde aber nicht gehört, dieweil seine Tat so sonnenklar am Tag lag; und indem er fortging, wurde dem guten alten Herzbruder ganz ohnmächtig, also daß man genug an ihm zu laben, und der Obrist selbst an ihm zu trösten hatte, welcher sagte: Daß ein frommer Vater seines ungeratenen Kinds gar nicht zu entgelten hätte. Also erlangte Olivier durch Hilf des Teufels dasjenige, wonach er vorlängst gerungen, auf einem ehrlichen Weg aber nicht ereilen mögen.
Ulrich Herzbruder verkauft sich um hundert Dukaten
Sobald des jungen Herzbruders Kapitän diese Geschicht erfuhr, nahm er ihm auch die Musterschreiber-Stell, und lud ihm eine Pike auf, von welcher Zeit an er bei männiglich so veracht wurde, daß ihn die Hund hätten anpissen mögen, darum er sich dann oft den Tod wünschete! Sein Vater aber bekümmerte sich dergestalt darüber, daß er in ein schwere Krankheit fiel, und sich auf das Sterben gefaßt machte. Und demnach er aber sich ohnedas hiebevor selbst prognostiziert hatte, daß er den 26. Julii Leib- und Lebensgefahr ausstehen müßte (welcher Tag denn nächst vor der Tür war): Also erlangte er bei dem Obristen, daß sein Sohn noch einmal zu ihm kommen durfte, damit er wegen seiner Verlassenschaft mit ihm reden, und seinen letzten Willen eröffnen möchte. Ich wurde bei ihrer Zusammenkunft nicht ausgeschlossen, sondern war der dritte Mitgesell ihres Leids; Da sah ich, daß der Sohn keiner Entschuldigung bedürft gegen seinen Vater, weil er seine Art und gute Auferziehung wohl wußte, und dahero seiner Unschuld genugsam versichert war: Er als ein weiser, verständiger und tiefsinniger Mann ermaß ohnschwer aus den Umständen, daß Olivier seinem Sohn dies Bad durch den Profosen hatte zurichten lassen, was vermochte er aber wider einen Zauberer? von dem er noch Ärgers zu besorgen hatte, wenn er sich anders einiger Rach hätte unterfangen wollen; Überdies versah er sich seines Tods, und wußte doch nicht geruhiglich zu sterben, weil er seinen Sohn in solcher Schand hinter sich lassen sollte: In welchem Stand der Sohn destoweniger zu leben getraute, um wieviel mehr er ohnedas wünschte, vor dem Vater zu sterben. Es war versichert dieser beiden Jammer so erbärmlich anzuschauen, daß ich von Herzen weinen mußte! zuletzt war ihr gemeiner einhelliger Schluß, Gott ihre Sach in Geduld heimzustellen, und der Sohn sollte auf Mittel und Weg gedenken, wie er sich von seiner Compagnia loswirken, und anderwärts sein Glück suchen könnte; als sie aber
Zwo Wahrsagungen werden auf einmal erfüllt
Keiner von meines Obristen Leuten schickte sich besser, dem alten Herzbruder in seiner Krankheit abzuwarten als ich, und weil der Kranke auch mehr als wohl mit mir zufrieden war, so wurde mir auch solches Amt von der Obristin aufgetragen, welche ihm viel Guts erwies, und demnach er neben so guter Pfleg auch wegen seines Sohns sattsam erquickt worden, besserte es sich von Tag zu Tag mit ihm, also daß er noch vor dem 26. Julii fast wieder überall zu völliger Gesundheit gelangte, doch wollt er sich noch inhalten, und krank stellen, bis bemeldter Tag, vor welchem er sich merklich entsetzte, vorbei wäre: Indessen besuchten ihn allerhand Offizier von beiden Armeen, die ihr künftig Glück und Unglück von ihm wissen wollten, denn weil er ein guter Mathematicus und Nativitäten-Steller, benebens auch ein vortrefflicher Physiognomist und Chiromanticus war, fehlte ihm seine Aussag selten; ja er nannte sogar den Tag, an welchem die Schlacht vor Wittstock nachgehends geschah, sintemal ihm viel zukamen, denen um dieselbige Zeit einen gewalttätigen Tod zu leiden angedrohet war; Die Obristin versichert' er, daß sie ihr Kindbett noch im Lager aushalten würde, weil vor Ausgang der sechs Wochen Magdeburg an die Unserigen nicht übergehen würde. Dem falschen Olivier, der sich gar zutäppisch bei ihm zu machen wußte, sagte er ausdrücklich, daß er eines gewalttätigen Todes sterben müßte, und daß ich seinen Tod, er geschehe
Als nun der 26. Julii eingetreten war, vermahnet' er mich und einen Fourierschützen (den mir der Obriste auf sein Begehren denselben Tag zugegeben hatte) ganz treulich, wir sollten niemand zu ihm ins Zelt lassen. Er lag also allein darinnen, und betet' ohn Unterlaß; da es aber um den Nachmittag wurde, kam ein Leutnant aus dem Reuter-Lager dahergeritten, welcher nach des Obristen Stallmeister fragte; Er wurde zu uns, und gleich darauf wieder von uns abgewiesen, er wollte sich aber nicht abweisen lassen, sondern bat den Fourierschützen mit untergemischten Verheißungen, ihn vor den Stallmeister zu lassen, als mit welchem er noch diesen Abend notwendig reden müßte, weil aber solches auch nicht helfen wollte, fing er an zu fluchen, mit Donner und Hagel drein zu kollern, und zu sagen, er sei schon so vielmal dem Stallmeister zu Gefallen geritten, und hätte ihn noch niemals daheim angetroffen, so er nun jetzt einmal vorhanden sei, sollte er abermal die Ehr nicht haben, nur ein einzig Wort mit ihm zu reden; stieg darauf ab, und ließ sich nicht verwehren, das Zelt selbst aufzuknüpfen, worüber ich ihn in die Hand biß, aber eine dichte Maulschelle dafür bekam. Sobald er meinen Alten sah, sagte er: »Der Herr sei gebeten, mir zu verzeihen, daß ich die Frechheit brauche, ein Wort mit ihm zu reden.« »Wohl«, antwort der Stallmeister, »was beliebt denn dem Herrn?« »Nichts anders«, sagte der Leutnant, »als daß ich den Herrn bitten wollte, ob er sich ließe belieben, mir meine Nativität zu stellen?« Der Stallmeister antwortet': »Ich will verhoffen, mein hochgeehrter Herr werde mir vergeben, daß ich demselben
Simplicius wird aus einem Jüngling in ein Jungfrau verwandelt, und bekommt unterschiedliche Buhlschaften
Aus dieser wahrhaftigen Histori ist zu sehen, daß nicht sogleich alle Wahrsagungen zu verwerfen seien, wie etliche Gecken tun, die gar nichts glauben können. So kann man auch hieraus abnehmen, daß der Mensch sein aufgesetztes Ziel schwerlich überschreiten mag, wenn ihm gleich sein Unglück lang oder kurz zuvor durch dergleichen Weissagungen angedeutet worden. Auf die Frag, die sich ereignen möchte, obs einem Menschen nötig, nützlich und gut sei, daß er sich wahrsagen und die Nativität stellen lasse? antworte ich allein dieses, daß mir der alte Herzbruder soviel gesagt habe, daß ich oft gewünschet und noch wünsche, daß er geschwiegen hätte, denn die unglücklichen Fäll, die er mir angezeigt, hab ich niemals umgehen können, und diejenigen die mir noch bevorstehen, machen mir nur vergeblich graue Haar, weil mir besorglich dieselbigen auch wie die vorigen zuhanden gehen werden, ich sehe mich gleich vor denselben vor oder nicht: Was aber die Glücks-Fälle anbelangt, von denen einem geweissaget wird, davon halte ich, daß sie öfter betrügen, oder aufs wenigste den Menschen nicht so wohl gedeihen, als die unglückseligen Prophezeihungen: Was half michs, daß mir der alte Herzbruder hoch und teur schwur, ich wäre von edlen Eltern geboren und erzogen worden, da ich doch von niemand anders wußte, als von meinem Knan und meiner Meuder, die grobe Baursleut im Spessart waren. Item was halfs den von Wallenstein, Herzogen in Friedland, daß ihm prophezeit wurde, er werde gleichsam mit Saitenspiel zum König gekrönet werden? weiß man nicht, wie er zu Eger eingewieget worden? Mögen derowegen andere ihre Köpf über dieser Frag zerbrechen, ich komme wieder auf meine Histori.
Als ich erzähltermaßen meine beiden Herzbrüder verloren hatte, verleidet' mir das ganze Lager vor Magdeburg, welches ich ohnedas nur eine leinene und stroherne Stadt
Olivier der Secretarius, welcher nach des alten Herzbruders Tod mein Hofmeister worden war, erlaubte mir oft mit den Knechten auf Fourage zu reiten; als wir nun einsmals in ein groß Dorf kamen, darinnen etliche den Reutern zuständige Bagage logierte, und jeder hin und wieder in die Häuser ging, zu suchen was etwa mitzunehmen wäre, stahl ich mich auch hinweg, und suchte, ob ich nicht ein altes Baurenkleid finden möchte, um welches ich meine Narrnkappe vertauschen könnte; Aber ich fand nicht was ich wollte, sondern mußte mit einem Weiberkleid vorlieb nehmen; Ich zog selbiges an, weil ich mich allein sah, und warf das meinig in ein Secret, mir nicht anders einbildend, als daß ich nunmehr aus allen meinen Nöten errettet worden. In diesem Aufzug ging ich über die Gaß gegen etliche Offiziers-Weiber, und macht so enge Schrittlein, als etwa Achilles getan, da ihn seine Mutter dem Lycomedi rekommendierte, ich war aber kaum außer Dach hervorkommen, da mich etliche Fouragierer sahen und besser springen lernten, denn als sie schrien: Halt, halt! lief ich nur desto stärker, und kam ehender als sie zu obgemeldten Offiziererinnen, vor denselben fiel ich auf die Knie nieder, und bat um aller Weiber Ehr und Tugend willen, sie wollten meine Jungferschaft vor diesen geilen Buben beschützen! Allda meine Bitt nicht allein stattfand, sondern ich wurde auch von einer Rittmeisterin für eine Magd angenommen, bei welcher ich mich beholfen, bis Magdeburg, item die Werberschanz, auch Havelberg und Perleberg von den Unsern eingenommen worden.
Diese Rittmeisterin war kein Kind mehr, wiewohl sie noch jung war, und vernarrete sich dermaßen in meinen
Mein Hans ließ sich gleich nach Mitternacht tagen, das Jawort zu holen, und fing an am Wagen zu rappeln, als ich eben anfing am allerstärksten zu schlafen; Er rief etwas zu laut: »Sabina, Sabina, ach mein Schatz steht auf und halt mir Euer Versprechen!« also daß er den Rittmeister eher als
Wie ich nun mit meinem hinter mich gestreiften Ärmeln vom Wagen herabstieg, wurde mein Hans durch meine weißen Arm so heftig inflammiert, daß er sich nicht abbrechen konnte mich zu küssen, und weil ich mich nicht sonderlich wehrte, vermochte es der Rittmeister, vor dessen Augen es geschah, nicht zu erdulden, sondern sprang mit bloßem Degen aus dem Zelt, meinem armen Liebhaber einen Fang zu geben, aber er ging durch und vergaß das Wiederkommen; der Rittmeister aber sagte zu mir: »Du Blut-Hur, ich will dich lernen« etc. mehrers konnte er vor
Wie er für einen Verräter und Zauberer gefangen gehalten wird
Als es nun Tag worden, gab mich mein Herr den Reuterjungen preis, eben als beide Armeen völlig aufbrachen; das war nun ein Schwarm von Lumpengesind, und dahero die Hatz desto größer und erschrecklicher, die ich auszustehen hatte; sie eileten mit mir einem Busch zu, ihre viehischen Begierden desto besser zu sättigen, wie denn diese Teufelskinder im Brauch haben, wenn ihnen ein Weibsbild dergestalt übergeben wird: So folgeten ihnen auch sonst viel Bursch nach, die dem elenden Spaß zusahen, unter welchen mein Hans auch war, dieser ließ mich nicht aus den Augen, und als er sah, daß es mir gelten sollte, wollte er mich mit Gewalt erretten, und sollte es seinen Kopf kosten; Er bekam Beiständer, weil er sagte, daß ich sein versprochene Braut wäre, diese trugen ein Mitleiden mit mir und ihm, und begehrten ihm Hilf zu leisten; solches war aber den Jungen, die besser Recht zu mir zu haben vermeinten, und ein so gute Beut nicht aus Händen lassen wollten, allerdings ungelegen, derowegen gedachten sie Gewalt mit Gewalt abzutreiben, da fing man an Stöß auszuteilen von beiden Seiten her, der Zulauf und der Lärmen wurde je länger je größer, also daß es schier einem Turnier gleichsah, in welchem jeder um einer schönen Damen willen das Beste tut. Ihr schrecklich Geschrei lockte den Rumormeister herzu, welcher eben ankam, als sie mir die Kleider vom Leib gerissen, und gesehen hatten, daß ich kein Weibsbild war; seine Gegenwart machte alles stockstill, weil er vielmehr
Es kam mich gewaltig sauer an, so in Ketten und Banden zu marschiern, so hätt mich auch der Schmalhans trefflich gequält, wenn mir der Secretarius Olivier nicht spendiert hätte, denn ich durfte meine Dukaten, die ich noch bisher davongebracht hatte, nicht an des Tages Licht kommen lassen, ich hätte denn solche miteinander verlieren, und mich noch dazu in größere Gefahr stecken wollen. Gedachter Olivier kommunizierte mir noch denselbigen Abend, warum ich so hart gefangen gehalten wurde, und unser Regiments-Schultheiß bekam gleich Befehl, mich zu examinieren, damit meine Aussag dem General-Auditor desto eher zugestellt werden möchte, denn man hielt mich nicht allein für einen Kundschafter und Spionen, sondern auch gar für einen der hexen könnte, dieweil man kurz hernach, als ich von meinem Obristen ausgetreten, einige Zauberinnen verbrannt, die bekannt hatten, und darauf gestorben wären, daß sie mich auch bei ihrer Generalzusammenkunft gesehen hätten, da sie beieinander gewesen, die Elb auszutrocknen, damit Magdeburg desto eher eingenommen werden könnte. Die Punkte, darauf ich Antwort geben sollte, waren diese:
Erstlich, ob ich nicht studiert hätte, oder aufs wenigste Schreibens und Lesens erfahren wäre?
Zweitens, warum ich mich in Gestalt eines Narrn dem
Drittens, aus was Ursachen ich mich in Weiberkleider verstellet?
Viertens, ob ich mich nicht auch neben andern Unholden auf dem Hexentanz befunden?
Wo fünftens mein Vaterland, und wer meine Eltern gewesen seien?
Sechstens, wo ich mich aufgehalten, ehe ich in das Lager vor Magdeburg kommen?
Wo und zu was End ich siebentens die Weiberarbeit, als waschen, backen, kochen etc. gelernet? Item das Lautenschlagen?
Hierauf wollte ich mein ganzes Leben erzählen, damit die Umständ meiner seltsamen Begegnisse alles recht erläutern, und diese Fragen mit der Wahrheit fein verständlich unterscheiden könnten; der Regiments-Schultheiß war aber nicht so kurios, sondern vom Marschieren müd und verdrossen, derowegen begehrte er nur eine kurze runde Antwort auf das, was gefragt würde. Demnach antwortet ich folgendergestalt, daraus man aber nichts Eigentliches und Gründliches fassen konnte, und zwar.
Auf die erste Frag, ich hätte zwar nicht studiert, könnte aber doch Teutsch lesen und schreiben.
Auf die zweite, weil ich kein ander Kleid gehabt, hätte ich wohl im Narrnkleid aufziehen müssen.
Auf die dritte, weil ich meines Narrnkleids müd gewesen, und keine Mannskleider haben können.
Auf die vierte, ja, ich sei aber wider meinen Willen hingefahren, könnte aber gleichwohl nicht zaubern.
Auf die fünfte, mein Vaterland sei der Spessart, und meine Eltern Bauersleut.
Auf die sechste, zu Hanau bei dem Gubernator, und bei einem Kroaten-Obrist Corpes genannt.
Auf die siebente, bei den Kroaten hab ich waschen, backen und kochen wider meinen Willen müssen lernen, zu Hanau aber das Lautenschlagen, weil ich Lust dazu hatte.
Am andern Morgen früh kam Befehl vom General-Auditor an unsern Profosen, daß er mich wohl in acht nehmen sollte, denn er war gesinnt, sobald die Armeen still lägen, mich selbst zu examinieren, auf welchen Fall ich ohne Zweifel an die Folter gemußt hätte, wenn es Gott nicht anders gefügt. In dieser Gefangenschaft dachte ich stetigs an meinen Pfarrer zu Hanau, und den verstorbenen alten Herzbruder, weil sie beide wahr gesagt, wie mirs ergehen würde, wenn ich wieder aus meinem Narrnkleid käme.
Wie es dem Profosen in der Schlacht bei Wittstock ergangen
Denselben Abend, als wir uns kaum gelagert hatten, wurde ich zum General-Auditor geführt, der hatte meine Aussag samt einem Schreibzeug vor sich, und fing an mich besser zu examinieren; ich hingegen erzählte meine Händel, wie sie an sich selbst waren, es wurde mir aber nicht geglaubt, und konnte der General-Auditor nicht wissen, ob er einen Narrn oder ausgestochenen Böswicht vor sich hatte, weil Frag und Antwort so artlich fiel, und der Handel an sich selbst seltsam war; Er hieß mich eine Feder nehmen und schreiben, zu sehen was ich könnte, und ob etwa
Von einer großen Schlacht, in welcher der Triumphator über dem Obsiegen gefangen wird
Gleichwie mich nun meines Erretters Knecht aus fernerer Gefahr führete, also ließ sich sein Herr hingegen erst durch Begierd der Ehr und Beut recht hineintreiben, allermaßen er sich so weit verhauen, daß er gefangen wurde. Demnach die sieghaften Überwinder die Beuten teilten, und ihre Toten begruben, mein Herzbruder aber mangelte, erbte dessen Rittmeister mich mitsamt seinem Knecht und Pferden, bei welchem ich mich für einen Reuterjungen mußte gebrauchen lassen, wofür ich nichts hatte als diese Promessen, wenn ich mich wohlhielte, und ein wenig besser meiner Jugend entginge, daß er mich alsdann aufsetzen, das ist, zu einem Reuter machen wollte, womit ich mich denn also dahin gedulden mußte.
Gleich hernach wurde mein Rittmeister zum Obrist-Leutnant vorgestellt, ich aber bekam das Amt bei ihm, welches David vor alten Zeiten bei dem König Saul vertreten, denn in den Quartieren schlug ich auf der Lauten, und im Marschieren mußte ich ihm seinen Küraß nachführen, welches mir ein beschwerliche Sach war; Und ob zwar diese Waffen ihren Träger vor feindlichen Püffen zu beschützen erfunden worden, so befand ich jedoch allerdings das Widerspiel, weil mich meine eigenen Jungen, die ich ausheckte, unter ihrem Schutz desto sicherer verfolgten, darunter hatten sie ihren freien Paß, Spaß und Tummelplatz,
Einsmals wurde mein Obrist-Leutnant kommandiert, eine Cavalcada mit einer starken Partei nach Westfalen zu tun, und wäre er damals so stark an Reutern gewesen als ich an Läusen, so hätte er die ganze Welt erschreckt; weil solches aber nicht war, mußte er behutsam gehen, auch solcher Ursachen halber sich in der Gemmer Mark (das ist ein so genannter Wald zwischen Hamm und Soest) heimlich halten; Damals wars mit den Meinigen aufs höchste kommen, sie quälten mich so hart mit Minieren, daß ich sorgte, sie möchten sich gar zwischen Fell und Fleisch hineinlogieren. Kein Wunder ists, daß die Brasilianer ihre Läus aus Zorn und Rachgier fressen, weil sie einen so drängen! Einmal, ich getraute meine Pein nicht länger zu gedulden, sondern ging als teils Reuter fütterten, teils schliefen, und teils Schildwacht hielten, ein wenig beiseits unter einen Baum, meinen Feinden eine Schlacht zu liefern; zu solchem End zog ich den Harnisch aus, unangesehen andere denselben
Wie es einem frommen Soldaten im Paradeis so wohl erging, ehe er starb, und wie nach dessen Tod der Jäger an seine Stell getreten
Unsere Wirtin, wollte sie nicht, daß ich sie und ihr ganzes Haus mit meinen Völkern besetzte, so mußte sie mich auch davon entledigen; sie machte ihnen den Prozeß kurz und gut, steckt' meine Lumpen in Backofen, und brannt sie so sauber aus wie eine alte Tabakpfeife, also daß ich wieder dies
Solches alles bewegte seinen Hauptmann, ihn ins Paradeis,
Das Paradeis fanden wir, wie wirs begehrten, und noch darüber anstatt der Engel schöne Jungfrauen darinnen, welche uns mit Speis und Trank also traktierten, daß ich in Kürze wieder einen glatten Balg bekam, denn da setzte es das fetteste Bier, die besten westfälischen Schinken und Knackwürst, wohlgeschmack und sehr delikat Rindfleisch, das man aus dem Salzwasser kochte, und kalt zu essen pflegte; da lernete ich das schwarze Brot fingersdick mit gesalzener Butter schmieren, und mit Käs belegen, damit es desto besser rutschte, und wenn ich so über einen Hammelskolben kam, der mit Knoblauch gespickt war, und ein gute Kanne Bier daneben stehn hatte, so erquickte ich Leib und Seel, und vergaß all meines ausgestandenen Leids. In Summa, dies Paradeis schlug mir so wohl zu, als ob es das rechte gewesen wäre; kein ander Anliegen hatte ich, als daß ich wußte, daß es nicht ewig währen würde, und daß ich so zerlumpt dahergehen mußte.
Aber gleichwie mich das Unglück haufenweis überfiel, da es anfing mich hiebevor zu reiten, also bedünkte mich
Indessen mußte sich der karge Filz schämen, daß sein Jung besser gekleidet war als er selbsten, derowegen ritt er nach Soest, borgte Geld von seinem Hauptmann, und montierte sich damit aufs beste, mit Versprechen, solches von seinen wöchentlichen Salvaguardi-Geldern wieder zu erstatten, welches er auch fleißig tat, er hätte zwar selbsten noch wohl soviel Mittel gehabt, er war aber viel zu schlau sich anzugreifen, denn hätte ers getan, so wäre ihm die Bärnhaut entgangen, auf welcher er denselbigen Winter im Paradeis liegen konnte, und wäre ein anderer nackender Kerl an seine Statt gesetzt worden, mit der Weis aber mußte ihn der Hauptmann wohl liegen lassen, wollte er anders sein ausgeliehen Geld wieder haben. Von dieser Zeit an hatten wir das allerfaulste Leben von der Welt, in welchem Kegeln unser allergrößte Arbeit war, wenn ich meines Dragoners Klepper gestriegelt, gefüttert und getränkt hatte, so trieb ich das Junkern-Handwerk und ging spazieren; Das Kloster war auch von den Hessen, unserm Gegenteil,
Das Stift vermochte eine eigene Wildbahn, und hielt dahero auch einen eigenen Jäger, und weil ich auch grün gekleidet war, gesellete ich mich zu ihm, und lernete ihm denselben Herbst und Winter alle seine Künste ab, sonderlich was das kleine Waidwerk anbelangt. Solcher Ursachen halber, und weil der Nam Simplicius etwas ungewöhnlich, und den gemeinen Leuten vergeßlich, oder sonst schwer auszusprechen war, nannte mich jedermann ›dat Jäjerken‹; dabei wurden mir alle Weg und Steg bekannt, welches ich mir hernach trefflich zunutz machte; Wenn ich aber wegen üblen Wetters in Wäldern und Feldern nicht herum konnte schwärmen, so las ich allerhand Bücher, die mir des Klosters Verwalter lieh. Sobald aber die adeligen Klosterfrauen gewahr wurden, daß ich neben meiner guten Stimm auch auf der Lauten, und etwas wenigs auf dem Instrument schlagen konnte, ermaßen sie auch mein Tun desto genauer, und weil eine ziemliche Leibsproportion und schönes Angesicht dazukam, hielten sie alle mein Sitten, Wesen, Tun und Lassen für adelig, dergestalt nun mußte ich ohnversehens ein sehr beliebter Junker sein, über welchem man sich verwundert', daß er sich bei einem so liederlichen Dragoner behülfe.
Als ich nun solchergestalt denselben Winter in aller Wollust hingebracht hatte, ward mein Herr abgelöst, welches ihm auf das gute Leben so and tat, daß er darüber erkrankte, und weil auch ein starkes Fieber dazuschlug, zumalen auch die alten Mucken, die er sein Lebtag im Krieg aufgefangen, dazukamen, machte ers kurz, allermaßen
Von Rechts und Gewohnheit wegen hätte der Hauptmann Pferd und Gewehr, der Führer aber die übrige Verlassenschaft zu sich nehmen und erben sollen; weil ich aber damals ein frischer aufgeschossener Jüngling war, und Hoffnung gab, ich würde mit der Zeit meinen Mann nicht fürchten, wurde mir alles zu überlassen angeboten, wenn ich mich an meines verstorbenen Herrn Statt unterhalten lassen wollte; ich nahms um soviel desto lieber an, weil mir bekannt, daß mein Herr in seinen alten Hosen ein ziemliche Anzahl Dukaten eingenähet verlassen, an welchen er sein Lebtag zusammengekratzt hatte, und als ich zu solchem End meinen Namen, nämlich Simplicius Simplicissimus angab, der Musterschreiber (welcher Cyriacus genannt war) solchen aber nicht orthographice schreiben konnte, sagte er: »Es ist kein Teufel in der Höll, der also heißt«; und weil ich ihn hierauf geschwind fragte, ob denn einer in der Höll wäre, der Cyriacus hieße? er aber nichts zu antworten wußte, ob er sich schon klug zu sein dünkte, gefiel solches meinem Hauptmann so wohl, daß er gleich im Anfang viel von mir hielt.
Wie sich der Jäger angelassen, als er anfing das Soldaten-Handwerk zu treiben, daraus ein junger Soldat etwas zu lernen
Weil dem Kommandanten in Soest ein Kerl im Stall mangelte, wie ich ihn einer zu sein gedünkte, sah er nicht gern, daß ich ein Soldat worden war, sondern unterstand sich, mich noch zu bekommen, maßen er meine Jugend vorwandte und mich für keinen Mann passieren lassen wollte; und als er solches meinem Herrn vorhielt, schickte er auch nach mir und sagte: »Hör Jägerchen, du sollst
Hierauf wischte ich hinter meines Dragoners alten Hosen her, und nachdem ich dieselben anatomiert hatte, schaffte ich mir aus deren Eingeweid noch ein gut Soldatenpferd, und das beste Gewehr so ich kriegen konnte, das mußte mir alles glänzen wie ein Spiegel. Ich ließ mich wieder von neuem grün kleiden, weil mir der Nam ›Jäger‹ sehr beliebte, mein altes Kleid aber gab ich meinem Jungen, weil mirs zu klein worden, also ritt ich selbander daher wie ein junger Edelmann, und dünkte mich fürwahr keine Sau zu sein; ich war so kühn, meinen Hut mit einem tollen Federbusch zu zieren wie ein Offizier, dahero bekam ich bald Neider und Mißgönner, zwischen denselben und mir setzte es ziemlich empfindliche Wort, und endlich gar Ohrfeigen: Ich hatte aber kaum einem oder drei gewiesen, was ich im Paradeis vom Kürschner gelernet hatte, da ließ mich nicht allein jedermann zufrieden, sondern es suchte auch ein jeglicher meine Freundschaft. Daneben ließ ich mich beides zu Roß und Fuß aufs Partei-gehen gebrauchen, denn ich war wohl beritten, und schneller auf den Füßen als einer meinesgleichen, und wenn es etwas mit dem Feind zu tun gab, warf ich mich hervor, wie das Bös in einer Wannen, und wollte allzeit vorn dran sein, davon wurde ich in kurzer
Durch solch mein Verhalten wäre ich zeitlich zu Offizien befördert worden, wenns meine Jugend nicht verhindert hätte; denn welcher in solchem Alter, als ich trug, ein Fähnlein haben wollte, mußte ein guter von Adel sein, zudem konnte mich mein Hauptmann nicht befördern, weil keine ledigen Stellen bei seiner Kompagnie waren, und keinem andern mochte er mich gönnen, weil er an mir mehr als eine melkende Kuh verloren hätte, doch wurde ich ein Gefreiter. Diese Ehr, daß ich alten Soldaten vorgezogen wurde, wiewohl es ein geringe Sach war, und das Lob, das man mir täglich verlieh, waren gleichsam wie Sporn, die mich zu höhern Dingen antrieben: Ich spekulierte Tag und Nacht, wie ich etwas anstellen möchte, mich noch größer zu machen, ja ich konnte vor solchem närrischen Nachsinnen oft nicht schlafen: Und weil ich sah, daß es mir an Gelegenheit mangelte, im Werk zu erweisen, was ich für einen Mut trüge, bekümmerte ich mich, daß ich nicht täglich Gelegenheit haben sollte, mich mit dem Gegenteil in Waffen zu üben, ich wünschte mir oft den Trojanischen Krieg oder eine Belagerung wie zu Ostende, und ich Narr gedachte nicht, daß der Krug so lang zum Brunnen gehet, bis er einmal zerbricht. Es gehet aber nicht anders, wenn ein junger unbesonnener Soldat Geld, Glück und Courage hat, denn da folget Übermut und Hoffart, und aus solcher Hoffart hielt ich anstatt eines Jungen zween Knecht, die ich trefflich herausstaffierte und beritten machte, womit ich mir aller Offizierer Neid aufbürdete.
Wie der Teufel dem Pfaffen seinen Speck gestohlen, und sich der Jäger selbst fängt
Ich muß ein Stücklein oder etliche erzählen, die mir hin und wieder begegnet, ehe ich wieder von meinen Dragonern kam; und ob sie schon nicht von Importanz seien, sind sie doch lustig zu hören, denn ich nahm nicht allein große Ding vor, sondern verschmähet auch die geringen nicht, wenn ich nur mutmaßete, daß ich Ruhm bei den Leuten dadurch erwecken möchte. Mein Hauptmann wurde mit etlich und fünfzig Mann zu Fuß in das Vest von Recklinghausen kommandiert, einen Anschlag daselbst zu verrichten, und weil wir gedachten, wir würden, ehe wir solchen ins Werk setzen könnten, einen Tag oder etlich uns in den Büschen heimlich halten müssen, nahm jeder auf acht Tag Proviant zu sich; demnach aber die reiche Caravana, der wir aufpaßten, die bestimmte Zeit nicht ankam, ging uns das Brot aus, welches wir nicht rauben durften, wir hätten uns denn selbst verraten, und unser Vorhaben zu nichts werden lassen wollen, dahero uns der Hunger gewaltig preßte; so hatte ich auch dies Orts keine Kunden, wie anderswo, die mir und den Meinigen etwas heimlich zutrugen, derowegen mußten wir, Fütterung zu bekommen, auf andere Mittel bedacht sein, wenn wir anders nicht wieder leer heim wollten; Mein Kamerad, ein lateinischer Handwerksgesell, der erst kürzlich aus der Schul entlaufen, und sich unterhalten lassen, seufzete vergeblich nach den Gerstensuppen, die ihm hiebevor seine Eltern zum Besten verordnet, er aber verschmähet und verlassen hatte, und als er so an seine vorigen Speisen gedachte, erinnert' er sich auch seines Schulsacks, bei welchem er solche genossen: »Ach Bruder«, sagte er zu mir, »ists nicht eine Schand, daß ich nicht soviel Künste erstudiert haben soll, vermittelst deren ich mich jetzund füttern könnte, Bruder, ich weiß re vera, wenn ich nur zum Pfaffen in jenes Dorf gehen dürfte, daß es ein trefflich Convivium bei ihm setzen sollte!« Ich überlief diese Wort
Ich verwechselte meine Kleider mit einem andern, und zottelt mit meinem Studenten besagtem Dorf zu durch einen weiten Umschweif, wiewohl es nur ein halbe Stund von uns lag, in demselben erkannten wir das nächste Haus bei der Kirch für des Pfarrers Wohnung, weil es auf städtisch gebaut war, und an einer Mauer stand, die um den ganzen Pfarrhof ging: Ich hatte meinen Kameraden schon instruiert, was er reden sollte, denn er hatte sein abgeschabt Studenten-Kleidlein noch an, ich aber gab mich für einen Malergesellen aus, denn ich gedachte, ich würde dieselbe Kunst im Dorf nicht üben dürfen, weil die Bauren nicht bald gemalte Häuser haben. Der geistliche Herr war höflich, als ihm mein Gesell ein tiefe lateinische Reverenz gemacht, und einen Haufen dahergelogen hatte, wasgestalt ihn die Soldaten auf der Reis geplündert, und aller seiner Zehrung beraubt hätten, bot er ihm selbst ein Stück Butter und Brot, neben einem Trunk Bier an, ich aber stellte mich, als ob ich nicht zu ihm gehörte, und sagte, ich wollte im Wirtshaus etwas essen, und ihm alsdann rufen, damit wir noch denselben Tag ein Stück Wegs hinter uns legen könnten: Also ging ich dem Wirtshaus zu, mehr auszuspähen was ich dieselbe Nacht holen wollte, als meinen Hunger zu stillen, hatte auch das Glück, daß ich unterwegs einen Bauren antraf, der seinen Backofen zukleibte, welcher große Pumpernickel darinnen hatte, die vierundzwanzig Stund da sitzen und ausbacken sollten. Ich machts beim Wirt kurz, weil ich schon wußte wo Brot zu bekommen war, kaufte etliche Stuten (das ist ein so genanntes weiß Brot), solche meinem Hauptmann zu bringen, und da ich in Pfarrhof kam, meinen
Wie wir nun in die Kirch kamen, von den Gemälden allerhand diskurierten, und mir der Pfarrer etliche Stück auszubessern verdingen wollte, ich aber allerhand Ausflücht suchte, und meine Wanderschaft vorwandte, sagte der Mesner oder Glöckner: »Du Kerl, ich sehe dich ehe für einen verlaufenen Soldatenjungen an, als für einen Malergesellen.« Ich war solcher Reden nicht mehr gewohnet, und sollte sie doch verschmerzen, doch schüttelt ich nur den Kopf ein wenig, und antwortet ihm: »O du Kerl, gib mir nur geschwind Pinsel und Farben her, so will ich dir im Hui einen Narrn dahergemalt haben, wie du einer bist.« Der Pfarrer machte ein Gelächter daraus und sagte zu uns beiden, es gezieme sich nicht an einem so heiligen Ort einander wahrzusagen;
Wir kamen noch vor Nacht zu unsern Gesellen, da ich meine Kleider und Gewehr wieder nahm, dem Hauptmann meine Verrichtung erzählet, und sechs gute Kerl auslas, die das Brot heimtragen sollten helfen; wir kamen um Mitternacht ins Dorf, und hoben in aller Stille das Brot aus dem Ofen, weil wir einen bei uns hatten, der die Hund bannen konnte, und da wir bei dem Pfarrhof vorüber wollten, konnte ichs nicht übers Herz bringen, ohne Speck weiters zu passieren; Ich stand einsmals still, und betrachtete mit Fleiß, ob nicht in des Pfaffen Küchen zu kommen sein möchte? sah aber keinen andern Eingang als den Kamin, welcher für diesmal meine Tür sein mußte; Wir trugen Brot und Gewehr auf den Kirchhof ins Beinhaus, und brachten ein Leiter und Seil aus einer Scheur zuwegen, und weil ich so gut als ein Schornsteinfeger in den Kaminen auf- und absteigen konnte (als welches ich von Jugend auf in den hohlen Bäumen gelernet hatte), stieg ich selbander aufs Dach, welches von hohlen Ziegeln doppelt belegt, und zu meinem Vorhaben sehr bequem gebaut war: Ich wickelt meine langen Haar über dem Kopf auf einen Büschel zusammen, ließ mich mit einem End des Seils hinunter zu meinem geliebten Speck, und band einen Schinken nach dem andern, und eine Speckseite nach der andern an das Seil, welches der auf dem Dach fein ordentlich zum Dach hinausfischte, und den andern in das Beinhäuslein zu tragen gab: Aber potz Unstern! Da ich allerdings Feirabend gemacht hatte, und wieder übersich wollte, brach eine Stange mit mir, also daß der arme Simplicius herunterfiel, und der elende Jäger sich selbst wie in einer Mausfallen gefangen befand: Meine Kameraden auf dem Dach ließen das Seil herunter, mich wieder hinaufzuziehen, aber es zerbrach, ehe sie mich vom Boden brachten. Ich gedachte: ›Nun Jäger, jetzt mußt du eine Hatz ausstehen, in welcher dir selbst, wie dem Aktaeon, das Fell gewaltig zerrissen wird werden‹, denn der Pfarrer war von meinem Fall erwacht und befahl seiner
Mitten in solchen Ängsten, die uns beiderseits umgeben hatten, wurde ich zu allem Glück gewahr, daß das Nachtschloß an der Tür, die auf den Kirchhof ging, nicht eingeschlagen, sondern der Riegel nur vorgeschoben war: Ich schob denselben geschwind zurück, wischte zur Tür hinaus auf den Kirchhof (da ich denn meine Gesellen mit aufgezogenen Hahnen stehen fand) und ließ den Pfaffen Teufel beschwören, so lang er immer wollte. Und demnach Spring-ins-Feld mir meinen Hut von dem Dach gebracht, wir auch
Die ganze Partei erquickte sich mit demjenigen das wir gestohlen hatten, und bekam doch kein einziger den Klucksen davon, so gesegnete Leut waren wir! Auch hatten alle über diese meine Fahrt genugsam zu lachen, nur dem Studenten wollte es nicht gefallen, daß ich den Pfaffen bestohlen, der ihm das Münkelspiel so grandig besteckt hatte, ja er schwor auch hoch und teur, daß er ihm seinen Speck gern bezahlen wollte, wenn er die Mittel nur bei der Hand hätte, und fraß doch nichtsdestoweniger mit, als ob ers verdingt hätte. Also lagen wir noch zween Tag an selbigem Ort, und erwarteten diejenigen, denen wir schon so lang aufgepaßt hatten, wir verloren keinen einzigen Mann im Angriff, und bekamen doch über dreißig Gefangene, und so herrliche Beuten, als ich jemals teilen helfen: Ich hatte doppelt Part, weil ich das Beste getan, das waren drei schöne friesländische Hengst mit Kaufmannswaren beladen, was sie in Eil forttragen möchten, und wenn wir Zeit gehabt, die Beuten recht zu suchen und solche in Salvo zu bringen, so wäre jeder für sein Teil reich genug worden, maßen wir mehr stehen lassen, als wir davonbrachten, weil wir mit dem was wir fortbringen konnten, uns in schnellster Eil tummeln mußten, und zwar so retirierten wir uns mehrer Sicherheit halber auf Rehnen, da wir fütterten, und die Beuten teilten, weil unsers Volks da lag. Daselbst gedachte ich wieder an den Pfaffen, dem ich den Speck gestohlen hatte; der Leser mag denken, was ich für einen verwegenen, freveln und ehrgeizigen Kopf hatte, indem mirs nicht genug war, daß ich den frommen Geistlichen bestohlen, und so schrecklich geängstiget, sondern ich wollte noch Ehr davon haben; derowegen nahm ich einen Saphir in einen güldenen Ring gefaßt, den ich auf selbiger Partei erschnappt hatte, und schickte ihn von Rehnen aus durch einen gewissen Boten meinem Pfarrer, mit folgendem Brieflein:
Der Jäger.
Dem Bauren aber, welchem sie den Backofen ausgeleert hatten, schickte die Partei aus gemeiner Beut sechzehn Reichstaler, denn ich hatte sie gelernet, daß sie solchergestalt den Landmann auf ihre Seite bringen müssen, als welche einer Partei oft aus allen Nöten helfen, oder hingegen eine andere verraten, verkaufen, und um die Häls bringen könnten. Von Rehnen gingen wir auf Münster, und von da auf Hamm, und heim nach Soest in unser Quartier, allwo ich nach wenig Tagen ein Antwort von dem Pfaffen empfing, die also lautet':
Edler Jäger, etc. Wenn derjenige, dem Ihr den Speck gestohlen, hätte gewußt, daß Ihr ihm in teuflischer Gestalt erscheinen würdet, hätte er sich nicht so oft gewünscht, den landberufenen Jäger auch zu sehen: Gleichwie aber das geborgte Fleisch und Brot viel zu teuer bezahlt worden, also ist auch der eingenommene Schrecken desto leichter zu verschmerzen, vornehmlich weil er von einer so berühmten Person wider ihren Willen verursacht worden, deren hiemit allerdings verziehen wird, mit Bitt, dieselbe wolle ein andermal ohne Scheu zusprechen, bei dem der sich nicht scheuet, den Teufel zu beschwören. Vale.
Wie der Jäger zu weit auf die linke Hand gehet
Der günstige Leser wird in vorhergehendem Buch verstanden haben, wie ehrgeizig ich in Soest worden, und daß ich Ehr, Ruhm und Gunst in Handlungen suchte und auch gefunden, die sonst bei andern wären strafwürdig gewesen: Jetzt will ich erzählen, wie ich mich meine Torheit weiter verleiten lassen, und dadurch in stetiger Leib- und Lebensgefahr gelebt; Ich war, wie ich bereits erwähnet hab, so beflissen Ehr und Ruhm zu erjagen, daß ich auch nicht davor schlafen konnte, und wenn ich so Grillen hatte, und manche Nacht lag, neue Fünd und List zu ersinnen, hatte ich wunderliche Einfäll; dahero erfand ich ein Gattung Schuh, die man das Hinterst zuvorderst anziehen konnte, also daß die Absätz unter den Zehen standen, deren ließ ich auf meine Kosten bei dreißig unterschiedliche Paar machen, und wenn ich solche unter meine Bursch austeilete, und damit auf Partei ging, wars unmöglich uns auszuspüren, denn wir trugen bald diese, und bald unsere rechten Schuh an den Füßen, und hingegen die übrigen im Ranzen, und wenn jemand an einen Ort kam, da ich die Schuh verwechseln lassen, sah es nicht anders in der Spur, als wenn zwo Partei allda zusammenkommen, und miteinander auch wieder verschwunden wären; behielt ich aber meine letzten Schuh an, so sah es, als ob ich erst hingangen wäre, wo ich schon gewesen, oder als ob ich von dem Ort herkäme, dahin ich erst ging: So waren ohnedas meine Gäng, wenn es eine Spur hatte, viel verwirrter als in einem Irrgarten, also daß es denjenigen, die mich vermittelst der Spur hätten auskundigen, oder sonst nachjagen sollen, unmöglich gefallen wäre, mich zu kriegen. Ich war oft allernächst bei denen vom Gegenteil, die mich in der Ferne sollten suchen, und noch öfters etliche Meil Wegs von demjenigen Busch, den sie
Ich weiß zwar wohl, daß auf diese Stund Leut sind, die mir dieses nicht glauben, aber sie mögen es glauben oder nicht, so ists doch die Wahrheit: Ich will einen Menschen bei Nacht, der nur so laut redet als seine Gewohnheit ist, an der Stimm durch ein solches Instrument erkennen, er sei gleich so weit von mir, als ihn einer durch ein gut Perspektiv bei Tag an den Kleidern erkennen mag. Ich kann aber keinen verdenken, wenn er mir nicht glaubt, was ich jetzund schreibe, denn es wollte mir keiner glauben von denjenigen, die mit ihren Augen sahen, als ich mehrbedeut Instrument
Wenn ich nicht auf Partei durfte, so ging ich sonst aus zu stehlen, und dann waren weder Pferd, Kühe, Schwein noch Schaf in den Ställen vor mir sicher, welche ich auf etliche Meil Wegs holete; Rindvieh und Pferden wußte ich Stiefel oder Schuh anzulegen, bis ich sie auf eine gänge Straß brachte, damit man sie nicht spüren konnte, alsdann schlug ich den Pferden die Eisen hinterst zuvorderst auf, oder wenns Küh und Ochsen warn, tat ich ihnen Schuh an die ich dazu gemacht hatte, und brachte sie also in Sicherheit; die großen fetten Schweinspersonen, die Faulheit halber bei Nacht nicht reisen mögen, wußte ich auch meisterlich fortzubringen, wenn sie schon grunzten, und nicht dranwollten; ich machte ihnen mit Mehl und Wasser einen wohlgesalzenen Brei, ließ solchen einen Baderschwamm in sich saufen, an welchen ich ein starken Bindfaden gebunden hatte, ließ nachgehends diejenigen um welche ich löffelte, den Schwamm voll Mus fressen, und behielt die Schnur in der Hand, worauf sie ohne ferneren Wortwechsel geduldig mitgingen,
Der Jäger von Soest schafft den Jäger von Werl ab
Als ich nun so fort hausete, und im Werk begriffen war, mir einige Teufelslarven und dazu gehörige schreckliche Kleidungen mit Roß- und Ochsenfüßen machen zu lassen, vermittelst derer ich die Feind erschrecken, zumal auch den Freunden als unerkannt das Ihrige zu nehmen, dazu mir denn die Begebenheit mit dem Speck-stehlen Anlaß gab, bekam ich Zeitung, daß ein Kerl sich in Werl aufhielte, welcher ein trefflicher Parteigänger sei, sich grün kleiden lassen, und hin und her auf dem Land, sonderlich aber bei
Indessen nun, als jedermann vermeinte, ich hätte mich auf eine Bärnhaut schlafen gelegt, von der ich so bald nicht wieder aufstehen würde, kündigte ich meines Gegenteils von Werl Tun und Lassen aus, und befand, daß er mir nicht nur mit dem Namen und in den Kleidern nachäffte, sondern auch bei Nacht heimlich zu stehlen pflegte, wenn er etwas erhaschen konnte, derhalben erwachte ich wieder ohnversehens, und machte meinen Anschlag darauf: Mein beiden Knecht hatte ich nach und nach abgericht wie die Wachtelhund, so waren sie mir auch dermaßen getreu, daß jeder auf den Notfall für mich durch ein Feur gelaufen wäre, weil sie ihr gut Fressen und Saufen bei mir hatten, und treffliche Beuten machten: Derer schickte ich einen nach Werl zu meinem Gegenteil, der wandte vor, weil ich als sein gewesener Herr nunmehr anfinge zu leben wie ein ander Kujon, und verschworen hätte, nimmermehr auf Partei zu gehen, so hätte er nicht mehr bei mir bleiben mögen, sondern sei kommen ihm zu dienen, weil er an seines Herrn Statt ein Jägerkleid angenommen, und sich wie ein rechtschaffener Soldat gebrauchen lasse; er wisse alle Weg und Steg im Land, und könnte ihm manchen Anschlag geben, gute Beuten zu machen, etc. Mein guter einfältiger Narr glaubte meinem Knecht und ließ sich bereden, daß er ihn annahm, und auf eine bestimmte Nacht mit seinem Kameraden und ihm auf eine Schäferei ging, etliche fette Hämmel zu holen, da ich und Springinsfeld mit meinem andern Knecht schon aufpaßten, und den Schäfer bestochen hatten, daß er seine Hund anbinden, und die Ankömmling in die Scheur unverhindert minieren lassen sollte, so wollte ich ihnen das Hammelfleisch schon gesegnen. Da sie nun ein Loch durch die Wand gemacht hatten, wollte der Jäger von Werl haben, mein Knecht sollte gleich zum ersten hineinschliefen; Er aber sagte: »Nein, es möchte jemand drin aufpassen, und mir eins vorn Kopf geben, ich sehe wohl, daß ihr nicht recht mausen könnt, man muß zuvor visitieren«; zog darauf seinen Degen aus, und hängte seinen
Der große Gott Jupiter wird gefangen, und eröffnet der Götter Ratschläg
Solches wurde ich bald gewahr, derhalben stellte ich mein vorig gottlos Leben allerdings ab, und befliß mich allein der Tugend und Frömmigkeit; ich ging zwar wie zuvor wieder auf Partei, erzeigte mich aber gegen Freunde und Feinde so leutselig und diskret, daß all diejenigen, so mir unter die Händ kamen, ein anders glaubten, als sie von mir gehört hatten; überdas hielt ich auch mit den überflüssigen Verschwendungen inne, und sammelte mir viel schöne Dukaten und Kleinodien, welche ich hin und wieder in der Soestischen Börde auf dem Land in hohle Bäum verbarg, weil mir solches die bekannte Wahrsagerin zu Soest riet, und mich versicherte, daß ich mehr Feind in derselben Stadt und unter meinem Regiment, als außerhalb und in den feindlichen Garnisonen hätte, die mir und meinem Geld nachstellten. Und indem man hin und her Zeitung hatte, daß der Jäger ausgerissen wäre, saß ich denen, die sich damit kitzelten, wieder ohnversehens auf der Hauben, und ehe ein Ort recht erfuhr, daß ich an einem andern Schaden getan, empfand derselbige schon, daß ich noch vorhanden war; denn ich fuhr herum wie ein Windsbraut, war bald hie bald dort, also daß man mehr von mir zu sagen wußte als zuvor, da sich noch einer für mich ausgab.
Ich saß einsmals mit fünfundzwanzig Feurröhren nicht weit von Dorsten, und paßte einem Convoi mit etlichen Fuhrleuten auf, der nach Dorsten kommen sollte; Ich hielt meiner Gewohnheit nach selbst Schildwacht, weil wir dem Feind nahe waren; da kam ein einziger Mann daher, fein ehrbar gekleidet, der redte mit sich selbst, und hatte mit seinem Meerrohr, das er in Händen trug, ein seltsam Gefecht; Ich konnte nichts anders verstehen, als daß er sagte: »Ich will einmal die Welt strafen, es wolle mirs denn das große Numen nicht zugeben!« Woraus ich mutmaßete, es möchte etwa ein mächtiger Fürst sein, der so verkleidterweis
Ich wünschte zwar, daß ich diesen Fang nicht getan, weil ich den Narrn aber hatte, mußt ich ihn wohl behalten, bis wir von dannen rückten, und demnach mir die Zeit ohnedas ziemlich lang wurde, gedachte ich, diesen Kerl zu stimmen und mir seine Gaben zunutz zu machen, sagte derowegen zu ihm: »Nun denn meiner lieber Jove, wie kommts doch, daß deine hohe Gottheit ihren himmlischen Thron verläßt, und zu uns auf Erden steigt? Vergib mir, o Jupiter, meine Frag, die du für vorwitzig halten möchtest, denn wir sind den himmlischen Göttern auch verwandt, und eitel Silvani, von den Faunis und Nymphis geboren,
Ich mußte zwar lachen, verbiß es doch so gut ich konnte, und sagte: »Ach Jupiter, deine Mühe und Arbeit wird besorglich allerdings umsonst sein, wenn du nicht wieder, wie vor diesem, die Welt mit Wasser, oder gar mit Feur heimsuchest; denn schickest du einen Krieg, so laufen alle bösen verwegenen Buben mit, welche die friedliebenden frommen Menschen nur quälen werden; schickest du eine Teuerung, so ists ein erwünschte Sach für die Wucherer, weil alsdann denselben ihr Korn viel gilt; schickst du aber ein Sterben, so haben die Geizhäls und alle übrigen Menschen ein gewonnen Spiel, indem sie hernach viel erben; wirst derhalben die ganze Welt mit Butzen und Stiel ausrotten müssen, wenn du anders strafen willst.«
Von dem Teutschen Helden, der die ganze Welt bezwingen, und zwischen allen Völkern Fried stiften wird
Jupiter antwortet': »Du redest von der Sach wie ein natürlicher Mensch, als ob du nicht wüßtest, daß uns Göttern möglich sei, etwas anzustellen, daß nur die Bösen gestraft, und die Guten erhalten werden; ich will einen Teutschen Helden erwecken, der soll alles mit der Schärfe des Schwerts vollenden, er wird alle verruchten Menschen umbringen, und die frommen erhalten und erhöhen.« Ich sagte: »So muß ja ein solcher Held auch Soldaten haben, und wo man Soldaten braucht, da ist auch Krieg, und wo Krieg ist, da muß der Unschuldig sowohl als der Schuldig herhalten!« »Seid ihr irdischen Götter denn auch gesinnt wie die irdischen Menschen«, sagte Jupiter hierauf, »daß ihr so gar nichts verstehen könnet? Ich will einen solchen Helden schicken, der keiner Soldaten bedarf, und doch die ganze Welt reformieren soll; in seiner Geburtstund will ich ihm verleihen einen wohlgestalten und stärkern Leib, als Herkules einen hatte, mit Fürsichtigkeit, Weisheit und Verstand überflüssig geziert, hierzu soll ihm Venus geben ein schön Angesicht, also daß er auch Narcissum, Adonidem, und meinen Ganymedem selbst übertreffen solle, sie soll ihm zu allen seinen Tugenden ein sonderbare Zierlichkeit, Aufsehen und Anmutigkeit vorstrecken, und dahero ihn bei aller Welt beliebt machen, weil ich sie eben der Ursachen halber in seiner Nativität desto freundlicher anblicken werde; Mercurius aber soll ihn mit unvergleichlichsinnreicher Vernunft begaben, und der unbeständige Mond soll ihm nicht schädlich, sondern nützlich sein, weil er ihm eine unglaubliche Geschwindigkeit einpflanzen wird; die Pallas soll ihn auf dem Parnasso auferziehen, und Vulcanus soll ihm in Hora Martis seine Waffen, sonderlich aber ein Schwert schmieden, mit welchem er die ganze Welt bezwingen, und alle Gottlosen niedermachen wird, ohne fernere Hilf eines einzigen Menschen, der ihm etwa als ein Soldat
Ich sagte: »Wie kann die Niedermachung aller Gottlosen ohne Blutvergießen, und das Kommando über die ganze weite Welt ohne sonderbare große Gewalt und starken Arm geschehen und zuwege gebracht werden? o Jupiter, ich bekenne dir unverhohlen, daß ich diese Ding weniger als ein sterblicher Mensch begreifen kann!« Jupiter antwortet': »Das gibt mich nicht Wunder, weil du nicht weißt, was meines Helden Schwert für ein seltene Kraft an sich haben wird, Vulcanus wirds aus den Materialien verfertigen, daraus er mir meine Donnerkeil macht, und dessen Tugenden dahin richten, daß mein Held, wenn er solches entblößet, und nur einen Streich damit in die Luft tut, einer ganzen Armada, wenn sie gleich hinter einem Berg eine ganze Schweizer-Meil Wegs weit von ihm stünde, auf einmal die Köpf herunterhauen kann, also daß die armen Teufel ohne Köpf daliegen müssen, ehe sie einmal wissen wie ihnen geschehen! Wenn er dann nun seinem Lauf den Anfang macht, und vor eine Stadt oder Festung kommt, so wird er des Tamerlani Manier brauchen, und zum Zeichen, daß er Friedens halber, und zu Beförderung aller Wohlfahrt vorhanden sei, ein weißes Fähnlein aufstecken, kommen sie dann zu ihm heraus, und bequemen sich, wohl gut; wo nicht, so wird er von Leder ziehen, und durch Kraft mehrgedachten Schwerts allen Zauberern und Zauberinnen, so in der ganzen Stadt sind, die Köpf herunterhauen, und ein rotes Fähnlein aufstecken; wird sich aber dennoch niemand einstellen, so wird er alle Mörder, Wucherer, Dieb, Schelmen, Ehebrecher, Huren und Buben auf die vorige Manier umbringen, und ein schwarzes Fähnlein sehen lassen, wofern aber nicht so bald diejenigen, so noch in der
Ich fragte meinen Jovem, was denn die christlichen Könige bei der Sach tun würden? Er antwortet': »Der in Engeland, Schweden und Dänemark werden, weil sie teutschen Geblüts und Herkommens, der in Hispania, Frankreich und Portugal aber, weil die alten Teutschen selbige Länder hiebevor auch eingenommen und regiert haben, ihre Kronen, Königreich und inkorporierten Länder von der teutschen Nation aus freien Stücken zu Lehen empfangen, und alsdann wird, wie zu Augusti Zeiten, ein ewiger beständiger Fried zwischen allen Völkern in der ganzen Welt sein.«
Wie er die Religionen miteinander vereinigen, und in einen Model gießen wird
Springinsfeld, der uns auch zuhörete, hätte den Jupiter schier unwillig gemacht, und den Handel beinahe verdorben, weil er sagte: »Und alsdann wirds in Teutschland hergehen wie im Schlaraffenland, da es lauter Muskateller regnet, und die Kreuzerpastetlein über Nacht wie die Pfifferling wachsen! da werde ich mit beiden Backen fressen müssen wie ein Drescher, und Malvasier saufen, daß mir die Augen übergehen.« »Ja freilich«, antwortet' Jupiter, »vornehmlich wenn ich dir die Plag Erysichthonis anhängen würde, weil du, wie mich dünken will, meine Hoheit verspottest.« Zu mir aber sagte er: »Ich habe vermeint, ich sei bei lauter Silvanis, so sehe ich aber wohl, daß ich den neidigen Momum oder Zoilum angetroffen habe; Ja man sollte solchen Verrätern das was der Himmel beschlossen, offenbaren, und so edle Perlen vor die Säu werfen, ja freilich, auf den Buckel geschissen für ein Brusttuch!« Ich gedachte, dies ist mir wohl ein visierlicher und unflätiger Abgott, weil er neben so hohen Dingen auch mit so weicher Materi umgehet. Ich sah wohl, daß er nicht gern hatte, daß man lachte, verbiß es derowegen so gut als ich immer konnte, und sagte
Was die Legation der Flöh beim Jove verrichtet
Ich gedachte bei mir selbst, der Kerl dürfte vielleicht kein Narr sein wie er sich stellte, sondern mirs kochen, wie ichs zu Hanau gemacht, um desto besser von uns durchzukommen; gedacht ihn derowegen mit dem Zorn zu probieren, weil man einen Narrn am besten bei solchem erkennet, und sagte: »Die Ursach, daß ich aus dem Himmel kommen, ist, daß ich dich selbst darin mangelte, nahm derowegen des Daedali Flügel, und flog auf Erden dich zu suchen, wo ich aber nach dir fragte, fand ich, daß man dir aller Orten und Enden ein schlechtes Lob verlieh, denn Zoilus und Momus haben dich und alle anderen Götter in der ganzen weiten Welt für so verrucht, leichtfertig und stinkend ausgeschrien, daß ihr bei den Menschen allen Kredit verloren; du selbst, sagen sie, seist ein filzlausiger, ehebrecherischer Hurenhengst, mit was für Billigkeit du denn die Welt wegen solcher Laster strafen mögest? Vulcanus sei ein geduldiger Hahnrei, und habe den Ehebruch Martis ohne sonderbare namhafte Rach müssen hingehen lassen, was der hinkende Gauch denn für Waffen werde schmieden können? Venus sei selbsten die verhaßteste Vettel von der Welt, wegen ihrer Unkeuschheit, was sie denn für Gnad und Gunst einem andern werde mitteilen können? Mars sei ein Mörder und Räuber; Apollo ein unverschämter Hurenjäger; Mercurius ein unnützer Plauderer, Dieb und Kuppler, Priapus ein Unflat; Herkules ein hirnschelliger Wüterich,
Der Jäger erjaget abermals Ehre und Beuten
Wir durften nicht rechtschaffen lachen, beides weil wir uns still halten mußten, und weils der Phantast nicht gern hatte, wovon Springinsfeld hätte zerspringen mögen. Eben damals zeigte unsere Hohewacht an, die wir auf einem Baum hatten, daß er in der Ferne etwas kommen sehe; Ich stieg auch hinauf, und sah durch mein Perspektiv, daß es zwar die Fuhrleute sein müßten, denen wir aufpaßten, sie hatten aber niemand zu Fuß, sondern ohngefähr etlich und dreißig Reuter zum Convoi bei sich, dahero konnte ich mir die Rechnung leicht machen, daß sie nicht oben durch den Wald, darin wir lagen, gehen, sondern sich im freien Feld behelfen würden, da wir ihnen nichts hätten abgewinnen mögen,
Von unserer Lagerstatt ging ein Wasserrunze in einer Klammen hinunter (die bequem zu reiten war) gegen das Feld wärts, deren Ausgang besetzte ich mit zwanzig Mann, nahm auch selbst meinen Stand bei ihnen, und ließ den Springinsfeld schier an dem Ort, wo wir zuvor gelegen warn, sich in seinem Vorteil halten, befahl auch meiner Bursch, wenn der Convoi hinkomme, daß jeder seinen Mann gewiß nehmen sollte, sagte auch jedem, wer Feuer geben, und welcher seinen Schuß im Rohr zum Vorrat behalten sollte. Etliche alten Kerl sagten, was ich gedächte? und ob ich wohl vermeinte, daß der Convoi an diesen Ort kommen würde, da sie nichts zu tun hätten, und dahin wohl in hundert Jahren kein Bauer kommen sei? Andere aber, die da glaubten, ich könne zaubern (maßen ich damals deswegen in einem großen Ruf war), gedachten, ich würde den Feind in unsere Händ bannen. Aber ich brauchte hierzu keine Teufelskunst, sondern nur den Springinsfeld, denn als der Convoi, welcher ziemlich Truppen hielt, recta gegen uns über vorbeipassieren wollte, fing Springinsfeld aus meinem Befehl so schrecklich an zu brüllen wie ein Ochs, und zu wiehern wie ein Pferd, daß der ganze Wald einen Widerhall davon gab, und einer hoch geschworen hätte, es wären Roß und Rinder vorhanden: Sobald der Convoi das hörte, gedachten sie Beuten zu machen, und an diesem Ort etwas zu erschnappen, das doch in derselben ganzen Gegend nicht anzutreffen, weil das ganze Land ziemlich erödet war; sie ritten sämtlich so geschwind und unordentlich in unsern Halt, als wenn ein jeder der erste hätte sein wollen, die beste Schlappe zu holen, welche es denn so dichte setzt', daß gleich im ersten Willkomm, den wir ihnen gaben, dreizehn Sättel geleert, und sonst noch etliche aus ihnen gequetscht wurden; Hierauf lief Springinsfeld gegen sie die Klamme herunter, und
Wie nun alles vorüber war, und wir mit unsern Gefangenen davonpostierten, als ob uns jemand jagte, bedachte erst der gefangene Leutnant, was er für ein groben Fehler begangen, daß er nämlich ein so schönen Truppen Reuter dem Feind so ohnvorsichtig in die Hand geführt, und dreizehn so brave Kerl auf die Fleischbank geliefert hätte, fing derowegen an zu desperieren, und kündete mir das Quartier wieder auf, das ich ihm selbsten gegeben hatte, ja er wollte mich gleichsam zwingen, ich sollte ihn totschießen lassen, denn er gedachte nicht allein, daß dieses Übersehen ihm eine große Schand sein, und unverantwortlich fallen, sondern auch an seiner künftigen Beförderung verhinderlich sein würde, wofern es anders nicht gar dazu käme, daß er den Schaden mit seinem Kopf bezahlen müßte: Ich aber
Wie er den Teufel im Trog gefunden, Springinsfeld aber schöne Pferd erwischt
Meines Jupiters konnte ich nicht loswerden, denn der Kommandant begehrte ihn nicht, weil nichts an ihm zu rupfen war, sondern sagte, er wollte mir ihn schenken; also bekam ich einen eigenen Narrn, und durfte keinen kaufen, wiewohl ich das Jahr zuvor selbst für einen mich hatte gebrauchen lassen müssen. So wunderlich ist das Glück, und so veränderlich ist die Zeit! Kurz zuvor tribulierten mich die Läus, und jetzt habe ich den Flöhe-Gott in meiner Gewalt; vor einem halben Jahr dienete ich einem schlechten Dragoner für einen Jungen; nunmehro aber vermochte ich zween Knecht, die mich Herr hießen; es war noch kein Jahr vergangen, daß mir die Buben nachliefen, mich zur Hur zu machen, jetzt wars an dem, daß die Mägdlein selbst aus Liebe sich gegen mich vernarrten: Also wurde ich beizeiten gewahr, daß nichts Beständigers in der Welt ist, als die Unbeständigkeit selbsten. Dahero mußte ich sorgen, wenn das Glück einmal seine Mucken gegen mich auslasse, daß es mir meine jetzige Wohlfahrt gewaltig eintränken würde.
Damals zog der Graf von der Wahl, als Obrister Gubernator des Westfälischen Kreises, aus allen Garnisonen einige Völker zusammen, eine Cavalcada durchs Stift Münster
Ein ungleicher Kampf, in welchem der Schwächste obsieget, und der Überwinder gefangen wird
Meine Hoffart vermehrte sich mit meinem Glück, daraus endlich nichts anders als mein Fall erfolgen konnte; Ungefähr ein halbe Stund von Rehnen kampierten wir, als ich mit meinem besten Kameraden Erlaubnis begehrte, in dasselbe Städtlein zu gehen, etwas an unserm Gewehr flicken zu lassen, so wir auch erhielten. Weil aber unser Meinung war, uns einmal rechtschaffen miteinander lustig zu machen, kehrten wir im besten Wirtshaus ein, und ließen Spielleut kommen, die uns Wein und Bier hinuntergeigen mußten: Da gings in floribus her und blieb nichts unterwegen, was nur dem Geld wehe tun möchte, ja ich hielt Bursch von andern Regimentern zu Gast, und stellte mich nicht anders, als wie ein junger Prinz, der Land und Leut vermag, und
Eh wir nun aufeinandergingen, bedingten beiderseits Kameraden miteinander, daß wir uns im freien Feld angreifen, und zu solchem End der eine von Ost, der ander aber von West in ein umzäuntes Feld eintreten sollten, und alsdann möge ein jeder sein Bestes gegen den andern tun, wie ein Soldat tun soll, welcher dergestalt seinen Feind vor Augen kriegt; Es sollte sich auch weder vor, in, noch nach dem Kampf keiner von beiden Parteien unterstehen, seinem Kameraden zu helfen, noch dessen Tod oder Beschädigung zu rächen. Als sie solches einander mit Mund und Hand versprochen hatten, gaben ich und mein Gegner einander auch die Händ, und verzieh je einer dem andern seinen Tod: In welcher aller-unsinnigsten Torheit, welche je ein vernünftiger Mensch begehen kann, ein jeder hoffte, seiner Gattung Soldaten das Prae zu erhalten, gleichsam als ob des einen oder andern Teils Ehr und Reputation an dem Ausgang unseres teuflischen Beginnens gelegen gewesen wäre. Da ich nun an meinem bestimmten Ende mit doppeltbrennendem Lunten in angeregtes Feld trat, und meinen Gegenteil vor Augen sah, stellte ich mich, als ob ich das alte Zündkraut im Gang abschüttete, ich tats aber nicht, sondern rührte Zündpulver nur auf den Deckel meiner Zündpfannen, blies ab, und paßte mit zween Fingern auf der Pfann auf, wie bräuchlich ist, und ehe ich meinem Gegenteil, der mich auch wohl im Gesicht hielt, das Weiße in Augen sehen konnte, schlug ich auf ihn an, und brannte mein falsch Zündkraut auf dem Deckel der Pfannen vergeblich hinweg; mein Gegner vermeinte, die Musket hätte mir versagt, und das Zündloch wäre mir verstopft, sprengte derowegen mit einer Pistol in der Hand gar zu begierig recta auf mich dar, in Meinung, mir meinen Frevel zu bezahlen; aber ehe er sichs versah, hatte ich die
Ich retirierte mich hierauf zu meinen Kameraden, die mich gleichsam küssend empfingen, die seinigen aber entledigten ihn aus seinem Stegreif, und taten gegen ihn und uns, wie redliche Kerl, maßen sie mir auch meinen Handschuh mit großem Lob wiederschickten. Aber da ich meine Ehr am größten zu sein schätzte, kamen fünfundzwanzig Musketier aus Rehnen, welche mich und meine Kameraden gefangen nahmen: Ich zwar wurde alsbald in Ketten und Band geschlossen, und der Generalität überschickt, weil alle Duell bei Leib- und Lebensstraf verboten waren.
Der General-Feldzeugmeister schenket dem Jäger das Leben, und macht ihm sonst gute Hoffnung
Demnach unser General-Feldzeugmeister strenge Kriegsdisziplin zu halten pflegte, besorgte ich die Verlierung meines Kopfs; hingegen hatte ich noch Hoffnung davonzukommen, weil ich bereits in so blühender Jugend jederzeit mich gegen den Feind wohl gehalten, und einen großen Ruf und Namen der Tapferkeit erworben. Doch war solche Hoffnung ungewiß, weil dergleichen täglicher Händel halber die Notdurft erfordert', ein Exempel zu statuieren. Die Unserigen hatten eben damals ein festes Rattennest berannt und auffordern lassen, aber ein abschlägige Antwort bekommen, weil der Feind wußte, daß wir kein grob Geschütz führten. Derowegen rückte unser Graf von der Wahl mit dem ganzen Corpo vor besagten Ort, begehrte durch einen Trompeter abermal die Übergab, und drohete zu stürmen, es erfolgte aber nicht anders, als dieses nachgesetzte Schreiben:
Hoch-Wohlgeborner Graf, etc. Aus E. Gräfl. Excell. an mich Abgelassenem habe vernommen, was Dieselbe im
Hierauf wurde in unserm Lager unterschiedlich von dem Ort diskuriert, denn solches liegen zu lassen, war gar nicht ratsam, zu stürmen ohn eine Presse hätte viel Blut gekostet, und wäre doch noch mißlich gestanden, ob mans übermeistert hätte oder nicht? hätte man aber erst die Stück und alle Zugehör von Münster oder Hamm her holen sollen, so wäre gar viel Mühe, Zeit und Unkosten darauf gelaufen. Indem man nun bei Großen und Kleinen ratschlagte, fiel mir ein, ich sollte mir diese Occasion zunutz machen, um mich zu erledigen; also gebot ich meinem Witz zusammen, und bedachte mich, wie man den Feind betrügen möchte, weils nur an den Stücken mangelte. Und weil mir gleich zufiel, wie die Sach zu tun sein möchte, ließ ich meinen Obrist-Leutnant wissen, daß ich Anschläg hätte, durch welche der Ort ohne Mühe und Unkosten zu bekommen wäre, wenn ich nur Pardon erlangen, und wieder auf freien Fuß gestellt werden könnte. Etliche alte und versuchte Soldaten lachten darüber, und sagten: »Wer hangt, der langt; der gut Gesell gedenkt sich loszuschwätzen!« Aber der Obrist-Leutnant selbst und andere die mich kannten, nahmen meine Reden an wie einen Glaubensartikel: Weswegen er selbsten zum General-Feldzeugmeister ging, und demselben mein Vorgeben anbrachte, mit Erzählung vieles Dings, das er von
Als mich nun der General-Feldzeugmeister fragte, was mein Anbringen wäre? antwortet ich: »Gnädiger Herr, etc. Obzwar mein Verbrechen und E. Excell. rechtmäßig Gebot und Verbot mir beide das Leben absprechen, so heißet mich jedoch meine alleruntertänigste Treu (die ich Dero Röm. Kais. Maj. meinem Allergnädigsten Herrn bis in Tod zu leisten schuldig bin) ein Weg als den andern meines wenigen
Also wurden drei solcher Blöcke zuwege gebracht, und vor jedes vierundzwanzig Pferd gespannt, wiewohl nur zwei genug gewesen wären; diese führten wir gegen Abend dem Feind ins Gesicht, indessen aber hatte ich auch drei Doppelhaken und ein Stück-Faß, so wir von einem Schloß bekamen, unterhanden, und richtete ein und anders zu, wie ichs haben wollte, das wurde bei Nacht zu unserer visierlichen Artollerei verschafft: den Doppelhaken gab ich doppelte Ladung, und ließ sie durch berührtes Faß (dem der vordere Boden genommen war) losgehen, gleich ob es drei Losung-Schüsse hätten sein sollen, das donnerte dermaßen, daß jedermann Stein und Bein verschworen hätte, es wären Quartier-Schlangen oder halbe Kartaunen gewesen; unser General-Feldzeugmeister mußte der Gaukelfuhr lachen, und ließ dem Feind abermal einen Akkord anbieten, mit dem Anhang, wenn sie sich nicht noch diesen Abend bequemen würden, daß es ihnen morgen nicht mehr so gut werden sollte: Darauf wurden alsbald beiderseits Geiseln geschickt, der Akkord geschlossen, und uns noch dieselbige Nacht ein Tor der Stadt eingegeben. Welches mir trefflich zugut kam, denn der Graf schenkte mir nicht allein das Leben, das ich Kraft seines Verbots verwirkt hatte, sondern ließ mich noch selbige Nacht auf freien Fuß stellen, und befahl dem Obrist-Leutnant in meiner Gegenwart, daß er mir das erste Fähnlein, so ledig würde, geben sollte: Welches ihm aber ungelegen war, denn er hatte der Vettern und Schwäger so viel, die aufpaßten, daß ich vor denselben nicht zugelassen werden konnte.
Hält allerhand Sachen in sich, von geringer Wichtigkeit und großer Einbildung
Es begegnete mir auf demselbigen Marsch nichts Merkwürdiges mehr; da ich aber wieder nach Soest kam, hatten mir die lippstädtischen Hessen meinen Knecht, den ich bei meiner Bagage im Quartier gelassen, samt einem Pferd auf der Weid hinweggefangen, von demselben erkundigte der Gegenteil mein Tun und Lassen, dahero hielten sie mehr von mir als zuvor, weil sie hiebevor durch das gemeine Geschrei beredt worden, zu glauben, daß ich zaubern könnte. Er erzählte ihnen auch, daß er einer von den Teufeln gewesen sei, die den Jäger von Werl auf der Schäferei so erschreckt hätten; da solches erstbesagter Jäger erfuhr, schämte er sich so sehr, daß er abermal das Reißaus spielete, und von Lippstadt zu den Holländern lief: Aber es war mein größtes Glück, daß mir dieser Knecht gefangen worden, maßen aus der Folge meiner Histori zu vernehmen sein wird.
Ich fing an mich etwas reputierlicher zu halten als zuvor, weil ich so stattliche Hoffnung hatte, in Bälde ein Fähnlein zu haben; Ich gesellete mich allgemach zu den Offiziern und jungen Edelleuten, die eben auf dasjenige spanneten, was ich in Bälde zu kriegen mir einbildete; Diese waren deswegen meine ärgsten Feinde, und stellten sich doch gegen mich als meine besten Freunde, so war mir der Obrist-Leutnant auch nicht so gar grün, weil er Befehl hatte, mich vor seinen Verwandten zu befördern; mein Hauptmann war mir darum abhold, weil ich mich an Pferden, Kleidern und Gewehr viel braver hielt, als er, und dem alten Geizhals nicht mehr wie hiebevor spendierte, er hätte lieber gesehen, daß mir neulich der Kopf hinweggeschlagen, als ein Fähnlein versprochen worden wäre, denn er gedachte meine schönen Pferd zu erben; so haßte mich mein Leutnant eines einzigen Worts halber, das ich neulich unbedachtsam laufen lassen, das fügte sich also: Wir waren miteinander in letzter Cavalcada kommandiert,
Wiewohl ich damals noch nichts nach dem Weibervolk fragte, so ging ich doch gleichwohl mit denen von Adel, wenn sie irgends Jungfrauen besuchten, deren es denn viel in der Stadt gab, mich sehen zu lassen, und mit meinen schönen Haaren, Kleidern und Federbüschen zu prangen. Ich muß bekennen, daß ich meiner Gestalt halber allen andern vorgezogen wurde, mußte aber daneben hören, daß mich die verwöhnten Schleppsäck einem schönen und wohlgeschnitzten hölzernen Bild verglichen, an welchem außer der Schönheit sonst weder Kraft noch Saft wäre, denn es war sonst nichts an mir das ihnen gefiel; so konnte ich auch ohne das Lautenschlagen sonst noch nichts machen oder
Das Glück tut dem Jäger unversehens eine adelige Verehrung
Ich hatte zwei schöne Pferd, die waren alle meine Freud, die ich selbiger Zeit in der Welt genoß; alle Tag ritt ich mit denselben auf die Reitschul, oder sonst spazieren, wenn ich sonst nichts zu tun hatte; nicht zwar, als hätten die Pferd noch etwas bedurft zu lernen, sondern ich tats darum, damit die Leut sehen sollten, daß die schönen Kreaturen mir zugehörten. Wenn ich dann so durch eine Gasse daherprangte, oder vielmehr das Pferd mit mir dahintanzte, und das alberne Volk zusah, und zueinander sagte: »Sehet, das ist der Jäger! Ach welch ein schön Pferd! Ach wie ein schöner Federbusch!« oder: »Min God, wat vor en prave Kerl is mi dat!« so spitzte ich die Ohren gewaltig, und ließ
Meine Gewohnheit war, wenn ich so herumterminierte, daß ich alle Weg und Steg, alle Gräben, Moräst, Büsch, Bühel und Wasser beritten, dieselbigen mir bekannt machte, und ins Gedächtnis faßte, damit wenns etwa an ein oder anderm Ort künftig eine Occasion setzte, mit dem Feind zu scharmützeln, ich mir des Orts Gelegenheit beides offensive und defensive zunutz machen könnte. Zu solchem End ritt ich einsmals ohnweit der Stadt bei einem alten Gemäur vorüber, darauf vor Zeiten ein Haus gestanden; Im ersten Anblick gedachte ich, dies wäre ein gelegener Ort darin aufzupassen, oder sich dahin zu retiriern, sonderlich für uns Dragoner, wenn wir von Reutern übermannt und gejagt werden sollten. Ich ritt in den Hof, dessen Gemäur
Zehen-, ja hundertmal lieber hätte ich Kugeln gewechselt, als mich in solcher Angst befunden. Ich wurde gequält, und wußte doch nicht von wem, denn ich sah oder hörte nichts; ich nahm das ander Pistol auch von meinem Pferd, und wollte damit durchgehen, und das Pferd stehen lassen, vermochte aber die Stegen nicht hinaufzukommen, weil mich, wie mich deuchte, ein starke Luft aufhielt; Da lief mir erst die Katz den Buckel hinauf! Zuletzt fiel mir ein, ich sollte meine Pistoln lösen, damit die Bauren, so in der Nähe im Feld arbeiteten, mir zuliefen, und mit Rat und Tat zu Hilf kämen; das tat ich, weil ich sonst kein Mittel, Rat noch Hoffnung hatte oder wußte aus diesem ungeheuren Wunderort zu kommen, ich war auch so erzürnt, oder vielmehr so desperat (denn ich weiß selber nicht mehr wie mir gewesen ist), daß ich im Losschießen meine Pistol gerad an den Ort kehret, allwo ich vermeinte, daß die Ursach meiner seltsamen Begegnis steckte, und traf obangeregtes Stück Gemäur mit zweien Kugeln so hart, daß es ein Loch gab, darein man zwo Fäust hätte stecken mögen. Als der Schuß geschehen, wieherte mein Pferd, und spitzt' die Ohren, welches mich herzlich erquickte, nicht weiß ich, ist damals das Ungeheur oder Gespenst verschwunden, oder hat sich das arme Tier über das Schießen erfreut? Einmal, ich faßte wieder ein frisch Herz, und ging ganz unverhindert und ohn alle Furcht zu dem Loch, das ich erst durch den Schuß geöffnet hatte, da fing ich an die Maur vollends einzubrechen, und fand von Silber, Gold und Edelgesteinen einen solchen reichen Schatz, der mir noch bis auf diese Stund wohl bekäme, wenn ich ihn nur recht zu verwahren und anzulegen gewußt hätte: Es waren aber sechs Dutzend altfränkische silberne Tischbecher, ein groß gülden Pokal, etliche Duplet,
Simplicii seltsame Grillen und Luftgebäu, auch wie er seinen Schatz verwahrt
Diejenigen, die wissen was das Geld gilt, und dahero solches für ihren Gott halten, haben dessen nicht geringe Ursach; denn ist jemand in der Welt, der dessen Kräfte und beinahe göttlichen Tugenden erfahren hat, so bin ichs: Ich weiß, wie einem zumut ist, der dessen einen ziemlichen Vorrat hat, so hab ich auch nicht nur einmal erfahren, wie derjenige gesinnet sei, der keinen einzigen Heller vermag. Ja ich dürfte mich vermessen zu erweisen, daß es alle Tugend und Schwarz und Weiß‹ etwas davon geschrieben, wenn mans nur recht zu brauchen und anzulegen weiß.
Was das meinige anbelangt, das ich damals beides mit Rauben und Findung dieses Schatzes zuwege gebracht, so hatte dasselbe ein seltsame Natur an sich, denn erstlich machte es mich hoffärtiger, als ich zuvor war, so gar, daß mich auch im Herzen darin verdroß, daß ich nur Simplicius heißen sollte; es hindert' mir den Schlaf, wie der Amethyst, denn ich lag manche Nacht, und spekulierte, wie ich solches anlegen, und noch mehr dazu bekommen möchte. Es machte mich zu einem perfekten Rechenmeister, denn ich überschlug, was mein ungemünztes Silber und Gold wert sein möchte, summierte solches zu demjenigen, das ich hin und wieder verborgen, und noch bei mir im Säckel hatte, und befand ohne die Edelgestein ein namhaftes Fazit! Es gab mir auch seine eigene angeborne Schalkheit und böse Natur zu versuchen, indem es mir das Sprichwort (wo viel ist, begehrt man immer mehr) rechtschaffen auslegte, und mich so geizig machte, daß mir jedermann hätte feind werden mögen. Ich bekam von ihm wohl närrische Anschläg,
Doch erwog ich diese und meines Jupiters Reden sehr fleißig, und bedachte, daß ich keinen einzigen angebornen Freund hätte, der sich meiner in Nöten annehmen, oder meinen Tod, er geschehe heimlich oder öffentlich, rächen würde; Auch konnte ich mir leicht einbilden, wie die Sach an sich selbsten war, dennoch aber ließ weder mein Ehrnoch Geldgeiz zu, viel weniger die Hoffnung groß zu werden, den Krieg zu quittieren, und mir Ruhe zu schaffen, sondern ich verblieb bei meinem ersten Vorsatz, und indem sich eben eine Gelegenheit auf Köln präsentierte (indem ich neben hundert Dragonern etliche Kaufleut und Güterwagen von Münster dorthin konvoyiern helfen mußte), packte ich meinen gefundenen Schatz zusammen, nahm ihn mit, und gab ihn einem von den vornehmsten Kaufleuten daselbst, gegen Aushändigung einer spezifizierten Handschrift aufzuheben, das waren vierundsiebenzig Mark ungemünzt fein Silber, fünfzehen Mark Gold, achtzig Joachimstaler, und in einem verpetschierten Kästlein unterschiedliche Ringe und Kleinodien, so mit Gold und Edelgesteinen achthalb Pfund in allem gewogen, samt 893 antiquische gemünzte Goldstück, deren jedes anderthalbe Goldgulden schwer war. Meinen Jupiter bracht ich auch dahin, weil ers begehrte, und in Köln ansehnliche Verwandte hatte, gegen dieselben rühmte er die Guttaten, die er von mir empfangen, und machte, daß sie mir viel Ehr erwiesen. Mir aber riet er noch allezeit, ich sollte mein Geld besser anlegen, und mir Freunde dafür kaufen, die mich mehr als das Gold in der Kisten nutzen würden.
Wie der Jäger vom Gegenteil gefangen wird
Auf dem Zurückweg machte ich mir allerhand Gedanken, wie ich mich inskünftig halten wollte, damit ich doch jedermanns Gunst erlangen möchte, denn Springinsfeld hatte mir einen unruhigen Floh ins Ohr gesetzt, und mich zu glauben persuadiert, als ob mich jedermann neidete, wie es denn in der Wahrheit auch nicht anders war. So erinnerte ich mich auch dessen, was mir die berühmte Wahrsagerin zu Soest ehemals gesagt, und belud mich deshalber mit noch größern Sorgen. Mit diesen Gedanken schärfte ich meinen Verstand trefflich und nahm gewahr, daß ein Mensch, der ohne Sorgen dahin lebt, fast wie ein Vieh sei. Ich sann aus, welcher Ursach halber mich ein oder ander hassen möchte, und erwog, wie ich einem jeden begegnen müßte, damit ich dessen Gunst wieder erlangte, verwundert mich daneben zum höchsten, daß die Kerl so falsch sein und mir lauter gute Wort geben sollten, da sie mich nicht liebten! Derowegen gedachte ich mich anzustellen, wie die anderen, und zu reden was jedem gefiel, auch jedem mit Ehrerbietung zu begegnen, ob mirs schon nicht ums Herz wäre; vornehmlich aber merkte ich klar, daß meine eigene Hoffart mich mit den meisten Feinden beladen hatte, deswegen hielt ich für nötig, mich wieder demütig zu stellen, ob ichs schon nicht sei, mit den gemeinen Kerlen wieder unten und oben zu liegen, vor den Höhern aber den Hut in Händen zu tragen, und mich der Kleiderpracht in etwas abzutun, bis sich etwa mein Stand änderte. Ich hatte mir von dem Kaufherrn in Köln hundert Taler geben lassen, solche samt Interesse wieder zu erlegen, wenn er mir meinen Schatz aushändigte, dieselben gedachte ich unterwegs dem Convoi halb zu verspendiern, weil ich nunmehr erkannte, daß der Geiz keine Freunde macht. Solchergestalt war ich resolviert, mich zu ändern, und noch auf diesem Weg den Anfang zu machen: Ich machte aber die Zech ohn den Wirt. Denn da wir durch das Bergische Land passiern wollten,
Dieser Kornett war ein tapferer junger Kavalier, und nicht über zwei Jahr älter als ich, er erfreute sich trefflich, daß er die Ehr hatte, den berühmten Jäger gefangen zu haben, deswegen hielt er auch das versprochen Quartier sehr ehrlich und auf holländisch, deren Gebrauch ist, ihren gefangenen
Nachdem die Beuten und Gefangenen geteilet worden, gingen die Schweden und Hessen (denn sie waren aus unterschiedlichen Garnisonen) noch selbigen Abend voneinander, mich und den Korporal, samt noch dreien Dragonern, behielt der Kornett, weil er uns gefangen bekommen, dahero wurden wir in eine Festung geführt, die nicht gar zwei Meilen von unserer Garnison lag. Und weil ich hiebevor demselben Ort viel Dampfs angetan, war mein Nam daselbst wohl bekannt, ich selber aber mehr gefürcht als geliebt. Da wir die Stadt vor Augen hatten, schickte der Kornett einen Reuter voran, seine Ankunft dem Kommandanten zu verkünden, auch anzuzeigen, wie es abgelaufen, und wer die Gefangenen seien; davon es ein Geläuf in der Stadt gab, daß nit auszusagen, weil jeder den Jäger gern sehen wollte; Da sagte einer dies, der ander jenes von mir, und war nicht anders anzusehen, als ob ein großer Potentat seinen Einzug gehalten hätte.
Wir Gefangenen wurden strack zum Kommandanten geführt, welcher sich sehr über meine Jugend verwundert'; Er fragte mich, ob ich nie auf schwedischer Seiten gedient hätte, und was ich für ein Landsmann wäre? Als ich ihm nun die Wahrheit sagte, wollte er wissen, ob ich nicht Lust
Den andern Tag wurden wir Gefangenen, und zwar einer nach dem andern vor den Regiments-Schulzen geführt, welcher uns examinierte; der Korporal war der erste, und ich der ander. Sobald ich in den Saal trat, verwundert' er sich auch über meine Jugend, und sagte, mir solche vorzurücken: »Mein Kind, was hat dir der Schwed getan, daß du wider ihn kriegest?« Das verdroß mich, vornehmlich da ich ebenso junge Soldaten bei ihnen gesehen, als ich war, antwortet derhalben: »Die schwedischen Krieger haben mir meine Schnellkugeln oder Klicker genommen, die wollte ich gern wieder holen.« Da ich ihn nun dergestalt bezahlte, schämten sich seine beisitzenden Offizier, maßen einer anfing auf Latein zu sagen: Er sollte von ernstlichen Sachen mit mir reden, er hörte wohl, daß er kein Kind vor sich hätte. Da merkte ich, daß er Eusebius hieße, weil ihn derselbige Offizier so nannte; darauf fragte er mich um meinen Namen, und nachdem ich ihm denselben genannt, sagte er: »Es ist kein Teufel in der Höll, der Simplicissimus
Mit welchen Conditionibus der Jäger wieder los worden
Indessen erfuhr man zu Soest, wie es mit dem Convoi abgelaufen, und daß ich mit dem Korporal und andern mehr gefangen, auch wo wir hingeführet worden, derhalben kam gleich den andern Tag ein Trommelschläger, uns abzuholen, dem wurde der Korporal und die drei anderen gefolgt, und ein Schreiben mitgegeben folgenden Inhalts, das mir der Kommandant zu lesen überschickte:
Monsieur, etc. Durch Wiederbringern diesen Tambour ist mir dessen Schreiben eingehändigt worden, schicke darauf hiermit gegen empfangene Ranzion den Korporal
Dieses Schreiben gefiel mir nicht halb, und mußte mich doch für die Kommunikation bedanken. Ich begehrte mit dem Kommandanten zu reden, bekam aber die Antwort, daß er schon selbst nach mir schicken würde, wenn er zuvor den Trommelschläger abgefertigt hätte, so morgen früh geschehen sollte, bis dahin ich mich zu gedulden.
Da ich nun die bestimmte Zeit überwartet hatte, schickte der Kommandant nach mir, als es eben Essenszeit war; da widerfuhr mir das erstemal die Ehr, zu ihm an seine Tafel zu sitzen; solang man aß, ließ er mir mit dem Trunk zusprechen, und gedachte weder Klein noch Großes von demjenigen, was er mit mir vorhatte, und mir wollte es auch nicht anstehen, etwas davon anzufangen. Demnach man aber abgesessen, und ich einen ziemlichen Dummel hatte, sagte er: »Lieber Jäger, Ihr habt aus meinem Schreiben verstanden, unter was für einem Prätext ich Euch hier behalte; und zwar, so hab ich gar kein unrechtmäßige Sach, oder etwas vor, das wider Räson oder Kriegsgebrauch wäre, denn Ihr habt mir und dem Regiments-Schultheiß selbst gestanden, daß Ihr hiebevor auf unserer Seiten bei der Haupt-Armee gedienet, werdet Euch derhalben resolvieren müssen, unter meinem Regiment Dienst anzunehmen, so will ich Euch mit der Zeit, und wenn Ihr Euch wohl verhaltet, dergestalt akkommodieren, dergleichen Ihr bei den Kaiserlichen nimmer hättet hoffen dürfen: Widrigenfalls werdet Ihr mich nicht verdenken, wenn ich Euch wiederum demjenigen Obrist-Leutnant überschicke, welchem Euch die Dragoner hiebevor abgefangen haben.« Ich antwortet: »Hochgeehrter
Jedermann kann unschwer erachten, daß ich dieselbe Nacht nicht viel geschlafen, sondern allerhand Gedanken gehabt habe; den Morgen aber kamen etlich Offizier mit dem Kornett, so mich gefangen bekommen, zu mir, unterm Schein, mir die Zeit zu kürzen, in Wahrheit aber mir weis zu machen, als ob der Obriste gesinnt wäre, mir als einem Zauberer den Prozeß machen zu lassen, da ich mich nicht anders bequemen würde. Wollten mich also erschrecken, und sehen was hinter mir steckte; weil ich mich aber meines guten Gewissens tröstete, nahm ich alles gar kaltsinnig an, und redete nicht viel, merkte dabei, daß es dem Obristen um nichts anders zu tun war, als daß er mich ungern in
Hierauf behielt er mich wieder bei dem Mittagimbiß, und tat mir mehr Ehr an, als ich von den Kaiserlichen mein Lebtag hätte hoffen dürfen; dadurch gewann er mich dergestalt nach und nach, daß ich nit wieder nach Soest gangen wäre, wenn er mich schon dahin lassen, und meines Versprechens ledig zählen wollen.
Wie Simplicius ein Freiherr wird
Wann ein Ding sein soll, so schickt sich alles dazu, ich vermeinte, das Glück hätte mich zur Ehe genommen, oder wenigst sich so eng zu mir verbunden, daß mir die allerwiderwärtigsten Begegnisse zum Besten gedeihen müßten, da ich über des Kommandanten Tafel saß, und vernahm, daß mein Knecht mit meinen zwei schönen Pferden von Soest zu mir kommen wäre; Ich wußte aber nicht (wie ichs hernach im Auskehren befand) daß das tückische Glück der Sirenen Art an sich hat, die denjenigen am übelsten wollen, denen sie sich am geneigtesten erzeigen, und einen der Ursach halber desto höher hebt, damit es ihn hernach desto tiefer stürze.
Dieser Knecht (den ich hiebevor von den Schweden gefangen bekommen hatte) war mir über alle Maßen getreu, weil ich ihm viel Guts tat, dahero sattelt' er alle Tag meine Pferd, und ritt dem Trommelschläger, der mich abholen sollte, ein gut Stück Wegs von Soest aus entgegen, solang er aus war, damit ich nicht allein nicht so weit gehen, sondern auch nit nackend oder zerlumpt (denn er vermeinte, ich wäre ausgezogen worden) nach Soest kommen dürfte. Also begegnet' er dem Trommelschläger und seinen Gefangenen, und hatte mein bestes Kleid aufgepackt. Da er mich aber nicht sah, sondern vernahm, daß ich bei dem Gegenteil Dienst anzunehmen aufgehalten werde, gab er den Pferden die Sporn, und sagte: »Adieu Tambour und Ihr Korporal, wo mein Herr ist, da will ich auch sein.« Ging also durch, und kam zu mir, eben als mich der Kommandant ledig gesprochen hatte, und mir große Ehr antat. Er verschaffte darauf meine Pferd in ein Wirtshaus, bis ich mir selbsten ein Logiment nach meinem Willen bestellen möchte, und pries mich glückselig wegen meines Knechts Treu, verwundert' sich auch, daß ich als ein gemeiner Dragoner, und noch so junger Kerl, so schöne Pferd vermögen, und so wohl montiert sein sollte, lobte auch das eine Pferd, als ich
Dieselbige Nacht bedachte ich, wie ich künftig mein Leben anstellen wollte: Entschloß mich derohalben, die sechs Monat über zu verbleiben wo ich wäre, und also den Winter, der nunmehr vor der Tür war, in Ruhe dahinzubringen, wozu ich denn Gelds genug wußte hinauszulangen, wenn ich meinen Schatz zu Köln schon nicht angriffe: In solcher Zeit, gedachte ich, wächst du vollends aus, und erlangst deine völlige Stärke, und kannst dich danach auf den künftigen Frühling wieder desto tapferer unter die kaiserliche Armee ins Feld begeben.
Des Morgens frühe anatomiert ich meinen Sattel, welcher weit besser gespickt war, als derjenige, den der Kornett von mir bekommen, nachgehends ließ ich mein bestes Pferd vor des Obristen Quartier bringen, und sagte zu ihm: Demnach ich mich resolviert, die sechs Monat, in welchen ich nicht kriegen dürfte, unter des Herrn Obristen Schutz allhier ruhig zuzubringen, also seien mir meine Pferd nichts nutz, um welche es schad wäre, wenn sie verderben sollten, bitte ihn derowegen, er wollte belieben, gegenwärtigem Soldatenklepper einen Platz unter den seinigen zu gönnen, und solches von mir als ein Zeichen dankbarer Erkenntnis für empfangene Gnaden unschwer annehmen: Der Obriste bedankte sich mit großer Höflichkeit und sehr courtoisen Offerten, schickte mir auch denselben Nachmittag seinen Hofmeister mit einem gemästen lebendigen Ochsen, zwei fetten Schweinen, einer Tonne Wein, vier Tonnen Bier, zwölf Fuder Brennholz, welches alles er mir für mein neu Losament, das ich eben auf ein halb Jahr bestellt hatte,
Da ich sah, daß ich meiner Freigebigkeit halber bei dem Obristen so hoch geehrt wurde, gedachte ich mir auch bei dem gemeinen Mann ein gutes Lob zu machen, damit man mich für keinen kahlen Bärnhäuter hielte; ließ derowegen in Gegenwart meines Hauswirts meinen Knecht vor mich kommen, zu demselben sagte ich: »Lieber Niklas, du hast mir mehr Treu erwiesen, als ein Herr seinem Knecht zumuten darf, nun aber da ichs um dich nicht zu verschulden weiß, weil ich dieser Zeit keinen Herrn, und also auch keinen Krieg habe, daß ich etwas erobern könnte, dich zu belohnen, wie mirs wohl anstünde; zumal auch wegen meines stillen Lebens, das ich hinfort zu führen gedenke, keinen Knecht mehr zu halten bedacht, also gebe ich dir hiemit für deinen Lohn das ander Pferd, samt Sattel, Zeug und Pistolen, mit Bitt, du wollest damit vorliebnehmen, und dir für diesmal einen andern Herrn suchen, kann ich dir inskünftig in etwas bedient sein, so magst du jederzeit mich drum ersuchen.« Hierauf küßte er mir die Hand, und konnte vor Weinen schier nicht reden, wollte auch durchaus das Pferd nicht nehmen, sondern hielt für besser, ich sollte es versilbern, und zu meinem Unterhalt gebrauchen, zuletzt überredt ich ihn doch, daß ers annahm, nachdem ich ihm versprochen, ihn wieder in Dienst zu nehmen, sobald ich jemand brauchte. Über diesem Abschied wurde mein Hausvater so mitleidig, daß ihm auch die Augen übergingen, und gleichwie mich mein Knecht bei der Soldateska, also erhob mich mein Hausvater bei der Bürgerschaft wegen dieser Tat mit großem Lob über alle schwangeren Baurn; der Kommandant hielt mich für einen so resoluten Kerl,
Womit der Jäger die sechs Monat hinzubringen gedenkt, auch etwas von der Wahrsagerin
Ich glaube, es sei kein Mensch in der Welt, der nicht einen Hasen im Busen habe, denn wir sind ja alle einerlei Gemächts, und kann ich bei meinen Birn wohl merken, wenn andere zeitig sind. »Hui Geck«, möchte mir einer antworten, »wann du ein Narr bist, meinst du darum, andere seiens auch?« Nein, das sag ich nicht, denn es wäre zuviel geredt; Aber dies halte ich dafür, daß einer den Narrn besser verbirgt als der ander: Es ist einer drum kein Narr, wenn er schon närrische Einfäll hat, denn wir haben in der Jugend gemeiniglich alle dergleichen, welcher aber solche herausläßt, wird für einen gehalten, weil teils ihn gar nicht, andere aber nur halb sehen lassen: Welche ihren gar unterdrücken, sind rechte Saurtöpf; die aber den ihrigen nach Gelegenheit der Zeit bisweilen ein wenig mit den Ohren hervorgucken, und Atem schöpfen lassen, damit er nicht gar bei ihnen ersticke, dieselbigen halte ich für die besten und verständigsten Leut. Ich ließ den meinen nur zu weit heraus, da ich mich in einem so freien Stand sah, und noch Geld wußte, maßen ich einen Jungen annahm, den ich als einen Edelpagen kleidete, und zwar in die närrischsten Farben, nämlich veielbraun und gelb ausgemacht, so meine Liverei sein mußte, weil mirs so gefiel; derselbe mußte mir aufwarten, als wenn ich ein Freiherr, und kurz zuvor kein Dragoner, oder vor einem halben Jahr ein armer Roßbub gewesen wäre.
Dies war die erste Torheit, so ich in dieser Stadt beging,
Mein Hausvater war des Kommandanten Spürhund und mein Hüter, maßen ich merkte, daß er all mein Tun und Lassen demselben hinterbracht', ich konnte mich aber artlich darein schicken, denn ich gedachte des Kriegswesens
Auf demselbigen Weg kam die Wahrsagerin von Soest zu mir, die sagte: »Schau mein Sohn, hab ich dir hiebevor nicht wohl geraten, daß du dein Geld außerhalb der Stadt Soest verbergen solltest? Ich versichere dich, daß es dein größtes Glück gewesen, daß du gefangen worden, denn wärest du heimkommen, so hätten dich einige Kerl, welche dir den Tod geschworen, weil du ihnen beim Frauenzimmer bist vorgezogen worden, auf der Jagd erwürgt.« Ich antwortet: »Wie kann jemand mit mir eifern, da ich doch dem
Wie der Jäger anfängt zu buhlen, und ein Handwerk daraus macht
Mein Vorsatz, die Büchsenmeisterei- und Fechtkunst in diesen sechs Monaten vollkommen zu lernen, war gut, und ich begriffs auch: Aber es war nit genug, mich vorm Müßiggang, der ein Ursprung vieles Übels ist, allerdings zu behüten, vornehmlich weil niemand war, der mir zu gebieten hatte. Ich saß zwar emsig über allerhand Büchern, aus denen ich viel Guts lernete, es kamen mir aber auch teils unter die Hand, die mir wie dem Hund das Gras gesegnet wurden. Die unvergleichliche ›Arcadia‹, aus der ich die Wohlredenheit lernen wollte, war das erste Stück, das mich von den rechten Historien zu den Liebesbüchern, und von den wahrhaften Geschichten zu den Heldengedichten zog: Solcherlei Gattungen brachte ich zuwege wo ich konnte, und wenn mir eins zuteil wurde, hörte ich nit auf, bis ichs durchgelesen, und sollte ich Tag und Nacht darüber gesessen sein; diese lerneten mich für das Wohlreden mit der Leimstange laufen. Doch wurde dieser Mangel damals bei mir nicht so heftig und stark, daß man ihn mit Seneca ein göttliches Rasen, oder wie er in Thomae Thomai Welt-Gärtlein beschrieben wird, eine beschwerliche Krankheit hätte nennen können; denn wo meine Lieb hinfiel, da erhielt ich leichtlich und ohne sonderbare Mühe, was ich begehrte, also daß ich keine Ursach zu klagen bekam, wie andere Buhler und Leimstängler, die voller phantastischer Gedanken, Mühe, Begierden, heimlich Leiden, Zorn, Eifer, Rachgier, Rasen, Weinen, Protzen, Drohen, und dergleichen tausendfältigen Torheiten stecken, und sich vor Ungeduld den Tod wünschen; Ich hatte Geld, und ließ mich dasselbe nit dauren, und überdas ein gute Stimm, übte mich stetig auf allerhand Instrumenten; anstatt des Tanzens, dem ich nie bin hold worden, wies ich die Gerade meines Leibs, wenn ich mit meinem Kürschner focht; überdas hatte ich einen trefflich glatten Spiegel, und gewöhnte mich zu einer freundlichen
Um dieselbige Zeit fiel Martini ein, da fängt bei uns Teutschen das Fressen und Saufen an, und währet bei teils bis in die Faßnacht, da wurde ich an unterschiedliche Ort, sowohl bei Offiziern als Bürgern, die Martinsgans verzehren zu helfen eingeladen; da setzt' es denn zu Zeiten so etwas, weil ich bei solchen Gelegenheiten mit dem Frauenzimmer in Kundschaft kam; meine Laute und Gesang die zwangen eine jede, mich anzuschauen, und wenn sie mich also betrachteten, wußte ich zu meinen neuen Buhlenliedern, die ich selber machte, so anmutige Blick und Gebärden hervorzubringen, daß sich manches hübsche Mägdlein darüber vernarrte, und mir unversehens hold ward. Und damit ich nit für einen Hungerleider gehalten würde, stellte ich auch zwo Gastereien, die eine zwar für die Offizier und die ander für die vornehmsten Bürger an, dadurch ich mir bei beiden Teilen Gunst, und einen Zutritt vermittelte, weil ich kostbar auftragen ließ. Es war mir aber alles um die lieben Jungfrauen zu tun, und ob ich gleich bei einer oder der andern nit fand, was ich suchte (denn es gab auch noch etliche, die es verhalten konnten), so ging ich doch ein Weg als den andern zu ihnen, damit sie diejenigen, die mir mehr Gunst erzeigten, als ehrlichen Jungfrauen gebührt, in keinen bösen Verdacht bringen, sondern glauben sollten, daß ich mich bei denselbigen auch nur Diskurs halber aufhielte. Und das überredet ich ein jede insonderheit, daß sie es von den andern glaubte, und nit anders meinte, als wäre sie allein diejenige, die sich meiner erfreute.
Ich hatte gerad sechs die mich liebten, und ich sie hinwiederum, doch hatt keine mein Herz gar, oder mich allein; an der einen gefielen mir nur die schwarzen Augen, an der andern die goldgelben Haar, an der dritten die liebliche Holdseligkeit, und an den übrigen auch so etwas, das
Durch was Mittel sich der Jäger Freund' gemacht, und was für Andacht er bei einer Predigt hatte
Wenn das Glück einen stürzen will, so hebt es ihn zuvor in alle Höhe, und der gütige Gott lässe auch einen jeden vor seinem Fall so treulich warnen. Das widerfuhr mir auch, ich nahms aber nicht an! Ich hielt in meinem Sinn gänzlich dafür, daß mein damaliger Stand so fest gegründet wäre, daß mich kein Unglück davon stürzen könnte, weil mir jedermann, insonderheit aber der Kommandant selbst so wohl wollte; diejenigen, auf welche er viel hielt, gewann ich mit allerhand Ehrerbietungen, seine getreuen Diener brachte ich durch Geschenk auf meine Seiten, und mit denen, so etwas mehr als meinesgleichen warn, soff ich Brüderschaft, und schwor ihnen ohnverbrüchliche Treue und Freundschaft; die gemeinen Bürger und Soldaten waren mir deswegen hold, weil ich jedem freundlich zusprach. »Ach
Ich ging oft zum ältesten Pfarrer derselbigen Stadt, als der mir aus seiner Bibliothek viel Bücher lehnete, und wenn ich ihm eins wiederbrachte, so diskurierte er von allerhand Sachen mit mir, denn wir akkommodierten uns so miteinander, daß einer den andern gern leiden mochte: Als nun nicht nur die Martinsgäns und Metzelsuppen hin und wieder, sondern auch die heiligen Weihnachtsfeiertage vorbei waren, verehrte ich ihm eine Flaschen voll Straßburger Branntewein zum Neuen Jahr, welchen er, der Westfälinger Gebrauch nach, mit Kandelzucker gern einläpperte, und kam daraufhin ihn zu besuchen, als er eben in meinem ›Joseph‹ las, welchen ihm mein Wirt ohne mein Wissen geliehen hatte: Ich entfärbte mich, daß einem solchen gelehrten Mann meine Arbeit in die Hände kommen sollte, sonderlich weil man dafürhält, daß einer am besten aus seinen Schriften erkannt werde; Er aber machte mich zu ihm sitzen, und lobte zwar meine Invention, schalt aber, daß ich mich so lang in der Seliche (die Potiphars Weib gewesen) Liebeshändeln hätte aufgehalten; »Wessen das Herz voll ist, gehet der Mund über«, sagte er ferners; »wenn der Herr nicht selbsten wüßte wie einem Buhler ums Herz ist, so hätte er dieses Weibs Passiones nicht so wohl ausführen, oder vor Augen stellen können.« Ich antwortet, was ich geschrieben
Wie er dem treuherzigen Pfarrer ander Werg an die Kunkel legte, damit er sein epikurisch Leben zu korrigieren vergesse
Ich war in den Wollüsten doch nicht so gar ersoffen, oder so dumm, daß ich nicht gedacht hätte, jedermanns Freundschaft zu behalten, solang ich noch in derselbigen Festung zu verbleiben (nämlich bis der Winter vorüber) willens war; So erkannte ich auch wohl, was es einem für Unrat bringen könnte, wenn er der Geistlichen Haß hätte, als welche Leut bei allen Völkern, sie seien gleich was Religion sie wollen, einen großen Kredit haben; derowegen nahm ich meinen Kopf zwischen die Ohren, und trat gleich den andern Tag wieder auf frischem Fuß zu obgedachtem Pfarrer, und log ihm mit gelehrten Worten ein solchen zierlichen Haufen daher, wasgestalten ich mich resolviert hätte, ihm zu folgen, daß er sich, wie ich aus seinen Gebärden sehen konnte, herzlich darüber erfreute. »Ja«, sagte ich, »es hat mir seithero, auch schon in Soest, nichts anders als ein solcher englischer Ratgeber gemangelt, wie ich einen an meinem hochgeehrten Herrn angetroffen habe; wenn nur der Winter bald vorüber, oder sonst das Wetter bequem wäre, daß ich fortreisen könnte!« Bat ihn daneben, er wollte mir doch ferner mit gutem Rat beförderlich sein, auf welche Academiam ich mich begeben sollte? Er antwortet', was ihn anbelangt, so hätte er zu Leiden studiert, mir aber wollte er nach Genf geraten haben, weil ich, der Aussprach nach, ein Hochteutscher wäre! »Jesus Maria!« antwortet ich, »Genf ist
Darauf sagte er: »Der Herr steckt in großem Irrtum, aber ich hoffe zu Gott, er werde Ihn erleuchten, und aus dem Schlamm helfen; zu welchem End ich Ihm denn unsere Konfession inskünftig dergestalt aus Hl. Schrift bewähren will, daß sie auch wider die Pforten der Höllen bestehen solle.« Ich antwortet, dessen würde ich mit großem Verlangen gewärtig sein, gedachte aber bei mir selber, wenn du
Wie der Jäger unversehens zum Ehmann wird
Gegen meinem Quartier über wohnet' ein reformierter Obrist-Leutnant, der hatte ein überaus schöne Tochter, die sich ganz adelig trug; ich hätte längst gern Kundschaft zu ihr gemacht, unangesehen sie mir anfänglich nicht beschaffen zu sein deuchte, daß ich sie allein lieben und auf ewig haben möchte, doch schenkte ich ihr manchen Gang, und noch viel mehr liebreicher Blick, sie wurde mir aber so fleißig verhütet, daß ich kein einzig Mal, als ich mir wünschete, mit ihr zu reden kommen konnte, so durfte ich auch so unverschämt nit hineinplatzen, weil ich mit ihren Eltern keine Kundschaft hatte, und mir der Ort für einen Kerl von so geringem Herkommen, als mir das meinige bewußt war, viel zu hoch vorkam; Am allernächsten gelangte ich zu ihr, wenn wir etwa in oder aus der Kirch gingen, da nahm ich denn die Zeit so fleißig in acht, mich ihr zu nähern, daß ich oft ein paar Seufzer anbrachte, das ich meisterlich konnte, ob sie zwar alle aus falschem Herzen gingen: Hingegen nahm sie solche auch so kaltsinnig an, daß ich mir einbilden mußte, daß sie sich nicht so leicht wie eines schlechten Bürgers Tochter verführen lassen würde, und indem ich gedachte, sie würde mir schwerlich zuteil, wurden meine Begierden nach ihr desto heftiger.
Mein Stern, der mich das erstemal zu ihr vermittelte, war derjenige, den die Schüler zu immerwährendem Gedächtnis um selbige Zeit des Jahrs herumtragen, damit anzuzeigen,
Von diesem Abend an (da ich mich zwar nur ein wenig bei der Jungfer zutäppisch machte) fing ich wieder auf ein neues an mit der Leimstangen zu laufen, und am Narrenseil zu ziehen; also daß sich beides die Jungfer und ihre Eltern einbilden mußten, ich hätte die Angel geschluckt, wiewohl mirs nicht halber Ernst war; Ich putzte mich als nur gegen die Nacht, wenn ich zu ihr wollte, wie die Hexen, und den
änderte, und ein Liedlein machte, in welchem ich mein Glück lobte, weil es mir auf so manchen guten Abend auch so freudenreiche Tag verliehe, an denen ich in meiner Liebsten Gegenwart meine Augen weiden, und mein Herz um etwas erquicken könnte, hingegen klagte ich auch in eben demselbigen Lied über mein Unglück, und bezichtigte dasselbige, daß es mir die Nacht verbittere, und mir nicht gönnete, solche auch wie die Tag mit liebreicher Ergötzung hinzubringen; und ob es zwar um etwas zu frei kam, so sang ichs doch meiner Liebsten mit andächtigen Seufzern und einer lustreizenden Melodei, dabei die Laute das ihrig trefflich tat, und gleichsam die Jungfer mit mir bat, sie wollte doch kooperieren, daß mir die Nächte so glücklich als die Tage bekommen möchten; aber ich bekam ziemlich abschlägige Antwort, denn sie war trefflich klug, und konnte mich auf meine Erfindungen, die ich bisweilen artlich anbrachte, gar höflich beschlagen. Ich nahm mich gar wohl in acht, von der Verehelichung zu schweigen, ja wenn schon diskursweis davon geredt wurde, stellete ich doch alle meine Wort auf Schrauben; welches meiner Jungfer Schwester, die schon verheiratet war, bald merkte, und dahero mir und meinem lieben Mägdlein alle Päß verlegte, damit wir nicht so oft wie zuvor allein beisammensein sollten, denn sie sah wohl, daß mich ihre Schwester von Herzen liebte, und daß die Sach in die Läng kein gut tun würde.
Es ist ohnnötig, alle Torheiten meiner Löffelei umständlich
Ehe dieser ankam, unterstand ich etlichmal aufzustehen, aber der Obrist-Leutnant machte mich mit bedrohlichen Mienen liegen bleibend, also daß ich erfahren mußte, wie gar keine Courage ein Kerl hat, der auf einer bösen Tat ertappt wird, und wie einem Dieb ums Herz ist, den man erwischt, wenn er eingebrochen, ob er gleich noch nichts gestohlen hat; ich gedenk der lieben Zeit, wenn mir der Obrist-Leutnant samt zwei solchen Kroaten aufgestoßen wäre, daß ich sie alle drei zu jagen unterstanden, aber jetzt lag ich da wie ein ander Bärnhäuter, und hatte nicht das Herz, nur das Maul, geschweig die Fäust recht aufzutun. »Seht Herr Pfarrer«, sagte er, »das schöne Spektakul, zu welchem ich Euch zum Zeugen meiner Schand berufen muß!« und kaum hatte er diese Wort ordentlich vorgebracht, da fing er wieder an zu wüten, und das Tausend ins Hundert zu werfen, daß ich nichts anders als vom Halsbrechen und Händ in Blut waschen verstehen konnte; er schäumte ums Maul wie ein Eber, und stellte sich nicht anders, als ob er gar von Sinnen kommen wollte, also daß ich alle Augenblick gedachte, jetzt jagt er dir eine Kugel durch den Kopf! Der Pfarrer aber wehrte mit Händen und Füßen, daß nichts Tödliches geschehe, so ihn hernach reuen möchte. »Was?« sagte er, »Herr Obrist-Leutnant, braucht Euer hohe Vernunft, und bedenkt das Sprichwort, daß man zu geschehenen Dingen das Beste reden soll; dies schöne junge Paar, das seinesgleichen schwerlich im Land hat, ist nicht das erste, und auch nicht das letzte, so sich von den
Ich gedachte: »Was willst du tun, es heißt: ›Vogel friß oder stirb‹; zudem so ist es eine solche Jungfer, deren du dich nicht schämen darfst, ja wenn du dein Herkommen bedenkest, so bist du kaum wert, hinzusitzen, wo sie ihre Schuh hinstellt«; doch schwor ich, und bezeugte hoch und teur, daß wir nichts Unehrlichs miteinander zu schaffen gehabt hätten; aber mir wurde geantwortet, wir sollten uns gehalten haben, daß man nichts Böses von uns argwöhnen können, diesen Weg aber würden wir den einmal gefaßten Verdacht niemand benehmen. Hierauf wurden wir von gemeldtem Pfarrer im Bett sitzend zusammgegeben, und nachdem solches geschehen, aufzustehen, und miteinander aus dem Haus zu gehen gemüßiget. Unter der Tür sagte der Obrist-Leutnant zu mir und seiner Tochter, wir sollten uns in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr sehen lassen. Ich aber, als ich mich wieder erholt, und den Degen auch an der Seiten hatte, antwortet gleichsam im Scherz: »Ich weiß nicht, Herr Schwährvater, warum Er alles so widersinns anstellt, wenn andere neue Eheleut kopuliert werden, so führen sie die nächsten Verwandten schlafen, Er aber jagt mich nach der Kopulation nit allein aus dem Bett, sondern
Wie es bei der Hochzeit ablief, und was er weiter anzufangen sich vorgestellt
Die Leut in meinem Losament verwunderten sich alle, da ich diese Jungfer mit mir heimbrachte, und noch vielmehr, da sie sahen, daß sie so ungescheut mit mir schlafen ging; denn ob mir zwar dieser Poß, so mir widerfahren, grandige Grillen in Kopf brachte, so war ich doch so närrisch nit, meine Braut zu verschmähen; ich hatte zwar die Liebste im Arm, hingegen aber tausenderlei Gedanken im Kopf, wie ich mein Sach heben und legen wollte; bald gedacht ich, es ist dir recht geschehen, und bald vermeint ich, es wäre mir der allergrößte Schimpf von der Welt widerfahren, welchen ich ohne billige Rach mit Ehren nicht verschmerzen könnte: Wenn ich aber besann, daß solche Rach wider meinen Schwährvater, und also auch wider meine unschuldige fromme Liebste laufen müßte, fielen alle meine Anschläg. Ich schämte mich so sehr, daß ich mir vornahm, mich einzuhalten, und vor keinem Menschen mehr sehen zu lassen, befand aber, daß ich alsdann erst die allergrößte Narrheit begehen würde. Endlich war mein Schluß, ich wollte vor allen Dingen meines Schwährvaters Freundschaft wieder gewinnen, und mich im übrigen gegen jedermann anlassen, als ob mir nichts Übels widerfahren, und wegen meiner Hochzeit alles wohl ausgerichtet hätte. Ich sagte zu mir selber: »Weil alles auf ein seltsame ungewöhnliche Weis sich geschickt und seinen Anfang genommen, so mußt du es auch auf solche Gattung ausmachen, sollten die Leut
In solchen Gedanken ließ ich mir früh tagen, wiewohl ich lieber länger im Bett verblieben wäre; Ich schickte am allerersten nach meinem Schwager, der meines Weibs Schwester hatte, und hielt ihm kurz vor, wie nahe ich ihm verwandt worden, ersuchte ihn daneben, er wollte seine Liebste kommen lassen, um etwas zurichten zu helfen, damit ich den Leuten auch bei meiner Hochzeit zu essen geben könnte; Er aber wollte belieben, unsern Schwähr und Schwieger meinetwegen zu begütigen, so wollte ich indessen ausgehen, Gäste zu bitten, die den Frieden zwischen mir und ihm vollends machten. Solches nahm er zu verrichten auf sich, und ich verfügte mich zum Kommandanten, dem erzählte ich mit einer kurzweiligen und artlichen Manier, was ich und mein Schwährvater für ein neue Mode angefangen hätten, Hochzeit zu ma chen, welche Gattung so geschwind zugehe, daß ich in einer Stund die Heirats-Abred, den Kirchgang und die Hochzeit auf einmal vollzogen; allein weil mein Schwährvater die Morgensupp gesparet hätte, wäre ich bedacht, an deren Statt ehrlichen Leuten von der Specksuppen mitzuteilen, zu der ich ihn untertänig eingeladen haben wollte. Der Kommandant wollte sich meines lustigen Vertrags schier zu Stücken lachen, und weil ich sah, daß sein Kopf recht stand, ließ ich mich noch freier heraus, und entschuldigte mich deswegen, daß ich notwendig jetzt nit wohl klug sein müßte, weil andere Hochzeiter vier Wochen vor und nach der Hochzeit nit recht bei Sinnen seien; andere Hochzeiter zwar hätten vier Wochen Zeit, in welchen sie allgemach ihre Torheiten unvermerkt herauslassen, und also ihren Mangel an dem Witz ziemlich verbergen könnten; weil mich aber die ganze Bräuterei vollkommen überfallen, so müßte ich auch die Narrnpossen häufig fliegen lassen, damit ich mich hernach desto vernünftiger im Ehestand anlassen könnte. Er fragte mich, wie es mit der Heirats-Notul beschaffen wäre, und wieviel
Mit solchen Schwänken, deren man an mir dies Orts sonst nicht gewohnt war, erhielt ich, daß der Kommandant samt meinem Schwährvater, welchen er hierzu wohl persuadieren wollte, bei meiner Specksuppen zu erscheinen versprach: Er schickt' auch gleich ein Faß Wein und einen Hirsch in meine Küchen, ich aber ließ dergestalt zurichten, als ob ich Fürsten hätte traktieren wollen, brachte auch ein ansehenliche Gesellschaft zuwege, die sich nit allein brav miteinander lustig machten, sondern auch vor allen Dingen meinen Schwährvater und Schwieger dergestalt mit mir und meinem Weib versöhneten, daß sie uns mehr Glücks wünschten, als sie uns die vorige Nacht fluchten. In der ganzen Stadt aber wurde ausgesprengt, daß unsere Kopulation mit Fleiß auf so ein fremde Gattung angestellt worden wäre, damit uns beiden kein Poß von bösen Leuten widerfahre; mir aber war diese schnelle Hochzeit trefflich gesund, denn wenn ich doch verehelicht, und gemeinem Gebrauch nach über die Kanzel hätte abgeworfen werden sollen, so hätten sich besorglich Schleppsäck gefunden, die mir ein verhinderliches Gewirr drein zu machen unterstanden, denn ich hatte solcher unter den Bürgerstöchtern ein ganz halb Dutzend, die mich mehr als allzuwohl kannten.
Den andern Tag traktierte mein Schwährvater meine Hochzeitgäst, aber bei weitem nit so wohl als ich, denn er war karg; da wurde erst mit mir geredt, was ich für eine Hantierung treiben, und wie ich die Haushaltung anstellen wollte, da merkte ich erst, daß ich meine edle Freiheit verloren
Simplicius kommt in eine Stadt, die er zwar nur pro forma Köln nennet, seinen Schatz abzuholen
Es schickt sich ein Ding auf mancherlei Weis, des einen Unstern kommt staffelweis und allgemach, und einen andern überfällt das seinige mit Haufen; das meinige aber hatte einen so süßen und angenehmen Anfang, daß ich mirs wohl für kein Unglück, sondern für das höchste Glück rechnete. Kaum über acht Tag hatte ich mit meinem lieben Weib im Ehestand zugebracht, da ich in meinem Jägerkleid, mit einem Feurrohr auf der Achsel, von ihr und ihren Freunden meinen Abschied nahm; ich schlich mich glücklich durch, weil mir alle Weg bekannt, also daß mir keine Gefahr unterwegs aufstieß, ja ich wurde von keinem Menschen gesehen, bis ich nach Deutz, so gegen Köln über diesseits Rhein liegt, vor den Schlagbaum kam. Ich aber sah viel Leut, sonderlich einen Bauren im Bergischen Land, der mich allerdings an meinen Knan im Spessart gemahnte, sein Sohn aber dessen Simplicio sich am besten verglich. Dieser Baurenbub hütete der Schwein, als ich bei ihm vorüber passieren wollte, und weil die Sau mich spürten, fingen sie an zu grunzen, der Knab aber über sie zu fluchen: daß sie der Donner und Hagel erschlagen und ›de Tüfel dartoo halen solte‹; das hörte die Magd, und schrie dem Jungen zu, er sollte aufhören zu fluchen, oder sie wollts dem Vater sagen. Der antwortet' der Knabe, sie sollte ihn im Hintern lecken und ihre ›Mour dartoo brühen‹; der Baur hörte seinem Sohn gleichfalls zu, lief derowegen mit seinem Prügel aus dem Haus und schrie: »Halt du hundert tausend etc. Schelm, ick sall di lehren sweren, de Hagel schla di dan, dat di der Tüfel int Liff fahr«, erwischt' ihn damit bei der Kartausen, prügelt' ihn wie einen Tanzbären, und sagte zu jedem Streich: »Du böse Bof, ick sall di leeren floeken, de Tüfel hal di dan, ick sall di im Arse lecken, ick sall di lehren dine Mour brühen, etc.« Diese Zucht erinnert' mich natürlich an mich und meinen Knan, und ich war doch
Also versah ich mich des Müßiggangs wieder auf ein Zeitlang, bis ich sehen wollte, wie es in großen Städten hergehet; mein Kostherr war, wie gehört, ein Notarius und Prokurator, daneben hatte er etwa ein halb Dutzend Kostgänger, und hielt stets acht Pferd auf der Streu, welche er den Reisenden ums Geld hinzuleihen pflegte; dabei hatte er einen teutschen und einen welschen Knecht, die sich beides zum Fahren und Reiten gebrauchen ließen, und der Pferd warteten, mit welcher drei- oder vierthalbfachen Hantierung er nicht allein seine Nahrung reichlich gewann, sondern auch ohn Zweifel trefflich vorschlug, denn weil keine Juden in selbige Stadt kommen dürfen, konnte er mit allerlei Sachen desto besser wuchern.
Ich lernete viel in der geringen Zeit die ich bei ihm war, vornehmlich aber alle Krankheiten kennen, so die größte Kunst an einem Doctor Medicinae ist, denn man sagt, wenn man eine Krankheit recht erkenne, so sei dem Patienten schon halb geholfen. Daß ich nun solche Wissenschaft begriff, daran war mein Wirt Ursach, denn von seiner Person fing ich an, auch auf andere und deren Komplexion zu sehen. Da fand ich manchen totkrank, der seine Krankheit oft selbst nit wußte, und auch von andern Menschen, ja von den Doctoribus selbst für einen Gesunden gehalten wurde. Ich fand Leut, die waren vor Zorn krank, und wenn sie diese Krankheit anstieß, so verstellten sie die Gesichter wie die Teufel, brülleten wie die Löwen, kratzten wie die Katzen, schlugen um sich wie die Bären, bissen drein wie die Hund, und damit sie sich ärger stellen möchten als die rasenden Tier, warfen sie auch mit allem das sie in die Hände kriegten um sich wie die Narren. Man sagt, diese Krankheit komme von der Gall her, aber ich glaube, daß sie ihren Ursprung
Der Jäger fängt einen Hasen mitten in einer Stadt
Dieser hatte, wie obgemeldet, unterschiedliche Hantierungen, dadurch er Geld zusammenkratzte, er zehrte mit seinen Kostgängern, und seine Kostgänger nit mit ihm, und er hätte sich und sein Hausgesind mit demjenigen was sie ihm eintrugen, gar reichlich ernähren können, wenns der Schindhund nur dazu hätte angewendet, aber er mästete uns auf schwäbisch, und hielt gewaltig zurück; Ich aß anfangs nit mit seinen Kostgängern, sondern mit seinen Kindern und Gesind, weil ich nit viel Geld bei mir hatte; da setzte es schmale Bißlein, so meinem Magen, der nunmehr zu den westfälischen Traktamenten gewöhnet war, ganz spanisch vorkam; kein gut Stück Fleisch kriegten wir auf den Tisch, sondern nur dasjenige, so acht Tag zuvor von der Studenten Tafel getragen, von denselben zuvor überall wohl benagt, und nunmehr vor Alter so grau als Methusalem worden war; darüber machte dann die Kostfrau (welche die Küche selbst versehen mußte, denn er dingte ihr keine Magd) ein schwarze saure Brüh, und überteufelts mit Pfeffer, da wurden dann die Beiner so sauber abgeschleckt, daß man alsbald Schachstein daraus hätte drehen können, und doch waren sie alsdann noch nit recht ausgenutzt, sondern sie kamen in einen hierzu verordneten Behälter, und wenn unser Geizhals deren ein Quantität beisammen hatte, mußten sie erst klein zerhackt, und das übrige Fett bis auf das alleräußerste herausgesotten werden, nicht weiß ich, wurden die Suppen daraus geschmälzt, oder die Schuh damit geschmiert. An den Fasttagen, deren mehr als genug einfielen, und alle solenniter gehalten wurden, weil der Hausvater diesfalls gar gewissenhaft war, mußten wir uns mit stinkenden Bücklingen, versalznen Bolchen, faulen Stock- und andern abgestandenen Fischen herumbeißen, denn er kaufte alles der Wohlfeile nach, und ließ sich die Mühe nicht dauren, zu solchem Ende selbst auf den Fischmarkt zu gehen, und anzupacken, was jetzt die Fischer auszuschmeißen
Wie und aus was Ursachen der Jäger nach Frankreich praktiziert worden
Allzuscharf macht schartig, und wenn man den Bogen überspannet, so muß er endlich zerbrechen; der Poß, den ich meinem Kostherrn mit dem Hasen riß, war mir nicht genug, sondern ich unterstand noch mehr seinen unersättlichen Geiz zu strafen, ich lernete seine Kostgänger, wie sie die versalzene Butter wässern, und dadurch das überflüssige Salz herausziehen, die harten Käs aber, wie die Parmesaner, schaben, und mit Wein anfeuchten sollten, welches dem Geizhals lauter Stich ins Herz waren; ich zog durch meine Kunststück über Tisch das Wasser aus dem Wein, und machte ein Lied, in welchem ich den Geizigen einer Sau verglich, von welcher man nichts Guts zu hoffen, bis sie der Metzger tot auf dem Schragen liegen hätte. Damit verursachte ich, daß er mich mit folgender Untreu wieder brav bezahlte, weil ich solche Sachen in seinem Haus zu üben nicht bestellt war.
Die zween Jungen von Adel bekamen einen Wechsel, und Befehl von ihren Eltern, sich nach Frankreich zu begeben, und die Sprach zu lernen, eben als unsers Kostherrn teutscher Knecht anderwärts auf der Reis war, und dem welschen (sagt' unser Kostherr) dürfte er die Pferd in Frankreich nicht vertrauen, weil er ihn noch nit recht kannte, denn er besorgte, wie er vorgab, er möchte das Wiederkommen vergessen, und ihn um die Pferd bringen; bat mich derowegen, ob ich ihm nicht den großen Dienst tun, und beide Edelleut mit seinen Pferden, weil ohnedas meine Sach in vier Wochen noch nicht erörtert werden könnte, nach Paris führen wollte? Er hingegen wollte indessen meine Geschäfte, wenn ich ihm deswegen vollkommene Gewalt
Dieser Doktor redte so gut teutsch als ich, und das Italienisch wie seine Muttersprach, derhalben versprach ich mich desto lieber zu ihm. Als ich nun die Letze zehrte mit meinen Edelleuten, war er auch dabei, und mir gingen üble Grillen im Kopf herum, denn da lag mir mein frischgenommen Weib, mein versprochen Fähnlein, und mein Schatz zu Köln im Sinn, von welchem allem ich mich so leichtfertig hinwegzubegeben bereden lassen, und da wir von unsers gewesenen Kostherrn Geiz zu reden kamen, fiel mir zu, und ich sagte auch über Tisch: »Wer weiß, ob vielleicht unser Kostherr mich nicht mit Fleiß hieher praktiziert, damit er das Meinig zu Köln erheben und behalten möge.« Der Doktor antwort, das könne wohl sein, vornehmlich wenn er glaube, daß ich ein Kerl von geringem Herkommen sei. »Nein«, antwort der eine Edelmann, »wenn er zu solchem End hiehergeschickt worden ist, daß er hier bleiben sollte, so ists darum geschehen, weil er ihm seines Geizes wegen so viel Drangsal antat.« Der Kranke fing an: »Ich glaub aber ein andere Ursach; Als ich neulich in meiner Kammer stand, und unser Kostherr mit seinem Welschen ein laut Gespräch hielt, horchte ich, warums doch zu tun sein möchte? und vernahm endlich aus des Welschen geradbrechten Worten: Der Jäger verfuchsschwänzte ihn bei der Frauen, und sage, er warte der Pferd nicht recht! Welches aber der eifersüchtige Gauch wegen seiner üblen Redkunst unrecht, und auf etwas Unehrlichs verstand, und derowegen dem Welschen zusprach, er sollte nur bleiben, der Jäger müsse bald hinweg. Er hat auch seither sein Weib scheel angesehen, und mit ihr viel ernstlicher gekollert als zuvor, so ich an dem Narrn mit Fleiß in acht genommen.«
Der Doktor sagte: »Es sei geschehen aus was für einer Ursach es wolle, so laß ich wohl gelten, daß die Sach so
Simplicius bekommt einen bessern Kostherrn, als er zuvor einen gehabt
Monsigneur Canard, so hieß mein neuer Herr, erbot sich, mir mit Rat und Tat beholfen zu sein, damit ich des Meinigen zu Köln nicht verlustigt würde, denn er sah wohl, daß ich traurig war. Sobald er mich in seine Wohnung brachte, begehrte er, ich wollte ihm erzählen, wie meine Sachen beschaffen wären, damit er sich drein finden, und Ratschläg ersinnen könnte, wie mir am besten zu helfen sei. Ich gedachte wohl, daß ich nicht viel gülte, wenn ich mein Herkommen öffnen sollte, gab mich derhalben für einen armen teutschen Edelmann aus, der weder Vater noch Mutter, sondern nur noch etliche Verwandte in einer Festung hätte, darin schwedische Garnison läge. Welches ich aber vor meinem Kostherrn und beiden von Adel, als welche kaiserliche Partei hielten, verborgen halten müssen, damit sie das Meinige, als ein Gut so dem Feind zuständig, nit an sich zögen: Meine Meinung wäre, ich wollte an den Kommandanten bemeldter Festung schreiben, als unter dessen Regiment ich die Stell eines Fähnrichs hätte, und ihn nicht allein berichten, wasgestalten ich hieher praktiziert worden, sondern ihn auch bitten, daß er belieben wollte, sich des Meinigen habhaft zu machen, und solches bis ich wieder Gelegenheit
Wie er sich für einen Komödianten gebrauchen läßt, und einen neuen Namen bekommt
Gleichwie Mons. Canard mehr Wildbret hinwegzuwerfen, als mancher zu fressen hat, der ein eigene Wildbahn vermag, und ihm mehr Zahmes verehrt wurde, als er und die Seinigen verzehren konnten; also hatte er täglich viel Schmarotzer, so daß es bei ihm einen gleich sah, als ob er ein freie Tafel gehalten hätte: Einsmals besuchten ihn des Königs Zeremonienmeister, und andere vornehme Personen vom Hof, denen er ein fürstliche Kollation darstellete, weil er wohl wußte, wen er zum Freund behalten sollte, nämlich diejenigen, so stets um den König waren oder sonst bei demselben wohl standen; damit er nun denselben den allergeneigtesten Willen erzeige, und ihnen alle Lust machen möchte, begehrte er, ich wollte ihm zu Ehren, und der ansehnlichen Gesellschaft zu Gefallen, ein teutsch Liedlein in meine Laute hören lassen; ich folgte gern, weil ich eben in Laun war, wie denn die Musici gemeiniglich seltsame Grillenfänger sind; befliß mich derhalben das beste Geschirr zu machen, und contentierte demnach die Anwesenden so wohl, daß der Zeremonienmeister sagte: Es wäre immer schad, daß ich nit die französische Sprach könnte, er wollte mich sonst trefflich wohl beim König und der Königin anbringen; mein Herr aber, so besorgte, ich möchte ihm aus seinen Diensten entzuckt werden, antwortet' ihm, daß ich einer von Adel sei, und nit lang in Frankreich zu verbleiben gedächte, würde mich demnach schwerlich für einen Musikanten gebrauchen lassen. Darauf sagte der Zeremonienmeister, daß er sein Tag nit ein so seltene Schönheit, ein so klare Stimm, und ein so künstlichen Lautenisten an einer Person gefunden, es sollte ehest vorm König im Louvre eine Comoedia gespielt werden, wenn er mich dazu gebrauchen könnte, so verhoffte er große Ehr mit mir einzulegen; das hielt mir Mons. Canard vor, ich antwortet ihm: »Wenn man mir sagt', was für eine Person
Von dieser Comoedia bekam ich neben dem Lob, das mir männiglich gab, nicht allein eine treffliche Verehrung, sondern ich kriegte auch einen andern Namen, indem mich forthin die Franzosen nicht anders als Beau Alman nannten. Es wurden noch mehr dergleichen Spiel und Ballett gehalten, dieweil man die Faßnacht zelebrierte, in welchen ich mich gleichfalls gebrauchen ließ, befand aber zuletzt, daß ich von andern geneidet wurde, weil ich die Spectatores, und sonderlich die Weiber gewaltig zog, ihre Augen auf mich zu wenden, tat michs derowegen ab, sonderlich als ich einsmals ziemlich Stöß kriegte, da ich als ein Herkules, gleichsam nackend in einer Löwenhaut, mit Acheloo um die Dejaniram kämpfte, da man mirs gröber machte, als in einem Spiel der Gebrauch ist.
Beau Alman wird wider seinen Willen in den Venus-Berg geführt
Hierdurch wurde ich bei hohen Personen bekannt, und es schien, als ob mir das Glück wieder auf ein neues hätte leuchten wollen, denn mir wurden gar des Königs Dienste angeboten, welches manchem großen Hansen nicht widerfährt. Einsmals kam ein Lakai, der sprach meinen Monsig.
Es wurde allgemach finster, und ich hatte allerhand Sorgen und furchtsame Gedanken, also daß ich da saß wie ein geschnitzt Bild, konnte mir auch wohl einbilden, daß ich von diesem Ort so leicht nicht wieder entrinnen könnte, ich willigte denn in alles, so man mir zumutete; sagte derhalben zu der Alten: »Nun denn, mein hochgeehrte Frau Landsmännin, wenn ihm denn so ist, wie Sie mir vorgebracht, so vertraue ich meine Person Ihrer angebornen teutschen Redlichkeit, der Hoffnung, Sie werde nicht zulassen, viel weniger selbst vermitteln, daß einem unschuldigen Teutschen eine Untreu widerfahre, Sie vollbringe, was Ihr meinetwegen befohlen ist, die Dame, von der Sie mir gesagt, wird verhoffentlich keine Basilisken-Augen haben, mir den Hals abzusehen.« »Ei behüt Gott«, sagte sie, »es
Wie es ihm darinnen erging, und wie er wieder herauskam
Ich hörte schon an diesen Worten, daß ich mich nicht nur an diesem Ort beschauen lassen, sondern noch gar was anders tun sollte; sagte derowegen zu meiner alten Landsmännin: Es wäre einem Durstigen wenig damit geholfen, wenn er bei einem verbotenen Brunnen säße; Sie aber sagte, man sei in Frankreich nit so mißgünstig, daß man einem das Wasser verbiete, sonderlich wo dessen ein Überfluß sei. »Ja«, sagte ich, »Madame, Sie sagt mir wohl davon, wenn ich nicht schon verheiratet wäre!« »Das sind Possen« (antwortet' das gottlose Weib), »man wird Euch solches heut nacht nit glauben, denn die verehelichten Kavalier ziehen selten nach Frankreich, und ob gleich dem so wäre, kann ich doch nit glauben, daß der Herr so albern sei, eher Durst zu sterben, als aus einem fremden Brunnen zu trinken, sonderlich wenn er vielleicht lustiger ist, und besser Wasser hat, als sein eigener.« Dies war unser Diskurs, dieweil mir ein adelige Jungfer, so dem Feuer pflegte, Schuh und Strümpf auszog, die ich überall im Finstern besudelt hatte, wie denn Paris ohnedas eine sehr kotige Stadt ist. Gleich hier auf kam Befehl, daß man mich noch vor dem Essen baden sollte, denn bemeldtes Jungfräulein gang ab und zu, und brachte das Badgezeug, so alles nach Bisam und wohlriechender Seifen roch, das Leinengerät war vom reinesten Cammertuch, und mit teuren holländischen Spitzen besetzt; Ich wollte mich schämen, und vor der Alten nicht nackend sehen lassen, aber es half nichts, ich mußte dran, und mich von ihr ausreiben lassen, das Jungferchen aber mußte ein Weil abtreten; Nach dem Bad wurde mir ein zartes Hemd gegeben, und ein köstlicher Schlafpelz von veielblauem Taffet angelegt, samt einem Paar seidener Strümpfe von gleicher Farb, so war die Schlafhaub samt den Pantoffeln mit Gold und Perlen gestickt, also daß ich nach dem Bad dort saß zu protzen, wie der Herz-König. Indessen mir nun meine Alte das Haar trocknet' und kämpelt',
Dergestalt bracht ich acht Tag und soviel Nächt an diesem Ort zu, und ich glaube, daß die andern drei auch bei mir gelegen sind, denn sie redeten nicht alle wie die erste, und stellten sich auch nicht so närrisch. Wiewohl ich nun acht ganzer Tage bei diesen vier Damen war, so kann ich doch nit sagen, daß mir zugelassen worden, ein einzige anders als durch eine Florhauben, oder es sei denn finster gewesen, im bloßen Angesicht zu beschauen. Nach geendigter Zeit der acht Tag setzt' man mich im Hof, mit verbundenen Augen, in eine zugemachte Kutsche, zu meiner Alten, die mir unterwegs die Augen wieder aufband, und führte mich in meines Herrn Hof, alsdann fuhr die Kutsche wieder schnell hinweg. Meine Verehrung war zweihundert Pistolet, und da ich die Alte fragte, ob ich niemand kein Trinkgeld davon geben sollte? sagte sie: »Beileib nicht! denn wenn Ihr solches tätet, so würde es die Dames verdrießen; ja sie würden gedenken, Ihr bildet Euch ein, Ihr wäret in einem Hurenhaus gewesen, da man alles belohnen muß.« Nachgehends bekam ich noch mehr dergleichen Kunden, welche mirs so grob machten, daß ich endlich aus Unvermögen der Narrenpossen ganz überdrüssig wurde.
Simplicius macht sich heimlich weg, und wie ihm der Stein geschnitten wird, als er vermeint, er habe mal de Nable
Durch diese meine Hantierung brachte ich beides an Geld und andern Sachen so viel Verehrungen zusammen, daß mir angst dabei wurde, und verwunderte ich mich nit mehr, daß sich die Weibsbilder ins Bordell begeben, und ein Handwerk aus dieser viehischen Unfläterei machen, weil
Ich konnte mir wohl einbilden, daß ich mit Monsig. Canards Konsens schwerlich hinwegkäme, gedacht derhalben heimlich durchzugehen, sobald ich Gelegenheit haben könnte, so mir zu meinem großen Unglück auch anging. Denn als ich einsmals etliche Offizier von der weimarischen Armee antraf, gab ich mich ihnen zu erkennen, daß ich nämlich ein Fähnrich von des Obristen de S.A. Regiment, und in meinen eigenen Geschäften ein Zeitlang in Paris gewesen, nunmehr aber entschlossen sei, mich wieder zum Regiment zu begeben, mit Bitt, sie wollten mich in ihre Gesellschaft zu einem Reisgefährten mitnehmen: Also eröffneten sie mir den Tag ihres Aufbruchs, und nahmen mich willig auf, ich kaufte mir einen Klepper, und montierte mich auf die Reis so heimlich als ich konnte, packte mein Geld zusamm (so ohngefähr bei fünfhundert Dublonen waren, die ich alle den gottlosen Weibsbildern abverdient hatte), und machte mich ohne von Mons. Canard gegebene Erlaubnis mit ihnen fort; schrieb ihm aber zurück, und datiert das Schreiben zu Maastricht, damit er meinen sollte, ich wäre auf Köln gangen, darin nahm ich meinen Abschied, mit Vermelden, daß mir unmöglich gewesen länger zu bleiben,
Im zweiten Nachtlager von Paris aus wurde mir natürlich wie einem der den Rotlauf bekommt, und mein Kopf tat mir so grausam wehe, daß mir unmöglich war aufzustehen. Es war in einem gar schlechten Dorf, darin ich keinen Medicum haben konnte, und was das Ärgste war, so hatte ich auch niemand der mir wartete, denn die Offizier reisten des Morgens früh ihres Wegs fort, gegen das Elsaß zu, und ließen mich, als einen der sie nichts anginge, gleichsam todkrank daliegen, doch befahlen sie bei ihrem Abschied dem Wirt mich und mein Pferd, und hinterließen bei dem Schulzen im Dorf, daß er mich als einen Kriegsoffizier, der dem König diene, beobachten sollte.
Also lag ich ein paar Tag dort, daß ich nichts von mir selber wußte, sondern wie ein Hirnschelliger fabelte, man brachte den Pfaffen, derselbe konnte aber nichts Verständiges von mir vernehmen. Und weil er sah, daß er mir die Seel nit arzneien konnte, gedacht er auf Mittel, dem Leib nach Vermögen zu Hilf zu kommen, allermaßen er mir eine Ader öffnen, ein Schweißtrank eingeben, und in ein warmes Bett legen lassen, zu schwitzen; Das bekam mir so wohl, daß ich mich in derselben Nacht wieder besann wo ich war, und wie ich dahin kommen, und krank worden wäre. Am folgenden Morgen kam obgemeldter Pfaff wieder zu mir, und fand mich ganz desperat, dieweil mir nicht allein all mein Geld entführt war, sondern auch nit anders meinte, als hätte ich (s.v.) ›die lieben Franzosen‹, weil sie mir billiger als so viel Pistolen gebührten, und ich auch über dem ganzen Leib so voller Flecken war, als ein Tiger; ich konnte weder gehen, stehen, sitzen noch liegen, da war keine Geduld bei mir, denn gleichwie ich nicht glauben konnte, daß mir Gott das verlorne Geld beschert hätte, also war ich jetzt so ungehalten, daß ich sagte, der Teufel hätte mirs wieder weggeführt! Ja ich stellte mich nicht anders, als ob ich ganz verzweifeln hätte wollen, daß also der gute Pfarrer genug an mir zu trösten hatte, weil mich der Schuh an zweien Orten so heftig drückte. »Mein Freund«, sagt' er,
Wie Simplicius Kalender macht, und als ihm das Wasser ans Maul ging, schwimmen lernte
Womit einer sündiget, damit pflegt einer auch gestraft zu werden, diese Kinds-Blattern richteten mich dergestalt zu, daß ich hinfüro vor den Weibsbildern gute Ruhe hatte; ich kriegte Gruben im Gesicht, daß ich aussah wie ein Scheurtenne, darin man Erbsen gedroschen, ja ich wurde so häßlich, daß sich meine schönen krausen Haar, in welchem
Da fing ich erst an hinter mich zu gedenken, und die herrlichen Gelegenheiten zu bejammern, die mir hiebevor zu Beförderung meiner Wohlfahrt angestanden, ich aber so liederlich hatte verstreichen lassen; Ich sah erst zurück, und merkte, daß mein extraordinari Glück im Krieg und mein gefundener Schatz nichts anders als eine Ursach und Vorbereitung zu meinem Unglück gewesen, welches mich nimmermehr so weit hinunter hätte werfen können, da es mich nit zuvor durch falsche Blick angeschaut, und so hoch erhoben hätte, ja ich fand, daß dasjenige Gute, so mir begegnet, und ich für gut gehalten, bös gewesen, und mich in das äußerste Verderben geleitet hatte; da war kein Einsiedel mehr, ders treulich mit mir gemeint, kein Obrist Ramsay, der mich in meinem Elend aufgenommen, kein Pfarrer, der mir das Beste geraten, und in Summa kein einziger Mensch, der mir etwas zugut getan hätte; sondern da mein Geld hin war, hieß es, ich sollte auch fort, und meine Gelegenheit anderswo suchen, und hätte ich wie der verlorne Sohn mit den Säuen vorlieb nehmen sollen. Damals gedacht ich erst an desjenigen Pfarrherrn guten Rat, der da vermeinte, ich sollte meine Mittel und Jugend zu den Studiis anwenden, aber es war viel zu spät mit der Scher, dem Vogel die Flügel zu beschneiden, weil er schon entflogen; O schnelle und unglückselige Veränderung! vor vier Wochen war ich ein Kerl, der die Fürsten zur Verwunderung
Wie er ein landfahrender Storcher und Leutbetrüger worden
Ich mochte damals fressen wie ein Drescher, denn mein Magen war nicht zu ersättigen, wiewohl ich nichts mehr im Vorrat hatte, als noch einen einzigen güldenen Ring mit einem Diamant, der etwa zwanzig Kronen wert war, den versilberte ich um zwölfe, und demnach ich mir leicht einbilden konnte, daß dies bald aus sein würde, da ich nichts dazugewann, resolviert ich mich, ein Arzt zu werden. Ich kaufte mir die Materialia zu dem Theriaca Diatessaron, und richtete mir denselben zu; alsdann machte ich aus Kräutern, Wurzeln, Butter, und etlichen Olitäten eine grüne Salbe zu allerhand Wunden, damit man auch wohl ein gedrückt Pferd hätte heilen können, item aus Galmei, Kieselsteinen, Krebsaugen, Schmirgel und Trippel ein Pulver, weiße Zähn damit zu machen; ferner ein blau Wasser aus Lauge, Kupfer, Sal ammoniacum und Camphor für den Scharbock, Mundfäule, Zahn- und Augenwehe, bekam auch ein Haufen blecherne und hölzerne Büchslein, Papier und Gläslein, meine War dareinzuschmieren, und damit es auch ein Ansehen haben möchte, ließ ich mir einen französischen Zettel konzipieren und drucken, darinnen man sehen konnte, wozu ein und anders gut war. In dreien Tagen war ich mit meiner Arbeit fertig, und hatte kaum drei Kronen in die Apothek und für Geschirr angewendet, da ich dies Städtlein verließ. Also packte ich auf, und nahm mir vor, von einem Dorf zum andern bis in das Elsaß hinein zu wandern, und meine War unterwegs an Mann zu bringen; folgends zu Straßburg, als in einer neutralen Stadt, mich mit Gelegenheit auf den Rhein zu setzen, mit Kaufleuten wieder nach Köln zu begeben, und von dort aus meinen Weg zu meinem Weib zu nehmen; das Vorhaben war gut, aber der Anschlag fehlte weit!
Da ich das erstemal mit meiner Quacksalberei vor eine Kirche kam, und feil hatte, war die Losung gar schlecht, weil ich viel zu blöd war, mir auch sowohl die Sprach als
Wie dem Doktor die Muskete zuschlägt unter dem Hauptmann Schmalhansen
Da ich durch Lothringen passierte, ging mir meine War aus, und weilen ich die Garnisonen scheuete, hatte ich keine Gelegenheit andere zuzurichten, derhalben mußte ich wohl was anders anfangen, bis ich wieder Theriak machen könnte. Ich kaufte mir zwei Maß Branntewein, färbte ihn mit Saffran, füllte ihn in halblötige Gläslein, und verkaufte solchen den Leuten für ein köstlich Güldenwasser, das gut fürs Fieber sei, brachte also diesen Branntewein auf dreißig Gulden. Und demnach mirs auch an kleinen Gläslein zerrinnen wollte, ich aber von einer Glashütten hörete, die in dem Fleckensteinischen Gebiet läge, begab ich mich darauf zu, mich wieder zu montiern, und indem ich so Abweg suchte, wurde ich ungefähr von einer Partei aus Philippsburg, die sich auf dem Schloß Wagelnburg aufhielt, gefangen; kam also um all dasjenige, was ich den Leuten auf der Reis durch meine Betrügerei abgezwackt hatte, und weil der Baur, so mir den Weg zu weisen mitging, zu den Kerln gesagt, ich wäre ein Doktor, wurde ich wider des
Daselbst wurde ich examiniert, und scheuete mich gar nit zu sagen wer ich wäre, so man mir aber nicht glauben, sondern mehr aus mir machen wollte, als ich hätte sein können, denn ich sollte und müßte ein Doktor sein; ich mußte schwören, daß ich unter die kaiserlichen Dragoner in Soest gehörig, und erzählte ferner bei Eidspflicht alles so mir von selbiger Zeit an bis hieher begegnet, und was ich jetzo zu tun vorhabens: Aber es hieß, der Kaiser brauche sowohl in Philippsburg als in Soest Soldaten, man würde mir bei ihnen Aufenthalt geben, bis ich gleichwohl mit guter Gelegenheit zu meinem Regiment kommen könnte; wenn mir aber dieser Vorschlag nit schmeckte, so möchte ich im Stockhaus vorliebnehmen, und mich, bis ich wieder loskäme, als einen Doktor traktieren lassen, für welchen sie mich denn auch gefangen bekommen hätten.
Also kam ich vom Pferd auf den Esel, und mußte ein Musketier werden wider meinen Willen; das kam mich blutsauer an, weil der Schmalhans dort herrschte, und das Kommißbrot daselbst schrecklich klein war; ich sage nit vergeblich schrecklich klein, denn ich erschrak alle Morgen, wenn ichs empfing, weil ich wußte, daß ich mich denselben ganzen Tag damit behelfen mußte, da ichs doch ohn einige Mühe auf einmal aufreiben konnte. Und die Wahrheit zu bekennen, so ists wohl ein elende Kreatur um einen Musketierer, der solchergestalt sein Leben in einer Garnison zubringen, und sich allein mit dem lieben trocken Brot, und noch dazu kaum halb satt, behelfen muß; denn da ist keiner anders als ein Gefangener, der mit Wasser und Brot der Trübsal sein armselig Leben verzögert, ja ein Gefangener hats noch besser, denn er darf weder wachen, Runden gehen, noch Schildwacht stehen, sondern bleibt in seiner Ruhe liegen, und hat sowohl Hoffnung, als ein so elender Garnisoner, mit der Zeit einmal aus solchem Gefängnis zu kommen. Zwar waren auch etliche, die ihr Auskommen um ein Kleines besser hatten, und auf unterschiedliche Gattungen, doch kein einzige Manier die mir beliebte, und solchergestalt mein Maulfutter zu erobern, anständig sein wollte:
Simplicius überstehet ein unlustig Bad im Rhein
Noch ein paar Stücklein will ich erzählen, ehe ich sage, wie ich wieder von der Muskete erlöset worden; eins von großer Leib- und Lebensgefahr, daraus ich durch Gottes Gnad entronnen, das ander von der Seelengefahr, darinnen ich hartnäckiger Weis stecken blieb, denn ich will meine Untugenden so wenig verhehlen, als meine Tugenden, damit nicht allein meine Histori ziemlich ganz sei, sondern der ohngewanderte Leser auch erfahre, was für seltsame Kauzen es in der Welt gibt.
Wie zu End des vorigen Kapitels gemeldet, so durfte ich auch mit andern auf Partei, so in Garnisonen nit jedem liederlichen Kunden, sondern rechtschaffenen Soldaten gegönnet wird: Also gingen nun unser neunzehn einsmals miteinander durch die Unter-Markgrafschaft hinauf, oberhalb Straßburg einem baslerischen Schiff aufzupassen, wobei heimlich etliche weimarische Offizierer und Güter sein sollten. Wir kriegten überhalb Ottenheim ein Fischernachen, uns damit überzusetzen, und in ein Werder zu legen, so gar vorteilhaftig lag, die ankommenden Schiff ans Land zu zwingen, maßen zehen von uns durch den Fischer glücklich übergeführt wurden; Als aber einer aus uns, der sonst wohl fahren konnte, die übrigen neune, darunter ich mich befand, auch holte, schlug der Nachen ohnversehens um, daß wir also urplötzlich miteinander im Rhein lagen. Ich sah mich nit viel nach den andern um, sondern gedachte auf mich selbst. Ob ich mich nun zwar aus allen Kräften spreizte und alle Vorteil der guten Schwimmer brauchte, so spielte dennoch der Strom mit mir wie mit einem Ballen, indem er mich bald über- bald untersich in Grund warf, ich hielt mich so ritterlich, daß ich oft über ihn kam, Atem zu schöpfen; wäre es aber um etwas kälter gewesen, so hätte ich mich nimmermehr so lang enthalten, und mit dem Leben entrinnen können: Ich versuchte oft ans Ufer zu gelangen, so mir aber die Wirbel nit zuließen, als die mich von einer
Weil denn wegen der vielen Wirbel, die es rund um mich herum gab, und von den Wurzeln und Ästen des Baums verursacht wurden, ohn Lebensgefahr weder zu mir zu schwimmen, noch mit großen und kleinen Schiffen zu mir zu fahren war, also erforderte meine Hilf lange Bedenkzeit; wie aber mir unterdessen zumut gewesen, ist leicht zu erachten: Zuletzt schickten sie zween Kerl mit einem Nachen oberhalb meiner in den Fluß, die mir ein Seil zufließen ließen, und das eine End davon bei sich behielten, das ander End aber bracht ich mit großer Mühe zuwegen, und band es um meinen Leib so gut ich konnte, daß ich also an demselben, wie ein Fisch an einer Angelschnur, in den Nachen gezogen und auf das Schiff gebracht wurde.
Da ich nun dergestalt dem Tod entronnen, hätte ich billig am Ufer auf die Knie fallen und der göttlichen Güte für meine Erlösung danken, auch sonst mein Leben zu bessern einen Anfang machen sollen, wie ich denn solches in meinen höchsten Nöten gelobt und versprochen. Ja hintersich naus! Denn da man mich fragte, wer ich sei? und wie ich in diese Gefahr geraten wäre? fing ich an, diesen Burschen vorzulügen, daß der Himmel hätte erschwarzen mögen; denn ich dachte, wenn du ihnen sagst, daß du sie hast plündern helfen wollen, so schmeißen sie dich alsbald wieder in Rhein; gab mich also für einen vertriebenen Organisten aus, und sagte, nachdem ich auf Straßburg gewollt, um über Rhein irgendeinen Schul- oder andern Dienst zu suchen, hätte mich eine Partei ertappt, ausgezogen, und in den Rhein geworfen, welcher mich auf gegenwärtigen Baum geführt. Und nachdem ich diese meine Lügen wohl füttern konnte, zumalen auch mit Schwüren bekräftigte, wurde mir geglaubt,
Beim Zoll zu Straßburg stiegen die meisten ans Land, und ich mit ihnen, da ich mich denn gegen dieselben hoch bedankte, und unter andern eines jungen Kaufherrn gewahr wurde, dessen Angesicht, Gang und Gebärden mir zu erkennen gaben, daß ich ihn zuvor mehr gesehen, konnte mich aber nicht besinnen, wo? vernahm aber an der Sprach, daß es eben derjenige Kornett war, so mich hiebevor gefangen bekommen, ich wußte aber nicht zu ersinnen, wie er aus einem so braven jungen Soldaten zu einem Kaufmann worden, vornehmlich weil er ein geborner Kavalier war: die Begierde zu wissen, ob mich meine Augen und Ohren betrügen oder nicht, trieben mich dahin, daß ich zu ihm ging, und sagte: »Monsieur Schönstein, ist ers, oder ist ers nicht?« Er aber antwort: »Ich bin keiner von Schönstein, sondern ein Kaufmann«; da sagte ich: »So bin ich auch kein Jäger von Soest nit, sondern ein Organist, oder vielmehr ein landläufiger Bettler!« »O Bruder«, sagt' hingegen jener, »was Teufels machst du, wo ziehest du herum?« Ich sagte: »Bruder, wenn du vom Himmel versehen bist, mir das Leben erhalten zu helfen, wie nun zum zweitenmal geschehen ist, so erfordert ohn Zweifel mein Fatum, daß ich alsdann nit weit von dir sei.« Hierauf nahmen wir einander in die Arm, als zwei getreue Freund, die hiebevor beiderseits versprochen, einander bis in Tod zu lieben. Ich mußte bei ihm einkehren, und alles erzählen, wie mir ergangen, seit ich von L. nach Köln verreist, meinen Schatz abzuholen, verschwieg ihm auch nit, wasgestalt ich mit einer Partei ihrem Schiff hätte aufpassen wollen, und wie es uns drüber erging; Aber wie ich zu Paris gehaust, davon schwieg ist stockstill, denn ich sorgte, er möchte es zu L. ausbringen, und mir deswegen bei meinem Weib einen bösen Rauch machen. Hingegen vertraute er mir, daß er von der hessischen Generalität zu Herzog Bernhard, dem Fürsten von Weimar, geschickt worden, wegen allerhand Sachen von großer Importanz, das Kriegswesen betreffend, Relation zu tun, und künftiger Kampagne und Anschläg
Man sagt aber, wenn ein Ding nit sein soll, so geschiehts nicht, das erfuhr ich auch, denn da wir den Rhein hinunterfuhren, und das Schiff zu Rheinhausen visitiert wurde, erkannten mich die Philippsburger, welche mich wieder anpackten, und nach Philippsburg führten, allda ich wieder wie zuvor einen Musketierer abgeben mußte, welches meinen guten Kornett ja so sehr verdroß, als mich selbsten, weil wir uns wieder scheiden mußten, so durfte er sich auch meiner nicht hoch annehmen, denn er hatt' mit sich selbst zu tun, sich durchzubringen.
Warum die Geistlichen keine Hasen essen sollen, die mit Stricken gefangen worden
Also hat nun der günstige Leser vernommen, in was für einer Lebensgefahr ich gesteckt; betreffend aber die Gefahr meiner Seelen, ist zu wissen, daß ich unter meiner Muskete ein rechter wilder Mensch war, der sich um Gott und sein Wort nichts bekümmerte, keine Bosheit war mir zuviel, da waren alle Gnaden und Wohltaten, die ich von
Dies nahm unser Regiments-Kaplan an mir in acht, und weil er ein rechter frommer Seeleneiferer war, schickte er auf die österliche Zeit nach mir, zu vernehmen, warum ich mich nicht bei der Beicht und Kommunion eingestellt hätte? Ich traktierte ihn aber nach seinen vielen treuherzigen Erinnerungen wie hiebevor den Pfarrer zu L. Also daß der gute Herr nichts mit mir ausrichten konnte. Und indem es schien, als ob Christus und Tauf an mir verloren wäre, sagte er zum Beschluß: »Ach du elender Mensch! ich habe vermeint, du irrest aus Unwissenheit, aber nun merke ich, daß du aus lauter Bosheit, und gleichsam vorsetzlicher Weis zu sündigen fortfährest, Ach wer vermeinst du wohl, der ein Mitleiden mit deiner armen Seel und ihrer Verdammnis haben werde? Meinesteils protestiere ich vor Gott und der Welt, daß ich an deiner Verdammnis keine Schuld haben will, weil ich getan, und noch ferner gern unverdrossen tun wollte, was zu Beförderung deiner Seligkeit vonnöten wäre. Es wird mir aber besorglich künftig mehrers zu tun nit obliegen, denn daß ich deinen Leib, wenn ihn deine arme Seel in solchem verdammten Stand verläßt, an kein geweiht Ort
Diese ernstliche Bedrohung fruchtete ebensowenig als die vorigen Ermahnungen, und zwar nur der Ursach halber, weil ich mich vorm Beichten schämte; O ich großer Narr! Ich erzählte oft meine Bubenstück bei ganzen Gesellschaften und log noch dazu, aber jetzt, da ich mich bekehren, und einem einzigen Menschen, an Gottes Statt, meine Sünden demütig bekennen sollte, Vergebung zu empfangen, war ich ein verstockter Stumm! Ich sage recht ›verstockt‹, blieb auch verstockt, denn ich antwortet: »Ich diene dem Kaiser für einen Soldaten, wenn ich nun auch sterbe als ein Soldat, so wirds kein Wunder sein, da ich gleich andern Soldaten (die nit allezeit auf das Geweihte begraben werden können, sondern irgends auf dem Felde, in Gräben oder in der Wölf und Raben Mägen vorliebnehmen müssen) mich auch außerhalb des Kirchhofs behelfen werde.«
Also schied ich vom Geistlichen, der mit seinem heiligen Seeleneifer anders nichts um mich verdient, als daß ich ihm einsmals einen Hasen abschlug, den er inständig von mir begehrte, mit Vorwand, weil er sich selbst an einem Strick erhenkt und ums Leben gebracht, daß sich dannenhero nit gebühre, daß er als ein Verzweifelter in ein geweihtes Erdreich begraben werden sollte.
Simplicius wird unverhofft von der Muskete erlöst
Also folgte bei mir keine Besserung, sondern ich wurde je länger je ärger, der Obrist sagte einsmals zu mir, er wollte mich, da ich kein gut tun wollte, mit einem Schelmen hinwegschicken; Weil ich aber wohl wußte, daß es ihm nit Ernst war, sagte ich, dies könne leicht geschehen, wenn er mir nur den Steckenknecht mitgebe; Also ließ er mich
Monsieur, etc. Wenn meinem Hochg. Herrn beliebte, denjenigen, den Er hiebevor durch Seine Tapferkeit in der Schlacht bei Wittstock aus Eisen und Banden errettet, auch anjetzo durch Sein vortrefflich Ansehen aus dem allerarmseligsten Stand von der Welt zu erlösen, wohinein er als ein Ball des unbeständigen Glücks geraten; so würde Ihm solches nicht allein nicht schwer fallen, sondern Er würde Sich auch für einen ewigen Diener obligiern Seinen ohnedas getreu-verbundenen, anjetzo aber allerelendesten und verlassenen
S. Simplicissimum.
Sobald er solches gelesen, ließ er mich zu sich hineinkommen, sagte: »Landsmann, wo ist der Kerl, der Euch
Als nun der Jud mit einer ganzen Taglöhnerlast von allerhand Soldatenkleidern daherkam, las er mir das Beste heraus, ließ michs anziehen, und nahm mich mit sich zum Obristen, zu dem sagte er: »Herr, ich hab in seiner Garnison gegenwärtigen Kerl angetroffen, dem ich so hoch verobligiert bin, daß ich ihn in so niedrigem Stand, wennschon seine Qualitäten keinen bessern meritierten, nit lassen kann; Bitte derowegen den Herrn Obristen, er wolle mir den Gefallen erweisen, und ihn entweder besser akkomodieren, oder zulassen, daß ich ihn mit mir nehme, um ihm bei der Armee fortzuhelfen, wozu vielleicht der Herr Obriste hier die Gelegenheit nit hat.« Der Obrist verkreuzigte sich vor Verwunderung, daß er mich einmal loben hörte, und sagte: »Mein hochgeehrter Herr vergeb mir, wenn ich glaube, Ihm beliebe nur zu probieren, ob ich Ihm auch so willig zu dienen sei, als Er dessen wohl wert ist, und wofern Er so gesinnet, so begehre Er etwas anders, das in meiner
Dies war meinem Herzbruder noch nicht genug, sondern er bat den Obristen auch, er wollte sich nicht zuwider sein lassen, mich mit an seine Tafel zu nehmen, so er auch erhielt; er tats aber zu dem Ende, daß er dem Obristen in meiner Gegenwart erzähle, was er in Westfalen nur diskursent von dem Grafen von der Wahl und dem Kommandanten in Soest von mir gehöret hätte: welches alles er nun dergestalt herausstrich, daß alle Zuhörer mich für einen guten Soldaten halten mußten; dabei hielt ich mich so bescheiden, daß der Obrist und seine Leut, die mich zuvor gekannt, nicht anders glauben konnten, als ich wäre mit andern Kleidern auch ein ganz anderer Mensch worden. Und demnach der Obrist auch wissen wollte, woher mir der Nam Doktor zukommen wäre? erzählt ich ihm meine ganze Reis von Paris aus bis nach Philippsburg, und wieviel Bauern ich betrogen, mein Maulfutter zu gewinnen, darüber sie ziemlich lachten. Endlich gestand ich unverhohlen, daß ich willens gewesen, ihn Obristen mit allerhand Bosheiten dergestalt zu pertubiern und abzumatten, daß er mich endlich aus der Garnison hätte schaffen müssen, dafern er anders wegen der vielen Klagen in Ruhe vor mir leben wollen.
Darauf erzählte der Obrist viel Bubenstücklein, die ich begangen, solang ich in der Garnison gewesen, wie ich nämlich Erbsen gesotten, oben mit Schmalz übergössen, und solche für eitel Schmalz verkauft; item ganze Säck voll Sand für Salz, indem ich die Säck unten mit Sand und oben mit Salz gefüllt, sodann, wie ich einem hie, dem andern dort einen Bärn angebunden, und die Leut mit Pasquillen vexiert. Also daß man die ganze Mahlzeit nur von
Nach geendigtem Imbiß hatte der Jud kein Pferd, so meinem Herzbruder für mich gefallen wollte, weil er aber in solcher Aestimation war, daß der Obrist seine Gunst schwerlich entbehren konnte, also verehrte er ihm eins mit Sattel und Zeug aus seinem Stall, auf welches sich Herr Simplicius setzte, und mit seinem Herzbruder freudenvoll zur Festung hinausritt, teils seiner Kameraden riefen ihm nach: »Glück zu Bruder, Glück zu!« teils aber aus Neid: »Je größer Schalk, je größer Glück.«
Handelt von dem Orden der Merode-Brüder
Unterwegs redete Herzbruder mit mir ab, daß ich mich für seinen Vetter ausgeben sollte, damit ich desto mehr geehrt würde, hingegen wollte er mir noch ein Pferd samt einem Knecht verschaffen, und mich zum Neuneckischen Regiment tun, bei dem ich mich als ein Freireuter aufhalten könnte, bis ein Offizierstelle bei der Armee ledig würde, zu der er mir helfen könnte.
Also wurde ich in Eil wieder ein Kerl, der einem braven Soldaten gleichsah, ich tat aber denselben Sommer wenig Taten, als daß ich am Schwarzwald hin und wieder etliche Kühe stehlen half, und mir das Breisgau und Elsaß ziemlich bekannt machte. Im übrigen hatte ich abermal wenig Stern, denn nachdem mir mein Knecht samt dem Pferd bei Kenzingen von den Weimarischen gefangen wurde, mußte ich das ander desto härter strapaziern und endlich gar hinreiten, daß ich mich also in den Orden der Merode-Brüder begeben mußte. Mein Herzbruder hätte mich zwar gern wieder montiert, weil ich aber sobald mit den ersten zweien
Ich muß nur ein wenig erzählen, was die Merode-Brüder für Leut sind, weilen sich ohn Zweifel etliche finden, sonderlich die Kriegsunerfahrnen, so nichts davon wissen: so hab ich bisher noch keinen Skribenten angetroffen, der etwas von ihren Gebräuchen, Gewohnheiten, Rechten und Privilegien seinen Schriften einverleibt hätte, ohnangesehen es wohl wert ist, daß nit allein die jetzigen Feldherrn, sondern auch der Baursmann wisse, was es für ein Zunft sei. Betreffend nun erstlich ihren Namen, will ich nit hoffen, daß es demjenigen tapfern Kavalier, unter dem sie solchen bekommen, ein Schimpf sei, sonst wollte ichs nit einem jeden so öffentlich auf die Nas binden: Ich hab eine Art Schuh gesehen, die hatten anstatt der Löcher krumme Näht, damit sie desto besser durch den Kot stampfen sollten; sollte nur einer deswegen den Mansfelder selbst für einen Pechfarzer schelten, den wollte ich für einen Phantasten halten. Ebenso muß man diesen Namen auch verstehen, der nicht abgehen wird, solang die Teutschen kriegen, es hat aber ein solche Beschaffenheit damit: Als dieser Kavalier einsmals ein neugeworben Regiment zur Armee brachte, waren die Kerl so schwacher baufälliger Natur, wie die französischen Britannier, daß sie also das Marschiern und ander Ungemach, das ein Soldat im Feld ausstehen muß, nit erleiden konnten, derowegen denn ihre Brigade zeitlich so schwach wurde, daß sie kaum die Fähnlein mehr bedecken konnte, und wo man einen oder mehr Kranke und Lahme auf dem Markt, in Häusern und hinter den Zäunen und Hecken antraf und fragte: »Was Regiments?« so war gemeiniglich die Antwort: »Von Merode!« Davon entsprang, daß man endlich alle diejenigen, sie wären gleich krank oder gesund, verwundt oder nit, wenn sie nur außerhalb der Zugordnung daherzottelten, oder sonst nicht bei
Sie wachen nicht, sie schanzen nicht, sie stürmen nicht, und kommen auch in keine Schlachtordnung, und sie ernähren sich doch! Was aber der Feldherr, der Landmann, und die Armada selbst, bei der sich viel solches Gesinds befindet, für Schaden davon haben, ist nicht zu beschreiben. Der heilloseste Reuterjung, der nichts tut als fouragieren, ist dem Feldherrn nützer als tausend Merode-Brüder, die ein Handwerk draus machen, und ohne Not auf der Bärnhaut liegen; sie werden vom Gegenteil hinweggefangen, und von den Baurn an teils Orten auf die Finger geklopft, dadurch wird die Armee gemindert und der Feind gestärkt, und wenngleich ein so liederlicher Schlingel (ich meine nicht die armen Kranken, sondern die unberittenen Reuter, die unachtsamerweis ihre Pferd verderben lassen, und sich auf Merode begeben, damit sie ihre Haut schonen können) durch den Sommer davonkommt, so hat man nichts anders von ihm, als daß man ihn auf den Winter mit großem Kosten wieder montieren muß, damit er künftigen Feldzug wieder etwas zu verlieren habe; man sollte sie zusammkuppeln wie die Windhund, und sie in den Garnisonen kriegen lernen, oder gar auf die Galeern schmieden, wenn sie nit auch zu Fuß im Feld das ihrige tun wollten, bis sie gleichwohl wieder Pferd kriegten. Ich geschweige hier, wie manches Dorf durch sie sowohl unachtsam-als vorsätzlicherweis verbrannt wird, wie manchen Kerl sie von ihrer eigenen Armee absetzen, plündern, heimlich bestehlen, und wohl gar niedermachen, auch wie mancher Spion sich unter ihnen aufhalten kann, wenn er nämlich nur ein Regiment und Kompagnie aus der Armada zu nennen weiß. Ein solcher ehrbarer Bruder nun war ich damals auch, und verbliebs bis den Tag vor der Wittenweirer Schlacht, zu welcher Zeit das Hauptquartier in Schuttern war; denn als ich damals
Ein gefährlicher Zweikampf um Leib und Leben, in welchem doch jeder dem Tod entrinnet
Ich konnte damals greifen, daß ich nur zum Unglück geboren, denn ungefähr vier Wochen zuvor, ehe das gedachte Treffen geschah, hörete ich etliche Götzische gemeine Offizier von ihrem Krieg diskurieren, da sagte einer: »Ohngeschlagen gehets diesen Sommer nicht ab! Schlagen wir dann den Feind, so müssen wir den künftigen Winter Freiburg und die Waldstädt einnehmen; kriegen wir aber Stöß, so kriegen wir auch Winterquartier.« Auf diese Prophezei machte ich meinen richtigen Schluß, und sagte bei mir selbst: »Nun freue dich Simplici, du wirst künftigen Frühling guten See- und Neckarwein trinken, und genießen, was die Weimarischen verdienen werden.« Aber ich betrog mich weit, denn weil ich nunmehr weimarisch war, so war ich auch prädestiniert, Breisach belagern zu helfen, maßen solche Belagerung gleich nach mehrbemeldter Wittenweirer Schlacht völlig ins Werk gesetzt wurde, da ich denn wie andere Musketier Tag und Nacht wachen und schanzen mußte, und nichts davon hatte, als daß ich lernte, wie man mit den Approchen einer Festung zusetzen muß, darauf ich vor Magdeburg wenig Achtung geben. Im übrigen aber war es lausig bei mir bestellt, weil je zwo oder drei aufeinander saßen, der Beutel war leer, Wein, Bier und Fleisch ein Rarität, Äpfel und halb Brot genug mein bestes Wildbret.
Solches war mir sauer zu ertragen, Ursach, wenn ich zurück
Ungefähr eine Woch oder vier vor Weihnachten marschiert ich mit einem guten Feurrohr vom Lager ab, das Breisgau hinunter, der Meinung, selbige Weihnacht-Meß zu Straßburg zwanzig Taler, von meinem Schwähr übermacht, zu empfangen, und mich mit Kaufleuten den Rhein hinunter zu begeben, da es doch unterwegs viel kaiserliche Garnisonen hatte: Als ich aber bei Endingen vorbeipassiert', und zu einem einzigen Haus kam, geschah ein Schuß nach mir, so daß mir die Kugel den Rand am Hut verletzt', und gleich darauf sprang ein starker vierschrötiger Kerl aus dem Haus auf mich los, der schrie, ich sollte das Gewehr ablegen; ich antwort: »Bei Gott Landsmann, dir zu Gefallen nicht«, und zog den Hahnen über; er aber wischte mit einem Ding von Leder, das mehr einem Henkersschwert als Degen gleichsah, und eilete damit auf mich zu: Wie ich nun seinen Ernst spürte, schlug ich an, und traf ihn dergestalt an die Stirn, daß er herumdurmelte, und endlich zu Boden fiel; dieses mir zunutz zu machen, rang ich ihm geschwind sein Schwert aus der Faust, und wollts ihm in Leib stoßen; da es aber nicht durchgehen wollte, sprang er wieder unversehens auf die Füß, erwischte mich beim Haar, und ich ihn auch, sein Schwert aber hatte ich schon weggeworfen, darauf fingen wir ein solch ernstlich Spiel
Die Ringkunst, darin ich mich zu L. oft übte, kam mir damals wohl zustatten, sonst hätte ich ohne Zweifel eingebüßt, denn mein Feind war viel stärker als ich, und überdas eisenfest. Als wir einander fast tödlich abgemattet, sagte er endlich: »Bruder, hör auf, ich ergeb mich dir zu eigen!« Ich sagte: »Du solltest mich anfänglich haben passieren lassen.« »Was hast du mehr«, antwortet' jener, »wenn ich gleich sterbe?« »Und was hättest du gehabt,« sagte ich, »wenn du mich hättest niedergeschossen, sintemal ich kein Heller Geld bei mir hab!« Darauf bat er um Verzeihung, und ich mich erweichen, und ihn aufstehen ließ, nachdem er mir zuvor teur geschworen, daß er nit allein Frieden halten, sondern auch mein treuer Freund und Diener sein wollte. Ich hätte ihm aber weder geglaubt noch getraut, wenn mir seine verübten leichtfertigen Handlungen bekannt gewesen wären.
Da wir nun beide auf waren, gaben wir einander die Händ, daß alles was geschehen, vergessen sein sollte, und verwunderte sich einer über den andern, daß er seinen Meister gefunden, denn jener meinte, ich sei auch mit einer solchen Schelmenhaut wie er überzogen gewesen; ich ließ ihn auch dabei bleiben, damit, wenn er sein Gewehr bekäme, sich nicht noch einmal an mich reiben dürfte. Er hatte von meinem Schuß ein große Beul an der Stirn, und ich hatte mich sehr verblutet, doch klagte keiner mehr als den
Weil es denn gegen Abend war, und mir mein Gegenteil erzählen tat, daß ich bis an die Kinzig weder Hund noch Katz, viel weniger einen Menschen antreffen würde, er aber hingegen ohnweit von der Straß in einem abgelegenen Häuslein ein gut Stück Fleisch und einen Trunk zum besten hätte. Also ließ ich mich überreden, und ging mit ihm, da er denn unterwegs oft mit Seufzern bezeugte, wie leid ihm sei, daß er mich beleidigt habe.
Wie Olivier seine buschklöpferischen Übeltaten noch wohl zu entschuldigen vermeinte
Ein resoluter Soldat, der sich darein ergeben, sein Leben zu wagen, und gering zu achten, ist wohl ein dummes Vieh! Man hätte tausend Kerl gefunden, darunter kein einziger das Herz gehabt hätte, mit einem solchen, der ihn erst als ein Mörder angegriffen, an ein unbekannt Ort zu Gast zu gehen: Ich fragt ihn auf dem Weg, was Volks er sei? da sagte er, er hätte für diesmal keinen Herrn, sondern kriege für sich selbst, und fragte zugleich, was Volks denn ich sei? Ich sagte, daß ich weimarisch gewesen, nunmehr aber mein Abschied hätte, und gesinnet wäre, mich nach Haus zu begeben; Darauf fragte er, wie ich hieße? und da ich antwortet: »Simplicius«, kehrt' er sich um (denn ich ließ ihn vorangehen, weil ich ihm nit traute) und sah mir steif ins Gesicht: »Heißt du nicht auch Simplicissimus?« »Ja«, antwortet ich, »der ist ein Schelm der seinen Namen verleugnet, wie heißt aber du?« »Ach Bruder«, antwortet' er, »so bin ich Olivier, den du wohl vor Magdeburg wirst gekannt haben«; warf damit sein Rohr von sich, und fiel auf die Knie nieder, mich um Verzeihung zu bitten, daß er mich so übel gemeint hätte, sagend, er könnte sich wohl einbilden, daß er keinen bessern Freund in der Welt bekomme, als er an mir einen haben
In solchem Diskurs passierten wir, da es eben Nacht worden, in ein klein abgelegen Taglöhnerhäuslein; und ob mir zwar solche Prahlerei nit gefiel, so gab ich ihm doch recht, vornehmlich weil mir sein schelmisch falsch Gemüt bekannt war, und ob ich ihm zwar im geringsten nichts Guts zutraute, so ging ich doch mit ihm in besagtes Häuslein, in welchem ein Baur eben die Stub einhitzte, zu dem sagte er: »Hast du etwas gekocht?« »Nein«, sagt' der Baur, »ich hab ja den gebratenen Kalbsschlegel noch, den ich heute von Waldkirch brachte;« »Nun denn«, antwort Olivier, »so gehe, und lang her was du hast, und bringe zugleich das Fäßlein Wein mit.«
Als der Baur fort war, sagte ich zu Olivier: »Bruder (ich nannt ihn so, damit ich desto sicherer vor ihm wäre), du hast einen willigen Wirt!« »Das dank«, sagte er, »dem Schelmen der Teufel, ich ernähr ihn ja mit Weib und Kind, und er macht noch dazu für sich selbst gute Beuten, ich lasse ihm alle Kleider, die ich erobere, solche zu seinem Nutzen anzuwenden.« Ich fragte, wo er denn sein Weib und Kind hätte? da sagte Olivier, daß er sie nach Freiburg geflehnt, die er alle Woch zweimal besuche, und ihm von dort aus sowohl die Victualia als Kraut und Lot zubringe. Ferner berichtet' er mich, daß er diese Freibeuterei schon lang getrieben, und ihm besser zuschlage, als wenn er einem Herrn diene, er gedächte auch nit aufzuhören, bis er seinen Beutel rechtschaffen gespickt hätte. Ich sagte: »Bruder, du lebest in einem gefährlichen Stand, und wenn du über solcher Rauberei ergriffen würdest, wie meinst du wohl, daß
Hierauf antwortet ich: »Gesetzt, Rauben und Stehlen sei dir erlaubt oder nicht, so weiß ich gleichwohl, daß es wider das Gesetz der Natur ist, das da nicht will, daß einer einem andern tun solle, das er nicht will, daß es ihm geschehe; So ist solche Unbilligkeit auch wider die weltlichen Gesetz, welche befehlen, daß die Dieb gehängt, die Räuber geköpft, und die Mörder geradbrecht werden sollen; Und letztlich so ist es auch wider Gott, so das Vornehmste ist, weil er keine Sünde ungestraft läßt.« »Es ist, wie ich vor gesagt«, antwort Olivier, »du bist noch Simplicius, der den Machiavellum noch nit studiert hat; könnte ich aber auf solche Art eine Monarchiam aufrichten, so wollte ich sehen, wer mir alsdann viel dawider predigte.« Wir hätten noch mehr miteinander disputiert, weil aber der Baur mit dem Essen und Trinken kam, saßen wir zusammen, und stillten unsere Mägen, dessen ich denn trefflich hoch vonnöten hatte.
Wie er Herzbruders Weissagung zu seinem Vorteil auslegt, und deswegen seinen ärgsten Feind liebet
Unser Essen war weiß Brot und ein gebratener kalter Kalbsschlegel, dabei hatten wir einen guten Trunk Wein, und ein warme Stub. »Gelt Simplici«, sagt' Olivier, »hier ists besser, als vor Breisach in den Laufgräben?« Ich sagte: »Das wohl, wenn man solch Leben mit gewisser Sicherheit und bessern Ehren zu genießen hätte.« Darüber lachte er überlaut, und sagte: »Sind denn die armen Teufel in den Laufgräben sicherer als wir, die sich all Augenblick eines Ausfalls besorgen müssen? Mein lieber Simplici, ich sehe zwar wohl, daß du deine Narrnkapp abgelegt, hingegen
Indessen plagten mich die Müllerflöhe trefflich, deren ich eine ziemliche Quantität von Breisach mit mir gebracht hatte, denn sie wollten sich in der Wärme nicht mehr in meinen Lumpen behelfen, sondern spazierten heraus, sich auch lustig zu machen. Dieses nahm Olivier an mir gewahr, und fragte, ob ich Laus hätte? Ich sagte: »Ja freilich, mehr als ich mein Lebtag Dukaten zu bekommen getraue.« »So mußt du nit reden«, sagte Olivier, »wenn du bei mir bleibest, so kannst du noch wohl mehr Dukaten kriegen, als du jetzt Läus hast.« Ich antwortet: »Das ist so unmöglich, als ich jetzt meine Läus abschaffen kann.« »O ja«, sagte er, »es ist beides möglich«, und befahl gleich dem Baurn, mir
Simplicii Gedanken sind andächtiger, wenn er auf die Rauberei gehet, als des Oliviers in der Kirchen
Am Morgen gegen Tag sagte Olivier: »Auf Simplici, wir wollen in Gottes Namen hinaus, zu sehen, was etwa zu bekommen sein möchte.« »Ach Gott«, gedacht ich, »soll ich denn nun in deinem hochheiligen Namen auf die Rauberei gehen? und bin hiebevor, nachdem ich von meinem Einsiedel kam, nit so kühn gewesen, ohne Erstaunen zuzuhören, wenn einer zum andern sagte: ›Komm Bruder, wir wollen in Gottes Namen ein Maß Wein miteinander saufen‹; weil ichs für eine doppelte Sünd hielt, wann einer in deinem Namen sich vollsöffe. O himmlischer Vater, wie hab ich mich verändert! O getreuer Gott, was wird endlich aus mir werden, wenn ich nicht wieder umkehre? Ach hemme meinen Lauf, der mich so richtig zur Höllen bringt, da ich nit Buß tue!« Mit dergleichen Worten und Gedanken folgete ich Olivier in ein Dorf, darinnen kein lebendige Kreatur war, da stiegen wir des fernen Aussehens halber auf den Kirchturm; Auf demselben hatte er die Strümpf und Schuh verborgen, die er mir den Abend zuvor versprochen, daneben zwei Laib Brot, etlich Stück gesotten dörr Fleisch, und ein Fäßlein halb voll Wein im Vorrat, mit welchem er sich allein gern acht Tag hätte behelfen können. Indem ich nun meine Verehrung anzog, erzählt' er mir, daß er an diesem Ort pflege aufzupassen, wenn er eine gute Beut zu holen gedächte, deswegen er sich denn so wohl proviantiert, mit dem Anhang, daß er noch etlich solcher Örter
Ich hätte dem Olivier gern geantwort, daß solches auch liederliche Leut wären, sowohl als er, welche die Kirchen verunehren, und daß dieselbigen ihren Lohn schon drum finden würden; Weil ich ihm aber ohnedas nicht traute, und ungern noch einmal mit ihm gestritten hätte, ließ ich ihn recht haben. Hernach begehrte er, ich wollte ihm erzählen, wie mirs ergangen, seit wir vor Wittstock voneinander kommen, und dann warum ich Narrnkleider angehabt, als ich im Magdeburgischen Lager angelangt? Weil ich aber wegen Halsschmerzen gar zu unlustig, entschuldigte ich mich, mit Bitt, er wollte mir doch zuvor seinen Lebenslauf erzählen, der vielleicht possierliche Schnitz in sich hielte; dies sagte er mir zu, und fing sein ruchlos Leben nachfolgendergestalt an zu erzählen.
Olivier erzählt sein Herkommen, und wie er sich in seiner Jugend, vornehmlich aber in der Schul gehalten
»Mein Vater«, sagte Olivier, »ist unweit der Stadt Aachen von geringen Leuten geboren worden, derowegen er denn bei einem reichen Kaufmann, der mit dem Kupferhandel schacherte, in seiner Jugend dienen mußte; bei demselben hielt er sich so fein, daß er ihn schreiben, lesen und rechnen lernen ließ, und ihn über seinen ganzen Handel setzte, wie Potiphar den Joseph; Dies schlug auch beiden Teilen wohl zu, denn der Kaufmann wurde wegen meines Vaters Fleiß
Ehe ich das siebente Jahr völlig überlebte, erzeigte sich schon, was aus mir werden wollte, denn was zur Nessel werden soll, brennt beizeiten; kein Schelmstück war mir zuviel, und wo ich einem konnte einen Possen reißen, unterließ ichs nicht, da mich weder Vater noch Mutter hierum strafte; ich terminierte mit meinesgleichen bösen Buben durch dünn und dick auf der Gassen herum, und hatte schon das Herz, mit stärkern als ich war herumzuschlagen, kriegte ich dann Stöß, so sagten meine Eltern: ›Was ist das? soll so ein großer Flegel sich mit einem Kind schlagen?‹ Überwand denn ich (maßen ich kratzte, biß und warf) so sagten sie: ›Unser Olivierchen wird ein braver Kerl werden!‹ Davon wuchs mir der Mut, zum Beten war ich noch zu klein, wenn ich aber fluchte wie ein Fuhrmann, so hieß, ich verstünde es nicht: Also wurde ich immer ärger,
Wie er zu Lüttich studiert, und sich daselbst gehalten habe
»Weilen sich meines Vaters Reichtum täglich mehrte, also bekam er auch desto mehr Schmarotzer und Fuchsschwänzer, die meinen guten Kopf zum Studieren trefflich lobten, sonsten aber alle meine Untugenden verschwiegen, oder aufs wenigst zu entschuldigen wußten, denn sie spürten
Ermeldter mein Präzeptor aber war dieser Instruktion unbedürftig, sondern von sich selbsten auf alle Büberei geneigt, was hätte er mir denn solche verbieten, oder mich um meine geringen Fehler hart halten sollen, da er selbst gröbere beging; Aufs Buhlen und Saufen war er am meisten geneigt, ich aber von Natur aufs Balgen und Schlagen, daher ging ich schon bei Nacht mit ihm und seinesgleichen gassatim, und lernete ihm in Kürze mehr Untugenden als Latein ab. Soviel das Studiern anbelangt, verließ ich mich auf mein gut Gedächtnis und scharfen Verstand, und war deswegen desto fahrlässiger, im übrigen aber in allen Lastern, Bubenstücken und Mutwillen ersoffen, mein Gewissen war bereits so weit, daß ein großer Heuwagen hindurch hätte fahren mögen: Ich fragte nichts danach, wenn ich in der Kirch unter der Predigt den Bernium, Burchiellum oder den Aretinum las, und hörte nichts liebers vom ganzen Gottesdienst, als wenn man sagt': Ite missa est. Daneben dünkte ich mich keine Sau zu sein, sondern hielt mich recht stutzerisch, alle Tag war mirs Martinsabend oder Faßnacht, und weil ich mich dergestalt hielt wie ein gemachter Herr, und nicht nur das, so mein Vater zur Notdurft reichlich schickte, sondern auch meiner Mutter fette Milchpfennig tapfer durchgehen ließ, lockte uns auch das Frauenzimmer an sich, sonderlich meinen Praeceptorem, bei diesen Schleppsäcken lernete ich löffeln, buhlen und spielen; hadern, balgen
Als wir nun einsmals, unserer Gewohnheit nach, bei der Nacht herumschlingelten, den Studenten ihre Mäntel hinwegzuvulpiniern, wurden wir überwunden, mein Präzeptor erstochen, und ich neben andern fünfen, die rechte Spitzbuben waren, ertappt und eingezogen: Als wir nun den folgenden Tag examiniert wurden, und ich meines Vaters Faktor nannte, der ein ansehnlicher Mann war, wurde derselbe beschickt, meinetwegen befragt, und ich auf seine Verbürgung losgelassen, doch daß ich bis auf weitern Bescheid in seinem Haus im Arrest verbleiben sollte; indessen wurde mein Präzeptor begraben, jene fünf als Spitzbuben, Räuber und Mörder gestraft, mein Vater aber berichtet, wie mein Handel stünde; der kam eiligst selbst auf Lüttich, richtete meine Sach mit Geld aus, hielt mir eine scharfe Predigt, und verwies mir, was ich ihm für Kreuz und Unglück machte, item daß sich meine Mutter stelle, als ob sie wegen meines Übelverhaltens verzweifeln wollte, bedrohete mich auch, dafern ich mich nit besserte, daß er mich enterben, und vorn Teufel hinwegjagen wollte. Ich versprach Besserung, und ritt mit ihm nach Haus; und also hat mein Studiern ein End genommen.«
Heimkunft und Abschied des ehrbaren Studiosi, und wie er im Krieg seine Beförderung gesucht
»Da mich mein Vater heimbrachte, befand er, daß ich in Grund verderbt wäre; ich war kein ehrbarer Domine worden, als er wohl gehofft hatte, sondern ein Disputierer und Schnarcher, der sich einbildete, er verstehe trefflich viel! Ich war kaum ein wenig daheim erwarmt, als er zu mir sagte: ›Höre Olivier, ich sehe deine Eselsohren je länger je mehr hervorragen, du bist ein unnütze Last der Erden, ein Schlingel, der nirgends zu mehr taug! ein Handwerk zu lernen bist du zu groß, einem Herrn zu dienen bist du zu flegelhaftig, und meine Hantierung zu begreifen und zu treiben bist du nichts nutz. Ach was hab ich doch mit meinem großen Kosten, den ich an dich gewendet, ausgericht? Ich hab gehofft, Freud an dir zu erleben, und dich zum Mann zu machen, so hab ich dich hingegen jetzt aus des Henkers Händen kaufen müssen: Pfui der Schand! Das beste wirds sein, daß ich dich in eine Kalmusmühl tue, und Miseriam cum aceto schmelzen lasse, bis dir ohnedas ein besser Glück aufstößt, wenn du dein übel Verhalten abgebüßt haben würdest.‹
Solche und dergleichen Lectiones mußte ich täglich hören, bis ich zuletzt auch ungeduldig wurde, und zu meinem Vater sagte: Ich wäre an allem nit schuldig, sondern er und mein Präzeptor, der mich verführet hätte; daß er keine Freud an mir erlebe, wäre billig, sintemal seine Eltern sich auch seiner nicht zu erfreuen, als die er gleichsam im Bettel verhungern lasse. Er aber ertappte einen Prügel, und wollte mir um meine Wahrsagung lohnen, hoch und teur sich verschwörend, er wollte mich nach Amsterdam ins Zuchthaus tun. Da ging ich durch, und verfügte mich selbige Nacht auf seinen unlängst erkauften Meierhof, sah meinen Vorteil aus, und ritt seinem Meier den besten Hengst auf Köln zu, den er im Stall hatte.
Denselben versilberte ich, und kam abermal in eine Gesellschaft
Nachgehends stand es nicht lang an, daß meinem Obristen sein Schreiber mit Tod abging, an dessen Statt er mich zu sich nahm, maßen dir bewußt: Damal fing ich an hohe Gedanken zu machen, der Hoffnung, von einer Staffel zur andern höher zu steigen, und endlich gar zu einem General zu werden: Ich lernete von unserm Secretario, wie ich mich halten sollte, und mein Vorsatz groß zu werden verursachte, daß ich mich ehrbar und reputierlich einstellte, und nit mehr, wie hiebevor meiner Art nach, mich mit Lumpenpossen schleppte; es wollte aber gleichwohl nicht hotten, bis unser Secretarius starb, da gedacht ich, du mußt sehen, daß du dessen Stell bekommst; ich spendierte wo ich konnte, denn als meine Mutter erfuhr, daß ich anfing gut zu
Wie des Herzbruders Prophezei Simplicius dem Olivier erfüllt, als keiner den andern kannte
Es wurde mir grün und gelb vor den Augen, als ich aus Oliviers eigenem Maul hören mußte, wie er mit meinem allerwertesten Freund umgangen, und gleichwohl keine Rach vornehmen durfte, ich mußte noch dazu mein Anliegen verbeißen, damit ers nit merkte, sagte derowegen, er sollte mir auch erzählen, wie es ihm nach der Schlacht vor Wittstock ferner ergangen wäre?
»In demselben Treffen«, sagte Olivier, »hielt ich mich nicht wie ein Federspitzer, der nur auf das Tintenfaß bestellt
Also wurde ich nun wie andere Gefangene unter ein Regiment zu Fuß gestoßen, welches sich wieder zu erholen nach Pommern gelegt wurde, und demnach es viel neugeworbene Bursch gab, ich aber eine treffliche Courage verspüren ließ, wurde ich zum Korporal gemacht; aber ich gedacht da nit lang Mist zu machen, sondern bald wieder unter die Kaiserlichen zu kommen, als deren Partei ich besser affektioniert war, da ich doch ohne Zweifel bei den Schweden bessere Beförderung gefunden hätte. Mein Ausreißen setzte ich folgendergestalt ins Werk: Ich wurde mit sieben Musketiern ausgeschickt, in unsern abgelegenen Quartiern die ausständige Kontribution zu erpressen; als ich nun über achthundert Gulden zuwege gebracht, zeigte ich meinen Burschen das Geld, und machte ihre Augen nach demselben lüsternd, also daß wir des Handels miteinander eins wurden, solches unter uns zu teilen, und damit durchzugehen; Als solches geschehen, persuadiert ich ihrer drei, daß sie mir halfen die andern vier totschießen, und nach solcher Verrichtung teilten wir das Geld, nämlich jedem zweihundert Gulden, damit marschierten wir gegen Westfalen; unterwegs überredt ich noch einen aus denselben dreien, daß er auch die zween übrigen niederschießen half, und als wir das Geld abermal miteinander teilen sollten, er würgte ich den letzten auch, und kam mit dem Geld glücklich nach Werl, allwo ich mich unterhalten ließ, und mit diesem Geld ziemlich lustig machte.
Als solches auf die Neige ging, und ich ein als den andern
Doch konnte ich seiner List nicht entgehen, denn er praktizierte mich mit Hilf seines Knechts in eine Schäferei, samt meinem Kameraden, und wollte mich zwingen, ich sollte daselbst beim Mondenschein, in Gegenwart zweier leibhafter Teufel, die er als Sekundanten bei sich hatte, mit ihm raufen; Weil ichs aber nicht tun wollte, zwangen sie mich zu der spöttlichsten Sach von der Welt, so mein Kamerad unter die Leute bracht, davon ich mich dergestalt schämte, daß ich von dort hinweg auf Lippstadt lief, und bei den Hessen Dienst nahm, verblieb aber auch daselbst nicht lang, weil man mir nit traute, sondern trabte fürders in holländische Dienste, allwo ich zwar richtigere Bezahlung: aber einen langweiligen Krieg für mein Humor fand, denn da wurden wir eingehalten wie die Mönche, und sollten züchtig leben als die Nonnen.
Weil ich mich denn nun weder unter Kaiserlich-, Schwedisch-, noch Hessischen nicht mehr durfte sehen lassen, ich hätte mich denn mutwillig in Gefahr geben wollen, indem ich bei allen dreien ausgerissen, zumal unter den Holländern nicht länger zu bleiben hatte, weil ich ein Mägdlein mit Gewalt entunehrt hatte, welches allem Ansehen nach in Bälde seinen Ausbruch nehmen würde, gedachte ich meine Zuflucht bei den Spanischen zu haben, der Hoffnung, von denselben heimzugehen, und zu sehen, was meine Eltern
Wie es einem gehet, und was es sei, wenn es ihm hund- oder katzenübel geht
Als Olivier seinen Diskurs dergestalt vollführete, konnte ich mich nicht genugsam über die göttliche Vorsehung verwundern! Ich konnte greifen, wie mich der liebe Gott hiebevor in Westfalen vor diesem Unmenschen nit allein väterlich bewahret, sondern noch dazu versehen hatte, daß er sich
Ich glaube gänzlich, daß ich von Mutterleib an zu einem gezeichneten Angesicht prädestinieret gewesen sei, denn gleich in meiner Jugend wurde ich von meinesgleichen Schülerjungen so zerkratzt, wenn ich mit ihnen rupfte; so hielt mich auch einer von den Teufeln, die dem Jäger von Soest aufwarteten, überaus hart, maßen man seine Klauen
Ein Stücklein, zum Exempel desjenigen Handwerks, das Olivier trieb, worin er ein Meister war, und Simplicius ein Lehrjung sein sollte
Ich hätte über dieser des Oliviers Erzählung gern gelacht, und mußte mich doch mitleidenlich erzeigen; und als ich eben auch anfing meinen Lebenslauf zu erzählen, sahen wir eine Kutsche samt zweien Reutern das Land heraufkommen, derohalben stiegen wir vom Kirchturm, und setzten uns in ein Haus das an der Straß lag, und sehr bequem war die Vorüberreisenden anzugreifen; mein Rohr mußte ich zum Vorrat geladen behalten, Olivier aber legte mit seinem Schuß gleich den einen Reuter und das Pferd, ehe sie unserer innewurden, weswegen denn der ander gleich durchging, und indem ich mit übergezognem Hahnen den Kutscher halten und absteigen gemacht, sprang Olivier auf ihn dar, und spaltete ihm mit seinem breiten Schwert den Kopf voneinander bis auf die Zähne hinunter, wollte auch gleich darauf das Frauenzimmer und die Kinder metzgen, die in der Kutschen saßen, und bereits mehr den toten Leichen als den Lebenden gleichsahen; ich aber wollte es rund nicht gestatten, sondern sagte, wofern er solches ja ins Werk setzen wollte, müßte er mich zuvor erwürgen. »Ach!« sagte er, »du närrischer Simplici, ich hätte mein Tage nicht gemeinet, daß du so ein heilloser Kerl wärest, wie du dich anläßt.« Ich antwortet: »Bruder, was willst du die unschuldigen Kinder zeihen, wenns Kerl wären die sich wehren könnten, so wärs ein anders.« »Was«, antwortet' er, »Eier in die Pfannen, so werden keine Jungen draus; ich kenne diese jungen Blutsauger wohl, ihr Vater der Major ist ein rechter Schindhund, und der ärgste Wamsklopfer von der Welt.« Und mit solchen Worten wollte er immer fortwürgen, doch enthielt ich ihn so lang, bis er sich endlich erweichen ließ; es waren aber eines Majors Weib, ihre Mägd, und drei schöne Kinder, die mich von Herzen daureten, diese sperreten wir in einen Keller,
Als wir solche angebunden hatten, und ich mich ein wenig umschauete, sah ich ohnweit von uns einen Kerl stockstill an einem Baum stehen, solchen wies ich dem Olivier, und vermeinte es wäre sich vorzusehen. »Ha Narr!« antwortet' er, »es ist ein Jud, den hab ich hingebunden, der Schelm ist aber vorlängst erfroren und verreckt«, und indem ging er zu ihm, klopfte ihm mit der Hand unten ans Kinn, und sagte: »Ha! du Hund hast mir auch viel schöne Dukaten gebracht«, und als er ihm dergestalt das Kinn bewegte, rollten ihm noch etliche Dublonen zum Maul heraus, welche der arm Schelm noch bis in seinen Tod davongebracht hatte; Olivier griff ihm darauf in das Maul, und brachte zwölf Dublonen und einen köstlichen Rubin zusammen. »Diese Beut«, sagte er, »hab ich dir Simplici zu danken«, schenkte mir darauf den Rubin, stieß das Geld zu sich, und ging hin seinen Bauren zu holen, mit Befehl, ich sollte indessen bei den Pferden verbleiben, sollte aber wohl zusehen, daß mich der tote Jud nicht beiße, womit er mir verwies, daß ich kein solche Courage hätte wie er.
Als er nun nach dem Bauren aus war, machte ich indessen sorgsame Gedanken, und betrachtete, in was für einem gefährlichen Stand ich lebte; Ich nahm mir vor, auf ein Pferd zu sitzen und durchzugehen, besorgte aber, Olivier möchte mich über der Arbeit ertappen, und erst niederschießen, denn ich argwöhnte, daß er meine Beständigkeit für diesmal nur probiere, und irgends stehe mir aufzupassen; bald gedacht ich zu Fuß davonzulaufen, mußte aber doch sorgen, wenn ich dem Olivier gleich entkäme, daß ich nichtsdestoweniger den Baurn auf dem Schwarzwald, die damals im Ruf waren, daß sie den Soldaten auf die Hauben klopften, nicht entrinnen würde können. ›Nimmst du aber‹, gedacht ich, ›alle Pferd mit dir, auf daß Olivier kein Mittel hat, dir
Wir bankettierten edelmännisch, und ich ließ mir die guten Waldforellen und köstlichen Krebs daselbst wohl schmecken; Wie es nun Abend wurde, so machten wir uns wieder auf den Weg, hatten unsern Baurn mit Gebratens und andern Victualien wie einen Esel beladen, damit kamen wir den andern Tag auf einen einzeln Baurnhof, allwo wir freundlich bewillkommt und aufgenommen wurden, und uns wegen ungestümen Wetters ein paar Tag aufhielten, folgends kamen wir durch lauter Wald und Abweg wieder in eben dasjenige Häuslein, dahin mich Olivier anfänglich führte, als er mich zu sich bekam.
Olivier beißt ins Gras, und nimmt noch ihrer sechs mit sich
Wie wir nun so da saßen, unserer Leiber zu pflegen und auszuruhen, schickte Olivier den Baurn aus, Essenspeis samt etwas von Kraut und Lot einzukaufen; Als selbiger hinweg, zog er seinen Rock aus, und sagte zu mir: »Bruder, ich mag das Teufelsgeld nit mehr allein so herumschleppen«, band demnach ein paar Würste oder Wülst, die er auf bloßem Leib trug, herunter, warf sie auf den Tisch, und sagte ferner: »Du wirst dich hiemit bemühen müssen, bis ich einmal Feierabend mache, und wir beide genug haben, das Donnersgeld hat mir Beulen gedrückt!« Ich antwortete: »Bruder, hättest du so wenig als ich, so würde es dich nit drücken.« »Was?« fiel er mir in die Red, »was mein ist, das ist auch dein, und was wir ferner miteinander erobern, soll gleiche Part gelten.« Ich ergriff beide Wülste, und befand sie trefflich gewichtig, weil es lauter Goldsorten warn; Ich sagte, es sei alles gar unbequem gepackt, da es ihm gefiel, wollte ichs also einnähen, daß einen das Tragen nit halb so saur ankäme. Als er mirs heimstellte, ging ich mit ihm in
Als dies geschehen, und das Geld eingepackt war, gingen wir nach unserm Logiment, darin wir dieselbe Nacht über kochten, und uns beim Ofen ausbäheten: Und demnach es eine Stund Tag war, kamen, als wir uns dessen am wenigsten versahen, sechs Musketier samt einem Korporal, mit fertigem Gewehr und aufgepaßten Lunten ins Häuslein, stießen die Stubentür auf, und schrien: Wir sollten uns gefangen geben! Aber Olivier (der sowohl als ich jederzeit seine gespannte Muskete neben sich liegen, und sein scharf Schwert allzeit an der Seiten hatte, und damals eben hinterm Tisch saß, gleichwie ich hinter der Tür beim Ofen stand) antwortet' ihnen mit einem Paar Kugeln, durch welche er gleich zween zu Boden fällte, ich aber erlegte den dritten, und beschädigte den vierten durch einen gleichmäßigen Schuß; darauf wischte Olivier mit seinem notfesten Schwert, welches Haar schor, und wohl des Königs Arturi in England Caliburn verglichen werden möchte, von Leder, und hieb den fünften von der Achsel an bis auf den Bauch hinunter, daß ihm das Ingeweid heraus, und er neben demselben daniederfiel, indessen schlug ich den sechsten mit meinem umgekehrten Feurrohr auf den Kopf, daß er alle vier von sich streckte; einen solchen Streich kriegte Olivier von dem siebenten, und zwar mit solcher Gewalt, daß ihm das Hirn herausspritzte, ich aber traf denselben, ders ihm getan, wiederum dermaßen, daß er gleich seinen Kameraden am Totenreihen Gesellschaft leisten mußte; Als der Beschädigte, den ich anfänglich durch meinen Schuß getroffen, dieser
Da ich nun solchergestalt allein Meister auf dem Platz blieb, beschaute ich den Olivier, ob er vielleicht noch einen lebendigen Atem in sich hätte; da ich ihn aber ganz entseelet befand, dünkte mich ungereimt zu sein, einem toten Körper soviel Golds zu lassen, dessen er nit vonnöten, zog ihm derwegen das gülden Fell ab, so ich erst gestern gemacht hatte, und hing es auch an Hals zu dem andern. Und demnach ich mein Rohr zerschlagen hatte, nahm ich Oliviers Muskete und Schwert zu mir, mit demselben versah ich mich auf allen Notfall, und machte mich aus dem Staub, und zwar auf den Weg, da ich wußte, daß unser Baur darauf herkommen müßte; ich setzte mich beiseit an ein Ort, seiner zu erwarten, und mich zugleich zu bedenken, was ich ferner anfangen wollte.
Simplicius kommt reich davon, hingegen zieht Herzbruder sehr elend auf
Ich saß kaum ein halbe Stund in meinen Gedanken, so kam unser Baur daher, und schnaubte wie ein Bär, er lief von allen Kräften, und wurde meiner nit gewahr, bis ich ihm auf den Leib kam. »Warum so schnell«, sagte ich, »was Neues?« Er antwort: »Geschwind macht Euch abweg! es kommt ein Korporal mit sechs Musketiern, die sollen Euch und den Olivier aufheben, und entweder tot oder lebendig nach Lichteneck liefern, sie haben mich gefangen gehabt, daß ich sie zu Euch führen sollte, bin ihnen aber glücklich entronnen, und hieher kommen, Euch zu warnen.« Ich gedachte: ›O Schelm, du hast uns verraten, damit dir Oliviers Geld, so im Baum liegt, zuteil werden möge‹,
Ich hielt es für ein glücklich Omen, daß man die Pfort eben öffnete, als ich vor Villingen kam; der Offizier von der Wacht examinierte mich, und als er vernahm, daß ich mich für einen Freireuter ausgab, von demjenigen Regiment, wobei mich Herzbruder getan, als er mich zu Philippsburg von der Muskete erlöste, wie auch, daß ich aus dem Lager vor Breisach von den Weimarischen herkäme, unter welche
Er fing an, mich zu examinieren, und meine Aussag war wie unterm Tor; hernach fragte er mich sonderliche Partikularitäten von der Belagerung und sonsten, und damit bekannte ich alles, wie daß ich nämlich ein Tag oder vierzehen mich bei einem Kerl aufgehalten, der auch durchgangen, und mit demselben eine Kutsche angegriffen und geplündert hätte, der Meinung, von den Weimarischen so viel Beuten zu holen, daß wir uns daraus beritten machen, und rechtschaffen montiert wieder zu unsern Regimentern kommen möchten, wir seien aber erst gestern von einem Korporal mit noch sechs andern Kerlen, die uns aufheben sollen, überfallen worden, dadurch mein Kamerad mit noch sechsen vom Gegenteil auf dem Platz geblieben, der siebent aber sowohl als ich, und zwar jeder zu seiner Partei, entlaufen sei; von dem aber, daß ich nach L. in Westfalen zu meinem Weib gewollt, und daß ich zwei so wohlgefütterte Hinter- und Vorderstück anhatte, schwieg ich stockstill, und zwar so machte ich mir auch kein Gewissen darum, daß ichs verhehlete, denn was gings ihn an? Er fragte mich auch nit einmal darum, sondern verwunderte sich vielmehr, und wollts fast nit glauben, daß ich und Olivier sollten sechs Mann niedergemacht, und den siebenten verjagt haben, obzwar mein Kamerad mit eingebüßt. Mit solchem Gespräch gabs Gelegenheit von Oliviers Schwert zu reden, so ich lobte, und an der Seiten hatte; das gefiel ihm so wohl, daß ichs ihm, wollte ich anders mit guter Manier von ihm
Indem ich nun so spekulierte, hinkte ein Kerl in die Stub, an einem Stecken in der Hand, der hatte einen verbundenen Kopf, einen Arm in der Schlinge, und so elende Kleider an, daß ich ihm kein Heller darum geben hätte; sobald ihn der Hausknecht sah, wollte er ihn austreiben, weil er übel stank, und so voll Läus kroch, daß man die ganze Schwabenheid damit besetzen könnte; er aber bat, man wollte ihm doch um Gottes willen zulassen, sich nur ein wenig zu wärmen, so aber nichts half; demnach ich mich aber seiner erbarmte und für ihn bat, wurde er kümmerlich zum Ofen gelassen: Er sah mir, wie mich dünkte, mit begierigem Appetit und großer Andacht zu, wie ich draufhieb, und ließ etliche Seufzer laufen, und als der Hausknecht ging, mir ein Stück Gebratens zu holen, ging er gegen mich zum Tisch zu, und reichte ein irden Pfennighäfelein in der Hand dar, als ich mir wohl einbilden konnte, warum er käme. Nahm derhalben die Kanne, und goß ihm seinen Hafen voll, ehe er heischte. »Ach Freund«, sagte er, »um Herzbruders willen gebt mir auch zu essen!« Da er solches sagte, ging mirs
Ist das letzte in diesem vierten Buch, weil keines mehr hernach folget
Unser unversehene Zusammenkunft machte, daß wir fast weder essen noch trinken konnten, nur fragte einer den andern, wie es ihm ergangen, seit wir das letztemal beisamm gewesen, dieweil aber der Wirt und Hausknecht stets ab- und zuging, konnten wir einander nichts Vertraulichs erzählen, der Wirt wunderte, daß ich ein so lausigen Kerl bei mir litte, ich aber sagte, solches sei im Krieg unter rechtschaffenen Soldaten, die Kameraden wären, der Brauch. Da ich auch verstand, daß sich Herzbruder bisher im Spital aufgehalten, vom Almosen sich ernährt, und seine Wunden liederlich verbunden worden, dingte ich dem Wirt ein sonderlich Stüblein ab, legte Herzbrudern in ein Bett, und ließ ihm den besten Wundarzt kommen, den ich haben konnte, wie auch einen Schneider und eine Näherin, ihn zu kleiden, und den Läusen aus den Zähnen zu ziehen; ich hatte eben diejenigen Dublonen, so Olivier einem toten Juden aus dem Maul bekommen, bei mir in einem Säckel, dieselben schlug ich auf den Tisch, und sagte, dem Wirt zu Gehör, zu Herzbrudern: »Schau Bruder, das ist mein Geld, das will ich an dich wenden, und mit dir verzehren«; davon der Wirt uns brav aufwartete, dem Barbier aber wies ich den Rubin, der auch des bedeuten Juden gewesen, und ungefähr zwanzig Taler wert war, und sagte: Weil ich mein wenig Geld, so ich hätte, für uns zur Zehrung, und meinem Kameraden zur Kleidung aufwenden müßte, so wollt ich ihm denselben Ring geben, wenn er besagten meinen Kameraden in
Also pflegte ich Herzbrudern, wie meinem andern Ich, und ließ ihm ein schlicht Kleidlein von grauem Tuch machen, zuvor aber ging ich zum Kommandanten wegen des Passes, und zeigte ihm an, daß ich einen übelbeschädigten Kameraden angetroffen hätte, auf den wollte ich warten, bis er vollend heilete, denn ihn hinter mir zu lassen, getraute ich bei meinem Regiment nicht zu verantworten; der Kommandant lobte meinen Vorsatz, und gönnete mir zu bleiben, solang ich wollte, mit fernerm Anerbieten, wenn mir mein Kamerad würde folgen können, daß er uns beide alsdann mit genugsamem Paß versehen wollte.
Demnach ich nun wieder zu Herzbrudern kam, und allein neben seinem Bett bei ihm saß, bat ich ihn, er wollte mir unbeschwert erzählen, wie er in einen so armseligen Stand geraten wäre? denn ich bildete mir ein, er möchte vielleicht wichtiger Ursachen, oder sonst eines Übersehens halber, von seiner vorigen Dignität verstoßen, unredlich gemacht, und in gegenwärtig Elend gesetzt worden sein; er aber sagte: »Bruder du weißt, daß ich des Grafen von Götz Factotum und allerliebster geheimster Freund gewesen, hingegen ist dir auch genugsam bekannt, was die verwichene Kampagne unter seinem Generalat und Kommando für ein unglückselige Endschaft erreicht, indem wir nicht allein die Schlacht bei Wittenweir verloren, sondern noch dazu das belagerte Breisach zu entsetzen nit vermocht haben: Weil denn nun deswegen hin und wieder vor aller Welt sehr ungleich geredt wird, zumalen wohlermeldter Graf, sich zu verantworten, nach Wien zitiert worden, so lebe ich vor Scham und Furcht freiwillig in dieser Niedere, und wünsche mir oft, entweder in diesem Elend zu sterben, oder doch wenigst mich solang verborgen zu halten, bis mehrwohlbesagter Graf seine Unschuld an Tag gebracht, denn soviel ich weiß, ist er dem Römischen Kaiser allezeit getreu gewesen, daß er aber diesen verwichenen Sommer so gar kein Glück gehabt, ist meines Erachtens mehr der göttlichen
Da wir Breisach zu entsetzen im Werk waren, und ich sah, daß es unserseits so schläferig herging, armierte ich mich selbst, und ging dergestalt auf die Schiffbrücke mit an, als ob ichs allein hätte vollenden wollen, da es doch damals weder mein Profession noch Schuldigkeit war; Ich tats aber den andern zum Exempel, und weil wir den vergangenen Sommer so gar nichts ausgericht hatten; das Glück, oder vielmehr das Unglück wollte mir, daß ich unter den ersten Angängern dem Feind auch am ersten auf der Brücken das Weiß in Augen sah, da es denn scharf herging, und gleichwie ich im Angriff der erste gewesen, also wurde ich, da wir der Franzosen ungestümem Ansetzen nicht mehr widerstanden, der allerletzte, und kam dem Feind am ersten in die Hände: ich empfing zugleich einen Schuß in meinen rechten Arm, und den andern in Schenkel, also daß ich weder ausreißen, noch meinen Degen mehr gebrauchen konnte, und als die Enge des Orts und der große Ernst nit zuließ, viel vom Quartiergeben und -nehmen zu parlementieren, kriegte ich einen Hieb in Kopf, davon ich zu Boden fiel, und weil ich fein gekleidet war, von etlichen in der Furi ausgezogen, und für tot in Rhein geworfen wurde. In solchen Nöten schrie ich zu Gott, und stellete alles seinem heiligen Willen heim, und indem ich unterschiedliche Gelübde tat, spürte ich auch seine Hilf, der Rhein warf mich ans Land, allwo ich meine Wunden mit Moos verstopfte, und ob ich zwar beinahe erfror, so verspürte ich jedoch eine absonderliche Kraft davonzukriechen, maßen mir Gott half, daß ich (zwar jämmerlich verwundet) zu etlich Merode-Brüdern und Soldatenweibern kam, die sämtlich ein Mitleiden mit mir hatten, ob sie mich zwar nit kannten. Diese verzweifelten bereits an einem glücklichen Entsatz der Festung, das mir weher tat als meine Wunden, sie erquickten und bekleideten mich bei ihrem Feur, und ehe ich ein wenig meine Wunden verband, mußte ich sehen, daß sich die Unserigen zu einem spöttlichen Abzug rüsteten, und die Sach für verloren gaben, so mich trefflich schmerzete;
Wie Simplicius ein Pilger wird, und mit Herzbrudern wallen gehet
Nachdem Herzbruder wieder allerdings erstarkt, und an seinen Wunden geheilt war, vertraute er mir, daß er in den höchsten Nöten eine Wallfahrt nach Einsiedeln zu tun gelobt; weil er denn jetzt ohnedas so nahe am Schweizerland wäre, so wollte er solche verrichten, und sollte er auch dahin betteln! Das war mir sehr angenehm zu hören, derhalben bot ich ihm Geld und meine Gesellschaft an, ja ich wollte gleich zween Klepper kaufen, auf selbigen die Reis zu verrichten; nicht zwar der Ursach, daß mich die Andacht dazu getrieben, sondern die Eidgenoßschaft, als das einzige Land, darin der liebe Fried noch grünete, zu besehen: So freute mich auch nit wenig, daß ich die Gelegenheit hatte, Herzbrudern auf solcher Reis zu dienen, maßen ich ihn fast höher als mich selbst liebte; er aber schlug beides, meine Hilf und meine Gesellschaft ab, mit Vorwand, seine Wallfahrt müßte zu Fuß, und dazu auf Erbsen geschehen; sollte ich nun in seiner Gesellschaft sein, so würde ich ihn nicht allein an seiner Andacht verhindern, sondern auch mir selbst wegen seines langsamen mühseligen Gangs große Ungelegenheit aufladen. Das redete er aber mich von sich zu schieben, weil er sich ein Gewissen machte, auf einer so heiligen Reis von demjenigen Geld zu zehren, das mit Morden und Rauben erobert worden; überdas wollte er mich auch nicht in allzugroße Unkosten bringen, und sagte unverhohlen, daß ich bereits mehr bei ihm getan, als ich schuldig gewesen, und er zu erwidern getraute; hierüber gerieten wir in ein freundlich Gezänk, das war so lieblich, daß ich dergleichen noch niemals hab hören hadern, denn wir brachten nichts anders vor, als daß jeder sagte, er hätte gegen den andern noch nicht getan, was ein Freund dem andern tun sollte, ja bei weitem die Guttaten, so er vom andern empfangen,
Dieser Zank war kaum vorbei, da gerieten wir schon in einen andern, denn Herzbruder war gar zu gewissenhaft; er wollte kaum zugeben, daß ich einen Paß vom Kommandanten nahm, der nach meinem Regiment lautete: »Was«, sagte er, »haben wir nit im Sinn, unser Leben zu bessern, und nach Einsiedeln zu gehen? und nun siehe um Gottes willen, du willst den Anfang mit Betrug machen, und den Leuten mit Falschheit die Augen verkleiben. ›Wer mich vor der Welt verleugnet, den will ich auch vor meinem himmlischen Vater verleugnen‹, sagt Christus! Was sind wir für verzagte Maulaffen? wenn alle Märtyrer und Bekenner Christi so getan hätten, so wären wenig Heilige im Himmel! Lasse uns in Gottes Namen und Schutzempfehlung gehen wohin uns unser heiliger Vorsatz und Begierden hintreiben, und im übrigen Gott walten, so wird uns Gott schon hinführen wo unsere Seelen Ruhe finden.« Als ich ihm aber vorhielt, man müßte Gott nicht versuchen, sondern sich in die Zeit schicken, und die Mittel gebrauchen, deren wir nicht entbehren könnten, vornehmlich weil das Wallfahrtengehen bei der Soldateska ein ungewöhnlich Ding sei, und wenn wir unser Vorhaben entdeckten, eher für Ausreißer als Pilger gehalten würden, das uns denn große Ungelegenheit und Gefahr bringen könnte, zumalen auch der hl. Apostel Paulus, dem wir noch bei weitem nicht zu
Das Land kam mir so fremd vor gegen andere teutsche Länder, als wenn ich in Brasilia oder in China gewesen wäre; da sah ich die Leute in dem Frieden handeln und wandeln, die Ställe standen voll Vieh, die Baurnhöf liefen voll Hühner, Gäns und Enten, die Straßen wurden sicher von den Reisenden gebraucht, die Wirtshäuser saßen voll Leute die sich lustig machten, da war ganz keine Furcht vor dem Feind, keine Sorg vor der Plünderung, und keine Angst, sein Gut, Leib noch Leben zu verlieren, ein jeder lebte sicher unter seinem Weinstock und Feigenbaum, und zwar gegen andere teutsche Länder zu rechnen in lauter Wollust und Freud, also daß ich dieses Land für ein irdisch Paradies hielt, wiewohl es von Art rauh genug zu sein schien. Das machte, daß ich auf dem ganzen Weg nur hin und her gaffte, wenn hingegen Herzbruder an seinem Rosenkranz betete, deswegen ich manchen Filz bekam, denn er wollte haben, ich sollte wie er an einem Stück beten, welches ich aber nicht gewöhnen konnte.
Zu Zürch kam er mir recht hinter die Brief, und dahero sagte er mir die Wahrheit auch am trockensten heraus, denn als wir zu Schaffhausen (allwo mir die Füß von den Erbsen sehr weh taten) die vorig Nacht geherbergt, und ich mich den künftigen Tag wieder auf den Erbsen zu gehen fürchtete, ließ ich sie kochen, und tat sie wieder in die Schuh; deswegen ich denn wohl zu Fuß nach Zürch gelangte, er aber sich gar übel gehub und zu mir sagte: »Bruder, du hast große Gnad von Gott, daß du unangesehen der Erbsen in den Schuhen dennoch so wohl fortkommen kannst.« »Ja«,
Von dieser Zeit an folgte ich ihm traurig nach, als einer den man zum Galgen führt, mein Gewissen fing mich an zu drücken, und indem ich allerlei Gedanken machte, stelleten sich alle meine Bubenstück vor Augen, die ich mein Lebtag je begangen, da beklagte ich erst die verlorne Unschuld, die ich aus dem Wald gebracht, und in der Welt so vielfältig verscherzt hatte, und was meinen Jammer vermehrte, war dieses, daß Herzbruder nit viel mehr mit mir redete, und mich nur mit Seufzen anschaute, welches mir nit anders vorkam, als hätte er meine Verdammnis gewußt, und an mir bejammert.
Simplicius bekehrt sich, nachdem er zuvor von dem Teufel erschreckt worden
Solchergestalt langten wir zu Einsiedeln an, und kamen eben in die Kirch, als ein Priester einen Besessenen exorzisieret; das war mir nun auch etwas Neues und Seltsams, derowegen ließ ich Herzbrudern knien und beten, solang er mochte, und ging hin, diesem Spektakul aus Vorwitz zuzusehen; Aber ich hatte mich kaum ein wenig genähert, da schrie der böse Geist aus dem armen Menschen: »Oho, du Kerl, schlägt dich der Hagel auch her? ich hab vermeint, dich zu meiner Heimkunft bei dem Olivier in unserer höllischen Wohnung anzutreffen, so sehe ich wohl, du läßt dich hier finden, du ehebrecherischer mörderischer Hurenjäger, darfst du dir wohl einbilden, uns zu entrinnen? O ihr Pfaffen, nehmt ihn nur nicht an, er ist ein Gleisner und ärgerer Lügner als ich; er foppt sich nur, und spottet beides Gott und der Religion!« Der Exorzist befahl dem Geist zu schweigen, weil man ihm als einem Erzlügner ohnedas nit glaube. »Ja ja«, antwortet' er, »fragt dieses ausgesprungenen Mönchs Reisgesellen, der wird euch wohl erzählen können, daß dieser Atheist sich nit gescheuet, die Erbsen zu kochen, auf welchen er hieher zu gehen versprochen.« Ich wußte nit, ob ich auf dem Kopf oder Fuß stand, da ich dieses alles hörete, und mich jedermann ansah; aber der Priester strafte den Geist, und machte ihn stillschweigen, konnte ihn aber denselben Tag nicht austreiben. Indessen kam Herzbruder auch herzu, als ich eben vor Angst mehr einem Toten als Lebendigen gleichsah, und zwischen Hoffnung und Furcht nit wußte, was ich tun sollte, dieser tröstete mich so gut als er konnte, versicherte daneben die Umstehenden, und sonderlich die Patres, daß ich mein Tage nie kein Mönch gewesen, aber wohl ein Soldat, der vielleicht mehr Böses als Gutes getan haben möchte, sagte daneben, der Teufel wäre ein Lügner, wie er denn auch das von den Erbsen viel ärger gemacht hätte, als es an sich selbst
Wiewohl ich mich damals auf die Beicht nicht gefaßt gemacht, auch mein Lebtag nie in Sinn genommen zu beichten, sondern mich jederzeit aus Scham davor gefürchtet, wie der Teufel vorm hl. Kreuz, so empfand ich jedoch in selbigem Augenblick in mir eine solche Reu über meine Sünden, und ein solche Begierde zur Buße und mein Leben zu bessern, daß ich alsobald einen Beichtvater begehrte, über welcher jählingen Bekehrung und Besserung sich Herzbruder höchlich erfreuete, weil er wahrgenommen und wohl gewußt, daß ich bisher noch keiner Religion beigetan gewesen, demnach bekannte ich mich öffentlich zu der katholischen Kirchen, ging zur Beicht, und kommunizierte nach empfangener Absolution; worauf mir denn so leicht und wohl ums Herz wurde, daß ichs nicht aussprechen kann, und was das Verwunderlichste war, ist dieses, daß mich der Geist in dem Besessenen fürderhin zufrieden ließ, da er mir doch vor der Beicht und Absolution unterschiedliche Bubenstück, die ich begangen gehabt, so eigentlich vorgeworfen, als wenn er auf sonst nichts, als meine Sünden anzumerken, bestellt gewesen wäre; doch glaubten ihm als
Wir verblieben vierzehn ganzer Tag an diesem gnadenreichen Ort, allwo ich Gott um meine Bekehrung dankte, und die Wunder so allda geschehen, betrachtete; welches alles mich zu ziemlicher Andacht und Gottseligkeit reizete, doch währete solches auch so lang als es mochte; denn gleichwie meine Bekehrung ihren Ursprung nicht aus Liebe zu Gott genommen: sondern aus Angst und Furcht verdammt zu werden; also wurde ich auch nach und nach wieder ganz lau und träg, weil ich allmählich des Schreckens vergaß, den mir der böse Feind eingejagt hatte; und nachdem wir die Reliquien der Heiligen, die Ornat, und andere sehenswürdige Sachen des Gotteshauses genugsam beschauet, begaben wir uns nach Baden, alldorten vollends auszuwintern.
Wie beide Freund den Winter hinbringen
Ich dingte daselbst ein lustige Stube und Kammer für uns, deren sich sonsten, sonderlich Sommerszeit, die Badgäst zu gebrauchen pflegen; welches gemeiniglich reiche Schweizer sind, die mehr hinziehen sich zu erlustieren und zu prangen, als einiger Gebrechen halber zu baden; so verdingte ich uns auch zugleich in die Kost, und als Herzbruder sah, daß ichs so herrlich angriff, vermahnete er mich zur Gesparsamkeit, und erinnert' mich des langen rauhen Winters, den wir noch zu überstehen hätten; maßen er nicht getraute, daß mein Geld so weit hinauslangen würde; ich würde meinen Vorrat, sagte er, auf den Frühling wohl brauchen, wenn wir wieder von hinnen wollen, viel Geld sei bald vertan, wenn man nur davon, und nichts dazu tue: Es stäube hinaus wie der Rauch, und verspreche nimmermehr wiederzukommen, etc. Auf solche treuherzige Erinnerung konnte ich Herzbrudern nicht länger verbergen wie reich mein Säckel wäre, und daß ich bedacht uns beiden
Da er neben meinem Vertrauen das ich zu ihm trug, soviel Geld sah, mit welchem ich auch ohne ihn wohl ein ziemlicher Herr hätte sein können, sagte er: »Bruder, du tust nichts solang ich dich kenne, als deine gegen mich habende Lieb und Treu zu bezeugen! Aber sage mir, womit vermeinst du wohl, daß ichs wieder um dich werde beschulden können? es ist nit nur um das Geld zu tun, denn solches ist vielleicht mit der Zeit wieder zu bezahlen, sondern um deine Lieb und Treu, vornehmlich aber um dein zu mir habendes hohes Vertrauen, so nicht zu schätzen ist; Bruder mit einem Wort, dein tugendhaft Gemüt macht mich zu deinem Sklaven, und was du gegen mich tust, ist mehr zu verwundern, als zu wiedergelten möglich; O ehrlicher Simplici, dem bei diesen gottlosen Zeiten, in welchen die Welt voll Untreu steckt, nicht in Sinn kommt, der arme und hochbedürftige Herzbruder möchte mit einem so ansehnlichen Stück Geld fortgehen, und ihn an seine Statt in Mangel setzen; versicher Bruder, dieses Beweistum wahrer Freundschaft verbindet mich mehr gegen dich, als ein reicher Herr, der mir viel Tausend verehrte: Allein bitte ich mein Bruder, bleib selber Herr, Verwahrer und Austeiler über dein Geld, mir ists genug, daß du mein Freund bist!« Ich antwortet: »Was wunderliche Reden sind das, hochgeehrter Herzbruder, er gibt mündlich zu vernehmen, daß er mir verbunden sei, und will doch nicht dafür sein, daß
Und dieweil Herzbruder aus den gemeinen Zeitungen erfuhr, daß es um den Grafen von Götz wohlstünde, sonderlich daß er mit seiner Verantwortung bei der Kaiserl. Majestät hinauslangen, wieder auf freien Fuß kommen, und gar wiederum das Kommando über eine Armee kriegen würde, berichtete er demselben seinen Zustand nach Wien, schrieb auch nach der kurbayrischen Armee wegen seiner Bagage, die er noch dort hatte, und fing an zu hoffen, sein Glück würde wieder grünen, derhalben machten wir den Schluß, künftigen Frühling voneinander zu scheiden, indem er sich zu bemeldtem Grafen, ich aber mich nach L. zu meinem Weib begeben wollte. Damit wir aber denselben Winter nit müßig zubrächten, lernten wir von einem Ingenieur auf dem Papier mehr fortifizieren, als die Könige in Hispanien und Frankreich ins Werk setzen können; daneben kam ich
Gleichwie nun Herzbruder von hochermeldtem Grafen ein angenehme Wieder-Antwort und treffliche Promessen von Wien aus erhielt, also bekam ich von L. kein einzigen Buchstaben, unangesehen ich unterschiedliche Posttag in duplo hinschrieb: Das machte mich unwillig, und verursachte, daß ich denselben Frühling meinen Weg nit nach Westfalen antrat, sondern von Herzbrudern erhielt, daß er mich mit sich nach Wien nahm, mich seines verhoffenden Glücks genießen zu lassen; Also montierten wir uns aus meinem Geld wie zwei Kavalier, beides mit Kleidungen, Pferden, Dienern und Gewehr, gingen durch Konstanz auf Ulm, allda wir uns auf die Donau setzten, und von dort aus in acht Tagen zu Wien glücklich anlangten. Auf demselben Weg observierte ich sonst nichts, als daß die Weibsbilder, so an dem Strand wohnen, den Vorüberfahrenden, so ihnen zuschrien, nicht mündlich, sondern schlechthin mit dem Beweistum selbst antworten, davon ein Kerl manch feines Einsehen haben kann.
Wasmaßen Herzbruder und Simplicius abermal in Krieg, und wieder daraus kommen
Es gehet wohl seltsam in der veränderlichen Welt her! Man pflegt zu sagen: Wer alles wüßte, der würde bald reich; Ich aber sage: Wer sich allweg in die Zeit schicken könnte, der würde bald groß und mächtig. Mancher Schindhund oder Schabhals (denn diese beiden Ehrentitel werden den Geizigen gegeben) wird wohl bald reich, weil er
Der Graf von der Wahl, unter dessen Kommando ich mich hiebevor in Westfalen bekannt gemacht, war eben auch zu Wien, als ich mit Herzbrudern hinkam; dieser wurde bei einem Bankett, da sich verschiedene Kaiserl. Kriegsräte neben dem Grafen von Götz und andern mehr befanden, als man von allerhand seltsamen Köpfen, unterschiedlichen Soldaten, und berühmten Parteigängern redete, auch des Jägers von Soest eingedenk, und erzählte etliche Stücklein von ihm so rühmlich, daß sich teils über einen so jungen Kerl verwunderten, und bedaurten, daß der listige hessische Obriste S.A. ihm ein Wehbengel angehängt, damit er entweder den Degen beiseits legen, oder doch schwedische Waffen tragen sollte; denn wohlbesagter Graf von der Wahl hatte alles erkundigt, wie derselbige Obrist zu L. mit mir gespielt; Herzbruder, der eben dort stand, und mir meine Wohlfahrt gern befördert hätte, bat um Verzeihung und Erlaubnis zu reden, und sagte, daß er den Jäger von Soest besser kenne, als sonst einen Menschen in der Welt, er sei nit allein ein guter Soldat, der Pulver riechen könnte, sondern auch ein ziemlicher Reuter, ein perfekter Fechter, ein trefflicher Büchsenmeister und Feurwerker, und über dies alles einer der einem Ingenieur nichts nachgeben würde; er hätte nit nur sein Weib, weil er mit ihr so schimpflich hintergangen worden, sondern auch alles was er gehabt zu L. hinterlassen, und wiederum Kaiserl. Dienst gesucht, maßen er in verwichener Kampagne sich unter dem Grafen
Damals war diese ansehnliche Kompagnie mit dem lieben Trunk schon dergestalt begeistert, daß sie ihre Kuriosität den Jäger zu sehen contentiert haben wollte, maßen Herzbruder geschickt wurde, mich in einer Kutsche zu holen; derselbe instruiert' mich unterwegs, wie ich mich bei diesen ansehenlichen Leuten halten sollte, weil mein künftig Glück daran gelegen wäre; Ich antwortet derhalben als ich hinkam auf alles sehr kurz und apophthegmatisch, also daß man sich über mich zu verwundern anfing, denn ich redete nichts, es müßte denn einen klugen Nachdruck haben; in Summa, ich erschien dergestalt, daß ich jedem angenehm war, weil ich ohnedas vom Herrn Grafen von der Wahl auch das Lob eines guten Soldaten hatte; Mithin kriegte ich auch einen Rausch, und glaub wohl, daß ich alsdann auch hab scheinen lassen, wie wenig ich bei Hof gewesen; endlich war dieses das End, daß mir ein Obrister zu Fuß eine Kompagnie unter seinem Regiment versprochen, welches ich denn gar nit ausschlug, denn ich dachte, ein Hauptmann zu sein, ist fürwahr kein Kinderspiel! Aber Herzbruder verwies mir den andern Tag meine Leichtfertigkeit, und sagte, wenn ich nur noch länger gehalten hätte, so wäre ich noch wohl höher ankommen.
Also wurde ich einer Kompagnie für einen Hauptmann vorgestellt, welche, ob sie zwar mitsamt mir in prima plana ganz komplett, aber nit mehr als sieben Schillergäst hatte, zudem meine Unteroffizier mehrenteils alte Krachwedel, darüber ich mich hintern Ohren kratzte, also wurde ich mit
Also verändert' sich das Glück unversehens, Herzbruder hatte kurz zuvor den Willen gehabt, sich mit einem vornehmen Fräulein zu verheiraten, und zu solchem Ende sich zu einem Freiherrn, mich aber zu einem Edelmann machen zu lassen; nunmehr aber mußte er andere Gedanken konzipieren, denn weil er dasjenige verloren, damit er ein neues Geschlecht propagieren wollen, zumalen von seiner Lähme mit einer langwierigen Krankheit bedrohet wurde, in der er guter Freunde vonnöten, machte er sein Testament, und setzte mich zum einzigen Erben aller seiner Verlassenschaft, vornehmlich weil er sah, daß ich seinetwegen mein Glück in Wind schlug, und meine Kompagnie quittiert', damit ich ihn in Sauerbrunnen begleiten, und daselbsten, bis er seine Gesundheit wieder erlangen möchte, auswarten könnte.
Simplicius läuft botenweis, und vernimmt in Gestalt Mercuri von dem Jove, was er eigentlich wegen des Kriegs und Friedens im Sinn habe
Als nun Herzbruder wieder reiten konnte, übermachten wir unsere Barschaft (denn wir hatten nunmehr nur einen Säckel miteinander) per Wechsel nach Basel, montierten uns mit Pferden und Dienern, und begaben uns die Donau hinauf nach Ulm und von dannen in den obbesagten Sauerbrunnen, weil es eben im Mai und lustig zu reisen war; daselbst dingten wir ein Losament, ich aber ritt nach Straßburg, unser Geld, welches wir von Basel aus dorthin übermacht, nicht allein zum Teil zu empfangen, sondern auch mich um erfahrne Medicos umzusehen, die Herzbrudern Recepta und Badordnung vorschreiben sollten, dieselben begaben sich mit mir, und befanden, daß Herzbrudern vergeben worden; und weil das Gift nicht stark genug gewesen, ihn gleich hinzurichten, daß solches ihm in die Glieder geschlagen wäre, welches wieder durch Pharmaca, Antidota, Schweißbäder evakuieret werden müßte, und würde sich solche Kur auf ungefähr ein Woch oder acht belaufen; da erinnerte sich Herzbruder gleich, wann und durch wen ihm vergeben worden wäre, nämlich durch diejenigen, die gern seine Stell im Krieg betreten hätten; und weil er auch von den Medicis verstand, daß sein' Kur eben keinen Sauerbrunnen erfordert hätte, glaubte er festiglich, daß sein Medicus im Feld durch ebendieselben seine Aemulos mit Geld bestochen worden, ihn so weit hinwegzuweisen; jedoch resolvierte er sich im Sauerbrunnen seine Kur zu vollenden, weil es nicht allein eine gesunde Luft, sondern auch allerhand anmutige Gesellschaften unter den Badgästen hatte.
Solche Zeit mochte ich nicht vergeblich hinbringen, weil ich eine Begierde hatte, dermalen einst mein Weib auch wiederum zu sehen, und weil Herzbruder meiner nicht sonderlich vonnöten, eröffnet ich ihm mein Anliegen, der lobte
Ich ging zuvorderst hin meinen Jovem zu besuchen, der mich hiebevor zu seinem Ganymede erklärt hatte, um zu erkundigen, wie es mit meinen hinterlegten Sachen eine Bewandtnis hätte, der war aber damals wiederum ganz hirnschellig und unwillig über das menschlich Geschlecht. »O Mercuri«, sagte er zu mir, als er mich sah, »was bringst du Neues von Münster? vermeinen die Menschen wohl ohn meinen Willen Frieden zu machen? Nimmermehr! Sie hatten ihn, warum haben sie ihn nicht behalten? Gingen nit alle Laster im Schwang, als sie mich bewegten ihnen den Krieg zu senden? womit haben sie seithero verdienet, daß ich ihn' den Frieden wiedergeben sollte? haben sie sich denn seither bekehrt? sind sie nicht ärger worden, und selbst mit in Krieg gelaufen wie zu einer Kirmes? oder haben sie sich vielleicht wegen der Teurung bekehret, die ich ihnen zugesandt, darin soviel tausend Seelen Hungers gestorben; oder hat sie viel leicht das grausame Sterben erschreckt (das soviel Millionen hingerafft), daß sie sich gebessert? Nein, nein Mercuri, die Übrigverbliebenen, die den elenden Jammer
Weil ich nun wußte, wie man diesem Gott lausen mußte, wenn man ihn recht stimmen wollte, sagte ich: »Ach großer Gott, es seufzet aber alle Welt nach dem Frieden, und versprechen ein große Besserung, warum wolltest du ihnen dann solchen noch länger verweigern können?« »Ja«, antwortet' Jupiter, »sie seufzen wohl, aber nit meinet- sondern ihretwillen; nicht, daß jeder unter seinem Weinstock und Feigenbaum Gott loben, sondern daß sie deren edle Früchte mit guter Ruhe und in aller Wollust genießen möchten; Ich fragte neulich einen grindigen Schneider, ob ich den Frieden geben sollte? Aber er antwortet' mir: was er sich drum geheie, er müsse so wohl zu Kriegs- als Friedenszeiten mit der stählernen Stange fechten. Ein solche Antwort kriegte ich auch von einem Rotgießer, der sagte, wenn er im Frieden keine Glocken zu gießen hätte, so hätte er im Krieg genug mit Stücken und Feuermörseln zu tun. Also antwortet' mir auch ein Schmied, und sagte: ›Habe ich keine Pflüg und Baurenwagen im Krieg zu beschlagen, so kommen mir jedoch genug Reuterpferd und Heerwagen unter die Händ, also daß ich des Friedens wohl entbehren kann.‹ Siehe nun lieber Mercuri, warum sollte ich ihnen dann den Frieden verleihen? Ja, es sind zwar etliche die ihn wünschen, aber nur wie gesagt, um ihres Bauchs und Wollust willen; hingegen aber sind auch andere, die den Krieg behalten wollen, nicht zwar weil es mein Will ist, sondern weil er ihnen einträgt; Und gleichwie die Maurer und Zimmerleut den Frieden wünschen, damit sie in Auferbauung der eingeäscherten Häuser Geld verdienen, also verlangen andere, die sich im
Weilen denn nun mein Jupiter mit diesen Sachen umging, konnte ich mir leicht einbilden, daß er mir in solchem verwirrten Stand von dem Meinigen wenig Nachricht würde geben können, entdeckte mich ihm derhalben nicht, sondern nahm meinen Kopf zwischen die Ohren, und ging durch Abweg, die mir denn alle wohl bekannt waren, nach L., fragte daselbst nach meinem Schwährvater, allerdings wie ein fremder Bot, und erfuhr gleich, daß er samt meiner Schwieger bereits vor einem halben Jahr diese Welt gesegnet, und dann daß meine Liebste, nachdem sie mit einem jungen Sohn niederkommen, den ihre Schwester bei sich hätte, gleichfalls stracks nach ihrem Kindbett diese Zeitlichkeit verlassen; Darauf lieferte ich meinem Schwager diejenigen Schreiben, die ich selbst an meinen Schwähr, an meine Liebste, und an ihn meinen Schwager geschrieben; derselbe nun wollte mich selbst herbergen, damit er von mir als einem Boten erfahren könnte, was Stands Simplicius sei, und wie ich mich verhielte? zu dem Ende diskurierte meine Schwägerin lang mit mir von mir selbsten, und ich redete auch von mir, was ich nur Löblichs von mir wußte, denn die Urschlechten hatten mich dergestalt verderbt und verändert, daß mich kein Mensch mehr kannte, außer der von Schönstein, welcher aber als mein getreuster Freund reinen Mund hielt.
Als ich ihr nun nach der Länge erzählt, daß Herr Simplicius viel schöner Pferd und Diener hätte, und in einer schwarzen sammeten Mützen aufzöge, die überall mit Gold verbrämt wäre, sagte sie: »Ja, ich hab mir jederzeit eingebildet, daß er keines so schlechten Herkommens sei, als er sich dafür ausgeben; der hiesige Kommandant hat meine Eltern sel. mit großen Verheißungen persuadiert, daß sie ihm meine Schwester sel. die wohl ein fromme Jungfer gewesen, ganz vorteilhaftiger Weis aufgesattelt, davon ich niemalen ein gutes End habe hoffen können, nichts destoweniger hat er sich wohl angelassen, und resolviert, in hiesiger Garnison schwedische oder vielmehr hessische
Solche und dergleichen Sachen brachte mir meine Schwägerin vor, woraus ich ihre Lieb gegen mein Kind leicht spüren können, welches denn dort in seinen ersten Hosen herumlief, und mich im Herzen erfreute, derhalben suchte ich die Kleinodien hervor, die mir Herzbruder geben, solche seinetwegen meinem Weib zu verehren; dieselbigen, sagte ich, hätte mir Herr Simplicius mitgeben, seiner Liebsten zum Gruß einzuhändigen, weil aber selbige tot wäre, schätzte ich, es wäre billig, daß ich sie seinem Kind hinterließ, welche mein Schwager und seine Frau mit Freuden empfingen, und daraus schlossen, daß ich an Mitteln keinen Mangel haben, sondern viel ein anderer Gesell sein müßte,
Erzählung eines Possen, den Simplicius im Saurbrunnen angestellt
Nach meiner Ankunft wurde ich gewahr, daß es sich mit Herzbrudern mehr gebösert als gebessert hatte, wiewohl ihn die Doctores und Apotheker strenger als eine fette Gans gerupft; überdas kam er mir auch ganz kindisch vor, und konnte kümmerlich mehr recht gehen, ich ermuntert ihn zwar so gut ich konnte, aber es war schlecht bestellt, er selbst merkte an Abnehmung seiner Kräfte wohl, daß er nit lang mehr würde dauren können, sein größter Trost war, daß ich bei ihm sein sollte, wenn er die Augen würde zutun.
Hingegen machte ich mich lustig, und suchte meine Freud, wo ich solche zu finden vermeinte, doch solchergestalt, daß meinem Herzbruder an seiner Pfleg nichts mangelte. Und weil ich mich einen Witwer zu sein wußte, reizten mich die guten Tag und meine Jugend wiederum zur Buhlerei, der ich denn trefflich nachhing, weil mir der zu Einsiedeln eingenommene Schrecken wieder allerdings vergessen war. Es befand sich im Sauerbrunnen eine schöne Dame, die sich für eine von Adel ausgab, und meines Erachtens doch mehr mobilis als nobilis war, derselben Mannsfallen wartet ich trefflich auf den Dienst, weil sie ziemlich glatthaarig zu sein
Neben dem befand sich auch ein vornehmer reicher Schweizer im Bad, dem wurde nicht nur sein Geld, sondern auch seines Weibs Geschmuck, der in Gold, Silber, Perlen und Edelgesteinen bestand, entfremdet; Weil denn nun solche Sachen ebenso ungerne verloren werden, als schwer sie zu erobern sind, derhalben suchte bemeldter Schweizer allerhand Rat und Mittel, dadurch er selbige wieder zur Hand bringen möchte, maßen er den berühmten Teufelsbanner aus der Geißhaut kommen ließ, der durch seinen Bann den Dieb dergestalt tribulierte, daß er das gestohlene Gut wieder in eigener Person an seine Gehörde liefern mußte, deswegen der Hexenmeister dann zehn Reichstaler zur Verehrung bekam.
Diesen Schwarzkünstler hätte ich gern gesehen, und mit ihm konferiert, es mochte aber, wie ich dafürhielt, ohne Schmälerung meines Ansehens (denn ich dünkte mich damals keine Sau zu sein) nit geschehen, derhalben stellte ich meinen Knecht an, mit ihm denselben Abend zu saufen, weil ich vernommen, daß er ein Ausbund eines Weinbeißers sein sollte, um zu sehen, ob ich vielleicht hierdurch mit ihm in Kundschaft kommen möchte, denn es wurden mir soviel seltsame Sachen von ihm erzählt, die ich nit glauben konnte, ich hätte sie denn selbst von ihm vernommen; ich verkleidete mich wie ein Landfahrer, der Salben feil hat, setzte mich zu ihm an Tisch, und wollte vernehmen, ob er erraten, oder ihm der Teufel eingeben würde, wer ich wäre? aber ich konnte nit das geringste an ihm spüren, denn er soff immer hin, und hielt mich für einen, wie meine
Diese närrischen Possen hörte ich an, und verwundert mich, daß der heimtückische und tausendlistige Feind den armen Menschen durch so geringe Sachen in seine Klauen bringt. Ich konnte leicht ermessen, daß dieses Stücklein ein Teil des Pakts sei, den er mit dem Teufel getroffen, und konnte wohl gedenken, daß solche Kunst den Dieb nichts helfen würde, wenn ein anderer Teufelsbanner geholt würde, den Diebstahl zu offenbaren, in dessen Pakt diese Klausel nicht stünde; befahl demnach meinem Knecht, (welcher ärger stehlen konnte als ein Böhm) daß er ihn gar vollsaufen, und ihm hernach seine zehen Reichstaler stehlen, alsobalden aber ein paar Batzen davon in die Rench werfen sollte. Dies tat mein Kerl gar fleißig; als nun der Teufelsbanner am Morgen frühe sein Geld mangelte, begab er sich gegen die Wüste Rench in einen Busch, ohne Zweifel seinen Spiritum familiarem deswegen zu besprechen, er wurde aber so übel abgefertigt, daß er mit einem blauen und zerkratzten Angesicht wieder zurückkam; Weswegen mich denn der arme alte Schelm dergestalt daurte, daß ich ihm sein Geld wiedergeben und dabei sagen ließ, weil er nunmehr sähe, was für ein betrüglicher böser Gast der Teufel sei, könnte er hinfort dessen Dienst und Gesellschaft wohl aufkünden, und sich wieder zu Gott bekehren. Aber solche Vermahnung bekam mir wie dem Hund das Gras, denn ich hatte von dieser Zeit an weder Glück noch Stern mehr, maßen mir gleich hernach meine schönen Pferde durch Zauberei hinfielen. Und zwar was hätte davor sein sollen? ich lebte gottlos wie ein Epikurer, und befahl das Meinige niemal in Gottes Schutz, warum hätte sich denn dieser Zauberer nicht wiederum an mir sollen rächen können?
Herzbruder stirbt, und Simplicius fängt wieder an zu buhlen
Der Sauerbrunnen schlug mir je länger je besser zu, weil sich nit allein die Badgäste gleichsam täglich mehrten, sondern weil der Ort selbst und die Manier zu leben mich anmutig sein dünkte: Ich machte mit den Lustigsten Kundschaft, die hinkamen, und fing an courtoise Reden und Komplimente zu lernen, deren ich mein Tag sonst niemal viel geachtet hatte. Ich wurde für einen vom Adel gehalten, weil mich meine Leut Herr Hauptmann nannten, sintemal dergleichen Stellen kein Soldat von Fortun so leichtlich in einem solchen Alter erlangt, darinnen ich mich damals befand; Dannenhero machten die reichen Stutzer mit mir, und hingegen ich hinwiederum mit ihnen nicht allein Kundsondern auch gar Brüderschaft, und war alle Kurzweil, Spielen, Fressen und Saufen meine allergrößte Arbeit und Sorg, welches aber manchen schönen Dukat hinwegnahm, ohne daß ichs sonderlich wahrgenommen und geachtet hätte, denn mein Säckel von dem Olivierischen Erbgut war noch trefflich schwer.
Unterdessen wurde es mit Herzbrudern je länger je ärger, also daß er endlich die Schuld der Natur bezahlen mußte, nachdem ihn die Medici und Ärzte verlassen, als sie sich zuvor genugsam an ihm begraset hatten; er bestätigte nachmalen sein Testament und letzten Willen, und machte mich zum Erben über dasjenige, so er von seines Vaters sel. Verlassenschaft zu empfangen, hingegen ließ ich ihn ganz herrlich begraben, und seine Diener mit Trauerkleidern und einem Stück Geld ihres Wegs laufen.
Sein Abschied tat mir schmerzlich wehe, vornehmlich weil ihm vergeben worden, und ob ichs zwar nit ändern konnte, so änderts doch mich, denn ich floh alle Gesellschaften, und suchte nur die Einsamkeit, meinen betrübten Gedanken Audienz zu geben; zu dem Ende verbarg ich mich etwa irgends in einen Busch, und betrachtete nit allein was ich für einen Freund verloren, sondern auch daß ich
Als ich mich nun mit Anhörung des lieblichsten Vogelgesangs ergötzte, und mir einbildete, daß die Nachtigall durch ihre Lieblichkeit andere Vögel banne stillzuschweigen und ihr zuzuhören, entweder aus Scham oder ihr etwas von solchem anmutigen Klang abzustehlen; da näherte sich jenseit dem Wasser eine Schönheit an das Gestad, die mich mehr bewegte (weil sie nur das Habit einer Baurndirne antrug), als eine stattliche Demoiselle sonst nit hätte tun mögen; diese hob einen Korb vom Kopf, darin sie einen Ballen frische Butter trug, solchen im Sauerbrunnen zu verkaufen, denselben erfrischte sie im Wasser, damit er wegen der großen Hitz nicht schmelzen sollte, unterdessen setzte sie sich nieder ins Gras, warf ihren Schleier und Baurnhut von sich und wischte den Schweiß vom Angesicht, also daß ich sie genug betrachten, und meine vorwitzigen Augen an ihr weiden konnte; da dünkte mich, ich hätte die Tag meines Lebens kein schöner Mensch gesehen, die Proportion des Leibs schien vollkommen und ohne Tadel, Arm und Hände schneeweiß, das Angesicht frisch und lieblich, die schwarzen Augen aber voller Feur und liebreizender Blick; als sie nun ihre Butter wieder einpackte, schrie ich hinüber: »Ach Jungfer, Ihr habt zwar mit Euren schönen Händen Eure Butter im Wasser abgekühlt, hingegen aber mein Herz durch Eure klaren Augen ins Feur gesetzt!« Sobald sie mich sah und hörte, lief sie davon, als ob man sie gejagt hätte, ohne daß sie mir ein Wörtlein geantwort hätte, mich mit
Aber meine Begierden, von dieser Sonne mehr beschienen zu werden, ließen mich nit in meiner Einsamkeit, die ich mir auserwählt, sondern machten, daß ich den Gesang der Nachtigallen nit höher achtete, als ein Geheul der Wölf; derhalben trollte ich auch dem Saurbrunnen zu, und schickte meinen Jungen voran, die Butterverkäuferin anzupacken, und mit ihr zu marken, bis ich hernachkäme; dieser tat das Seinige, und ich nach meiner Ankunft auch das Meinige; aber ich fand ein steinern Herz, und eine solche Kaltsinnigkeit, dergleichen ich hinter einem Baurnmägdlein nimmermehr zu finden getraut hätte, welches mich aber viel verliebter machte, ohnangesehen ich, als einer der mehr in solchen Schulen gewesen, mir die Rechnung leicht machen können, daß sie sich nit so leicht betören lassen würde.
Damals hätte ich entweder einen strengen Feind oder einen guten Freund haben sollen; einen Feind, damit ich meine Gedanken gegen denselbigen hätte richten, und der närrischen Lieb vergessen müssen, oder einen Freund, der mir ein anders geraten, und mich von meiner Torheit, die ich vornahm, hätte abmahnen mögen: Aber ach leider, ich hatte nichts als mein Geld das mich verblendete, meine blinden Begierden die mich verführten, weil ich ihnen den Zaum schießen ließ, und meine grobe Unbesonnenheit, die mich verderbte, und in alles Unglück stürzte; Ich Narr hätte ja aus unsern Kleidungen, als aus einem bösen Omen judizieren sollen, daß mir ihre Lieb nit wohl ausschlagen würde; denn weil mir Herzbruder, diesem Mägdlein aber ihre Eltern gestorben, und wir dahero alle beide in Trauerkleidern aufzogen, als wir einander das erstemal sahen, was hätte unsere Buhlschaft für eine Fröhlichkeit bedeuten sollen? Mit einem Wort, ich war mit dem Narrnseil rechtschaffen verstrickt, und derhalben ganz blind und ohne Verstand, wie das Kind Cupido selbsten, und weil ich meine viehischen Begierden nicht anders zu sättigen getraute, entschloß ich, sie zu heiraten. »Was«, gedacht ich, »du bist deines Herkommens doch nur ein Baurnsohn, und wirst dein Tag kein
Simplicius gibt sich in die zweite Ehe, trifft seinen Knan an, und erfährt, wer seine Eltern gewesen
Ich ließ trefflich zur Hochzeit zurüsten, denn der Himmel hing mir voller Geigen; das Baurengut, darauf meine Braut geboren worden, löste ich nit allein ganz an mich, sondern fing noch dazu einen schönen neuen Bau an, gleich als ob ich daselbst mehr hof- als haushalten hätte wollen, und ehe ich die Hochzeit vollzogen, hatte ich bereits über dreißig Stücke Vieh dastehen, weil man soviel das Jahr hindurch auf demselben Gut erhalten konnte; in Summa, ich bestellte alles auf das Beste, auch sogar mit köstlichem Hausrat, wie es mir nur meine Torheit eingab. Aber die Pfeif fiel mir bald in Dreck, denn da ich nunmehr vermeinte mit gutem Wind nach England zu schiffen, kam ich wider alle Zuversicht nach Holland, und damals, aber viel zu spät, wurde ich erst gewahr, was Ursach mich meine Braut so ohngerne nehmen wollen, das mich aber am allermeisten schmerzte, war, daß ich mein spöttlich Anliegen keinem Menschen
Einsmals spazierte ich mit etlichen Stutzern das Tal hinunter, eine Gesellschaft im untern Bad zu besuchen, da begegnet' uns ein alter Baur, mit einer Geiß am Strick, die er verkaufen wollte, und weil mich dünkte, ich hätte dieselbe Person mehr gesehen, fragte ich ihn, wo er mit dieser Geiß herkäme? Er aber zog sein Hütlein ab, und sagte: »Gnädiger Hearr, eich darfs auch werlich neit sahn.« Ich sagte: »Du wirst sie ja nicht gestohlen haben?« »Nein«, antwort der Baur, »sondern ich bring sie aus dem Städtchen unten im Tal, welches ich eben gegen den Herrn nicht nennen darf, dieweil wir vor einer Geiß reden.« Solches bewegte meine Gesellschaft zum Lachen, und weil ich mich im Angesicht entfärbte, gedachten sie, ich hätte ein Verdruß, oder schämte mich, weil mir der Baur so artlich eingeschenkt; Aber ich hatte andere Gedanken, denn an der großen Warzen, die der Baur gleichsam wie das Einhorn mitten auf der Stirn stehen hatte, wurde ich eigentlich versichert, daß es mein Knan aus dem Spessart war, wollte
Also ging mein Knan seines Wegs, und ich mit meiner Gesellschaft den unserigen auch, doch konnte und mochte ich nit länger bei der Kompagnie bleiben, sondern drehte mich ab, und ging hin, wo ich meinen Knan wieder fand, der hatte seine Geiß noch, weil ihm andere nicht so viel als ich drum geben wollten, welches mich an so reichen Leuten wunderte, und doch nit kärger machte; Ich führte ihn auf meinen neuerkauften Hof, bezahlte ihm seine Geiß, und nachdem ich ihm einen halben Rausch angehängt, fragte ich ihn, woher ihm derjenige Knab zugestanden wäre, von dem wir heute geredet? »Ach Herr«, sagte er, »der Mansfelder Krieg hat mir ihn beschert, und die Nördlinger Schlacht hat mir ihn wieder genommen.« Ich sagte: »Das muß wohl ein lustige Histori sein«, mit Bitt, weil wir doch sonst nichts zu reden hätten, er wollte mirs doch für die lange Weil erzählen. Darauf fing er an, und sagte: »Als der Mansfelder bei Höchst die Schlacht verlor, zerstreute sich sein flüchtig Volk weit und breit herum, weil sie nit alle wußten, wohin sie sich retirieren sollten; viel kamen in Spessart, weil sie die Büsch suchten, sich zu verbergen, aber indem sie dem Tod auf der Ebne entgingen, fanden sie ihn bei uns in den Bergen, und weil beide kriegende Teile für billig achteten, einander auf unserm Grund und Boden zu berauben und niederzumachen, griffen wir ihnen auch auf die Hauben, damals ging selten ein Bauer in den Büschen ohne Feurrohr, weil wir zu Haus bei unsern Hauen und Pflügen nit bleiben konnten. In demselben Tumult bekam ich nicht weit von meinem Hof in einem wilden ungeheuren Wald ein schöne junge Edelfrau samt einem stattlichen Pferd, als ich zuvor nit
Hiemit beschloß mein Knan seine Erzählung, weil er eins trank, denn ich sprach ihm gar gütlich zu; da er aber das Glas ausgeleeret hatte, fragte ich: »Und wie ists danach weiter mit der Frauen gangen?« Er antwortet': »Als sie dergestalt Kindbetterin worden, bat sie mich zu Gevattern, und daß ich das Kind ehestens zur Tauf fördern wollte; sagte mir auch ihres Manns und ihren Namen, damit sie möchten in das Taufbuch geschrieben werden, und indem tat sie ihr Felleisen auf, darinnen sie wohl köstliche Sachen hatte, und schenkte mir, meinem Weib und Kind, der Magd und sonst noch einer Frauen soviel, daß wir wohl mit ihr zufrieden sein können; aber indem sie so damit umging, und uns von ihrem Mann erzählte, starb sie uns unter den Händen, als sie uns ihr Kind zuvor wohl befohlen hatte: weil es
»Ihr habt mir«, sagte ich zu meinem Knan, »ein artliche Geschicht erzählt, und doch das Best vergessen, denn Ihr habt nicht gesagt weder wie die Frau, noch ihr Mann oder das Kind geheißen.« »Herr«, antwortet' er, »ich hab nicht gemeint, daß Ihrs auch gern hättet wissen mögen; die Edelfrau hieß Susanna Ramsi, ihr Mann Kapitän Sternfelß von Fuchsheim, und weil ich Melchior hieß, so ließ ich den Buben bei der Taufe auch Melchior Sternfelß von Fuchsheim nennen, und ins Taufbuch schreiben.«
Hieraus vernahm ich umständlich, daß ich meines Einsiedlers und des Gubernators Ramsay Schwester leiblicher Sohn gewesen, aber ach leider viel zu spät, denn meine Eltern waren beide tot, und von meinem Vetter Ramsay konnte ich anders nichts erfahren, als daß die Hanauer ihn mitsamt der schwedischen Garnison ausgeschafft hätten, weswegen er denn vor Zorn und Ungeduld ganz unsinnig worden wäre.
Ich deckte meinen Pettern vollends mit Wein zu, und ließ den andern Tag sein Weib auch holen; da ich mich ihnen nun offenbarte, wollten sie es nicht ehe glauben, bis ich ihnen zuvor einen schwarzen haarigen Flecken aufgewiesen, den ich vorne auf der Brust hatte.
Welchergestalt ihn die Kindswehe angestoßen, und wie er wieder zu einem Witwer wird
Ohnlängst hernach nahm ich meinen Pettern zu mir, und tat mit ihm einen Ritt hinunter in Spessart, glaubwürdigen Schein und Urkund meines Herkommens und ehelicher Geburt halber zuwege zu bringen, welches ich ohnschwer aus dem Taufbuch und meines Pettern Zeugnis erhielt. Ich kehrte auch gleich bei dem Pfarrer ein, der sich zu Hanau aufgehalten, und meiner angenommen, derselbe gab mir einen schriftlichen Beweis mit, wo mein Vater sel. gestorben, und daß ich bei demselben bis in seinen Tod, und endlich unter dem Namen Simplici eine Zeitlang bei Herrn Ramsay dem Gubernator in Hanau gewesen wäre, ja ich ließ über meine ganze Histori aus der Zeugen Mund durch einen Notarium ein Instrument aufrichten, denn ich gedachte, wer weiß, wo du es noch einmal brauchest; solche Reis kostet' mich über 400 Taler, denn auf dem Zurückweg wurde ich von einer Partei erhascht, abgesetzt und geplündert, also daß ich und mein Knan oder Petter allerdings nackend, und kaum mit dem Leben davonkamen.
Indessen gings daheim auch schlimm zu, denn nachdem mein Weib vernommen, daß ihr Mann ein Junker sei, spielte sie nit allein die große Frauen, sondern verliederlicht' auch alles in der Haushaltung, welches ich, weil sie großen Leibes war, stillschweigend übertrug, überdas war mir ein Unglück in den Stall kommen, so mir das meiste und beste Vieh hingerafft.
Dieses alles wäre noch zu verschmerzen gewesen, aber o mirum! kein Unglück allein, in der Stund, darin mein Weib genas, wurde die Magd auch Kindbetterin, das Kind zwar so sie brachte, sah mir allerdings ähnlich, das aber so mein Weib gebar, sah dem Knecht so gleich, als wenns ihm aus dem Gesicht geschnitten worden wäre; zudem hatte diejenige Dame, deren oben gedacht, in ebenderselben Nacht auch eins vor meine Tür legen lassen, mit schriftlichem Bericht,
Nun was halfs? ich mußte taufen, und mich noch dazu von der Obrigkeit rechtschaffen strafen lassen, und weil die Herrschaft damals eben schwedisch war, ich aber hiebevor dem Kaiser gedient, wurde mir die Zech desto höher gemacht, welches lauter Praeludia waren meines abermaligen gänzlichen Verderbens. Gleichwie mich nun so vielerlei unglückliche Zufäll höchlich betrübten, also nahm es andernteils mein Weibchen nur auf die leichte Achsel, ja sie trillete mich noch dazu Tag und Nacht wegen des schönen Funds, der mir vor die Tür geleget, und daß ich um so viel Gelds gestraft worden wäre; hätte sie aber gewußt, wie es mit mir und der Magd beschaffen gewesen, so würde sie mich noch wohl ärger gequält haben, aber das gute Mensch war so aufrichtig, daß sie sich durch soviel Geld, als ich sonst ihretwegen hätte Straf geben müssen, bereden ließ, ihr Kind einem Stutzer zuzuschreiben, der mich das Jahr zuvor unterweilen besucht, und bei meiner Hochzeit gewesen, den sie aber sonst weiters nicht gekannt; doch mußte sie aus dem Haus, denn mein Weib argwöhnet', was ich ihretwegen vom Knecht gedachte, und durft doch nichts ahnden, denn ich hätte ihr sonst vorgehalten, daß ich in einer Stund nicht zugleich bei ihr und der Magd sein können. Indessen wurde ich mit dieser Anfechtung heftig gepeiniget, daß ich meinem Knecht ein Kind aufziehen, und die meinigen nicht meine Erben sein sollten, und daß ich noch dazu stillschweigen, und froh sein mußte, daß gleichwohl sonst niemand nichts davon wußte.
Mit solchen Gedanken martert ich mich täglich, aber mein Weib delektierte sich stündlich mit Wein, denn sie hatte sich das Kännchen seit unserer Hochzeit dergestalt angewöhnt, daß es ihr selten vom Maul, und sie selbsten gleichsam
Relation etlicher Baursleut, von dem wunderbaren Mummel-See
Da ich mich nun wieder solchergestalt in meine erste Freiheit gesetzt befand, mein Beutel aber von Geld ziemlich geleeret, hingegen meine große Haushaltung mit vielem Vieh und Gesind beladen, nahm ich meinen Petter Melchior für einen Vater, meine Göt, seine Frau, für meine Mutter, und den Bankert Simplicium, der mir vor die Tür geleget worden, für meinen Erben an, und übergab diesen beiden Alten Haus und Hof samt meinem ganzen Vermögen, bis auf gar wenig gelbe Batzen und Kleinodien, die ich noch auf die äußerste Not gespart und hinterhalten hatte, denn ich hatte einen Ekel ab aller Weiber Beiwohnung und Gemeinschaft gefaßt, daß ich mir vornahm, weil mirs so übel mit ihnen gangen, mich nicht mehr zu verheiraten; diese beiden alten Eheleut, welche in re rusticorum nit wohl ihresgleichen mehr hatten, gossen meine Haushaltung gleich in einen andern Model, sie schafften von Gesind und Vieh ab was nichts nützte, und bekamen hingegen auf den Hof, was etwas eintrug; Mein alter Knan samt meiner alten Meuder vertrösteten mich alles Guten, und versprachen, wenn ich sie nur hausen ließe, so wollten sie mir allweg ein gut Pferd auf der Streu halten, und so viel verschaffen, daß ich je zuzeiten mit einem ehrlichen Biedermann ein Maß Wein trinken könnte: Ich spürete auch gleich, was für Leut meinem Hof vorstanden, mein Petter bestellte mit dem Gesind den Feldbau, schacherte mit Vieh und mit dem Holz- und Harzhandel ärger als ein Jud, und meine Göt legte sich auf
Einsmals spazierte ich in Sauerbrunnen, mehr einen Trunk frisch Wasser zu tun, als mich meiner vorigen Gewohnheit nach mit den Stutzern bekannt zu machen, denn ich fing an meiner Alten Kargheit nachzuahmen, welche mir nicht rieten, daß ich mit den Leuten viel umgehen sollte, die ihre und ihrer Eltern Hab so unnützlich verschwendeten: Gleichwohl aber geriet ich zu einer Gesellschaft mittelmäßigen Stands, weil sie von einer seltenen Sach, nämlich von dem Mummel-See diskurierten, welcher unergründlich, und in der Nachbarschaft auf einem von den höchsten Bergen gelegen sei; sie hatten auch unterschiedliche alte Bauersleut beschickt, die erzählen mußten, was einer oder der ander von diesem wunderbarlichen See gehöret hätte, deren Relation ich denn mit großer Lust zuhörte, wiewohl ichs für eitel Fabeln hielt, denn es lautete also lügenhaftig, als etliche Schwänk des Plinii.
Einer sagte, wenn man ungerad, es seien gleich Erbsen, Steinlein oder etwas anders, in ein Nastüchlein binde, und hineinhänge, so verändere es sich in gerad; also auch, wenn man gerad hineinhänge, so finde man ungerad. Ein anderer, und zwar die meisten gaben vor, und bestätigten es auch mit Exempeln, wenn man einen oder mehr Stein hineinwürfe, so erhebe sich gleich, Gott geb wie schön auch der Himmel zuvor gewesen, ein grausam Ungewitter, mit schrecklichem Regen, Schlossen und Sturmwinden. Von diesem kamen sie auch auf allerhand seltsame Historien, so
Solche und dergleichen mehr Historien, die mir alle als Märlein vorkamen, damit man die Kinder aufhält, hörte ich an, verlachte sie, und glaubte nit einmal, daß ein solcher unergründlicher See auf einem hohen Berg sein könnte; Aber es fanden sich noch andere Baursleut, und zwar alte glaubwürdige Männer, die erzählten, daß noch bei ihrem und ihrer Väter Gedenken hohe fürstliche Personen den besagten See zu beschauen sich erhoben, wie denn ein regierender Herzog zu Würtenberg, etc. ein Floß machen, und mit demselbigen darauf hineinfahren lassen, seine Tiefe abzumessen; nachdem die Messer aber bereits neun Zwirnnetz
Ein unerhörte Danksagung eines Patienten, die bei Simplicio fast heilige Gedanken verursacht
Dieser letztern Aussag machte, daß ich denen zuerst beinahe völligen Glauben zustellte, und bewog meinen Vorwitz, daß ich mich entschloß, den wunderbaren See zu beschauen; Von denen, so neben mir alle Erzählung gehört, gab einer dies, der ander jenes Urteil darüber, daraus denn ihre unterschiedlichen und widereinander laufenden Meinungen genugsam erhellten; Ich zwar sagte, der teutsche Nam Mummel-See gebe genugsam zu verstehen, daß es um
Daselbsten legte ich mich auf das grüne Gras in Schatten nieder, ich achtet aber nicht mehr wie hiebevor, was die Nachtigallen daherpfiffen, sondern ich betrachtete, was für Veränderung ich seithero erduldet; da stellte ich mir vor Augen, daß ich an eben demselbigen Ort den Anfang gemacht, aus einem freien Kerl zu einem Knecht der Liebe zu werden, daß ich seithero aus einem Offizier ein Bauer, aus einem reichen Bauern ein armer Edelmann, aus einem Simplicio ein Melchior, aus einem Witwer ein Ehmann, aus einem Ehmann ein Gauch, und aus einem Gauch wieder ein Witwer worden wäre; Item, daß ich aus eines Baurn Sohn zu einem Sohn eines rechtschaffenen Soldaten, und gleichwohl wieder zu einem Sohn meines Knans worden. Da führte ich zu Gemüt, wie mich seithero mein fatum des Herzbruders beraubt, und hingegen für ihn mit zweien alten Eheleuten versorgt hätte; ich gedachte an das gottselige Leben und Absterben meines Vaters, an den erbärmlichen Tod meiner Mutter, und daneben auch an die vielfältigen Veränderungen, denen ich mein Lebtag unterworfen gewesen, also daß ich mich des Weinens nit enthalten konnte. Und indem ich zu Gemüt führte, wie viel schön Geld ich die Tage meines Lebens gehabt und verschwendet, zumal solches zu bedauren anfing, kamen zween gute Schlucker oder Weinbeißer (denen die Cholica in die Glieder geschlagen, deswegen sie denn erlahmet, und das Bad samt dem Saurbrunnen brauchten), die setzten sich zu nächst bei mir nieder, weil es eine gute Ruhestatt hatte, und klagte je einer dem andern seine Not, weil sie vermeineten allein zu sein; der eine sagte: »Mein Doktor hat mich hieher gewiesen, als einen, an dessen Gesundheit er verzweifelt, oder als einen, der neben andern dem Wirt um das Fäßlein mit
Diese zween hatten noch viel Schmähens über ihre Doctores, aber ich mags drum nicht alles erzählen, denn die Herren Medici möchten mir sonst feind werden, und künftig eine Purgation eingeben, die mir die Seel austreiben möchte: Ich melde dies allein deswegen, weil mich der letztere Patient mit seiner Danksagung, daß ihm Gott nit mehr Geld bescheret, dergestalt tröstete, daß ich alle Anfechtungen und schweren Gedanken, die ich damals des Gelds halber hatte, aus dem Sinn schlug. Ich resolvierte mich, weder mehr nach Ehren noch Geld, noch nach etwas anderm das die Welt liebt, zu trachten; ja ich nahm mir vor zu philosophieren, und mich eines gottseligen Lebens zu befleißen, zumalen meine Unbußfertigkeit zu bereuen, und mich zu erkühnen, gleich meinem Vater sel. auf die höchsten Staffeln der Tugenden zu steigen.
Wie Simplicius mit den Sylphis in das Centrum terrae fährt
Die Begierde den Mummelsee zu beschauen vermehrte sich bei mir, als ich von meinem Petter verstand, daß er auch dabei gewesen, und den Weg dazu wüßte; da er aber hörete, daß ich überein auch dazu wollte, sagte er: »Und was werdert Ihr dann davontragen, wenn Ihr gleich hinkommt? der Herr Sohn und Petter wird nichts anders sehen als ein Ebenbild eines Weihers, der mitten in einem großen Wald liegt, und wenn er seine jetzige Lust mit beschwerlicher Unlust gebüßt, so wird er nichts anders als Reu, müde Füß (denn man kann schwerlich hinreiten) und den Hergang für den Hingang davon haben; Es sollte mich kein Mensch hingebracht haben, wenn ich nicht hätt hinfliehen müssen, als der Doktor Daniel (er wollte Duc d'Anguin sagen) mit seinen Kriegern das Land hinunter vor Philippsburg zog.« Hingegen kehrte sich mein Vorwitz nicht an seine Abmahnung, sondern ich bestellte einen Kerl, der mich hinführen sollte; da er nun meinen Ernst sah, sagte er, weil die Habersaat vorüber, und auf dem Hof weder zu hauen noch zu ernten, wollte er selbst mit mir gehen, und den Weg weisen; denn er hatte mich so lieb, daß er mich ungern aus dem Gesicht ließ, und weil die Leut im Land glaubten, daß ich sein leiblicher Sohn sei, prangte er mit mir, und tat gegen mich und jedermann, wie etwa ein gemeiner armer Mann gegen seinen Sohn tun möchte, den das Glück ohne sein Zutun und Beförderung zu einem großen Herrn gemacht hätte.
Also wanderten wir miteinander über Berg und Tal, und kamen zu dem Mummelsee, ehe wir sechs Stund gegangen hatten, denn mein Petter war noch so käfermäßig und so wohl zu Fuß als ein Junger; Wir verzehrten daselbst was wir von Speis und Trank mit uns genommen, denn der weite Weg und die Höhe des Bergs, auf welchem der See liegt, hatte uns hungrig und hellig gemacht; Nachdem wir
Solche Prob nun ins Werk zu setzen, ging ich gegen die linke Hand am See hin, an denjenigen Ort, da das Wasser (welches sonst so hell ist als ein Kristall) wegen der abscheulichen Tiefe des Sees gleichsam kohlschwarz zu sein scheinet, und deswegen so fürchterlich aussiehet, daß man sich auch nur vorm Anblick entsetzt, daselbst fing ich an so große Stein hineinzuwerfen, als ich sie immermehr ertragen konnte; mein Petter oder Knan wollte mir nicht allein nicht helfen, sondern warnete und bat mich davon abzustehen soviel ihm immer möglich, ich aber kontinuieret meine Arbeit emsig fort, und was ich von Steinen ihrer Größe und Schwere halben nicht ertragen mochte, das walgert ich herbei, bis ich deren über dreißig in See brachte; Da fing die Luft an den Himmel mit schwarzen Wolken zu bedecken, in welchen ein grausames Donnern gehöret wurde; also daß mein Petter, welcher jenseit des Sees bei dem Auslauf stand, und über mein Arbeit lamentierte, mir zuschrie, ich sollte mich doch salvieren, damit uns der Regen und das schreckliche Wetter nicht ergreife, oder noch wohl ein größer Unglück betreffe; ich aber antwortete ihm hingegen: »Vater ich will bleiben und des Ends erwarten, und sollte es auch Hellebarden regnen«; »Ja«, antwortet' mein Knan, »Ihr machts wie alle verwegenen Buben, die sich
Indem ich nun diesem seinem Schmälen so zuhörete, verwandte ich die Augen nicht von der Tiefe des Sees, der Meinung, etwa etliche Blattern oder Blasen vom Grund desselbigen aufsteigen zu sehen, wie zu geschehen pflegt, wenn man in andere tiefe, so stillstehende als fließende Wasser Steine wirft; aber ich wurde nichts dergleichen gewahr, sondern sah sehr weit gegen den abyssum etliche Kreaturen im Wasser herumflattern, die mich der Gestalt nach an Frösch ermahnten, und gleichsam wie Schwärmerlein aus einer aufgestiegenen Raket, die in der Luft ihr Wirkung der Gebühr nach vollbringt, herumvagierten; und gleichwie sich dieselbigen mir je länger je mehr näherten, also schienen sie auch in meinen Augen je länger je größer, und an ihrer Gestalt den Menschen desto ähnlicher; weswegen mich denn erstlich eine große Verwunderung, und endlich weil ich sie so nahe bei mir hatte, ein Grausen und Entsetzen ankam: »Ach!« sagte ich damal vor Schrecken und Verwunderung zu mir selber, und doch so laut, daß es mein Knan, der jenseit des Sees stand, wohl hören konnte (wiewohl es schrecklich donnerte) »wie sind die Wunderwerk des Schöpfers auch sogar im Bauch der Erden, und in der Tiefe des Wassers so groß!« Kaum hatte ich diese Wort recht ausgesprochen, da war schon eins von diesen Sylphis oben auf dem Wasser, das antwortet': »Siehe: das bekennest du, ehe du etwas davon gesehen hast; was würdest du wohl sagen, wenn du erst selbsten im centro terrae wärest, und unsere Wohnung, die dein Vorwitz beunruhiget, beschautest?« Unterdessen kamen noch mehr dergleichen Wassermännlein hier und dort, gleichsam wie die Tauchentlein hervor, die mich alle ansahen, und die Stein wieder heraufbrachten, die ich hineingeworfen, worüber ich ganz erstaunte; Der erste und vornehmste aber unter ihnen, dessen Kleidung wie lauter Gold und Silber glänzte, warf mir einen leuchtenden Stein zu, so groß als ein Taubenei, und so grün und durchsichtig als ein Smaragd, mit diesen Worten: »Nimm hin dies Kleinod, damit du etwas von uns und diesem See zu sagen wissest!« Ich hatte ihn aber kaum
Da mein Knan dies Wunder zum Teil (nämlich soviel oberhalb des Wassers geschehen) samt meiner jählingen Verzückung gesehen, trollte er sich vom See hinweg, und heim zu, als ob ihm der Kopf brennte; daselbst erzählte er allen Verlauf, vornehmlich aber, daß die Wassermännlein diejenigen Stein, so ich in See geworfen, wieder in vollem Donnerwetter heraufgetragen, und an ihre vorige Statt gelegt, hingegen aber mich mit sich hinuntergenommen hätten: Etliche glaubten ihm, die meisten aber hielten es für eine Fabel, andere bildeten sich ein, ich hätte mich wie ein anderer Empedocles Agrigentinus (welcher sich in den Berg Aetnam gestürzt, damit jedermann gedenken sollte, wenn man ihn nirgend finde, er wäre gen Himmel gefahren) selbst im See ertränkt, und meinem Vater befohlen, solche Fabeln von mir auszugeben, um mir einen unsterblichen Namen zu machen; man hätte eine Zeitlang an meinem melancholischen Humor wohl gesehen, daß ich halber desperat gewesen wäre, etc. Andere hätten gern geglaubt, wenn sie meine Leibskräfte nicht gewußt, mein angenommener Vater hätte mich selbst ermordet, damit er als ein geiziger alter Mann meiner los würde, und allein Herr auf meinem Hof sein möchte; Also daß man um diese Zeit von sonsten nichts, als von dem Mummel-See, von mir und meiner Hinfahrt und von meinem Petter, beides im Sauerbrunnen und auf dem Land zu sagen und zu raten wußte.
Der Prinz über den Mummel-See erzählet die Art und das Herkommen der Sylphorum
Plinius schreibt im End des zweiten Buchs vom Geometra Dionysio Doro, daß dessen Freunde einen Brief in seinem Grab gefunden, den er, Dionysius, geschrieben, und darinnen berichtet, daß er aus seinem Grab bis in das mittelste Centrum der Erden sei kommen, und befunden, daß 42000 Stadia bis dahin seien; Der Fürst über den Mummel-See aber, so mich begleitet', und obigergestalt vom Erdboden hinweggeholet hatte, sagte mir für gewiß, daß sie aus dem Centro Terrae bis an die Luft durch die halbe Erd just 900 teutscher Meilen hätten, sie wollten gleich nach Teutschland oder zu deren Antipodibus, und solche Reisen müßten sie alle durch dergleichen Seen nehmen, deren hin und wieder soviel in der Welt, als Tag im Jahr seien, welcher Ende oder Abgründe alle bei ihres Königs Wohnung zusammenstießen. Diese große Weite nun passierten wir ehe als in einer Stunde, also daß wir mit unserer schnellen Reis des Monds Lauf sehr wenig oder gar nichts bevor gaben, und dennoch geschah solches so gar ohne alle Beschwerung, daß ich nicht allein keine Müdigkeit empfand, sondern auch in solchem sanften Abfahren mit obgemeldtem Mummelseer-Prinzen allerhand diskurieren konnte, denn da ich seine Freundlichkeit vermerkte, fragte ich ihn, zu was Ende sie mich einen so weiten, gefährlichen und allen Menschen ohngewöhnlichen Weg mit sich nähmen? Da antwortet' er mir gar bescheiden, der Weg sei nit weit, den man in einer Stund spazieren könnte, und nit gefährlich, dieweil ich ihn und seine Gesellschaft mit dem überreichten Stein bei mir hätte, daß er mir aber ungewöhnlich vorkomme, sei sich nichts zu verwundern; sonst hätte er mich nicht allein aus seines Königs Befehl, der etwas mit mir zu reden, abgeholt, sondern daß ich auch gleich die seltsamen Wunder der Natur unter der Erden und in Wassern beschauen sollte, deren ich mich zwar bereits auf dem Erdboden verwundert,
Da ich ihn so reden, und die Hl. Schrift anziehen hörete,
Was Simplicius ferner mit diesem Fürsten unterwegs diskuriert, und was er für verwunderliche und abenteurliche Sachen vernommen
Ich sagte zu dem Fürstlein, weil ich auf dem Erdboden ohnedas mehr Gelegenheit hätte, von dieser Materia zu hören, als ich mir zunutz machte, so wollte ich ihn gebeten haben, er wollte mir doch dafür die Ursach erzählen, warum zuzeiten ein so groß Ungewitter entstehe, wenn man Stein in solche Seen werfe? denn ich erinnerte mich von dem Pilatus-See im Schweizerland ebendergleichen gehört, und vom See Camarina in Sicilia ein solches gelesen zu haben, von welchem die Phrasis entstanden, ›Camarinam movere‹; Er antwortet': »Weil alles, das schwer ist, nicht ehe gegen das centrum terrae zu fallen aufhöret, wenn es in ein Wasser geworfen wird, es treffe denn einen Boden an, darauf es unterwegs liegen verbleibe, hingegen diese Seen alle miteinander bis auf das centrum ganz bodenlos und offen sind, also daß die Stein so hineingeworfen werden, notwendig und natürlicher Weis in unsere Wohnung fallen, und liegen bleiben müßten, wenn wir sie nicht wieder zu ebendem Ort, da sie herkommen, von uns hinausschafften, also tun
Ich bedankte mich dieser Kommunikation, und sagte: »Weil ich verstehe, daß euer Geschlecht durch solche Seen alle Quellen und Flüß auf dem ganzen Erdboden mit Wasser versiehet, so werdet ihr auch Bericht geben können, warum sich die Wasser nit alle gleich befinden, beides an Geruch, Geschmack, etc. und der Kraft und Wirkung, da sie doch ihre Wiederkehrung (wie ich verstanden) ursprünglich alle aus dem Abgrund des großen Oceani hernehmen, darein sich alle Wasser wiederum ergießen; Denn etliche Quellen sind liebliche Sauerbrunnen, und taugen zu der Gesundheit, etliche sind zwar sauer, aber unfreundlich und schädlich zu trinken; und andere sind gar tödlich und vergift, wie derjenige Brunn in Arcadia, damit Jolla dem Alexandro Magno vergeben haben soll; etliche Brunnenquellen sind laulicht, etliche siedendheiß, und andere eiskalt; etliche fressen durch Eisen als Aqua fort, wie einer in Zepusio oder der Grafschaft
Hierauf antwortet' der Fürst: Diese Dinge alle miteinander hätten ihre natürlichen Ursachen, welche denn von den Naturkundigern unsers Geschlechts mehrenteils aus den unterschiedlichen Gerüchen, Geschmäcken, Kräften und Wirkungen der Wasser genugsam erraten, abgenommen und auf dem Erdboden offenbart worden wären. Wenn ein Wasser von ihrer Wohnung an bis zu seinem Auslauf, welchen wir die Quelle nenneten, nur durch allerhand Stein laufe, so verbleibe es allerdings kalt und süß, dafern es aber auf solchem Weg durch und zwischen die Metalla passiere (denn der große Bauch der Erden sei innerlich nicht an einem Ort wie am andern beschaffen), als da sei Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Blei, Eisen, Quecksilber, etc. oder durch die halben Mineralia, nämlich Schwefel, Salz mit allen seinen Gattungen, als naturale, sal gemmae, sal nativum, sal radicum, sal nitrum, sal ammoniacum, sal petrae, etc. weiße, rote, gelbe und grüne Farben, Vitriol, marchasita aurea, argentea, plumbea, ferrea, lapis lazuli, alumen, arsenicum, antimonium, risigallum, Electrum naturale, Chrysocolla, Sublimatum, etc. so nehme es deren Geschmack, Geruch, Art, Kraft und Wirkung an sich, also daß es den Menschen entweder heilsam oder schädlich werde. Und ebendaher hätten wir so unterschiedlich Salz, denn etliches sei gut, und etliches schlecht; »zu Cervia und Comacchio ist es ziemlich schwarz, zu Memphis rötlich, in Sicilia schneeweiß, das
Nach solchem Gespräch fragte ich den Prinzen, ob auch möglich sein könnte, daß er mich wieder durch einen andern als den Mummelsee, auch an ein andern Ort der Erden auf die Welt bringen könnte? »Freilich«, antwortet' er, »warum das nicht, wenn es nur Gottes Will ist; denn auf solche Weis haben unsere Voreltern vor alten Zeiten etliche Kananäer, die dem Schwert Josuae entronnen, und sich aus Desperation in einen solchen See gesprengt, nach Americam geführt, maßen deren Nachkömmlinge noch auf den heutigen Tag den See zu weisen wissen, aus welchem ihre Ureltern anfänglich entsprungen.« Als ich nun sah, daß er sich über meine Verwunderung verwunderte, gleichsam als ob seine Erzählung nicht verwundernswürdig wäre, sagte ich zu ihm: Ob sie sich denn nit auch verwunderten, da sie etwas Seltenes und Ungewöhnliches von uns Menschen
Was der König mit Simplicio, und Simplicius mit dem König geredet
Dies war das End unsers Gesprächs, weil wir uns dem Sitz des Königs näherten, vor welchen ich ohne Zeremonien oder Verlust einziger Zeit hingebracht wurde: Da hatte ich nun wohl Ursach, mich über seine Majestät zu verwundern, da ich doch weder eine wohlbestellte Hofhaltung noch einziges Gepräng, ja aufs wenigst keinen Kanzler oder geheime Rät, noch einzigen Dolmetschen, oder Trabanten und Leibguardi, ja sogar keinen Schalksnarrn, noch Koch, Kellner, Page, noch einzigen Favoriten oder Tellerlecker nicht sah; sondern rings um ihn her schwebten die Fürsten über alle Seen, die sich in der ganzen Welt befinden, ein jedweder in derjenigen Landsart aufziehend, in welches sich ihr unterhabender See von dem Centro Terrae aus erstreckte; dannenhero sah ich zugleich die Ebenbilder der Chinesen und Afrikaner, Troglodyten und Novazembler, Tartarn und Mexikaner, Samojeden und Molukkenser, ja auch von denen, so unter den Polis arctico und antarctico wohnen, das wohl ein seltsames Spektakul war; die zween, so über den wilden und schwarzen See die Inspektion trugen, waren allerdings bekleidet, wie der so mich convoyiert, weil ihre Seen zunächst am Mummelsee gelegen, zog also derjenige, so über den Pilatussee die Obsicht trug, mit einem breiten ehrbaren Bart und einem Paar Pluderhosen auf wie ein reputierlicher Schweizer, und derjenige so über den obgemeldte See Camarina die Aufsicht hatte, sah beides mit Kleidern und Gebärden einem Sizilianer so ähnlich, daß einer tausend Eid geschworen hätte, er wäre noch niemalen aus Sicilia kommen, und könnte kein teutsches Wort; Also sah ich auch, wie in einem Trachtenbuch, die Gestalten der Perser, Japonier, Moskowiter, Finnen, Lappen, und aller andern Nationen in der ganzen Welt.
Ich bedurfte nit viel Komplimente zu machen, denn der König fing selbst an sein gut Teutsch mit mir zu reden,
Darauf sagte er: »Es ist mir referiert worden, daß sich die irdischen Menschen, und sonderlich ihr Christen des Jüngsten Tags ehestens versehen, weilen nicht allein alle Weissagung, sonderlich was die Sibyllen hinterlassen, erfüllt, sondern auch alles was auf Erden lebt, den Lastern so schrecklich ergeben sei: also daß der allmächtige Gott nicht länger verziehen werde, der Welt ihr Endschaft zu geben; Weilen denn nun unser Geschlecht mitsamt der Welt untergehen, und im Feur (wiewohl wir des Wassers gewohnt sind) verderben muß, also entsetzen wir uns nit wenig wegen Zunahung solcher erschrecklichen Zeit; haben dich derowegen zu uns holen lassen, um zu vernehmen, was etwa deswegen für Sorg oder Hoffnung zu machen sein möchte? wir zwar können aus dem Gestirn noch nichts dergleichen abnehmen, auch nichts an der Erdkugel vermerken, daß ein so nahe Veränderung obhanden sei; müssen uns derowegen
Ich antwortet: »Wenn ich an dem Höchsten anfangen soll, so mach ich billig den Anfang an den Geistlichen, dieselben nun sind gemeiniglich alle, sie seien auch gleich was für Religion sie immer wollen, wie sie Eusebius in einem Sermon beschrieben; nämlich rechtschaffene Verächter der Ruhe, Vermeider der Wollüste, in ihrem Beruf begierig zur Arbeit, geduldig in Verachtung, ungeduldig zur Ehr, arm an Hab und Geld, reich am Gewissen, demütig gegen ihre Verdienste, und hochmütig gegen die Laster; und gleichwie sie sich allein befleißen Gott zu dienen, und auch andere Menschen mehr durch ihr Exempel als ihre Wort zum Reich Gottes zu bringen; Also haben die weltlichen hohen Häupter und Vorsteher allein ihr Absehen auf die liebe Justitiam, welche sie denn ohne Ansehen der Person einem jedweden, Arm und Reich, durch die Bank hinaus schnurgerad erteilen
Etliche neue Zeitungen aus der Tiefe des unergründlichen Meers Mare del Zur, oder das friedsame stille Meer genannt
Ich pausierte ein wenig, und bedachte mich was ich noch ferners vorbringen wollte, aber der König sagte, er hätte bereits so viel gehört, daß er nichts mehrers zu wissen begehrte; wenn ich wollte, so sollten mich die Seinigen gleich wieder an den Ort bringen wo sie mich genommen; wollte ich aber (»denn ich sehe wohl«, sagte er, »daß du ziemlich kurios bist«) in seinem Reich eins und anders beschauen, das meinesgleichen ohne Zweifel selten sehn würde, so sollte ich in seiner Jurisdiktion sicher hin begleitet werden, wohin ich nur wollte, und alsdann so wollte er mich mit einer Verehrung abfertigen, daß ich damit zufrieden sein könnte; da ich mich aber nichts entschließen und ihm antworten konnte, wandte er sich zu etlichen, die eben in den Abgrund des Mare del Zur sich begeben, und dorten beides wie aus einem Garten und wie von einer Jagd Nahrung holen sollten, zu denen sagte er: »Nehmt ihn mit, und bringt ihn bald wieder her, damit er noch heut wieder auf den Erdboden gestellt werde.« Zu mir aber sagte er, ich könnte mich indessen auf etwas besinnen, das in seiner Macht
Als sich nun meine Convoi genugsam proviantiert hatte, kehrten wir wiederum durch ein andere Höhle aus dem Meer in das Centrum terrae; unterwegs erzählte ich ihrer etlichen, daß ich vermeint hätte, das Centrum der Erden wäre inwendig hohl, in welchem hohlen Teil die Pygmaei wie in einem Kranrad herumliefen, und also die ganze Erdkugel herumdrillten, damit sie überall von der Sonnen, welche nach Aristarchi und Copernici Meinung mitten am Himmel unbeweglich still stünde, beschienen würde; Welcher Einfalt wegen ich schrecklich ausgelacht wurde, mit Bericht, ich sollte mir sowohl obiger beiden Gelehrten Meinung, als meine gehabte Einbildung ein eitlen Traum sein lassen; Ich sollte mich, sagten sie, anstatt dieser Gedanken besinnen, was ich von ihrem König für eine Gab begehren wollte, damit ich nicht mit leerer Hand wiederum auf den Erdboden dürfte; Ich antwortete, die Wunder die ich seithero gesehen, hätten mich so gar aus mir selbst gebracht, daß ich mich auf nichts bedenken könnte, mit Bitt, sie wollten mir doch raten, was ich von dem König begehren sollte; Meine Meinung wäre (sintemal er alle Brunnenquellen in der Welt zu dirigieren hätte) von ihm einen Gesundbrunnen auf meinen Hof zu begehren, wie derjenige wäre, der neulich von sich selbst in Teutschland entsprungen, der gleichwohl doch nur Süßwasser führe; der Fürst oder Regent über das stille Meer und dessen Höhlen antwortet', solches würde in seines Königs Macht nicht stehen, und wenn es gleich bei ihm stünde, und er mir gern gratifizieren wollte, so hätten jedoch dergleichen Heilbrunnen in die Läng keinen Bestand,
Da observierte ich, wie die Sonn einen See nach dem andern beschien und ihre Strahlen durch dieselbigen bis in diese schreckliche Tiefe hinunterwarf, also daß es diesen Sylphis niemal an keinem Licht nicht mangelte: Man sah sie in diesem Abgrund so heiter wie auf dem Erdboden leuchten, also daß sie auch einen Schatten warf: so daß ihnen, den Sylphis, die Seen wie Taglöcher oder Fenster taugten, durch welche sie beides Helle und Wärme empfingen, und wenn sich solches nicht überall schickte, weil etliche Seen gar krumm hinumgingen, wurde solches durch die Reflexion ersetzt, weil die Natur hin und wieder in die Winkel ganze Felsen von Kristall, Diamanten und Karfunkeln geordnet, so die Hellung hinunterfertigten.
Zurückreis aus dem Mittelteil der Erden, seltsame Grillen, Luftgebäu, Kalender, und gemachte Zech ohne den Wirt
Indessen hatte sich die Zeit genähert, daß ich wieder heim sollte; derhalben befahl der König, ich sollte mich vernehmen lassen, womit ich vermeinte, daß er mir einen Gefallen tun könnte? Da sagte ich, es könnte mir keine größere Gnade widerfahren, als wenn er mir einen rechtschaffenen medizinalischen Sauerbrunnen auf meinen Hof zukommen lassen würde. »Ists nur das?« antwortet' der König; »Ich hätte vermeint, du würdest etliche große Smaragd aus dem Amerikanischen Meer mit dir genommen, und gebeten haben, dir solche auf den Erdboden passieren zu lassen? jetzt sehe ich, daß kein Geiz bei euch Christen ist.« Mithin reichte er mir einen Stein von seltsamen variierenden Farben, und sagte: »Diesen stecke zu dir, und wo du ihn hin auf den Erdboden legen wirst, daselbst wird er anfangen das Centrum wieder zu suchen, und die bequemsten Mineralia durchgehen, bis er wieder zu uns kommt, und dir unsertwegen eine herrliche Sauerbrunnenquell zuschickt, die dir so wohl bekommen und zuschlagen soll, als du mit Eröffnung der Wahrheit um uns verdient hast.« Darauf nahm mich der Fürst vom Mummelsee alsbald wieder in sein Geleit, und passierte mit mir den Weg und See wieder zurück, durch welchen wir herkommen waren, etc.
Diese Heimfahrt dünkte mich viel weiter, als die Hinfahrt, also daß ich auf dritthalbtausend wohlgemessener teutscher Schweizer-Meilen rechnete; es war aber gewiß die Ursach, daß mir die Zeit so lang wurde, weil ich nichts mit meinem Convoi redete, als blößlich, daß ich von ihnen vernahm, sie würden bis auf drei-, vier- oder fünfhundert Jahr alt, und solche Zeit lebten sie ohne einzige Krankheit. Im übrigen war ich im Sinn mit meinem Saurbrunnen so reich, daß alle meine Witz und Gedanken genug zu tun hatten, zu beratschlagen, wo ich ihn hinsetzen, und wie ich mir ihn zunutz machen wollte. Da hatte ich allbereit meine
Mit solchen reichen Gedanken und überglückseligem Sinnhandel erreichte ich wiederum die Luft, maßen mich der vielgedachte Prinz allerdings mit trockenen Kleidern aus seinem Mummelsee ans Land setzte, doch mußte ich das Kleinod, so er mir anfänglich geben, als er mich abgeholet, stracks von mir tun, denn ich hätte sonst in der Luft entweder ersaufen, oder Atem zu holen den Kopf wieder ins Wasser stecken müssen, weil gedachter Stein solche Wirkung
Aber ach! meine Freud, die sich selbst vergeblich auf eine immerwährende Beständigkeit gründete, währete gar nicht lang, denn ich war kaum von diesem Wundersee hinweg, als ich bereits anfing in dem ungeheuren Wald zu verirren, weil ich nit Achtung geben hatte, von wannen her mein Knan mich zum See gebracht; Ich ging ein gut Stück Wegs fort, ehe ich meiner Verirrung gewahr wurde, und machte noch immerfort Kalender, wie ich den köstlichen Sauerbrunnen auf meinen Hof setzen, wohl anlegen, und mir dabei einen geruhigen Herrnhandel schaffen möchte. Dergestalt kam ich ohnvermerkt je länger je weiter von dem Ort, wohin ich am allermeisten begehrte, und was das schlimmste war, wurde ichs nicht eher inne, bis sich die Sonn neigte, und ich mir nit mehr zu helfen wußte; da stand ich mitten in einer Wildnis wie Matz von Dresden, beides ohne Speis und Gewehr, dessen ich gegen die bevorstehende Nacht wohl bedürftig gewesen wäre; doch tröstete mich mein Stein, den ich mit mir aus dem innersten Ingeweid der Erden heraus gebracht hatte: »Geduld, Geduld!« sagte ich zu mir selber, »dieser wird dich aller überstandenen Not wiederum ergötzen, gut Ding will Weil haben, und vortreffliche Sachen werden ohne große Mühe und Arbeit nicht erworben, sonst würde jeder Narr ohne Schnaufens und Bartwischens einen solchen edlen Sauerbrunnen, wie du einen bei dir in der Taschen hast, seines Gefallens zuwege bringen.«
Da ich mir nun solchergestalt zugesprochen, faßte ich zugleich mit der neuen Resolution auch neue Kräfte, maßen ich weit tapferer als zuvor auf die Sohlen trat, ob mich gleich die Nacht darüber ereilte; der Vollmond leuchtete mir zwar
Simplicius verzettelt seinen Saurbrunnen an einem unrechten Ort
Also kamen wir miteinander ins Gespräch, und ich genoß so vieler Höflichkeit von ihnen, daß sie mich hießen zum Feuer niedersitzen, und mir ein Stück schwarz Brot und magern Kuhkäs anboten, welches ich denn alles beide akzeptierte; Endlich wurden sie so vertraulich, daß sie mir zumuteten, ich sollte ihnen als ein fahrender Schüler gute Wahrheit sagen: und weil ich mich sowohl auf die Physiognomiam als Chiromantiam um etwas verstand, fing ich an einem nach dem andern aufzuschneiden, was ich meinte daß sie contentieren würde, damit ich bei ihnen meinen Kredit nicht verliere, denn es war mir bei dieser wilden Waldbursch nicht allerdings heimlich. Sie begehrten allerhand vorwitzige Künste von mir zu lernen, ich aber vertröstet sie auf den künftigen Tag, und begehrte, daß sie mich ein wenig wollten ruhen lassen. Und demnach ich solchergestalt einen Zigeuner agiert hatte, legte ich mich ein wenig beiseits, mehr zu horchen und zu vernehmen, wie sie gesinnet, als daß ich großen Willen (wiewohl es am Appetit nicht mangelte) zu schlafen gehabt hätte; je mehr ich nun schnarchte, je wachtsamer sie sich erzeigten, sie stießen die Köpf zusammen, und fingen an um die Wett zu raten, wer ich doch sein möchte? Für keinen Soldaten wollten sie mich halten, weil ich ein schwarz Kleid antrug, und für keinen Bürgerskerl konnten sie mich nit schätzen, weil ich zu einer solchen ungewöhnlichen Zeit so fern von den Leuten in das Mückenloch (denn so heißet der Wald) angestochen käme. Zuletzt beschlossen sie, ich müßte ein lateinischer Handwerksgesell sein, der verirret wäre, oder meinem eigenen Vorgeben nach ein fahrender Schüler, weil ich so trefflich wahrsagen könnte. »Ja«, fing denn ein anderer an, und sagte: »Er hat drum nicht alles gewußt, er ist etwa ein loser Krieger, und hat sich so verkleidet, unser Vieh und die Schlich im Wald auszukundigen, ach daß wirs wüßten,
Demnach nun diese so ratschlagten, und ich mich mit Sorgen ängstigte, wurde mir jähling, als ob einer bei mir läge, der ins Bett brunzte, denn ich lag unversehens ganz naß, o mirum! da war Troja verloren, und alle meine trefflichen Anschläg waren dahin, denn ich merkte am Geruch, daß es mein Sauerbrunnen war; Da geriet ich vor Zorn und Unwillen in eine solche Raserei, daß ich mich beinahe allein hinter die sechs Baurn gelassen, und mit ihnen herumgeschlagen hätte: »Ihr gottlosen Flegel« (sagte ich zu ihnen, als ich mit meinem schrecklichen Prügel aufgesprungen war), »an diesem Saurbrunnen der auf meiner Lagerstatt hervorquillt, könnt ihr merken, wer ich sei, es wäre kein Wunder, ich strafte euch alle, daß euch der Teufel holen möchte! weil ihr so böse Gedanken in Sinn nehmen dürfen«; machte darauf so bedrohliche und erschreckliche Mienen, daß sie sich alle vor mir entsetzten: Doch kam ich gleich wieder zu mir selber, und merkte, was ich für eine Torheit beging. Nein (gedacht ich) besser ists den Sauerbrunnen als das Leben verloren, das du leicht einbüßen kannst, wenn du dich hinter diese Lümmel machst: gab ihnen derhalben wieder gute Wort, und sagte, ehe sie sich etwas anders entsinnen konnten: »Stehet auf, und versucht den herrlichen Sauerbrunnen, den ihr und alle Harz- und Holzmacher hinfort in dieser Wildnis meinetwegen zu genießen haben werdet!« Sie konnten sich in mein Gespräch nicht richten, sondern sahen einander an wie lebendige Stockfisch, bis sie sahen, daß ich fein nüchtern aus meinem Hut den ersten Trunk tat; da standen sie nacheinander vom Feuer auf, darum sie gesessen, besahen das Wunder, und versuchten das Wasser, und anstatt daß sie mir darum hätten dankbar sein sollen, fingen sie an zu lästern, und sagten: Sie wollten, daß ich mit meinem Saurbrunnen an ein
Weil denn nunmehr der Tag vorhanden war, und ich nichts mehr da zu tun hatte, zumalen besorgen mußte, wir würden, da es noch lang herumging, einander endlich in die Haar geraten, sagte ich: Wenn sie nicht wollten, daß alle Kühe im ganzen Baiersbronner Tal rote Milch geben sollten, so lang der Brunn liefe, so sollten sie mir alsobald den Weg nach Seebach weisen, dessen sie denn wohl zufrieden, und mir zu solchem End zwei mitgaben, weil sich einer allein bei mir fürchtete.
Also schied ich von dannen, und obzwar dieselbe ganze Gegend unfruchtbar war, und nichts als Tannzapfen trug, so hätte ich sie doch noch elender verfluchen mögen, weil ich alle mein Hoffnung daselbst verloren; doch ging ich stillschweigend mit meinen Wegweisern fort, bis ich auf die Höhe des Gebirgs kam, allwo ich mich dem Geländ nach wieder ein wenig erkennen konnte. Da sagte ich zu ihnen: »Ihr Herren könnet euch euren neuen Saurbrunnen trefflich zunutz machen, wenn ihr nämlich hingehet, und eurer Obrigkeit dessen Ursprung anzeiget, denn da würde es eine treffliche Verehrung setzen, weil alsdann der Fürst selbigen zur Zierde und Nutz des Lands aufbauen, und zu Vermehrung seines Interesse aller Welt bekannt machen lassen wird.« »Ja«, sagten sie, »da wären wir wohl Narren, daß wir
Etwas wenigs von den ungarischen Wiedertäufern, und ihrer Art zu leben
Nach meiner Heimkunft hielt ich mich gar eingezogen, mein größte Freud und Ergötzung war, hinter den Büchern zu sitzen, deren ich mir denn viel beischaffte, die von allerhand Sachen traktierten, sonderlich solche, die ein großen Nachsinnens bedurften; das was die Grammatici und Schulfüchse wissen müßten, war mir bald erleidet, und eben also wurde ich der Arithmeticae auch gleich überdrüssig, was aber die Musicam anbelangt, haßte ich dieselbe vorlängst wie die Pest, wie ich denn meine Laute zu tausend Stücken schmiß; die Mathematica und Geometria fand noch Platz bei mir, sobald ich aber von diesen ein wenig zu der Astronomia geleitet wurde, gab ich ihnen auch Feierabend und hing dieser samt der Astrologia ein Zeitlang an, welche mich denn trefflich delektierten, endlich kamen sie mir auch falsch und ungewiß vor, also daß ich mich auch nicht länger mit ihnen schleppen mochte, sondern griff nach der ›Kunst‹ Raimundi Lulli, fand aber viel Geschrei und wenig Wollen, und weil ich sie für eine Topicam hielt, ließ ich sie fahren und machte mich hinter die Cabbalam der Hebräer, und Hieroglyphicas der Ägypter, fand aber die allerletzte und aus allen meinen Künsten und Wissenschaften, daß kein besser Kunst sei, als die Theologia, wenn man vermittelst derselbigen Gott liebet und ihm dienet! Nach der Richtschnur derselbigen erfand ich für die Menschen eine Art zu leben, die mehr englisch als menschlich sein könnte, wenn sich nämlich eine Gesellschaft zusammentäte, beides von verehelichten und ledigen, so Manns- als Weibspersonen, die auf Manier der Wiedertäufer allein sich beflissen, unter einem verständigen Vorsteher durch ihrer Hand Arbeit ihren leiblichen Unterhalt zu gewinnen, und sich die übrigen Zeiten mit dem Lob und Dienst Gottes und ihrer Seelen Seligkeit zu bemühen; denn ich hatte hiebevor in Ungarn auf den wiedertäuferischen Höfen ein solches Leben gesehen,
Mit solchen und dergleichen Gedanken ging ich lang um, und hätte gerne so einer vereinigten christlichen Gesellschaft meinen Hof und ganzes Vermögen zum besten gegeben, unter derselben ein Mitglied zu sein. Aber mein Knan prophezeite mir stracks, daß ich wohl nimmermehr solche Bursch zusammenbringen würde.
Hält in sich einen kurzweiligen Spazierweg, vom Schwarzwald bis nach Moskau in Reußen
Denselbigen Herbst näherten sich französische, schwedische und hessische Völker, sich bei uns zu erfrischen, und zugleich die Reichsstadt in unserer Nachbarschaft, die von einem engländischen König erbaut, und nach seinem Namen genannt worden, blockiert zu halten, deswegen denn jedermann sich selbst samt seinem Vieh und besten Sachen in die hohen Wälder flehnte; Ich machte es wie meine Nachbarn, und ließ das Haus ziemlich leer stehn, in welches ein reformierter schwedischer Obrist logiert wurde; Derselbige fand in meinem Kabinett noch etliche Bücher, da ich in der Eil nicht alles wegbringen konnte, und unter andern einige mathematische und geometrische Abriß, auch etwas vom Fortifikationwesen, womit vornehmlich die Ingenieur umgehen, schloß derhalben gleich, daß sein Quartier keinem gemeinen Bauren zuständig sein müßte; fing derowegen an, sich um meine Beschaffenheit zu erkundigen, und meiner Person selbsten nachzutrachten, maßen er selbsten durch courtoise Zuentbietungen und
Also wurde die Glock gegossen; ich ließ meinen Knan oder Petter holen, derselbe war noch mit meinem Vieh zu Bairischbrunn, dem und seinem Weib verschrieb ich
Die Torstensonischen Promessen, mit denen er sich auf meinem Hof so breit gemacht, waren bei weitem nit so groß als er vorgeben, sondern wie mich bedünkte, wurde er vielmehr nur über die Achsel angesehen: »Ach!« sagte er dann gegen mich, »was für ein schlimmer Hund hat mich bei der Generalität eingehauen, da wird meines Verbleibens nicht lang sein.« Und demnach er argwöhnete, daß ich mich bei ihm in die Läng nicht gedulden würde, dichtet' er Brief', als wenn er in Livland, allwo er denn zu Haus war, ein frisch Regiment zu werben hätte, und überredete mich damit, daß ich gleich ihm zu Wismar aufsaß, und mit ihm nach Livland fuhr. Da war es nun auch ›nobis‹, denn er hatte nicht allein kein Regiment zu werben, sondern war auch sonsten ein blutarmer Edelmann, und was er hatte, war von seinem Weib da.
Ob nun ich zwar mich zweimal betrügen, und so weit hinwegführen lassen, so ging ich doch auch das drittemal an, denn er wies mir Schreiben vor, die er aus der Moskau bekommen, in welchen ihm (seinem Vorgeben nach) hohe Kriegschargen angetragen wurden, maßen er mir dieselbigen Schreiben so verteutschte, und von richtiger und guter Bezahlung trefflich aufschnitt: Und weilen er gleich mit Weib und Kind aufbrach, dachte ich, ›er wird ja um der Gäns willen nicht hinziehen‹; begab mich derowegen voll guter Hoffnung mit ihm auf den Weg, weil ich ohnedas
Nachdem wir nun sicher in der Stadt Moskau ankommen, sah ich gleich daß es gefehlt hatte; mein Obrister konferierte zwar täglich mit den Magnaten, aber viel mehr mit den Metropoliten als den Knesen, welches mir gar nicht spanisch, aber viel zu pfäffisch vorkam; so mir auch allerhand Grillen und Nachdenkens erweckte, wiewohl ich nicht ersinnen konnte, nach was für einem Zweck er zielte; endlich notifiziert' er mir, daß es nichts mehr mit dem Krieg wäre, und daß ihn sein Gewissen treibe die griechische Religion anzunehmen; sein treuherziger Rat wäre, weil er mir ohnedas nunmehr nicht helfen könnte wie er versprochen, ich sollte ihm nachfolgen; des Zarn Majestät hätte bereits gute Nachricht von meiner Person und guten Qualitäten, die würden gnädigst belieben, wofern ich mich akkommodieren wollte, mich als einen Kavalier mit einem stattlichen adeligen Gut und vielen Untertanen zu begnadigen; welches allergnädigste Anerbieten nicht auszuschlagen wäre, indem einem jedweden ratsamer wäre, an einem solchen großen Monarchen mehr einen allergnädigsten Herrn, als einen ungeneigten Großfürsten zu haben; Ich wurd hierüber ganz bestürzt, und wußte nichts zu antworten, weil ich dem Obristen, wenn ich ihn an einem andern Ort gehabt, die Antwort lieber im Gefühl als im Gehör zu verstehen geben hätte; mußte aber meine Leier anders stimmen, und mich nach demjenigen Ort richten, darin ich mich gleichsam wie ein Gefangner befand, weswegen ich denn, ehe ich mich auf eine Antwort resolvieren konnte, so lang stillschwieg: Endlich
Als ich nun ganz perplex dort saß, und meinen damaligen Zustand betrachtete, hörete ich zween reußische Wagen vor unserm Losament, sah darauf zum Fenster hinaus, und wie mein guter Herr Obrister mit seinen Söhnen in den einen, und die Frau Obristin mit ihren Töchtern in den andern einstieg; es waren des Großfürsten Fuhren und Liverei, zumalen etliche Geistliche dabei, so diesem Ehevolk gleichsam aufwarteten, und allen guten geneigten Willen erzeigten.
Wie es Simplicio weiters in der Moskau erging
Von dieser Zeit an wurde ich zwar nit öffentlich, sondern heimlich durch etliche Strelitzen verwachet, ohne daß ichs einmal gewußt hätte, und mein Obrister oder die Seinigen wurden mir nit einmal mehr zu sehen, also daß ichs nicht wissen konnte wo er hinkommen; damals setzte es, wie leicht zu erachten, seltsame Grillen, und ohne Zweifel auch viel graue Haar auf meinem Kopf. Ich machte Kundschaft mit den Teutschen, die sich beides von Kauf- und Handwerksleuten in der Moskau ordinari aufhalten, und klagte denselben mein Anliegen, und welchergestalt ich mit Gefährden hintergangen worden, die gaben mir Trost und Anleitung, wie ich wieder mit guter Gelegenheit nach Teutschland kommen könnte: Sobald sie aber Wind bekamen, daß der Zar mich im Land zu behalten entschlossen, und mich hierzu dringen wollte, wurden sie alle zu Stummen an mir, ja sie äußerten sich auch meiner, und wurde mir schwer, auch nur für meinen Leib Herberg zu bekommen; denn ich hatte mein Pferd samt Sattel und Zeug bereits verzehrt, und trennete heut eine und morgen die andere Dukat aus, die ich hiebevor zum Vorrat so weislich in meine Kleider vernähet hatte. Zuletzt fing ich auch an, meine Ring und Kleinodia zu versilbern, als der Hoffnung, mich so lang zu enthalten, bis ich eine gute Gelegenheit wieder nach Teutschland zu kommen erharren möchte. Indessen lief ein Vierteljahr herum, nach welchem oftgemeldter Obriste samt seinem Hausgesind wieder umgetauft, und mit einem ansehenlichen adeligen Gut und vielen Untertanen wieder versehen wurde.
Damals ging ein Mandat aus, daß man gleichwie unter den Einheimischen, also auch unter den Fremden keine Müßiggänger bei hoher unausbleiblicher Straf mehr leiden sollte, als die den Arbeitenden nur das Brot vorm Maul wegfressen; und was von Fremden nicht arbeiten wollte, das sollte das Land in einem Monat, die Stadt aber in vierundzwanzig Stunden räumen. Also schlugen sich unserer
Ich wurde von den andern abgesondert, und zu einem Kaufherrn logiert, allwo ich nunmehr öffentlich verwacht, hingegen aber täglich mit herrlichen Speisen und köstlichem Getränk von Hof aus versehen wurde; hatte auch täglich
Als er nun meine Offerten verstand, sagte er, daß Ihr Zarische Majestät allergnädigst bedacht wären, in Dero Landen selber Salpeter graben, und Pulver zurichten zu lassen; weil aber niemand unter ihnen wäre, der damit umgehen könnte, würde ich der Zarischen Majestät einen angenehmen Dienst erweisen, wenn ich mich des Werks unterfinge; sie würden mir hierzu Leute und Mittel genug an die Hand schaffen, und er für seine Person wollte mich aufs treuherzigste gebeten haben, ich wollte solches allergnädigstes Angesinnen nicht abschlagen, dieweilen sie bereits genugsame Nachricht hätten, daß ich mich auf diese Sachen trefflich
Den andern Tag kamen vom Zar zween Knesen und ein Dolmetsch, die ein Endliches mit mir beschlossen, und von wegen des Zaren mir ein köstliches reußisches Kleid verehrten. Also fing ich gleich etliche Tag hernach an, Salpetererde zu suchen, und diejenigen Reußen, so mir zugegeben waren, zu lernen, wie sie denselben von der Erden separieren und läutern sollten; und mithin verfertigte ich die Abriß zu einer Pulvermühlen, und lehrete andere die Kohlen brennen, daß wir also in gar kurzer Zeit sowohl des besten Pürsch- als des groben Stückpulvers eine ziemliche Quantität verfertigten, denn ich hatte Leut genug, und daneben auch meine sonderbaren Diener, die mir aufwarten, oder besser zu sagen, die mich hüten und verwahren sollten.
Als ich mich nun so wohl anließ, kam der vielgemeldte Obriste zu mir, in reußischen Kleidern, und mit vielen Dienern ganz prächtig aufgezogen, ohne Zweifel durch solche scheinbarliche Herrlichkeit mich zu persuadieren, daß ich mich auch umtaufen lassen sollte; Aber ich wußte wohl, daß die Kleider aus des Zaren Kleiderkasten waren, und ihm nur angeliehen, mir die Zähne weiß zu machen, weil solches an dem zarischen Hof der allergewöhnlichste Brauch ist.
Und damit der Leser verstehe, wie es damit pfleget herzugehen, will ich ein Exempel von mir selbst er zählen: Ich war einsmals geschäftig auf den Pulvermühlen, die ich außerhalb Moskau an den Fluß bauen lassen, Verordnung zu tun, was der ein und ander von meinen zugegebenen Leuten denselben und folgenden Tag für Arbeit verrichten sollte; da wurde ohnversehens Alarm, weilen sich die Tartarn bereits vier Meilen weit auf 100000 Pferd stark befanden,
Ich mag eben nicht alles erzählen, denn es ist meiner Histori an diesem Treffen nicht viel gelegen; ich will allein dies sagen, daß wir die Tartarn, so mit müden Pferden und vielen Beuten beladen, urplötzlich in einem Tal oder ziemlich tiefen Geländ antrafen, als sie sich dessen am allerwenigsten versahen, und von allen Orten mit solcher Furi dareingingen, daß wir sie gleich im Anfang trennten; Im ersten
Durch was für einen nahen und lustigen Weg er wiederum heim zu seinem Knan kommen
Solang meine Wunde zu heilen hatte, wurde ich allerdings fürstlich traktiert, ich ging allezeit in einem Schlafpelz von güldenem Stück mit Zobeln gefüttert, wiewohl der Schad weder tödlich noch gefährlich war, und ich hab die Tag meines Lebens niemals keiner solchen fetten Küchen genossen als eben damals; solches waren aber alle meine Beuten, die ich von meiner Arbeit hatte, ohne das Lob, so mir der Zar verlieh, welches mir aber aus Neid etlicher Knesen verbittert wurde.
Als ich aber gänzlich heil war, wurde ich mit einem Schiff die Wolga hinunter nach Astrachan geschickt, daselbsten wie in der Moskau ein Pulvermacherei anzuordnen, weil dem Zarn unmöglich war, dieselbe Grenzfestungen allezeit von Moskau aus mit frischem und gerechtem Pulver, das man einen so weiten Weg auf dem Wasser durch viel Gefährlichkeit hinführen mußte, zu versehen; Ich ließ mich gern gebrauchen, weil ich Promessen hatte, der Zar würde mich nach Verrichtung solchen Geschäfts wiederum nach Holland fertigen, und mir seiner Hochheit und meinen Verdiensten gemäß ein namhaftes Stück Geld mitgeben; Aber ach! wenn wir in unseren Hoffnungen und gemachten Konzepten am allersichersten und gewissesten zu stehen vermeinen, so kommt unversehens ein Wind der allen Bettel auf einmal übern Haufen wehet, woran wir so lange Zeit gebauet: Der Gubernator in Astrachan traktierte mich wie seinen Zarn, und ich stellt alles in Kürze auf einen guten
Demnach begab ich mich den nächsten Weg auf Rom, allwo mirs trefflich zuschlug, weil ich beides von Großen und Kleinen viel erbettelte; und nachdem ich mich ungefähr sechs Wochen daselbst aufgehalten, nahm ich meinen Weg mit andern Pilgern, darunter auch Teutsche und sonderlich etliche Schweizer waren, die wieder nach Haus wollten, auf Loreto; von dannen kam ich über den Gotthard durchs Schweizerland wieder auf den Schwarzwald zu meinem Knan, welcher meinen Hof bewahrt, und alles aufs beste verwaltet hatte, und brachte nichts Besonders mit heim, als einen Bart, der mir in der Fremde gewachsen war.
Ich war drei Jahr und etlich Monat ausgewesen, in welcher Zeit ich etliche unterschiedliche Meer überfahren, und vielerlei Völker gesehen, aber bei denselben gemeiniglich mehr Böses als Gutes empfangen, von welchem allem ein großes Buch zu schreiben wäre; Indessen war der Teutsche Fried geschlossen worden, also daß ich bei meinem Knan in sicherer Ruhe leben konnte; denselben ließ ich sorgen und hausen, ich aber setzte mich wieder hinter die Bücher, welches denn beides meine Arbeit und Ergötzung war.
Ist gar ein fein kurz Kapitel, und gehet nur Simplicium an
Ich las einsmals, wasmaßen das Oraculum Apollinis den römischen Abgesandten, als sie fragten was sie tun müßten, damit ihre Untertanen friedlich regiert würden, zur Antwort geben: Nosce te ipsum, das ist, es sollte sich jeder selbst erkennen. Solches machte daß ich mich hintersann, und von mir selbst Rechnung über mein geführtes Leben begehrte, weil ich ohnedas müßig war, da sagte ich zu mir selber: »Dein Leben ist kein Leben gewesen, sondern ein Tod; deine Tage ein schwerer Schatten, deine Jahr ein schwerer Traum, deine Wollüst schwere Sünden, deine Jugend eine Phantasei, und deine Wohlfahrt ein Alchimisten-Schatz, der zum Schornstein hinausfährt, und dich verläßt, ehe du dich dessen versiehest! du bist durch viel Gefährlichkeiten dem Krieg nachgezogen, und hast in demselbigen viel Glück und Unglück eingenommen, bist bald hoch bald nieder, bald groß bald klein, bald reich bald arm, bald fröhlich bald betrübt, bald beliebt bald verhaßt, bald geehrt und bald veracht gewesen: Aber nun du o mein arme Seel was hast du von dieser ganzen Reis zuwege gebracht? dies hast du gewonnen: Ich bin arm an Gut, mein Herz ist beschwert mit Sorgen, zu allem Guten bin ich faul, träg und verderbt, und was das Allerelendeste, so ist mein Gewissen ängstig und beschwert, du selbsten aber bist mit vielen Sünden überhäuft und abscheulich besudelt! der Leib ist müd, der Verstand verwirret, die Unschuld ist hin, mein beste Jugend verschlissen, die edle Zeit verloren, nichts ist das mich erfreuet, und über dies alles, bin ich mir selber feind; Als ich nach meines Vaters seligem Tod in diese Welt kam, da war ich einfältig und rein, aufrecht und redlich, wahrhaftig, demütig, eingezogen, mäßig keusch, schamhaftig, fromm und andächtig; bin aber bald boshaftig, falsch, verlogen, hoffärtig, unruhig, und überall ganz gottlos worden, welche Laster ich alle ohne einen Lehrmeister gelernet; Ich nahm meine Ehr in acht, nicht ihrer selbst, sondern meiner
Ist das allerletzte, und zeiget an, warum und welchergestalt Simplicius die Welt wieder verlassen
Adieu Welt, denn auf dich ist nicht zu trauen, noch von dir nichts zu hoffen, in deinem Haus ist das Vergangene schon verschwunden, das Gegenwärtige verschwindet uns unter den Händen, das Zukünftige hat nie angefangen, das Allerbeständigste fällt, das Allerstärkste zerbricht, und das Allerewigste nimmt ein End; also, daß du ein Toter bist unter den Toten, und in hundert Jahren läßt du uns nicht eine Stund leben.
Adieu Welt, denn du nimmst uns gefangen, und läßt uns nicht wieder ledig, du bindest uns, und lösest uns nicht wieder auf; du betrübest, und tröstest nit, du raubest, und gibest nichts wieder, du verklagest uns, und hast keine Ursach, du verurteilest, und hörest keine Partei; also daß du uns tötest ohne Urteil, und begräbest uns ohne Sterben! Bei dir ist keine Freud ohne Kummer, kein Fried ohne Uneinigkeit, keine Lieb ohne Argwohn, keine Ruhe ohne Furcht, keine Fülle ohne Mängel, keine Ehr ohne Makel, kein Gut ohne bös Gewissen, kein Stand ohne Klag, und keine Freundschaft ohne Falschheit.
Behüt dich Gott Welt, denn in deinem Haus werden die großen Herren und Favoriten gestürzt, die Unwürdigen hervorgezogen, die Verräter mit Gnaden angesehen, die Getreuen in Winkel gestellt, die Boshaftigen ledig gelassen, und die Unschuldigen verurteilt; den Weisen und Qualifizierten gibt man Urlaub, und den Ungeschickten große Besoldung, den Hinterlistigen wird geglaubt, und die Aufrichtigen und Redlichen haben keinen Kredit, ein jeder tut was er will, und keiner was er tun soll.
Adieu Welt, denn in dir wird niemand mit seinem rechten Namen genennet, den Vermessenen nennet man kühn, den Verzagten vorsichtig, den Ungestümen emsig, und den Nachlässigen friedsam; einen Verschwender nennet man herrlich, und einen Kargen eingezogen; einen hinterlistigen Schwätzer und Plauderer nennet man beredt, und den Stillen einen Narrn oder Phantasten; einen Ehebrecher und Jungfrauenschänder nennet man einen Buhler; einen Unflat nennet man einen Hofmann, einen Rachgierigen nennet man einen Eiferigen, und einen Sanftmütigen einen Phantasten, also daß du uns das Giebige für das Ungiebige, und das Ungiebige für das Giebige verkaufest.
Adieu Welt, denn du verführest jedermann; den Ehrgeizigen verheißest du Ehr, den Unruhigen Veränderung, den Hochtragenden Gnad bei Fürsten, den Nachlässigen Ämter, den Geizhälsen viel Schätze, den Fressern und Unkeuschen Freude und Wollust, den Feinden Rach, den Dieben Heimlichkeit, den Jungen langes Leben, und den Favoriten verheißest du beständige fürstliche Huld.
Adieu Welt, denn in deinem Palast findet weder Wahrheit noch Treu ihre Herberg! wer mit dir redet wird verschamt, wer dir traut wird betrogen, wer dir folgt wird verführt, wer dich fürchtet wird am allerübelsten gehalten, wer dich liebt wird übel belohnt, und wer sich am allermeisten auf
Behüt dich Gott Welt, denn dieweil man dir nachgehet, verzehret man die Zeit in Vergessenheit, die Jugend mit Rennen, Laufen und Springen über Zaun und Stiege, über Weg und Steg, über Berg und Tal, durch Wald und Wildnis, über See und Wasser, in Regen und Schnee, in Hitz und Kält, in Wind und Ungewitter; die Mannheit wird verzehrt mit Erzschneiden und -schmelzen, mit Steinhauen und -schneiden, Hacken und Zimmern, Pflanzen und Bauen, in Gedanken Dichten und Trachten, in Ratschläge ordnen, Sorgen und Klagen, in Kaufen und Verkaufen, Zanken, Hadern, Kriegen, Lügen und Betrügen; das Alter verzehrt man in Jammer und Elend, der Geist wird schwach, der Atem schmeckend, das Angesicht runzlicht, die Länge krumm, und die Augen werden dunkel, die Glieder zittern, die Nase trieft, der Kopf wird kahl, das Gehör verfällt, der Geruch verliert sich, der Geschmack geht hinweg, er seufzet und ächzet, ist faul und schwach, und hat in Summa nichts als Mühe und Arbeit bis in Tod.
Adieu Welt, denn niemand will in dir fromm sein; täglich richtet man die Mörder, vierteilt die Verräter, hänget die Dieb, Straßenräuber und Freibeuter, köpft Totschläger, verbrennt Zauberer, straft Meineidige, und verjagt Aufrührer.
Behüt dich Gott Welt, denn deine Diener haben kein andere Arbeit noch Kurzweil, als faulenzen, einander vexieren und ausrichten, den Jungfrauen hofieren, den schönen Frauen aufwarten, mit denselben liebäugeln, mit Würfeln
Adieu Welt, denn niemand ist mit dir content oder zufrieden, ist er arm, so will er haben; ist er reich, so will er viel gelten; ist er veracht, so will er hoch steigen; ist er injuriert, so will er sich rächen; ist er in Gnaden, so will er viel gebieten; ist er lasterhaftig, so will er nur bei gutem Mut sein.
Adieu Welt, denn bei dir ist nichts Beständiges; die hohen Türm werden vom Blitz erschlagen, die Mühlen vom Wasser weggeführt, das Holz wird von den Würmern, das Korn von Mäusen, die Früchte von Raupen, und die Kleider von Schaben gefressen, das Vieh verdirbt vor Alter, und der arme Mensch vor Krankheit: Der eine hat den Grind, der ander den Krebs, der dritte den Wolf, der vierte die Franzosen, der fünfte das Podagram, der sechste die Gicht, der siebente die Wassersucht, der achte den Stein, der neunte das Gries, der zehente die Lungensucht, der elfte das Fieber, der zwölfte den Aussatz, der dreizehnte das Hinfallen, und der vierzehnte die Torheit! In dir o Welt, tut nicht einer was der ander tut, denn wenn einer weinet, so lacht der ander, einer seufzet, der ander ist fröhlich; einer fastet, der ander zechet; einer bankettiert, der ander leidet Hunger; einer reitet, der ander gehet; einer redt, der ander schweigt; einer spielet, der ander arbeitet; und wenn der eine geboren wird, so stirbt der ander. Also lebt auch nicht einer wie der ander, der eine herrschet, der ander dienet; einer weidet die Menschen, ein anderer hütet der Schwein; einer folgt dem Hof, der ander dem Pflug; einer reist auf dem Meer, der ander fährt über Land auf die Jahr- und Wochenmärkt; einer arbeit im Feur, der ander in der Erde, einer fischt im Wasser, und der ander fängt Vögel in der Luft; einer arbeitet härtiglich, und der ander stiehlet und beraubet das Land.
O Welt behüt dich Gott, denn in deinem Haus führet man weder ein heilig Leben, noch einen gleichmäßigen Tod; der eine stirbt in der Wiegen, der ander in der Jugend auf dem
Behüt dich Gott Welt, denn mich verdrießt deine Konversation; das Leben so du uns gibst, ist ein elende Pilgerfahrt, ein unbeständigs, ungwisses, hartes, rauhes, hinflüchtiges und unreines Leben, voll Armseligkeit und Irrtum, welches vielmehr ein Tod als ein Leben zu nennen; in welchem wir all Augenblick sterben durch viel Gebrechen der Unbeständigkeit und durch mancherlei Weg des Tods! du läßt dich der Bitterkeit nicht genügen, mit der du umgeben und durchsalzen bist, sondern betrügst noch dazu die meisten mit deinem Schmeicheln, Anreizung und falschen Verheißungen, du gibst aus dem güldenen Kelch, den du in deiner Hand hast, Bitterkeit und Falschheit zu trinken, und machst sie blind, taub, toll, voll und sinnlos, ach wie wohl denen, die dein Gemeinschaft ausschlagen: deine schnelle augenblickliche hinfahrende Freud verachten, dein Gesellschaft verwerfen, und nicht mit einer solchen arglistigen verlornen Betrügerin zugrund gehen; denn du machest aus uns einen finstern Abgrund, ein elendes Erdreich, ein Kind des Zorns, ein stinkendes Aas, ein unreines Geschirr in der Mistgrub, ein Geschirr der Verwesung voller Gestank und Greuel, denn wenn du uns lang mit Schmeicheln, Liebkosen, Dräuen, Schlagen, Plagen, Martern und Peinigen umgezogen und gequält hast, so überantwortest du den ausgemergelten Körper dem Grab, und setzest die Seel in ein ungewisse Chance. Denn obwohl nichts Gewissers ist als der Tod, so ist doch der Mensch nicht versichert, wie, wann und wo er sterben, und (welches das erbärmlichste ist) wo sein Seel hinfahren, und wie es derselben ergehen wird: Wehe aber alsdann der armen Seelen, welche dir o Welt, hat gedienet, gehorsamt und deinen Lüsten und Üppigkeiten hat gefolgt, denn nachdem eine solche sündige und unbekehrte
Adieu o Welt, o schnöde arge Welt, o stinkendes elendes Fleisch; denn von deinetwegen und um daß man dir gefolget, gedienet und gehorsamet hat, so wird der gottlos Unbußfertig zur ewigen Verdammnis verurteilt, in welcher in Ewigkeit anders nichts zu gewarten, als anstatt der verbrachten Freud, Leid ohne Trost, anstatt des Zechens, Durst ohne Labung, an statt des Fressens, Hunger ohne Fülle, anstatt der Herrlichkeit und Pracht, Finsternis ohne Licht; anstatt der Wollüste, Schmerzen ohne Linderung, anstatt des Dominierens und Triumphierens, Heulen, Weinen und Weheklagen ohne Aufhören, Hitz ohne Kühlung, Feuer ohne Löschung, Kält ohne Maß, und Elend ohne End.
Behüt dich Gott o Welt, denn anstatt deiner verheißenen Freud und Wollüste werden die bösen Geister an die unbußfertige verdammte Seel Hand anlegen, und sie in einem Augenblick in Abgrund der Höllen reißen; daselbst wird sie anders nichts sehen und hören, als lauter erschreckliche Gestalten der Teufel und Verdammten, eitele Finsternis und Dampf, Feuer ohne Glanz, Schreien, Heulen, Zähnklappern und Gottslästern; Alsdann ist alle Hoffnung der Gnad und Milderung aus, kein Ansehen der Person ist vorhanden, je höher einer gestiegen, und je schwerer einer gesündiget, je tiefer er wird gestürzt, und je härtere Pein er muß leiden; dem viel geben ist, von dem wird viel gefordert, und je mehr einer sich bei dir, o arge schnöde Welt! hat herrlich gemacht, je mehr schenkt man ihm Qual und Leiden ein, denn also erforderts die göttliche Gerechtigkeit.
O Welt! du unreine Welt, derhalben beschwöre ich dich, ich bitte dich, ich ersuche dich, ich ermahne und protestiere wider dich, du wollest kein Teil mehr an mir haben; und hingegen begehre ich auch nicht mehr in dich zu hoffen, denn du weißt, daß ich mir hab vorgenommen, nämlich dieses: Posui finem curis, spes &fortuna valete.
Alle diese Wort erwog ich mit Fleiß und stetigem Nachdenken, und bewogen mich dermaßen, daß ich die Welt verließ, und wieder ein Einsiedel ward: Ich hätte gern bei meinem Saurbrunnen im Mückenloch gewohnt, aber die Baurn in der Nachbarschaft wollten es nicht leiden, wiewohl es für mich ein angenehme Wildnis war; sie besorgten, ich würde den Brunnen verraten, und ihre Obrigkeit dahin vermögen, daß sie wegen nunmehr erlangten Friedens Weg und Steg dazu machen müßten. Begab mich derhalben in eine andere Wildnis, und fing mein Spessarter Leben wieder an; ob ich aber wie mein Vater sel. bis an mein End darin verharren werde, stehet dahin. Gott verleihe uns allen seine Gnade, daß wir allesamt dasjenige von ihm erlangen, woran uns am meisten gelegen, nämlich ein seliges
Ist ein kleine Vorrede und kurze Erzählung, wie dem neuen Einsiedler sein Stand zuschlug
Wenn sich jemand einbildet, ich erzähle nur darum meinen Lebenslauf, damit ich einem und anderem die Zeit kürzen, oder wie die Schalksnarrn und Possenreißer zu tun pflegen, die Leut zum Lachen bewegen möchte, so findet sich derselbe weit betrogen! denn viel Lachen ist mir selbst ein Ekel, und wer die edle ohnwiederbringliche Zeit vergeblich hinstreichen läßt, der verschwendet diejenige göttliche Gab ohnnützlich, die uns verliehen wird, unserer Seelen Heil in und vermittelst derselbigen zu wirken; warum sollte ich denn zu solcher eitelen Torheit verholfen, und ohne Ursach vergebens anderer Leut kurzweiliger Rat sein? Gleichsam als ob ich nicht wüßte, daß ich mich hierdurch fremder Sünden teilhaftig machte. Mein lieber Leser, ich bedünke mich gleichwohl zu solcher Profession um etwas zu gut zu sein, wer derowegen einen Narren haben will, der kaufe sich zween, so hat er einen zum besten; daß ich aber zuzeiten etwas possierlich aufziehe, geschiehet der Zärtling halber, die keine heilsamen Pillulen können verschlucken, sie seien denn zuvor überzuckert und vergüldt; geschweige daß auch etwa die allergravitätischsten Männer, wenn sie lauter ernstliche Schriften lesen sollen, das Buch ehender hinwegzulegen pflegen, als ein anders, das bei ihnen bisweilen ein kleines Lächeln herauspresset. Ich möchte vielleicht auch beschuldigt werden, als ging' ich zuviel satyrice drein; dessen bin ich aber gar nicht zu verdenken, weil männiglich lieber geduldet, daß die allgemeinen Laster generaliter durchgehechelt und gestraft: als die eignen Untugenden freundlich korrigiert werden; So ist der theologische Stilus beim Herrn Omne (dem ich aber diese meine Histori erzähle) zu jetzigen Zeiten leider auch nicht so gar angenehm, daß ich mich dessen gebrauchen sollte; solches kann man
Dem sei nun wie ihm wolle, ich protestiere hiemit vor aller Welt, kein Schuld zu haben, wenn sich jemand deswegen ärgert, daß ich den Simplicissimum auf diejenige Mode ausstaffiert, welche die Leut selbst erfordern, wenn man ihnen etwas Nützlichs beibringen will; läßt sich aber indessen ein und anderer der Hülsen genügen und achtet des Kernen nicht, der darinnen verborgen steckt, so wird er zwar als von einer kurzweiligen Histori seine Zufriedenheit, aber gleichwohl dasjenig bei weitem nicht erlangen, was ich ihn zu berichten eigentlich bedacht gewesen; fange demnach wiederum an, wo ichs im End des fünften Buchs bewenden lassen.
Daselbst hat der geliebte Leser verstanden, daß ich wiederum ein Einsiedler worden, auch warum solches geschehen; gebühret mir derowegen nunmehr zu erzählen, wie ich mich in solchem Stand verhalten. Die ersten paar Monat, alldieweil auch die erste Hitz noch dauret, gings trefflich wohl ab, die Begierde der fleischlichen Wollüste oder besser zu sagen Unlüste, denen ich sonst trefflich ergeben gewesen, dämpfte ich gleich anfangs mit ziemlich geringer Mühe, denn weil ich dem Baccho und der Cereri nicht mehr dienete, wollte Venus auch nicht mehr bei mir einkehren; aber damit war ich drum bei weitem nit vollkommen, sondern hatte stündlich tausendfältige Anfechtungen; wenn ich etwa an meine alten begangnen losen Stücklein gedachte, und eine Reu dadurch zu erwecken, so kamen mir zugleich die Wollüste mit ins Gedächtnis, deren ich etwa da und dort genossen, welches mir nit allemal gesund war, noch zu
Wie sich Luzifer verhielt, als erfrische Zeitung vom geschloßnen Teutschen Frieden kriegte
Wir lesen, daß vorzeiten bei den Gott ergebenen heiligen Gliedern der christlichen Kirche die Mortifikation oder Abtötung des Fleisches vornehmlich in Beten, Fasten und Wachen bestanden; gleichwie nun aber ich mich der ersten beiden Stück wenig befliß, also ließ ich mich auch durch die süße Betöberung des Schlafs stracks überwinden, sooft mir nur zugemutet ward, solche Schuldigkeit (das wir denn mit allen Tieren gemein haben) der Natur abzulegen; einsmals faulenzte ich unter einer Tannen im Schatten, und gab meinen unnützen Gedanken Gehör, die mich fragten, ob der Geiz oder die Verschwendung das größte oder ärgste Laster sei? ich habe gesagt meinen unnützen Gedanken! und das sag ich noch! denn Lieber, was hatte ich mich um
Endlich wurde Belial so keck und sagte: »Großmächtiger Fürst, was sind das für Gebärden von einer solchen unvergleichlichen Hoheit? wie? hat der größte Herr seiner selbst vergessen? oder was soll uns doch diese ungewöhnliche Weis bedeuten, die Eurer herrlichen Majestät weder nützlich noch rühmlich sein kann?« »Ach!« antwortet' Luzifer, »ach! ach wir haben allesamt verschlafen und durch unsere eigene Faulheit zugelassen, daß lerna malorum, unser liebstes Gewächs, das wir auf dem ganzen Erdboden hatten, und mit so großer Mühe gepflanzt, mit so großem Fleiß erhalten, und die Früchte davon jeweils mit so großem Wucher eingesammelt, nunmehr aus den teutschen Grenzen gereutet, auch wenn wir nicht anders dazu tun, besorglich aus ganz Europa geworfen wird! und gleichwohl ist keiner unter euch allen, der solches recht beherzige! Ists uns nicht allen eine Schand, daß wir die wenigen Täglein welche die Welt noch vor sich hat, so liederlich verstreichen lassen? ihr schläferigen Maulaffen, wißt ihr nicht daß wir in dieser letzten Zeit unsere reichste Ernt haben sollen? das ist mir gegen das End der Welt auf Erden schön dominiert, wenn wir wie die alten Hund zur Jagd verdrossen und untüchtig werden wollen; der Anfang und Fortgang des Kriegs sah unserm verhofften fetten Schnitt zwar gleich, was haben wir aber jetzt zu hoffen? da Mars Europam bis auf Polen quittiert, dem lerna malorum auf dem Fuß nachzufolgen pflegt.«
Als er diese Meinung vor Bosheit und Zorn mehr herausgedonnert, als geredet hatte, wollte er die vorige Wut wieder angehen; aber Belial machte daß er sichs noch enthielt, da er sagte: »Wir müssen deswegen den Mut nicht sinken lassen, noch uns gleich stellen wie die schwachen Menschen die ein widerwärtiger Wind anbläst, weißt du nicht, o
Seltsame Aufzüg etlichen höllischen Hofgesinds und dergleichen Bursch
Das freundlich Gespräch dieser zweien höllischen Geister war so ungestüm und schrecklich, daß es einen Hauptlärmen in der ganzen Höllen erregte, maßen in einer Geschwinde das ganze höllisch Heer zusammenkam, um zu vernehmen, was etwa zu tun sein möchte; da erschien Luzifers erstes Kind, die Hoffart mit ihren Töchtern, der Geiz mit seinen Kindern, der Zorn samt Neid und Haß, Rachgier, Mißgunst, Verleumdung, und was ihnen weiters verwandt war, sodann auch Wollust mit ihrem Anhang, als Geilheit, Fraß, Müßiggang und dergleichen, item die Faulheit, die Untreu, der Mutwill, die Lügen, der Vorwitz so Jungfern teuer macht, die Falschheit mit ihrem lieblichen
Zu diesem ungeheuren Schwarm tat Luzifer eine scharfe Rede, in welcher er dem ganzen Haufen in genere und einer jeden Person insonderheit ihre Nachlässigkeit verwies, und allen aufrupfte, daß durch ihre Saumsal lerna malorum Europam räumen müssen; er mustert' auch gleich die Faulheit aus, als einen untüchtigen Bankert, der ihm die Seinigen verderbe, ja er verwies ihr sein höllisches Reich auf ewig, mit Befehl, daß sie gleichwohl ihren Unterschleif auf dem Erdboden suchen sollte.
Demnach hetzte er die übrigen allen Ernsts zu größerem Fleiß, als sie bishero bezeugt, sich bei den Menschen einzunisteln; bedrohete dabeneben schrecklich, mit was für Strafen er diejenigen ansehen wollte, von welchen er künftig im geringsten verspüre, daß durch deren Amtsgeschäfte seiner Intention gemäß nicht eiferig genug verfahren worden wäre; er teilet' ihnen benebens auch neue Instructiones und Memorial aus, und tat stattliche Promessen gegen die, die sich tapfer gebrauchen würden.
Wettstreit zwischen der Verschwendung und dem Geiz; und ist ein wenig länger Kapitel als das vorige
Denn er drang sich vor den Luzifer selbsten und sagte: »Großmächtiger Fürst! beinahe auf dem ganzen Erdboden ist mir niemand mehr zuwider als eben gegenwärtige Bräckin, die sich bei den Menschen für die Freigebigkeit ausgibt, um unter solchem Namen mit Hilf der Hoffart, der Wollust und des Fraßes mich allerdings in Verachtung zu bringen und zu unterdrücken; diese ist, die sich überall wie das Böse in einer Wannen hervorwirft, mich in meinen Werken und Geschäften zu verhindern und wieder niederzureißen, was ich zu Aufnehmung und Nutzen deines Reichs mit großer Mühe und Arbeit auferbaue! Ists nit dem ganzen höllischen Reich bekannt, daß mich die Menschenkinder selbst eine Wurzel alles Übels nennen; was für Freud oder was für Ehr hab ich mich aber von einem solchen herrlichen Titel zu getrösten, wenn mir diese junge Rotznase vorgezogen werden will? soll ich erleben, daß ich! ich sage ich! ich! der wohlverdientsten Ratspersonen und vornehmsten Diener einer! oder größter Beförderer deines Staats und höllischen Interesse, dieser jungen, erst bei meinem Gedenken von Wollust und Hoffart erzeugten Dirn jetzt erst in meinem Alter weichen, und ihr den Vorzug lassen müßte? nimmermehr nit! Großmächtiger Fürst, würde es deiner Hochheit anstehen, noch deiner Intention nachgelebt sein, die du hast, das menschlich Geschlecht sowohl hie als dort zu quälen, wenn du dieser Alamode-Närrin gewonnen gäbest, daß sie in ihrer Verfahrung wider mich recht handele; ich hab zwar mißgeredet, indem ich gesagt, recht handele; denn mir ist recht und unrecht eins wie das ander; ich wollte soviel damit sagen, es gereiche zu Schmälerung deines Reichs, wenn mein Fleiß, den ich von unvordenklichen Jahren her bis auf diese Stund so unverdrossen vorgespannet, mit solcher Verachtung belohnet, mein Ansehen, Aestimation und Valor bei den Menschen dadurch verringert, und endlich
Demnach der Geiz diese Meinung mit noch weit mehrern Umständen vorgebracht hatte, antwortet' die Verschwendung: es verwundere sie nichts mehrers, als daß ihr Großvater so unverschämt in sein eigen Geschlecht hinein gleichwie ein anderer Herodes Ascalonita in das seinige wüten dürfe. »Er nennet mich«, sagt' sie, »eine Bräckin; solcher Titel gebühret mir zwar weil ich sein Enklin bin, meiner eignen Qualitäten halber aber wird mir derselbe nimmermehr zugeschrieben werden können; er rücket mir auf, daß ich mich bisweilen für die Freigebigkeit ausgebe, und unter solchem Schein meine Geschäfte verrichte; ach einfältiges Anbringen eines alten Gecken! welches mehr zu verlachen als meine Handlungen zu bestrafen; weiß der alte Narr nicht, daß keiner unter allen höllischen Geistern ist, der sich zuzeiten nit nach Gestaltsam der Sach, und erheischender Notdurft nach in ein Engel des Lichts verstelle? Zwar mein ehrbarer Herr Ähne nehme sich bei der Nasen; überredet er nit die Menschen wenn er anklopft Herberg bei ihnen zu suchen, er sei die Gesparsamkeit? sollte ich ihn drum deswegen tadeln oder gar verklagen? Nein mit nichten; ich bin ihm deswegen nit einmal gehässig! sintemalen wir uns alle mit dergleichen Vorteiln und Betrügereien behelfen müssen, bis wir bei den Menschen ein Zutritt bekommen, und uns unvermerkt eingeschlichen haben; und möchte ich mir wohl einen rechtschaffenen frommen Menschen (die wir aber allein zu hintergehen haben, denn die Gottlosen werden uns ohnedas nit entlaufen) hören was er sagte, wenn einer von uns angestochen käme, und sagte: ›Ich bin der Geiz, ich will dich zur Höllen bringen! ich bin die Verschwendung, ich will dich verderben; ich bin der Neid, folg mir so kommst du in die ewige Verdammnis;
Ebenso kahl kommt es, wenn der alte Pfetzpfennig zu meiner Verkleinerung vorgeben will, die Hoffart und die Wollust seien meine Beiständ; und zwar wenn sie es sind, so tun sie erst was ihre Schuldigkeit und die Vermehrung des höllischen Reichs von ihnen erfordert; das gibt mich aber wunder, daß er mir mißgönnen will, was er selbst nit entbehren kann! Weiset es nit das höllische Protokoll aus, daß diese beiden manchem armen Tropfen ins Herz gestiegen und dem Geiz den Weg bereitet, ehe er, der Geiz, einmal gedachte oder sich erkühnen durfte, einen solchen Menschen zu attackiern? Man schlage nur nach, so wird man finden, daß denen so der Geiz verführt, entweder zuvor die Hoffart eingeblasen, sie müssen zuvor etwas haben, ehe sie sich sehen lassen zu prangen, oder daß ihnen die Reizung der Wollust geraten, sie müssen zuvor etwas zusammenschachern, ehe sie in Freuden und Wollust leben könnten; warum will mir denn nun dieser mein schöner Großvater diejenigen nit helfen lassen, die ihm doch selbst so manchen guten Dienst getan; was aber den Fraß und die Völlerei anbelangt, kann ich nichts dafür, daß der Geiz seine Untersassen so hart hält, daß sie sich ihrer wie die meinigen nit ebensowohl auch annehmen dürfen; ich zwar halte sie dazu,
»Welchen wollte es nicht schmerzen«, antwortet' der
»Wozu dienet dies Gezänk«, sagte Luzifer, »jedes Teil erweise, was es vor dem andern unserm Reich für Nutzen schaffe, so wollen wir daraus judizieren, welchem unter euch der Vorzug gebühre, als um welchen es vornehmlich zu tun; und in solchem unserm Urteil wollen wir weder Alter noch Jugend, noch Geschlecht noch ichtwas anders ansehen; denn wer dem großen Numen am allermeisten zuwider und den Menschen am schädlichsten zu sein befunden wird, soll unserem alten Gebrauch und Herkommen nach auch der vornehmst Hahn im Korb sein.«
»Sintemal, großer Fürst, mir zugelassen ist«, antwortet' Mammon, »meine Qualitäten und auf wie vielerlei Weis ich mich dadurch bei dem höllischen Staat verdient mache, an Tag zu legen; so zweifelt mir nicht wenn ich anders recht gehöret, und alles umständlich und glücklich genug vorbringen würde, daß mir nit allein das ganze höllische Reich den Vorzug vor der Verschwendung zusprechen, sondern noch dazu die Ehr und den Sitz des alten abgangnen Plutonis, unter welchem Namen ich ehemalen für das höchste Oberhaupt allhier respektiert worden, wiederum gönnen und einräumen werde, als welcher Stand mir billig gebührt; Zwar will ich nit rühmen, daß mich die Menschen selbst die Wurzel alles Übels, das ist einen Ursprung, Kloak und Grundsuppe nennen alles desjenigen, was ihnen an Leib und Seel schädlich, und hingegen unserem höllischen Reich nutz sein mag, denn solches sind nun allbereit so bekannte Sachen, daß sie auch bereits die Kinder wissen! will auch
Sehet doch alle euren blauen Wunder! wie sich diejenigen anfangen zu quälen, bei denen ich nur einen geringen Zutritt bekomme; wie unablässig sich diejenigen ängstigen, die mir ihr Herz zum Quartier beginnen einzuräumen; und betrachtet nur ein wenig die Wege dessen, den ich ganz besitze und eingenommen; danach sagt mir, ob auch ein elendere Kreatur auf Erden lebe, oder ob jemalen ein einziger höllischer Geist einen größern oder standhaftigern Märtyrer vermocht und zugerichtet habe, als eben derselbig einer ist, den ich zu unserem Reich ziehe. Ich benehme ihm kontinuierlich den Schlaf, welchen doch sein eigne Natur selbst so ernstlich von ihm erfordert, und wenn er gleich solche Schuldigkeit nach Notdurft abzulegen gezwungen wird, so tribuliere und vexiere ich ihn jedoch hingegen dergestalt mit allerhand sorgsamen und beschwerlichen Träumen, daß er nit allein nit ruhen kann, sondern auch schlafend
Ich gestatte ihnen kein rechtschaffenes Gebet, noch weniger daß sie aus guter Meinung Almosen geben, und ob sie zwar oft fasten oder besser zu reden Hunger leiden, so geschiehet jedoch solches nit Andacht halber, sondern mir zu Gefallen etwas zu ersparen; ich jage sie in Gefährlichkeit Leibs und Lebens, nit allein mit Schiffen über Meer, sondern auch gar unter die Wellen in desselbigen Abgrund hinunter, ja sie müssen mir das innerste Eingeweid der Erden durchwühlen, und wenn etwas in der Luft zu fischen wär, so müßten sie mir auch fischen lernen; ich will nit sagen von den Kriegen die ich anstifte, noch von dem Übel das daraus entstehet, denn solches ist aller Welt bekannt! will auch nicht erzählen, wieviel Wucherer, Beutelschneider, Dieb, Räuber und Mörder ich mache; weil ich mich dessen zum höchsten rühme, daß sich alles was mir beigetan ist mit bittrer Sorg, Angst, Not, Mühe und Arbeit schleppen muß; und
Der Einsiedel wird aus seiner Wildnis zwischen Engeland und Frankreich auf das Meer in ein Schiff versetzt
Indem der Geiz so daherplauderte sich selbst zu loben, und der Verschwendung vorzuziehen, kam ein höllischer Geist dahergeflattert, der vor Alter gleichsam hinfällig, ausgemergelt, lahm und buckelt zu sein schien, er schnaufte wie ein Bär, oder wenn er ein Hasen erlaufen hätte; weswegen denn alle Anwesenden die Ohren spitzten, zu vernehmen was er Neus brächte oder für ein Wildbret gefangen hätte, denn er hatte hierzu vor andern Geistern den Ruhm einer sonderbaren Dexterität; da sie es aber beim Licht besahen, war es nihil und ein nisi dahinter, das ihn an seiner Verrichtung verhindert, denn da ihm stattgeben ward, Relation zu tun, verstand man gleich, daß er Julo, einem Edelmann aus England, und seinem Diener Avaro (die miteinander aus ihrem Vaterland nach Frankreich reisten) vergeblich aufgewartet, entweder beide oder einen allein zu berücken; dem ersten hätte er wegen seiner edlen Art und tugendlichen Auferziehung, dem andern aber wegen seiner einfältig Frommkeit nicht beikommen mögen, bat derowegen den Luzifer daß er ihm mehr Sukkurs zuordnen wollte.
Eben damals hatte es das Ansehen, als wenn Mammon seinen Diskurs beschließen, und die Verschwendung den ihrigen hätte anfangen wollen; aber Luzifer sagte: »Es bedarf nicht vieler Wort, das Werk lobt den Meister, einem
Die Hoffart machte sich den geraden Weg zum Julo und sagte: »Tapferer Kavalier, ich bin die Reputation, und weil Ihr jetzt ein fremd Land betretet, wird mir nicht übel anstehen, wenn Ihr mich zur Hofmeisterin behaltet; hier könnt Ihr die Einwohner durch eine sonderbare Pereleganz sehen lassen, daß Ihr kein schlechter Edelmann, sondern aus dem Stamm der alten König entsprossen seid! und wenngleich solches nicht wäre, so würde Euch jedoch gebühren, Eurer Nation zu Ehren den Franzosen zu weisen, was Engeland für wackere Leut trage.«
Darauf ließ Julus durch Avarum, seinen Diener, dem
Sobald betraten beide Jüngling das feste Land nicht, als Hoffart die Verschwendung vertraulich avisierte, daß sie nicht allein ein Zutritt, sondern allem Vermuten nach einen unbeweglichen Sitz auf ihr erstes Anklopfen in des Juli Herzen bekommen; mit angehängter Erinnerung, sie möchte noch mehrerer anderwärtlichen Assistenz sich bewerben, damit sie desto sicherer und gewisser ihr Vorhaben ins Werk stellen könnte; sie wolle ihr zwar nit weit von der Hand gehen, aber gleichwohl müßte sie ihrem Gegenteil dem Geiz ebenso große Hilf leisten, als sie, die Verschwendung, von ihr zu hoffen.
Mein großgünstiger hochgeehrter Leser, wenn ich eine Histori zu erzählen hätte, so wollte ichs kürzer begreifen und hier nicht soviel Umständ machen; ich muß selbst gestehen, daß mein eigner Vorwitz von jedem Geschichtschreiber stracks erfordert, mit seinen Schriften niemand lang aufzuhalten; aber dieses was ich vortrage ist ein Vision oder Traum, und also weit ein anders; ich darf nicht so geschwind zum Ende eilen, sondern muß etliche geringe Partikularitäten und Umstände mit einbringen, damit ich etwas vollkommner erzählen möge, was ich den Leuten dies Orts zu kommuniziern vorhabe; welches denn nichts anders ist, als ein Exempel zu weisen, wie aus einem geringen Fünklein allgemach ein groß Feur werde, wenn man die Vorsichtigkeit
Das obgemeldte sagte die Hoffart nicht nur für die Langeweil zu der Verschwendung, sondern wandte sich gleich zu dem Avaro selbsten, bei dem sie den Neid und Mißgunst fand, welche Kameraden der Geiz geschickt hatte, ihm den Weg zu bereiten; derowegen richtet' sie ihren Diskurs danach ein, und sagte zu ihm: »Höre du Avare, bist du nicht so wohl ein Mensch als dein Herr? bist du nicht so wohl ein Engeländer als Julus? was ist denn das, daß man ihn einen gnädigen Herrn, und dich seinen Knecht nennet? hat euch beide denn nicht Engeland, und zwar den einen wie den andern geborn und auf die Welt gebracht? wo kommt es her, daß er hier im Land, da er so wenig Eignes hat als du, für einen gnädigen Herren gehalten, du aber als ein Sklav
So hatten des Avari erste Anfechtungen eine Gestalt, denen er nicht allein fleißig Gehör gab, sondern sich auch entschloß, denselben nachzuhängen; so unterließ Julus auch nicht demjenigen mit allem Fleiß nachzuleben, was ihm die Hoffart eingab.
Wie Julus und Avarus nach Paris reisen, und dort ihre Zeit vertreiben
Der gnädige Herr, das ist Herr Julus, übernachtet' an demjenigen Ort da wir angelandet, und verblieb den andern Tag und die folgende Nacht noch dazu daselbsten, damit er ausruhen, seinen Wechsel empfangen, und Anstalt machen möchte, von da durch die spanischen Niederland nach
Also hatt ich das Glück im Schlaf viel schöne Städt zu beschauen, die unter tausenden kaum einem wachend ins Gesicht kommen, oder zu sehen werden; die Reis ging glücklich ab, und wennschon gefährliche Ungelegenheiten sich ereigneten, so überwand jedoch des Juli schwerer Säckel solche all, weil er sich kein Geld dauren ließ, und sich um solches (weil wir durch unterschiedliche widerwärtige Garnisonen reisen mußten) aller Orten mit notwendigen Convoyen und Paßbriefen versehen ließ; ich achtet derjenigen Sachen, die sonst in diesen Landen sehenswürdig sind, nicht sonderlich, sondern betrachtet nur, wie beide Jüngling nach und nach von den obgemeldten Lastern je mehr und mehr eingenommen wurden, zu welchen sich je länger je mehr sammelten; da sah ich wie Julus auch von dem Vorwitz und der Unkeuschheit (welche dafür gehalten wird, daß sie eine Sünd sei, damit die Hoffart gestraft werde) angerannt und eingenommen wurde, weswegen wir denn oft an den Örtern, da sich leichte Dirnen befanden, länger stilliegen mußten und mehr Gelds vertaten als sonst wohl die Notdurft erforderte; andernteils quälte sich Avarus Geld zusammenzuschrapen wie er mochte; er bezwackte nicht allein seinen Herren, sondern auch die Wirt und Gastgeber wo er zukommen mochte; gab mithin einen trefflichen Kuppler ab, und scheute sich nicht hie und da unterwegs unsere Herberger zu bestehlen, und hätte es auch nur ein silberner Löffel sein sollen. Solchergestalt passierten wir
Anfänglich zwar ließ er sich nur mit dem Ballschlagen, Ringelrennen, den Komödien, Balletten und dergleichen zulässigen und ehrlichen Übungen, denen er beiwohnet' und selbst mitmachte, genügen; da er aber erwarmet' und bekannt wurde, kam er auch an diejenigen Ort, da man seinem Geld mit Würfeln und Karten zusetzte; bis er endlich auch die vornehmsten Hurenhäuser durchschwärmte; in seinem Losament aber ging es zu, wie bei des Königs Arturi Hofhaltung, da er täglich viel Schmarotzer nicht schlechthinweg mit Kraut oder Rüben, sondern mit teuren französischen Potagen und spanischen Olla Potriden köstlich traktierte; maßen ihn oft ein einziger Imbiß über 25 Pistolen gestand, sonderlich wenn man die Spielleut rechnete, die er gemeiniglich dabei zu haben pflegte; über dieses brachten ihn die neuen Moden der Kleidungen, welche geschwind nacheinander folgten und aufstanden, und sich bald wieder veränderten, um ein großes Geld, mit welcher
Ob nun zwar dem Geiz, welcher den Avarum schon ganz besaß, ein solche Art zu leben durchaus widerwärtig zu sein erschien, so ließ er, Avarus, sich jedoch solche wohlgefallen, weil er sie sich wohl zunutz zu machen gedachte; denn Mammon hatte ihn allbereit bewegt, sich der Untreu zu ergeben, wenn er anders etwas prosperieren wollte; weswegen er denn keine Gelegenheit vorüberlaufen ließ, seinem Herrn, der ohnedas sein Geld so unnützlich hinausschleuderte, abzuzwacken was er konnte; im wenigsten bezahlte er keine Näherin oder Wäscherin, der er ihren gewöhnlichen Lohn nicht ringerte, und was er denen abbrach, heimlich in seine Beutel steckte; kein Kleidflicker- oder Schuhschmiererlohn war so klein den er seinem Herrn nicht vergrößerte und den Überfluß zu sich schob; geschweige wie er in großen Ausgaben per fas & nefas zu sich rappte und sackte, wo er nur konnt und möchte; die Sesselträger, mit denen sein Herr viel Geld hinrichtete, verändert' er gleich, wenn sie ihm nit Part an ihrem Verdienst gaben; der Pastetenbäck, der Garkoch, der Weinschenk, der Holzhändler, der Fischverkäufer, der Bäck und also andere Viktualisten mußten beinahe ihren Gewinn mit ihm teilen, wollten sie anders an dem Julo länger einen guten
»Gemach! gemach!« wurde zu dem Julo gesprochen, »halte ein dasjenig so unnützlich zu verschwenden, welches deine Vorderen vielleicht mit saurer Mühe und Arbeit, ja vielleicht mit Verlust ihrer Seligkeit erworben, und dir so getreulich vorgespart haben; vielmehr lege es also an, damit du künftig deswegen beides vor Gott, der ehrbarn Welt, und deinen Nachkommen bestehen und Rechenschaft darum geben mögest!« etc. Aber diesem und dergleichen heilsamen Erinnerungen oder innerlichen guten Einsprechung die Julum zur Mäßigkeit reizen wollten, wurde geantwortet: »Was! ich bin kein Bärnhäuter noch Schimmeljud sondern ein Kavalier; sollte ich meine adeligen Exercitia in Gestalt eines Bettelhunds oder Schurken begreifen? nein das ist nit der Gebrauch noch Herkommens, ich bin nit hier Hunger und Durst zu leiden, viel weniger wie ein alter karger Filz zu schachern, sondern als ein rechtschaffner Kerl von meinen Renten zu leben!« Wenn aber die guten Einfäll, die er melancholische Gedanken zu nennen pflegte, auf solche Gegenwürf dennoch nit ablassen wollten, ihn aufs
Nicht weniger wurde andernteils Avarus von innerlichen Zusprechen erinnert, daß dieser Weg, den er zum Besitz der Reichtum' zu gehen antrete, die allergrößte Untreu von der Welt sei; mit fernerer Ermahnung, er sei seinem Herrn nit allein mitgeben worden ihm zu dienen, sondern auch durchaus seinen Schaden zu wenden, seinen Nutzen zu fördern, ihn zu allen ehrlichen Tugenden anzureizen, vor allen schändlichen Lastern zu warnen und vornehmlich sein zeitliche Hab nach möglichstem Fleiß zusammenzuheben und beobachten, welche er aber im Gegenteil selbst zu sich reiße und ihn, Julum, noch dazu in allerhand Laster stürzen helfe; item auf was Weis er wohl vermeine, daß er solches gegen Gott, dem er um alles Rechenschaft geben müßte, gegen des Juli fromme Eltern, die ihm ihren einzigen Sohn anvertraut und getreulich zu beobachten befohlen, und endlich gegen den Julum selbsten zu verantworten getraue, wenn derselbe zu seinen Tagen kommen, und heut oder morgen verstehen werde, daß aus seiner Verwahrlosung und Untreu beides seine Person zu allem Guten verderbt, und sein Reichtüm' unnützlich verschwendet worden? »Hiemit zwar, o Avare, ists noch nicht genug! denn über solche schwere Verantwortung, die du dir des Juli Person und Gelds wegen aufbürdest, besudelst du dich selbst auch mit dem schändlichen Laster des Diebstahls und machst dich des Strangs und Galgens würdig; du unterwirfst deine vernünftige ja himmlische Seel dem Schlamm der irdischen Güter, die du ungetreuer und hochsträflicher Weis zusammenzuscharren gedenkest, welche doch der Heid Krates Thebanus ins Meer warf, damit sie ihn nit verderben sollten, wiewohl er solche rechtmäßig besaß; wieviel mehr, kannst du wohl erachten, werden sie dein Untergang sein, indem du solche im Gegenspiel aus dem großen Meer deiner Untreu erfischen willst!
Solche und dergleichen mehr guter Ermahnungen beides von der gesunden Vernunft und seinem Gewissen empfand zwar Avarus in sich selbsten; aber es mangelt' ihm hingegen mitnichten an Entschuldigungen, sein böses Beginnen zu beschönen und gut zu sprechen. »Was?« sagte er mit Salomone, Proverbior. 26 wegen des Juli Person, »was soll dem Narren Ehr, Geld und gute Tage? sie könnens doch nicht brauchen! zudem hat er ohnedas genug! und wer weiß wie es seine Eltern gewonnen haben? ists nicht besser, ich packe selbst dasjenige an, das er doch sonst ohne mich verschwendet, als daß ichs unter Fremde kommen lasse?«
Dergestalt folgten beide Jüngling ihren verblendten Begierden, und ersäuften sich mithin in Abgrund der Wollust, bis endlich Julus die lieben Franzosen bekam, und eine Woch oder vier schwitzen, und beides seinen Leib und Beutel purgiern lassen mußte, welches ihn drum nit besser machte, oder ihm zur Warnung gedieh; denn er machte das gemeine Sprichwort wahr: ›Da der Krank wieder genas, je ärger er was.‹
Avarus findet auf ohngekehrter Bank, und Julus hingegen macht Schulden, dessen Vater aber reiset in ein andere Welt
Avarus stahl so viel Geld zusammen daß ihm angst dabei ward, maßen er nicht wußte wo er damit hin sollte, damit dem Julo sein Untreu verborgen bliebe; er sann derowegen diese List ihm ein Aug zu verkleben: er verwechselt' zum Teil sein Gold in grobe teutsche silberne Sorten, tat solche in ein großes Felleisen, und kam damit bei nächtlicher Weil vor seines Herren Bett gelaufen, mit gelehrten Worten daherlügend, oder höchlicher zu reden dahererzählend, was ihm für ein Fund geraten wäre. »Gnädiger Herr«, sagte er,
Eben damal bekam Julus von seinem Vater Briefe, und in denselbigen einen scharfen Verweis, daß er so ärgerlich lebe und so schrecklich viel Gelds verschwende; denn er hatte von den englischen Kaufherrn die mit ihm korrespondierten, und dem Julo jeweils seine Wechsel entrichteten, alles des Juli und seines Avari Tun erfahren, ohne daß dieser seinen Herrn bestahl, jener aber solches nicht merkte; weswegen er sich denn solchergestalt bekümmerte, daß er darüber in ein schwere Krankheit fiel; er schrieb bemeldten Kaufherrn daß sie forthin seinem Sohn mehrers nicht geben sollten, als die bloße Notdurft, die ein gemeiner Edelmann haben müßte, sich in Paris zu behelfen; mit dem Anhang, wofern sie ihm mehr reichen würden, daß er ihnen solches nicht wieder gutmachen wollte. Den Julum aber bedrohet' er, wofern er sich nicht bessern und ein ander Leben anstellen würde, daß er ihn alsdann gar enterben und nimmermehr für keinen Sohn halten wollte.
Julus wurde zwar darüber trefflich bestürzt, faßte aber drum keinen Vorsatz gesparsamer zu leben; und wenn er gleich seinem Vater zu genügen vor den gewöhnlichen
Hierüber zogen etliche die Achseln ein und entschuldigten sich, sie hätten derzeit nit übrige Mittel; in Wahrheit aber waren sie ehrlich gesinnet, und wollten des Juli Vatern nit erzürnen; die anderen aber gedachten was sie für einen Vogel zu rupfen bekämen, wenn sie den Julum in die Klauen kriegten. »Wer weiß«, sagten sie zu sich selbsten, »wie lang der Alte lebt, zudem will ein Sparer ein Verzehrer haben; will ihn der Vater gleich enterben, so kann er ihm doch das Mütterlich nicht nehmen.« In Summa, diese schossen dem Julo noch tausend Dukaten dar, wofür er ihnen verpfändet', was sie selbst begehrten, und ihnen jährlich acht pro cento versprach, welches denn alles in bester Form verschrieben wurde; damit reichte Julus nit weit hinaus, denn bis er
Als solche Zeitungen einliefen, fing des Juli Sach abermal an zu hinken; er hatte zwar noch ein wenig Geld, aber viel zu wenig, weder seine verschwenderische Pracht hinauszuführen, noch sich auf eine Reis zu montieren, irgends einem Herrn mit ein paar Pferden im Krieg zu dienen, wozu ihn beides Hoffart und Verschwendung anhetzte; und weil ihm auch hierzu niemand nichts vorsetzen wollt, flehet' er seinen getreuen Avarum an, ihm von dem was er gefunden, die Notdurft vorzustrecken; Avarus antwortete: »Eur Gnaden wissen wohl, daß ich ein armer Schüler bin gewesen, und sonst nichts vermag, als was mir neulich Gott beschert.« (Ach heuchlerischer Schalk, gedachte ich, hätt dir das nun Gott beschert, was du deinem Herrn abgestohlen hast, solltest du ihm in seinen Nöten nit mit dem Seinigen zuhilf kommen? und das um soviel desto ehender, dieweil du, so lang er etwas hatte, mitgemacht, und das Seinige hast verfressen, versaufen, verhuren, verbuben, verspielen und verbankettieren helfen? O Vogel, gedachte ich, du bist zwar aus England kommen wie ein Schaf, aber seit dich der Geiz besessen, in Frankreich zu einem Fuchs, ja gar zu einem Wolf worden.) »Sollte ich nun«, sagte er weiter, »solche Gaben Gottes nicht in acht nehmen und zu meines künftigen Lebens Aufenthalt anlegen, so müßte ich sorgen,
Diese Worte waren dem Julo zwar schwer zu verdauen, als deren er sich weder von seinem getreuen Diener versehen, noch von andern zu hören gewohnt war; aber der Schuh, den ihm Hoffart und Verschwendung angelegt, drückte ihn so hart, daß er sie leichtlich verschmerzte, für billig hielt, und durch Bitten so viel vom Avaro brachte, daß er ihm alles sein erschundenes und abgestohlenes Geld vorlieh, mit dem Geding daß sein, des Avari Lidlohn samt demjenigen so er noch in vier Wochen an Interesse davon haben können, zur Haupt-Summa geschlagen, mit acht pro cento jährlich verzinset, und damit er um Haupt-Summa und Pension versichert sein möchte, ihm ein frei adelig Gut, so Julo von seiner Mutter Schwester vermacht worden, verpfändet werden sollte; welches auch alsobalden in Gegenwart der andern Engländer als erbetenen Zeugen in der allerbesten Form geschah, und belief sich die Summa allerdings auf sechshundert Pfund Sterling, welches nach unserer Münz ein namhafts Stück Geld macht.
Kaum war obiger Kontrakt gemacht, die Verschreibung verfertigt, und das Geld dargezählet, da kam Julo die Verkündigung eines erfreulichen Leids, daß nämlich sein Herr Vater die Schuld der Natur bezahlt hätte; weswegen er denn gleichsam eine fürstliche Trauer anlegte, und sich gefaßt machte, ehestens nach England zu verreisen, mehr die Erbschaft anzutreten als seine Mutter zu trösten; da sah ich meinen Wunder wie Julus wieder einen Haufen Freund bekam, weder er vor etlich Tagen gehabt; auch
Julus nimmt seinen Abschied in England auf edelmännisch, Avarus aber wird zwischen Himmel und Erden arrestiert
Demnach machte sich Julus mit Avaro schleunig auf den Weg; nachdem er zuvor sein ander Gesind, als Lakaien, Pagen und dergleichen unnützer gefräßiger oder vertunlicher Leut mit guten Ehren abgeschafft. Wollte ich nun der Histori ein End sehen, so mußte ich wohl mit, aber wir reiseten mit gar ungleicher Kommodität; Julus ritt auf einem ansehenlichen Hengst, weil er nunmehr nichts Bessers als das Reiten gelernt hatte, und hinter ihm saß die Verschwendung, gleichsam als ob sie sein Hochzeiterin oder Liebste gewesen wäre; Avarus saß auf einem Minchen oder Wallachen, wie man sie nennet, und führte hinter sich den Geiz, das hatte eben ein Ansehen als wenn ein Marktschreier oder Storger mit seinem Affen auf eine Kirchmeß geritten wäre; die Hoffart hingegen floh hoch in der Luft daher, eben als wenn sie die Reis nit sonderlich angangen hätte; die übrigen assistierenden Laster aber marschierten beneben her, wie die Beiläufer zu tun pflegen, ich aber hielt mich bald da, bald dort einem Pferd an den Schwanz, damit ich auch mit fortkommen, und England beschauen möchte, dieweil ich mir einbildete, ich hätte bereits viel Länder gesehen, wogegen mir dieses enge ein seltener Anblick sein würde; wir erlangten bald den Ort der Schifflände, allwo wir hiebevor auch ausgestiegen waren, und segelten in kurzer Zeit mit gutem Wind glücklich über.
Julus fand seine Frau Mutter zu seiner Ankunft auch in
Andernteils unterließ Avarus nicht in solchem Wasser zu fischen, und seine Chance in acht zu nehmen, er bestahl seinen Herrn mehr als zuvor, und schacherte daneben ärger als ein fünfzigjähriger Jud. Das loseste Stücklein aber das er dem Julo tat, war dieses, daß er sich mit einer Dam von ehrlichem Geschlecht verplemperte, folgends selbige seinem Herrn kuppelte, und demselben über dreiviertel Jahr den jungen Balg zuschreiben ließ, den er ihr doch selbst angehängt hatte; und weil sich Julus gar nit entschließen konnte, selbige zu ehelichen, gleichwohl aber ihrer Befreunden halber in Gefahr stehen mußte, trat der aufrichtige Avarus ins Mittel, ließ sich bereden diejenige wieder zu
Einsmals fuhr Julus auf der Thems in einem Lustschiff mit seinen nächsten Verwandten spazieren, unter welchen sich seines Vaters Bruder, ein sehr weiser und verständiger Herr, auch befand; dieser redete damal etwas vertraulicher mit ihm als sonsten, und führet' ihm mit höflichen Worten und glimpflicher Straf zu Gemüt, daß er keinen guten Haushalter abgeben werde, er sollte sich und das Seinig besser beobachten, als er bishero getan etc., wenn die Jugend wüßte, was das Alter braucht, so würde sie eine Dukat ehe hundertmal umkehren als einmal ausgeben etc. Julus lachte drüber, zog einen Ring vom Finger, warf ihn in die Thems und sagte: »Herr Vetter, so wenig als mir dieser Ring wieder zuhanden kommen mag, so wenig werde ich das Meinig vertun können.« Aber der Alte seufzete und antwortet': »Gemach, gemach Herr Vetter, es läßt sich wohl eines Königs Gut vertun, und ein Brunnen erschöpfen, sehet was Ihr tut!« Aber Julus kehrte sich von ihm, und haßte ihn solcher getreuen Vermahnung wegen mehr als er ihn darum sollte geliebt haben.
Ohnlängst hernach kamen etliche Kaufherren aus Frankreich, die wollten um das Hauptgut, so sie ihm zu Paris vorgesetzt, samt dem Interesse bezahlt sein, weil sie gewisse Zeitung hatten wie Julus lebte, und daß ihm ein reich beladenes Schiff, so seine Eltern nach Alexandriam geschickt hatten, von den Seeräubern auf dem Mittelländischen Meer weggenommen worden wäre; er bezahlte sie mit lauter Kleinodien, welches ein gewisse Anzeigung war, daß es mit der Barschaft an die Neige ging; überdas kam die gewisse Nachricht ein, daß ihm ein ander Schiff am Gestad von Brasilien gescheitert, und ein englische Flott, an der des Juli Eltern am allermeisten interessiert gewesen, unweit
Er war zwar ganz betrübt und beinahe desperat, schämte sich aber doch vor den Leuten scheinen zu lassen, wie es ihm ums Herz war; indem vernimmt er, daß des enthaupten Königs ältester Prinz mit einer Armee in Schottland ankommen wäre, hätte auch glücklichen Sukzeß und gute Hoffnung, seines Herrn Vaters Königreich wiederum zu erobern! Solche Occasion gedachte sich Julus zunutz zu machen, und sein Reputation dadurch zu erhalten; derowegen montierte er sich und seine Leut mit demjenigen, so er noch übrig hatte, und brachte ein schöne Compagnia Reuter zusammen, über welche er Avarum zum Leutnant machte und ihm güldene Berge verhieß, daß er mitging, alles unter dem Vorwand, dem Protektor zu dienen; aber als er sich reisfertig befand, ging er mit seiner Compagnia in schnellem Marsch dem jungen schottischen König entgegen und konjungierte sich mit dessen Corpo, hätte auch wohl gehandelt gehabt, wenn es dem König damals geglückt; als aber Cromwell dieselbe Kriegsmacht zerstöbert, entrannen Julus und Avarus kaum mit dem Leben, und durften sich doch beide nirgends mehr sehen lassen; derowegen mußten sie sich wie die wilden Tier in den Wäldern behelfen, und sich mit Rauben und Stehlen ernähren, bis sie endlich darüber ertappt und gerichtet wurden; Julus zwar mit dem Beil und Avarus mit dem Strang, welchen er vorlängst verdient hatte.
Hierüber kam ich wieder zu mir selber, oder erwachte
Baldanders kommt zu Simplicissimo, und lernet ihn mit Mobilien und Immobilien reden und selbige verstehen
Ich spazierte einsmals im Wald herum meinen eitelen Gedanken Gehör zu geben, da fand ich ein steinern Bildnis liegen in Lebensgröße, das hatte das Ansehen als wenn es irgends eine Statua eines alten teutschen Helden gewesen wär, denn sie hatte ein altfränkische Tracht von romanischer Soldatenkleidung, vornen mit einem großen Schwabenlatz, und war meinem Bedünken nach überaus künstlich und natürlich ausgehauen. Wie ich nun so da stand, das Bild betrachtete und mich verwundert', wie es doch in diese Wildnis kommen sein möchte, kam mir in Sinn, es müßte irgends auf diesem Gebirg vor langen Jahren ein heidnischer Tempel gestanden, und dieses der Abgott darinnen gewesen sein; sah mich derowegen um, ob ich nichts mehr von dessen Fundament sehen konnte, wurde aber nichts dergleichen gewahr, sondern, dieweil ich einen Hebel fand, den etwa ein Holzhaur liegen lassen, nahm ich denselben und stand an dies Bildnis, es umzukehren, um zu sehen wie es auf der andern Seiten eine Beschaffenheit hätte; ich hatte aber demselben den Hebel kaum unterm Hals gesteckt, und zu lupfen angefangen, da fing es selbst an sich zu regen und zu sagen: »Lasse mich mit Frieden, ich bin Baldanders.« Ich erschrak zwar heftig, doch erholte ich mich gleich wiederum,
»Ich bin der Anfang und das End, und gelte an allen Orten.
Manoha, gilos, timad, isaser, sale, lacob, salet, enni nacob idil dadele neuaw ide eges Eli neme meodj eledid emonatan desi negogag editor goga naneg eriden, hohe ritatan auilac, hohe ilamen eriden diledi sisac usur sodaled auar, amu salif ononor macheli retoran; Ulidon dad amv ossosson, Gedal amu bede neuaw, alijs, dilede renodaw agnoh regnoh eni tatae hyn lamini celotah, isis tolostabas oronatah assis tobulu, Wiera saladid egrivi nanon aegar rimini sisac, heliosole Ramelv ononor windelishi timinituz, bagoge gagoe hananor elimitat.«
Als er dies geschrieben, wurde er zu einem großen Eichbaum, bald darauf zu einer Sau, geschwind zu einer Bratwurst, und unversehens zu einem großen Baurendreck (mit Gunst), er machte sich zu einem schönen Kleewasen, und ehe ich mich versah, zu einem Kuhfladen; item zu einer schönen Blum oder Zweig, zu einem Maulbeerbaum, und darauf in einen schönen seidenen Teppich etc. bis er sich endlich wieder in menschliche Gestalten verändert', und dieselben öfter verwechselt', als solche gedachter Hans Sachs von ihm beschrieben; und weil ich von so unterschiedlichen schnellen Verwandlungen weder im Ovidio noch sonsten nirgends gelesen (denn den mehrgedachten Hans Sachsen hatte ich damals noch nit gesehen) gedachte ich der alte Proteus sei wieder von den Toten auferstanden, mich mit seiner Gaukelei zu äffen; oder es sei vielleicht der Teufel selbst, mich als einen Einsiedler zu versuchen, und zu betrügen; nachdem ich aber von ihm verstanden, daß er mit bessern Ehren den Mond in seinem Wappen führe als der türkisch Kaiser, item daß die Unbeständigkeit sein Aufenthalt, die Beständigkeit aber seine ärgste Feindin sei, um welche er sich gleichwohl keine Schnall schere, weil er mehrenteils sie flüchtig mache, verändert' er sich in einen Vogel, floh schnell davon, und ließ mir das Nachsehen.
Darauf setzte ich mich nieder in das Gras, und fing an diejenigen Wort zu betrachten, die mir Baldanders hinterlassen hatte, die Kunst so ich von ihm zu lernen daraus zu begreifen; ich hatte aber nit das Herz selbige auszusprechen, weil sie mir vorkamen, wie diejenigen damit die Teufelsbanner
Der Eremit wird aus einem Wald- ein Wallbruder
Das Leben des heiligen Alexii kam mir im ersten Griff unter die Augen, als ich das Buch aufschlug; da fand ich, mit was für einer Verachtung der Ruhe er das reiche Haus seines Vaters verlassen, die heiligen Örter hin und wieder mit großer Andacht besucht und endlich beides sein Pilgerschaft
Demnach ertappte ich ohnversehens mein Scher und stutzte meinen langen Rock der mir allerdings auf die Füß ging (und so lang ich ein Einsiedel gewesen, anstatt eines Kleids auch Unter- und Oberbetts gedient hatte), die abgeschnittenen Stück aber setzte ich darauf und darunter, wie es sich schickte, doch also, daß es mir zugleich Säck und Taschen abgab, dasjenig so ich etwa erbetteln möchte darinnen zu verwahren; und weil ich keinen proportionierlichen Jakobsstab mit feinen gedrehten Knöpfen haben konnte, überkam ich einen wilden Apfelstamm, damit ich einem, wenn er gleichwohl seinen Degen in der Faust gehabt, gar wohl schlafen zu leuchten getraut; welchen böhmischen Ohrlöffel mir folgends ein frommer Schlosser auf meiner Wanderschaft mit einer starken Spitz trefflich versehen,
Solchergestalt ausstaffiert machte ich mich in das wilde Schapbach, und erbettelt von selbigem Pastor einen Schein oder Urkund, daß ich mich ohnweit seiner Pfarr als ein Eremit erzeigt und gelebt hätte, nunmehr aber willens wäre, die heiligen Örter hin und wieder andächtig zu besuchen; ohnangesehen mir derselbe vorhielt, daß er mir nit recht traue. »Ich schätze mein Freund«, sagt' er, »du habest entweder ein schlimm Stück begangen, daß du deine Wohnung so urplötzlich verläßt, oder habest im Sinn einen anderen Empedoclem Agrigentinum abzugeben, welcher sich in den Feuerberg Aetnam stürzte, damit man glauben sollte, er wäre, weil man ihn sonst nirgends finden könnte, gen Himmel gefahren; wie wäre es, wenn es mit dir eine von solchen Meinungen hätte, und ich dir mit Erteilung meines besseren Zeugnis darin hülfe?« Ich wußte ihm aber mit meinem guten Maulleder unter dem Schein frommer Einfalt und heiliger aufrichtiger Meinung dergestalt zu begegnen, daß er mir gleichwohl angeregte Urkund mitteilete, und bedünkte mich ich spürete einen heiligen Neid oder Eifer an ihm, und daß er meine Wegkunft gern sehe, weil der gemeine Mann wegen eines so ungewöhnlich strengen und exemplarischen Lebens mehr von mir hielt, als von etlichen Geistlichen in der Nachbarschaft, ohnangesehen ich ein schlimmer liederlicher Kund war, wenn man mich gegen die rechten wahren Geistlichen und Diener Gottes hätte abschätzen sollen.
Damals war ich zwar noch nicht so gar gottlos wie ich hernach wurde, sondern hätte mich noch wohl für einen solchen vergangen, der eine gute Meinung und Vorsatz; sobald ich aber mit andern alten Landstörzern bekannt wurde, und mit denselben vielfältig umging und konversierte, wurde ich je länger je ärger; also daß ich zuletzt gar wohl für einen Vorsteher, Zunftmeister und Präzeptor derjenigen Gesellschaft hätte passieren mögen, die aus der Landfahrerei zu keinem andern End eine Profession machen, als ihre Nahrung damit zu gewinnen; hierzu war mein Habit
Also marschierte ich die Gutach hinauf über den Schwarzwald auf Villingen dem Schweizerland zu, auf welchem Weg mir nichts Notabels oder Ohngewöhnlichs begegnete, als was ich allererst gemeldet; von dannen wußte ich den Weg selbst auf Einsiedeln, daß ich deswegen niemand fragen durfte; und da ich Schaffhausen erlangte, wurde ich nicht allein eingelassen, sondern auch nach vielem Fatzwerk, so das Volk mit mir hatte, von einem ehrlichen wohlhäbigen Bürger freundlich zur Herberg aufgenommen; und zwar so war es Zeit daß er kam und sich meiner, als ein wohlgereister Junker, der ohn Zweifel in der Fremde auf seinen Reisen viel Saurs und Süßes erfahren, erbarmte, weil etliche böse Buben anfingen mich gegen Abend mit Gassenkot zu werfen.
Simplici seltsamer Diskurs mit einem Schermesser
Mein Gastherr hatte ein halbes Tümmelchen da er mich heimbrachte, dahero wollte er desto genauer von mir wissen, woher, wohin, was Profession und dergleichen; und da er hörete, daß ich ihm von so vielen unterschiedlichen Ländern die ich mein Tage durchstrichen, zu sagen wußte, welche sonst nicht bald einem jeden zu sehen werden, als von der Moskau, Tartarei, Persien, China, Türkei, und unsern Antipodibus, verwundert' er sich trefflich und traktierte mich mit lauter Veltliner und Etsch-Wein; er hatte selbst Rom, Venedig, Ragusa, Konstantinopel und Alexandriam gesehen; als derowegen ich ihm viel Wahrzeichen und Gebräuch von solchen Örtern zu sagen wußte, glaubte er mir auch was ich ihm von ferneren Ländern und Städten aufschnitt, denn ich regulierte mich nach Samuels von Golau Reimen, wenn er spricht:
Und da ich sah daß es mir so wohl gelang, kam ich mit meiner Erzählung fast in der ganzen Welt herum; da war ich selbst in des Plinii dickem Wald gewesen, welchen man bisweilen bei den Aquis Cutiliis antreffe, denselben aber hernach, wenn man ihn mit höchstem Fleiß suche, gleichwohl weder bei Tag noch Nacht mehr finden könne; ich hatte selbst von dem lieblichen Wundergewächs Borametz in der Tartarei gessen, und wiewohl ich dasselbe mein Tage nicht gesehen, so konnte ich jedoch meinem Wirt von dessen anmutigem Geschmack dermaßen diskurieren, daß ihm das Maul wässerig davon wurde; ich sagte, es hat ein Fleischlein wie ein Krebs, das hat ein Farb wie ein Rubin oder roter Pfirsich, und einen Geruch der sich beides den Melonen und Pomeranzen vergleicht; benebens erzählte ich ihm auch in was Schlachten, Scharmützeln und Belagerungen ich mein Tage gewesen wär, log aber auch etwas mehrers dazu, weil
Ich erwachte viel früher als die Hausgenossen selbst, konnte aber drum nicht aus der Kammer kommen, eine Last abzulegen, die zwar nicht groß, aber doch sehr beschwerlich war, sie über die bestimmte Zeit zu tragen; fand mich aber hinter einer Tapezerei mit einem hierzu bestimmten Ort, welchen etliche eine Kanzlei zu nennen pflegen, viel besser versehen, als ich in solcher Not hätt hoffen dürfen; daselbst hinsetzte ich mich eilends zu Gericht, und bedachte wie weit meine edle Wildnis dieser wohlgezierten Kammer vorzuziehen wäre, als in welcher beides Fremd und Heimisch an jeden Orten und Enden ohne Erduldung einer solchen Angst und Drangsal, die ich dazumal überstanden hatte, stracks niederhocken könnte; nach Erörterung der Sach, als ich eben an des Baldanders Lehr und Kunst gedachte, langte ich aus einem neben mir hangenden Garvier ein Oktav von einem Bogen Papier, an demselbigen zu exequieren wozu es, neben andern mehr seiner Kameraden, kondemniert und daselbst gefangen war. »Ach!« sagte dasselbige, »so muß ich denn nun auch für meine treu geleisten Dienste und lange Zeit überstandenen vielfältigen Peinigungen, zugenötigten Gefahren, Arbeiten, Ängste, Elend und Jammer, nun erst den allgemeinen Dank der ungetreuen Welt erfahren und einnehmen? ach warum hat mich nit gleich in meiner Jugend ein Fink oder Goll aufgefressen, und alsobald Dreck aus mir gemacht, so hätte ich doch meiner Mutter der Erden gleich wiederum dienen, und durch meine angeborne Feistigkeit ihro ein liebliches Waldblümlein oder Kräutlein hervorbringen helfen können, ehe daß ich einem solchen Landfahrer den Hintern hätt wischen, und meinen endlichen Untergang im Scheißhaus nehmen müssen; oder warum werde ich nicht in eines Königs von Frankreich Sekret gebraucht, dem der von Navarra den
Hierauf antwortet' das Schermesser: »Meine Voreltern sind erstlich nach Plinii Zeugnis lib. 20 cap. 97 in einem Wald, da sie auf ihrem eignen Erdreich in erster Freiheit wohnten und ihr Geschlecht ausbreiteten, gefunden, in menschliche Dienste als ein wildes Gewächs gezwungen und namentlich Hanf genannt wor den; von denselbigen bin ich zu Zeiten Wenceslai in dem Dorf Goldscheur als ein Samen entsprossen und erzielt, von welchem Ort man sagt, daß der beste Hanfsamen in der Welt wachse; daselbst nahm mich mein Erzieler von den Stengeln meiner Eltern, und verkaufte mich gegen den Frühling einem Krämer, der mich unter andern fremden Hanfsamen mischte und mit uns schacherte; derselbe Krämer gab mich folgends einem Bauren in der Nachbarschaft zu kaufen, und gewann an jedem Sester einen halben Goldgulden, weil wir unversehens aufschlugen und teuer wurden; war also gemeldter Krämer der zweite so an mir gewann, weil mein Erzieler der mich anfänglich verkaufte, den ersten Gewinn schon hinweghatte; der Bauer aber so mich vom Krämer erhandelt, warf mich in einen wohlgebauten fruchtbaren Acker, allwo ich im Gestank des Roß- Schwein- Kühe- und andern Mists vermodern und ersterben mußte; doch brachte ich aus mir selbsten einen hohen stolzen Hanfstengel hervor, in welchen
Damit wars aber noch lang nit genug, sondern unser Leiden und der Menschen Tyrannei fing erst an; aus uns, einem namhaften Gewächs! ein pures Menschengedicht (wie etliche das liebe Bier nennen) zu verkünsteln; denn man schleppte uns in eine tiefe Gruben, packte uns übereinander und beschwerte uns dermaßen mit Steinen, gleichsam als wenn wir in einer Preß gesteckt wären; und hiervon kam der vierte Gewinn denjenigen zu, die solche Arbeit verrichteten; folgends ließ man die Gruben voll Wasser laufen, also daß wir überall überschwemmt würden, gleichsam als ob man uns erst hätte ertränken wollen, unangesehen allbereit schwache Kräfte mehr bei uns waren; in solcher Presse ließ man uns sitzen bis die Zierde unserer ohnedas bereits verwelkten Blätter folgends verfaulte, und wir selbst beinahe erstickten und verdarben. Alsdann ließ man erst das Wasser wieder ablaufen, trug uns aus, und setzte uns
Wir gedachten, nunmehr könnte nichts mehr ersonnen werden, uns ärger zu peinigen, vornehmlich weil wir dergestalt voneinander separiert, und hingegen doch miteinander
Obige Materia wird kontinuiert und das Urteil exequiert
»Den nächsten Markttag trug mich mein Herr in ein Zimmer, welches man eine Faßkammer nennet, wurde ich geschauet, für gerechte Kaufmannswar erkannt und abgewogen, folgends einem Vorkäufler verhandelt, verzollt, auf einen Wagen verdingt, nach Straßburg geführt, ins Kaufhaus geliefert, abermals geschauet, für gut erkannt, verzollt und einem Kaufherrn verkauft, welcher mich durch die Karchelzieher nach Haus führen und in ein sauber Zimmer aufheben ließ; bei welchem Actu mein gewesener Herr, der Hänfer, den zehenten, der Hanf-Schauer den elften, der Wäger den zwölften, der Zöllner den dreizehnten, der Vorkäufler den vierzehnten, der Fuhrmann den fünfzehnten, das Kaufhaus den sechzehnten und die Karchelzieher, die mich dem Kaufmann heimführten, den siebzehnten Gewinn bekamen, dieselben nahmen auch mit ihrem Lohn den achtzehnten Gewinn hin, da sie mich auf ihren Karchen zu Schiff brachten, auf welchem ich den Rhein hinunter bis nach Zwolle gebracht wurde, und ist mir unmöglich alles zu erzählen, wer alls unterwegs sein Gebühr an Zöllen und an deren und also auch einen Gewinn von meinetwegen empfangen, denn ich war dergestalt eingepackt, daß ichs nicht wissen konnte.
Zu Zwolle genoß ich wiederum ein kurze Ruhe, denn ich wurde daselbsten von der mittlern oder engländischen War ausgesondert, wiederum von neuem anatomiert und gemartert, in der Mitten voneinander gerissen, geklopft und gehechelt, bis ich so rein und zart wurde, daß man wohl reiner Ding als Klosterzwirn aus mir hätt spinnen mögen; danach wurde ich nach Amsterdam gefertigt, alldorten gekauft und verkauft und dem weiblichen Geschlecht übergeben, welche mich auch zu zartem Garn machten, und mich unter solcher Arbeit gleichsam all Augenblick küßten und leckten; also daß ich mir einbilden mußte, alles mein Leiden würde dermaleins sein Endschaft erreicht haben;
Von obgemeldtem Kaufherren erhandelte mich eine Edelfrau, welche das ganze Stück Tuch zerschnitt und ihrem Gesind zum neuen Jahr verehrete, da wurde derjenige Partikel, davon ich mehrenteils meinen Ursprung hab, der Kammermagd zuteil, welche ein Hemd daraus machte, und trefflich mit mir prangte; da erfuhr ich, daß es nicht alle Jungfern sind die man so nennet, denn nicht allein der Schreiber sondern auch der Herr selbsten wußten sich bei ihr zu behelfen, weil sie nicht häßlich war; solches hatte aber die Läng keinen Bestand, denn die Frau sah einsmals selbsten, wie ihre Magd ihre Stell vertrat, sie bollert' aber deswegen drum nicht so gar greulich, sondern tat als eine vernünftige Dame, zahlt' ihre Magd aus und gab ihr einen freundlichen Abschied; dem Junkern aber gefiel es nicht beim besten, daß ihm solch Fleisch aus den Zähnen gezogen wurde, sagte derowegen zu seiner Frauen, warum sie diese Magd abschaffe,
Hierauf begab sich meine Jungfer mit ihrer Bagage, darunter ich ihr bestes Hemd war, in ihr Heimat nach Cammerich, und brachte einen ziemlich schweren Beutel mit sich, weil sie vom Herrn und der Frauen ziemlich viel verdienet und solchen ihren Lohn fleißig zusammengespart hatte, daselbst fand sie keine so fette Küchen als sie eine verlassen müssen, aber wohl etliche Buhler die sich in sie vernarreten, und ihr beides zu waschen und zu nähen brachten, weil sie ein Profession daraus machte und sich damit zu ernähren gedachte; unter solchen war ein junger Schnauzhahn dem sie das Seil über die Hörner warf, und sich für ein Jungfer verkaufte; die Hochzeit wurde gehalten; weil aber nach verflossenem Küßmonat genugsam erschien, daß sich beider jungen Eheleute Vermögen und Einkommen nit so weit erstreckte, sie zu unterhalten, wie sie bisher bei ihren Herrn gewohnet gewesen, zumalen eben damal im Land von Luxemburg Mangel an Soldaten erschien; also wurde meiner jungen Frauen Mann ein Kornett, vielleicht deswegen, weil ihm ein anderer den Raum abgehoben, und Hörner aufgesetzt hatte; Damal fing ich an ziemlich dürr und brechhaftig zu werden, derowegen zerschnitt mich meine Frau zu Windeln, weil sie ehestens eines jungen Erben gewärtig war; von demselben Bankert wurde ich nachgehends, als sie genesen, täglich verunreinigt, und ebensooft wieder ausgewaschen, welches uns denn endlich so blöd machte, daß wir hierzu auch nichts mehr taugten, und derowegen von meiner Frauen gar hingeworfen, von der Wirtin im Haus aber (welche gar ein gute Haushälterin war) wieder aufgehoben, ausgewaschen und zu andern dergleichen alten Lumpen auf die obere Bühn gelegt wurden; daselbst mußten wir verharren, bis ein Kerl von Spinal kam, der uns von allen Orten und Enden her versammelt', und mit sich heim in eine Papiermühl führte; daselbst wurden wir etlichen alten Weibern übergeben, die uns gleichsam zu lauter
Dieses Buch nun, worin ich als ein rechtschaffner Bogen Papier auch die Stell zweier Blätter vertrat, liebte der Faktor so hoch, als Alexander Magnus den Homerum; es war sein Virgilius, darin Augustus so fleißig studiert, sein Oppianus darin Antonius Kaisers Severi Sohn so emsig gelesen; seine Commentarii Plinii Junioris, welche Largius Licinius so wert gehalten; sein Tertullianus, den Cyprianus allzeit in Händen gehabt, seine Paedia Cyri, welche sich Scipio so gemein gemacht; sein Philolaus Pythagoricus, daran Plato so großen Wohlgefallen getragen; sein Speusippus, den Aristoteles so hoch geliebt; sein Cornelius Tacitus, der Kaiser Tacitum so höchlich erfreut, sein Comminaeus den Carolus Quintus vor allen Skribenten hochgeachtet, und in summa summarum seine Bibel, darinnen er Tag und Nacht studierte; zwar nicht deswegen, daß die Rechnung aufrichtig und just sein, sondern daß er seine Diebsgriff bemänteln, seine Untreu und Bubenstück bedecken, und alles dergestalt setzen möchte, daß es mit dem Journale übereinstimme.
Ich antwortete: »Weil dein Wachstum und Fortzielung aus Feistigkeit der Erde, welche durch die Excrementa der Animalien erhalten werden muß, ihren Ursprung, Herkommen und Nahrung empfangen, zumalen du auch ohnedas solcher Materi gewohnet, und von solchen Sachen zu reden ein grober Gesell bist, so ist billig daß du wieder zu deinem Ursprung kehrest, wozu dich denn auch dein eigner Herr verdammt hat.« Damit exequierte ich das Urteil; aber das Schermesser sagt': »Gleichwie du jetzunder mit mir prozedierest, also wird auch der Tod mit dir verfahren, wenn er dich nämlich wieder zur Erden machen wird, davon du genommen worden bist; und davor wird dich nichts fristen mögen, wie du mich für diesmal hättest erhalten können.«
Was Simplicius seinem Gastherren für das Nachtlager für eine Kunst gelernet
Ich hatte den Abend zuvor eine Spezifikation verloren aller meiner gewissen Künste, die ich etwa hiebevor geübet und aufgeschrieben hatte, damit ich solche nicht so leichtlich vergessen sollte, es stand aber drum nit dabei, welchergestalt und durch was Mittel solche zu praktizieren; zum Exempel setze ich den Anfang solches Verzeichnis' hieher.
Lunten zuzurichten, daß sie brenne, wenn sie gleich naß wird.
Pulver zuzurichten, daß es nicht brenn, wenn man gleich einen glühenden Stahl hineinsteck, welches den Festungen nützlich, die des gefährlichen Gasts eine große Quantität herbergen müssen.
Menschen oder Vögel allein mit Pulver zu schießen, daß sie ein Zeitlang für tot liegen bleiben, hernach aber ohne allen Schaden wieder aufsehen.
Einem Menschen eine doppelte Stärk ohne Eberswurzel und dergleichen verbotene Sachen zuwege zu bringen.
Wenn man in Ausfällen verhindert wird, dem Feind seine Stück zu vernageln, solche in Eil zuzurichten, daß sie zerspringen müssen.
Einem ein Rohr zu verderben, daß er alles Wildbret damit zu Holz schießt, bis es wiederum mit einer andern gewissen Materi ausgeputzt wird.
Das Schwarze in der Scheiben ehender zu treffen, wenn man das Rohr auf die Achsel legt und der Scheiben den Rücken kehrt, als wenn man gemeinem Gebrauch nach auflegt und anschlägt.
Ein gewisse Kunst, daß dich keine Kugel treffe.
Ein Instrument zuzurichten, vermittelst dessen man, sonderlich bei stiller Nacht, wunderbarlicher Weis alles hören kann, was in unglaublicher Ferne tönet oder geredt wird (so sonst ohnmenschlich und ohnmöglich), den Schildwachten, und sonderlich in den Belagerungen sehr nützlich, etc.«
Solchergestalt waren in besagter Spezifikation viel Künste beschrieben, welche mein Gastherr gefunden und aufgehoben hatte; derowegen trat er selber zu mir in die Kammer, wies mir das Verzeichnis, und fragte, obs wohl möglich sei, daß diese Stück natürlicherweis verrichtet werden könnten; er zwar könnte es schwerlich glauben, doch müsse er gestehen, daß in seiner Jugend, als er sich knabenweis bei dem Feldmarschallen von Schauenburg in Italia aufgehalten,
Ich antwortet: »So weiß ichs auch nicht; aber dies weiß ich gewiß, daß die verzeichneten Künste natürlich und keine Zauberei sind«; und wenn er ja solches nicht glauben wollte, so sollte er mir nur sagen, welche er für die verwunderlichste und ohnmöglichste halte, so wollte ich ihm dieselbige gleich
Wie er nun die Gewißheit dieser natürlichen Kunst gesehen, wollte er kurzum auch wissen, durch was Mittel ein Mensch sich vor den Büchsenkugeln versichern könnte; aber solches ihm zu kommunizieren war mir ungelegen; er setzte mir zu mit Liebkosungen und Verheißungen, ich aber sagte, ich bedürfe weder Geld noch Reichtum; er wandte sich zu Bedrohungen, ich aber antwortet, man müßte die Pilger nach Einsiedeln passieren lassen; er rückte mir vor die Undankbarkeit für empfangne freundliche Bewirtung, hingegen hielt ich ihm vor er hätte bereits genug von mir dafür gelernet; demnach er aber gar nicht von mir
»Das Mittel folgender Schrift behüt, daß dich kein Kugel trifft.
Asa, vitom, rahoremarhi, ahe, menalem renah, oremi, nasiore ene, nahores, ore, eldit, ita, ardes, inabe, ine, nie, nei, alomade, sas, ani, ita, ahe, elime, arnam, asa, locre, rahel, nei, vivet, aroseli, ditan, Veloselas, Herodan, ebi, menises, asa elitira, eve, harsari erida, sacer, elachimai, nei, elerisa.«
Als ich ihm diesen Zettel zustellte, gab er demselbigen auch Glauben, weil es so kauderwelsche Wort waren die niemand verstehet, wie er vermeinete; aber gleichwohl wirkte ich mich solchergestalt von ihm los, und verdiente die Gnad, daß er mir ein paar Taler auf den Weg zur Zehrung mitgeben wollte, aber ich schlug die Annehmung ab, und ließ mich mehr als gern nur mit einem Frühstück abfertigen. Also marschierte ich den Rhein hinunter auf Eglisau zu, unterwegs aber blieb ich sitzen wo der Rhein seinen Fall hat, und mit großen Sausen und Brausen teils seines Wassers gleichsam in Staub verwandelt.
Damals fing ich an zu bedenken, ob ich der Sach nit zu viel getan, indem ich meinen Gastherrn, der mich gleichwohl so freundlich bewirtet, mit Dargebung der Kunst hinters Licht geführt; vielleicht, gedachte ich, wird er diese Schrift und närrischen Wörter künftig seinen Kindern oder sonst seinen Freunden als ein gewisse Sach kommuniziern, die sich alsdann darauf verlassen, in unnötige Gefahr geben, und darüber ins Gras beißen werden, ehe sie zeitig, wer wäre alsdann an ihrem frühen Tod anders schuldig als du? wollte derowegen wiederum zurücklaufen, einen Widerruf
›Das Mittel der folgend Schrift, behüt daß dich kein Kugel trifft.‹
Solches verstehe der Herr recht, und nehme aus jedem unteutschen Wort, als welche weder zauberisch noch sonst von Kräften sind, den mittlern Buchstaben heraus, setze sie der Ordnung nach zusammen so wird es heißen: ›Steh an ein Ordt, da niemant hinscheust, so bistu sicher.‹ Dem folge der Herr, denke meiner zum besten, und bezeihe mich keines Betrugs, womit ich uns beiderseits Gottes Schutz befehle, der allein beschützet welchen er will. Dat. etc.«
Des andern Tags wollte man mich nicht passieren lassen, weil ich kein Geld hatte, den Zoll zu entrichten, mußte derowegen wohl zwo Stund sitzen bleiben bis ein ehrlicher Mann kam, der die Gebühr um Gotteswillen für mich darlegte; dasselbe muß mir aber sonst niemand als ein Henker gewesen sein, denn der Zöllner sagte zu ihm: »Wie dünkt Euch Meister Christian, getrauet Ihr wohl, an diesem Kerl einen zeitlichen Feierabend zu machen?« »Ich weiß nit«, antwortet' Meister Christian, »ich hab meine Kunst noch nie an den Pilgern probiert, wie an Euersgleichen Zöllnern.« Davon kriegte der Zöllner ein lange Nas, ich aber trollte fort Zürch zu; allwo ich auch erst mein Schreiben zurück auf Schaffhausen bestellte, weil mir nit geheur bei der Sach war.
Allerhand Aufschneidereien des Pilgers, die einem auch in einem hitzigen Fieber nicht seltsamer vorkommen können
Damal erfuhr ich, daß einer nit wohl in der Welt fortkommt der kein Geld hat, wenn einer dessen zu seines Lebens Aufenthalt gleich gern entbehren wollte; andere Pilger, die Geld hatten und auch nach Einsiedeln wollten, saßen zu Schiff und ließen sich den See hinauf führen, da hingegen mußte ich durch Umweg zu Fuß forttanzen, keiner andern Ursachen halber, als weil ich den Fergen nit zu bezahlen vermochte; ich ließ mich solches aber mitnichten anfechten, sondern machte desto kürzere Tagreisen, und nahm mit allen Herbergen vorlieb wie sie mir anstanden, und hätte ich auch in einem Beinhäusel übernachten sollen; wenn mich aber irgends ein Vorwitziger meiner Seltsamkeit wegen aufnahm, um etwas Wunderlichs von mir zu hören, so traktierte ich denselben, wie ers haben wollte, und erzählte ihm allerhand Storgen, die ich hin und wieder auf meinen weiten Reisen gesehen, gehört und erfahren zu haben vorgab; schämte mich auch gar nicht, die Einfälle, Lügen und Grillen der alten Skribenten und Poeten vorzubringen, und für eine Wahrheit darzugeben, als wenn ich selbst überall mit und dabei gewesen wäre; exempelsweis: ich hatte ein Geschlecht der pontischen Völker, so Thybii genannt, gesehen, die in einem Aug zween Augäpfel, in dem andern das Bildnis eines Pferds haben, und bewies solches mit Phylarchi Zeugnis; ich war beim Ursprung des Flußes Ganges bei den Astomis gewesen, die weder essen noch Mäuler haben, sondern nach Plinii Zeugnis allein durch die Nase von Geruch sich ernähren; item bei den bithynischen Weibern in Scythia, und den Tribalis in Illyria, die zween Augäpfel in jedem Aug haben, maßen solches Apollonides und Hesigonus bezeugen; ich hatte vor etlichen Jahren mit den Einwohnern des Bergs Myli gute Kundschaft gehabt, welche wie Megasthenes sagt, Füße haben wie die Füchs, und an jedem Fuß acht Zehen; bei den Troglodytis gegen
Also hatte ich auch viel wunderbarliche Brunnen gesehen, als am Ursprung der Weichsel einen, dessen Wasser zu Stein wird, daraus man Häuser bauet; item den Brunnen bei Zepusio in Ungarn, welches Wasser Eisen verzehrt, oder
So hatte ich auch alle namhaften Flüß in der Welt gesehen, als Rhein und Donau in Teutschland, die Elb in Sachsen, die Moldau in Böhmen, den Inn in Bayern, die Wolga in Reußen, die Thems in England, den Tagum in Hispania, den Amphrisum in Thessalia, den Nilum in Ägypten, den Jordan in Judäa, den Hypanim in Scythia, den Bagradam in Afrika, den Gangem in India, Rio de la Plata in Amerika, den Eurotam in Laconia, den Euphratem in Mesopotamia, die Tiber in Italia, den Cidnum in Cilicia, den Acheloum zwischen Aetolia und Acarnania, den Boristhenem in Thracia, und den Sabbaticum in Syria, der nur sechs Tag fließt, und den siebenten verschwindet; item in Sicilia einen Fluß, in welchem nach Aristotelis Zeugnis die erwürgten und erstickten Vögel und Tier wieder lebendig werden; sodann auch den Gallum in Phrygia, welcher nach Ovidii Meinung unsinnig macht, wenn man draus trinkt; ich hatt auch des Plinii Brunnen zu Dodona gesehen, und selbst probiert, daß sich die brennenden Kerzen auslöschen, die ausgelöschten aber anzünden, wenn man solche nur daran hält; so war ich auch bei dem Brunnen zu Apollonia gewesen, des Nymphaei Becher genannt, welcher denen so draus trinken, wie Theopompus meldet, alles Unglück zu verstehen gibt so ihnen noch begegnen wird.
In Summa Summarum ich wußte von seltsamen und verwunderungswürdigen Sachen nit allein etwas daherzulügen, sondern hatte alles selbst mit meinen eignen Augen gesehen, und sollten es auch berühmte Gebäu als die sieben Wunderwerk der Welt, der babylonisch Turm, und dergleichen Sachen gewesen sein, so vor vielen hundert Jahren abgangen; also machte ichs auch, wenn ich von Vögeln, Tieren, Fischen und Erdgewächsen zu reden kam, meinen Beherbergern die solches begehrten die Ohren damit zu krauen, wenn ich aber verständige Leut vor mir hatte, so hieb ich bei weitem nit so weit über die Schnur, und also brachte ich mich nach Einsiedeln, verrichtete dort meine Andacht, und begab mich gegen Bern zu, nicht allein auch dieselbe Stadt zu beschauen, sondern von da durch Savoya nach Italia zu gehen.
Wie es Simplicio in etlichen Nachtherbergen ergangen
Es glückte mir ziemlich auf dem Weg, weil ich treuherzige Leut fand, die mir von ihrem Überfluß beides Herberg und Nahrung gern mitteilten und das um soviel desto lieber, weil sie sahen daß ich nirgends weder Geld fordert noch annahm, wenn man mir gleich ein Angster oder zween geben wollte; in der Stadt sah ich einen noch sehr jungen wohlgeputzten Menschen stehen, um welchen etliche Kinder liefen, die ihn Vater nannten, weswegen ich mich denn verwundern mußte; denn ich wußte noch nicht, daß solche Söhn darum so jung heiraten, damit sie desto ehender Staatspersonen abgeben, und desto früher auf die Präfekturen gesetzt werden möchten; dieser sah mich vor etlichen Türen betteln, und da ich mit einem tiefen Bückling (denn ich konnte keinen Hut vor ihm abziehen, weil ich barhäuptig ging) bei ihm vorüber passieren wollte, ohne daß ich etlicher unverschämten Bettler Brauch nach ihn auf der Gassen angelaufen hätte, griff er in Sack, und sagte: »Ha, warum forderst mir kein Almosen; sieh hier, da hast du auch ein Lutzer.« Ich antwortet: »Herr, ich konnte mir leicht ein bilden daß er kein Brot bei sich trägt, drum hab ich ihn auch nicht bemühet; so trachte ich auch nicht nach Geld, weil den Bettlern solches zu haben nicht gebührt.« Indessen sammelte sich ein Umstand von allerhand Personen, dessen ich denn schon wohl gewohnt war; er aber antwortet' mir: »Du magst mir wohl ein stolzer Bettler sein, wenn du das Geld verschmähest.« »Nein Herr, er belieb mir zu glauben«, sagte ich, »daß ich dasselbe darum verachte damit es mich nicht stolz machen soll.« Er fragte: »Wo willst du aber herbergen, wenn du kein Geld hast?« Ich antwortet: »Wenn mir Gott und gute Leut gönnen, unter diesem Schopf mein Ruhe zu nehmen, die ich jetzt trefflich wohl bedarf, so bin ich schon versorgt und wohl content.« Er sagte: »Wenn ich wüßte, daß du keine Läuse hättest, so wollte ich dich herbergen und in ein gut Bett
Also entrann ich aus meinem Umstand, da man mich mehr gehetzt, als ich beschreibe; kam aber aus dem Fegfeur in die Höll, denn das Wirtshaus stak voller trunkner und toller Leute, die mir mehr Dampfs antaten als ich noch nie auf meiner Pilgerschaft erfahren; jeder wollte wissen wer ich wäre; der eine sagte ich wäre ein Spion oder Kundschafter, der ander sagte ich sei ein Wiedertäufer, der dritte hielt mich für einen Narren, der vierte schätzte mich für einen heiligen Propheten, die allermeisten aber glaubten ich wäre der ewige Jud, davon ich bereits oben Meldung getan, also daß sie mich beinahe dahin brachten aufzuweisen, daß ich nicht beschnitten wär; endlich erbarmt' sich der Wirt über mich, riß mich von ihnen und sagte: »Laßt mir den Mann ungeheiet, ich weiß nicht ob er oder ihr die größten Narren sind«, und damit ließ er mich schlafen führen.
Den folgenden Tag verfügte ich mich vor des jungen Herrn Haus, das versprochen Frühstück zu empfangen; aber der Herr war nicht daheim, doch kam seine Frau mit ihren Kindern herunter, vielleicht meine Seltsamkeit zu sehen,
Da ich nun merkte, daß es mir in den Städten bei weitem nicht so wohl ging als auf dem Land, setzte ich mir vor auch in keine Stadt mehr zu kommen, wenn es anders möglich sein könnte solche umzugehen; also behalf ich mich auf dem Land mit Milch, Käs, Zieger, Butter und etwa ein wenig Brot, das mir der Landmann mitteilete, bis ich beinahe die savoysche Grenzen überschritten hatte; einsmals wandelt ich in selbiger Gegend im Kot daher bis über die Knöchel gegen einen adeligen Sitz, als es eben regnete, als wenn mans mit Kübeln heruntergegossen hätte; da ich mich nun demselbigen adeligen Hause näherte, sah mich zu allem Glück der Schloßherr selbsten, dieser verwundert' sich nicht allein über meinen seltsamen Aufzug, sondern auch über meine Geduld; und weil ich in solchem starken Regenwetter nicht einmal unterzustehen begehrte, ohnangesehen ich daselbst Gelegenheit genug dazu hatte, hielt er mich beinahe für einen puren Narren; doch schickte er einen von seinen Dienern zu mir herunter, nicht weiß ich ob es aus
Ich antwortet: »Mein Freund, sagt Eurem Herrn wiederum, ich sei ein Ball des wandelbaren Glücks; ein Exemplar der Veränderung, und ein Spiegel der Unbeständigkeit des menschlichen Wesens; daß ich aber so im Ungewitter wandele, bedeute nichts anders, als daß mich seit es zu regnen angefangen, noch niemand zur Herberg eingenommen.« Als der Diener solches seinem Herrn wieder hinterbrachte, sagte er: »Dies sind keine Wort eines Narren, zudem ists gegen Nacht, und so elend Wetter daß man keinen Hund hinausjagen sollte«; ließ mich derowegen ins Schloß und in die Gesindstuben führen, allwo ich meine Füße wusch, und meinen Rock wieder trocknete.
Dieser Kavalier hatte einen Kerl, der war sein Schaffner, seiner Kinder Präzeptor und zugleich sein Schreiber, oder wie sie jetzt heißen wollen sein Sekretarius; der examinierte mich, woher, wohin, was Lands und was Stands? ich aber bekannt ihm alles wie mein Sach beschaffen, wo ich nämlich haushäblich, und auch als ein Einsiedler gewohnet und daß ich nunmehr willens wäre, die heiligen Örter hin und wieder zu besuchen, solches alles hinterbrachte er seinem Herrn wiederum, derowegen ließ mich derselbe bei dem Nachtessen an seine Tafel sitzen, da ich nit übel traktiert wurde und auf des Schloßherren Begehren alles wiederholen mußte, was ich zuvor seinem Schreiber von meinem Tun und Wesen erzählt hatte; er fragte auch allen Partikularitäten so genau nach, als wenn er auch dort zu Haus gewesen wäre; und da man mich schlafen führte, ging er selbsten mit dem Diener der mir vorleuchtete, und führte mich in ein solch wohl gerüstes Gemach, daß auch ein Graf darin hätte vorliebnehmen können; über welche allzu große Höflichkeit ich mich verwunderte und mir nichts anders einbilden konnte, als täte solches gegen mich aus lauter Andacht, weil ich meiner Einbildung nach das Ansehen eines gottseligen Pilgers hätte; aber es stak ein ander que dahinter, denn da er
Ich gedachte hin und her und konnte lang nit ersinnen woher mich dieser Herr kennen müßte, oder gekannt haben mochte, daß er mich so eigentlich mit meinem vorigen Namen nannte; aber nach langem Nachdenken fiel mir ein, daß ich einsmals, nachdem mein Freund Herzbruder gestorben, im Saurbrunnen von den Nachtgeistern mit etlichen Kavalieren und Studenten zu reden kommen; unter welchen zween Schweizer, so Gebrüder gewesen, Wunder erzählt, welchergestalt es in ihres Vaters Hause nicht nur bei Nacht sondern auch oft bei Tag rumore, denen ich aber Widerpart gehalten, und mehr als vermessen behauptet, daß derjenige so sich vor Nachtgeistern fürchte, sonst ein feiger Tropf sei; darauf sich der eine aus ihnen weiß angezogen, sich bei Nacht in mein Zimmer praktiziert und angefangen zu rumpeln, der Meinung mich zu ängstigen und alsdann, wenn ich mich entsetzen, und aus Furcht still liegen bleiben würde, mir die Decke zu nehmen, nachgehends aber wenn der Poß solchergestalt abgehe, mich schrecklich zu vexieren und also meine Vermessenheit zu strafen; aber wie dieser anfing zu agieren, also daß ich drüber erwachte, wischte ich aus dem Bette und ertappte ohngefähr eine Karbatsch, kriegte auch gleich den Geist beim Flügel und sagte: »Holla Kerl, wenn die Geister weiß gehen, so pflegen die Mägd wie man sagt, zu Weibern zu werden; aber hier wird der Herr Geist irr sein gangen«, schlug damit tapfer zu, bis er sich endlich von mir entriß und die Tür traf. Da ich nun an diese Histori gedachte, und meines Gastherren letztere Wort betrachtete, konnte ich mir ohnschwer einbilden, was die Glocke geschlagen; ich sagte zu mir selber: »Haben sie von den fürchterlichen Gespenstern in ihres Vaters Haus die Wahrheit gesagt, so liegst du ohn Zweifel
Als es nun um Mitternacht wurde, öffnete sich die Tür, wiewohl ich sie inwendig wohl verriegelt hatte; der erste so hineintrat, war ein ansehnliche gravitätische Person, mit einem langen weißen Bart, auf die antiquitätische Manier mit einem langen Talar von weißem Atlas und güldenen Blumen mit Genet gefüttert bekleidet; ihm folgten drei auch ansehnliche Männer; und indem sie eingingen, wurde auch das ganze Zimmer so hell, als wenn sie Fackeln mit sich gebracht hätten, obwohl ich eigentlich kein Licht oder etwas dergleichen sah; ich steckte die Schnauppe unter die Decke und behielt nichts haußen als die Augen, wie ein erschrockenes und furchtsams Mäuslein das da in seiner Höhle sitzet und aufpasset, zu sehen ob es Bläsi sei oder nicht, hervorzukommen; sie hingegen traten vor mein Bette und beschaueten mich wohl und ich sie hingegen auch; als solches ein gar kleine Weil gewähret hatte, traten sie miteinander in ein Eck des Zimmers, hoben eine steinene Platten auf, damit der Ort besetzt war, und langten dort alle Zugehör heraus, die ein Barbierer zu brauchen pflegt, wenn er jemand den Bart putzet; mit solchen Instrumenten kamen sie wieder zu mir, setzten ein Stuhl in die Mitte des Zimmers, und gaben mit Winken und Deuten zu verstehen, daß ich mich aus dem Bette begeben, auf den Stuhl sitzen, und mich von ihnen barbieren lassen sollte; weil ich aber still liegen blieb, griff der Vornehmste selbst
Wie der Pilger wiederum aus dem Schloß abscheidet
Es war schon ziemlich lang Tag gewesen, als der Schloßherr mit seinem Diener wieder vor mein Bette kam; »Wohl! Herr Simplici«, sagte er, »wie hats Ihm heint nacht zugeschlagen, hat Er keine Karbatsch vonnöten gehabt?« »Nein Monsieur«, antwortet ich, »diese so hierinnen zu wohnen pflegen, brauchtens nicht wie derjenige so mich im Saurbrunnen foppen wollte.« »Wie ists aber abgangen?« fragte er weiters, »fürchtet Er sich noch nicht vor den Geistern?« Ich antwortet: »Daß es ein kurzweilig Ding um die Geister sei, werde ich nimmermehr sagen; daß ich sie darum aber eben fürchte, werde ich nimmermehr gestehen; aber wie es abgangen, bezeuget zum Teil dies verbrannte Leilachen, und ich werde es dem Herrn erzählen, sobald Er mich nur in seinen grünen Saal führet, allwo ich ihm des Prinzipal-Geists, der bisher hierinnen gangen, wahres Conterfeit weisen soll.« Er sah mich mit Verwunderung an, und konnte sich leicht einbilden, daß ich mit den Geistern geredt haben müßte, weil ich nicht allein vom grünen Saal zu sagen wußte, den ich noch nie sonst von jemand hatte nennen hören, sondern auch weil das verbrannte Leilachen solches bezeugte. »So glaubt Er denn nun«, sagte er, »was ich ihm hievor im Saurbrunnen erzählt hab?« Ich antwortet: »Was bedarf ich des Glaubens, wenn ich ein Ding selbst weiß und
Mithin stand ich auf, und wir gingen stracks miteinander dem grünen Saal zu, welches zugleich ein Lustzimmer und Kunstkammer war; unterwegs kam des Schloßherrn Bruder an, den ich im Saurbrunnen karbeitscht hatte, da ihn sein Bruder meinetwegen von seinem Sitz, der etwa zwo Stund von dannen lag, eilends holen lassen; und weil er ein ziemlich mürrisch aussah, besorgte ich mich, er sei etwa auf eine Rach bedacht, doch erzeigte ich im geringsten keine Furcht, sondern als wir in den gedachten Saal kamen, sah ich unter anderen kunstreichen Gemälden und Antiquitäten eben dasjenig Conterfeit, das ich suchte. »Dieser«, sagte ich zu beiden Gebrüdern, »ist euer Urahne gewesen, und hat dem Geschlecht von N. zwei Dörfer als N. und N. unrechtmäßigerweis abgedrungen, welche Dörfer aber jetzunder ihre rechtmäßigen Herrn wieder inhaben; von denselbigen Dörfern hat euer Urahne ein namhaftes Stück Geld erhoben, und bei seinen Lebzeiten in demjenigen Zimmer darinnen ich heint gebüßt, was ich hiebevor im Saurbrunnen mit der Karbeitsch begangen, einmauren lassen, weswegen er denn samt seinen Helfern bishero an hiesigem Hause so schrecklich sich erzeigt«; wollten sie nun daß er zur Ruhe komme und das Haus hinfort geheur sei, so möchten sie das Geld erheben, und anlegen wie sie vermeinten, daß sie es gegen Gott verantworten können, ich zwar wollte ihnen weisen wo es läge, und alsdann in Gottes Namen meinen Weg weiters suchen. Weilen ich nun wegen der Person ihres Urahnen und beider Dörfer die Wahrheit geredet hatte, gedachten sie wohl, ich würde des verborgenen Schatzes halber auch nicht lügen; verfügten sich derowegen mit mir wiederum in mein Schlafzimmer, allwo wir die steinere Platt erhoben, daraus die Geister das Schererzeug genommen und wieder hingesteckt hatten; wir fanden aber anders nichts als zween irdene Hafen, so noch ganz neu schienen,
Ich mußte wohl zwölf Tag des Bettes hüten, und hätte ohne Sterben nicht kränker werden können; ein einziger Aderlaß bekam mir trefflich neben der Gutwartung die ich empfing. Indessen hatten beide Gebrüder ohne mein Wissen einen Goldschmied holen, und die zusammengeschmolzenen Massaten probieren lassen, weil sie sich eines Betrugs besorgten; nachdem sie nun dieselbigen just befunden, zumalen sich kein Gespenst im ganzen Hause mehr merken ließ, wußten sie beinahe nicht zu ersinnen, was sie mir nur für Ehr und Dienst erweisen sollten; ja sie hielten mich allerdings für einen heiligen Mann, dem alle Heimlichkeiten ohnverborgen, und der ihnen von Gott insonderheit zugeschickt worden wäre, ihr Haus wiederum in richtigen Stand zu setzen; derowegen kam der Schloßherr selbst schier nie
In solcher Zeit erzählte mir der Schloßherr ganz offenherzig, daß (als er noch ein junger Knab gewesen) sich ein frevler Landstörzer bei seinem Herrn Vater angemeldet, und versprochen den Geist zu fragen, und dadurch das Haus von solchem Ungeheuer zu entledigen; wie er sich dann auch zu solchem Ende in das Zimmer, darin ich über Nacht liegen müssen, einsperren lassen; da seien aber eben diejenigen Geister in solcher Gestalt, wie ich sie beschrieben hätte, über ihn hergewischet, hätten ihn aus dem Bette gezogen, auf ein Sessel gesetzt, ihn seines Bedünkens gezwackt, geschoren und bei etlichen Stunden dergestalt tribuliert und geängstigt, daß man ihn am Morgen halb tot dort liegend gefunden; es sei ihm auch Bart und Haar dieselbe Nacht ganz grau worden, wiewohl er den Abend als ein dreißigjähriger Mann mit schwarzen Haarn zu Bette gangen sei; gestand mir auch daneben, daß er mich keiner andern Ursachen halber in solches Zimmer gelegt, als seinen Bruder an mir zu revanchieren, und mich glauben zu machen, was er vor etlichen Jahren von diesen Geistern erzählet, und ich nicht glauben wollen; bat mich mithin zugleich um Verzeihung, und obligierte sich die Tag seines Lebens mein getreuer Freund und Diener zu sein.
Als ich nun wiederum allerdings gesund worden, und meinen Weg ferner nehmen wollte, offerierte er mir die Pferd, Kleidung und ein Stück Geld zur Zehrung; weil ich aber alles rund abschlug, wollte er mich auch nicht hinweglassen, mit Bitt, ich wollte ihn doch nicht zum allerundankbarsten Menschen in der Welt machen, sondern aufs wenigst ein Stück Geld mit auf den Weg annehmen, wenn ich je in solchem armseligen Habit meine Wallfahrt zu vollenden bedacht wäre. »Wer weiß«, sagte er, »wo es der Herr bedarf?« Ich mußte lachen, und sagte: »Mein Herr, es gibt mich wunder wie Er mich einen Herrn nennen mag, da Er doch siehet daß ich mit Fleiß ein armer Bettler zu verbleiben suche.« »Wohl«, antwortet' er, »so verbleibe Er denn
Wasmaßen er über das Mare mediterraneum nach Ägypten fährt, und an das Rote Meer verführt wird
Also wandert ich dahin, des Vorsatzes die allerheiligsten und berühmtesten Örter der Welt in solchem armen Stand zu besuchen, denn ich bildete mir ein, daß Gott einen sonderbaren gnädigen Blick auf mich geworfen, ich gedachte er hätte ein Wohlgefallen an meiner Geduld und freiwilligen Armut, und würde mir derowegen wohl durchhelfen, wie ich denn in gemeldtem Schlosse dessen göttliche Hilf und Gnad handgreiflich verspürt und genossen. In meiner ersten Nachtherberg gesellete sich ein Läuferbote zu mir, der vorgab, er sei bedacht ebenden Weg zu gehen, den ich vor mir hätte, nämlich auf Loretten; weilen ich nun den Weg nicht wußte noch die Sprach recht verstand, er aber vorgab, daß er kein sonderlicher schneller Läufer wäre, wurden wir eins, beieinander zu bleiben und einander Gesellschaft
Als er nun sah, daß ich kurzrund seine Beiwohnung nicht mehr haben wollte, sondern mich von ihm wandte, mit Bitt seinen Herren meinetwegen zu grüßen, und ihm nachmalen für alle erzeigten Wohltaten zu danken, nahm er einen traurigen Abschied und sagt': »Nun wohlan denn werter Simplici, ob Ihr zwar jetzt nicht glauben möchtet, wie herzlich gern Euch mein Herr Guts tun möchte, so werdet Ihrs jedoch erfahren, wenn Euch das Futter im Rock zerbricht, oder Ihr denselben sonst ausbessern wollt«;
Ich gedachte: »Was mag der Kerl mit diesen Worten andeuten? ich will ja nimmermehr glauben, daß seinen Herren dies Futter reuen werde; nein Simplici«, sagte ich zu mir selbst, »er hat diesen Boten ein so weiten Weg auf seine Kosten nicht geschickt, mir erst hier aufzurupfen, daß er meinen Rock füttern lassen, es stecket etwas anders dahinter«; wie ich nun den Rock visitierte, befand ich daß er unter die Näht ein Dukaten an den andern hatte nähen lassen, also daß ich ohne mein Wissen ein groß Stück Geld mit mir davongetragen; davon wurde mir mein Gemüt ganz unruhig, also daß ich gewollt, er hätte das Seinig behalten; ich machte allerhand Gedanken, wozu ich solches Geld anlegen und gebrauchen wollte, bald gedachte ichs wieder zurückzutragen, und bald vermeinte ich wieder eine Haushaltung damit anzustellen, oder mir irgendeine Pfründ zu kaufen; aber endlich beschloß ich, durch solche Mittel Jerusalem zu beschauen, welche Reis ohne Geld nicht zu vollbringen.
Demnach begab ich mich den geraden Weg auf Loretten und von dannen nach Rom; als ich mich daselbst ein Zeitlang aufgehalten, meine Andacht verrichtet und Kundschaft zu etlichen Pilgern gemacht hatte, die auch gesinnet waren, das Heilig Land zu beschauen, ging ich mit einem Genueser aus ihnen in sein Vaterland; daselbst sahen wir uns nach Gelegenheit um, über das Mittelländische Meer zu kommen; trafen auch auf geringe Nachfrag gleich ein geladen Schiff an, welches fertig stand mit Kaufmannsgütern nach Alexandriam zu fahren, und nur auf gute Wind wartete; ein wunderlichs, ja göttlichs Ding ist ums Geld bei den Weltmenschen! der Patron oder Schiffherr hätte mich meines elenden Aufzugs halber nit angenommen, wenn ich gleich eine güldene Andacht, und hingegen nur bleiern Geld gehabt hätte, denn da er mich das erstemal sah und hörete, schlug er mein Begehren rund ab; sobald ich ihm aber eine Handvoll Dukaten wies, die zu meiner Reise employiert werden sollen, war der Handel ohn einzigs ferners Bitten bei ihm schon richtig, ohne daß wir uns um den Schifflohn miteinander verglichen; worauf er mich selber
Wir hatten auf der ganzen Fahrt Ungewitters oder widerwärtigen Winds halber keine einzige Gefahr, aber den Meerräubern, die sich etlichemal merken ließen und Mienen machten uns anzugreifen, mußte unser Schiffherr oft entgehen, maßen er wohl wußt, daß er wegen seines Schiffs Geschwindigkeit mehr mit der Flucht als sich zu wehren gewinnen könnte; und also langten wir zu Alexandria an, ehender als sichs alle Seefahrer auf unserem Schiff versehen hatten, welches ich für ein gut Omen hielt, meine Reis glücklich zu vollenden. Ich bezahlte mein Fracht und kehrte bei den Franzosen ein, die alldorten jeweils sich aufzuhalten pflegen, von welchen ich erfuhr, daß für diesmal meine Reis nach Jerusalem fortzusetzen unmöglich sei, indem der türkische Bassa zu Damasco eben damals in armis begriffen und gegen seinen Kaiser rebellisch war, also daß keine Karawane, sie wäre gleich stark oder schwach gewesen, aus Ägypten nach Judäam passieren mögen, sie hätte sich denn freventlich alles zu verlieren in Gefahr geben wollen.
Es war damals eben zu Alexandria, welches ohnedas ein ungesunde Luft zu haben pflegt, eine giftige Contagion eingerissen, weswegen sich viel von da anderwärtlichen hin retirierten, sonderlich europäische Kaufleut so das Sterben mehr fürchten als Türken und Araber; mit einer solchen Compagnia begab ich mich über Land auf Rosseten, einen großen Flecken am Nilo gelegen; daselbst saßen wir zu Schiff und fuhren auf dem Nilo mit völligem Segel aufwärts, bis an ein Ort so ohngefähr ein Stund Wegs von der großen Stadt Alkayr gelegen, auch Alt-Alkayr genannt wird; und nachdem wir allda schier um Mitternacht ausgestiegen, unsere Herbergen genommen und des Tags erwartet, begaben wir uns vollends nach Alkayr, der jetzigen rechten Stadt, in welcher ich gleichsam allerhand Nationen antraf; daselbst gibt es auch ebenso vielerlei seltsame Gewächs als Leute, aber was mir am allerseltsamsten vorkam, war dieses, daß die Einwohner hin und wieder in dazu gemachten
Ich hab zwar niemalen keine so große volkreiche Stadt gesehen, da es wohlfeiler zu zehren als eben an diesem Ort; gleichwie aber nichtsdestoweniger meine übrigen Dukaten nach und nach zusammengingen, wenns schon nit teur war, also konnte ich mir auch leicht die Rechnung machen, daß ich nit erharren würde können, bis sich der Aufruhr des Bassae von Damasco legen, und der Weg sicher werden würde, meinem Vorhaben nach Jerusalem zu besuchen; verhängte derowegen meinen Begierden den Zügel andere Sachen zu beschauen, wozu mich der Vorwitz anreizte; unter andern war jenseit des Nili ein Ort da man die Mumia gräbt, den besichtigt ich etlichmal, item an einem Ort die beiden Pyramides Pharaonis und Rhodope; machte mir auch den Weg dahin so gemein, daß ich fremde Unkennlich' alleinig dahin führn durfte; aber es gelang mir zum letztenmal nit beim besten; denn als ich einsmals mit etlichen zu den ägyptischen Gräbern ging, Mumia zu holen, wobei auch fünf Pyramides stehen, kamen uns einige arabische Räuber auf die Haube, welche der Orten die Straußenfänger zu fangen ausgangen waren; diese kriegten uns bei den Köpfen und führten uns durch Wildnisse und Abweg an das Rote Meer, allwo sie den einen hier den andern dort verkauften.
Der wilde Mann kommt mit großem Glück und vielem Geld wiederum auf freien Fuß
Ich allein blieb übrig, denn als vier vornehmste Räuber sahen, daß die närrischen Leute sich über meinen großmächtigen Schweizer- oder Kapuziner-Bart und langes Haar, dergleichen sie zu sehen nicht gewohnt waren, verwunderten, gedachten sie sich solches zunutz zu machen;
Solchergestalt fuhr ich über das Rote Meer, weil meine vier Herrn den Städten und Marktflecken die beiderseits daran gelegen, nachzogen; diese sammelten mit mir in kurzer Zeit ein großes Geld, bis wir endlich in eine große Handelstadt kamen, allwo ein türkischer Bassa Hof hält, und sich ein Menge Leut von allerhand Nationen aus der ganzen Welt befinden, weil alldorten die indianischen Kaufmannsgüter ausgeladen und von dannen über Land nach Aleppo und Alkayr, von dorten aber fürders auf das Mittelländische Meer geschafft werden; daselbsten gingen zween von meinen Herrn, nachdem sie Erlaubnis von der Obrigkeit bekommen, mit Schalmeien an die vornehmsten Örter der Stadt, und schrien ihrer Gewohnheit nach aus, wer einen wilden Mann sehen wollte, der in der Wüstenei des steinigen Arabiae gefangen worden wäre, der sollte
Als ich nun meiner Ketten, daran mich die Mausköpf wie einen wilden Mann herumgeschleppt, entledigt, mit meinem alten Rock wiederum bekleidet, und mir das Geld, das mir der Bassa zuerkannt, eingehändigt worden, wollte mich einer jeden europäischen Nation Vorsteher oder Resident mit sich heimführen; die Holländer zwar darum, weil sie mich für ihren Landsmann hielten, die übrigen aber, weil ich ihrer Religion zu sein schien; ich bedankte mich gegen alle, vornehmlich aber darum, daß sie mich gesamter Hand so christlich aus meiner zwar närrischen, aber doch gefährlichen Gefangenschaft entledigt hatten; bedachte anbei, wie ich etwa mein Sach anstellen möchte, weil ich nunmehr auch wider meinen Willen und Hoffnung wiederum viel Geld und Freund bekommen hatte.
Simplicius und der Zimmermann kommen mit dem Leben davon, und werden nach dem erlittenen Schiffbruch mit einem eignen Land versehen
Meine Landsleut sprachen mir zu, daß ich mich anders kleiden ließe, und weil ich nichts zu tun hatte, machte ich Kundschaft zu allen Europäern, die mich beides aus christlicher Liebe und meines wunderbarlichen Bezeugnis halber gern um sich hatten und oft zu Gast luden; und demnach sich schlechte Hoffnung erzeigte, daß der damaszenische Krieg in Syria und Judaea bald ein Loch gewinnen würde, damit ich meine Reis nach Jerusalem wiederum vornehmen und vollenden möchte, wurde ich andern Sinns, und entschloß mich, mit einer großen portugiesischen Kracke (so wegfertig stand mit Kaufmannschaft nach Haus zu fahren) nach Portugal zu begeben, und anstatt der Wallfahrt nach Jerusalem St. Jakob zu Compostel zu besuchen, nachgehends aber mich irgends in Ruhe zu setzen, und dasjenige so mir Gott beschert zu verzehren; und damit solches ohne meinen sonderen Kosten (denn sobald ich soviel Geld kriegte, fing ich an zu kargen) beschehen könnte, überkam ich mit dem portugiesischen Oberkaufmann auf dem Schiff, daß er alles mein Geld annehmen, selbigs in seinen Nutzen verwenden, mir aber solches in Portugal wieder zustellen, und interim anstatt Interesse mich auf das Schiff an seine Tafel nehmen, und mit sich nach Haus führen sollte; dahingegen sollte ich mich zu allen Diensten zu Wasser und Land wie es die Gelegenheit und des Schiffs Notdurft erfordern würde, unverdrossen gebrauchen lassen; also machte ich die Zech ohne den Wirt, weil ich nicht wußte, was der liebe Gott mit mir zu verschaffen vorhatte; und nahm ich diese weite und gefährliche Reis um soviel desto begieriger vor, weil die verwichne auf dem Mittelländischen Meer so glücklich abgangen.
Als wir nun zu Schiff gangen, vom Sinu Arabico oder Roten Meer auf den Oceanum kommen und erwünschten
Wir konnten noch nicht wissen, ob wir auf einem bewohnten oder unbewohnten, auf einem festen Land, oder nur auf einer Insel waren; aber das merkten wir gleich, daß es ein trefflicher fruchtbarer Erdboden sein müßte, weil alles vor uns gleichsam so dick wie ein Hanfacker mit Büschen und Bäumen bewachsen war, also daß wir kaum dadurch kommen konnten; als es aber völlig Tag worden, und wir etwa ein Viertelstunde Wegs vom Gestad an durch die Büsche geschloffen waren, und der Orten nicht allein keine einzige Anzeigung einziger menschlichen Wohnung verspüren konnten, sondern noch dazu hin und wieder viel fremde Vögel, die sich gar nichts vor uns scheuten, ja mit den Händen
Als die liebe Sonne nun unsere Kleider wieder getrocknet, zogen wir selbige an, und stiegen auf das felsichte hohe Gebirg, so auf der rechten Hand gegen Mitternacht zwischen dieser Ebne und dem Meer liegt, und sahen uns um; befanden auch gleich, daß wir auf keinen festen Landen sondern nur in dieser Insel waren, welche im Umkreis über anderthalbe Stund Gehens nicht begriff; und weil wir weder nahe noch fern keine Landschaft, sondern nur Wasser und Himmel sahen, wurden wir beide betrübt, und verloren alle Hoffnung inskünftig wiederum Menschen zu sehen; doch tröstete uns hinwiederum, daß uns die Güte Gottes an diesen gleichsam sichern, und allerfruchtbarsten, und nicht an einen solchen Ort gesandt hatte, der etwa unfruchtbar, oder mit Menschenfressern bewohnet gewesen wäre; darauf fingen wir an zu gedenken, was uns zu tun oder zu lassen sein möchte; und weil wir gleichsam wie Gefangne in dieser Insel beieinander leben mußten, schwuren wir einander beständige Treu. Das besagte Gebirg saß und floh nicht allein voller Vögel von unterschiedlichen Geschlechten, sondern es lag auch so voll Nester mit Eiern, daß wir uns nicht genugsam darüber verwundern konnten; wir tranken der Eier etliche aus, und nahmen noch mehr mit uns das Gebirg
Zu solcher neuen Haushaltung hatten wir beide keinen andern Hausrat als eine Axt, einen Löffel, drei Messer, eine Piron oder Gabel, und eine Scher, sonst war nichts vorhanden; mein Kamerad hatte zwar ein Dukat oder dreißig bei sich, welche wir gern für ein Feurzeug gegeben, wenn wir nur eins dafür zu kaufen gewußt hätten; aber sie waren uns nirgends zu nichts nutz, ja weniger wert als mein Pulverhorn, welches noch mit Zündkraut gefüllt; dasselbe dörrete ich (weil es so weich als ein Brei war) an der Sonnen, zettelte davon auf einen Stein, belegte es mit leichtbrennender Materia, deren es von Moos und Baumwoll von den Kokos-Bäumen genugsam gab, strich darauf mit einem Messer durchs Pulver und fing also Feur, welches uns so hoch erfreute, als die Erlösung aus dem Meer; und wenn wir nur Salz, Brot und Geschirr gehabt hätten, unser Getränk hinein zu fassen, so hätten wir uns für die allerglückseligsten Kerl in der Welt geschätzt, obwohl wir vor vierundzwanzig Stunden unter die unglücklichsten gerechnet werden mögen, so gut, getreu und barmherzig ist Gott, dem sei Ehr in Ewigkeit, Amen.
Wir fingen gleich etwas von Geflügel, dessen die Menge bei uns ohne Scheu herumging, rupftens, wuschens, und stecktens an ein hölzernen Spieß; da fing ich an Braten zu wenden, mein Kamerad aber schaffte mir indessen Holz herbei und verfertigte eine Hütte, uns, wenn es vielleicht wieder regnen würde, vor demselben zu beschirmen, weil der indianische Regen gegen Afrika sehr ungesund zu sein pflegt; und was uns an Salz abging, ersetzten wir mit Zitronensaft, unser Speisen geschmacksam zu machen.
Was sie für eine schöne Köchin dingen, und wie sie ihrer mit Gottes Hilf wieder los werden
Dieses war der erste Imbiß, den wir auf unserer Insel einnahmen; und nachdem wir solchen vollbracht, taten wir nichts anders, als dürr Holz zusammensuchen, unser Feur zu unterhalten; wir hätten gern gleich die ganze Insel vollends besichtigt, aber wegen überstandener Abmattung drängte uns der Schlaf, daß wir uns zur Ruhe legen mußten, welche wir auch kontinuierten bis an den lichten Morgen; als wir solchen erlebt, gingen wir dem Bächlein oder Revier nach hinunter, bis an Mund da es sich ins Meer ergießt, und sahen mit höchster Verwunderung, wie sich eine unsägliche Menge Fische in der Größe als mittelmäßige Salmen oder große Karpfen dem süßen Wasser nach ins Flüßlein hinauf zog, also daß es schien, als ob man eine große Herd Schwein mit Gewalt hineingetrieben hätte; und weil wir auch etliche Bonanas und Batatas antrafen so treffliche gute Früchte sind, sagten wir zusammen, wir hätten Schlaraffenland genug (obzwar kein vierfüßig Tier vorhanden) wenn wir nur Gesellschaft hätten, beides die Fruchtbarkeit, als auch die vorhandenen Fisch und Vögel dieser edlen Insel genießen zu helfen; wir konnten aber kein einzig Merkzeichen spüren, daß jemalen Menschen daselbst gewesen wären.
Als wir derowegen anfingen zu beratschlagen, wie wir unser Haushaltung ferner anstellen, und wo wir Geschirr nehmen wollten, sowohl darin zu kochen, als den Wein von Palmen hineinzufangen und seiner Art nach verjähren zu lassen, damit wir ihn recht genießen könnten, und in solchem Gespräch so am Ufer herumspazierten, sahen wir auf der Weite des Meers etwas dahertreiben, welches wir in der Ferne nit erkennen konnten, wiewohl es größer schien als es an sich selbsten war; denn nachdem es sich nähert' und an unserer Insel gestrandet, war es ein halb totes Weibsbild, welches auf einer Kisten lag, und beide Hände in die Handhaben
Darauf trugen wir beide mit großer Mühe und Arbeit die Kiste an denjenigen Ort, den wir uns zur Wohnung auserkoren hatten; daselbsten öffneten wir sie, und fanden so beschaffene Sachen darinnen, die wir zu unserem damaligen Zustand und Behuf unserer Haushaltung nimmermehr anders hätten wünschen mögen; wir packten aus und trockneten solche War an der Sonnen, wozu sich unser neue Köchin gar fleißig und dienstbar erzeigte; folgends fingen wir an Geflügel zu metzgen, zu sieden und zu braten, und indem mein Zimmermann hinging, Palmwein zu gewinnen, stieg ich aufs Gebirg, für uns Eier auszunehmen, solche hart zu sieden, und anstatt des lieben Brots zu brauchen; unterwegs betrachtete ich mit herzlicher Danksagung die großen Gaben und Gnaden Gottes, die uns dessen barmherzige Vorsehung so vatermildiglich mitgeteilt, und ferners zu genießen vor Augen stellete; ich fiel nieder auf das Angesicht und sagte mit ausgestreckten Armen und erhobenem Herzen: »Ach! ach! du allergütigster himmlischer Vater, nun empfinde ich im Werk selbsten, daß du williger bist uns zu geben, als wir von dir zu bitten! ja allerliebster Herr! du hast uns mit dem Überfluß deiner göttlichen Reichtümer ehender und mehrers versehen, als wir armen Kreaturen bedacht waren, im geringsten etwas dergleichen von dir zu begehren; ach getreuer Vater, deiner unaussprechlichen Barmherzigkeit wolle allergnädigst gefallen, uns zu verleihen, daß wir diese deine Gaben und Gnaden nicht anders gebrauchen, als wie es deinem allerheiligsten Willen und Wohlgefallen beliebt, und zu deines großen unaussprechlichen Namens Ehr gereicht, damit wir dich neben allen Auserwählten hie zeitlich und dort ewig, loben, ehren und preisen mögen.« Mit solchen und viel mehr dergleichen Worten, die alle aus dem innersten Grund meiner Seelen ganz herzlich und andächtig daherflossen, ging ich um, bis ich die Notdurft an Eiern hatte, und damit wiederum zu unserer
Indessen ich nun um obige Eier ausgewesen, hatt' mein Kamerad (welcher ein Kerl von etlich wenig und zwanzig Jahren, ich aber über die vierzig Jahr alt gewesen) mit unserer Köchin einen Akkord gemacht, der beides zu seinem und meinem Verderben gereichen sollte; denn nachdem sie sich in meiner Abwesenheit allein befanden, und von alten Geschichten, zugleich aber auch von der Fruchtbarkeit und großen Nutznießung dieser überaus gesegneten, ja mehr als glückseligen Insel miteinander gesprochen, wurden sie so vertraulich, daß sie auch von einer Trauung zwischen ihnen beiden zu reden begannen, von welcher aber die vermeinte Abessinerin nichts hören wollte, es wäre denn Sach, daß mein Kamerad der Zimmermann sich allein zum Herrn der Insel machte und mich aus dem Weg räumte; es wäre, sagte sie, unmöglich, daß sie ein friedsame Ehe miteinander haben können, wenn noch ein Unverheirateter neben ihnen wohnen sollte. »Er bedenke nur selbst«, sagte sie ferner zu meinem Kameraden, »wie Ihn Argwohn und Eifersucht plagen würde, wenn Er mich heiratet, und der Alte täglich mit mir conversiert, obgleich er ihn zum Cornuto zu machen niemal in Sinn nähme; zwar weiß ich einen besseren Rat, wenn ich mich je vermählen, und auf dieser Insel (die wohl tausend oder mehr Personen ernähren kann) das menschlich Geschlecht vermehren soll; nämlich diesen, daß mich der Alte eheliche; denn wenn solches geschähe, so wäre es nur um ein Jahr oder zwölf oder längst vierzehn zu tun, in welcher Zeit wir etwa eine Tochter miteinander erzeugen werden, Ihm solche, verstehe dem Zimmermann, ehlich beizulegen; alsdann wird Er nicht so bei Jahren sein, als jetzunder der jetzige Alte ist; und würde interim zwischen euch beiden die ohnzweifelige Hoffnung, daß der erste des andern Schwähr-Vater, und der ander des ersten Tochtermann werden sollte, allen bösen Argwohn aus dem Weg tun, und mich aller Gefahr, darin ich anderwärts geraten
Nach solchem Vergleich zeigte sie meinem Kameraden zunächst an unserer Wohnung eine schöne Art Hafnererde, aus welchem sie nach Art der indianisch Weiber so am guineischen Gestad wohnen, schön irden Geschirr zu machen getraute, tat auch allerlei Vorschläg wie sie sich und ihr Geschlecht auf dieser Insel ausbringen, ernähren, und bis in das hundertste Glied ihnen ein geruhigs und vergnügsames Leben verschaffen wollte; da wußte sie nicht genugsam zu rühmen, was sie für Nutzen aus den Kokosbäumen ziehen wollte und aus der Baumwoll so selbige tragen oder hervorbringen, sich und aller ihrer Nachkömmlinge Nachkömmling' mit Kleidungen zu versehen.
Ich armer Stern kam und wußte kein Haar von diesem Schluß und Laugenguß, sondern setzte mich zu genießen, was zugerichtet dastand, sprach auch nach christlichem und hochlöblichem Brauch das Benedicite; sobald ich aber das
Wie sie beide nach der Hand miteinander hausen, und sich in den Handel schicken
Sobald er sich wiederum erkobert hatte und zu seinen sieben Sinnen kommen war, kniete er vor mir nieder, faltete beide Händ und sagte wohl ein halbe Viertelstund nacheinander sonst nichts, als: »Ach Vater! ach Bruder; ach Vater! ach Bruder!« und fing darauf an, mit Wiederholung solcher Wort so inniglich zu weinen, daß er vor Schluchzen kein verständlichs Wort mehr herausbringen konnte; also daß ich mir einbildete, er müßte durch Schrecken und Gestank seines Verstands beraubt worden sein; wie er aber mit solcher Weis nit nachlassen wollte, und mich immerhin um Verzeihung bat, antwortet ich: »Liebster Freund, was soll ich Euch verzeihen, da Ihr mich doch Euer Lebtag niemal beleidigt habt? sagt mir doch nur wie es Euch zu helfen sei?« »Verzeihung«, sagte er, »bitte ich, denn ich hab wider Gott, wider Euch und wider mich selbst gesündigt!« und damit fing er sein vorige Klag wieder an, kontinuierte sie auch so lang, bis ich sagte, ich wüßte nichts Böses von ihm, und dafern er gleichwohl etwas begangen, deswegen er sich ein Gewissen machen möchte, so wollte ichs ihm nicht allein so viel es mich beträfe von Grund meines Herzens verziehen und vergeben haben, sondern auch wenn er sich wider Gott vergriffen, neben ihm dessen Barmherzigkeit um Begnadigung anrufen; auf solche Wort faßte er meine Schenkel in seine Arm, küßte meine Knie, und sah mich so sehnlich und drauf an, daß ich drüber gleichsam erstummete, und nicht wissen oder erraten konnte, was es doch immermehr
Ich tröstete ihn, so gut ich immer konnte, und sagte, Gott hätte vielleicht solches zur Warnung über uns verhängt, damit wir uns künftig vor des Teufels Stricken und Versuchungen desto besser vorsehen, und in steter Gottesfurcht leben sollten; er hätte zwar Ursach, seiner bösen Einwilligung halber Gott herzlich um Verzeihung zu bitten, aber noch ein größere Schuldigkeit sei es, daß er ihm um seine Güte und Barmherzigkeit danke, indem er ihn so väterlich aus des leidigen Satans List und Fallstrick gerissen, und ihn vor seinem zeitlichen und ewigen Fall behütet hätte; es würde uns vonnöten sein vorsichtiger zu wandeln, als wenn wir mitten in der Welt unter dem Volk wohneten; denn sollte einer oder der ander oder wir alle beide fallen, so würde niemand vorhanden sein, der uns wiederum aufhülfe, als der liebe Gott, den wir derowegen desto fleißiger vor Augen haben, und ihn ohn Unterlaß um Hilf und Beistand anflehen müßten.
Von solchen und dergleichen Zusprechen wurde er zwar um etwas getröst, er wollte sich aber nichtsdestoweniger nicht allerdings zufrieden geben, sondern bat aufs demütigste, ich wollte ihm doch wegen seines Verbrechens eine Buß auflegen; damit ich nun sein niedergeschlagenes Gemüt nach Möglichkeit wiederum etwas aufrichten möchte, sagte ich, dieweil er ohnedas ein Zimmermann sei, und seine Axt noch im Vorrat hätte, so sollte er an demjenigen Ort, wo sowohl wir als unsere teuflische Köchin gestrandet, am
»Gott dem Allmächtigen zu Ehren und dem Feind des menschlichen Geschlechts zu Verdruß, hat Simon Meron von Lissabon aus Portugal mit Rat und Hilf seines getreuen Freunds Simplici Simplicissimi, eines Hochteutschen, dies Zeichen des Leidens unsers Erlösers aus christlicher Wohlmeinung verfertigt und hieher aufgerichtet.«
Von da an fingen wir an etwas gottseliger zu leben als wir zuvor getan hatten, und damit wir den Sabbat auch heiligen und feiern möchten, schnitt ich anstatt eines Kalenders alle Tag eine Kerb auf ein Stecken und am Sonntag ein Kreuz; alsdann saßen wir zusammen und redeten miteinander von heiligen und göttlichen Sachen; und diese Weise mußte ich gebrauchen, weil ich noch nichts ersonnen hatte, mich damit anstatt Papiers und Tinten zu behelfen, dadurch ich etwas Schriftlichs hätte zu unserer Nachricht aufzeichnen mögen.
Hier muß ich zum Beschluß dieses Kapitels einer artlichen Sach gedenken, die uns den Abend als unser feine Köchin von uns abschied, gewaltig erschreckt' und ängstigte, dern wir die erste Nacht nicht wahrgenommen, weil uns der Schlaf wegen überstandener Abmattung und großer Müdigkeit gleich überwunden; es war aber dieses: Als wir noch vor Augen hatten, durch was für tausend List uns der leidige Teufel in Gestalt der Abessinerin verderben wollen, und
Fernere Folg obiger Erzählung, und wie Simon Meron das Leben samt der Insel quittiert, darin Simplicius allein Herr verbleibt
Dieweil wir nun sahen, daß wir verbleiben mußten wo wir waren, fingen wir auch unsere Haushaltung anders an; mein Kamerad machte von einem schwarzen Holz, welches sich beinahe dem Eisen vergleicht wenn es dürr wird, für uns beide Hauen und Schaufeln, durch welche wir erstlich die obgesetzten drei Kreuz eingruben, zweitens das Meer in Gruben leiteten, da es sich, wie ich zu Alexandria in Ägypten gesehen, in Salz verwandelt', drittens fingen wir an einen lustigen Garten zu machen, weil wir den Müßiggang für den Anfang unsers Verderbens schätzten, viertens gruben wir das Bächlein ab, also daß wir dasselbe nach unserm Belieben anderwärts hinwenden, den alten Fluß ganz trocken legen, und Fisch und Krebs so viel wir wollten
Also lebten wir, wie obgemeldet, als die ersten Menschen in der güldenen Zeit, da der gütige Himmel denselbigen ohne einzige Arbeit alles Guts aus der Erden hervorwachsen lassen; gleichwie aber in dieser Welt kein Leben so süß und glückselig ist, das nit bisweilen mit Gall des Leidens verbittert werde, also geschah uns auch; denn um wie viel sich täglich unser Küch und Keller besserte, um so viel wurden unsere Kleidungen von Tag zu Tag je länger je blöder, bis sie uns endlich gar an den Leibern verfaulten; das beste für uns war dieses, daß wir bishero noch niemal keinen Winter, ja nicht die geringste Kälte inneworden, wiewohl wir damal als wir anfingen nackend zu werden, meinen Kerbhölzern nach bereits über anderthalbe Jahr auf dieser Insel zugebracht, sondern es war jederzeit Wetter wie es bei den Europäern in Mai und Junio zu sein pflegt, außer daß es ungefähr im Augusto und etwas Zeit zuvor gewaltig stark zu regnen und zu wittern pflegt', so wird auch allhier von einem Solstitio zum andern Tag und Nacht nicht wohl über fünf Viertelstund länger oder kürzer, als das andermal. Wiewohl wir nun allein uns auf der Insel befanden, so wollten wir doch nicht wie das unvernünftige Vieh nackend, sondern als ehrliche Christen aus Europa bekleidet gehen; hätten wir nun vierfüßige Tier gehabt, so wäre uns schon geholfen gewesen, ihre Bälg zu Kleidung anzuwenden; in Mangel derselbigen aber zogen wir dem großen Geflügel, als den Walchen und Pinguins die Häut ab und machten uns Niederkleider draus, weil wir sie aber aus Mangel der Instrumente und zugehörigen Materialien nicht recht auf die Daur bereiten konnten, wurden sie hart, unbequem und zerstoben uns vom Leib hinweg, ehe wir uns dessen versahen; die Kokos-Bäume trugen uns zwar Baumwoll genug, wir konnten sie aber weder weben noch spinnen, aber mein Kamerad, welcher etliche Jahr in Indien gewesen, wies mir an den Blättern vorne an den Spitzen ein Ding wie ein scharfer Dorn, wenn man selbiges abbricht und am Grat des Blatts hinzieht, gleichsam wie man mit den Bohnenschalen, Phaseoli genannt, umgehet, wenn man selbige von
Indem wir nun so miteinander hausten, und unser Sach so weit gebracht, daß wir keine Ursach mehr hatten, uns über einige Arbeitseligkeit, Abgang, Mangel oder Trübsal zu beschwern, zechte mein Kamerad im Palmwein immerhin täglich fort wie ers angefangen, und nunmehr gewohnt hatte, bis er endlich Lung und Leber entzündete und ehe ich michs recht versah, mich, die Insel und den Vin de Palm durch einen frühzeitigen Tod zugleich quittierte; ich begrub ihn so gut als ich konnte, und indem ich des menschlichen Wesens Unbeständigkeit und anders mehr betrachtete, machte ich ihm folgende Grabschrift:
Also wurde ich allein ein Herr der ganzen Insel, und fing wiederum ein einsiedlerisches Leben an, wozu ich denn nit allein mehr als genugsame Gelegenheit, sondern auch ein steifen Willen und Vorsatz hatte; ich machte mir die Güter und Gaben dieses Orts zwar wohl zunutz, mit herzlicher Danksagung gegen Gott, als dessen Güte und Allmacht allein mir solche so reichlich bescheret hatte; befliß mich aber daneben, daß ich deren Überfluß nicht mißbrauchte. Ich wünschte oft daß ehrliche Christenmenschen bei mir wären, die anderwärts Armut und Mangel leiden müssen, sich der gegenwärtigen Gaben Gottes zu gebrauchen; weil ich aber wohl wußte, daß Gott dem Allmächtigen mehr als möglich (dafern es anders sein göttlicher Will wär), mehr Menschen
Der Monachus beschließt seine Histori und macht diesen sechs Büchern das Ende
Mein Kamerad war noch keine Woch tot gewesen, als ich ein Ungeheur um meine Wohnung herum vermerkte. »Nun wohlan«, gedachte ich, »Simplici du bist allein, sollt dich nicht der böse Geist zu vexiern unterstehen? vermeinest du nicht, dieser Schadefroh werde dir dein Leben saur machen; was fragst du aber nach ihm, wenn du Gott zum Freunde hast? du mußt nur etwas haben das dich übet, denn sonst würde dich Müßiggang und Überfluß zu Fall stürzen; hast du doch ohne diesen sonst niemand zum Feind als dich selbsten und dieser Insel Überfluß und Lustbarkeit, drum mach dich nur gefaßt zu streiten, mit demjenigen der sich am allerstärksten zu sein bedünkt; wird derselbige durch Gottes Hilf überwunden, so würdest du ja, ob Gott will, vermittelst dessen Gnad auch dein eigner Meister verbleiben.«
Mit solchen Gedanken ging ich ein paar Tag um, welche mich um ein ziemlichs besserten und andächtig machten; weil ich mich einer Rencontra versah, die ich ohnzweifel mit dem bösen Geist ausstehen müßte, aber ich betrog mich für diesmal selbsten; denn als ich an einem Abend abermal etwas vermerkte, das sich hören ließ, ging ich vor meine Hütte, welche zunächst an einem Felsen des Gebirgs stand, worunter die Hauptquell des süßen Wassers, das vom Gebirg durch diese Insel ins Meer rinnet; da sah ich meinen Kameraden an der steinen Wand stehen, wie er mit den Fingern in deren Spalt grübelte; ich erschrack, wie leicht zu gedenken, doch faßte ich stracks wieder ein Herz, befahl
Damit mich nun dieselbigen desto weniger mit Sünden beflecken sollten, befliß ich mich nit allein auszuschlagen, was nichts taugte, sondern ich gab mir selbst alle Tag ein leibliche Arbeit auf, solche neben dem gewöhnlichen Gebet zu verrichten; denn gleichwie der Mensch zur Arbeit wie der Vogel zum Fliegen geboren ist, also verursacht hingegen der Müßiggang beides der Seelen und dem Leib ihre Krankheiten, und zuletzt wenn mans am wenigsten wahrnimmt, das endlich Verderben; derowegen pflanzte ich einen Garten, dessen ich doch weniger als der Wagen des fünften Rads bedurfte, weilen die ganze Insel nichts anders
RELATION JOAN CORNELISSEN VON HARLEM
eines Holländischen Schiff-Capitains an
German Schleiffheim von Sulsfort,
seinen guten Freund, vom
Simplicissimo
Ioan Cornelissen ein holländischer Schiff-Kapitän kommt auf die Insel, und macht mit seiner Relation diesem Buch einen Anhang
Es weiß sich ohnzweifel Derselbe noch wohl zu erinnern, wasmaßen ich bei unserer Abreis versprochen, Ihm die allergrößte Rarität mitzubringen, die mir in ganz India, oder auf unserer Reis zustehe; nun habe ich zwar etliche seltsamen Meer- und Erdgewächs gesammelt, damit der Herr wohl sein Kunstkammer zieren mag; aber was mich am allermehresten verwunderungs- und aufhebenswert zu sein bedünket, ist gegenwärtiges Buch, welches ein hochteutscher Mann in einer Insel gleichsam mitten im Meer allein wohnhaftig, wegen Mangel Papiers aus Palmblättern gemacht und seinen ganzen Lebenslauf darin beschrieben; wie mir aber solches Buch zuhanden kommen, auch was besagter Teutscher für ein Mann sei, und was er für ein Leben führe, muß ich dem Herrn ein wenig ausführlich erzählen, ob er zwar selbst solches in gemeldtem seinem Buche ziemlichermaßen an Tag gegeben.
Als wir in den molukkischen Inseln unsere Ladung völlig bekommen, und unsern Lauf gegen das Caput bonae Esperanzae zu nahmen, spüreten wir daß sich unsere Heimreise nicht beschleunigen wollte, wie wir wohl anfangs gehofft, da die Winde mehrenteils contrari und so variabel gingen, daß wir lang umgetrieben und aufgehalten wurden; wessentwegen denn alle Schiff aus der Armada merklich viel Kranke bekamen; unser Admiral tat ein Schuß,
In solchem Umschweifen und schlechten Zustand, in dem es sich mit den Kranken ärgert' und ihrer täglich mehr wurden, sahen wir gegen Osten weit im Meer hinein unsers Bedünkens einen einzigen Felsen liegen, dahin richteten wir unseren Lauf, der Hoffnung, etwa ein Land der Enden anzutreffen, wiewohl wir nichts dergleichen in unseren Mappen angezeigt fanden, so der Enden gelegen; da wir uns nun demselben Felsen auf der mittnächtigen Seiten näherten, schätzten wir dem Ansehen nach daß es ein steinichtigs hohes unfruchtbares Gebirg sein müßte, welches so einzig im Meer läge, daß auch an derselben Seiten zu besteigen oder daran anzulanden unmöglich schien; doch empfanden wir am Geruch, daß wir nahe an einem guten Geländ sein müßten, bemeldtes Gebirg saß und floh voller Vögel, und indem wir dieselben betrachteten, wurden wir auf den höchsten Gipfeln zweier Kreuz gewahr, daran wir wohl abnehmen konnten, daß solche durch menschliche Händ aufgerichtet worden, und dannenhero das Gebirg wohl zu besteigen wäre; derowegen schifften wir oft hinum und
Diese kamen bald wieder und brachten einen großen Überfluß von allerhand Früchten, als Zitronen, Pomeranzen, Kokos, Bonanes, Batates, und was uns zum höchsten erfreute, auch die Zeitung mit sich, daß trefflich gut Trinkwasser auf der Insel zu bekommen; item, ob sie zwar einen Hochteutschen auf der Insel angetroffen, der allem Ansehen nach sich schon lange Zeit allda befunden, so laufe jedoch der Ort so voller Geflügel, die sich mit den Händen fangen lassen, daß sie den Nachen voll zu bekommen und mit Stecken totzuschlagen getraut hätten; von gemeldtem Teutschen glaubten sie, daß er irgends auf einem Schiff ein Übeltat begangen, und dannenhero zur Straf auf diese Insel gesetzt worden; welches wir denn auch dafür hielten; überdas sagten sie für gewiß, daß der Kerl nicht bei sich selbst, sondern ein purer Narr sein müßte, als von welchem sie keine einzige richtige Red und Antwort haben mögen.
Gleichwie nun durch diese Zeitung das ganze Schiffsvolk, insonderheit aber die Kranken herzlich erfreut wurden, also verlangt' auch jedermann aufs Land, sich wiederum zu erquicken; ich schickte derowegen einen Nachen voll nach dem andern hin, nit allein den Kranken ihre Gesundheit wieder zu erholen, sondern auch das Schiff mit frischem Wasser zu versehen, welches uns beides not war; also daß wir mehrenteils auf die Insel kamen; da fanden wir mehr ein irdisch Paradeis als einen öden unbekannten Ort! ich vermerkte auch gleich, daß bemeldter Teutscher kein solcher Tor sein müßte, viel weniger ein Übeltäter, wie die Unserigen anfangs dafür gehalten; denn alle Bäum, die von Art eine glatte Rinden trugen, hatte er mit biblischen und anderen schönen Sprüchen gezeichnet, seinen christlichen Geist dadurch aufzumuntern, und das Gemüt zu Gott zu erheben;
Denn er, der Siechentröster, welcher ein überaus gelehrter Mann war, sagte: »So weit kommt ein Mensch auf dieser Welt und nicht höher, es wolle ihm denn Gott das höchste Gut aus Gnaden mehr offenbaren.«
Indessen durchstrich meine gesunde Schiff-Bursch die ganze Insel, allerhand Erfrischungen für sich und die Kranken zusammenzubringen und bemeldten Teutschen zu suchen,
Die Holländer empfinden ein possierliche Veränderung, als sich Simplicius in seiner Festung enthielt
Als mir nun unsere Leut von dieser ihrer vergeblichen Arbeit Relation taten, und ich selber hingehen wollte, den Ort zu besichtigen, und zu sehen, was etwa zu tun sein möchte, damit wir den besagten Teutschen zur Hand bringen könnten, erregte sich nicht allein ein grausames Erdbidem, daß meine Leut vermeinten die ganze Insel würde all Augenblick untergehen, sondern ich wurde auch eiligst zum Schiffvolk berufen, welche sich mehrenteils so viel deren auf dem Land waren, in einem fast wunderlichen und sehr sorgsamen Zustand befanden; denn da stand einer mit bloßem Degen vor einem Baum, focht mit demselbigen und gab vor, er hätte den allergrößten Riesen zu bestreiten; an einem andern Ort sah einer mit fröhlichem Angesicht gen Himmel, und zeigte den andern für eine gründliche Wahrheit an, er sehe Gott und das ganze himmlische Heer in der himmlischen Freud beisammen; hingegen sah ein anderer auf den Erdboden, mit Furcht und Zittern, vorgebend, er sehe in vor sich habender schrecklicher Gruben den leidigen Teufel samt seinem Anhang, die wie in einem Abgrund herumwimmelten; ein anderer hatte ein Prügel
Unser Siechentröster, der ein sanftmütiger frommer Mann war, und etliche andere hielten dafür, der oft berührte Teutsche, den die Unserigen anfänglich auf der Insel angetroffen, müßte ein heiliger Mann, und Gottes wohlgefälliger Diener und Freund sein; weswegen wir denn, weil ihm die Unserigen mit Abhauung der Bäume, Erösung der Früchte und Totschlagung des Geflügels seine Wohnung ruinierten, mit solcher Straf vom Himmel herab belegt würden; hingegen
Da wir nun so in der finsteren Höhlen standen, und wußten nicht wo aus noch ein, maßen jeder nichts anders tat, als daß er lamentierte, hörten wir noch weit von uns den Teutschen uns folgendergestalt aus der finstern Höhle zuschreien: »Ihr Herrn«, sagte er, »was bemühet ihr euch umsonst zu mir oder sonst hereinzukommen? sehet ihr denn nicht, daß es eine pure Unmöglichkeit ist? wenn ihr euch mit den Erfrischungen, die euch Gott auf dem Land bescheret, nicht vergnügen lassen, sondern an mir, einem nackenden armen Mann, der nichts als das Leben hat, reich werden wollet, so versichere ich euch, daß ihr leer Stroh dreschet; darum bitte ich euch um Christi unsers Erlösers
Hierauf kriegten wir zur Antwort, er hätte gestern zwar wohl vernommen, wie wir gegen ihn gesinnet wären; doch wollt er dem Gesetz unsers Heilands zufolg Böses mit Gutem bezahlen, und uns nicht verhalten, wie den Unserigen wieder von ihrem unsinnigen Wahnwitz zu helfen sei; wir sollten, sagte er, diejenigen so mit solchem Zustand behaftet wären, nur von den Pflaumen, darin sie ihren Verstand verfressen, die Kernen essen lassen, so würde es sich mit allen in einem Augenblick wieder bessern, welches wir ohne seinen Rat an den Pfirsichen hätten abnehmen sollen, als an welchen die hitzigen Kern, wenn man sie mitgenieße, die schädliche Kälte des Pfirsichs selbst hintertreiben; dafern wir auch vielleicht die Bäum so solche Pflaumen trügen, nicht kennen würden, so sollten wir nur Achtung geben, an welchem geschrieben stünde:
Durch diese Antwort und des Teutschen erste Red konnten
Nachdem Simplicius mit seinen Belagerern akkordiert, kommen seine Gäst wieder zu ihrer Vernunft
Nach Vernehmung dieser Meinung wäre uns der Teutsche zwar wohl gesessen gewesen, wenn wir nur wieder aus seiner Höhlen hätten kommen können; aber solches war uns unmöglich; denn gleich wie wirs ohne Licht nicht vermochten, also durften wir auch auf keine Hilf von den Unserigen hoffen, welche auf der Insel in ihrer Tollerei noch herumraseten. Derowegen standen wir in großen Ängsten, und suchten die allerbesten Wort hervor, den Teutschen zu persuadiern, daß er uns aus der Höhlen helfen sollte, welche er aber alle nichts achtete, bis wir endlich (nachdem wir ihm unseren und der Unserigen Zustand gar beweglich zu Gemüt geführt, er auch selbst ermaß, daß kein Teil dem andern von uns ohne seinen Beistand nicht helfen würde können) vor Gott dem Allmächtigen protestierten, daß er uns aus Hartnäckigkeit sterben und verderben ließe, und daß er dessentwegen am Jüngsten Gericht würde Rechenschaft geben müssen; mit dem Anhang, wollte er uns nicht lebendig aus der Höhlen helfen, so müßte er uns doch endlich wenn wir darin verdorben und gestorben wären tot herausschleppen; wie er denn auch besorglich auf der Insel Tote genug finden würde, die ewig Rach über ihn zu schreien Ursach hätten, um willen er ihnen nicht zu Hilf kommen, ehe sie einander vielleicht, wie zu fürchten, in ihrem unsinnigen Zustand selbsten entleibten; durch dies Zusprechen erlangten wir endlich, daß er uns versprach aus der Höhlen zu führen, jedoch mußten wir ihm zuvor folgende fünf Punkte wahr, stet, fest und unzerbrüchlich zu halten bei christlicher Treu und altteutschem Biedermanns-Glauben versprechen.
Erstlich daß wir diejenigen, so wir anfänglich auf die Insel gesendet, wegen dessen damit sie sich gegen ihn vergriffen, weder mit Worten noch Werken nicht strafen sollten; zweitens daß hingegen auch vergessen, tot und ab sein
Als er nun nach einer halben Stund (denn so lange Zeit mußte er mit Auf- und Absteigen zubringen, ehe er zu uns kommen konnte) bei uns anlangte, gab er jedem nach teutschem Gebrauch die Hand, hieß uns freundlich willkommen, und bat wir wollten ihm verzeihen, daß er aus Mißtrauen so lang verzogen hätte, uns wieder an Tageslicht zu bringen; reichte darauf jedem eins von seinen Lichtern, welches aber keine Edelgestein, sondern schwarze Käfer waren in der Größe als die Schröter in Teutschland, diese hatten unten am Hals einen weißen Flecken so groß als ein Pfennig, der leuchtete in der Finstere viel heller als ein Kerze, maßen wir durch diese wunderbarlichen Lichter mit
Dieser war ein langer starker wohl proportionierter Mann mit geraden Gliedern, lebhafter schöner Farb, korallenroten Lefzen, lieblichen schwarzen Augen, sehr heller Stimm, und einem langen schwarzen Haar und Bart hie und da mit sehr wenigen grauen Haaren besprengt, die Haupthaar hingen ihm bis über die Hüfte, und der Bart bis über den Nabel hinunter; um die Scham hatte er einen Schurz von Palmblättern und auf dem Haupt einen breiten Hut aus Binsen geflochten, und mit Gummi überzogen, der ihn wie ein Parasol, beides vor Regen und Sonnenschein beschützen konnte; und im übrigen sah er beinahe aus, wie die Papisten ihren Sanctum Onoffrium abzumalen pflegen. Er wollte in der Höhlen mit uns nit reden, aber sobald er herauskam, sagte er uns die Ursach, nämlich daß sie die Art an sich: wenn man darin ein groß Getös hätte, daß alsdann die ganze Insel davon erschüttere, und ein solches Erdbidem erzeige, daß diejenigen so darauf seien, vermeinen sie würde untergehen, so er bei Lebzeiten seines Kameraden vielmal probiert hätte, welches uns erinnerte an dasjenige Loch in der Erden ohnweit der Stadt Wiborg in Finnland, davon Johann Rauhe in seiner Cosmographia am 22. Kap. schreibet; er verwies uns daneben, daß wir uns so freventlich hineinbegeben, und erzählte zugleich, daß er und sein Kamerad wohl ein ganz Jahr zugebracht, ehe sie sich des Wegs hinein erkundigt, welches ihnen aber gleichwohl ohne gedachte Käfer, weil sonst alle Feur darin auslöschen, in vielen Jahren nimmermehr möglich gewesen wäre. Mithin näherten wir uns zu seiner Hütten, die hatten die Unserigen spoliert und allerdings ruiniert, welches mich heftig verdroß, er aber sah sie kaltsinnig an, und tat nicht dergleichen, daß ihm ein Leid dadurch widerfahren wäre; doch tröstet' er mich, mit Entschuldigung, daß solches wider mein Willen und Befehl geschehen, Gott geb aus was Verhängnis oder Befehl, vielleicht ihm zu erkennen zu geben, wieweit er sich der Gegenwart und Beiwohnung der Menschen, vornehmlich aber der Christen und zwar seiner europäischen Landsleut
Also gelangten wir zu angeregten Bäumen, dabei die Unserigen beides Kranke und Gesunde ihr Lager aufgerichtet; da sah man nun ein wunderbarlichs abenteuerlichs Wesen; kein einziger unter allen war noch bei Sinnen; diejenigen aber so ihre Vernunft noch hatten, waren zerstoben und von den Verrückten entweder auf das Schiff oder sonsten hin in die Insel geflohen; der erste der uns aufstieß, war ein Büchsenmeister, der kroch auf allen Vieren daher, krächzete wie ein Sau, und sagte immerfort: »Malz, Malz«; der Meinung weil er sich einbildete, er wäre zu einer Sau worden, wir sollten ihm Malz zu fressen geben; derohalben gab ich ihm auf Rat des Hochteutschen ein paar Kern von den Pflaumen, darin sie alle ihren Witz verfressen, mit Versprechen, wenn er solche gessen haben würde, daß er solches zu sich genommen; da er nun solche zu sich genommen, also daß sie kaum warm bei ihm worden, richtete er sich wieder auf und fing an vernünftig zu reden; und solchergestalt brachten wir alle ehender als in einer Stund wieder zurecht; da kann sich nun jeder wohl einbilden, wie hoch mich solches erfreute, und wasgestalten ich mich obgedachtem Hochteutschen verbunden zu sein erkannte, sintemal wir ohne sein Hilf und Rat mit allem Volk samt dem Schiff und Gütern ohn allen Zweifel hätten verderben müssen.
Beschluß dieses ganzen Werks, und Abschied der Holländer
Da ich mich nun wiederum in einem solchen guten Stand befand, ließ ich durch den Trompeter dem Volk zusammenblasen, weil die wenigen Gesunden so noch ihren Witz behalten, wie obgemeldt, hin und wider auf der Insel zerstreut umgingen; als sie sich nun sammelten, fand ich daß in solcher Tollerei kein einziger verloren worden; derowegen tat unser Kaplan oder Siechentröster eine schöne Predigt, in der er die Wunder Gottes pries, vornehmlich aber vielgemeldten Teutschen, der zwar alles beinahe mit einem Verdruß anhörete, dergestalt lobte, daß derjenige Matrose, so sein Buch und dreißig Dukaten angepackt, solches von freien Stücken wieder hervorbrachte und zu seinen Füßen legte; er wollte aber das Geld nit wieder annehmen, sondern bat mich, ich wollte es mit nach Holland nehmen und wegen seines verstorbnen Kameraden armen Leuten geben. »Denn wenn ich«, sagte er, »gleich viel Tonnen Golds hätte, wüßte ichs doch nicht zu brauchen.« Was aber das gegenwärtige Buch, so der Herr hiebei zu empfangen, anbelangt, schenkte er mir dasselbig, seiner dabei im besten zu gedenken.
Ich ließe vom Schiff Araca, spanischen Wein, ein paar westfälische Schinken, Reis und anders bringen, auch darauf sieden und braten, diesen Teutschen zu gastiern und ihm alle Ehr anzutun, aber er nahm allerdings keine Courtoisie an, sondern behalf sich mit sehr wenigem, und zwar mit der allerschlechtesten Speis, welches wie man sagt wider alle teutsche Art und Gewohnheit läuft; die Unserigen hatten ihm seinen vorrätigen Vin de Palm ausgesoffen, derowegen betrug er sich mit Wasser, und wollte weder spanischen noch rheinischen Wein trinken, doch erzeigte er sich fröhlich, weil er sah daß wir lustig waren; sein größte Freud erwies er mit den Kranken umzugehen, die er alle einer schnellen Gesundheit vertröstete, und sagte, er erfreue sich dermaleins daß er den Menschen, vornehmlich aber Christen, und sonderlich seinen Landsleuten einmal dienen
Ich selbst bedachte mich, wie ich ihm dienen möchte; ich behielt ihn bei mir, und ließ ohne sein Wissen durch unsere Zimmerleut wiederum ein neue Hütte aufrichten in der Form wie die lustigen Gartenhäuser bei uns ein Ansehen haben; denn ich sah wohl, daß er weit ein mehrers meritierte, als ich ihm antun konnte oder er annehmen wollte; seine Konversation war sehr holdselig, hingegen aber mehr als viel zu kurz, und wenn ich ihn etwas seiner Person halber fragte, wies er mich in gegenwärtiges Buch, und sagte, in demselbigen hätte er nach Genüge beschrieben davon ihn jetzt zu gedenken verdrießen tät; als ich ihn aber erinnerte, er sollte sich gleichwohl wieder zu den Leuten begeben, damit er nit so einsam wie ein unvernünftig Vieh dahinsterbe, wozu er denn jetzt gute Gelegenheit hätte, sich mit uns wieder in sein Vaterland zu machen, antwortet' er: »Mein Gott, was wollt ihr mich zeihen; hier ist Fried, dort ist Krieg; hier weiß ich nichts von Hoffart, vom Geiz, vom Zorn, vom Neid, vom Eifer, von Falschheit, von Betrug, von allerhand Sorgen beides um Nahrung und Kleidung noch um Ehr und Reputation; hier ist eine stille Einsame ohne Zorn, Hader und Zank; eine Sicherheit vor eitlen Begierden, ein Festung wider alles unordentliche Verlangen; ein Schutz wider die vielfältigen Strick der Welt und ein stille Ruhe, darinnen man dem Allerhöchsten allein dienen, seine Wunder betrachten, und ihn loben und preisen kann; als ich noch in Europa lebte, war alles (ach Jammer! daß ich solches von Christen zeugen soll) mit Krieg, Brand, Mord, Raub, Plünderung, Frauen- und Jungfrauen-schänden etc. erfüllt; als aber die Güte Gottes solche Plagen samt der schrecklichen Pestilenz und dem grausamen Hunger hinwegnahm, und dem armen bedrängten Volk zum Besten den edlen Frieden wieder sandte, da kamen allerhand Laster
Wie ich nun sah daß er so gar keine Lust hatte, mit uns abzufahren, fing ich einen andern Diskurs an, und fragte ihn, wie er sich denn so einzig und allein ernähren und behelfen könnte? Item ob er sich, indem er so viel hundert und tausend Meilen von andern lieben Christenmenschen abgesondert lebe, nicht fürchte; sonderlich ob er nicht bedenke, wenn sein Sterbstündlein herbeikomme, wer ihm alsdann mit Trost, Gebet, geschweige der Handreichung, so ihm in seiner Krankheit vonnöten sein würde, zu Hilf und Statten kommen werde; ob er alsdann nit von aller Welt verlassen sein und wie ein wildes Tier oder Vieh dahinsterben müßte? Darauf antwortet' er mir, was seine Nahrung anlange, versorge ihn die Güte Gottes mit mehrerm als seiner tausend genießen könnten; er hätte gleichsam alle Monat durchs Jahr ein sondere Art Fisch zu genießen, die in und vor dem süßen Wasser der Insel zu laichen ankämen; solche Wohltaten Gottes genieße er auch von dem Geflügel so von einer Zeit zur andern sich bei ihm niederließen, entweder zu ruhen und sich zu speisen oder Eier zu legen und Junge zu hecken; wollte jetzt von der Insel Fruchtbarkeit,
Mit solchem und gleichmäßigen mehrerem Gespräch brachte ich mein Zeit mit dem Teutschen zu; indessen wurde es mit unseren Kranken von Stund zu Stund besser, so daß wir den vierten Tag auch kein einzigen mehr hatten der sich klagt'; wir besserten im Schiff was zu bessern war, nahmen frisch Wasser und anders von der Insel ein, und fuhren, nachdem wir sechs Tag uns auf der Insel genugsam ergötzt und erfrischt, den siebenten Tag aber gegen die Insel S. Helenae, allwo wir teils Schiff von unserer Armada fanden, die auch ihre Kranken pflegten und der überigen Schiff erwarteten; von dannen wir nachgehends glücklich allhier in Holland ankommen.
Hiebei hat der Herr auch ein paar von den leuchten den Käfern zu empfangen, vermittelst deren ich mit oftgemeldtem Teutschen in obgesagte Höhle kommen, welches wohl ein grausame Wunderspelunke ist; sie war ziemlich proviantiert mit Eiern welche sich, wie mir der Teutsche sagt', in derselbigen übers Jahr halten, weil der Ort mehr kühl als kalt ist; in dem hintersten Winkel der Höhlen hatte er viel hundert dieser Käfer, davon es so hell war, als in einem
Hochgeehrter großgünstiger lieber Leser etc. Dieser ›Simplicissimus‹ ist ein Werk von Samuel Greifnson von Hirschfelt, maßen ich nicht allein dieses nach seinem Absterben unter seinen hinterlassenen Schriften gefunden, sondern er bezieht sich auch selbst in diesem Buch auf den ›Keuschen Joseph‹, den er gemacht, und in seinem ›Satyrischen Pilger‹ auf diesen seinen ›Simplicissimum‹, welchen er in seiner Jugend zum Teil geschrieben, als er noch ein Musketierer gewesen; aus was Ursach er aber seinen Namen durch Versetzung der Buchstaben verändert, und German Schleifheim von Sulsfort an dessen Statt auf den Titel gesetzt, ist mir unwissend; sonsten hat er noch mehr feine Satyrische Gedichte hinterlassen, welche, wenn dies Werk beliebt wird, wohl auch durch den Druck an Tag gegeben werden könnten; so ich dem Leser zur Nachricht nicht verbergen wollen; diesen Schluß habe ich nicht hinterhalten mögen, weil er die ersten fünf Teil bereits bei seinen Lebzeiten in Druck gegeben. Der Leser leb wohl. Dat. Rheinnec, den 22. Aprilis Anno 1668.