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Womit kann ich dienen? Muß allerdings bemerken, daß ich pressiert bin. Die Vorbereitungen zur heutigen großen Assemblée im Hause des reichsten Mannes von Wien – wie ich meinen gnädigen Herrn wohl betiteln darf –
– daß bei der heutigen festlichen Veranstaltung hier im Palais – nach der Opera seria meines Schülers – kaum traue ich meinen Ohren – noch eine weitere, und zwar gleichfalls sozusagen musikalische Darbietung in Aussicht genommen ist – eine Art von Singspiel oder niedrige Posse in der italienischen Buffo-Manier! Das kann nicht geschehen!
Wer wird? Ich höre: gestatten. Ich wüßte nicht, wer außer meinem gnädigen Herrn, in dessen Palais Sie sich befinden und Ihre Kunstfertigkeiten heute zu produzieren die Ehre haben, etwas zu gestatten – geschweige denn anzuordnen hätte!
Es ist wider die Verabredung. Die Opera seria »Ariadne« wurde eigens für diese festliche Veranstaltung komponiert.
Und das ausbedungene Honorar wird nebst einer munifizenten Gratifikation durch meine Hand in die Ihrige gelangen.
Für den Sie samt Ihrem Eleven Ihre Notenarbeit zu liefern die Auszeichnung hatten. – Was dann steht noch zu Diensten?
Diese Notenarbeit ist ein ernstes, bedeutendes Werk. Es kann uns nicht gleichgültig sein, in welchem Rahmen dieses dargestellt wird!
Jedennoch bleibt es meinem gnädigen Herrn summo et unico loco überlassen, welche Arten von Spektakel er seinen hochansehnlichen Gästen nach Vorsetzung einer feierlichen Kollation zu bieten gesonnen ist.
Zuvörderst diese, danach das für punkt neun Uhr anbefohlene Feuerwerk und zwischen beiden die eingeschobene Opera buffa. Womit ich die Ehre habe, mich zu empfehlen.
Lieber Freund! Verschaffen Sie mir die Geigen. Richten Sie ihnen aus, daß sie sich hier versammeln sollen zu einer letzten kurzen Verständigungsprobe.
Die Geigen werden schwerlich kommen, erstens weils keine Füß nicht haben, und zweitens, weils in der Hand sind!
Ach so! Die sind aber jetzt dort, wo ich auch hin sollt! und wo ich gleich sein werd – anstatt mich da mit Ihnen aufzuhalten.
Wenn ich sag: bei der Tafel, so mein ich natürlich bei der herrschaftlichen Tafel, nicht beim Musikantentisch.
Hier ist nicht die Demoiselle darin, die Sie suchen, diejenige Demoiselle aber, die hier drin ist, ist derzeitig für Sie ebenfalls nicht zu sprechen.
Dem Bacchus eintrichtern, daß er ein Gott ist! Ein seliger Knabe! Kein selbstgefälliger Hanswurst mit einem Pantherfell!
Mir scheint, das ist seine Tür.
Erst nach der Oper kommen wir daran. Es wird keine kleine Mühe kosten, die Herrschaften wieder lachen zu machen, wenn sie sich erst eine Stunde gelangweilt haben. Kokett. Oder meinen Sie, es wird mir gelingen?
Sie werden leichtes Spiel haben, Mademoiselle. Die Oper ist langweilig über die Begriffe, und was die Einfälle anlangt, so steckt in meinem linken Schuhabsatz mehr Melodie als in dieser ganzen »Ariadne auf Naxos«.
Um so besser, wenn sie dir gefällt. Es ist die Zerbinetta. Sie singt und tanzt mit vier Partnern das lustige Nachspiel, das man nach deiner Oper gibt.
Nach meiner Oper? Ein lustiges Nachspiel? Tänze und Triller, freche Gebärden und zweideutige Worte nach »Ariadne«! Sag mirs!
Das Geheimnis des Lebens tritt an sie heran, nimmt sie bei der Hand – Heftig. und sie bestellen sich eine Affenkomödie, um das Nachgefühl der Ewigkeit aus ihrem unsagbar leichtfertigen Schädel fortzuspülen! Lacht kramphaft. O ich Esel!
Ich will mich nicht beruhigen! Ein heiteres Nachspiel! Ein Übergang zu ihrer Gemeinheit! Dieses maßlos ordinäre Volk will sich Brücken bauen aus meiner Welt hinüber in die seinige! O Mäzene! Das erlebt zu haben, vergiftet mir die Seele für immer. Es ist undenkbar, daß mir je wieder eine Melodie einfällt! In dieser Welt kann keine Melodie die Schwingen regen! Pause, dann mit verändertem Ton, ganz gemütlich. Und gerade früher ist mir eine recht schöne eingefallen! Ich habe mich über einen frechen Lakaien erzürnt, da ist sie mir aufgeblitzt – dann hat der Tenor dem Perückenmacher eine Ohrfeige gegeben – da hab ich sie gehabt! – Ein Liebesgefühl, ein süß bescheidenes, ein Vertrauen, wie diese Welt es nicht wert ist – da: –
Mein Freund, ich bin halt dreißig Jahrln älter als wie du und hab halt gelernt, mich in die Welt zu schicken!
Haben Sie nach dem Grafen geschickt? Tritt ein wenig vor, bemerkt Zerbinetta und die übrigen. Pfui! Was gibts denn da für Erscheinungen!
Uns mit dieser Sorte von Leuten in einen Topf! Weiß man hier nicht, wer ich bin? Wie konnte der Graf –
Wenn das Zeug so langweilig wird, dann hätte man doch uns zuerst auftreten lassen sollen, bevor sie übellaunig werden. Haben sie sich eine Stunde lang gelangweilt, so ist es doppelt schwer, sie lachen zu machen.
Im Gegenteil. Man kommt vom Tisch, man ist beschwert und wenig aufgelegt, man macht unbemerkt ein Schläfchen, klatscht dann aus Höflichkeit und um sich wach zu machen. Indessen ist man ganz munter geworden: »Was kommt jetzt?« sagt man sich. »Die ungetreue Zerbinetta und ihre vier Liebhaber«, ein heiteres Nachspiel mit Tänzen, leichte, gefällige Melodien, ja! eine Handlung, klar wie der Tag, da weiß man, woran man ist, das ist unser Fall, sagt man sich, da wacht man auf, da ist man bei der Sache! – Und wenn sie in ihren Karossen sitzen, wissen sie überhaupt nichts mehr, als daß sie die unvergleichliche Zerbinetta haben tanzen sehen.
Erzürnen Sie sich nicht um nichts und wieder nichts. Ariadne ist das Ereignis des Abends, um Ariadne zu hören, versammeln sich Kenner und vornehme Personen im Hause eines großen Mäzens, Ariadne ist das Losungswort, Sie sind Ariadne, morgen wird überhaupt niemand mehr wissen, daß es außer Ariadne noch etwas gegeben hat.
Um Vergebung. Wo ist der Herr Tanzmeister? Ich habe einen Auftrag meines gnädigen Herrn an Sie beide.
Das Nachspiel wird Vorspiel, wir geben zuerst »Die ungetreue Zerbinetta«, dann »Ariadne«. Sehr vernünftig.
Um Vergebung. Die Tanzmaskerade wird weder als Nachspiel noch als Vorspiel aufgeführt, sondern mit dem Trauerstück »Ariadne« gleichzeitig.
Mein gnädiger Herr ist der für Sie schmeichelhaften Meinung, daß Sie beide Ihr Handwerk genug verstehen, um eine solche kleine Abänderung auf eins, zwei durchzuführen; und es ist nun einmal der Wille meines gnädigen Herrn, die beiden Stücke, das lustige und das traurige, mit allen Personen und der richtigen Musik, so wie er sie bestellt und bezahlt hat, gleichzeitig auf seiner Bühne serviert zu bekommen.
Und zwar so, daß die ganze Vorstellung deswegen auch nicht einen Moment länger dauert. Denn für Punkt neun Uhr ist ein Feuerwerk im Garten anbefohlen.
Es ist wohl nicht die Sache meines gnädigen Herrn, wenn er ein Spektakel bezahlt, sich auch noch damit abzugeben, wie es ausgeführt werden soll. Seine Gnaden ist gewohnt, anzuordnen und seine Anordnungen befolgt zu sehen. Nach einer Pause nochmals umkehrend, herablassend. Zudem ist mein gnädiger Herr schon seit drei Tagen ungehalten darüber, daß in einem so wohlausgestatteten Hause wie das seinige ein so jämmerlicher Schauplatz wie eine wüste Insel ihm vorgestellt werden soll, und ist eben, um dem abzuhelfen, auf den Gedanken gekommen, diese wüste Insel durch das Personal aus dem anderen Stück einigermaßen anständig staffieren zu lassen.
Nichts um sich als das Meer, die Steine, die Bäume, das fühllose Echo. Sieht sie ein menschliches Gesicht, wird meine Musik sinnlos.
Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Wenn man zwei Stunden Zeit hätte, über die Lösung nachzudenken.
Darüber willst du nachdenken? Wo menschliche Gemeinheit, stier wie die Meduse, einem entgegengrinst. Fort, was haben wir hier verloren?
Was wir hier verloren haben? Die fünfzig Dukaten unter anderm, von denen du das nächste halbe Jahr zu leben gedachtest!
Ich weiß wirklich nicht, warum Sie beide einem so vernünftigen Vorschlag solch übertriebene Schwierigkeiten entgegensetzen!
Nichts leichter als das. Es sind Längen in der Oper – Leiser. gefährliche Längen. Man läßt sie weg. Diese Leute wissen zu improvisieren, finden sich in jede Situation.
Fragen Sie ihn, ob er seine Oper lieber heute ein wenig verstümmelt hören will, oder ob er sie niemals hören will. Schaffen Sie ihm Tinte, Feder, einen Rotstift, was immer! Zum Komponisten. Es handelt sich darum, Ihr Werk zu retten!
Hundert große Meister, die wir auf den Knien bewundern, haben sich ihre erste Aufführung mit noch ganz anderen Opfern erkauft.
Sehen Sie zu, daß er genug streicht. Ich rufe indessen Zerbinetta her, wir erklären ihr in zwei Worten die Handlung! Sie ist eine Meisterin im Improvisieren; da sie immer nur sich selber spielt, findet sie sich in jeder Situation zurecht, die anderen sind auf sie eingespielt, es geht alles wie am Schnürchen. Er holt sich Zerbinetta aus dem Zimmer, spricht zu ihr. Komponist fängt an, beim Schein der Kerze zu streichen.
Sehen Sie zu, daß er dem Bacchus einiges wegnimmt; man erträgt es nicht, diesen Mann so viel singen zu hören.
Der Ariadne müssen Sie streichen. Niemand hält es aus, wenn diese Frau unaufhörlich auf der Bühne steht.
Er nimmt ihr zwei Arien weg, Ihnen keine Note. Verraten Sie mich nicht. Tritt ebenso zur Primadonna hinüber, nimmt sie beiseite. Sie behalten alles. Er nimmt dem Bacchus die halbe Rolle, lassen Sie sich nichts merken.
Diese Ariadne ist eine Königstochter. Sie ist mit einem gewissen Theseus entflohen, dem sie vorher das Leben gerettet hat.
Nein, Herr, so kommt es nicht! Denn, Herr! sie ist eine von den Frauen, die nur einem im Leben gehören und danach keinem mehr.
Der Tod kommt aber nicht. Wetten wir. Sondern ganz das Gegenteil. Vielleicht auch ein blasser, dunkeläugiger Bursche, wie du einer bist.
Sie hält ihn für den Todesgott. In ihren Augen, in ihrer Seele ist er es, und darum, einzig nur darum –
Einzig nur darum geht sie mit ihm – auf sein Schiff! Sie meint zu sterben! Nein, sie stirbt wirklich.
Sie ist nicht Ihresgleichen! Schreiend. Ich weiß es, daß sie stirbt. Leise. Ariadne ist die eine unter Millionen, sie ist die Frau, die nicht vergißt.
Kindskopf. Sie kehrt ihm den Rücken; zu ihren vier Partnern, die herangetreten sind. Merkt auf, wir spielen mit in dem Stück »Ariadne auf Naxos«. Das Stück geht so: eine Prinzessin ist von ihrem Bräutigam sitzengelassen, und ihr nächster Verehrer ist vorerst noch nicht angekommen. Die Bühne stellt eine wüste Insel dar. Wir sind eine muntere Gesellschaft, die sich zufällig auf dieser Insel befindet. Die Kulissen sind Felsen, und wir plazieren uns dazwischen. Ihr richtet euch nach mir, und sobald sich eine Gelegenheit bietet, treten wir auf und mischen uns in die Handlung!
Sie gibt sich dem Tod hin – ist nicht mehr da – weggewischt – stürzt sich hinein ins Geheimnis der Verwandlung – wird neu geboren – entsteht wieder in seinen Armen! – Daran wird er zum Gott. Worüber in der Welt könnte eins zum Gott werden als über diesem Erlebnis? Springt auf.
Ein Augenblick ist wenig – ein Blick ist viel. Viele meinen, daß sie mich kennen, aber ihr Auge ist stumpf. Auf dem Theater spiele ich die Kokette, wer sagt, daß mein Herz dabei im Spiele ist? Ich scheine munter und bin doch traurig, gelte für gesellig und bin doch so einsam.
Törichtes Mädchen, mußt du sagen, das sich manchmal zu sehnen verstünde nach dem einen, dem sie treu sein könnte, treu bis ans Ende. –
An Ihre Plätze, meine Damen und Herren! Ariadne! Zerbinetta! Scaramuccio, Harlekin! Auf die Szene, wenn ich bitten darf!
Wo hätten Sie eine schönere Gelegenheit als auf der Bühne, ihr zu zeigen, welch unermeßlicher Abstand zwischen Ihnen befestigt ist!
Seien wir wieder gut! Ich sehe jetzt alles mit anderen Augen! Die Tiefen des Daseins sind unermeßlich! – Mein lieber Freund, es gibt manches auf der Welt, das läßt sich nicht sagen. Die Dichter unterlegen ja recht gute Worte, recht gute – Jubel in der Stimme. jedoch, jedoch, jedoch, jedoch, jedoch! – Mut ist in mir, Freund. – Die Welt ist lieblich und nicht fürchterlich dem Mutigen – und was ist denn Musik? Mit fast trunkener Feierlichkeit. Musik ist heilige Kunst, zu versammeln alle Arten von Mut wie Cherubim um einen strahlenden Thron! Das ist Musik, und darum ist sie die heilige unter den Künsten!
Ich durfte es nicht erlauben! Du durftest mir nicht erlauben, es zu erlauben! Wer hieß dich mich zerren, mich! in diese Welt hinein? Laß mich erfrieren, verhungern, versteinen in der meinigen!
Männer! Lieber Gott, wenn du wirklich wolltest, daß wir ihnen widerstehen sollten, warum hast du sie so verschieden geschaffen?