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Herrn ...
Ew. Excellenz werden in hohen Gnaden verzeyhen, daß ein armer christlicher Schriftsteller es wagt, diese wenigen Bogen zu Ew. Excellenz Füssen zu legen.
Wer, im ganzen türkischen Reiche, wagt es (seitdem Ew. Excellenz zu der hohen Würde eines Groß-Vezirs sind erhoben worden), zu leugnen, daß Höchstdieselben ein feiner Beurtheiler der schönen Künste, und der in- und ausländischen Literatur,
Sollten es Ew. Excellenz daher ungnädig aufnehmen können, wenn ein fremder Schriftsteller bemüht wäre, diesen Ruhm Höchstdero erhabenen Talente, auch auswärts auszubreiten, indem er Ihnen ein geringes Zeichen seiner tiefen Ehrerbiethung dadurch zu geben sucht, daß er Ew. Excellenz ein Werk zueignet, welches ihm manche saure Stunde gekostet hat, als er es schrieb, und noch mehr, als er die Materialien dazu in dem Laufe seines unruhigen Lebens samlete?
Zu mehrerer Sicherheit aber habe ich Raum für Höchstdero hohen Nahmen gelassen, damit, wenn indessen ein unglückliches Strick Sie ans Ende Ihrer ehrenvollen Laufbahn führen sollte, dieser Brief
In Erwartung einer gnädigen Aufnahme meiner Freyheit, ersterbe ich in tiefster Ehrerbiethung,
Fürchten Sie nichts, meine Herrn und Damen! Ich werde Sie hier nicht in einer Gestalt auftreten lassen, der man entgegen rufen könnte: »Das sind sie!« Haben Sie mir gleich manche trübe Stunde gemacht; hat Ihre Bosheit gleich mannigfaltigen Verdruß über mein Haupt gezogen; hätten mich Einige von Ihnen gleich gern muthwillig verkannt, gedrückt, verfolgt; – den Menschen verfolgt, der nicht Einen seiner Brüder mit Vorsatz je gekränkt hat, der, bey tausendfältigen Schwachheiten und Fehlern, gewiß ein liebe- und friedenvolles Herz in seinem Busen trägt, der Ihnen nie hinderlich in Ihren Entwürfen war, dessen Weg ja ganz im stillen,
Ich überlasse der Zeit und dem Schicksale, welches früh oder spät (das ist heilig gewiß!) jeden Bösewicht entlarvt, und jedem Redlichen Gerechtigkeit verschafft, Ihnen den Lohn Ihrer Handlungen zu geben. Mein Glück ist in meinem Herzen. In häuslichem Frieden lebe ich still, ruhig, heiter, arbeite an mir selbst, um klüger und besser zu werden, und geniesse das Glück der Freundschaft und Achtung derer, die mich nicht miskennen, und mich, mit allen meinen Schwachheiten, ertragen.
Die Arbeit, dieses Buch zu schreiben, soll mir meine Erholungsstunden versüßen, und
Wahre Begebenheiten also, welche ich theils selbst erlebt, theils in der Nähe oder von Weitem beobachtet habe, Character-Züge von verschiedenen Gattungen Menschen, und hie und da eigene Gedanken über allerley wichtige und unwichtige Dinge, sollen hier in einer Art von Verbindung erscheinen. Das Ganze kann man hernach etwa einen Roman nennen – oder wie Sie wollen! Wenn nur etwas darinn steht, das dem bessern Theile des Publicums gefällt, bey dessen Lesung ein guter Mensch sich eine heitere Stunde machen, und woraus irgend jemand, in seiner Lage, einen practischen Vortheil ziehen kann.
Erster Brief, von dem Freyherrn von Leidthal in Urfstädt an den Herrn Meyer, Hofmeister eines jungen Herrn von Hobenau, den er an Kindes Statt angenommen hat, in Göttingen. Misvergnügen über ihre Trennung. Anmerkungen über die verschiedenen Arten, wie die Menschen periodenweise diese Welt ansehen. Der Hauptmann von Weckel hat ihn besucht. Lob dieses muntern Mannes. Nachricht von Herrn und Madam Becker, die kürzlich in die Stadt gezogen sind, und die niemand kennt. Ueber die Neugierde in kleinen Städten. Er bittet Herrn Meyer um Mittheilung seiner Lebensgeschichte.
Zweyter Brief. Antwort des Herrn Meyer. Nachricht von ihrer zurückgelegten Reise und Einrichtung in Göttingen. Geschichte des unglücklichen Commerzienraths Müller, den sie unterwegens angetroffen und mit nach Göttingen genommen haben. Ueber die Art, wie vornehme Leute reisen. Sie wollen, weil die Collegia noch nicht angehen, nach Cassell, woselbst Müller Dienste sucht.
Dritter Brief, von dem jungen Hohenau an Leidthal. Beschreibung von Cassell. Lob der Stadt, der Gegenden und des Fürsten. Ueber die Lage von Münden. Ueber falsche Zierathe und verdorbenen Geschmack.
Vierter Brief, von Meyer. Ueber den ausländischen Ton in Deutschland. Ueber Religions-Gespräche. Er empfiehlt den armen Müller zu Leidthals Hülfe. Verspricht seine Lebensbeschreibung.
Fünfter Brief, von Hohenaus Bedienten Christoph Birnbaum an die Haushälterinn Anna Sievers in Urfstädt. Beschreibung von Cassell und Göttingen. Versicherungen treuer Liebe und Beständigkeit. Hohenau hat Bekanntschaft mit dem jungen Herrn von Hundefeld gemacht, dessen Bedienter Haber heißt.
Sechster Brief, von Leidthal. Ueber Vorsichtigkeit an fremden Oertern. Ueber den Handel in Münden. Ueber Fürsten-Charactere und Erziehung. Ueber den Styl unsres Jahrhunderts. Ueber Müllers Character. Er will ihn zu sich nehmen. Von der Wohlthätigkeit. Er verspricht
Siebenter Brief, von Madam Müller, gebohrne von Blüm, an ihren Mann. Nachricht von ihren Kindern. Sophie, welche Madam Bovis Kinder erzieht, hat einen Brief verlohren, der vermuthlich ein an sie gerichteter Liebesbrief ist. Fritz wird ein guter Kaufmann. Ludwig scheint zu Ausschweifungen geneigt, lernt aber fleißig. Die beyden jüngsten sind gesund. Klagen über ihre Situation.
Achter Brief. Liebesbrief des jungen von Hörde an Sophien, aus Hamburg.
Neunter Brief. Müllers Antwort an seine Frau. Trost. Nachricht von Leidthals Anerbiethen. Er ist im Begriff, hinzureisen.
Zehnter Brief, von Müller an den Banquier von der Hörde. Nachricht von dem geheimen Verständnisse ihrer Kinder. Er überläßt das Uebrige seinem Wohlgefallen.
Eilfter Brief, von Meyer an Leidthal. Müller nimt den Brief mit. Die Geschichte seines Lebens, bis zu dem Zeitpunct, als ihn Leidthal zu sich nahm. Einige kleine Umstände von Göttingen. Sie wollen Weinachten zu Hundefelds Vater auf das Land.
Zwölfter Brief, von Weckel an Hohenau. Muntre Beschreibung von kleinen Höfen, die nicht genannt sind, und welche Weckel bey seinem letzten Urlaub gesehen hat. Er wird bald an den Rhein hinauf reisen, und alsdann über Göttingen gehen.
Dreyzehnter Brief. Von der Hörde antwortet Müllern in stolzem Tone, und ohne Gefühl.
Vierzehnter Brief, von der zärtlichen Jungfer Anna Sievers an ihren Geliebten. Enthält auch einige Anecdoten aus der Nachbarschaft und von Herrn und Madam Becker.
Fünfzehnter Brief, von Hohenau an Weckel. Ueber göttingische Bekanntschaften. Studenten-Characters. Er reiset in wenig Tagen auf Hundefelds
Sechzehnter Brief. Leidthal meldet Müllers Ankunft, und dankt Meyern für seine Lebensgeschichte, erzählt dafür einen Theil seines Lebens, und verspricht die Fortsetzung. Diesen Brief überbringt Weckel.
Siebenzehnter Brief. Hohenau ist durch Weckels Anwesenheit abgehalten worden, eher zu schreiben. Erzählung von seinem Aufenthalte bey Hundefelds Verwandten. Gemälde von Landjunkers. Weckel ist itzt nach Hanau, und kömmt erst im Aprill wieder.
Achtzehnter Brief. Müllers Nachricht an seine Frau, von seiner Ankunft, Aufnahme und Zufriedenheit in Urfstädt. Etwas von Sophiens Liebe.
Neunzehnter Brief, von Weckel an Hohenau. Beschreibung von Hanau, Darmstadt, Manheim, Carlsruhe, Straßburg.
Zwanzigster Brief, von Leidthal. Fortsetzung seiner Lebensbeschreibung.
Ein und zwanzigster Brief, von Madam Müller an ihren Mann, in großer Bestürzung. Nachricht von Sophiens Flucht.
Zwey und zwanzigster Brief, von Meyer an Leidthal. Sie wollen Ostern aufs Eichsfeld. Geschichte eines gefangenen Mönchs. Es scheint, als wenn Hohenau verliebt ist, weil er Ritterstreiche machen will. Vermuthlich ist Hundefelds Schwester der Gegenstand.
Drey und zwanzigster Brief, von Leidthal an Meyer. Geschichte von Hohenaus Vater. Vielleicht ist der derselbe gefangene Mönch.
Mein lieber Freund!
Glauben Sie mir auf mein Wort, daß es meiner Philosophie herzlich schwer wird, mir unsre Trennung als ein nothwendiges Uebel vorzustellen. Ihr angenehmer, freundschaftlicher Umgang war meinem Herzen so theuer geworden, ich war so sehr daran gewöhnt, jeden Gedanken, jede Empfindung meiner
Aber es hat so seyn müssen. Das ist eine von den leidigen Tröstungen, die auf jede unangenehme Begebenheit in diesem Leben passen, und im Grunde doch keiner einzigen die Bitterkeit benehmen! Da sitze ich nun hier einsam auf dem Lande, nicht ohne Geschäfte, das ist wahr (denn wenn mich diese nicht gefesselt hätten, Sie und mein Carl hätten gewiß nicht allein reisen sollen), aber doch voll zärtlicher Sehnsucht nach Ihnen beyden, und voll Besorgniß, wie es Ihnen in der neuen Welt, in welche Sie Ihren Zögling führen, gehen mögte.
Das weiß Gott, daß ich nicht einen Augenblick darüber unruhig bin, ob er in Ihren
Mich dünkt, es giebt drey wichtige Hauptperioden im Leben, durch welche der wohlerzogene, feine, denkende und fühlende Mann wandert, und nach welchen sich das Interesse bestimmt, welches er an demjenigen, was ihm in diesem Leben begegnet, und an den Menschen, mit denen er in Verbindung kömmt, nehmen muß. Oder, um deutlicher zu reden, fast jeder Sterblicher, dem Madam Fortuna nicht schon in der Wiege einen falschen Streich spielt (denn wenn das ist; so fällt freylich die erste Periode beynahe ganz weg), fast
Als ein blühender Jüngling tritt er in die Welt. Gesundheit, Vorzüge der Gestalt, die durch Jugend erhöhet werden, ein frohes weiches Herz, gute Laune, Befreyung von Nahrungs- und andern häuslichen Sorgen, Geschmack an schönen Künsten, unverdorbenes Gefühl für die Schätze der Natur, Neuheit aller Gegenstände, die sich seinen Augen darstellen; von der andern Seite aber, Unwichtigkeit seiner Person, welche alsdann selten irgend einem ernsthaften Herrn im Wege steht, Nachsicht weiser Leute gegen seine jugendliche Schwachheiten, der Antheil, den das schöne Geschlecht an ihm nimt, seine Gefälligkeit gegen jedermann, und sein Mangel an Beobachtungsgeist, der ihn verhindert, die Verderbnisse wahrzunehmen; das alles, oder ein großer Theil dieser herrlichen Dinge, spricht für ihn, und schwellt sein unerfahrnes
Aber er wird älter, kömmt bald in allerley große und kleine Verbindungen; Hier vertrauet er sich unwürdigen Freunden, und wird oft und mannigfaltig betrogen, dort untergräbt unglückliche Liebe die Ruhe seiner Seele; Oder er ist in andre üble Hände gerathen, der Misbrauch seiner cörperlichen Kräfte, seiner Freyheit und seiner Thätigkeit, hat seine Gesundheit geschwächt, und ihn welk gemacht. Dies erweckt böse Launen; nun trägt er nicht mehr so viel zu den Annehmlichkeiten des Umgangs bey; Oder er hat übel mit seinem Vermögen gewirthschaftet, Nahrungssorgen drücken ihn, seine Kinder machen ihm Verdruß; Oder er ist klüger, angesehener, reicher, als andre Menschen,
Der gutgeartete Mensch kömmt aber von diesem Grolle bald zurück. So, wie er nach und nach kühler wird, kommen ihm die wiedrigen
Sie sehen also, mein lieber Freund! daß, nach meinen Grundsätzen, unsre Kunst darauf beruht, die erste Periode zu verlängern, und die zweyte abzukürzen, und das ist es, wornach wir Beyde itzt unsre Bemühungen einrichten müssen, um meinem Carl, bey seinem Eintritte in die Welt, den Weg, den er, wie jeder Andre, wandern muß, so sanft als möglich zu machen. Im übrigen müssen wir es dem Schicksale überlassen, die feinern Nüancen in seine Begebenheiten zu weben. Einen ganz gemeinen Gang wird er schwerlich gehen, denn seine Composition ist feiner, als mir oft lieb gewesen ist. Doch Sie, mein Freund! haben Gelegenheit und Klugheit genug, seiner Thätigkeit unvermerkt die Richtung zu geben, die sie haben soll, und die Gegenstände zu entfernen, welche wildes Feuer in ihm anfachen könnten. Auf Sie baue ich
Sie werden Sich wundern, wenn Sie schon so bald einen langen Brief von mir bekommen, ehe Sie mir einmal haben Ihre Ankunft melden können. Allein, übereilen Sie Sich deswegen doch nur nicht, mir eben so weitläuftig zu antworten. Ich weiß, wie unruhig die ersten Tage in einem neuen Wohnorte sind, und wenn ich nur höre, daß Ihr Leutchens wohl seyd; so will ich gern noch ein bisgen Geduld haben.
Sie waren kaum gestern fort, als der Hauptmann von Weckel aus der Stadt zu mir kam. Er war mir willkommner, als jemals, und hat mir mit seiner fröhligen Laune
Ich verdenke es jedem vernünftigen Manne, der die Einsamkeit sucht, wenn er sie in einem kleinen Städtgen zu finden glaubt. Je größer der Zirkel ist, in welchem man lebt, desto unbemerkter wird der Punct, welchen man darinn macht.
Es ist eine recht ärgerliche Sache, daß man in solchen Lumpen-Städtgens einem ruhigen Menschen nicht erlauben kann, in der Stille seinen Weg fortzuwandeln. Ich
Ich frage nie jemand um seine Geschichte, liegt mir aber daran, zu wissen, was für ein Mann er ist; so beurtheile ich ihn nach seinen itzigen Handlungen. Einen Beweis davon
Ob ich den dritten Bogen anfange? Nein! das will ich nicht, es mag damit genug seyn. Ich umarme Sie und meinen Carl in Gedanken, und bin ewig,
Sie haben mir erlaubt, verehrungswürdigster Gönner! Ihnen ohne alle Titulaturen, so gerade weg aus dem Herzen zu schreiben; also fange ich diesen Brief auch um eine Hand breit näher am Rande des Papiers an, als ich es billig an einen Herrn von Ihrem Stande thun sollte. Zuerst eine kurze Nachricht von unserer Reise! Erfüllt von Traurigkeit über die Trennung von unserem lieben Wohlthäter, reiseten wir ein Paar Posten, ohne beynahe ein Wort mit einander zu reden. Mein junger Ritter hätte gern laut geweint, aber er dachte, das sey nicht anständig. Er that also lieber, als wenn er schliefe, indeß seine Thränen heimlich aus den halb zugedrückten Augen rollten. Ich schlief nicht, aber ich weinte auch nicht.
Der Mann hatte von der Natur viel äussere Annehmlichkeiten, und von seinen Eltern eine gute feine Erziehung erhalten. Das sind ein Paar schöne Vorzüge, aber sie können einen jungen thätigen Mann auch in manche verwirrte Lage bringen, und so gieng es dem armen Müller. Seine Glücksumstände waren nicht die besten, desfalls mußte er seine Talente und Kenntnisse den Diensten andrer Menschen widmen, weil er aber frey, thätig und edel erzogen worden war; so war die Abhängigkeit von schlechteren Leuten oft ein harter Punct für ihn. Er wurde Secretair, Hofmeister, und dann wieder Secretair – aber es wollte nirgends recht glücken. Die Liebe spielte ihm auch böse Streiche, und so hatte er denn mannigfaltige Schicksale, welche mehrentheils die Bosheit, der Neid, und die
Nicht wahr, mein gütiger Wohlthäter! ich schreibe, wie ein Buch? – Zürnen Sie nur nicht! Wir wollen gleich zu unserm guten Müller zurück. Nach langem Umherschweifen fand er endlich in Amsterdam eine hübsche reiche Witwe, welcher er, sie ihm, gefiel. Er heyrathete sie, und die ersten Jahre flogen in Wonne und Lustbarkeit dahin. Madam liebte die großen Gesellschaften, Monsieur die schönen Künste. Ein Capitälchen nach dem andern gieng den Weg durch die Finger der Spieler und Modehändler, oder wurde zu Gastereyen, Bällen, Concerten, verschwendet. Als man nun sah, daß dies die Aussichten für fünf Kinder, welche nach
Hier zog er dann von einem Hofe zum andern, fand jede zwey, drey Meilen einen unumschränkten Herrn, dem er irgend ein nützliches Project vorlegte, wollte bald das Cameralwesen auf andern Fuß setzen, bald Schulen verbessern, und dergleichen mehr. Weil er aber ein redlicher Mann ist; so war in seinen Planen gewöhnlich das öffentliche Beste obenan gesetzt, womit denn einigen von den unumschränkten Potentaten wenig gedient war. Sie wollten ihre Privateinkünfte vermehrt haben, um ihre Leidenschaften mehr befriedigen, ihrem übertriebenen Hange zur Pracht und Wollust bequemer genugthun zu
Unterdessen schmolz sein kleiner Geld-Vorrath, die Familie wurde von Kummer niedergedrückt, und wenn hin und wieder, indem eine neue Unterhandlung im Werke war, ein schwacher Hofnungs-Strahl sie erheiterte; so war das nur, um nachher, wenn auch dies mislung, sie desto tiefer zu beugen.
In diesem traurigen Zustande ist mein Freund noch immer, und itzt war er im Begriff, zu Fuß nach Cassell zu gehen, und dort sein Glück zu versuchen.
Diesen Brief schrieb ich stückweise unterwegens, deswegen ist er so verwirrt und unordentlich gerathen.
Nun haben wir einige Besuche abgestattet, und alles in Ordnung gebracht, was dazu gehört, gelehrte Leute zu werden. Indessen gehen die Collegia noch in vierzehn Tagen nicht an. Werden Sie es uns verzeyhen, mein theuerster Herr! daß wir uns daher geschwind entschlossen haben, den Herrn Müller nach Cassell zu begleiten?
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ist von dem lieben Pflege-Sohne.
Theuerster, bester Pflegevater!
Ich schreibe Ihnen diese Zeilen aus einer Stadt, ach! aus einer Stadt, die so schön ist, daß ich wohl schwerlich viel lernen würde, wenn ich, statt in Göttingen zu studieren, unter der Menge von Zerstreuungen, hier arbeiten sollte. Alles athmet nur Freude hier. Herrliche Gebäude, Palläste, bezaubernde Gärten, Music, Malerey, Schauspielkunst, das alles scheint hier zu Hause zu seyn. Und Soldaten, die wie Kinder Einer schönen Familie aussehen, und deren äusseres Ansehn das Gepräge von Wohlstand, Zucht und Fröhligkeit hat –
Wir haben, so viel es die Zeit verstattete, alles Merkwürdige gesehen, aber man wird gar nicht fertig damit.
Den sechsten früh reiseten wir aus Göttingen, und hielten uns, auf des Herrn Müllers Anrathen, in Münden ein Paar Stunden auf, weil in der That dieses Städtgen eine so allerliebste romantische Lage hat, daß ich mich wundern muß, warum so wenig freye Menschen aus Liebhaberey dahin ziehen. Da, wo sich die Fulda und Werra vereinigen, der kleine Hafen voll Fahrzeuge; einzelne Gartenhäuser, die hie und da zerstreuet liegen; und dann zu beyden Seiten die majestädtischen Berge und Wälder; die
Etwas weniger lebhaft als gewöhnlich fanden wir Cassell, weil der Hof, eine kleine
Wir blieben die Nacht in dem Gasthofe auf dem Weissenstein, und erstiegen dann früh Morgens den prächtigen Carlsberg, ein Werk, welches, in dem größten Styl gebauet, das Ansehen hat, als wenn Riesen diese künstlich aufeinander gekitteten Felsenstücke aufgethürmt hätten. Es war ein Schweizer mit uns in Gesellschaft, der, um etwas zu sagen, das schweizerisch klingen sollte, ausrief: »Mein Gott! wozu nützt das alles?
Doch was bedarf ich Ihnen zu beschreiben, was Sie schon oft ehemals gesehen haben? Alle Anlagen des Landgrafen Carls scheinen mir groß und edel, aber sie sind noch nicht vollendet. Da indessen der jetzige Herr Geschmack und Kenntnisse hat, und mit Nutzen gereiset ist; so darf man hoffen, daß bey der weiteren Ausführung dieser Plane nichts Spielendes, Unwürdiges oder Kleinliches mit unterlaufen wird, welches sonst das Gefühl dieser Dinge schwächen könnte.
Es wird beständig in Cassell viel gebauet, um die Stadt zu verschönern, und bey dem allen ist doch das Schloß nichts weniger als hübsch. Man muß sogar eine kleine Windeltreppe hinaufkriechen, um in die Zimmer des Fürsten zu kommen, welches, im Vorbeygehen zu sagen, bey Hofe eine gefährliche Sache ist. Denn da man schon behauptet, daß die Wände der Vorzimmer Ohren haben, wie vorsichtig muß da nicht ein Hofmann mit
Hier in Cassell ist alles nach französischem Schnitte. Die Hälfte der Einwohner ist auch wohl von dieser Nation, und der Ton in allen Gesellschaften und am Hofe also gestimmt.
Der Hof ist glänzend und zahlreich, und wer daran dient, wird gut, und Mancher sehr reichlich bezahlt.
Das Orangerie-Schloß und der große Park sind ein herrliches Werk; doppelt schön, weil man immer Menschen, zu Fuße, zu Pferde, und in Kutschen daselbst sieht. Denn
Wilhelmsthal, ein Lustschloß nicht weit von hier, welches des jetzigen Landgrafen Herr Vater gebauet hat, so prächtig und artig es auch gebauet und verziert ist, gefällt mir, seiner Lage nach, und überhaupt gar nicht.
Hier haben wir aber ferner Bibliothek, Cabinet, Bildergallerie und so viel Dinge gesehen, daß ich lange darüber reden könnte, wenn ich Ihnen eine Reisebeschreibung liefern wollte, und wenn Sie nicht, mein theuerster Pflegevater! in Ihrem Leben so viel Schönes gesehen hätten, daß Ihnen dergleichen gar nicht fremd seyn kann.
Weil Sie mir erlaubt haben, über alles, was ich sehen würde, mein Jünglings-Urtheil
Es ist wahr, daß man anfängt die gothischen Verzierungen abzuschaffen, aber man trift, dünkt mich, noch immer nicht den geraden Weg der Natur und Schönheit. Daß man, zum Beyspiel, etwas, das den Kopf eines großen Nagels vorstellen soll, mit einer Rose verziert, lasse ich gelten, daß man aber hin und wieder Widderköpfe, die man in den Metopen der dorischen Friese an den alten Tempeln und an Opfergefäßen und Sarcophagen sehr schicklich angebracht gefunden hat, jetzt an Consol-Tischen und Theemaschinen schnitzt, das ist lächerlich und ekelhaft. Unterdessen scheint mir diese Sache nicht so unwichtig zu seyn, als man sie gewöhnlich ansieht, und ich bin überzeugt, daß jemand, der von Jugend auf nichts als richtige,
Unsre Kleidertracht ist, leider! auch eins von den traurigen Stücken, die unsre Barbarey auf die Nachwelt verewigen werden. Wie sehr könnte man sich aber irren, wenn man in einigen Jahrhunderten, nach unsren Münzen und Kunstwerken unsre Kleidungen beurtheilen wollte! Ein fleissiger Conrector mögte alsdann über eine braunschweigische Pistolette ein schönes Werk von den Panzern des achtzehnten Jahrhunderts schreiben. Das Gemälde eines geharnischten Landjunkers und eines Gelehrten, der einen Mantel, den er nie trägt, um seinen Bauch geschlagen hat; des Landgrafen Carls Bildsäule, welche die französischen Colonisten demselben haben errichten lassen, und an welcher über ein griechisches Gewand her der dänische Elephanten-Orden hängt; das alles beleidigt Augen, welche den Sinn für Wahrheit und ächte Natur haben.
Ihr
Ich erstaune, verehrungswürdigster Gönner! über des Herrn von Hohenau allgewaltige Beredsamkeit, wünschte aber herzlich, er hätte seine Abhandlung etwas mehr in die Kürze gezogen, damit ich nicht hier so klein, wie ein Magister, schreiben müßte, um nicht noch einen Bogen anzulegen.
Im Grunde gefällt mir indessen, was er gesagt hat, recht gut, obgleich ich dem jungen Herrn das nicht merken lassen darf, denn wozu wäre ich denn sein Hofmeister, wenn ich nicht an allem etwas zu tadeln fände, was er nur unternimt?
Unser junger Held ist ganz von Cassell eingenommen. Nun! ganz Unrecht hat er auch wohl nicht, obgleich seine Sinne leichter bezaubert werden, als die meinigen.
Bekanntschaften haben wir hier wenig gemacht. Während eines so kurzen Aufenthalts sich bey Gelehrten aufzudringen, dabey kömmt nicht viel mehr heraus, als daß man ihnen ein Paar kostbare Stunden stiehlt; unter den Officiers hingegen haben wir sehr feine, sitsame, wackre und bescheidene Leute angetroffen, wovon wir wohl Einige, wenn wir öfterer hierher kommen, näher kennen zu lernen suchen werden.
Die Bibliothek hat wenig sehr Merkwürdiges. Der Landgraf hat aber eine schöne
Was der Herr von Hohenau von dem hier herrschenden französischen Tone schreibt, ist sehr wahr. Mich hat das aber nicht gefreuet. Ueberhaupt ist es ein großes Elend, daß itzt der Deutsche sich wenig um einen eigenthümlichen, festen Character bekümmert. An einem Orte, wo etwa eine englische Prinzessinn ist, muß alles geengländert seyn, und drey Meilen von da findet man wieder ein kleines Volk von Halbfranzosen. Wenn werden wir einmal anfangen einen eigenen Weg zu gehen? Die allgemein in Deutschland nachgeamte feine politische und galante französische Lebensart, der Ton von falschen Artigkeiten und von verbindlichen Dingen, welche
Der arme Müller weiß noch nicht recht, wie er das Ding hier angreifen soll. Könnten Sie, mein theuerster Wohlthäter! nicht etwas für ihn thun? Mein junger Freund wollte Sie schon darum bitten, aber er hat den Muth dazu nicht. Er sagt, man müsse nicht immer auf Ihre Wohlthätigkeit losstürmen. Doch, kenne ich Sie denn nicht,
Mein Papier geht zu Ende, in ein Paar Stunden wollen wir fort, und gegen Abend sind wir in Göttingen, denn die Wege sind ziemlich, und werden bald vortreflich werden. Auch durch Hessen wird, wie ich höre, der Landgraf, der so viel für das gemeine Beste thut, alle Landstraßen bauen lassen, welches sehr nöthig seyn mag.
Habe ich doch kaum noch so viel Platz, den Nahmen zu schreiben,
Ihres
Meyer.
Ich habe würklich schon angefangen, einige Hauptscenen aus meinem Leben aufzuzeichnen. Wenn das Ganze fertig ist, werde ich so frey seyn, es Ihnen zu schicken. – Aber Toleranz! Toleranz!
Meine hertzlich liebe und werthe Jungfer!
In der Hofnung, daß diese wenigen Sie werden in guten Gesundheits-Umständen antreffen, kann ich nicht unterlassen, an Sie zu schreiben, wie ich versprochen habe, wiewohl dieses spät, welches zu excusiren bitte, Ursach dessen, weil wir in Cassell gewest seyn.
Ach! meine liebe Jungfer! was ist das vor eine charmante Stadt, und für ein excellent Leben in dem Cassell! Und alles ist so conduite gefunden werden soll in dem Cassell, doch ist keine so hübsch, als meine liebe Herzens-Jungfer Sievers.
Ich habe auch ein Paar Kummedien gesehen, aber das hat mir, die Wahrheit zu sagen, nicht gefallen wollen. Da war Eine, die sollte ganz unschuldig thun, und liebäugelte doch immer nach einem Officier, von den großen schönen Ofciers, die der Herr Landgraf sich hält. Was sie sagten, das verstand ich eigentlich nicht, obgleich ich ein bisgen
Göttingen ist gar nicht schön, aber die Herrn Pursche seyn doch sehr lustig. Spazieren gehen kann man gar nicht, denn es ist hier kein Garten. Wenn mein Herr sich im Sommer wird wollen eine Verlustirung machen; so wird er müssen ausreiten auf ein Dorf, und da ist auch kein gut plaisir. Die Herrn Professors sollen nicht sehr lustig in Gesellschaft seyn, und haben alte Frauen. Es ist gewaltig theuer hier, und die Juden wird man gar nicht los. Sie betrügen die Herrn Studenten gar abscheulig, aber das darf jedermann hier thun, besonders der eine Gumprecht das ist ein rechter Schelm. Mein Herr und Herr Meyer die gehen nicht viel aus, ausser in die Collegi, und dann, so
Adje, meine herzliebe Jungfer! Ich schreibe heute keinen weitläuftigen Brief, weil ich meines Herrn seine neue Stiefel in Glänz-Wachs setzen muß; so kann ich Ihr heute keinen längeren zufügen.
Mein lieber Hohenau!
Du wirst ein Paar Zeilen von mir bey Deiner Zurückkunft in Göttingen gefunden haben, und eben erhalte ich auch des Herrn Meyers kleinen Brief,
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darinn er mir den Anfang Eures Fleißes meldet. Ich habe aber nicht ehr als itzt Muße gehabt, auf jeden Punct in Deinem und Deines lieben Mentors Briefen zu antworten. Wir wollen nun einen Vertrag zusammen machen: Ihr sollt mir immer nur gemeinschaftlich Einen Brief schreiben, und so will auch ich, wenn
Ich wundre mich gar nicht, daß Dir Cassell so sehr gefallen hat. Ich habe dort auch manche fröhlige Stunde gehabt, und kenne den Landgrafen, denn ich habe viel an seinem Hofe und sonst mit ihm in Hamburg und Braunschweig gelebt.
Einige Deiner Anmerkungen über diese Stadt haben mir sehr gefallen; laß mich nur eine kleine Erinnerung dabey machen, die Dir indessen nicht neu seyn wird. Hüte Dich nemlich, an einem fremden Orte gar zu genau nach kleinen Umständen zu kundschaften, welche die Regierungsart, Hof- und Stadt-Annecdoten u.d. gl. angehen. Man kann dadurch oft in große Verlegenheit kommen. Ueberhaupt rede davon, von Krieg und Frieden, vom Wetter, von Verwandtschaften, von Vorzügen Deines Vaterlandes u.s.f. so wenig,
Es würde dem Landgrafen von Hessen ein großer Schatz seyn, wenn Dein romantisches Münden ihm zugehörte, weil dadurch seine Schiffahrt uneingeschränkter würde. Vielleicht könnte Hannover sich auch wohl dabey befinden, wenn es einen Tausch gegen das schöne Schaumburgische zu Stande brächte. Doch gäbe es wohl Mittel, wodurch der Landgraf die Handlung der Mündenschen Schiffer und Kaufleute ziemlich lahm legen könnte. Da ich aber nicht davor bezahlt werde, denen deutschen Fürsten Projecte zu
Des Landgrafen Character mußt Du aus dem Munde eines Mannes haben schildern gehört, der ihn gewiß nicht miskannt hat. Uebrigens, mein liebes Kind! wünsche ich, daß Du Dich nie von denen mögest hinreissen lassen, die, wie es jetzt sehr Mode ist, so gern Fürsten lästern. Du weißt nicht, mein Sohn, wie verkehrt diese Art Menschenkinder erzogen wird, und wie billig es also ist, Geduld mit ihnen zu haben. Die offenbaren Schmeicheleyen sind eben nicht das, was sie am mehrsten verderbt, denn gegen die Würkungen, welche dadurch verursacht werden, kann ein kluger Hofmeister noch einen jungen Prinzen mit edlem Stolze und Grundsätzen wafnen. Allein die kleinen unmerklichen Eindrücke, welche sein Character durch den stillschweigenden Beyfall bekömmt, welchen, dem Anschein
Es ist sehr wahr, was Sie, mein lieber Meyer! über den verschiedenen Ton, über die verschiedenen Grade der Cultur, und über die verschiedenen Sitten der kleinen deutschen Völker sagen. Einem Fremden muß das besonders sehr auffallen. Aber dies wird wohl immer ein pium desiderium bleiben, solange unsre Regierungsformen so mannigfaltig, und unsre Verhältnisse mit auswärtigen Höfen so ungleich bleiben. Im Grunde denke ich doch, auch der Deutsche hat immer so etwas Characteristisches, selbst wenn er nachahmt, das den Geschmack des Bodens behält. Und glauben Sie ja nicht, daß wir die einzigen Affen andrer Nationen sind, und daß nur in unsrem Vaterlande keine Einheit von Nationalgeist
Nun etwas von dem armen Müller! Seine Geschichte hat mich gleich anfangs interessirt, wie ich Ihnen das schon gesagt habe, und sein durch traurige Erfahrungen geformter Character, wie Sie ihn da beschreiben, hat etwas Herzergreifendes für mich.
Auch die Beständigkeit in Ueberwindung der Hindernisse ist mir ein schöner Zug in Müllers Character. Ohne diesen edlen Eigensinn bringt man es überhaupt nie zu etwas Großen.
Ich könnte Dir böse darüber seyn, mein lieber Sohn! daß Du nicht das Zutrauen zu
Da ich nicht gern eine Gelegenheit vorbeylasse, Dir die süße Pflicht der Wohlthätigkeit zu empfehlen; so laß mich hier noch ein Paar Worte darüber sagen!
Gieb jedem Armen ohne Unterschied. Also schlage keinem, der Dich um etwas anspricht, eine kleine Gabe ab, so lange Du etwas hast. Bestelle auch nie bey Deinen Bedienten, daß sie sagen sollen, Du seyest nicht zu Hause. Das thun nur hartherzige und falsche Menschen. Deine Thür sey jedem offen. Kömmt ein zudringlicher, langweiliger Mensch; so giebt es schon Mittel, seiner bald los zu werden,
Nach dieser kleinen Ausschweifung will ich mich erklären, was ich, in meinen Umständen, für den Herrn Müller thun kann. Wenn einer von seinen Söhnen über vierzehn Jahr alt ist, so mag er mir denselben schicken; ich will für seinen Unterricht und dafür sorgen,
Ich sehe mit Ungeduld Ihrer Lebensbeschreibung entgegen, mein lieber Meyer! und um Ihnen zu zeigen, wie dankbar ich für dies Geschenk seyn werde; so will ich
Erwarten Sie keine Antwort auf die Nachricht von der Einrichtung Ihrer Studien. Sie wissen meinen ganzen Erziehungsplan für den jungen Hohenau. Gelehrt wird man nie auf Universitäten; Er soll dort nur Metode lernen, selbst arbeiten und einsammlen zu können; Er soll aus den Beyspielen
Da ich ferner weiß, daß in Göttingen eine sehr gute, ächte Freymaurer-Loge ist; so ersuche ich Sie, Sich bey derselben zu melden, um beyderseits aufgenommen zu werden. Sie werden, hoffe ich, dagegen nichts einzuwenden haben; Sie sind ein zu gescheuter Mann, um gegen eine Sache eingenommen zu seyn, welche Sie nicht kennen, und womit sich so viel kluge und gute Männer beschäftigen. Meine Ursachen aber, warum ich wünsche, daß Sie und unser Pflegesohn aufgenommen werden mögen, kann ich Ihnen itzt nicht sagen. Sie werden sie einst,
Nun will ich diesen langen Brief schliessen. Lebt recht wohl, Ihr guten Leute! und vergeßt nicht
Ich bekam gestern, mein lieber Mann! Deinen Brief und die Nachricht von Deiner weiteren Reise. Du kannst leicht denken, wie sehr mich jede Erzählung von einem neuen mislungenen Plane beunruhigt, da unsre und der armen Kinder Hofnung Tag und Nacht auf Deine Ausrichtungen ruht. Gott gebe Dir gute Aussichten in Cassell. Ich denke, wenn Du es nur recht anfängst; so müßte es doch irgendwo gelingen. Nur kann ich nicht begreifen, wie Du es noch mit den Reisekosten und der Zehrung machst. Die Ringe und die goldene Uhr werden nun auch wohl fort seyn, die ich Dir in den guten Zeiten schenkte, wie ich noch für nichts zu sorgen
Deine
Meine ewig theure Sophie!
Warum kann ich nicht mit diesem Briefe zu Dir hinfliegen, Dich an mein treues Herz drücken, und Dir sagen, wie viel dies arme Herz seit unserer Trennung leidet! Ach Sophie! Es ist erstaunlich hart, von dem besten Mädgen getrennt zu werden – Und wenn werde ich Dich wiedersehen? Mein Oncle rechnet darauf, mich wenigstens ein Paar Jahre bey sich zu haben – Aber, Gott weiß, ich kann das nicht. Wenn ich so einsam auf meinem Zimmerchen sitze, und nach Deinem Bilde, das immer vor meinen Augen schwebt, voll süßer Schwärmerey, die Arme ausstrecken will, und dann der Gedanke,
Der Mond scheint so schön durch mein Fenster. Ich will es öfnen – Ach! vielleicht
Indem ich vom Stuhl aufgestanden war, und meine nassen Blicke auf den kleinen Garten heftete, der unter meinem Fenster liegt (denn ich wohne im Hinterhause); sahe ich quer über ein Kätzgen zu ihrem Freunde schleichen – Glückliches Kätzgen! – Sophie! lache nicht über mich! Liebe, Liebe schallt unaufhörlich in jeder meiner Nerven. Alles, was ich sehe, giebt dieser schönen Leidenschaft Nahrung. Gute Nacht!
Ich stehe eben auf, und mein erster Gedanke ist, mit meiner Freundinn zu plaudern. Noch immer habe ich Nacht und Tag den Kern von der eingemachten Kirsche im Munde, den Du mir aus Scherz gabst, als ich, zwey Tage vor meiner Abreise, bey Deinen Hausleuten speisete.
Erinnerst Du Dich noch, meine Sophie! wo wir uns zum erstenmal sahen? Als Du mit Deiner Mutter in Mastricht warst, da besuchte ich Euch im Gasthofe. Ich war erst vierzehn Jahr alt, und bey dem Secretair Agtstädt in Pension – Es sind nun acht Jahre – Weißt Du es noch? Wir waren in einer grünen Eckstube. Deine Mutter verließ uns auf kurze Zeit, um mit einem Geschäftsmanne zu reden; ich blieb allein bey Dir. Ach! bestes Mädgen! Von dem Augenblicke an pochte mein Herz lauter. Wenn Du Deine lieben sanften Augen auf mich heftetest; so konnte ich nicht Ein zusammenhängendes Wort hervorbringen – O Sophie! Du mußt mein werden, Du bist ewig mein. Der Himmel schuf uns für einander. Wie oft hat uns, bey den kleinsten Begebenheiten, die Aehnlichkeit unserer Gefühle
Nie habe ich so den hohen Werth der Musik gefühlt, als itzt. Wenn mein schweres Herz, in trüben Augenblicken, sich nach Dir
Als ich Abschied von Dir nahm, da senktest Du Dein liebes Haupt auf meine Schulter. Es war Puder aus Deinen Haaren auf mein braunes Kleid gekommen. Gestern nun hat mein unempfindlicher Kerl von Bedienten all den lieben Puder abgebürstet; Ich hätte vergehen mögen, als ich sah, daß es geschehen war.
Ich muß schliessen. Mein Oncle läßt mich rufen, und in ein Paar Stunden geht die Post ab. Vielleicht bekomme ich morgen ein Briefgen von Dir. Du weißt doch noch, wohin Du die Briefe addressiren sollst, und zwar mußt Du dabey setzen: »Am Jungfern-Stie ge bey dem Herrn Prinzhausen abzugeben,
Was für Nachricht hast Du von Deinem unglücklichen Vater? Ich armer Junge! daß ich nicht Herr über mein elendes Vermögen bin! – Doch, was hilft das Schwätzen? –
Lebe wohl, mein Engel! meine süße theure Sophie! Ich bin ewig
Meine liebe Frau!
Es thut mir in der Seele leid, daß Dir das Fehlschlagen meiner Plane so viel Kummer macht. An Mühe laß ich es wahrhaftig nicht mangeln, und glaube auch, es nicht unrecht anzugreifen. Dabey lasse ich mich durch keine Schwierigkeiten abschrecken, reise fast immer zu Fuß, spare, wo ich kann, und leide, wo ich muß. Aber das Glück begünstigt meine Unternehmungen nicht. Gott weiß am besten, in welchem Gemüthszustande ich oft bin, und freylich trägt ein solcher Brief, wie Du mir ihn geschrieben hast, nicht dazu bey, mich ruhiger zu machen.
Obgleich ich nun daselbst vorerst wohl schwerlich mehr als eine Versorgung für meine eigene Person vor mir sehe, für die Meinigen aber noch nichts; so habe ich doch kein Bedenken tragen können, dies grosmüthige Anerbiethen mir zu Nutze zu machen, denn ich bekenne Dir's gern, daß mein Geld nun gänzlich verzehrt ist. Man wird mir aber Pferde und Reisegeld schicken. Sobald
Darauf kannst Du fest bauen, meine liebe Frau! daß Dein und unsrer Kinder Glück mir mehr als meine eigene Ruhe am Herzen liegt. Sieh also nur vorerst zu, wie Du noch eine Zeitlang nebst den beyden Kleinen von der Hülfe, die Euch gute Menschen reichen, lebest. Das aber, mein Kind! sollte Dich itzt wohl am wenigsten rühren, was eitle Menschen darüber reden können, daß Du nicht mehr mit Glanz unter ihnen herumfährst. Das einzige wahre Glück liegt doch wohl in der Rechtschaffenheit, in der Ruhe des Herzens, und beruht nicht auf Vorurtheile.
Die Uhr habe ich nicht verkauft. Ich hatte hier die Freude, einen alten Bekannten zu finden, den Cammerdiener des würdigen
Was den Brief betrifft, den Sophie verlohren hat; so hat das weiter nichts auf sich. Die Hand war leicht zu erkennen. Sage ihr aber nur gar nichts darüber, denn ich habe alle desfalls nöthigen Schritte gethan.
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Auch wegen Ludwigs Aufführung habe ich mich an einen verständigen Freund gewendet.
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Dein
Hochgeehrtester Herr!
Die Ursache, warum ich Ihnen mit diesem Briefe beschwerlich falle, ist gleich wichtig für Sie und mich, also entschuldige ich die Freyheit nicht, welche ich mir nehme.
Es ist nemlich, durch einen Zufall, ein Brief, welchen meine älteste Tochter (der, wie Sie wissen werden, Herr und Madam Bovi die Erziehung ihrer Kinder anvertrauet haben) von Ihrem Herrn Sohn aus Hamburg bekommen hat, in meine Hände gefallen. Dieser Brief nun ist in Ausdrücken geschrieben, welche klar genug beweisen, daß
Sie wissen, mein Herr! daß unsre Kinder, in meinen glücklichen Tagen, früh mit einander bekannt geworden, und so zusammen aufgewachsen sind. Unsre beyderseitigen Geschäfte haben uns verhindert, genauer auf ihre kleine Schritte Achtung zu geben, und das Zutrauen, welches wir sicher auf sie setzen dürfen, kann uns auch Bürge dafür seyn, daß nur die unschuldigste Liebe diese jungen Leute vereinigt hat. Allein wir haben auch Beyde Ursache, den unglücklichen Folgen dieser heftigen Leidenschaft vorzubeugen.
Unter andern Umständen würde mir eine Verbindung mit Ihrem Hause, durch einen so wackren jungen Menschen, als Ihr Herr Sohn ist, Ehre und Glück seyn – Aber Sie kennen itzt die Lage, darinn ich bin, daß ich
Deswegen nun halte ich es vor Pflicht, Ihnen diese Entdeckung mitzutheilen, damit wir gemeinschaftliche Maaßregeln dagegen nehmen können. An meine Tochter habe ich heute auf eine Art geschrieben, welche ich für die einzige würksame halte, um ihren Verstand gegen die Verirrungen ihres Herzens zu Hülfe zu rufen, ohne das Uebel ärger zu machen.
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Was Sie in Ansehung Ihres Herrn Sohns thun wollen, muß ich Ihrer Klugheit überlassen, und glaube also, nicht nöthig zu haben, Ihnen noch in Erwegung zu bringen, daß diese ganze Sache wohl mit Verschwiegenheit, Sanftmuth, und überhaupt mit nicht gemeiner Vorsichtigkeit wird geführt werden müssen. Das alles werden Sie Sich
Also bedarf ich nichts mehr hinzuzufügen, als die Versicherung der vollkommensten Hochachtung, mit welcher ich zu verharren die Ehre habe,
Ihr
Gestern, mein theuerster Wohlthäter! ist Herr Müller hier angekommen. Die Pferde für ihn waren schon da, und haben uns Ihren gnädigen Brief und das Paquet mit dem Reisegelde für den armen Commerzienrath,
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der ganz verstummte, als er die wahrhaftig großmüthigen Proben Ihrer Freygebigkeit sah, richtig überbracht. Er wird Ihnen am besten von unserm Befinden mündlich Nachricht geben können, und da er morgen
Mein Vater war Verwalter auf den Gütern des Grafen von ... im ... Weil nun sein Herr ihn sehr liebte, und ich, als ein lebhafter Knabe, demselben auch wohlgefiel; so erlaubte der alte Graf meinem Vater, mich mit denen jungen Herrn einerley Unterweisung auf dem Schlosse geniessen zu lassen. Also wurde ich mit denselben zugleich in Sprachen, Wissenschaften und Leibesübungen unterichtet, stand mit ihnen unter einem Hofmeister, speisete mit der gräflichen Familie an Tafel, und wurde, mit einem Worte, vollkommen so erzogen, als wenn mich das Schicksal zu einem höheren Stande bestimmt hätte.
Ich darf es ohne Eitelkeit sagen, daß ich in allen Kenntnissen geschwindere Schritte
Anders verhielt es sich mit den jungen Leuten. Der älteste war zwar von einer guten, milden Gemüthsart, und ausser daß er sich etwas auf seine hohe Geburth zu gut that (woran seine Mutter allein Schuld war); so hatte er doch einen Grund von Rechtschaffenheit, und Gefühl für Freundschaft, so daß wir immer ganz einig lebten. Der jüngste hingegen war stolz, eitel, heimtückisch, falsch, und weil er selbst Genie, aber nicht Fleiß genug besaß, dies Genie zu nützen; so konnte er nicht ertragen, daß ein Knabe, der nur aus Barmherzigkeit mit ihm einerley Erziehung genoß, eine vortheilhaftere Rolle als er
Er urtheilte nach kleinen Zügen, daß derselbe nicht eben aus wahrer Neigung viel bey mir wäre, und weil er überhaupt merkte, daß ich ihm im Wege seyn würde; so ließ er sein erstes Augenmerk seyn, uns zu entzweyen, und das konnte ihm nicht schwer fallen.
Er drängte sich ein paarmal bey unsren Spaziergängen herzu, bath uns, ihn mitzunehmen, erboth sich, uns Gegenden zu zeigen, die wir noch nicht kennen würden, und führte uns dann in nahe vor den Thoren gelegene Wirthshäuser, unter dem Vorwande, eine Erfrischung zu nehmen. Dort fanden wir gewöhnlich einen ganzen Haufen seiner treuen
Obgleich nun in den Häusern, in welche sie zusammen giengen, stark gespielt wurde, und fast immer sich liederliche Frauenzimmer fanden; so war doch der junge Graf zu flüchtig, sich ernstlich dem Spiele, und noch ein bisgen zu neu in der Welt, zu furchtsam, zu schamhaft und zu sitsam erzogen, um sich den Ausschweifungen mit dem andren Geschlechte so bald auf eine grobe Art zu ergeben.
Meine Vorstellungen gegen diese Lebensart erbitterten ihn aufs Aeusserste. Ich suchte mit dem ältesten Bruder gemeinschaftliche Sache zu machen, allein dieser hatte zu wenig Thätigkeit, zu wenig Verstand, und ließ sich von seinem jüngsten Bruder stets überschreyen, es schien mir also nichts sicherers
Was ich indessen hauptsächlich fürchtete, war, daß der junge Mensch sich eine schriftliche Heyraths-Versicherung mögte ablocken lassen. Um nun, bey diesen Umständen, einen Mittelweg zu wählen, nahm ich mir vor, geradezu mit dem Vater des Mädgens zu reden. Allein, wie sehr wunderte ich mich, als ich diesen alten Wucherer (der nur darauf zu warten schien, seine Tochter auf diese Art los zu werden,) ganz gegen mich eingenommen fand!
Mit Einem Worte! nachdem ich drittehalb Jahre eine so unangenehme Rolle als möglich hatte spielen müssen, brach alles gegen mich aus. Der junge Graf, dessen Gläubiger unruhig wurden, wandte sich an seine
Ich mußte also nun, ohne Aussichten zu haben, Mittel suchen, irgendwo meinen Unterhalt zu finden. Als ich in diesen Umständen mich befand, war ich kaum ein und zwanzig Jahre alt. Mein ganzes Vermögen bestand in einem kleinen Beutel, darinn Pathen-Geschenke und etwas erübrigtes Geld war, welches zusammen eine Summe von vierzehn Louisd'ors ausmachte. Uebrigens war ich ganz gut mit Kleidern und andren Dingen von einigem Werthe versehen, als Degen, Uhr und Schnallen, die ich etwa im Nothfalle hätte zu Gelde machen können.
Leipzig war mir so wiedrig geworden, daß ich glaubte, nicht genug eilen zu können, um es zu verlassen, zumal mich viel Leute mit Verachtung ansahen, und ich theils zu stolz, theils zu delicat dachte, die wahren Umstände meines Schicksals jedem zu erzählen, oft
Ich war mit einem jungen Frauenzimmer aufgewachsen, welche die Tochter eines Beamten in unsrer Gegend war. Die vortheilhaften Umstände, unter denen ich in des Grafen Hause erzogen wurde, und die Zufriedenheit meiner Lehrer mit meinem Fleisse, zogen die Aufmerksamkeit der Eltern der jungen Wilhelmine auf mich. Sie glaubten voraus zu sehen, daß ich gewiß einst durch meines Wohlthäters Vorsprache eine gute Bedienung erhalten und in den Stand kommen würde, eine Frau anständig zu ernähren. Deswegen sahen sie es mit Vergnügen, wenn wir
Verzeyhen Sie, mein theuerster Herr! wenn ich hier einen Augenblick abbreche, um Ihnen ein Paar Züge aus dem Bilde dieses lieben Mädgens zu entwerfen.
Wilhelmine war zwey Jahr jünger als ich – Wenn man seine eigene Geliebte beschreibt; so scheint das Lob, welches man ihr giebt, freylich leicht verdächtig, allein, ich
Von einem solchen Mädgen nun, dessen Vollkommenheiten und Talente sich mit jedem Jahre entwickelten, und so vieler Menschen Aufmerksamkeit auf sich zogen, allein geliebt zu werden, das war mir ein Gedanke, der meiner Seele Federkraft gab, mich mit dem Bestreben, ihrer würdig zu werden, und mit der seligsten Wonne, über die hinreissende Sympathie unsrer Gemüther, erfüllte. Hätte ich jemals fürchten können, daß ein grausames Schicksal mir dieses Glück rauben würde! – Doch, zur Sache! Als ich nach Leipzig reisen mußte, gieng ich noch den Abend vorher in ihr Haus, küßte ihren Eltern mit innigster Rührung die Hände, sagte ihnen, wie fest mein Vorsatz sey, mich so zu betragen, daß sie sich nicht sollten schämen dürfen, mich ihren Sohn zu nennen, ein Titel, den sie mir immer schon im Scherz
In der ersteren Zeit gieng unser Briefwechsel auch sehr ordentlich, als aber wenig Monathe nachher der Krieg ganz Sachsen überschwemmte, mußte ich oft lange Zeit zubringen, ohne etwas von meiner Geliebten zu hören, und ohne zu wissen, ob sie meine Briefe bekommen hätte. Nach und nach gewöhnte ich mich aber an diese Unannehmlichkeit, wie man sich am Ende an alles gewöhnt. Da ich ihr nun, bey unserm seltenen Briefwechsel, immer genug von meiner Liebe zu schreiben hatte, und ich ihr zärtliches Herz kannte; so wollte ich meinen Verdruß mit dem jungen Grafen nie zum Inhalte meiner Briefe machen, bis endlich das ganze Ungewitter über mich ausbrach, da meldete
Ich war kaum in Halle angekommen, als ich in die Arme meines Freundes flog – Aber ach! ich fand ihn auf dem Sterbebette. Ein hitziges Fieber hatte in wenig Tagen den blühendesten Jüngling an die Pforten des
Es war an einem schönen Abend im Monath Junius des Jahrs 1759, als ich in ihrem Dorfe ankam. Ich eilte zum Amthause hin, fragte nach dem Amtmann, nach der Frau, nach Wilhelminen – sie waren Alle ausgefahren. Wenigstens wollte ich den Platz segnen, wo sie zu sitzen pflegte, den Ort betreten, wo sie wandelte – ich war immer wie der Sohn des Hauses gewesen – also flog ich auf ihr Zimmer. Die Magd, welche mich begleitete, sah wohl verlegen aus, aber das hatte ich nicht bemerkt. Ich trat in
Sinnlos, wie vom Blitz getroffen, stand ich nun da einen Augenblick, dann rafte ich mich zusammen, stürzte mich, ohne ein Wort zu sagen, wieder die Treppe hinunter, aus dem Hause, aus dem Dorfe, und ohne zu wissen wohin ich gerieth, kam ich in ein nahes Wäldgen, in welchem ich oft Hand in Hand mit dem besten Mädgen spazieren gegangen war. Hier erwachte ich zuerst aus meiner Betäubung, fühlte nun die ganze Gewalt meines Jammers, warf mich zur Erde, und weinte bitterlich.
So hatte ich die Nacht zugebracht, als ich früh des Morgens in der Nähe Trommeln
Die Menge der Geschäfte, worinn ich während des Kriegs gewesen war, hatten unterdessen nach und nach meinen Schmerz über die vergangenen Schicksale gemildert, und von Wilhelminen habe ich nie wieder etwas gehört, mich auch nicht weiter erkundigen mögen, weil es mir unnützen Kummer machen würde, wenn ich erführe, daß es ihr nicht wohl gienge, und weil ich überhaupt nicht gern eine alte Wunde aufreissen mögte.
Der Fürst, dem ich nun diente, hatte eine liebenswürdige Gemahlinn, das beste Weib auf der Welt, ganz geschaffen das Glück eines Privatmanns zu machen, und häusliche Freuden
So waren sechs Jahre verflossen. Unterdessen fieng die Fürstinn an kränklich zu werden, und ihr Gemahl, der sich nur mit ihrem Cörper vermählt hatte, empfand hierüber eine Langeweile, welche der Herr Favorite zerstreuen zu müssen glaubte, indem er befürchtete, sein gnädigster Herr mögte etwa, wenn er nichts bessers, in den Stunden, welche ihm vom Exercieren übrig blieben, zu thun wüßte, auf den unseligen Einfall
Um also seine leere Stunden auszufüllen, verschrieb man Schauspieler und Schauspielerinnen. Man sorgte dafür, daß unter diesen ein recht hübsches Mädgen war. Ein feiler niederträchtiger Cammerdiener mußte dem Fürsten oft von derselben reden – Mit einem Worte! man gesellte ihm eine Maitresse zu, und als er einmal Geschmack an diesem unschuldigen Vergnügen gefunden hatte, wurde bald jedes Jahr ein Kebsweib verabschiedet, und ein anderes angenommen. Die Finanzen litten dabey eben nicht, denn man zog die Summen, welche dieser fürstliche Aufwand erforderte, denen Dienern von ihrem Gehalte ab, welchen man zu groß fand.
Hierdurch änderte sich aber der Ton am Hofe gänzlich. Statt daß hier ehemals, wenigstens
In diesen Umständen waren die Sachen, während des Krieges, geblieben, da der Fürst mehrentheils die Winterquartiere, nebst seinem Adjudanten, in seiner Residenz zubrachte,
Ich habe vorher gesagt, daß ich durch des Adjudanten Hülfe in des Fürsten Dienst gekommen, und daß derselbe ein wackrer vernünftiger Mann war. Er gewann auch würklich in meinen Augen, je mehr ich ihn kennen lernte, wir schlossen bald eine Freundschaft, und es entstand eine Vertraulichkeit unter uns, die das Einzige war, welches das mir so ganz ungewöhnte Hofleben erträglich machte, denn der Fürst hatte mir einen Titel gegeben, der mich in den Stand setzte, am Hofe erscheinen zu können.
So klein nun das Höfgen war; so fehlte es doch nicht an Intriguen und Partheyen unter denen wenigen Leuten, aus welchen er bestand. Des Favoriten Anhang war indessen, wie man denken kann, der stärkste, und dieser sorgte dafür, daß jeder, der einige
Den Adjudanten und mich schmerzte dieser Zustand des jungen Weibes. Wir sprachen oft davon, bemüheten uns, ihr wahre Ehrerbiethung und Zuneigung zu bezeugen, und ahndeten beyde nicht (so unerfahren waren wir in Hof-Intriguen!), daß das einst traurige Folgen für uns haben könnte, oder daß der Herr Favorit schon längst gern uns eine Schlinge gelegt hätte. Dieser schien im Gegentheil sich unserer äusserlich vorzüglich anzunehmen, und verschaffte uns auch alle Gelegenheit, uns bey der Fürstinn in Gunst zu setzen, weil er voraussah, was folgen würde.
Was war nun zu thun oder zu rathen? Der Favorit hatte itzt freylich die längst gewünschten Mittel in Händen, seinen Gegner zu stürzen, allein er war viel zu fein, um hier geradezu würksam zu werden. Er gebrauchte also allerley Mittel und Personen, die Sache noch verwirrter zu machen. Die arme Fürstinn wurde, selbst durch ihre unbesonnene Vertrauete, von den Ausschweifungen ihres Gemahls unterrichtet. Daraus entstand
Da hatte also der Favorit freyes Feld, und noch dabey gewonnen, indem itzt der Fürstinn Parthey, wenn sie ja dergleichen wieder gehabt hätte, nie gegen ihn, weil er das Geheimniß des Romans wußte, hätte handeln dürfen.
Ich war nunmehro wiederum aller Aussichten beraubt, unglücklich und angeklagt, ohne mich vertheydigen zu dürfen, nicht einmal gegen alle meine Freunde, um nicht unedel den Ruf eines Frauenzimmers blos zu geben. Ich schwieg daher lieber, ertrug ruhig alles, und lebte einige Wochen ganz still in Berlin, bis ich das Glück hatte, Sie, theuerster Wohlthäter! kennen zu lernen, der Sie mich, ohne einmal nach meiner Geschichte zu fragen, mit sich nach Urfstädt nahmen.
Da ist die Erzählung der Hauptbegebenheiten meines Lebens! Mögte das Schicksal endlich ermüden, sein Spiel mit mir zu haben! Ich bin in der That des Herumtreibens satt, und sehne mich nach Ruhe. Bey Ihnen, lieber Herr! werde ich diese Ruhe finden. Wenn die Erfüllung meiner Wünsche meinem Eifer entspricht; so bringe ich Ihnen nach einigen Jahren unsern jungen Zögling, durch Fleiß und Erfahrung zum Manne gebildet, in Ihr Haus zurück, und dann räumen Sie mir ein Cämmerchen in einem Ihrer Landhäuser ein, um den Rest meines Lebens in Bewundrung der Natur und Ergebenheit gegen den edlen Mann, der so viel Gutes um sich her schafft, hinzubringen.
Nur noch eine Bitte! Der junge Herr von Hundefeld hat uns ersucht, das Weinachtsfest auf dem Lande bey seinem Vater mit ihm zuzubringen. Ich halte es für ganz nützlich, den Herrn von Hohenau, nachdem ich ihm Cassell gezeigt habe, auch einmal wieder
Bester, theuerster Herr,
Ich schreibe Ihnen, mein guter lieber Freund! als ein Abgeordneter des Herrn von Leidthals, der durch Geschäfte verhindert wird, Ihnen selbst zu sagen, daß wir Ihnen noch Alle in Gnaden gewogen sind, und daß ich seit acht Tagen hier bin, um Ihrem Pflegevater etwas vorzuschwätzen, das ihn aufheitert. Dabey kömmt mir aber der Herr Müller, den Sie uns geschickt haben, sehr zu Hülfe. Der Mann gefällt mir gut, wenn er nur den verwünschten Commerzienraths-Titel nicht hätte! Ich will ihm aber einen andern verschaffen, denn Sie müssen bedenken, daß ich in genauer Verbindung mit viel deutschen Höfen stehe. Ich bin gereiset, das
Ich nahm den 1sten September dieses Jahrs Urlaub von meinem Chef, und reisete unter tausend Seegenswünschen mit der ordinairen Post bis auf die nächste Station vor ... Daselbst nahm ich, nebst meinem Bedienten, einen kleinen Courier-Wagen, und kam des Abends im Gasthofe an, brachte die Nacht angenehm in Gesellschaft von unzähligen Wanzen und Flöhen hin, und ließ mich den folgenden Tag bey Hofe melden. Der Miethlakay, den ich annahm, sah aus,
Ich fuhr an den Hof. Der Fürst war auf einige Tage auf ein Lustschloß gegangen, mithin war die Prinzeßinn mit ihrem Hofstaate allein da. Ich setzte kaum den Fuß in das Vorzimmer; so lachten schon Alle heimlich über mich. Nun! das mag ich wohl leiden. Ich habe so oft über andre Menschen gelacht, daß ich es schon vertragen kann, wenn man
Nun gieng ich zu der Hofdame. Ich wurde ein paarmal abgewiesen, endlich kam ich vor. Sie war etwa sechs und dreyssig Jahr alt, hatte manche Classe durchgelaufen, war einmal mit Vortheil cocket gewesen, aber
Als ich zu ihr in die Stube trat, lachte sie nicht, sondern schien im Gegentheil verwirrt. Es war nur ein altes Fräulein aus der Stadt bey ihr. Diese aber mußte uns hernach eine Pantomime spielen, welche Geld werth war. Denn so oft die Hofdame mir etwas Witziges sagte, mußte ihr das Fräulein Beyfall zulächeln, aber Ein Blick von mir zwang sie auch wieder, mir entgegen zu grinzen, wenn ich meinen Ausfall that. Hier ist ohngefehr unser Gespräch!
Ich. »Gnädiges Fräulein! ich komme hierher, weil mich der Herr Hofmarschall zu Ihnen geschickt hat, um mit Ihnen über ein gewisses Hof-Ceremoniel einig zu werden, dem ich mich habe unterwerfen müssen, welches mir aber ein bisgen schwer zu ertragen gewesen ist, und von dem nur Sie mich befreyen können, weil Sie allein, wie dieser ehrliche Mann mir gesagt hat, dasselbe eingeführt haben. Sie haben sich nemlich die Freude gemacht, jede meiner Bewegungen mit lautem Lachen zu bewillkommen. Ich hielt dies anfangs für eine allgemeine Etikette. Da man mich aber belehrt hat, daß nur Sie gewöhnt sind, die Fremden auf diese ganz eigene Art zu bewillkommen; so wende ich mich an Sie, um zu bitten, Sie mögen, wäre es auch nur um Ihrer selbst willen, diese Art mit mir umzugehen ein bisgen verändern.«
Die Hofdame: »Ich weiß nicht, mein Herr! Was Sie und Ihr Herr Hofmarschall wollen« –
Ich. »Stöhren Sie mich nicht, und lassen mir den Hofmarschall in Ruhe! Das ist ein creutzbraves Männchen. Er hat Recht, wenn er das Lächerliche, welches mir hier begegnet ist, nicht gern auf Unkosten des ganzen Hofs auswärts mag erzählt haben. Sie haben Sich diese Paar Tage hindurch so gegen mich betragen, daß Sie Sich nicht wundern müßten, wenn ich Ihnen hier sehr unangenehme Dinge sagte. Aber ich will einen leichteren Weg wählen. Hier bin ich! Sehen Sie mich an, und lachen Sie Sich hier auf Ihrem Zimmer, wo Ihnen eine jede Unanständigkeit erlaubt ist, satt über mich. Ich kann Ihnen sogar mein Portrait, zu Ergötzung in Nebenstunden, hier lassen. Aber keine Miene wieder zum Lachen über mich! Sie glauben nicht, was für ein verwegener Mensch ich bin.«
Die Hofdame. »Das sehe ich, daß Sie das sind, und noch nie bin ich also angeredet worden. Wenn Sie es aber denn
Ich. »Mein gutes Fräulein! Als ich funfzehn Jahr alt war, hatte auch ich unzählige böse Gewohnheiten von der Art. Aber, zum Henker! Wir sind, denke ich, Beyde sehr über die funfzehn hinaus.«
Die Hofdame. »Es ist also lange her, daß Sie funfzehn Jahre alt waren?«
Ich. »Sie sehen, daß ich kein Roth auflege, mithin kann ich niemand betrügen; ich bin sieben und zwanzig Jahr alt.«
Die Hofdame. »Das ist erschrecklich alt!«
Ich. »O! für einen Chapeaux nicht – Aber für eine Dame – Gott bewahre!«
In diesem Tone gieng die Unterredung fort. Endlich fieng sie an aus Bosheit zu weinen. Nun hatte ich sie genug gedemüthigt, also stimmte ich herab, schmeichelte ihr auf eine höchst gezwungene Art, bath um Frieden, und gieng fort.
Diese Unterredung hatte die erwünschte Würkung, und man lachte nicht mehr. Ich machte der Hofdame von dem Augenblicke an die Cour. Sie ließ sich nichts von der Scene merken, obgleich das alte Fräulein sie, aus christlicher Liebe, in der Stadt an zehn oder zwölf ihrer Freundinnen erzählt hatte. Ich war auf dem angenehmsten Fuße, die folgenden Tage hindurch, an dem Hofe, war immer äusserst munter, erwartete den Fürsten, der mir sehr gnädig begegnete, und reisete, ohne Ein Haar abzuschneiden, weiter nach ...
dictionaire philosophique; alle Deductionen aus dem vorigen Kriege; das ökonomische Wörterbuch; Musarion; Martii liber de magia, u.s.f. Der Oberhofmeister an diesem ganz französierten Hofe, sprach kein Wort französisch. Die Hofdamen waren ungeschliffene, tumme Dorf-Dirnen. Die Gespräche an der Tafel waren die allerlangweiligsten, und obgleich der Fürst gar keine ausländische Literatur hatte, und sogar selbst äusserst jämmerlich französisch redete; so wurde doch sehr oft auf die deutsche Sprache, auf unsre Literatur und unser National-Theater geschimpft. Dennoch kannte man nicht einmal unsre classischen Schriftsteller, und ich fand des Prinzen Büchersammlung, die er mir durch einen dicken unwissenden Bibliothekar zeigen ließ, ohngefehr in denselben Umständen, wie die des Oberschenken. Alles ekelte mich hier, doch erwartete ich einen
Das alles und unzählige andre Geschichtgen wurden mir in den ersten Tagen sub rosa erzählt, und eine solche allgemeine Gährung und Klatscherey, als hier herrschte, habe ich nirgendswo gefunden.
Ich beurlaubte mich nach einem fünftägigen Aufenthalte, und kam den 13ten September, Mittags um zwölf Uhr, bey erwünschtem Wohlseyn in ... an.
Ich gieng nach Tische in der Stadt spazieren, und fand, daß alles in derselben ärmlich und nahrungsleer aussah. Des Abends fuhren indessen viel Kutschen, wovon die Vergoldung aber zum Theil sehr matt aussah, weil sie schon manchen Herrn mogten gehabt haben, in das Schloß. Nach der Menge von Officieren zu urtheilen, die ich hie und da erblickte, hätte der Fürst eine große Armee haben müssen, allein man versicherte mich das Gegentheil, obgleich er noch immer, nach Verhältniß des armen Ländgens, zu viel hielt. Doch traf ich Haufen Soldaten in allen Gassen an, so daß ich mich des possierlichen Gedankens nicht erwehren konnte, man
Den folgenden Tag gieng ich an den Hof, wo alles vollkommen in eben dem Geschmacke war. Da sahe man ein ganzes Heer von nicht bezahlten Hofleuten, denen die Noth auf jedem Rock-Knopfe saß, nebst einigen Jünglingen, dergleichen, durch Eitelkeit geblendet, um etwa ein Schüsselchen zu tragen, viele an solchen Höfen sich Dienste geben lassen, wo sie alten Männern, welche ihr Vermögen längst im Dienste zugesetzt haben, vorgerückt, und dann, wenn auch sie in Schulden bis über die Ohren stecken, und um Gehalt bitten, in Gnaden entlassen werden, um andern Ankömmlingen Platz zu machen. Das nennt man an einigen Oertern: junge Leute bilden, sie den Dienst lehren.
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Die erste Dame in der Stadt war ein langes, hageres, unangenehmes Weib, mit einer großen Warze auf der Nase. Weil ihr Mann der Einzige von der Dienerschaft, der Vermögen für sich hatte, und auch in der That ein rechtschaffener, vernünftiger Mann war, folglich dem Hofe auf alle Art Ehre machte; so zog man die Frau sehr vor. Dies hatte aber eine so unleidliche Creatur aus ihr gemacht, daß man nicht wußte, ob man über sie lachen oder sich ärgern sollte. Ohne die geringste Erziehung zu haben, wollte sie in Allem den Ton angeben, Sprachen reden, die sie nicht verstand, sich in Geschäfte mischen, Leute in den Dienst bringen, und das
Eine andre von denen Stadt-Damen, eine Witwe, war durch schlechte Wirthschaft in große Schulden gerathen. Sie war hübsch, und da ihr sinkendes Vermögen ihr nicht mehr erlaubte, viel an Putz zu wenden, die Hälfte ihrer Garderobe auch gewöhnlich versetzt war, und die Schuldleute oft mit Verhaft droheten; so erfand sie allerley Finanz-Operationen, hielt sich reiche Liebhaber, unter Juden und Christen, die eine Zeitlang von ihr gerupft wurden, betrog im Spiele, und
Ich fand diesen Hof auf einen gelehrten Ton gestimmt. Jedermann sprach von Wissenschaften, Literatur und Künsten, und die Hofleute affectirten, immer zerstreuet und beschäftigt zu seyn. Die Hauptrolle aber spielte ein französischer Chevalier, der indessen, wie man mir sagte, einst Comödiant gewesen seyn soll. Diesen Aventurier hatte der erste Minister verschrieben, ein Mann, welcher für einen großen Geist und Weltweisen gelten wollte, dessen Haus eine Academie war, wo beständig ein Haufen windvoller Köpfe die Vorkammer ausfüllten, und einen jeden witzigen Einfall des Mäcenaten auffiengen. Dieser Minister machte sich eine Ehre daraus, öffentlich
Gerade an dem Tage, da ich ankam, wollte Abends der Hof ein französisches Trauerspiel aufführen, deswegen nun eilte ich, mich vorstellen zu lassen, um dies mit anzusehen. Es war Zaire, von Voltaire. Der Fürst, ein äusserst kalter Mensch, machte, wie sich versteht, den jeune amoreux, die ärgste Cockette in der Stadt, eine Hofdame, die mit Serenissimo sehr vertrauet war, spielte seine Zaire, und den Orosman machte der Chevalier, der eine ganz feine Stimme hatte. Das Ganze war in seiner Art würklich sehenswerth.
In der Stadt machte ich wenig Bekanntschaften. Ein Pärchen nahm ich indessen auf das Korn, welches mir sehr übel gefiel. Mann und Frau waren gleich gedreht, gleich weibisch, gleich gezwungen. Die Frau sprach immer ganz leise, und zierte sich gewaltig; Der Mann trug ihr stets ein seidenes Mäntelchen nach, damit sie sich vor jedes Lüftgen schützen könnte; Man roch ihren beyderseitigen Puder auf zwanzig Schritte; Uebrigens sagte man mir, er besorge allein den Haushalt und die Küche, sey überhaupt sehr geschickt, und könne, unter andern, über hundert Karten-Kunststücke. Und, denken Sie nur! auch dieser Mann war einst Gesandter eines großen Hofs gewesen, lebte itzt hier vor sein Geld, und wurde deswegen sehr vorgezogen.
Hier haben Sie, mein lieber Hohenau! einen Auszug aus meinem Reise-Journale! Denken Sie indessen ja nicht, daß ich nur das Lächerliche aufschreibe, wenn gleich ich, um Sie zu belustigen, Ihnen heute blos solche Bilder vor Augen lege! Nein, mein guter Mann! Ihr Freund, der gern über Thorheiten und Laster spottet, fühlt doch gewiß eben so lebhaft den ganzen Werth der Tugend und Schönheit, und ich habe auch auf dieser kleinen Reise viel schätzbare Menschen kennen gelernt, mit denen ich Sie gelegentlich bekannt machen will, und die bey mir in einem eigenen Buche verewigt stehen.
Nun muß ich Ihnen noch sagen, daß ich bald das Vergnügen zu haben hoffe, Sie in
Hochedler Herr!
Ich danke Denenselben für Dero gütigen Avis in Betreff meines Sohns. Nun glaube zwar nicht, daß derselbe sich so weit vergessen wird, obwohlen er sehr flüchtig und noch gar nicht solide ist, daß er sich in ein dergleichen, auf nichts Reelles abzielendes Engagement, ohne meinen Consens, sollte einlassen, maaßen er leichtlich vermuthen kann, daß bey Ew. Edlen bekannten unglücklichen Umständen ich nimmermehr eine solche Partie würde billigen können; dennoch aber will ich alle Präcaution gebrauchen, um ihn von den thörigten Ausschweifungen, zu welchen
Wiederhole also nochmals meinen höflichen Dank, bedaure, daß Dero jetzige Situation nicht so ist, wie von Herzen wünschte, und verharre,
Ew. Edlen
David von der Hörde.
Gott zum Gruß!
Mein allerliebster Mosje Birnbaum!
Ich kann nicht unterlassen an Ihn zu schreiben, und Ihm herzlich zu danken vor das Schreiben, so Er an mich hat gelangen lassen. Ach du lieber Himmel! was wollte ich auch anfangen, wenn Er die Treue thäte brechen, und mich unglückliches Mädgen sitzen
Da ist denn auch in der Stadt ein Pärchen angekommen. Er schreibt sich Herr Becker, und die er bey sich hat, ist ein hübsches
Nun! was ich noch sagen wollte, mein herzallerliebster Schatz! denn das Schreiben wird mir etwas sauer, behalte Er mich lieb, und hüte Er sich vor bösen Wegen. Wenn Er nur erst wieder hierher kömmt! Das sollte ein Leben werden, die ich allstets bin
Seine
Empfangen Sie, theuerster Freund! meinen aufrichtigen Dank für Ihren allerliebsten, muntern Brief, und für die Erzählung Ihrer Reise-Begebenheiten. Wir haben Beyde, Herr Meyer und ich, gar herzlich bey Lesung derselben gelacht. Es ist wahr, daß Sie eine ganz eigene Art haben, die Sachen in ein comisches Licht zu setzen, und ich leugne nicht, daß ich es für ein großes Unglück halte, Ihnen den geringsten Anlaß zu geben, etwas von der Art an einem zu bemerken. Dennoch sind Sie ein gütiger, nachsichtsvoller Freund, und ich bin doppelt stolz auf Ihre Freundschaft, wenn ich bedenke, wie fein Sie jede Thorheit, jedes Gebrechen fühlen.
Doch, das werde ich ja nicht nöthig haben, denn ich kann es Ihnen bald mündlich erzählen, und die angenehme Hofnung, welche Sie mir machen, in einigen Wochen zu uns nach Göttingen zu kommen, erfüllt mich mit der lebhaftesten Freude. Wie kurz werden die Paar Tage unter den angenehmsten Gesprächen hinfliehen! Wir erwarten Sie mit ofnen Armen.
Hundefeld verspricht mir viel ländliches Vergnügen. Sein Vater soll ein braver
Unterdessen lernt man doch auch auf einer Universität eine gar große Verschiedenheit von Characteren kennen. Zwar sind da noch mehrentheils nur halb gebildete Menschen, aber die verschiedenen Anlagen und Neigungen, die sich hier ganz zwanglos entwickeln, geben doch zu mancher lehrreichen Bemerkung Anlaß.
Gegen uns über wohnt unter andern ein junger Herr von Reyherberg, der, nebst einer kleinen munteren Gesellschaft, seine ganze Beschäftigung daraus macht, lustige, doch im Grunde eben nicht schädliche Streiche auszuführen, Philister und Juden zum Besten zu
Gestern waren ihrer sechs oder acht mit Extrapost zu einem Beamten gefahren, der ein erztummer Kerl und so ehrgeizig ist, gern vornehme Gäste zu bewirthen. Einer von ihnen gab sich also für einen fremden Prinzen aus, und die Andern hatten, in geborgten Kleidern und Livreen, die Rollen von den Personen seiner Suite zu spielen. Sie hatten ihre Commödie so vortreflich studiert, daß der Beamte gar keinen Verdacht bekam, sondern sie auf's Prächtigste tractirte.
Ein andermal lernten sie ein Chor auswendig, welches die Schüler des Morgens auf der Straße zu singen pflegen. Sie sungen
Einer von ihnen hat eine kleine Handbuchdruckerey. Da drucken sie denn allerley Nachrichten, und locken dadurch oft eine Menge Menschen in ein entlegenes Wirthshaus, um entweder einen angekündigten Zwitter, einen weissen Bären, oder so etwas zu sehen.
Wenn ein Fremder in einem Gasthofe einkehrt; so schleichen sie sich, indeß er etwa unten am Wirthstische speiset, oder sonst, auf sein Zimmer, und nähen ihm sein Nachtkamisol um eine Handbreit ein, da dann der Fremde, wenn er es anziehen will, mit Schrecken wahrzunehmen glaubt, daß sein ganzer Leib geschwollen sey, und dergleichen Scherze mehr, die oft mit einem Witze ersonnen sind, der zu bessern Vorwürfen genützt werden könnte.
Leben Sie herzlich wohl, lieber Freund! und vergessen Sie nicht
Ihren
Mein lieber Freund!
Sie werden, wenn Sie diesen Brief erhalten, von Ihrer kleinen Reise zurückgekommen, und wieder in Göttingen seyn. Der Herr von Weckel ist der Ueberbringer desselben; ich hoffe, daß er Sie gesund und zufrieden antreffen wird.
Es würde mir lieb seyn, wenn mein Carl die Erzählung von dem, was ihm auf dem Landgute des Herrn von Hundefeld merkwürdig vorgekommen ist, welche er seinem Freunde versprochen hat, auch mir mittheilte. Ich mag gern sehen, auf welche Art der junge
Für Ihre Lebensgeschichte, mein redlicher, aufrichtiger Freund! welche mir unser guter Müller überbracht hat, bin ich Ihnen sehr verbunden. Wenn das Schicksal nicht auf ganz ausserordentliche Art meine Plane vereitelt; so sollen Sie nicht Gelegenheit finden, von der andern Hälfte Ihrer Laufbahn ein solches Gemälde zu machen. Armer Mann! was haben Sie bis itzt gelitten! Und das in so wenig Jahren! Wir wollen uns nie trennen, sondern künftighin Hand in Hand die kleinen unvermeidlichen Abwechselungen, die uns, bey der kurzen Reise durch dies Leben, aufstoßen werden, mit heiteren Stirnen ruhig erwarten, und sie vorüber gehen lassen.
Weil ich Ihnen nun auch den Roman meines Lebens versprochen habe; so will ich Ihnen denselben stückweise zuschicken. Hier haben Sie die erste Hälfte davon! Sie werden
Ihr
Leidthal.
* * *
Mein Vater versäumte nichts bey meiner ersten Erziehung. Er selbst war ein sehr guter, geschickter und vernünftiger Mann, und das Schicksal hatte ihn in Vermögens-Umstände gesetzt, die ihm alle Mittel darbothen, für die Ausbauung meiner natürlichen Talente zu sorgen. Wir wohnten des Winters in der Stadt, und im Sommer auf den Gütern,
Nicht weit von uns wohnte des jungen Hohenaus Großvater, ein alter würdiger Officier, dessen Glücks-Umstände aber nicht glänzend waren. Er hatte einen einzigen Sohn, den Vater meines Carls, der mit mir von gleichem Alter, und ein vielversprechender Knabe war. Weil nun mein Vater mit Recht glaubte, daß Nacheiferung bey jeder Bemühung einen stärkeren Antrieb gäbe; so bath er den alten Obristen von Hohenau, ihm die Erziehung seines Sohns anzuvertrauen. Dies wurde ihm leicht zugestanden; Der junge Mensch kam also in unser Haus, und als der alte Obrist bald nachher starb, ohne einiges Vermögen zu hinterlassen; so wurde mein Gespiele so lange als ein Bruder mit mir auferzogen, bis mein Vater starb, da dann meine Vormünder dem jungen Hohenau
Als mein Vater starb, war ich nicht völlig funfzehn Jahr alt. Meine Vormünder vertraueten mich also der Aufsicht eines würdigen alten Manns an, der schon viel junge Leute gebildet, und selbst Kinder hatte. Bey diesem wurde ich in Pension gethan, und brachte daselbst beynahe fünf Jahre zu, in welchen ich meine Studien fleissig fortsetzte.
Wenn hier etwas an meiner Erziehung versehen wurde; so war es, daß man mich auf einmal zu einem gelehrten Greise machen wollte, daß man einen lebhaften Jüngling, in diesen Jahren der Fröhligkeit, nur beständig mit Wissenschaften vollpfropfte, und daß man mich zu wenig mit öffentlichen Lustbarkeiten und allerley Vergnügungen bekannt
Mein Führer war auch ein Liebhaber von Schauspielen, ein schöner Geist, der für das
Damals befand sich eine Gesellschaft Schauspieler in Sachsen, deren Vorstellungen wir nicht nur immer beywohnten, sondern mit denen wir auch, durch meines Hofmeisters Schöngeisterey, bald in Verbindung kamen. Eine junge Schauspielerinn, die in allen Künsten der feinen und groben Coketterie ausgelernt hatte, spielte dabey die ersten Liebhaberinnen. Wir sahen sie oft; Ich war ein junger feuriger Mensch, in der Blüte meiner Jahre, noch wenig mit dem weiblichen Character bekannt, und fähig, jedem Eindrucke mein Herz zu leihen, und so war es denn nicht schwer zu begreifen, warum ich ihren Künsten nicht wiederstehen konnte, und eine heftige Leidenschaft zu diesem Mädchen faßte, wobey mein Führer beyde Augen zudrückte. Zu Geschenken, kleinen vertraueten
Nach genauerer Untersuchung schickten sie mir um Ostern 1739 einen sicheren Mann, liessen mich schleunig von Leipzig abholen, dankten meinen Gesellschafter ab, und liessen mich nach Jena führen, woselbst ich einen andern Hofmeister, einen steifen, pedantischen Magister, bekam.
Dies war wieder nicht das rechte Mittel, mich zu bessern. Der rauhe Ton in Jena und der Umgang mit einem Pedanten waren
Hier hatte ich eine Menge kleiner Liebeshändel, und wurde in unzählige Hof-Cabalen verwickelt, mit deren genauer Erzählung ich Sie nicht ermüden will. Doch, die Hauptsache:
Die Herzoginn war, wie bekannt, ein schönes, aber wollüstiges, stolzes, geiziges und ränkevolles Weib. Ihrem alten Gemahl, der alle nur mögliche Gefällig keit für sie hatte, begegnete sie mit der ausgezeichnetesten Verachtung. Statt sich ein wenig nach seiner Gemüthsverfassung zu richten,
Nun! da ich jung war, und alle Arten von Vergnügungen liebte; so läßt sich's begreifen, daß ich mich lieber zu diesem Haufen munterer Leute, als zu der Partie des Fürsten hielt. Auch hatte dieser im Grunde keine Partie, denn alle diejenigen Leute, welche er, aus dem Staube hervor, zu reichen, angesehenen Männern gemacht hatte, zeigten ihm, durch ihre Aufführung, nicht die geringste Dankbarkeit. Sie trotzten ihm, glaubten sich ihm nothwendig gemacht zu haben, betrogen ihn, wo sie konnten, bereicherten sich, kauften Güter ausser dem Lande, um einst der Rache des Erbprinzen nicht in die Hände zu fallen, der arme schwache Herr erzog indessen immer wieder neue junge Leute, hofte
Es waren wohl an dem Hofe ein Paar redliche Minister, aber diese hatten nicht Muth zu reden. Der Eine, welcher sehr religiös war, seufzete nur im Stillen über das Unglück, und der Andere hatte nicht viel Vermögen noch Gehalt, deswegen durfte er es mit der Rotte der Günstlinge, welche immer zum gemeinschaftlichen Betrug sich die Hände reichten, nicht verderben, damit man ihn nicht ums Brod brächte.
Ich darf wohl sagen, daß ich, durch meine Lebhaftigkeit, munteren Witz und einige Talente, ein Jahr hindurch die erste Rolle bey dem lustigen Hofe der Herzoginn spielte. Darum glaubte nun endlich der arme furchtsame Herzog, der dies merkte, mich gewinnen und auf seine Seite ziehen zu müssen. In meinem Herzen fand er auch leicht die Disposition, ihm gefällig zu seyn, denn ich
Es fand sich an dem Hofe eine Dame, eine Französinn, die, aller Ränke voll, bey Ihrer gnädigen Frau eine Rolle zu spielen anfieng, die mir von jeher zuwieder gewesen ist. Sie führte derselben nemlich einen jungen Garde-Officier zu, und unsere Bälle fiengen bald an den holländischen Spiel-Häusern gleich zu sehen. Man verlohr sich paarweise, und kam dann, mit geschwollenen Köpfen und in Unordnung gerathenen Frisuren, einzeln, durch verschiedene Thüren wieder, welches mir sehr übel gefiel. Also brach ich kurz ab, und suchte nun auf alle Art meinem mir mit Güte zuvorkommenden Herrn mich gefällig zu machen.
Ich machte sogar, als ein junger unerfahrner Mensch, den kühnen Plan, meinem guten Herrn seine Würde wiederzugeben, ihm die Augen über das Spiel zu öfnen, welches die Bande schlechter Menschen mit ihm trieb, und den ganzen Hof von dem elenden Gesindel zu säubern. Armer Jüngling! welche Keckheit, gegen alte ausstudierte Hofleute zu Felde zu ziehen! Das muß ich bekennen, daß ich mich in der That in kurzem furchtbar machte, aber um desto heimlicher baueten sie ihre Minen, schmeichelten mir äusserlich, und legten mir dabey die feinsten Schlingen.
Als sie mich nun so thätig gegen sich sahen, vereinigten sich alle Parteyen, meinen Sturz zu befördern. Sie setzten unerhörte Maschinen in Bewegung, denen ich zwar durch List und Muth auswich, allein, da sie künstlich genug waren, mir nach und nach die Mittel abzuschneiden, den Herrn oft allein zu sprechen, und er selbst furchtsam und schwach war; so merkte ich wohl, daß ich,
Meine Gesundheit war durch Unruhe und unordentliches Leben sehr zerrüttet worden; also beschloß ich zu reisen, um mich zu erholen. Ich schrieb aber an meinen alten Freund Hohenau, er mögte mich begleiten. Dieser hatte indessen auch manches Schicksal gelitten, wovon ich Sie gelegentlich unterichten will. Sein liebes Weib war eben gestorben; ich bath ihn daher, mit mir zu reisen, um sich zu zerstreuen. Wir reiseten ein Jahr lang umher, wurden aber in Italien auf die unglücklichste Art von einander getrennt (wie Sie einmal hören werden,
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wenn ich Ihnen 2
theils um meinen mir entrissenen Freund aufzusuchen, theils um indessen von meinen Feinden vergessen zu werden.
Allein, dies stille, unbemerkte Leben war noch nicht für mein unruhiges Herz, und alle Mühe, meinen verlohrnen Freund aufzuspüren, war auch vergebens. Da ich nun mit dem würdigen Minister von ... Bekanntschaft in Wien gemacht hatte; so schlug mich dieser dem Herzoge von ... zum Hofmeister bey seinem Prinzen vor, obgleich ich noch nicht acht und zwanzig Jahr alt war, und oft selbst eines Mentors bedurft hätte. Der
Der Herzog war ein gutgearteter Mann, dem es nicht ganz an Vernunft fehlte, der aber Ruhe und Freude liebte, und aus Bequemlichkeit nicht fest in seinen Entschlüssen, also leicht umzulenken war. Er ließ sichs gefallen, daß ich den Prinzen erziehen sollte, und lächelte freundlich Beyfall zu allem, was ich ihm von meinem Plane, wie ich es mit der Erziehung anfangen würde, vortrug. Der Knabe hingegen war ein böser, tückischer Bube. Ich fand gleich anfangs so viel Wiederstand bey meinen Bemühungen, und hatte soviel Verdruß, daß es mich bald reuete, die Stelle angenommen zu haben. Die Herzoginn hatte auch eine thörigte Affenliebe zu ihrem ungezogenen Prinzen, und deswegen
Es regierten aber drey Minister an dem Hofe. Der Eine, der mich in den Dienst gebracht hatte, lobte mich ohne Unterlaß gegen seinen Herrn, aus Enthusiasmus, auf eine zu übertriebene Art; Der Andre, der dieses Mannes Feind war, haßte mich, weil er mich als desselben Creatur ansah, und wenn er auch nicht offenbar schlechte Dinge auf mich bringen konnte (obgleich ich noch immer glaube, daß meine auswärtigen Feinde ihn auch dazu gestimmt hatten); so verfehlte er doch nicht, wenn der Fürst mit Vortheil von mir redete, durch ein bedeutendes Lächeln dem schwachen Herrn Verdacht zu erwecken; Und der dritte Minister, der ein Tölpel war, gab immer einem jeden Recht, hielt sich zu dem herrschenden Glauben, und unternahm nie das Geringste, weder zum Guten noch Bösen. So kam es denn, daß der Herzog bald sehr laulich gegen mich wurde, denn
Was noch mehr dazu beytrug, mir mein Leben bitter zu machen, war, daß mir die Liebe einen unglücklichen Streich spielte. Ein herrliches sanftes Mädgen, die Tochter eines Generals, erweckte zuerst in meinem, in der großen Welt verwilderten Herzen, eine schuldlose, reine, aber so heftige Liebe, daß meine ganze Seele an ihr hieng. Jeder ihrer Blicke war mir süße Wonne; ich sah nur sie, fand nur an ihrer Seite Glück und Seligkeit, und ich bekenne es gern, als ich
Es wurden mir hier Geschäfte aufgetragen, in welchen ich unter der Direction des ersten Ministers, Baron ... arbeiten mußte. Der Mann war ein herrlicher Kopf, und besaß vorzüglich die Kunst, da es ihm an erster Anführung und Cultur gefehlt hatte, die Kenntnisse anderer Menschen so zu nützen, daß alles durch ihn zu geschehen schien. Ich merkte vermöge meiner Erfahrungen aber auch bald, daß man sich durchaus in seinen Schutz begeben, und keine eigene
Ueberhaupt muß man, um am Hofe groß zu werden, anfangs sich sehr klein stellen, alsdann, und sonst nie, hebt jeder den unschädlichen Zwerg in die Höhe. Ich wog desfalls jedes Wort ab, sprach nur durch den Minister, und wenn der König mich um Geschäfte befragte; so redete ich nichts, als wozu ich vorher von jenem Auftrag hatte. Derselbe brauchte mich nun dazu, Dinge, welche ihm, nicht aber mir, gefährlich oder verantwortlich hätten werden können, unserem Herrn, auf eine feine Art, in den Kopf zu setzen. Es versteht sich, daß das keine schlechte Dinge waren, denn sonst würde ich nie die Hände dazu gereicht haben. Wenn der König diese Ideen hernach dem Baron ... sagte; so stellte sich dieser, als wenn ihm das ganz neu sey, willigte darinn, und wenn die Sache unversehens nicht gut ausfiel; so hatte nicht er, sondern der Herr selbst, den Einfall gehabt.
Zu dem Endzwecke verdoppelte er seine Freundschafts-Versicherungen gegen mich. Dabey bekam ich aber nach und nach die unangenehmsten Aufträge, und wurde bey
Ohne Anstand willigte der König, welcher mich zu belohnen meinte, in diesen Vorschlag,
Mein bester Vater!
Verzeyhen Sie, daß ich Ihnen so spät schriftlich meine Ehrerbiethung bezeuge. Wenige Tage nach unserer Zurückkunft von der angenehmsten Reise meines Lebens kam der Herr von Weckel bey uns an, und erst vor drey Tagen ist er weiter nach Hanau gereiset. Seine Gegenwart aber hat mich am Schreiben verhindert, besonders da ich gern zugleich ein kleines Tagebuch meiner Reise, wie Sie es befohlen haben, beyfügen wollte, zu dessen Entwerfung ich nicht eher Muße gefunden habe.
Der Prediger des Orts ist ein wohlgemästeter Diener der Kirche, der bey einer Flasche guten Weins die zehn Gebothe alle und die Haustafel gern aus dem Gedächtnisse verliehrt. Er spricht mit Entzücken von den lateinischen Autoribus, unter denen er den Terentium vorzüglich auszeichnet, in Vinum für meine stomachalischen Umstände!«
Es kamen auch den Tag noch andre Besuche. Der Amtmann, welcher sehr durch die Nase redete, steckte voll geheimer Nachrichten, die Regierung betreffend, die ihm sein Freund, der Cammersecretair, im Vertrauen geschrieben hatte. Die Frau Amtmannin war ein kleiner Knirps vom Weibe mit hellen schwarzen Augen, behangen mit
Den 2ten Januar besuchten wir, eine Meile von da, einen Amtshauptmann, der, weil er im Kriege als Geissel mit nach Straßburg
Den 3ten brachten wir auch auswärts zu; die alten Leute blieben zu Hause; nur die Geschwister Hundefeld, Herr Meyer und ich machten uns auf den Weg. Wir speiseten bey einem Forstmeister, der eine vortrefliche Frau hat, die einzige beste Freundinn des Fräuleins von Hundefeld. Er selbst verdient nicht, eine so gute kluge Frau zu besitzen, denn er ist nur ein mächtiger Jäger vor dem Herrn, und sonst nichts. So einen mittelmäßigen Kopf er aber auch hat; so hält er sich doch für einen sehr feinen Mann, der sogar den ganzen Hof zu übersehen glaubt, weil er einst Jagt-Page gewesen ist. Er ist geizig, mistrauisch, pflegmatisch, und hat nicht die geringste Gefälligkeit für sein armes
Die folgenden Tage blieben wir zu Hause, bekamen zuweilen Besuche aus der Nachbarschaft, giengen des Abends, bey freundlichem Mondenscheine, in Pelze gehüllt, in dem kunstlosen Garten auf und ab, und fuhren den 7ten zu einem Landjunker an der Grenze des Eichsfeldes. Der Mann ist ein Verwandter meines Freundes, aber ein höchst unerträglicher Mensch, der von nichts als Jagt und Haushaltung redet, bis in sein dreyssigstes Jahr als Fähndrich in Hannöverischen Diensten gestanden, sich dann der edlen Langeweile gänzlich gewidmet, und sich auf sein Gut hingepflanzt hat, wo er nichts mehr würkt, als was jeder Bauer besser würken kann.
Der Mann, von dem ich rede, hat aber eine stille, wackre Frau. Sie hatte, scheint es, nichts im Vermögen, und mußte sich desfalls entschliessen, mit diesem Halbbauer ihr Leben hinzubringen.
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denn ich eile zum Schlusse, weil ich itzt sehr beschäftigt bin, das Versäumte in meinen Collegien nachzuholen.
Wir reiseten den 10ten wieder ab, und, ich darf es bekennen, nicht ohne Wehmuth von meiner Seite. Ich muß sagen, daß ich die Abend- und Morgenstunden, wenn wir allein mit meinem Freunde und seiner Schwester waren, so angenehm hingebracht habe, daß ich mich nie erinnere so innigst heiter, und wenn ich auch zuweilen durch Musik (denn wir spielten täglich ein wenig, und das Fräulein singt allerliebst) oder durch Erzählung irgend einer rührenden Scene der Armuth oder andres Leidens traurig geworden
Da Sie mir erlaubt und selbst befohlen haben, Ihnen offenherzig den Zustand meines Herzens zu entdecken; so werden Sie mir diese kleine Ausschweifung leicht verzeyhen. Es ist doch wahrhaftig eine selige Wonne, mit Menschen von sympathetischem Gefühle zu leben, mit denen man die Freuden eines weichen Herzens theilen darf und kann.
Ich küsse Ihnen, bester, würdigster Pflegevater! tausendmal mit kindlicher Ehrerbiethung die Hände, als
Ihr
Meine liebe Frau!
Ich habe mit Vorsatz so lange gewartet, und nicht eher an Dich geschrieben, bis ich Dir zugleich genauere Nachricht von meinem neuen Etablissement und meinen künftigen Aussichten geben könnte.
Der Freyherr von Leidthal, der ein sehr reicher und vortreflicher Mann ist, hat mich unter solchen Bedingungen bey sich aufgenommen, welche mich auf alle Art beschämen. Obgleich er keineswegs eines Menschen, wie ich bin, zu bedürfen scheint; so bezeugte er mir doch, um den Titel eines Wohlthäters
Gleich in den ersten Tagen meines hiesigen Aufenthalts hat mir der Baron eine Summe Geldes aufgedrungen, wovon ich Dir, meine liebe Frau, hier vorerst die Hälfte
Schon redet der Freyherr von Leidthal davon, einen unserer Söhne kommen zu lassen. Sey daher gutes Muths! Es wird alles wohl gehen. Nur versäume indessen nichts bey der Erziehung der Kinder.
Das Schicksal meiner Sophie liegt mir vorzüglich am Herzen. Ich fürchte, der alte von Hörde hat Maaßregeln genommen, die das Uebel größer machen werden. Man hat mir nemlich geschrieben, er habe seinem Sohne, auf die unedelste Art, seine Liebe zu Sophien verwiesen, und ihm verbothen, fernerhin an sie zu denken; der Sohn habe Vorstellungen gemacht, und da endlich beyde erbittert worden wären; habe der Sohn gedroht, einen Schritt zu thun, der es den Vater sollte reuen machen, daß er sich mit
Nun lebe wohl, mein Kind! und sey versichert, daß Du und die uns der Himmel gegeben hat, mir stets am Herzen liegen, der ich ewig seyn werde
Ich will Ihnen, mein lieber Freund! aus jedem Orte, wo ich mich aufhalten werde, ein Paar Zeilen schreiben. So bin ich denn hier angekommen, aber wie, das wissen die Götter, denn man hat mich auf den schönen Wegen in meiner Kutsche so zerstoßen, daß man meine Rippen, ohne sie zu klopfen, als Corteletten um Spinat legen könnte – Aber ich werde zu Tisch gerufen –
Ich habe in Gesellschaft einiger hannöverischen Officiere gespeiset. Diesen Leuten blickt Wohlstand und gute Bezahlung aus den
Ich werde mich diesmal hier gar nicht aufhalten, vielleicht aber auf meiner Rückreise. Diesen Nachmittag, als ich ankam, schickte ich zu meinen alten Freund, den Ritmeister von C ... Er hat mich besucht, und geht eben itzt fort. Morgen früh reise ich weiter.
Ich kann Ihnen itzt wahrhaftig nichts Neues sagen, als daß hier ein sehr kleines Lustschloß des Landgrafen und eine Falken-Jagt ist, und daß mich in diesem rauen Lande entsetzlich friert.
Endlich bin ich so weit, und mich verlangt nach Ruhe. Man trägt mir eine kleine Abendmalzeit auf. Wollen Sie mein Gast seyn? Auf der Gasse ist noch alles lustig, und die wenigen Studenten, die hier sind, machen Lerm genug für ihr Geld. Wäre es möglich, Marburg, Rinteln und Giessen in Eins zu schmelzen, was könnte daraus nicht werden?
Wahrhaftig eine närrische Stadt ist diese! Es giebt hier Straßen, in welche man mit geraden Schritten aus den Boden-Fenstern treten kann. Dennoch wird hier viel in Schlitten gefahren – Klink! klink! da ist schon wieder einer! – Doch, ich bin schläfrig; gute Nacht!
Ah! Nun fängt schon eine heitrere Gegend an. Dieser Ort gefällt mir sehr, und man findet hier eines von den beträchtlichsten Salzwerken in Deutschland, von der Anlage des würdigen Ministers Waitz in Cassell.
Ohnfern Nauheim liegt das kleine Städtgen Friedberg, eine kleine Hauptstadt eines kleinen freyen deutschen ritterschaftlichen Staats.
Da bin ich seit einigen Tagen in diesem wahrhaftig niedlichen Städtgen! Ich bin den 16ten zum erstenmal an den Hof gegangen, und wenn ich je einen Hof gesehen habe, wo mir alles so wohl gefallen hat, so war es dieser. So viel ungezwungene Höflichkeit gegen Fremde; so ein guter nicht geschraubter Ton; so eine gute, gnädige Herrschaft; so
Sie finden in Hanau eine Seltenheit, nemlich eine Kirche, in welcher in holländischer Sprache gepredigt wird. Nebenan ist eine französische Kirche, und die Hälfte der Stadt ist von fremden Colonisten bewohnt, die sehr beträchtliche Fabriken und Manufacturen angelegt haben. Es ist unglaublich, welcher ausgebreitete Handel aus dieser kleinen Stadt sich in ganz Europa verbreitet. Wollen-Manufacturen, seidene Zeuge und Gold-Arbeiten sind die Hauptartikel desselben.
Ich wünschte, daß der Herr Landgraf der Schaarwache verböthe, nicht immer um Mitternacht zu trommeln und zu pfeifen, damit nicht ein armer unschuldiger Fremder aus dem besten Schlafe mit Schrecken aufgeweckt würde.
Wüst und todt ist diese Stadt; Wollen Sie aber darinn eine Seltenheit sehen; so lassen Sie Sich das Exer cier-Haus zeigen
Einen Schatz hat Darmstadt, und der ist seine Fürstinn, eine der vortreflichsten und klügsten Frauen ihres Standes.
Der Landgraf ist selten da. Der fürstlichen Familie habe ich meine Cour gemacht, nun reise ich weiter.
Denken Sie an! Als ich vorgestern in Frankfurt einen Augenblick mich im rothen Hause aufhielt, traf ich den niederträchtigen italienischen Grafen B ... an. Er trägt itzt weltliche Kleider, und sucht einen Hof, wo er ein wenig Uneinigkeit und Teufeley stiften könnte. Er spielt noch immer mit seinen zwey großen Ringen und Schnupftabaks-Dosen, und ist kürzlich wieder irgendwo fortgejagt worden, als seine Geschichte mit der Vergiftung ruchtbar wurde.
Ein kluger Herr, ein glänzender Hof, und eine prächtige heitre Stadt, in welcher schöne Künste und alle Arten von Wissenschaften blühen!
Sie sehen, mein Lieber! daß ich Ihnen nur sehr kurz und abgebrochen schreibe. Allein, da ich mich an jedem Orte nur wenig Tage aufhalte, und doch gern alle Seltenheiten und Merkwürdigkeiten sehen mag; so bleibt mir nicht viel Zeit zum Schreiben übrig. Unterdessen zeichne ich mir alles punctweise in der Kürze auf, und einst sollen Sie eine weitläuftige Beschreibung davon lesen, wenn Sie wollen. Glauben Sie ja nur, daß mir auch auf dieser Reise manches lächerliche Original aufstößt, und daß ich gewiß schon so viel Bilder gesammlet habe, womit ich bis zu einer andern Reise mein Gedächtniß tapezieren kann. Aber ich behalte alles in petto.
Eine Stadt, in der Form wie ein Rad gebauet, ist eine ganz artige Sache für den curiösen Liebhaber. Aus dem Schloßthurme sieht man in alle Querstraßen der Stadt, und von der andern Seite in mehr als dreyssig Alleen. Schade, daß man wenig Menschen sieht!
Ich bin auch hier am Hofe gewesen, der aus Leuten besteht, deren Auswahl einem der weisesten Fürsten Deutschlands Ehre macht. Aber, wie gesagt, die Stadt ist mir zu öde.
Aber dies ist wahrhaftig ein heiterer schöner Ort, und es ist mir unbegreiflich, warum der Markgraf sich nicht hier aufhält.
Als ich im Raben abtrat, traf ich einen Freund, den Herrn von Z ... an, der im
Lüneville und Nancy sind schöne Städte, aber seit des Königs Stanislaus Tode äusserst leer.
Hier habe ich zwey Schauspiele besucht, die gleich schlecht waren.
Uebermorgen reise ich zurück, und zwar durch die herrliche Bergstraße über Heidelberg. Schade, daß die Jahrszeit eine Decke über so viel mannigfaltige Schönheiten der Natur gebreitet hat!
Sobald ich bey meinem Oncle in Ruhe bin, will ich Ihnen weitläuftiger schreiben, und Ihnen sagen, wie oft ich mir Ihre angenehme Gesellschaft gewünscht habe,
Zuerst, lieber Meyer! bitte ich Sie, unserm Carl in meinem Nahmen für seinen angenehmen Brief herzlich zu danken, und es bey ihm zu entschuldigen, daß ich noch nicht darauf antworte. Es soll nächstens geschehen; Und nun eile ich, Ihnen den andern Theil meiner Lebensgeschichte mitzutheilen.
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Ich habe neulich behauptet,
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daß man nur einmal in seinem Leben mit ganzer Seele lieben könne, so wie man nur einmal in seinem Leben einen ganz mit uns harmonierenden
Oft kann in einer großen Gesellschaft ein einziger, kleiner, unbedeutend scheinender Zug eines Menschen die tiefsten Eindrücke auf mich machen. Ohne die Person näher zu kennen, interessiere ich mich nun für alles, was sie sagt und thut. Wir sprechen wenig, vielleicht gar nichts zusammen, aber uns Beyden würde es nicht einfallen, miteinander
Diese kleinen Bindungen in dem Gewebe unserer feinen Empfindungen sind in dem weiblichen Character vorzüglich schön geknüpft, und ich kann es bekennen, daß ich meine seligsten Freuden in dem Umgange mit diesem Geschlechte genossen habe – – Hohn sey dem, der darüber lachen könnte, daß ich funfzigjähriger Mann noch ein so warmes Herz und einen so leicht in Bewegung zu setzenden Nervenbau habe! – Auch bin ich ziemlich kühl geworden, und mein Herz geht nicht mehr so oft mit meinem Verstande davon. Aber, ach Gott! als ich ein Jüngling war, da brannte dies Herz so heiß! Wie manche Qual, wie manche süße Freude habe ich da in dem Gedränge meiner Gefühle
An dem Hofe, wohin ich als Gesandter geschickt wurde, war eine Prinzessinn, ein so liebes, gutes Geschöpf, daß es fast hart vom Schicksal gewesen war, sie in dem unglücklichsten aller Stände gebohren werden zu lassen.
Als ich meine erste Audienz bey Hofe hatte, und jedermann mir einige leere Worte sagte, wobey man nichts denken konnte, fragte mich die Prinzessinn um persönliche Umstände, z.B. »ob ich verheyrathet sey, Kinder habe,« u.d. gl. Dies lenkte das Gespräch
Meinem Range gemäß saß ich fast täglich an der Tafel und beym Spiele neben ihr. Wir sprachen oft von Liebe und Freundschaft, und ich merkte bald, wie sehr ihr Herz zu beyden geschaffen war, fühlte bald, wie stark das meinige zu ihr hingezogen wurde.
Sie war, gegen ihre Neigung, mit dem Prinzen von ... verlobt worden – Ich konnte den Gedanken nicht ertragen – Bald, wenn nur der Nahme dieses Hofes genannt wurde, umwölkte sich meine Stirn – Sie merkte das, und suchte jedesmal ein anderes Gespräch einzulenken.
Es war vom Miniatur-Mahlen die Rede, und daß noch niemand sie recht getroffen habe – Ich erboth mich, den Versuch zu machen – Man ließ mich daher stundenlang bey ihr allein – Ich merkte,
Wir fühlten Beyde, daß unsre Seelen ein festes Band geknüpft hatten, und wir wichen Beyde der Gelegenheit aus, unserm Verstande Rechenschaft davon zu geben.
Endlich gieng ich einst über eine Gallerie, die nach dem Schloß-Garten führte – Sie begegnete mir bey dem Ausgange, und hielt ein Buch in der Hand – Vermuthlich hatte sie eine rührende Stelle gelesen, denn durch die Dämmerung sah ich in ihren Augen Thränen blinken – Es war des Abends zwischen sechs und sieben Uhr, kurz vor der Appartements-Zeit – Die Gallerie fieng an schon halb dunkel zu werden, denn es war ein Tag im September, und noch war keine Laterne im Schlosse angesteckt – Sie fragte
Das Natürlichste schien, die Cammerfrau gewinnen zu müssen, dann konnte der Zufall eher gute als schlimme Folgen für unsere Liebe haben – Aber was für eine Liebe? Und was für Folgen konnten wir davon erwarten? – Doch, wer philosophierte je, wenn er verliebt war?
Die Cammerfrau wurde mit einiger Mühe gewonnen, erkauft, und ich durfte nun ungestraft meine Prinzessinn lieben, und es ihr unbehorcht sagen. Allein, die Sache nahm eine andre Wendung.
Nun war der Obermarschall des Hofs ein feiner Kopf, der das menschliche Herz kannte, und den langjährige Erfahrung, und Bekanntschaft mit den großen und kleinen Triebrädern der leidenschaftlichen Maschine gelehrt hatten, tiefe Blicke in die Seele zu thun. Dieser entdeckte bald unseren Gemüthszustand. Zwar war er zu klug, sich etwas merken zu lassen; er wußte, daß dies das Uebel ärger machen würde; aber jeder seiner Schritte trat dem Fortgange unsres Verständnisses in den Weg. Die vertrauete Cammerfrau war längst mit dem Burggrafen eines fürstlichen Lustschlosses versprochen gewesen. Oeconomische Hindernisse hatten die Vollziehung der Heyrath aufgehalten. Auf einmal bekam dieser Mann einen besseren Dienst, und holte seine Braut ab. Der Prinzessinn wurde eine alte Dame zur Gesellschaft, als Oberhofmeisterinn gegeben, welche
Wer ein bisgen mit der Liebe bekannt ist, weiß, daß Schwierigkeiten das Feuer der Leidenschaft immer stärker anfachen. Hier mischte sich vielleicht noch die kleine Eitelkeit mit hinein, einen so feinen und strengen Aufseher täuschen zu können – Kurz! ich war kühner als jemals, und wagte alles daran, meine Geliebte zuweilen sprechen oder ihr schreiben zu können.
Unzählige Mittel wendete ich zu diesem Zwecke an. In der Kirche, z.B., hatte ich meinen Platz neben den Herrschaften. Nun mezza voce, nach der Melodie des Liedes ab. Bey der Tafel heftete ich mit einer Stecknadel ein Billet an meine Serviette – Die Prinzessinn mußte die ihrige fallen lassen – Ich bückte mich ehrerbiethig, dieselbe aufzunehmen – Darüber fiel auch meine Serviette unter den Tisch; Nun tauschte ich sie um, und der Brief war in ihren Händen. Hatte ich Gelegenheit, ihr einen Augenblick etwas heimlich zu sagen; so machte ich, um nicht beobachtet zu werden, stets eine falsche Pantomime dazu, z.B., als wenn ich von Malerey u.d. gl. spräche, fuhr mit den Händen herum, bald hoch, bald niedrig, und sagte hin und wieder ein Wort laut, das gar nicht zur Sache gehörte.
So gieng das noch einige Monathe fort, als ich endlich aus dem Schlummer erwachte, und anfieng über die Rolle, welche ich spielte,
Der Minister, welcher mich ausdrücklich entfernt hatte, um allein zu herrschen, wollte meinem Gesuche keinen Vorschub geben. Ermüdet endlich, mich von der Bosheit der Menschen und meinen eigenen Leidenschaften immer in einem Wirbel umhertreiben zu lassen, beschloß ich, ganz ausser Dienste zu gehen. Ich erlangte mit Mühe meine Entlassung – Man both mir eine Pension an, welche ich ausschlug, und schenkte mir ein Ordensband,
Mein erster Gedanke war, auf meine Güter zu gehen, und ich folgte demselben. Da athmete ich die heitre Landluft ein, forschte der Natur nach, und fühlte, wie mit jedem Tage mehr Ruhe sich in mein krankes Herz senkte.
Aber das schien mir nicht hinreichend. Ich wollte auch versuchen, mir für den Rest meines Lebens eine stille, häusliche Glückseligkeit zu bereiten. Mein Herz war durch so manche Empfindnisse verwöhnt worden, aber doch noch für das Glück der Freundschaft, für eheliche Treue, und für die Gefühle eines Vaterherzens sehr warm. »Wenn ich doch,« seufzte ich oft, »in der Ehe das Glück finden könnte, wonach ich so lange ringe!« Auch habe ich es immer für bürgerliche
Aber ich fühlte wohl, daß ich kein Herz mehr ganz zu verschenken hatte, und daß ich also, bey der Wahl einer Frau, eine Person suchen müßte, die zwar ein gutes Herz hätte, aber nicht so fein, so lebhaft fühlte, daß sie sich unglücklich schätzte, wenn ich sie nicht mit derjenigen Wärme lieben würde, welche mein armes Herz bis itzt so sehr zernagt und erschöpft hatte – Ja, als hierüber erst ein System bey mir festgeworden war; so setzte ich mir sogar in den Kopf, es sey vielleicht in der Ehe besser, weniger heftig zu lieben, und dagegen sich ein dauerhaftes Glück auf
Ich warf meine Augen auf das Fräulein von Bergheim, hielt um ihre Hand an, und verheyrathete mich mit ihr.
Ihnen, als einem Freunde, darf ich es bekennen, daß die immer gleiche Kälte, welche durch das ganze Wesen dieser Frau gegossen war, gegen das gewaltige Feuer meines Temperaments einen solchen Contrast machte, und mich so niederbeugte, daß ich in der ersten Zeit wenig frohe Stunden hatte, und daß mich meine unglückliche Lebhaftigkeit, in unruhigen Augenblicken, zuweilen misleitete, ihrem sonst wahrhaftig reinen und guten Character nicht die Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, die er verdiente – Wenn sie so in jede Flamme Wasser goß; so zerriß das meine ganze Seele – Und doch war es sehr gut, daß ich auf diese Art herabgestimmt wurde. Auch sah ich dies in ruhigen Stunden
Entfernt von allem, was meine heitere Seelen-Ruhe stören könnte, ist es mir endlich gelungen, den Frieden zu finden, der allein uns den Uebergang in jene kummerfreye Ewigkeit leicht machen kann. Das Ziel meiner Arbeiten ist, die Wohlfarth meiner Brüder zu befördern, mich selbst und die Natur kennen zu lernen, und mich dem Schöpfer zu nähern. Habe ich das Glück, in dieser Beschäftigung fortzurücken, mich der Vollkommenheit zu nähern, das Gefühl der Würde der Menschheit in mir immer lebhafter zu machen, kann ich dadurch endlich die Verirrungen meiner Jugend auslöschen; so soll es mich nicht reuen, in der Welt viel traurige Erfahrungen gemacht zu haben.
In der größten Angst und Unruhe meines Herzens schreibe ich Dir, mein lieber Mann, um Dir eine traurige Nachricht von unserer ungecathenen Tochter zu geben. –
Sie ist fort, mit ihrem Bösewicht von Verführer auf und davon gegangen, und macht mir in meinem Unglücke noch das Herzeleid, daß ich mich vor jedermann schämen muß, ein solches liederliches Geschöpf auf die Welt gesetzt zu haben –
Aber nun siehst Du, was Deine Nachsicht und Gelindigkeit für Früchte bringt. Als ich 1
sehen wirst, den sie zurückgelassen hat.
Nun sitze ich da, und muß mich in der Seele schämen vor allen Menschen – Ich bitte Dich um Gotteswillen, mein lieber Mann! rathe mir, sage nur, was wir thun sollen. Ich bin ganz von Sinnen, und warte mit Schmerzen auf Deine Antwort.
Ich kann Ihnen, mein gnädiger Herr! nicht lebhaft genug die Empfindungen der Dankbarkeit ausdrücken, die Ihr gütiges Zutrauen, bey Lesung der so offenherzigen Erzählung Ihrer Lebensumstände, in mir erregt hat. Wenn ein Mann, wie Sie sind, der in so manchem Betracht das beste Schicksal verdient, so viel hat leiden müssen, wie darf denn ich mich beklagen? Ruhe, Freude, Glück und Gesundheit mache indessen den langen Rest Ihres wohlthätigen Lebens sanft und heiter, und dann müsse die Erinnerung überstandener Leiden Ihnen wie ein verscheuchter Traum vorkommen – Olim meminisse iuuabit –
Ich versichre Sie, daß ich immer eine hohe Meinung von dieser Gesellschaft gehabt habe, und daß die Meinung weder durch die Menge der unnützen Schriften, noch durch die schlechte Wahl ihrer Mitglieder, noch durch die unedlen Spaltungen unter ihnen, woran man freylich wenigstens das Publicum nicht sollte Theil nehmen lassen, weil eine solche Verfolgung doch unter Brüdern (und das sind ja alle Maurer) unanständig ist, daß, sage ich, meine gute Meinung von dem Inneren des Ordens dennoch dadurch nicht ist geschwächt worden. Die darüber geschriebenen Bücher sehe ich nemlich als das Werk junger, forschender Anfänger, oder lügenhafter Betrüger an, die gern mit Kenntnissen prangen mögten, die sie nicht haben. Ein kluger Freymaurer sollte, denke ich, nie über
Das sind Gedanken eines Layen. Urtheilen Sie aber nun, bester Herr, ob ich gern den Schritt thue, zu welchem Sie mir die Mittel erleichtert haben!
Ostern rückt heran, und da Sie, theuerster Wohlthäter! uns erlaubt haben, in jeden Ferien eine kleine Reise zu machen; so werden wir diesmal das Eichsfeld besuchen. Man hat uns auf einige Merkwürdigkeiten, die wir daselbst sehen würden, neugierig gemacht.
Eine Geschichte, die man uns erzählte, hat uns auch vorzüglich interessirt. Es soll nemlich in einem Kloster auf dem Eichsfelde ein armer Mönch schon seit mehr als zehn Jahren gefangen sitzen, dessen Verbrechen niemand weiß, der aber ausserordentliche Talente
Den Herrn von Hohenau hat diese Erzählung so in Bewegung gesetzt, daß ich ihm anmerke, wie sehr ihn der Gedanke beschäftigt, diesen Unglücklichen, wenn es möglich wäre, zu erretten.
Ich habe dabey aber eine Bemerkung über unsern jungen Mann gemacht. Es kömmt mir nemlich vor, als wenn er seit unserer letzten Reise viel heftiger, empfindsamer, leichter zu erschüttern, und zu großen Handlungen und Ritterdiensten aufgelegter geworden ist. Er hat nicht mehr die immer gleiche unbefangene gute Laune, die den inneren Frieden verkündigt. Kurz! ich glaube, daß er verliebt ist, und das Fräulein von Hundefeld
Wir erwarten den Herrn von Weckel auf seiner Rückreise; doch will ich diesen Brief nicht bis zu seiner Ankunft liegen lassen, sondern ihn mit der Post fortschicken.
Ich habe nichts hinzuzufügen, als daß ich ehrerbiethigst verharre,
Meines theuren Herrn
Wenn Carl verliebt ist; so ist das ein Schicksal, welches ihn doch, früh oder spät, müßte betroffen haben – Ich würde meine Hand von ihm abziehen, wenn er nie verliebt werden könnte – Hoffentlich wird Ihnen das auch die Mühe bey der Bildung seines weichen Herzens sehr erleichtern; das Bild eines tugendhaften Mädgens wird über seine Unschuld wachen; die edelste der Leidenschaften wird seine Seele allen sanften Eindrücken öfnen – Und für die Folgen seyen Sie unbesorgt! Dafür wird der Himmel sorgen, der nie, ohne unsere eigene Schuld, durch gute Gefühle unser Unglück bauet –
Aber nun von einer mir äusserst am Herzen liegenden Sache! Ihre Erzählung von dem Mönch hat bey mir die Erinnerung erneuert, daß ich Ihnen noch die Geschichte von Hohenaus Vater schuldig bin – Mögte meine Ahndung eintreffen! – Hören Sie nur!
Als Carls Vater Officier in ... war, wurde er in dem Hause eines Edelmanns bekannt, der eine schöne Tochter hatte, welche aber, aus eigennützigen Bewegungsgründen der Familie, für das Kloster-Leben bestimmt wurde. Hohenau liebte das Mädgen, und sie ihn, allein, da er keinen Reichthum zu ihrer Eltern Füße legen konnte; so war alle seine Mühe, ihre Einkleidung zu hintertreiben, vergebens. Sie weyhete also ihrem Gott
Endlich, nachdem sie lange geheime Zusammenkünfte mit meinem Freunde unterhalten hatte, wurden sie einig, miteinander zu entfliehen. Er entführte sie aus dem Kloster, ließ sich mit ihr trauen, nahm seinen Abschied, und lebte unerkannt, klein und eingezogen, aber in häuslichem Frieden glücklich, in einer Bauerhütte mit ihr – Ich allein wußte den Ort seines Aufenthalts –
Nach Jahres Frist brachte sie meinen Carl zur Welt, aber seine Geburth kostete sie das Leben – Wir vertraueten darauf den lieben Knaben einer ehrlichen Frau in Urfstädt an, und ich bewog meinen armen Freund, mit mir auf Reisen zu gehen, wie ich Ihnen erzählt habe.
Hohenau glaubte itzt vor jeder Nachstellung der Geistlichkeit sicher zu seyn, indeß
So lag ich denn wehrlos, die ganze Nacht durch, bis gegen Morgen andre Reisende mich in dem Zustande antrafen, und mich nebst meinen Gefährten befreyeten. Darauf erbrach ich den Brief, und fand ohngefehr folgenden Inhalt:
Ihr Freund hat in Deutschland ein Kind der Kirche geraubt und verführt. Um dies Verbrechen zu bestrafen, hat man ihn aufgesucht, und endlich entdeckt, daß er mit Ihnen in diesen Ländern reiset. Itzt ist er in der Gewalt seiner Rächer, und Sie werden ihn nie wiedersehen. Wenn Sie nun, wie man das von Ihrer Klugheit erwarten kann, ruhig sind und schweigen; so dürfen Sie für Ihre Person fernerhin unbesorgt seyn. Reisen Sie glücklich, und hüten sich künftig vor der Gemeinschaft mit Menschen, auf welchen der Fluch der Kirche ruht!«
Sie können Sich leicht vorstellen, wie sehr dieser Brief mich erschreckte, doch hielt er mich nicht ab, ins Geheim die mühsamsten Nachforschungen anzustellen – Alles war aber vergebens, nur erfuhr ich durch einen gewissen Gesandten, daß man meinen Freund nach Deutschland geführt habe. Allein auch hier spürte ich umsonst, und bekam keine nähere
Vor ohngefehr sechs Jahren bekam ich wiederum einen Brief von unbekannter Hand, darinn schrieb man mir: »Man hat Ihren Freund, mit dem Sie einst in Italien gereiset sind, während seiner zwanzigjährigen Gefangenschaft, sehr viel gelinder behandelt, als er, vermöge seines Verbrechens, verdient hätte. Seine wiederholten Versuche aber, der heiligen Gerechtigkeit zu entwischen, haben uns endlich gezwungen, ihn in engere Verwahrung zu bringen. Man warnet Sie nochmals, weil einiger Verdacht da ist, daß Sie mit demselben einen geheimen Briefwechsel unterhalten haben, Sie mögen ja überlegen, was Sie thun. Es kann Sie Ihre Sicherheit, und Ihren Freund das Leben kosten« – Dieser Brief kam auch aus der Gegend von Maynz –
Leben Sie wohl, mein Freund! Ich bin ewig
Wem es bey einem Roman blos auf gehäufte Begebenheiten ankommt, dem wird der erste Theil dieses Büchelchens nicht genuggethan haben. Ich habe Sie erst müssen mit denjenigen Personen bekannt machen, denen der junge Hohenau, dessen Schritte ich künftighin verfolgen werde,
Die Zufriedenheit mit welcher der billigdenkende, ich darf wohl sagen der größte Theil des Publicums den ersten Theil dieses Buchs, ohngeachtet seiner vielfältigen Fehler, aufgenommen hat, ermunterte mich, sogleich Hand an die Fortsetzung zu legen, welche ich Ihnen hier zu überreichen die Ehre habe.
Unterdessen darf ich nicht verschweigen, daß einige kleine Menschenkinderchen hämisch
Ich mag nicht untersuchen, ob blos Tücke, um dem vermeintlichen Verfasser Feinde zu erwecken, ob das Bewußtseyn eine solche Rache von Seiten dieses Verfassers verdient zu haben, oder endlich ob nur die innere Selbsterkenntniß sie hierbey leitete – Genug! ich, der ich dies schreibe, bin dadurch wenig beunruhigt worden, und der Beyfall redlicher, kluger und angesehener Menschen, die ohne Leidenschaft dies Werkgen beurtheilt haben, hat mich so kühn gemacht der Vollendung desselben entgegen zu arbeiten, und auf
Das ist wahrlich traurig, und man mögte jetzt scheu werden, Thorheiten und Laster zu malen, wenn man sieht, daß man kaum eine Carricatur hinklecksen kann, ohne daß sich sogleich ein Narr oder eine Närrinn finden, die es für ihr Portrait erkennen – Doch wer wird sich um alles bekümmern? Wer kann aus der Luft Charactere zu einem Roman nehmen? –
Uebrigens hat es mir manchen lustigen, und manchen verdrüßlichen Augenblick gemacht, wenn Freunde mir schrieben,
Inzwischen fühle ich doch, daß die Besorgniß neue Mißverständnisse zu verursachen meine Lebhaftigkeit, bey Verfertigung dieses zweyten Theils, etwas herabgestimmt hat, weswegen ich fürchte, daß derselbe, obgleich an Begebenheiten reicher, doch weniger interessant für Menschenkenner seyn wird – Aber haben Sie nur Geduld! Ich denke, es wird in diesem Jahre noch so manche Thorheit zu meinen Ohren kommen, daß ich es ohnmöglich werde unterlassen können, im dritten Theile ein bisgen darüber zu lachen.
Noch etwas, meine Damen und Herrn! Es haben Einige von Ihnen so laut über dies Büchelgen gelästert, daß ich Ursache habe zu vermuthen, Sie haben die kleine Teufeley im Sinne gehabt, entweder meine Freunde gegen mich aufzubringen, oder gar einige Grossen der Erde aufmerksam auf den freyen, sorglosen Mann zu machen, der zuweilen gewagt hat zu sagen, daß nicht alle vornehme
Also Frieden! – Erlauben Sie mir immer ein wenig mit unter zu lachen! Was hindert Sie mitzulachen? – Es verstellt Sie wahrhaftig, meine schönen Damen und Herrn! wenn Sie so hämische Mienen schneiden – Und nun noch einmal, im ganzen Ernst! Ich zeichne Menschen, wie sie auf der Welt sind; der Bösewicht mag sich getroffen finden
Genug für heute! Ich empfehle mich Ihrer ferneren Gnade, und bitte demüthigst dies Büchelchen fleißig zu kaufen, sonst finde ich keinen Verleger zu den folgenden zwanzig Theilen.
Erster Brief. Von Weckel an Hohenau. Er will den Abschied nehmen, und bey seinem Oheim wohnen. Itzt reiset er mit ihm. Politik. Ein Rezensent. Marjonetten. Eine Mascarade. Wirthshausmahlzeit. Höfe. Ein englischer Garten. Medisance. Gastmahl. Musik.
Zweyter Brief. Von Hohenau an Weckel. Antwort. Sein Gemüthszustand. Gedanken seines Freundes über die Kunst den Menschen aus kleinen Handlungen kennen zu lernen. Die Signaturen der geschaffnen Dinge sind durch die ganze Natur dieselben. Aphorismen. Er hofft ihn bald in Göttingen zu sehen.
Dritter Brief. Von Leidthal an Meyer. Er soll sich ja recht genau nach dem Mönch erkundigen. Daß man nicht über kluger Leute Handlungen urtheilen soll. Nachricht von seinem gefährlichen Processe mit dem Herrn von Wallitz. Birnbaum soll Acciseinnehmer werden. Freymaurerey.
Vierter Brief. Von Meyer an Leidthal. Im Begriff zu reisen. Antwort. Ueber Verschwiegenheit.
Fünfter Brief. Von dem Herrn Bröck an Müller. Er überschickt ihm einen Brief, den er von dem jungen von der Hörde erhalten. Ermahnt ihn seiner Tochter zu helfen. Nachrichten von Madam Müller und dem Sohne Ludwig.
Sechster Brief, (in dem vorigen eingeschlossen) Von dem jungen von der Hörde an Bröck. Klagen über sein und Sophiens Schicksal. Nachricht von seiner Reise. Ein Geistlicher trauet sie. Monsieur de la Saltière führt sie in ein schlechtes Haus. Sie kommen ins Gefängniß. Werden erlöset. Reisen weiter. Werden beraubt. Rechtersdorf. Eine wohlthätige Familie. Sie verlassen den Ort. Zigeuner. Kommen nach Waldorf. Corruption des Landvolks. Bild des Unglücks. Le pais de Coccagne.
Siebenter Brief. Von Meyer an Leidthal. Weckel nimt den Brief mit. Sie haben den Gefangenen gesprochen, es ist Hohenaus Vater. Bild seines Zustandes. Ihm muß bald durch Vorsprache geholfen werden, sonst stirbt er vorher. Ueber Instinct. Hohenaus Liebe wird zu ernsthaft.
Achter Brief. Von Hohenau an Leidthal. Einige Nachrichten vom Eichsfelde. Ein munterer Greis. Tanzende Bauern. Niedersächsische Sprache. Deutscher Character.
Neunter Brief. Von dem jungen von der Hörde an Bröck. Fortgesetzte Erzählung seiner Unglücksfälle, auf der Reise geschrieben. Der Prediger in Waldorf hat ihn fortgejagt. Ein Jude nimt ihn auf, hat aber selbst nicht viel. Nun entschließt er sich nach Frankfurt am Mayn zu reisen, und ist jetzt mit Sophien unterwegens.
Zehnter Brief. Von Leidthal an Hohenau. Meyer soll nach Maynz, um des Mönchs Erlösung zu bewürken. Regeln wegen Hohenaus Liebe. Ueber Romanlesen und dergleichen. Müller ist nun nach Wetzlar. Leidthal läßt Müllers jüngste Söhne kommen, um sie erziehen zu lassen.
Eilfter Brief. Von Müller an Leidthal. Er hat Sophien nebst ihrem Manne und seinen Sohn Ludwig in Eisenach angetroffen, als sie im Begriff waren nach Sachsen zu reisen, und Schauspieler zu werden. Dieser Brief ist aus Wetzlar geschrieben.
Zwölfter Brief. Von Leidthal an Müller. Er schickt ihm einen Brief aus Amsterdam, den seine jüngsten Söhne, die in Urfstädt angekommen sind, mitgebracht haben. Empfiehlt ihm den Proceß.
Dreyzehnter Brief. Von dem Herrn Lescow an Müller. Müllers Frau ist krank. Der älteste Sohn wird vermuthlich eine reiche Heyrath treffen. Mit der Aussöhnung scheint es gut zu gehn.
Vierzehnter Brief. Von Meyer an Leidthal aus Maynz. Mit Befreyung des Mönchs geht alles gut. Dahingegen macht ihm Hohenaus Gemüthszustand Sorge. Er eilt zurück nach Göttingen, wo er Verhaltungsbefehle erwartet.
Funfzehnter Brief. Von Weckel an Hohenau. Sie reisen noch umher. Herr und Frau von M ... Weiblicher Character. Familien-Portraitte. Ein kleiner Roman. Herr und Frau von Lylienfeld. Reisebeschreibung. Hof. Gemälde. Der Oncle hat ein Gut ohnweit Urfstädt gekauft, und wird da wohnen.
Sechzehnter Brief. Von Leidthal an Meyer. Ueber Hohenaus Gemüthszustand. Erforschung
Siebenzehnter Brief. Von Müller an Leidthal. Mit dem Processe geht es schlecht. Glück des redlichen Mannes. Die Aussöhnung mit dem alten von der Hörde ist richtig. Ludwig ist Schauspieler. Ueber diesen Stand. Schauspiele und Romane.
Achtzehnter Brief, (in dem vorigen eingeschlossen) Von Lescow an Müller. Nachricht von der durch den Grafen von Haxstädt zu Stande gebrachten Aussöhnung mit dem alten von der Hörde, und von der fortdauernden Unpäßlichkeit der Frau Commerzienräthinn Müller.
Neunzehnter Brief. Von Meyer an Leidthal. Er ist mit dem Erlösungsbefehle von Maynz zurückgekommen. Wie er den jungen Hohenau gefunden hat. Ueber Schwärmerey im Gegensatz von Enthusiasmus. Sie wollen nun sogleich aufs Eichsfeld.
Zwanzigster Brief. Von Weckel an Hohenau. Er ist auf Birnbaums Hochzeit in Urfstädt gewesen. Leidthal schien niedergeschlagen. Eine Predigt. Gesellschaft von allerley Originalen. Ein
Ein und zwanzigster Brief. Von Leidthal an Weckel. Er meldet ihm den Tod des alten Hohenau mit den Umständen, wie sie ihm Meyer berichtet hat. Nachricht von einem Manuscripte. Er bittet Weckeln, bald zu ihm zu kommen.
Zwey und zwanzigster Brief. Von Hohenau an Leidthal. Voll Mismuth. Er mögte bald weit in die Welt gehn, bald gar aus der Welt hinaus. Studieren mag er nicht, aber heyrathen mögte er.
Drey und zwanzigster Brief. Von Leidthal an Hohenau. Er hat väterliches Mitleiden mit ihm. Trost im Unglücke. Er soll bald möglichst nach Urfstädt kommen.
Vier und zwanzigster Brief. Von Müller an Leidthal. Er bringt traurige Nachrichten mit. Wenn man nicht durch einen Vergleich vorbauet; so ist in acht Tagen der Proceß zu Leidthals Nachtheil entschieden. Müller wird den 20sten nach Urfstädt zurückreisen.
Fünf und zwanzigster Brief. Von Weckel an Hohenau. Er soll nun nicht nach Urfstädt kommen, bis er von daher noch andre Briefe erhält. Er soll sich gefaßt machen, unangenehme Nachrichten zu vernehmen, und sich mit Muth wafnen; Vielleicht wird noch alles gut gehn.
Sechs und zwanzigster Brief. Von Sophie an ihren Vater. Der Bruder hat Hochzeit gehalten. Die Mutter ist gestorben.
Sieben und zwanzigster Brief. Von Müller an seinen ältesten Sohn. Der Verlust der Mutter soll ihn bewegen für seine Geschwister wie ein Vater zu sorgen. Leidthals trauriges Schicksal erzählt. Müller will ihn nicht verlassen, sondern auch nun sein wiedriges Geschick mit ihm theilen. Müllers jüngste Söhne sollen Handwerke lernen. Ein ehrlicher Handwerker ist dem Staate nützlicher als mancher Gelehrter.
Acht und zwanzigster Brief. Von dem Fräulein Charlotte von Hundefeld an Hohenau. Die Eltern haben einen Brief von ihm an dieselbe erbrochen, und sind sehr aufgebracht über das geheime Verständniß, um so mehr, da die Nachricht von Leidthals verlohrnen Processe zu ihren Ohren gekommen ist. Sie haben ihrer Tochter
Neun und zwanzigster Brief. Von Leidthal an Meyer. Sein Schicksal ist entschieden. Für seine Person ist er ruhig, nur schmerzt es ihn nicht mehr so viel für Andre thun zu können. Er schickt ihm eine Summe Geldes. Damit soll er nebst Hohenau nach ... reisen, wo Leidthal Beyden durch Empfehlung Dienste zu verschaffen hofft. Leidthal will nebst Müllern künftig in Hamburg wohnen.
Dreyßigster Brief. Von Meyer an Leidthal. Hohenau ist fort, niemand weiß wohin, und hat die folgenden beyden Briefe zurückgelassen.
Ein und dreyßigster Brief. Von dem Schulmeister Klingenberg an Hohenau. Meldet, daß das Fräulein von Hundefeld durch eine alte Tante eilig ist abgeholt worden.
Zwey und dreyßigster Brief. Billet von Hohenau an Meyer, vor seiner Flucht geschrieben, und zurückgelassen.
Des Menschen Wille, mein lieber Hohenau! ist ein wandelbares Ding. Unsre Handlungen hängen von so viel innern und äussern Umständen ab, daß man nie wagen sollte im Voraus zu sagen, was man den andern Tag thun will. Wenn auch der Tod keinen Querstrich durch die Rechnung macht; so leitet doch so oft das eigensinnige Schicksal unsre Schritte dahin, wohin wir anfangs gar nicht dachten, oder irgend eine unbezwingliche Leidenschaft läuft mit uns davon, und läßt den langweiligen Verstand da stehn und seine Anmerkungen
Doch, in aller Welt! wie komme ich zu dieser Apostrophe? Ich habe Ihnen wahrlich etwas sehr einfaches zu sagen, worauf das alles nicht paßt. Keine Streiche des Schicksals, keine unbändige Leidenschaften haben mit Ihrem Knechte ihr Spiel gehabt. Nein! ich habe mich nur anders besonnen, will meinen Hofnungen einst Feldmarschall zu werden, worauf ich so fest gerechnet hatte, entsagen, und meinen Abschied nehmen. Mein Oncle, der ohne Kinder ist, und von dessen Güte ich einst vielleicht einen großen Zuwachs an zeitlichen Gütern zu erwarten habe, will
Wir reiseten, wie ich Ihnen neulich schrieb
1
, von Cöln ab, nach ..., und
Virtuosi, bey diesen aber hält sich kein Mensch auf, dem die Natur irgend ein hervorstechendes Talent gegeben hat. Man sieht oft in solchen Puppenspielen die herrlichsten Copien, obgleich im Groben, al fresco gemalt, von Stücken aus der heutigen feinen Welt genommen, und wenn sie mehrentheils so ganz gewaltig verzeichnet sind; so werden sie dadurch nur um desto auffallender und interessanter. Wenig Menschen aber haben den wahren Sinn für das ächte Comische. Nicht immer macht die Feinheit, nicht immer die Sonderbarkeit des Gedankens, des Ausdrucks, oder der Situation das Object lächerlich. Der platteste
Die Vorstellung dieses Tages war nicht so lustig anzusehen, sondern es war ein Trauerspiel, und hieß: »Der von seiner Maitresse, einer vornehmen und schönen, aber verbuhlten Gräfinn, mit Land und Leuten dem bösen Feinde in die Hände gelieferte Kaiser Jodocus.« Als wir hinein kamen, waren alle Bänke voll – man spielte zum erstenmal. Ein alter Officier vom Garnisonsregimente saß in der dritten Reihe, auf seinen Stock gelehnt, den er noch vor kurzem im Knopfe hängend getragen zu haben schien. Es war ihm viel daran gelegen, daß ihm in den fordersten Linien niemand die Aussicht nach dem Theater versperren sollte, und er both alles Ansehn auf, das ihm sein Stand in dieser hohen Versammlung
Wir brachten die folgenden Tage mit Geschäften hin, und machten dann eine kleine
Um Mittag kamen wir an. Im Wirthshause war ein Jude, der in seinem Mantelsacke allerley Kleidungen von Glanzleinewand und allerley in grossen Städten schon ein Carnaval durch gebrauchte, verschabte Masken zu vermiethen mitgebracht hatte. Eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft, die auch hierher gekommen war, versah sich damit. Es waren Beamte, Officiere, Advocaten und Doctorn aus der Nachbarschaft mit ihren Weibern. Wir assen des Mittags mit ihnen im Gasthofe, und eher die Ballzeit heran kam, waren die Männer alle besoffen.
Doch erst etwas von der Mahlzeit! Ich gieng vor Tische in die Küche, und fand die Wirthinn beschäftigt einen schönen Putting
Das Brauhaus, wo die Mascarade seyn sollte, lag jenseits des Wassers. Die Brücke war durch das Grundeis fortgerissen, also
Die ganze Entreprise der Mascarade hatte ein ältliches Fräulein, in Gemeinschaft mit dem Apotheker des Orts übernommen. Man bezahlte bey dem Eingange einen halben Gulden, wogegen man noch Thee und Blutwurst frey bekam. Es waren mehrentheils Charactermasken da; Grenadiere mit papiernen Mützen, Läufer und Küchenjungen. Der Stadtschreiber tanzte vor, und sang den Musicanten immer erst die Melodie. Ich wollte doch auch tanzen, und forderte also eine schöne Schäferinn auf. Während des Herumtummelns (denn es gieng sehr lebhaft zu) behielt ich auf einmal den einen Hemdermel meiner Schönen in der Hand – es waren also falsche Vorermeln, ohne Hemd – Dies war nicht das einzige Unglück, denn der ganze
Nach einem noch achttägigen Aufenthalte reiseten wir von hier den 3ten dieses Monats auf einige Tage zu einen alten Freund meines
Unser Wirth führte uns an den Hof, der mir besser gefiel, als ich erwartet hatte. Es dienen hier sehr viel verdienstvolle Fremde;
Wir fuhren auch einige Meilen von da an den ... Hof, wo ich aber weniger Vergnügen fand. Unterwegens an der Strasse liegt ein Garten, der dem Herrn von Römhard gehört, den er selbst angelegt hat, und worauf er sich viel zu gut thut. Es ist aber ein kleiner Platz, und aus dieser elenden Handbreit Erdboden hat er ein ganzes Europa, Asia, Africa und America im Kleinen gemacht. Eine höchst groteske Mischung vom Antiken und Modernen, Ausländischen und Innländischen trotzt hier der weisen Vertheilung und Unterordnung dieser Gegenstände, welche der Schöpfer in der Welt, mittelbar oder unmittelbar, nach und nach entstehen zu lassen, und dem Bedürfnisse jedes Volks anzupassen gewußt hat. In einem alten ehrwürdigen Boudoir; neben einem chinesischen leichten Häusgen die Rudera eines schweren gothischen Gebäudes; über einen kleinen Graben, der nur nach heftigem Regen von faulem Wasser angefüllt seyn kann, eine ungeheure Brücke, über welche die ganze Armee des Cyrus, mit aller Bagage, hätte marschieren können; Bäche, die sich wie Kaffeepretzel schlängeln – Kurz! ein Gewirre von Objecten, wobey man sagen könnte: Spectatum admissi, risum teneatis amici –
Wir blieben an diesem Orte nicht lange, und kehrten bald wieder zu unsern guten Freund zurück. Hier gieng die Zeit schnell vorüber. Wir besahen, was zu sehen war. Die Bibliothek des Prinzen hat nichts Vorzügliches, aber es ist eine brauchbare Sammlung, und der Rath, der die Aufsicht darüber hat, ist ein sehr redlicher, allgemein geachteter Mann. Ohne eben für ein großes Genie gelten zu wollen, hat er manche nützliche 2
Man hatte mich vor einem Manne dort gewarnet, von welchem man sagte, er sey sehr medisant. Ich kann aber nicht sagen, daß ich ihn für so gefährlich gehalten habe. Zudem giebt es mancherley Arten Medisance. Daß jemand, der mehr Verstand als andre Leute, auch einen feineren Sinn für das Lächerliche hat, wundert mich gar nicht. Unterdessen billige ich den Spott, wo er nicht Nutzen bringen kann, gar nicht, und ärgere mich oft, wenn ich mich über den Fehler ertappe, über die Thorheiten andrer Leute laut zu lachen, doch geschieht dies gewiß immer mit fröhligen, ofnen, unbedachtsamen Herzen, ohne schädliche Absichten. Nie werden Sie finden, daß ich den redlichen Character in effigie aufzuhenken; diesem Volke zu zeigen, daß es auch Menschen giebt, die den Muth haben laut zu sagen, daß der edeldenkende, weisere Bettler an ihrem Platze zu seyn verdiente – Dieser Versuchung kann ich nicht immer wiederstehn. Freylich ist es darum nicht recht gethan. Aber ich kenne
Doch, wohin gerathe ich? Mein Brief wird langweiliger, als ein Heft mancher Monatsschriften. Ich eile also zum Schluß. Wir sind seit einigen Tagen wieder hier, werden nun bald unsre Geschäfte geendigt haben, und dann zurück auf meines Oncles Gut gehn.
Nur noch ein paar Worte! Da komme ich eben zu Hause, den Bauch voll Braten, Compoten, Kuchen, und die Ohren voll alter deutscher Arien, von fünf Demoisellen abgesungen – Gott segne ihre Stimmen! – Wir haben nemlich zum Abschiede bey dem Herrn Obristen gespeiset, der eine zahlreiche Familie hat. Seine lange hagere Frau hat mich so zum Essen genöthigt, daß ich würklich für einige Tage genug habe. Nach Tische sprach ich nur von ohngefehr von einem Claviere, das ich da hatte stehen gesehn, und nun gieng das Spielen und Singen los. Erst wollten die Mädgen nicht daran, und hernach konnten sie nicht wieder aufhören. Da hieß es: »ja das Mädgen hat eine ganz hübsche Stimme« – »Sing doch einmal das, von dem Vogel« – »Nein, Dortchen! mich laß Nummer Dreyzehn spielen, Du kannst es nicht recht« – Und dann geschrien – Alle zugleich – Die Nummern mußten durch, davor half nichts, ehe wir
Theuerster Freund!
Ihre Briefe machen mir immer die fröhligsten Augenblicke. Wie gern mögte ich mir ihre muntre Laune wünschen! Ich fühle nur gar zu oft, was für ein langweiliger Gesellschafter ich bin, und ich werde es immer mehr. Glauben Sie mir, ich tauge nicht für die große Welt, doch werde ich mich wohl einst darinn herumtreiben müssen.
Ueberhaupt, verzeyhen Sie mir's, beneide ich Ihr Schicksal. Ich trete erst itzt in meine Laufbahn, und wer weiß, was mir darinn bevorsteht? Sie, der Sie wenig älter als ich sind, sehen Sich schon im Genuß des Errungenen.
Könnte ich Ihnen nur für Ihren muntern Brief irgend etwas Interessantes von hieraus schreiben! Aber hier, von niemand als von Studenten umgeben, von meinen besten Freunden und denen Personen, mit denen ich gern leben mögte, getrennt, in ziemlich trockene Wissenschaften vertieft – Was kann mir da lustiges aufstossen?
Eine sehr angenehme Bekanntschaft haben wir indessen gemacht, den Hofmeister eines Liefländers, und einen Mann voll Gefühl, beure & blanc nennt – denn sie sind wäßrig. Jener hingegen die St. Germain, weil sie kleine Steine haben, und etwas herbe sind – der Character eines Menschen, der ein wenig eigensinnig und rauh, aber doch nicht schlimm ist. Dort sitzt ein gewöhnlicher, einfacher, gesunder Mensch, ohne Fähigkeiten, der gleich nach dem schönsten großen rothen Apfel greifen würde. Trauen Sie dem nicht, der stets das Obst ißt, welches schon ein bisgen angegangen ist. Wer aber nur nimt, was gerade vor ihm liegt, kömmt am Besten durch die Welt. Das ist die glücklichste Art Menschen« u.s.f.
Das ist eine sehr alte Bemerkung, daß man die Handwerke, Stände und Temperamente ziemlich nach dem Gange unterscheiden kann. Ein Schneider geht ganz anders als ein Schmid, ein Doctor anders als ein Prediger, ein sehr thätiger Mann anders als ein Pflegmatiker, und ein Mann im Wohlleben wird sein Haupt höher tragen, als ein Unglücklicher, Armer, Gedrückter.
Ich erinnere mich selbst von Ihnen gehört zu haben, daß Sie aus der Pantomime, deren sich ein Mensch bey der gewöhnlichen Unterredung bedient, Schlüsse auf seinen Geist machen.
Dies nun alles zusammen genommen; so ist denn doch noch immer zu überlegen: Erstlich, daß diese Bemerkungen im Stillen angestellt werden müssen. Dann wenn ich jemand geradezu frage: »was essen Sie gern« oder so etwas; so wird er gekünstelt antworten. Er wird sich gern auszeichnen wollen, oder überhaupt sich nicht ganz unbefangen erklären. Zweytens, daß wir die Charactere der Dinge noch oft sehr falsch beurtheilen, weil wir dies noch nicht zu einem Studium gemacht haben, z.B. ich sagte vorher, eine beure & blanc sey wäßrig; das war nicht der rechte Ausdruck. Sie hat Temperament, Saft, Weichheit, vielleicht etwas Talent, aber nicht Kraft, Geist, Seele. In einer Rainette kann die Signatur des Witzes stecken u.s.f. Drittens, daß man mehr Züge zusammennehmen muß, denn daß einer gern beure & gris ißt, macht ihn freylich allein noch nicht zum guten Men schen. Viertens, daß man zu verschiedenen Zeitpuncten beobachten muß; denn ich selbst habe Launen, wo ich, fast schäme ich mich es zu sagen, Artischocken mit Appetit essen, und einen grünen Rock mit gelben Knöpfen tragen könnte. Fünftens, daß es gewisse gleichgültige Speisen, Farben, Handlungen giebt, z.B. die puce Farbe, Milchspeisen, angewöhntes Zucken der Nerven im Gesichte, und andere solche Dinge, die entweder an sich nichts beweisen, oder von der Mode und Gewohnheit bestimmt werden.
Uebrigens bleibt mir es ein sichrer Grundsatz, daß wenn man Monate lang die Menschen auf diese Art beobachtete, man mit ihren geheimsten Eigenschaften vertrauet werden würde, da hingegen in Haupt- und Staats-Actionen jedermann auf seiner Hut ist.
Beure & blanc ist seine liebste Birne. Er wird gewiß nicht Conrad heissen. Er wird mit kleinen, sachten, nicht zu langsamen und nicht zu geschwinden Schritten gehn, die Arme nie weit von den Leib bringen, nie heftig declamiren, sich die Coeur-Dame in Gedanken wählen, wenn er sich eine denken soll, an einer Statue die Drapperie bewundern, und nach der Carnation nur hinschielen. Er wird sich mit Verachtung von holländischen Gemälden wegwenden, indeß der Mann, der feines Gefühl für das Comische hat, die Hogartschen Kupferstiche
Einem Manne von Ihrer lebhaften Einbildungskraft wird dies nicht lächerlich vorkommen. Doch will ich etwas von Theorie hinzufügen.
Die Signaturen der Dinge sind durch die ganze Natur dieselben, oder wenigstens gewöhnen wir uns an ähnliche Formen ähnliche Begriffe zu heften. Sympathie beruht auf
Man gewöhne sich die Charactere der leblos scheinenden Dinge mit forschenden Augen anzusehen, und man wird finden, wie so alles das Zeichen seines Innern an seiner Stirne trägt, wie sehr diese Signaturen bey allem Geschafnen dieselben sind, und wie gern sich gleich und gleich in der Natur zusammen gesellt. Unter zehn Aepfeln Einer Gattung sind vielleicht nicht zwey, die einerley Phisionomie, das Zeichen desselben Temperaments, hätten. Denken Sie noch an das Fräulein in Ehrenburg, welches die Menschen mit Blumen verglich, und als jemand, dessen Witz oft langweilig und beleidigend war, sie bath, ihn doch auch mit einer Blume
Ich gebe diese hingeworfenen Gedanken für nichts anders, als für Auszüge aus meines Freundes Systeme aus, und wie alle neue Ideen gefallen; so bekenne ich gern, daß ich sehr viel Vergnügen in der Verfolgung dieser Winke gefunden habe.
Ueberhaupt ist dieser Mann ein sehr genauer Beobachter des Menschen, glaubt, daß keine Handlung desselben gleichgültig sey, und daß, wenn man sich nur gewöhnte, auch in die geringsten dieser Handlungen Absicht und Ordnung zu legen, diese Rechtlichkeit zuletzt zu einer solchen Gewohnheit werden würde, daß sie auf unsre größten und wichtigsten Schritte Einfluß haben müßte. Es ist unbeschreiblich, sagt er, wie gern sich Seele und Cörper an eine einmal angenommene Ordnung binden. Man ist mehrentheils nur
par habitude zum ordentlichen Menschen, zum Müßiggänger, oder zum Bösewicht geworden, und sogar zur Rechtschaffenheit kann sich der Mensch durch Uebung in der Tugend bringen. Es mischt sich dann in das Vergnügen, das die Erfüllung unserer Pflichten uns gewährt, ein gewisser Eigensinn sich immer gleich bleiben zu wollen, und die kleinste Uebertretung bringt das Gewissen in Aufruhr, wenn es nicht daran gewöhnt ist, oft mit seinem Rathe verabsäumt zu werden.
Er hat eine Menge Aphorismen zu kleinen und großen Lebensregeln gesammlet, wovon ich Ihnen doch einige abschreiben will:
»Wenn Du etwas fallen lässest; so hebe es augenblicklich wieder auf. Verschiebe es nicht; so wirst Du auch einst, wenn Du Deinen Freund aus dem Unglücke retten willst, nicht aus Faulheit oder Unentschlossenheit den günstigen Augenblick verstreichen lassen.«
»Frage nie in Gesellschaften wie viel Uhr es ist.«
»Mache Dich von gleichgültigen Gewohnheiten los. Thue nichts mechanisch. Es giebt Leute, die alle Thüren hinter sich zuziehen, die offenbleiben sollen, und andre, die alle Thüren offen lassen, die man verschlossen halten mögte.«
»Kneipe niemand; Zerre keinen mit einer unwahren Nachricht; Erschrecke niemand; Verstecke nie Hüte, Handschuhe, oder dergleichen. Nöthige niemand zum Essen und Trinken.«
»Wenn Du spatzieren gehest oder sonst, und ganz ohne wichtige Gedanken bist; so frage Dich um jedes Object: Warum ist es so und nicht anders? Warum ist dieser Eckstein rund behauen? Warum spuckt der Bauer dort bey seiner Arbeit in die Hände? Wie und wo wird dies Stück, dieses Instrument gemacht? Sollte es wohl weh thun, wenn mir ein Schaaf oder ein Schöps auf den Fuß träte?
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– Glaube nur, solche platt scheinende Fragen klären unbeschreiblich auf.«
»Vertraue Dich dem Manne nicht, der jedermanns allgemeiner Freund ist. Er wird
»Traue dem Manne nicht, der verächtlich vom weiblichen Character denkt.«
»Traue dem Manne nicht, der keine Kinder liebt, und den die Kinder nicht leiden können.«
»Was lange dauert, wird schlecht. Thue alles, was du thust, schnell. Eine Thorheit, aus Uebereilung gethan, stiftet mehrentheils weniger Schaden, als eine gute Handlung, aus zuviel Ueberlegung unterlassen. Daraus folgt nicht, daß man immer unbedachtsam handeln soll. Man kann würklich seinen Kopf so gewöhnen, daß er, auf die erste Anforderung, das beste hergiebt, was er hat. Die kalten Pedanten, die jeden Gedanken zehnmal im Kopfe herumdrehen,
»Behaupte nie heftig einen theoretischen Satz in Gesellschaften. Wer eigensinnig ist, wird sich doch nicht überzeugen. Und warum soll denn auch eben jeder so denken wie Du?«
»Hüte Dich vor dem Manne, der mit kaltem Blute, unnöthigerweise Thiere erwürgen und martern kann, der sich seines Viehes nicht erbarmt. Das Seufzen der Creatur dringt auch bis zu den Thron Deines Schöpfers.«
»In jeder Sache sey der Erste oder der Letzte, wenn Du ein großer Mann werden willst.«
»Wenn Du bey einem eigensinnigen Manne eine Sache durchsetzen mußt; so hüte Dich mit ihm über Kleinigkeiten zu
»Bemoralisiere die Leute nicht! Bessere, reformiere nicht, wenn Du keinen Beruf dazu hast. Gefällt Dir der Mann nicht; so gehe fürbaß, und suche Dir einen Andern.«
»Wer zu empfindlich ist, wird immer beleidigt, und zwar nicht nur, weil er alles übel nimmt, sondern auch, weil sich jeder alles gegen ihn erlaubt, und sich immer damit entschuldigt: der Mann nimt alles übel.«
»Ertrage jeden Schwachen, und laß jedem sein Steckenpferd. Dies Leben ist so
»Man schläft noch einmal so ruhig, wenn man Frieden mit seinen Brüdern hat.« –
Doch genug, mein bester Freund! Ich hoffe diese kleinen Auszüge sollen Ihnen keine Langeweile gemacht haben. Bessers weiß ich Ihnen nichts zu schreiben. Wir hoffen mit Verlangen auf das Vergnügen Sie hier zu umarmen. Herr Meyer empfiehlt sich Ihnen bestens, und ich bin ewig
Es liegt mir sehr am Herzen, mein lieber Freund! daß Sie doch ja nicht versäumen mögen, sich so genau als nur irgend möglich ist, nach den Umständen des Gefangenen im Kloster zu erkundigen, und ich schreibe Ihnen deswegen diesen Brief, den Sie, wie ich hoffe, noch vor Ihrer Abreise auf das Eichsfeld bekommen sollen, um Sie nochmals zu bitten, die äusserste Sorgfalt in Ihren Nachforschungen darüber anzuwenden.
Es würde über den Rest meines Lebens Ruhe und Freude verbreiten, wenn ich meinen alten Freund wiederfinden, ihn aus seinem Unglücke erlösen, und meinem Carl seinen 1
manchen Feind auf den Hals zog. Die Schicksale, die mein armer Freund litt, könnten Stoff zu einem ganzen Roman hergeben. Nicht leicht ist jemand so sehr verkannt worden, als dieser edle junge Mann. Jedermann erlaubte sich über seine Handlungen zu raisonieren, und darunter waren oft Leute, die ihn gewiß nicht im Geringsten übersehen konnten.
Man sollte nie über kluger Leute Handlungen urtheilen, denn das heißt ja offenbar gesagt, daß man sich noch klüger als sie dünkt. Wer kann dem Menschen ins Herz sehen? Wer weiß, mit welchen stürmischen Leidenschaften 2
– Ich muß bekennen, daß ich noch immer gefunden habe, daß der kluge Mann der bessere Mann ist, und daß Tugend und Weisheit unzertrennlich sind. Der Einfältige kann kein feines Gefühl haben, und ohne Delicatesse ist alle Tugend keine Tugend. Wenn wir von einem Menschen sagen: er ist klug; schade, daß er seinen Verstand schlecht anwendet! so ist das nicht wahr. Der Mann kann listig gewesen seyn, aber klug war er nicht, oder er war kein Bösewicht, sondern ein Irrender, auf einem Wege, den jener vielleicht nicht einmal den Muth hat zu betreten. So glaubt ein dicker, pflegmatischer
So gieng es denn auch dem armen Hohenau. Vielleicht haben wenig Menschen, vom Frühling ihres Lebens an, ein so hartes Schicksal gelitten, als er. O! wenn es mir doch gelünge, nach langjährigem Jammer, ihm noch zuletzt einige glückliche Jahre zu verschaffen, und an der Seite dieses ersten Freundes meiner Jugend mein Leben zu beschliessen!
Nun muß ich Ihnen von einem sehr ernsthaften Handel Nachricht geben, der mir, die Wahrheit zu gestehen, einige Unruhe macht; doch hoffe ich, es soll nichts zu bedeuten haben.
Urfstädt nebst den dazu gehörigen Dörfern hatte ehemals der Familie von Wallitz gehört, und war durch Tausch in meiner Voreltern Besitz gekommen. Es scheint man hatte nicht die Vorsicht gebraucht, genau nachzuforschen, ob noch jemand von dem Stamme sonst irgendwo vorhanden wäre, der diesen Contract nichtig machen, und an den Gütern etwas zu fordern haben könnte. Alles war aber still davon. Meine Verwandten nahmen daher die Güter in Besitz, jene bekamen theils Geld, theils an andern Oertern gelegene Grundstücke, und die Lehnsherrn willigten
Auf einmal kömmt vor wenig Wochen der Sohn dieses Wallitz, ein Mann von etwa 50 Jahren, mit einem sehr großen Vermögen aus dem andern Welttheile zurück, erneuert seine Ansprüche, und hat nichts geringers im Sinne, als mich um den größten Theil des Meinigen zu bringen.
Sobald ich hiervon Nachricht bekam, fuhr ich zu ihm in die Stadt. Ich sagte ihm über diesen Gegenstand, was ein redlicher Mann, der kein fremdes Gut besitzen, aber auch aus einer gerecht, für baares Geld erkauften Besitzung
So wenig ich bis itzt Ursache habe zu fürchten, daß meines Gegners Forderungen gerecht sind; so habe ich doch eine gewisse Angst, die mir wenig Ruhe läßt. Ich habe so lange in Frieden gelebt, niemand gekränkt, und manchem mit meinem Ueberflusse dienen können – Es würde ein grausamer Schlag für mich seyn, wenn die Sache übel ausfallen sollte. Ich würde gar nicht Gelegenheit haben mich an meines Gegners Verwandten zu erholen; Sie sind alle theils verarmt, theils fortgegangen. Der letzte, der noch vor langen Jahren in diesen Gegenden wohnte, war ein sehr ausschweifender Mann. Er verführte, obgleich er selbst verheyrathet war, zwey unschuldige Schwestern, die hinterlassenen Töchter seines Bruders, deren er sich
Ich werde, um mehr Licht in diesem ganzen Processe zu bekommen, den ehrlichen Müller vielleicht bald nach Wetzlar reisen lassen müssen. Es wird mir dort gewiß nützliche Dienste leisten können, und unterdessen will ich mich nicht vor der Zeit ängstigen.
Da die Accisschreibersstelle, welche ich hier zu vergeben habe, erledigt ist; so bitte ich Sie, mein Lieber! mir Ihren Bedienten Birnbaum zu schicken, dem ich diesen kleinen Dienst lange zugedacht habe. Er kann mit Weckel, wenn dieser durch Göttingen kömmt, reisen, und sich nachher mit seiner treuen Jungfer Sievers vermählen. Sie werden leicht einen andern Waffenträger finden.
Nun, das war einmal wieder ein langer Brief. Ich erwarte mit Ungeduld einen von Ihnen, und die Nachricht von Ihren Verrichtungen auf dem Eichsfelde, umarme unsern Pflegesohn in Gedanken, und bleibe
Ihr treuer
Nur einige Zeilen, mein theuerster Herr! zur Antwort auf Ihr gnädiges Schreiben, das ich so eben erhalte, indem wir im Begriff sind aufs Eichsfeld zu gehen.
Die Nachricht von dem verdrießlichen Processe beunruhigt uns sehr. Der Himmel wolle diesen Sturm von unserm besten Wohlthäter abwenden! –
Der Herr von Hohenau wird selbst einen kleinen Brief hier einlegen –
Ich will keine Mühe sparen des Gefangenen Schicksal in's Klare zu bringen –
Ihrem väterlichen Rathe in Ansehung der Freymaurerey will ich gewiß treulich folgen. Mir hat es immer übel gefallen, daß über diesen Gegenstand seit einiger Zeit so viel geredet und geschrieben wird. Ueberhaupt giebt es selten Menschen, die wahrhaftig schweigen können. Ich habe deren sehr wenige gefunden, und mich dünkt, man versäumt, bey der Erziehung der Kinder, das Einprägen und Erproben dieser, in der bürgerlichen Gesellschaft so nöthigen Tugend gänzlich. Ich müßte mich sehr irren, oder die Verschwiegenheit ist seit dreyßig Jahren weit rarer, obgleich die Aufrichtigkeit und
Unsre Pferde stehen vor der Thür – Ich schliesse mit den Empfindungen der hochachtungsvollsten, unveränderlichsten Treue.
Ew. Hochedelgebohren habe ich die Ehre einliegenden Brief meines Freundes, des jungen von der Hörde, an mich zu überreichen, einen Brief, der gewiß Ihr Vaterherz mit Mitleiden gegen den unglücklichen Zustand Ihrer armen Frau Tochter, und ihres guten, von allen seinen Freunden und Verwandten verlassenen Gatten, erfüllen wird. Wenn Sie helfen können, redlicher Mann, Ach! so thun Sie es doch ja! Es ist Ihre einzige Tochter, welche Sie immer so sehr geliebt haben. Ich weiß wohl, daß Ew. Hochedelgebohren itzige Lage Sie ausser Stand setzt das Schicksal dieser Flüchtlinge unmittelbar zu erleichtern. Aber Sie haben ja einen großmüthigen
Es thut mir leid, daß ich Denenselben bey dieser Gelegenheit nicht verschweigen darf, daß Ihre Frau Gemahlinn sich nicht die mindeste Mühe geben will, die Sache ins Gleiche zu bringen, daß sie nicht nur auf ihre Tochter in den härtesten Ausdrücken schmält, sondern auch in ihren Reden die von der Hörde gar nicht schont, welches denn natürlicherweise die Gemüther immer mehr erbittert, und den Handel schlimmer macht.
In der Hofnung, daß Sie diese meine Bitte und aufrichtige Aeusserung nicht ungütig aufnehmen werden, habe ich die Ehre Sie zu versichern, daß ich mich blos deswegen geradezu an Sie wende, um Ihnen zu zeigen, wie groß mein Zutrauen zu Ihrem
Ew. Hochedelgebohren
ergebenster Diener
J. Julius Bröck.
Nachschrift. Noch halte ich es für meine Pflicht Ihnen, wenn Sie nicht kürzlich Nachricht von Ihrem Herrn Sohn Ludwig haben, gehorsamst zu rathen, Sich ein wenig genau nach ihm zu erkundigen. Er ist im Begriff, ohne Ihrer Frau Gemahlinn Wissen, eine Lebensart zu ergreifen, von welcher ich nicht gewiß weiß, ob Sie den Schritt dazu billigen würden.
Bist du noch der Freund eines Unglücklichen, oder verlässest auch Du den, der vom Schicksal und allen Menschen verlassen ist? – Ach! wenn Du das könntest, wie würde es mich reuen, Dir den Triumpf zu geben, gegen Dich klagen zu müssen – Wenn Du fähig wärst, mit kaltem Blute diesen Brief wieder zusammen zu legen, und auszurufen: »So geht es, wenn man guten Rath verachtet, und ein aufbrausender Jüngling seinem Kopfe folgt« – Doch nein! Theuerster, ewig Geliebter! Verzeyhe mir, mein Elend machte mich einen Augenblick ungerecht. Du bist noch der einzige
So höre denn wie, von dem Augenblicke meiner Flucht an, Jammer auf Jammer gehäuft, Deinem armen, armen Freunde das hartnäckigste Schicksal auf jedem Fußtritte gefolgt ist – O! wie gern wollte ich leiden, Hunger, Durst, Armuth und Verachtung leiden! Aber der Anblick meiner himmlischen Sophie, ihre duldende Sanftmuth, der Gedanke, daß ich vielleicht auf den Rest ihres Lebens Mangel und Elend bereitet habe, erstickt mein Herz – Wie lange werde ich diese Last, die schwer auf meiner Seele liegt, ertragen können! –
Wir eilten darauf, uns nach einer kleinen Wohnung umzusehen – Ich hatte ohngefehr dreyßig Ducaten noch übrig, mit denen ich vorerst zu leben hofte, bis der Himmel uns einige Aussicht etwas zu erwerben zeigen würde.
Es hatte die letzte Tagereise ein Franzose, Mr. de la Saltière, mit uns gemacht. Wir wurden nemlich im Wirthshause, wo wir die Nacht zubrachten, mit ihm bekannt. Als
Wir hatten ihn des Morgens bey unserer Ankunft in einem Gasthofe verlassen, um einen Prediger aufzusuchen. Darüber war der halbe Tag verstrichen, und als wir endlich des Abends Arm in Arm aus des Predigers Hause kamen, begegneten wir ihm, Gott weiß, ob von ohngefehr, oder durch seine Veranstaltung, aber immer zu unsrem Unglücke, auf der Gasse.
Der Prediger hatte mir Verschwiegenheit, in Ansehung der verrichteten Trauung anbefohlen, also sagte ich auch davon nichts. Er fragte mich aber, ob ich schon eine Wohnung
Diese Zudringlichkeit stand mir wohl nicht recht an, doch war nicht gut ein Vorwand zu nehmen, seine Höflichkeit abzulehnen. Wir giengen also in den Gasthof zurück. Der Wirth bekräftigte des Franzosen Aussage: »Aber, wie ist es möglich« rief ich aus, »daß man einem unverdächtigen Fremden die Erlaubniß verweigern kann, für sein Geld zu leben, wo er will?« – »Das ist nun einmal nicht anders« antwortete er, und betheuerte, daß er dies nicht um seines Vortheils willen sage, sondern ich könne mich darnach erkundigen bey wem ich wollte. Da ich nun niemand in der Stadt kannte, ich aber wohl einsahe, wie theuer ein beständiger Mr. de la Saltière in das Ohr raunte: »Er wisse allenfalls eine Wohnung für uns, bey einer guten alten Frau, die zwar einen Gasthof halte, und also das Recht habe, Fremde aufzunehmen, allein weil sie ziemlich bemittelt sey, und Ruhe liebte, nicht gern jedermann aufnähme; doch wolle er mit ihr reden. Er selbst logiere da, so oft er hierher komme, und die Frau sey äusserst billig.«
Dieser Vorschlag schien mir so uneigennützig, daß ich ihn mit beyden Händen annahm, und er gieng augenblicklich fort, um alles richtig zu machen, nachdem er mir vorher eingeschärft hatte, diesem Wirthe nichts davon zu sagen.
In weniger als einer Stunde kam der Niederträchtige wieder, und berichtete mir, wie er alles in Ordnung gebracht habe, wir
Unser Leiter brachte uns in eine abgelegene Gasse, und führte uns dann durch einen Hof in ein Hinterhaus – »Desto besser!« dachte ich »hier wohnen wir um so stiller und unbemerkter.« Die Wirthinn, eine große dicke Frau kam uns bey der Thür entgegen, gab uns vertraulich die Hand, und wies uns, zwey Treppen hoch, zwey von einander entlegene Zimmer an. Da ich nun dem Franzosen nicht hatte sagen wollen, daß Sophie itzt meine Frau wäre; so mußte ich diese Einrichtung mehr seiner Delicatesse, als einer andern Ursache zuschreiben. Ich stellte mich also vorerst darüber zufrieden, und dachte, wenn er, seiner Versicherung gemäß, in einigen Tagen weiter reisen würde, könnte ich
Als ich im Bette lag, war würklich meine Seele ziemlich heiter, und wenn ein Seufzer aufstieg; so schickte ich ihn zurück, woher er gekommen war. Ich machte mir allerley, ach! leider zu schwärmerische Gemälde, von künftiger Glückseligkeit. Voll Zuversicht auf den Vater aller Creaturen, rief ich mit trostvollem Herzen aus: »Er wird des Armen nicht so ganz vergessen, und die Hofnung der Elenden wird nicht verlohren seyn ewiglich.«
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Das Haus, in welches uns der Franzose geführt hatte, war nichts bessers, als ein Bordel, in welchem der Verruchte die Nächte in Wollüsten und bey Hazardspielen zuzubringen pflegte. Sein Plan war gewesen, meine liebe Frau dort zu verhandeln, zu verführen,
Wie es schien, so hatte die Obrigkeit, aus politischen Absichten, dieses Nest niemals zerstören wollen, so lange keine ausbrechende öffentliche Unruhen daher entstünden.
Diese Nacht nun hatte sich wiederum eine Rotte solcher Bösewichter versammlet, um einen verführten jungen Menschen, den sie in ihr Garn gelockt hatten, bey Wein und unzüchtiger Liebe, im Spiele um Vermögen, Gesundheit und Ruhe zu bringen – Es war Streit entstanden – Die Gemüther waren erhitzt – Man hatte zu den Waffen gegriffen – Der betrogene Jüngling war das Schlachtopfer geworden, de la Saltière hatte
Man trennte meine liebste Sophie von mir, sie wurde, mit den feilen Dirnen zusammen, auf die verächtlichste Art ins Gefängniß geführt, und ich kam, mit einer höllischen Bande halbbetrunkner Leute, in ein anderes –
Laß mich schweigen von dem, was ich hier acht Tage lang, während welchem die Untersuchung dauerte, empfinden und leiden mußte. Ich will Dir nur sagen, daß ich mit genauer Noth, durch das Zeugniß des Gasthalters, bey dem mein Koffer stand, und die Bekräftigung der ehrlosen Wirthinn selbst, endlich nebst der Freundinn meiner Seele errettet wurde.
»Und wohin nun, meine beste Sophie?« rief ich laut klagend aus – »Was mußt Du nicht um meinetwillen leiden! O Gott! ist denn kein guter Mensch mehr auf der Welt, der uns Unglückliche in seine Hütte aufnähme?«
Das liebe Weib war getröster als ich. Sie fiel mir um den Hals: »Sind wir uns nicht genug?« sagte sie »Was bekümmert
Neue Träume der Phantasie wiegten uns ein. Wir fiengen an es als eine Wohlthat zu betrachten, daß ein Unglücksfall uns aus der lastervollen Stadt vertrieben hatte, und unsre Beruhigung stieg zu einer solchen Heiterkeit und Munterkeit empor, daß man uns für die glücklichsten Leute hätte halten sollen. »Gewiß wird noch einst jede Thräne abgewischt werden von unsern Augen. Wodurch
Hast Du wohl bemerkt, mein lieber Freund! wenn man recht traurig ist, und keine frohe Aussicht das Herz erleichtert, so steigt der Kummer auf den höchsten Gipfel, und dann bricht die Welle auf einmal – Man ist auf einige Zeit völlig ruhig – So grenzen die äussersten Ende der Leidenschaften ganz nahe an einander. Gott, der uns ein gefühlvolles Herz gab, wollte doch nicht, daß dies Herz uns eine Hölle auf Erden bauen sollte. Wenn unser Elend am größten ist; so erheitert auf einmal ein Strahl der Gottheit die finstre Seele – Ist es Hofnung, ist es das Bewußtseyn, daß wir nicht für diese Welt geschaffen sind, oder ist es blos eine physicalische Würkung, daß unsre feinen Nerven die höchste Anspannung nicht lange
Uns erweckte indessen das Ideal unsres künftigen ländlichen Aufenthalts zur Freude, und so fuhren wir sorgenlos, den ganzen Tag lang, mit der Post fort – Die Gegenden kamen uns so schön vor. O! wenn man fröhlig ist; so lächelt uns alles an, aber um den Elenden trauert die ganze Natur –
Nur zu kurz war diese ruhige Periode! Unser Postwagen wurde noch in derselben Nacht, im Walde von Räubern angefallen – Es waren zwölf bewafnete Kerl, Unserer waren, nebst dem Postillon nur fünf, und darunter nur drey Männer – Sie droheten uns zu tödten sobald wir Lerm machen würden, brachen alle Koffer und Kasten auf, nahmen uns Uhren, und kurz alles weg – Mein bisgen Geld, etwas in Silbermünze abgerechnet, hatte ich in das Unterfutter genäht,
Nun war freylich unser Jammer wieder auf's höchste gestiegen. Bey dem benachbarten Gerichte eine kostbare Untersuchung zu veranstalten, schien uns gefährlich – Wir waren froh das Leben, die wenigen Kleidungsstücke, welche wir an uns hatten, und sechzehn Ducaten gerettet zu haben – Dennoch muß ich hier wieder bekennen, daß der Muth meiner ewig theuren Sophie den meinigen bey weitem übertraf, mich in wenig Stunden gänzlich über das Verlohrne tröstete, und mich mit neuer Heiterkeit erfüllte. Wir beschlossen nun den kleinen Rest der Reise zu Fuß zu machen, und kamen gegen Abend in Rechtersdorf an.
Von unserer Aufnahme dort hatten wir alle Ursache zufrieden zu seyn. Die guten Landleute schienen würklich bey der Erzählung
Es wohnt dort eine adeliche Familie auf ihrem Gute. Die Frau vom Hause ist überall, und das mit Recht, wegen ihrer Leutseeligkeit und edlen Menschenfreundlichkeit beliebt. Sie läßt keinen Armen, keinen Nothleidenden
Dazu kam ein Umstand, der mich in Bestürzung setzte. Einer von denen jungen Herrn ist in holländischen Diensten. Er kam eben damals mit einem andern Officier dorthin, und als er uns zum erstenmal begegnete,
Um aber hier besser fortzukommen, hielten wir es für nöthig, in einer noch weniger glänzenden Gestalt zu erscheinen. Also verwechselten wir unsre Kleider mit ganz schlechten, die wir einem Handwerksmanne abkauften, und giengen in der Stille von Rechtersdorf weg.
Unterwegens stiessen wir in einem Walde auf eine Bande von Zigeunern, welcher Umstand meiner guten Sophie, beym ersten Anblicke, eine große Furcht einjagte, weil man gewöhnt ist, sich immer bey diesen Leuten eine Rotte von Spitzbuben zu denken. Sie
Diese Leute sind gewiß sehr merkwürdig, wegen ihrer Anhänglichkeit an die alten Sitten der herumziehenden Stämme. Sie haben Pferde, Esell, zuweilen auch Zelte bey sich, wandern so Heerdenweise umher, und wo sie geduldet werden stehlen sie nie. Diese Gesellschaft bestand etwa aus vierzehn Personen, deren Einige sich ausgezogen hatten, und ihre Kleider in einem Bache wuschen, so rauh auch den Tag das Wetter war.
Wenn man bedenkt, wie wenig Bedürfnisse, und also wie wenig Leidenschaften sie zu befriedigen haben; wie mäßig ihre Nahrung, überhaupt wie nahe angrenzend ihre Lebensart an den natürlichen Zustand des Menschen ist; so sollte mancher, dem, durch die bürgerlichen Verhältnisse, durch Zwang
Sobald ihnen Kinder gebohren werden, lassen sie solche gewöhnlich in dem nächsten Dorfe taufen. Viele von ihnen nehmen Kriegsdienste, kehren aber mehrentheils noch in ihren besten Jahren zu der ersten müßigen, ungezwängten Lebensart zurück. Es herrscht eine patriarchalische Verfassung unter ihnen. Sie sind zum Theil wohl gebildet, aber die Haut reiben sie sich mit Jagdfett, und lassen dies durch die Sonne oder das Feuer einbrennen, welches ihnen eine nicht häßliche Nußfarbe giebt. Ihre Zähne sind schneeweiß, und nie haben sie das Geringste von Ausschlag noch Ungeziefer an sich. Dies zu verhindern gehört mit unter ihre Künste, deren sie viel zu besitzen im Rufe stehen. Sie sollen unter andern vermittelst einer Kugel, die sie in das Feuer legen, mitten unter verbrennlichen Sachen ein Feuer anlegen können, dessen Flamme nicht weiter zündet. Sie behaupten,
Wären wir in einem ruhigern Gemüthszustande gewesen; so hätte ich mich gewiß länger bey diesen sonderbaren Menschen aufgehalten, und würde mich bemüht haben, vorzüglich ihre Sprache zu studieren, die mit der deutschen nicht die mindeste Aehnlichkeit hat. So aber trennten wir uns bald, und gaben ihnen ein kleines Reisegeld, wogegen sie uns, ohngebethen, Reichthum und Glück prophezeyeten – In der Verfassung, darinn wir leider! waren, fängt man gar zu gern jeden Hofnungsstrahl auf, und wir fanden uns so geneigt in ihre Kunst kein Mistrauen zu setzen, daß ich mich nicht schäme zu gestehen, daß wir durch ihre Vorhersagungen, mit neuer Zuversicht gestärkt, weiter giengen. Es war zwey Uhr Nachmittags als wir hier ankamen.
Du kannst leicht denken, mein Theuerster! daß wir, bey diesen Umständen, noch immer für unser künftiges Schicksal zittern. Zwar ist hier eine große Pachtung, auf welcher ein ziemlich guter Mann wohnt, der uns eine reinliche Wohnung eingeräumt, und versprochen hat (weil wir uns für Leute ausgaben, denen Haus und Hof abgebrannt sey) uns allerley Art Arbeit, sowohl im Haushalte, als für das benachbarte Städtgen zu verschaffen – Wir werden sehen, wie er sein Wort hält – Ich täusche mich so gern, wenn ich nur irgend etwas vor mir sehe – Ach! wenn ich denn so meine kranke Seele
Ich merke täglich mehr, daß die unempfindlichen Leute die glücklichsten sind. Mit einem warmen Herzen bauet man in dieser Welt sein Elend. Da giebt es Menschen die, aus Unverstand oder Muthwillen, recht darauf ausgehen, jede Blase zu zertrümmern, die unsre geschäftige Phantasie, mit den schönsten Farben, wenn gleich nur aus Seife,
Alles hier auf Erden sieht herrlicher von Weitem aus, als in der Nähe. Ich hatte mir einen so hohen Begriff von der Glückseligkeit des Landmanns gemacht – Jetzt sehe ich Scenen, an welche man im Wohlleben gar nicht denkt – Ein armer Bauer hat oft mit seiner zahlreichen Familie eine Woche lang nichts warmes zu geniessen. Wasser ist
Und so ist aller Orten Elend und Unglück reichlich gesäet, und nur der Schurke wälzt sich in sorgenlosen Freuden umher –
Ach! verzeyhe, liebster, kostbarer Freund! Verzeyhe den innigst traurigen Ton, in welchem ich Dir schreibe – Wie kann ich aber anders? – Dieser Brief trägt das Gepräge eines geängsteten für die Zukunft zitternden Herzens – Entschuldige mich, und weihe mir zuweilen eine Thräne – Bald sollst Du mehr hören, von
Deinem
Ich habe Ihnen, mein gnädiger Herr! sehr wichtige Dinge zu sagen, oder vielmehr der Herr von Weckel, der Ueberbringer dieses Briefes, wird sie Ihnen besser mündlich erzählen können – Ihre Ahndung hat Sie nicht getäuscht; Er ist es, der arme Gefangene – Es ist Ihr alter Freund, Ihres lieben Pflegesohns Vater –
Sie werden hören, wie viel Mühe es uns gekostet hat, ihn zu sprechen. Wir haben mit großer Gefahr, ertappt zu werden, die Gartenmauer des Klosters erstiegen; Das war aber das Geringste. Die Schwierigkeit den armen Herrn dazu vorzubereiten, diesen unerwarteten Besuch zu erhalten; mit ihm,
Doch welch' ein Anblick! – Das Gefängniß scheint, so viel ich, von der Leiter her durch das Fenster, bey dem Scheine eines matten Lämpgens, das vor ihm stand, erkennen konnte, äusserst klein und ungesund. Auch ist er sehr krank, und hebt sich nur mit genauer Noth von seinem harten Lager in die Höhe – Er wird bald ausgerungen haben – Nur zu wahrscheinlich fürchte ich, daß wenn ihm nicht schleunig geholfen wird, der Erretter aus allem Jammer, der Tod, zu Hülfe eilen mögte. Aber ihn durch Gewalt oder List zu befreyen, daran ist gar nicht zu denken. Folglich wird kein andres Mittel seyn, als bey dem Churfürsten für ihn zu bitten –
Aus guten Gründen stieg ich allein hinauf, und ließ den Herrn von Hohenau unten Wache halten – Der arme liebe Mann! der Anblick seines Zustandes; sein edles, kummervolles Gesicht; die halb verloschenen Augen; die Stirne, auf welche jeder jammervolle Tag einen neuen Zug zu dem Bilde seiner vieljährigen Leiden hinzugesetzt hatte – Das alles durchdrang mich so mit innigster Wehmuth, daß ich mich kaum auf der Leiter halten konnte –
Er rief noch einmal alle seine Kräfte zusammen, als er hörte, von wem ich geschickt würde – und doch war es, als könnte er die Lebensgeister nicht mehr zur Freude sammlen – Großer Gott! –
Der Herr von Weckel wird Ihnen, mein theuerster Herr! sagen, daß ich, sobald ich
Doch ich erzähle hier alles unordentlich, der Herr von Weckel aber wird jeden Umstand ausführlich berichten – Mein Herz ist ganz voll davon – O bester Herr! es ist keine Zeit zu verliehren –
Und indem ich von dieser Liebe meines Zöglings rede; so muß ich Ihnen, gnädiger Herr! bekennen, daß dieselbe mir zu ernsthaft wird. Wenn sein Herz, seine Sitten, durch diese Leidenschaft verfeinert und gebessert werden; so hat sie von der andern Seite auf seine Vernunft und seine Studien einen schädlichen Einfluß. In ernsthaften Wissenschaften, die Anstrengung und einen freyen Kopf erfordern, rückt er nicht weiter, weil er immer zerstreuet ist, und doch sind die
Vorgestern reisete die Familie von Hundefeld hier durch zu einer Verwandtinn. Sie ließen uns zu sich bitten, der Herr von Weckel gieng mit uns, und er wird Ihnen seine Bemerkungen bey dieser Gelegenheit mittheilen. Er wollte, nach seiner gewöhnlichen leichtfertigen Art, den Herrn von Hohenau ein wenig über seine Seladon-Rolle zum Besten haben, aber damit kam er ihm sehr ungelegen, und der junge Herr machte am Ende kein Geheimniß daraus zu bekennen: er liebe das Fräulein, und werde, wenn sich in dieser alten Welt jedermann seinem Glücke wiedersetzte, mit seiner Schönen fliehen nach America – oder Gott weiß wohin, und
Birnbaum wird mit dem Herrn von Weckel reisen, und ist voll Freude über sein Glück. Wir sind es mit ihm, da wir einen andern treuen Menschen an seiner Stelle angenommen haben.
Nun, mein theuerster Herr! erwarte ich mit Ungeduld einige Zeilen von Ihrer lieben Hand, sowohl um des armen Gefangenen willen, als auch, weil die Nachricht von
Ihr
Da Herr Meyer es übernommen hat, Ihnen, mein theuerster Pflegevater' ausführliche Nachricht von dem Zustande des armen Gefangenen auf dem Eichsfelde zu geben; so werde ich hiervon ganz schweigen, und nur meine Bitten mit den seinigen verbinden, doch diesem unglücklichen Manne, nach Ihrer gewöhnlichen Bereitwilligkeit Gutes zu würken, durch Vorbitte beyzustehn – O! wäre es nur möglich gewesen ihn mit Hülfe einiger Freunde aus seinem Kerker zu entführen! Hieran habe ich oft gedacht – Und welche herrliche Freude wäre es nicht, sich einer solchen That bewußt zu seyn! Aber bey kühlerem Blute sehe ich doch
Uebrigens will ich einige kleine Umstände von unserm dortigen Aufenthalte nachholen. Die Gegenden haben mir hie und da ausserordentlich gefallen. Sie sind an manchen Oertern recht malerisch, recht romantisch. Aber doch mögte ich da nicht immer wohnen. Das ganze Eichsfeld ist vollgepropft von Edelleuten, die sich unaufhörlich besuchen und beschmausen, und darunter sind dann, wie unter allen großen Haufen, manche Menschen, mit denen ich eben nicht leben mögte. Zudem fange ich an, so jung ich bin, mich vor rauschenden Vergnügungen zu fürchten, und mich nach stillen häuslichen Freuden zu sehnen.
Wir haben aber dort eine Familie angetroffen, die sich sehr von andern in der Nachbarschaft unterscheidet. Ein alter würdiger
Wir haben dort einem ländlichen Feste beygewohnt, und die Bauern tanzen gesehn. Sous le nom d'amitié« und die Lustigen nach: »ma commère quand je danse.«
Oft habe ich diese guten Menschen beneidet, wie sie so aus inniger Freude herumspringen. Bey aller Armuth vergessen sie leicht jedes Ungemach, und öfnen ihr Herz Empfindungen, die wir, ach! kaum kennen. So tanzt keiner von unserm Stande! Früh gewöhnt sich das eitle Herz auf jedem kleinen Wege zu unschuldiger Lust Langeweile zu finden. Wünsche, nichts als Wünsche und gegen einander kämpfende Leidenschaften plagen den unruhigen Geist, und machen uns alles Vergnügen unschmackhaft, bis die Jahre kommen, da man wohl mit Sehnsucht sich nach den Augenblicken zurücksehnen mag, die wir Undankbaren ungenützt vorbeyeilen lassen. Aber wer kann sich anders stimmen? Und wenn man auch gern wollte; so stöhren andre Menschen unsre Ruhe.
Dies letzte gilt aber überhaupt von den Deutschen, welche unter andern Vorzügen auch den haben, leicht eine jede Eigenheit eines Ausländers ihm abzulernen, und das ohnbeschadet ihrer Originalität, denn der
Ihnen, mein bester Vater! danke ich es, daß ich früh aufmerksam auf die Menschen geworden bin, und gewiß soll dies immer mein wichtigstes Studium bleiben. Ich sehe eine Sammlung von Schmetterlingen, Versteinerungen oder so etwas, ohne Theilnehmung an. Das ist die äussere Form, und freylich vom Schöpfer mit unbeschreiblicher Kunst zubereitet, aber Eine neue Bemerkung über das Innre des Menschen, Ein edler Zug von einem großen Manne, Eine Linie in dem Gesichte, die Abdruck dessen ist, was in seiner Seele vorgeht, ist mir mehr als das vollständigste Musäum werth. Ich kann nicht einmal eine Landschaft leiden, auf welcher
Doch wohin gerathe ich? Indem ich Ihnen etwas von unserer Reise schreiben will, komme ich in ein ganz anders Feld. Würklich aber weiß ich auch von derselben nichts hinzuzufügen, das der Erzählung werth wäre. Wollte nur der Himmel unsre Wünsche zum Besten des armen Gefangenen erfüllen!
Der Herr von Weckel, den ich noch immer sehr munter finde, obgleich zuweilen auf meine Kosten, wird Ihnen, theuerster Wohlthäter! sagen, wie oft mein Herz in Gedanken bey Ihnen ist. Ich küsse Ihnen ehrerbiethigst die Hände, und schicke die treuesten Wünsche für Ihr dauerhaftes Wohlseyn zum Himmel. Er gebe Ihnen die größte Glückseligkeit, deren eine gefühlvolle Seele
Ich verharre mit kindlichen Gesinnungen
Ihr
Laß mich meine Klagen in Deinen Schooß ausschütten, einziger Freund! und entziehe Dein Mitleid nicht dem Unglücklichen, dem Elend und Jammer auf jedem Fußtritte nachfolgt. Von aller Welt verlassen, unter gefühllosen Menschen herumirrend, ist der Busen eines Freundes der einzige Platz, wo mein Herz Ruhe findet. O! könnte ich mit meiner Sophie zugleich einschlummern, zu ewiger Ruhe einschlummern, und nicht wieder erwachen! – Wie gern wollten wir aus dieser Welt hinaus eilen, wo der Edle keine einzige frohe Stunde haben kann! –
Wüßtest Du, was ich unterdessen gelitten habe, wie hundertfältig der kühne Schritt,
Kurz! wir sind unglücklicher als jemals, irren ohne Aussichten umher, und wer weiß, aus welchem Orte ich Dir das nächstemal einen Brief schicken werde? Diese Zeilen schreibe ich in einem Wirthshause; Neben mir ist meine Sophie, ermüdet von der Reise, eingeschlummert. Zur Seite steht eine Wiege, darinn ein kleines Kind der Wirthinn schläft – Glückliches, kummerloses Alter! Ich drückte vorher einen liebevollen Kuß wehmüthig auf die blühenden Wangen, die noch kein Verdruß, keine Aufwallung irgend einer unedlen Leidenschaft je bleich gemacht hat. Das junge Herz schlägt so ruhig, kein ängstlicher Traum drückt es – O! warum bleiben wir nicht immer so? In dem Alter, wo der ganze Reichthum des
Der Mond scheint ins Fenster – der treueste Freund, der immer dasselbe Gesicht hat –
Es kommen so viel Umstände hinzu, die mich heute in eine solche Stimmung setzen – Gerade heute ist mein Geburtstag – Vier und zwanzig Jahre des Jammer-Lebens sind dahin – Mein erster Laut war ein Schrey gegen das Schicksal. Der elende Knabe empörte sich schon gegen den Zwang, und hob die kurzen Arme, die sie ihm binden wollten, zum Himmel empor.
Doch zurück zu der Erzählung meiner traurigen Begebenheiten! Schon hoffte ich in Waldorf einige Aussicht zu besserem Auskommen zu haben, als der heuchlerische Prediger
Und da sind wir nun unterwegens – Wenn dies letzte mislingt, dann weiß ich keinen Rath – Der Gedanke zerreißt mein Innerstes – Wenn ich das liebe Weib ansehe, wie geduldig, wie so voll Zuversicht auf die weise Vorsicht sie alles leidet, dann blutet mein Herz, und es nagt mich, daß ich schwächer bin an Glauben, als sie – Zu hoffen, wo wahrscheinliche Hülfe nahe ist, das kann freylich jeder schwache Geist – – Aber itzt gilt es, die Last meines Kummers liegt schwer auf meinem Herzen – Ich angle vergebens nach kleinen Freuden; Alles trauert um mich. Der schöne Frühling, der jedem
Wenn Du mich noch irgend liebst, Freund meines Herzens! – Wenn Du einer der bessern Menschen bist, die mit den Weinenden weinen können – o! so schreib mir doch nur ein paar trostvolle Zeilen, und schicke sie gerade nach Frankfurt. Ich will sie im Posthause abholen –
Da ich nun mit meinem Briefe an den Herrn Meyer fertig geworden bin,
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und er Dir mein lieber Carl! vermuthlich daraus erzählen wird, wie sehr es mir am Herzen liegt, dem armen Gefangenen im Kloster beyzustehn; so will ich dies hier nicht wiederholen. Du magst mir es nicht übel nehmen, daß ich Dir Deinen Freund auf eine kurze Zeit raube. Aber ich meine, er wird, nach unser Aller Wunsch, die Sache in Mayn; am besten persönlich betreiben können, obzwar ich auch sogleich an einen sichern Freund, der gerade itzt in der Gegend ist, desfalls geschrieben habe. – Wenn nur die Hülfe nicht zu spät kömmt! – Ich wollte gern selbst
Nun, mein Sohn! ein Wort an Dein Herz gesprochen! Ich finde Deinen Gemüthszustand meiner und Deiner ganzen Aufmerksamkeit würdig. Verhehle mir es nicht – Du liebst – Das Ding wollte ich nun schon gelten lassen, und ich habe mich beynahe darüber gefreuet, als ich merkte, daß eine Leidenschaft sich Deiner Seele bemeistert hatte, die den Menschen wenigstens, wo nicht weiser, doch sanfter und besser zu machen pflegt. Nur die Wendung, die diese romantische Liebe Dir gegeben hat, misfällt mir. Ich weiß so gut als Einer, daß es nicht immer in unsrer Gewalt ist (wenigstens nicht in Deinen Jahren) Eindrücken von der Art zu wiederstehen, und ich bin sehr entfernt Dir Unempfindlichkeit einpredigen zu wollen. Man kann aber lieben, und doch dadurch nicht für die ganze übrige Welt verlohren seyn. Noch hat Deiner Liebe niemand nichts
Es geht nicht gleich alles so in der Welt, wie man es gern hätte. Dein gar zu lebhaftes Gefühl muß noch verzweifelt herabgestimmt werden. Das Ding geht nicht gut, wenn Du schon jetzt anfangen willst, unzufrieden zu seyn. Kömmt der herbe Frost zu früh; so welkt die junge Saat; Nach und nach wird der Boden gehärtet, lernt die Kälte ertragen; Die Erde zieht ihre Säfte in ihr Herz zurück, und giebt die Oberfläche den Streichen des Wetters preis.
Das fühle ich wohl, daß Du zu viel Verstand hast, und zu weich bist, um so ganz sorgenlos durch dies Leben hin zu wandeln, wie der Dummkopf, der seinen Bissen ißt, und seinen Trunk trinkt, ohne sich darum zu bekümmern, ob eine Fliege darinn ersoffen ist. Er wird der lieben Welt nie müde, und
Ganz glücklich, nach unserm Ideal glücklich, in dieser Welt zu seyn, daran ist nun einmal nicht zu denken. Man lebt so in einem Traume fort; Eigener Kummer und fremdes Elend nagen unaufhörlich an unserer Ruhe. Aber es giebt doch Mittel sich still, ruhig und heiter durch dies Leben zu arbeiten. Selig ist, wer das mit Lächeln kann – Nicht der, dessen Fußsolen so hart sind, daß er keine Steine mehr fühlt, aber der, der darüber leicht hinweghüpt. Dazu gehört aber Fertigkeit und froher Sinn, und das hat nicht jeder. Durch Uebung bringt man es dahin – Freylich wenn der Steine zu viel kommen, und böse Menschen immer noch mehr in den Weg werfen, dann wird der Gang beschwerlich – Man fühlt zuletzt jedes Sandkörnchen – Aber dahin soll es, wie ich fest hoffe, mit Dir nie kommen.
Verzeyhe mir, mein Lieber! diese Offenherzigkeit. Ich mögte Dich so gern glücklich wissen, und noch ist es Zeit, die Grundlage dazu zu legen.
Müller ist nach Wetzlar abgereist, wo er meine Proceßsachen besorgen will. Seine beyden jüngsten Söhne lasse ich itzt herkommen; sie sind schon unterwegens, und wir wollen sie dem Gymnasium in ... anvertrauen; da hat sie der Vater in der Nähe.
Nicht leicht, mein gnädiger Herr! kann jemand auf einer so kurzen Reise so sonderbare Begebenheiten erleben, als mir auf der meinigen hierher begegnet sind – Ich habe zwey, von meinen Kindern gesprochen, und auf eine so unerwartete Art wiedergefunden, daß ich nicht recht wußte, ob mein väterliches Herz sich mehr über diese Zusammenkunft freuen, oder über den Zustand dieser Flüchtlinge betrüben sollte.
Sie wissen den Schritt, den meine arme Sophie gethan hat. Sie war mit ihrem Geliebten heimlich fortgegangen, seine Frau geworden, und seit der Zeit hatte das Schicksal an diesen jungen Leuten den Kummer, den
Mein Sohn Ludwig war in genaue Bekanntschaft mit Schauspielern gerathen, die ihm einen solchen Enthusiasmus für ihre Kunst eingeflößt hatten, daß er sich (bey der Ueberzeugung, daß seine Armuth ihm in jeder andern Lebensart die Hofnung zu guten Aussichten versperren würde) entschloß, seine Talente, die in der That nicht gering sind, der Bühne zu widmen. Er wollte indessen doch nicht gern in seiner Vaterstadt (des Vorurtheils wegen, das nun einmal gegen diesen Stand herrscht) auf dem Theater erscheinen. Deswegen reisete er aus Holland über Cöln und Frankfurt, um nach Sachsen
Auf dieser Reise traf er Abends spät mit der Post in Gelnhausen ein, als eben die arme Sophie mit ihrem Manne, da sie von Fulda gekommen waren, im Posthause in der Thür standen – Die Magd kam mit der Lampe heraus, um den Fremden zu leuchten – Der Wagenmeister setzte das Leiterchen an, und Ludwig stieg unter den Reisenden zuletzt herab – Sophie hatte nur unaufmerksame Blicke auf die Ankömmlinge geworfen, als plötzlich der Eindruck einer ihrem liebsten Bruder ähnlichen Physionomie, ihr ganzes Blut nach dem Herzen jagte –
Nur der, dem die Natur so viel menschenfreundliches Gefühl, als Ihnen, mein theuerster Herr! gegeben hat, kann sich eine Vorstellung von den Empfindungen machen,
Es war nicht mehr die Rede davon, sich zu trennen, sondern man machte neue Plane. Endlich vermogte Ludwigs Beredsamkeit meine Tochter und ihren Mann, alle Bedenklichkeiten aufzugeben, und auch den Entschluß zu fassen, auf dem Theater ihr Glück zu versuchen. So wurden diese drey romanhaften Köpfe auf einmal von Einem Avanturiergeist belebt, vergaßen alle vernünftigen Bedenklichteiten, vergaßen Kummer, Sorge für die späte Zukunft, vergaßen Eltern, Vaterland – Kurz! vergaßen alles, und fuhren nach einer fröhligen Mahlzeit und durchplauderten Nacht, auch nach Ueberrechnung ihrer Baarschaften, die sie itzt mehr als hinreichend fanden, zusammen der sächsischen Grenze zu.
Meine Rolle war auch bald entschieden; ich machte aus vollem Herzen den zärtlichen Vater. Was war anders übrig? und was ist denn am Ende mehr dabey, dachte ich, habe ich sie doch wieder! Gott wird schon
Ludwig mag denn Schauspieler werden! Er versuche es, ob dieser Stand in der Nähe so viel Freuden gewährt, als er in der Ferne verspricht, und glückt es nicht; so ist noch immer Zeit weiter zu sorgen. Er ist flüchtig, aber seine Sitten sind gut, und sein Herz edel – Am Ende muß man aus der Noth eine Tugend machen; Ich weiß ihm nicht zu helfen. Allein meine Tochter und mein Schwiegersohn sollen diese Lebensart nicht ergreifen. Der Graf von Haxstädt, mein großmüthiger Freund, bemüht sich kräftigst den alten von der Hörde zu versöhnen, und
Diese mir so wichtigen Geschäfte haben meine Reise um anderthalb Tage verzögert, so daß ich erst eben ankomme, wegen welcher Versäumniß ich unterthänig um Verzeyhung bitten muß, weil ich dadurch abgehalten worden bin, bis itzt in Ihren Geschäften thätig zu seyn. Von morgen an bin ich ganz Ihren Aufträgen gewidmet; Der ich ehrerbiethigst verharre,
Meines besten Herrn
Ihre beyden Briefe
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, mein guter Freund! habe ich richtig erhalten. Die Erzählung von der Zusammenkunft mit Ihren ältesten Kindern hat mich lebhaft gerührt. Mögten Sie Alle recht glücklich werden! Und das hoffe ich gewiß; denn wie ich höre so scheint auch alles sich zu einer Aussöhnung mit denen von der Hörde anzulassen. Diese Nachricht haben mir Ihre beyden jüngern allerliebsten Knaben, nebst beyliegendem Briefe
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Wenn Sie Geld bedürfen; so sagen Sie es aufrichtig!
Ihre erste Nachricht wegen des Processes
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verspricht freylich nicht viel Gutes. Vielleicht klärt sich aber alles besser auf. Sparen Sie keine Mühe! Es hängt viel, sehr viel von diesem Processe ab; Ich werde Ihnen, so lange ich lebe, dankbar dafür seyn.
Werthgeschätzter Freund!
Ew. Hochedelgebohren können fest versichert seyn, daß Denenselben ich stets mit gleicher Hochachtung und Freundschaft zugethan seyn werde, und daß mir also jede Versicherung von Dero fortdauernden Gewogenheit so viel Vergnügen gewährt, als ich gestern bey Erhaltung Dero verehrlichten Zuschrift empfunden habe.
Denenselben habe heute gute und böse Nachrichten mitzutheilen. Dero Frau Liebste befinden sich würklich unpaß, und müssen das
Dieser wackere junge Mann wird nun gewiß seine Fortüne machen, maaßen sein Patron, welcher gute Geschäfte macht, ihm sehr wohlwill, und, wie es heißt, ihm bald seine einzige Jungfer Tochter überlassen wird, welches eine sehr vortheilhafte Partie ist.
Dero Herr Schwager Van Blüm stehen noch so ziemlich unter dem Pantoffel, und dürfen sich also der Sache mit der von der Hördischen Familie nicht, so wie sie wollen, annehmen. Allein man spricht doch davon, daß der alte Vater schon anfange, andre Seiten aufzuspannen, welches von ganzem Herzen wünscht, und in aufrichtiger Freundschaft erstirbt,
Ew. Hochedelgebohren
Alles geht gut hier, mein bester Herr! Meine Ausrichtungen scheinen geschwinder eine glückliche Wendung zu nehmen, als ich voraus vermuthen durfte, und obgleich mir zuerst manche Leute viel in den Weg legten; so hoffe ich doch in wenig Tagen schon den churfürstlichen Befehl zu Erlösung unsres lieben Gefangenen in die Hände zu bekommen; Eher habe ich nicht schreiben wollen. Gottlob! daß der beste Fürst, der niemand gern in seinem Lande gekränkt sieht, dergleichen Mißbräuche der Gewalt nicht billigt.
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werden Sie, mein theuerster Herr! am besten von allem unterrichtet werden können – Kurz! der gute arme Herr hat seine Freyheit, sobald erwiesen werden wird, daß die von mir angeführten Umstände wahr sind, und die Untersuchung wird dem Geheimenrath von ... aufgetragen werden – Wenn nur nicht der Tod sich vorher ins Mittel schlägt! –
Mein Herz ist getheilt unter Freude und Unruhe. Allerley Nachrichten, die ich von Göttingen bekommen, haben mich heftig erschreckt. Dem jungen Herrn von Hohenau hat die Liebe den Kopf mehr als jemals umgekehrt. Ein Brief, den mir derselbe geschrieben, sagt mir das schon deutlich genug, denn er klagt darinn über unempfindliche kalte Menschen; findet die ganze Welt verdorben,
Ich weiß mir nun wahrlich nicht zu helfen. Soll ich ihm itzt seinen Vater entdecken; so fürchte ich, daß so viel starke Gefühle seiner Seele überspannen und seinen Kopf verwirren. Rathen Sie mir, gnädiger
Machen Sie Sich gefaßt, mein lieber Freund! einmal wieder einen langen Brief voll Reise-Annecdoten zu lesen! Ich streife wieder nebst meinem Oheim, der mich, wie Sie wissen, theils einer gewissen Verhandlung wegen, theils um mich abzuholen, hier besucht hat, auch schon zweymal in Urfstädt gewesen ist, im Lande umher, besuche Höfe, Städte, Dörfer, sammeln Portraitte, und denke einst ein kleines Werk über diese Reise in einigen Quartbänden auf Pränumeration herauszugeben, ein Werk, das gewiß sogleich aller Orten wird nachgedruckt werden.
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sagte ich Ihnen, daß wir in häuslichen Geschäften nebst Herrn und Frau von M ... nach ... reisen würden. Das thaten wir denn auch, und holten dieselben auf ihrem Gute ab.
Der Major von M ... ist ein guter Mann, nur ein bisgen weibisch, weitläuftig, und unaufhörlich besorgt für seine werthe Gesundheit, ohngeachtet er (wie der blasse Cammerherr L ... zu sagen pflegt) recht eckelhaft gesund aussieht. Die Frau von M ... hingegen hat gerade die Eigenschaften, die Ihrem Manne fehlen, aber nichts von derjenigen Sanftmuth, die billig die Grundlage des weiblichen Characters seyn soll.
Es sollte diese Sanftmuth bey Frauenzimmern nie, auch nicht durch ihre lebhaftesten Aufwallungen, verdrängt werden, denn sie ist das festeste Band häuslicher Glückseligkeit.
Wir kamen des Abends an, und wurden nach einer artigen Mahlzeit in zwey große altfränksche Zimmer geführt. Es traf mich die Reihe in einem Bette zu schlafen, worinn der Graf von Gleichen mit seinen beyden Frauen und einigen Kindern würde Platz gehabt haben. Nachdem ich vermöge eines hohen Stuhls in dasselbe hinauf gestiegen, und nunmehro von weichen Federn bis zum Ersticken umgeben war; konnte ich sogleich nicht beufs à la mode damit hätte schmackhaft machen können.
Im Zimmer hiengen auf einer wachstuchnen Tapete, auf welche Papagayen, Weintrauben und Klapprosen, eines um das andre gemalt waren, die Bilder der hohen Vorfahren der M ... schen Familie. Darüber machte ich denn meine Anmerkungen. Solche Familienstücke nemlich haben gewöhnlich ein trauriges Schicksal. Der Herr Gemahl läßt seine Frau im Brautschmucke malen, und hängt das Bild im vergoldeten Rahmen über seinen Schreibtisch. Wenn sie einige Jahre
Ueber diese Betrachtungen schlief ich allmählig ein, nachdem mir vorher die Eulen manches lange Lüllische Opern-Chor vorgeheult hatten.
Den folgenden Tag blieben wir noch dort, und bekamen Besuch von Herrn und Frau von Lylienfeld, einem jungen kürzlich verheyratheten Paare.
Tages darauf reiseten wir zusammen ab, und obgleich ich gesagt habe, daß die Frau von M ... nicht viel weibliches hat; so zeigte sie doch hier, daß sie nicht ganz aus der Art geschlagen war, denn ohngeachtet wir früh um sechs Uhr reisen wollten; so war sie doch erst um halb neun bereit. Der Herr von M ... war schon den Tag vorher fortgeritten, die Cammerjungfer nahm also den vierten Platz im Wagen ein, und als wir einstiegen fand sichs, daß man so viel Schachteln und Kästgen hineingestellt hatte, daß wir (die wir unsre Beine nicht wohl abschrauben und in die Tasche stecken konnten) für unsre Markknochen herzlich wenig Platz hatten. Ich nahm mir deswegen, weil ohnehin die Wege so schlecht sind, daß man nicht geschwind fahren kann, die Freyheit, zu Fuß voraus zu wandern.
So kamen wir endlich an; naß bis auf die Haut, und sehr ermüdet. Nach und nach folgten denn auch Kutsche, Bedienten, frische Pferde, und alles – »Aber seht nur an, Ihr loses Volk! Da ist meine Haubenschachtel durch das Schütteln unter das
In H ... frühstückten wir. Hier ist eine schöne Gegend, Ebene, Wasser – Ich athmete freyer – »Herr Postmeister! um Vergebung, wer ist denn die hübsche junge Frau, da gegen uns über, im Fenster?« – »Eine junge Prediger-Wittwe« – Ich glaubte sie liebäugelte mit mir, aber, o Himmel! es galt einem andern Glücklichern, der in der Thür des Nachbarhauses stand – mich sah sie gar nicht. »Verzweifelt! Ich will mich henken lassen, Herr Wirth! wenn sich die beyden Leute nicht lieben« – »Sie müssen sich wohl darauf verstehen, mein Herr! Freylich, man spricht so davon – Aber in allen Ehren.«
Nur fort! Da sind wir im ritterschaftlichen Gebiethe! Ah! la belle chose, que d'être Chevalier! –
»Um Vergebung, mein Herr! wer sind Sie?« – »Ich bin der Reichs-Post-Reuter!« – »So? Gut, fahrt nur zu!« –
So kamen wir denn endlich an Ort und Stelle, und fanden den Herrn von M ... schon da – Ich ließ jeden seine Geschäfte
Die beyden benachbarten kleinen Höfe habe ich besucht. In ... war, während der Cour, Concert. Der erste Violinist spielte wahrlich recht brav, gebehrdete sich aber so abscheulich dabey, daß es mir Mitleiden erweckte. Ich gieng zu ihm, lobte sein Talent, und bedauerte nur, daß ihn das so sehr ermüdete. Er versicherte mich ganz ernstlich, daß kein Instrument ärger die Brust angreife, als die Violine. Bey Tafel sahe ich denselben Mann den Nachtisch auftragen, und erfuhr bald, daß er zugleich Conditor wäre. Meine Nachbarinn an der Tafel sagte mir, es sey sehr bequem für die Durchlauchtige Herrschaft, daß dieser Cammerdiener (denn diese Bedienung versah er auch) zugleich Conditor, Concertmeister und Canzellist sey – In Wahrheit, ein rechtes Cameleon! Unterdessen kann daraus manches qui pro quo entstehen. Wenn er zum Violino perincipale setzt – Wer kann sicher seyn, die Geschäfte von so viel wichtigen Bedienungen nicht zu vermengen? – Sonst hat mir dies Höfgen ganz wohl gefallen, auch habe ich verschiedene artige Leute dort angetroffen, und unter andern die Bekanntschaft eines Mannes gemacht, der in der That an dem größten Hofe eine gute Rolle spielen würde. Ich redete viel mit ihm über diese Lebensart, und er brachte sehr feine Anmerkungen über diesen Gegenstand vor. Sein Herr liebt ihn vorzüglich, und mich dünkt er besitzt gerade die rechte Art mit Fürsten umzugehn, alle Familiarität zu vermeiden, um sich nie Demüthigungen und
Dergleichen, keinem Menschen zum Nachtheil gereichende Feinheiten, halte ich bey einem Manne, der einmal in der Laufbahn ist, für sehr erlaubt, verzeyhlich und sogar nothwendig, um nicht aus dem Sattel geworfen zu werden. Dabey bemerkte ich, daß er alle Gelegenheit vermied, mit den übrigen Hofleuten ins Geheim zu reden; er antwortete immer laut, wenn man ihn leise um etwas fragte.
Zwey Hofdamen sind an dem Hofe. Die Eine ist ein junges, hübsches, sanftes Mädgen, voll Seele. Sie scheint aber für diese unglückliche Lebensart nicht gemacht, ist zu offenherzig, hat zu viel Character, mit einem
Von dem andern Hofe und meinen übrigen kleinen Lustreisen will ich Sie nächstens unterhalten.
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Jetzt sind wir wieder in hiesigen Gegenden, und ich kann Ihnen mit Gewißheit sagen, daß ich künftig diese Nachbarschaft von Urfstädt nicht verlassen, und noch fernerhin nicht weit von Ihrem würdigen Pflegevater wohnen werde. Mein Oncle hat das Gut Feldberg gekauft; Das war die Verhandlung, wovon ich Ihnen
Die Post geht ab – Nächstens mehr! – Morgen besuchen wir den Baron Leidthal – Ich umarme Sie in Gedanken –
Die Nachricht, welche Sie mir, mein lieber redlicher Freund! von unsers Carls Gemüthszustande geben, beunruhigt mich nicht wenig. Ich überlasse alles Ihrer Klugheit; denn was ich Ihnen rathen soll, weiß ich wahrlich nicht.
Das unergründliche Herz des Menschen, unaufhörlich von unzähligen zarten Fäden der Leidenschaften in Bewegung gesetzt; ist ein Geheimniß jedem, der dies künstliche Gewebe nicht auseinander zu legen versteht – Und wer kann das? Wer anders, als derjenige, welcher, als er den Menschen schuf, in sein Wesen die unendliche Verschiedenheit von feinen Trieben legte, die ihn zum Guten
Der große Baumeister dieses herrlichen Werks gab uns freylich die Mittel in die Hände, uns und Andre glücklich zu machen. Er gab uns einen freyen Willen, der darinn besteht, daß wir solche Eindrücke entfernen können, die durch öftere Wiederholung den Trieb zu reitzbar machen, der zum Verderben führt. Doch dazu gehört strenge Selbst-Erforschung, und erst darnach können wir Regeln für Andre abziehn.
Allein wie schwankend ist nicht diese Kunst? Zerstört nicht, was bey Ihnen die vortreflichsten Würkungen hervorbringt, durch einen sonderbaren Zusammensfluß anderer Umstände, den innern Frieden eines anders organisierten Mannes? Der Mensch, in seinem jetzigen tief gesunkenen Stande der Blindheit, dringt nicht so weit in das Wesen
Darauf, mein Lieber! müssen wir fest bauen, und so wollen wir ruhig zusammen überlegen, was itzt mit unserm Pflegesohne zu machen ist. Reisen Sie immer, sobald es möglich ist, auf das Eichsfeld! In beyliegendem Paquete
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finden Sie alle nöthigen Documente, zum Beweise des Standes unsers Eingekerkerten. Nehmen Sie seinen Sohn mit dahin! Finden Sie den unglücklichen Vater nicht so krank, als wir Ursache haben es zu fürchten; so verschieben Sie die Entdeckung bis zu einem ruhigern Augenblicke.
Während Ihrer Abwesenheit hat mir Carl nicht Eine Zeile geschrieben. In meinem letzten Briefe gab ich ihm einige väterliche Vermahnungen.
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Es scheint aber, als wenn er die Kraft derselben gefühlt hat, ohne sie befolgen zu können, wie es mit so manchen Regeln geht, und als wenn er sich nun
Noch einmal! Sie werden alles gut machen, und ich erwarte sehnlichst einen Brief von Ihnen.
Mein Körper ist schwach, und Ihnen, der Sie mein Herz kennen, gestehe ich es gern, mein Gemüth ist es nicht weniger. Es scheint, als wenn mein unglücklicher Proceß keine gute Wendung nimt. Ich habe gestern durch den ehrlichen Müller eine wettläuftige Auseinandersetzung der Lage dieses Rechtshandels von meinem Procurator in Wetzlar erhalten. Sollte zu keinem Vergleiche Hofnung seyn, sollte mein Gegner die Sache aufs Aeusserste treiben; sollten endlich seine Gründe gerecht erkannt werden; – So würde ich beynahe alles verliehren, was mir das Schicksal an Gütern zugetheilt hat; Und so wenig dies mich für meine Person in Verlegenheit
Der Himmel wird alles zum Besten lenken – Leben Sie recht wohl! Ich bin ewig
der Ihrige
Mögte ich so glücklich seyn können, Ihnen, gnädiger bester Herr! gute Nachrichten von meinen Ausrichtungen beym Reichscammergerichte zu geben. Allem beyliegender zweyter Aufsatz Ihres Sachwalters
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wird Ihnen leider! das Gegentheil sagen.
Des Herrn von Wallitz Anwalt treibt die Sache aufs heftigste. Er hat Mittel gefunden, sich sehr kräftiger Vorsprache zu versichern, und allem Ansehn nach wird der Handel nicht nur bald geendigt, sondern – mit innigster Betrübniß sage ich es: vermuthlich zu Ihrem Nachtheile geendigt seyn.
Wie sehr diese Angelegenheit Tag und Nacht mein Herz bestürmt, vermag ich nicht Ihnen zu sagen. Es ist aber die Bestimmung des Menschen, daß in dieser Welt Glück und Recht so selten auf die Seite der Jugend und Rechtschaffenheit fallen, und daß gewöhnlich der Mann, der des besten Schicksals würdig wäre, die Vergeltung der Wohlthaten, die er Andern erwiesen hat, nur in sich selbst, in der Belohnung seines Gewissens suchen, und erst den ferneren Preis durch manchen Kampf mit der wiederstrebenden, verfolgenden Bosheit erringen muß.
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benachrichtigt mich von der Aussöhnung mit dem alten von der Hörde, welche mein lieber Graf Haxstädt zu Stande gebracht hat. Ich habe sogleich an meine Tochter geschrieben, daß sie mit ihrem Manne zurück nach Amsterdam reisen soll – so wäre denn ein großer Kummer von meinem Herzen abgewälzt. Allein ich bin so sehr an die Vergänglichkeit der Freuden dieser Welt gewöhnt, daß ich bey jedem kleinen Sonnenblicke einen nahen Sturm voraus fürchte, und dieser Sturm wäre würklich schon da, wenn mein theurer Wohlthäter itzt ein Schicksal leiden sollte, das mich, wie mein eigenes, zu Boden schlagen würde.
Mein Sohn Ludwig ist Schauspieler – Freude macht mir der Schritt nicht. Zwar bin ich von Vorurtheilen gegen diesen Stand, welcher der bürgerlichen Gesellschaft immer habitude zum bessern Menschen werden kann; so hat man gewiß Unrecht, wenn man sich zu vertrauet mit Grundsätzen macht, die der Tugend entgegen sind. Zuletzt verliehrt man den Abscheu gegen das Laster, weil man zu bekannt damit geworden ist, so wie diejenigen Leute, die beständig nahe an einem rauschenden Wasserfalle wohnen, zuletzt gar nichts mehr hören. Schon das Lesen der Schauspiele und Romanen kann bey noch nicht ganz gebildeten Menschen die schädlichsten Folgen haben, zumal wenn darinn der
Unterdessen mag Ludwig, der doch gute Grundsätze hat, sein Glück eine kurze Zeit da versuchen. Vielleicht setzt mich die Versorgung meiner beyden ältesten Kinder bald in den Stand besser zu rathen.
Ew. Hochedelgebohren habe eine überaus angenehme Nachricht zu ertheilen. Die Aussöhnung mit dem Herrn von der Hörde ist, zu unser Aller herzlichen Freude, glücklich zu Stande gebracht, als wozu ich aufrichtigst gratuliere.
Es liesen mich nemlich gestern früh die Frau Liebste zu sich bestellen, und fand ich Dieselben in der That in sehr schwächlichem Gesundheitszustande, im Bette liegend.
Wir hatten nicht lange zusammen von den vorwaltenden Umständen geredet, als
»Ich komme mit fröhliger Bothschaft, Madame!« sagten der Herr Graf, und erzählten uns hierauf, wie der alte Banquier von der Hörde endlich nachgegeben und versprochen habe, Dero vielgeehrte Jungfer Tochter für seine Frau Schwiegertochter zu erkennen, seinem Herrn Sohn zu verzeyhen, und absolut alle odiosa zu vergeben und zu vergessen.
Ich kann in der That sagen, daß dies das erstemal war, wo ich die Frau Commerzienräthinn attendrirt und bewegt gesehen habe. Würklich standen derselben die Thränen in den Augen, und sagten sie diese bedenklichen Worte: »Ach Herr Graf!« sagten sie »wie viel Dank bin ich Ihnen nicht schuldig! Nun darf ich doch wieder vor rechtlichen Leuten die Augen aufschlagen. Aber, wer weiß, wie lange ich diese
Es dauerte nicht lange; so kam, zu meiner großen Verwunderung, der alte von der Hörde auch, und bezeugte sich so freundlich, als ich wahrlich nicht geglaubt hätte, daß er seyn könnte. Er verehrte der Frau Liebsten eine Schnupstobacksdose von versteinertem Holze mit Gold eingefaßt, und bath uns Alle auf den Mittag zu einem delicaten Gericht Fische zum Essen, welche Partie wir denn auch annahmen, wovon aber leider! die Frau Commerzienräthin nicht profitieren konnten.
Ich bedaure, daß hier bekennen muß, daß mir besagte Gesundheitsumstände sehr bedenklich vorkommen, obgleich die Freude über die glückliche Aussöhnung, der Frau Liebsten einige Erleichterung verschaft hatte.
Deroselben
Gestern erst bin ich hier angekommen, und habe den Befehl, den Leidenden, nach vorhergehender Untersuchung, zu erlösen, mitgebracht. Ich hätte schon vorgestern kommen können, wenn nicht die Wege von Friedberg aus bis Cassell, auch mitten im Sommer bey dem geringsten Regen, so schlecht wären, daß man nicht fortkömmt.
Meinen jungen Herrn habe ich unbändiger gefunden, als ich erwartet hatte. Er hat sich, während meiner Abwesenheit, einen Freund zugesellt, der seiner Gemüthsverfassung beständig neues Feuer giebt. Dieser Freund ist ein schwärmerischer junger Mann,
Nun haben sich beyde kranke Jünglinge einander so verdorben, daß ich nicht mehr weiß, was ich mit meinem Zöglinge anfangen soll.
Mit solchen Leuten ist schwer zurecht zu kommen. Will man nicht in ihren läppischen Ton stimmen; so glauben Sie, man sey ein Mensch ohne Gefühl. Sie übersehen die ganze Welt, und sehen doch oft einen Nadelknopf für einen vom Himmel gefallenen Trabanten des Jupiter an, finden alles schön,
Schwärmerey ist aber von edlem Enthusiasmus so weit entfernt, als gesunde Wärme von Fieberhitze. Ohne Enthusiasmus bringt man es nie zu etwas Großem, Schwärmerey hingegen macht zu allem ungeschickt. Man zeige mir den Mann, der sich durch hervorleuchtende große Thaten ausgezeichnet hat, und der zugleich ein Schwärmer gewesen wäre! Aber die Maske der Schwärmerey hat freylich mancher, der Epoche gemacht hat, angenommen, und das deswegen, weil nichts leichter ansteckt, als 1
Neque enim ignari fumus ante malorum.
Wir reisen morgen früh aufs Eichsfeld. Gott weiß, ob ich den guten Herrn noch lebend antreffen werde, oder nicht, und wie ich es mit dem Sohne halten soll –
Noch nie ist mein Kopf so verwirrt, mein Herz so bedrängt gewesen – Ihr Proceß, mein bester Herr! – Kaum wage ich es darnach zu fragen – O! mögten meine Wünsche erfüllt werden! – Es sind Wünsche des treuesten Herzens, das Ihnen ewig gewidmet bleiben wird, von
Wenn diese Anmerkung am unrechten Platze steht; so ist sie doch nicht weniger wahr, und die, für welche sie geschrieben ist, werden schon wissen, wohin sie zielt.
A.d.H.
Wir kommen eben von Urfstädt, mein lieber Freund! wo wir der glänzenden Hochzeit der ehr- und tugendsamen Jungfer Sievers beygewohnt haben. Der Baron Leidthal, der nun einmal weiß, daß ich ein Mensch bin der bey dergleichen Festen zu gebrauchen ist, ließ uns, meinem ehrlichen Oncle und mich, vor einigen Tage dazu einladen.
Wir kamen des Sonntags früh an, und fanden den guten Leidthal schwächlich aussehend – Sagen Sie mir, was fehlt dem lieben Manne? Die Tage hindurch, da wir bey ihm waren, kam er mir äusserst niedergeschlagen
Wir giengen Alle in die Kirche, und hörten von Ihrem redlichen, guten Pfarrer eine wahrhafte Herzenspredigt – Das ist ein Mann, wie ich ihn gern habe – Da war keine künstliche Beredsamkeit, voll Blumen und poetischer Bilder, wie sie meine Phantasie zu Hause mir besser erfinden würde; Da war keine gelehrte dogmatische Abhandlung, aus den Werken sophistischer Dummköpfe zusammen geschmiert, wel che die heilige Religion, die ganz für das Herz gemacht ist, auf kalte Vernunftschlüsse zurückführen, und mir in verwickelten Beweisen darthun wollen, was ich als Knabe schon fühlte, wenn ich mich der schönen Welt freuete, die ganz von Ihm voll ist, dessen Liebe alle Creatur umfaßt; Da war kein Informator-Ton, kein Schreyen über Verderbniß der Welt, die immer, so wie sie itzt gewesen ist, bleiben wird; Kein Schimpfen auf Laster, die nur
Wir speiseten des Mittags in großer Gesellschaft bey Ihrem Pflegevater – Der Henker weiß, wo er alle die Amtmänner, Stadtphystci und Commißionsräthe aufgetrieben hatte! Es war ein ganzes Magazin von Perücken in allerley Formen, wie sie nach und nach in Frankreich Mode geworden waren, von des Ministers Colbert Knotenperücke an, Commis der Régie trägt.
Ich saß zwischen einer wohl gemästeten Commißionsräthinn und einer kleinen zusammengeschrumpften Doctors-Frau, mit einer niedrigen, schwarzen, wollenen Haartour. Die Eine redete immer vom Wetter, und die Andre fragte mich, ob ich die Anatomie in Königsberg gesehn hätte? Des Herrn Commißionsrath Sohn, der Fähndrich, war auch mitgekommen – ein ungeschickter Lümmel der, wie es schien, den Werth eines Officiers darinn setzte, unverschämt, unwissend, und vorwitzig zu seyn, und alle übrigen Stände für klein zu halten. Von zwey bessern Gästen verspare ich mir das Vergnügen, nachhero zu reden.
Nach Tische überraschte uns auf eine angenehme Art der allerliebste Cammerjunker von Morgenschütz. Er trat mit seiner gewöhnlichen Selbstgenügsamkeit herein; sprach en confiance vertrauet – Gestern als er mit der Fürstinn allein in dem Schloßgarten spatzieren gieng, begegnete ihm der – Ueber ein gewisses Projèt dürfe er sich noch nicht erklären – Der Canzler sey ein frommer Mann, voll Préjugés, wie ein Dorfprediger – In Berlin sey jetzt eine herumziehende Bande, un spećtacle allemand, c'est tout dire – Mit dieser Sache würde es gewiß gut gegangen seyn, wenn der Fürst seinen Rath befolgt hätte – Er leiste gewiß keinem Menschen des mauvais offices« – Doch wir wollen den Narren laufen lassen – Und Sie kennen ja alle diese Originale –
Nach der Trauung, während welcher die theure Braut, wie ein Schloßhund, heulte, versammlete sich in des Verwalters Wohnung die ganze Gesellschaft, und eine artige Collation erwartete sie daselbst. Unter den hohen Anwesenden waren Schreiber, Schulmeister mit ihren Weibern, und andre; Lauter artige Leute, welche zuletzt recht laut und fröhlich
Ich bemerkte gern, wie das junge Paar sich mit derjenigen Würde zu betragen wußte, die ihm seine Standeserhöhung und des Herrn Barons Schutz einflößte. Der Schulmeister aus Urfstädt machte allerley lustige Schwänke, zu Ehren der Jungfer Braut, unter andern schnitt er aus einer Pflaume ein Wickelkindchen. Auch trank er allerley witzige Gesundheiten, als: »Was den Muth stärkt, und zum Herzen geht« »Ueber ein Jahr um diese Zeit« »Auf eine unruhige Nacht« u. d gl. Ferner hatte er den geschlungenen Namen von Braut und Bräutigam mit Kohlen auf seine Hand gemalt, und drückte das seinem Vetter, dem Cammerscribenten, vor die Stirn.
Gegen sieben Uhr fieng man an zu tanzen, und zwar nicht blos landmäßig, sondern auch englische Tänze. In der Zwischenzeit
Jetzt will ich Ihnen sagen, wer die beyden Gäste waren, von denen ich vorhin redete. Herr und Madam Becker waren es, welche auch eingeladen und erschienen waren.
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Glauben Sie mir, diese Leute intereßieren mich ungemein. Von ihrer Geschichte weiß ich wenig, aber das Wenige ist sonderbar genug. Madam Becker hatte in ihrer Jugend einen Menschen geliebt, der mit ihr aufgewachsen war.
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Die Eltern aber hatten, wie es scheint, in diese Heyrath nicht willigen wollen, sondern die Tochter gezwungen einen Andern (ihren jetzigen Mann) zu heyrathen,
Ueberhaupt glaube ich, daß es mehr glückliche Ehen giebt, als man gewöhnlich meint. Eine gewisse idealische Glückseligkeit, auf welche man überhaupt in dieser Welt Verzicht thun muß, kann man auch hier nicht erwarten. Das erste Feuer der Liebe, das durch Schwierigkeit, Ungewißheit, Neuheit, seinen Reiz bekömmt, fällt wohl unter Eheleuten nach und nach weg; aber es tritt an dessen Stelle eine ruhige Wärme, die durch gegenseitige Gefälligkeit, Treue, verbundenes Interesse, Gewohnheit, Gemeinschaft im Guten und Bösen, unterhalten wird; und da wird manche sonst unangenehme Sorge zu einem neuen Bande. Selbst die Eifersucht ist dann oft ein Glied in der Kette häuslicher Glückseligkeit, freylich nicht die grobe, unvernünftige Art Eifersucht, sondern die zu rechter Zeit in Bewegung gesetzte zärtliche Besorgniß: man könnte ein Herz verliehren,
Ich glaube, mein junger Herr! daß Sie gern etwas von häuslicher Glückseligkeit hören, deswegen schreibe ich dies. Nun will ich aber aufhören. Leben Sie wohl, und lieben ferner
Ihren
Es hat mir weh gethan, mein lieber Freund! daß Sie gestern nicht zu mir kommen konnten; Ich hätte Sie so gern gesprochen! – Wenn man etwas auf dem Herzen hat; so ist kein süßerer Trost, als einem Freunde sein Leiden zu klagen. Ich habe recht viel auf dem meinigen, und bin jetzt ganz allein. Dazu weiß ich, wie lebhaften, herzlichen Antheil Sie an allem nehmen, was mir begegnet, und wie gütig Sie meine Freunde als die Ihrigen betrachten. So will ich Ihnen denn wenigstens schriftlich erzählen, was ich Ihnen mündlich klagen wollte, wovon mich aber Ihre und meine Unpäßlichkeit abhält.
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auf dem Eichsfelde geschrieben, mit der traurigen Nachricht von meines Freundes Tode. Eben in dem Augenblicke, da ich diesen ersten Gespielen meiner Jugend, nach langjährigem Trübsal in meine Arme zu schliessen, und noch ein paar glückliche Jahre mit ihm zu verleben hoffte, wird er mir, für diese Welt, entrissen.
Meyer kam mit meinem Carl den 13ten Abends auf das Eichsfeld, und ihre erste Sorge war, wie man den ken kann, sich nach dem armen Gefangenen zu erkundigen. Sie erfuhren, er sey sehr schwach, und werde schwerlich noch ein paar Tage leben. Nun zeigte Meyer den Befehl des Churfürsten, den Leidenden, bis zu vollbrachter Untersuchung, in eine bequeme Wohnung zu führen. Dies schien einigen Herrn nicht zu gefallen, und sie brauchten allerley Vorwand die Fremden abzuhalten, den Unglücklichen zu sehn, obgleich
Den 14ten führte man endlich meine beyden Abgeordneten in den Kerker, und da gab es einen Auftritt, den der geschickteste Maler nur schwach darstellen würde.
Meyer fand es nöthig, den jungen Hohenau vorzubereiten, seinen sterbenden Vater in dem Gefangenen zu umarmen, aber der Jüngling gerieth darüber in einen Gemüthszustand, der alle Anwesenden in Furcht und Schrecken setzte. Er stürzte sinnlos in das Gefängniß und – noch einmal! was für eine Scene da vorgieng, bis zu dem Augenblicke, da der Vater verschied, daran vermag ein zärtliches Herz nicht ohne Wehmuth zu denken.
Carl hatte nie, auch nur eine dunkle Ahndung gehabt, daß sein Vater noch lebe –
Mein alter Freund starb, wie er gelebt hatte, mit einem liebevollen Blick in die Welt zurück, in der er doch viel Tage des Trübsals, und so wenig Wonne erlebt hatte – Er zog seinen von Schmerz erstarrten Sohn, mit schwacher Hand zu sich her – Seine verlöschenden Augen glänzten noch einmal von stummer Freude – Er hob sie zum Himmel empor, und es war, als wenn seine Lippen sich bewegen wollten – Aber sie versagten ihm den letzten Dienst – Sein heiliges Gebeth sollte durch keine irdischen Töne mehr entweiht werden – In der Sprache
Mein Herz ist zerrissen, von sehr viel traurigen Vorstellungen zerrissen – Was mache ich mit meinen Carl? Das beste wird doch seyn, ihn bald zu mir kom men, und ihn, nach einem kurzen Aufenthalte, wenn der erste Schmerz überwunden seyn wird, eine Reise thun zu lassen.
Mein sterbender Freund hat, während seiner Gefangenschaft, die Erzählung seiner letzten Leiden stückweise aufgeschrieben. Das Manuscript fand man; Er zeigte nemlich auf den Ort, wo es verborgen lag, und Meyer 2
Könnten Sie nicht, mein lieber Freund! in diesen Tagen zu mir kommen? Ich hoffe doch nicht, daß Ihre Unpäßlichkeit von Bedeutung ist, und ich habe Ihnen sehr viel Dinge zu sagen, deren Mittheilung mein Herz erleichtern wird.
Empfehlen Sie unterdessen dem würdigen Herrn Oncle bestens,
Zu Ihnen, mein ewig geliebter, theurer Wohlthäter! fliehe ich, um Ruhe für das kummervollste, tief gekränkte Herz zu suchen. Wer würde sich auch meiner annehmen, wenn Sie es nicht thäten? – Ich habe ja keinen Vater mehr. Gott ließ mir nur seiner liebevolle Gestalt einen Augenblick erscheinen, und entriß ihn mir dann wieder – Wollen Sie denn nun ferner mein Vater seyn? Wollen Sie Ihren Carl nicht verstoßen? Wollen Sie aber auch Nachsicht mit ihm haben? – Ach! ich bin nicht mehr, wie ich einst war, heiter, frey, fröhlig in der Welt. Nie gekannte Gefühle, traurige Ahndungen, unbezwingliche Leidenschaft bestürmen
Ich weiß es wohl, dieser Ton wird Ihnen misfallen – aber ich kann nicht anders – Vielleicht klage ich nicht lange mehr – O! Verlassen Sie mich nicht; haben Sie Mitleiden mit mir Verwaiseten, den Sie mit liebreicher Hand erzogen, und zur Tugend geleitet haben! – Haben Sie ferner Geduld mit mir! Ich will ja gern an mir arbeiten, und meinen Kummer geduldig ertragen lernen – Glücklich werde ich doch wohl nie seyn – Wie kann ich es seyn, in einer Welt, wo Lieben ein Verbrechen ist,
Wenn Sie nur den Engel kennten, dessen Bild unauslöschlich in meine Seele gedrückt ist – Sie selbst würden sie lieben – Auch kann ich sie nicht vergessen, werde sie nie vergessen.
Aber, bester Pflegevater! flehendlichst bitte ich Sie, lassen Sie mich eine andre Lebensart ergreifen! Lassen Sie nicht mehr meinen Kopf in der unbedeutenden, trocknen Jurisprudenz grübeln, die den Menschen weder gerechter, weiser, noch besser macht – Was sind alle Wissenschaften, die nur die kläglichen Verderbnisse des Menschen, Neid, Hader, Eitelkeit, Hochmuth, Geiz und Bosheit erfunden haben? Lieber will ich Brod und klares Wasser geniessen, als durch diese Wege mein Glück machen – Auch glückt es
Es wundert mich nicht, mein lieber Sohn! daß Du itzt in einem so verwirrten und beklommen Gemüthszustande bist, und ich wünschte nur, Du mögtest von mir versichert seyn, daß ich mich ganz in Deine Lage zu setzen, und mit Dir zu fühlen weiß, was Du leidest.
Vergebens würde ich Dir vorstellen, wie viel tausend Menschen unglücklicher als Du sind – Das ist wohl immer ein schwacher Trost für jemand der Kummer hat, wenn man ihn noch mit der Erinnerung an fremden Jammer peinigt. Aber doch ist etwas darinn, das uns beruhigen kann, und dies
Und wenn ich Dir nun gar beweisen wollte, daß Du würklich nicht unglücklich wärst; was würde es helfen? Noch ist Deine Vernunft nicht unbefangen genug, um dies unpartheyisch abzuwägen.
Komm also, sobald Du kannst, mit Deinem Freunde zu mir; Das ist alles, warum
Ich erwarte, so bald als möglich, Dich in meinen Armen zu sehn.
Herzlich wünschte ich, Ihnen bester Herr! gute Nachrichten mitbringen zu können, aber – ich habe deren nicht. Ihre Sache wird in acht Tagen entschieden seyn, (das weiß ich aus sicherer Hand) und leider! zu Ihrem Nachtheil entschieden seyn; Sie müßten denn, ehe die Nachricht davon an Ihre Gegenpartey kömmt, durch einen Vergleich vorzubauen suchen.
Deswegen schreibe ich eilig diese Zeilen. Ich werde auch den 20sten von hier zu Ihnen zurückreisen, und mein ganzes Herz
Ich sage Ihnen diese Nachricht so geradeweg, ohne Umschweife. Ein Mann von Ihrem Geiste läßt sich durch kein Schicksal niederschlagen, und wer weiß, ob nicht noch durch den Vergleich ein Theil zu retten ist – Gott gebe es! – Ich leide gewiß unaussprechlich, so oft ich daran denke, daß Sie den Circul der guten Menschen in Urfstädt verlassen sollten, die noch um Sie her, sich Ihrer Wohlthaten freuen, und nun – ihren Schutzengel aus ihren Armen gerissen sehn müßten – Nein! das kann nicht geschehen, muß nicht geschehen.
Der Gedanke an Ihr Schicksal, mein gnädiger Herr! macht mich gegen meine eigenen häuslichen Begebenheiten fühllos – Meine Tochter ist wieder in Amsterdam – Meine Frau ist schwerlich krank – Mein ältester Sohn im Begriff zu heyrathen –
Ihr
Seit vierzehn Tagen bin ich hier bey Ihrem lieben Pflegevater, und auf seinen Befehl schreibe ich Ihnen eilig diese Zeilen, um Sie zu bitten, nun nicht nach Urfstädt zu kommen, bis Sie oder der Herr Meyer anderweitige Briefe von hieraus bekommen werden.
Die Umstände hier haben sich verändert – Unterdessen kann ich Ihnen darüber noch nichts gewisses sagen, als daß Sie Sich gefaßt machen mögen, sehr wichtige Nachrichten zu vernehmen.
Es wäre zu viel verlangt, wenn man in dieser Welt immer seine eitlen Wünsche wollte befriedigt sehen. Wenn man aber nur stets als ein Mann, und als ein redlicher Mann handelt; so ist alles übrige leicht zu ertragen. Auch wendet sich früh oder spät das Glück wieder auf unsre Seite.
Sie sind noch jung, haben Talente, und einen guten Kopf. Sollte Sie alles verlassen; so werden Sie damit gewiß in der Welt Ihren Weg machen.
Ich bin mit wahrer Freundschaft
Mit kindlich gerührtem Herzen melde ich Ihnen, mein liebster, bester Vater! daß Gott meine gute Mutter gestern zu sich aufgenommen hat.
Den 6ten war, wie sie wissen, meines ältesten lieben Bruders Hochzeit; Da befand sie sich, obgleich sie nicht dabey gegenwärtig seyn konnte leidlich wohl, so daß wir anfiengen neue Hofnung zu schöpfen. Allein vom 10ten an wurde es täglich schlimmer mit ihr.
Ich ergriff ihre Hand, die schon kalt war, und drückte sie an meine Lippen – Sie merkte wohl, daß es bald aus seyn würde, und segnete uns in abgebrochenen Worten, schien auch noch manches auf dem Herzen zu haben, das sie nicht mehr hervorbringen konnte. So lange sie verständlich redete, hatte sie oft sehnlichst gewünscht, Sie, mein theuerster Vater! vor ihrem Ende noch zu umarmen –
Mein redlicher Schwiegervater war nicht gegenwärtig; Er kann niemand sterben sehn, und fürchtet selbst den Tod sehr.
Wie sehr dieser Verlust unser häusliches Glück verbittert, werden Sie leicht glauben – Die gute Mutter – Sie hat wenig Freuden in dieser Welt erlebt. Jetzt erst wären wir im Stande gewesen ihr kindlich beyzustehn – Doch schien es ihr ein kräftiger Trost zu seyn, ihre ältesten Kinder, vor ihrem Abschiede noch, versorgt zu sehn.
Uebermorgen wird der entseelte Körper in der Stille beygesetzt werden –
Mein lieber Sohn!
Diesen Brief wird Dir Deine Schwester geben, an welche ich weitläuftig geschrieben habe – Ihr habt nun keine Mutter, ich keine Gattinn mehr – Dieser Verlust, der meinem Herzen sehr wehethut, bindet uns um desto fester zusammen, indem der Circul immer enger wird, jemehr Glieder aus demselben herausgerissen werden – Wer weiß wie lange ich noch bey Euch bin? –
Mein armer Baron Leidthal, der in seinen guten Tagen so großmüthig an mir gehandelt hat, ist durch einen unglücklichen Proceß um den größten Theil seines Vermögens gekommen, so daß er seiner Güter mit dem Rücken ansehn muß. Er hinterläßt auf denselben eine Menge Menschen, die ihm ihre ganze Wohlfarth zu danken haben, und itzt ihrem Wohlthäter blutige Thränen nachweinen –
Ich werde ihn in diesen Umständen nicht verlassen, und wenn ich sein Glück mit ihn getheilt habe, auch nun in seiner gegenwärtigen Lage Mittel erfinden, bey ihm zu bleiben, ohne ihm beschwerlich zu werden. Durch meine Arbeit, durch Uebersetzen und dergleichen,
Nun ist aber der Plan vereitelt, den ich mit meinen beyden jüngsten Söhnen vorhatte, und wozu mich die freygebigen Anforderungen meines theuren Baron Leidthals vermogt hatten. Du weißt, daß beyde Knaben studieren sollten; das geht nun nicht an – Und was kömmt auch am Ende dabey heraus? Der Gelehrte, dem es an Gelde und Vorsprache fehlt, kann heut zu Tage lange Jahre hindurch sich plagen, und zum Krüppel und Bettler arbeiten, ehe er es dahin bringt, ein mäßiges Auskommen zu gewinnen. Haben die Kinder Talent; so wird es ihnen in jedem Stande zu statten kommen. Sie mögen also eine Lebensart ergreifen, die der bürgerlichen Gesellschaft
Ich finde daß ein redlicher und geschickter Handwerker eben so viel, wo nicht mehr Achtung verdient, als ein Rechtsgelehrter, und daß jener oft Gelegenheit hat die Gaben seines Geistes stärker zum Wohl der Welt anzuwenden, als dieser.
Hiebey werde ich mich sehr wenig um das Urtheil der Leute bekümmern. Christoph soll nach Neuwied, wo ihn ein redlicher Hernhuter ohnentgeltlich das Schreinerhandwerk lehren will, und an Petern bitte ich Dich, zu thun, was Du Deinem Vater zuwenden wolltest. Er hat Lust ein Tuchfabricant zu werden. Ich habe die Verfügung getroffen, daß ihn ein sichrer Mann, der Herr van der Slöck, der in acht Tagen hier durch reiset, mit sich bis Nimwegen nimt. Dort wird er erst gegen den 20sten December ankommen,
So viel Sorge, so viel Abwechselungen des Glückes, machen mich ganz verwirrt. Der Kummer würkt sehr auf meine Gesundheit, die anfängt schwankend zu werden. Gott stehe Dir und Deiner lieben Frau in Eurem neuen Stande bey. Nächstens ein Mehreres! Vergiß nicht
Deinen
Ich schreibe Ihnen, mein geliebtester Freund! diese Zeilen in der größten Unruhe meines Herzens – Man will uns trennen – Meine Eltern haben einen Brief aufgefangen, den Sie mir geschrieben hatten, und mir über unsere unschuldige, heilige Verbindung, und unsern Briefwechsel die bittersten Vorwürfe gemacht.
Wir waren vorigen Sonntag in der Kirche, als Ihr letztes liebes Schreiben ankam. Catharine war unglücklicherweise auch nicht zu Hause, und mein Vater gieng
Als wir aus der Kirche kamen, merkte ich wohl, daß mein Vater böse über etwas war, allein er sagte mir nichts. Gestern aber kamen meine Eltern beyde auf meine Stube, und überhäuften Ihre arme Charlotte mit grausamen Verweisen, schimpften auf Sie und meinen lieben Bruder, und droheten einen Schritt zu thun, welchen ich nicht erwarten, und der unserm geheimen Liebesverständnisse (so nannten sie es) bald ein Ende machen sollte.
Ich bath, weinte und flehete, aber alles umsonst. Selbst meine Mutter, so gütig sie sonst ist, war gewaltig böse: »Weißt Du
Was meine Eltern mit mir vorhaben, weiß ich nicht, aber sie schreiben immer und flüstern zusammen – Ach! mein liebster
Ihre
Das Schicksal, mein lieber Freund! das mir drohete, ist nun entschieden, und mit seiner ganzen Last auf mich gefallen, indem das Urtheil des Reichsgerichts meinen Gegner, bis zu gänzlich ausgemachter Sache, in den Besitz meiner Güter setzt –
Das ist ein unerwarteter harter Schlag für mich, zumal ich mich wegen meines Schadens an niemand erholen kann, und mein harter Gegner nur dem strengen Rechte, keiner Billigkeit Gehör giebt, auch alle Vergleichvorschläge verworfen hat.
Da wir uns indessen nicht gegen die Vorsehung auflehnen dürfen; so will ich nicht klagen, sondern den Plan zu meinem künftigen Leben Ihnen vorlegen.
Das Schicksal meines lieben Carls, bey seiner itzigen Gemüths-Verfassung, geht mir am mehrsten zu Herzen. Ich kann nun nicht mehr seine Wünsche so befriedigen, wie ich herzlich gern wollte; Er muß sich also herabstimmen, seine ganze Seele zu männlicher Fassung anstrengen, und wegen der Folgen auf den bauen, der uns mit Weisheit und väterlicher Güte leitet, regiert, prüft, aber
Ich beschwöre Sie, mein Freund! alles anzuwenden, den armen jungen Menschen nach und nach zu dieser Stärke des Geistes zu erheben, und ihn von seiner jetzigen Lage mit Vorsichtigkeit zu unterrichten.
Hier schicke ich Ihnen 120 Louisd'or, als den Theil einer Summe, die ich lange schon zu einer Nothhülfe bey Seite gelegt hatte, nebst Empfehlungsschreiben nach ... und ... Reisen Sie augenblicklich mit Ihrem Zöglinge dahin! Ich zweifle nicht, daß an einem von diesen Oertern sowohl Sie als mein Carl unter vortheilhaften Bedingungen Dienste finden werden – Reisen Sie getrost! Es wird gewiß gelingen, und beyliegende Instruction
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wird Sie unterrichten, wie Sie es am besten anzufangen haben. Vorgebauet
Was mich betrift; so werde ich nebst unserm Freunde Müller und einem Bedienten nach Hamburg ziehen, und daselbst so eingeschränkt und unbekannt als möglich leben, bis die Vorsehung mich anders führt.
Ich bin gefaßt, ruhig, und murre nicht. Ein Blick zurück auf die Plane, welche ich zum Besten vieler guten Menschen entworfen hatte, ist das Einzige, was mir meine Lage zuweilen hart machen wird – Doch der Himmel wird auch für diese sorgen –
Leben Sie wohl, mein treuer Freund! Sobald Sie an Ort und Stelle seyn werden, schreiben Sie mir ja gleich, wie Ihre Verhandlungen laufen, damit ich für das Weitere sorgen könne. Wenn denn alles richtig seyn wird; so will ich Sie wieder mit noch etwas Gelde versehen, und bald hoffe ich Sie
Ich bin unterdessen ohnveränderlich,
Ach mein bester Herr! Was fangen wir an? – Der Herr von Hohenau ist fort, Gott weiß wohin – Lesen Sie nur selbst die einliegenden Briefe, die ich auf seinem Zimmer gefunden habe!
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– Ich eile ihm nachzuspüren – Rechnen Sie auf meinen unermüdeten Eifer – Ich kann itzt nicht mehr schreiben –
In größter Eil.
Ew. Hochwohlgebohrnen Gnaden soll auf hohen Befehl unseres gnädigen Fräuleins devotest berichten, was maaßen unsere gnädige Herrschaft vor gut befunden, Dieselben ganz unerwarteterweise von hier abholen zu lassen.
Es kamen nemlich vorgestern, als den 8ten hujus, ehe man sichs versahe, so zu sagen, die Frau von Donnergund, als Mon Frère! Ihr müßt mir eine Bitte nicht abschlagen« und als der gnädige Herr darauf ihre Cavaliers-Parole gegeben hatten, bath die Frau Schwester um die Erlaubniß, Dero Fräulein Nichte mit sich nach Donnergrund nehmen zu dürfen. Es wurde diese Proposition sogleich acceptirt, und obgleich unser liebes Fräulein alle Register so zu sagen anzogen, um diesen unangenehmen Casum zu hintertreiben; so wurden doch ihre Bemühungen frustrirt, und sie mußten heute mit dahin.
Unterdessen aber wurden das gnädige Fräulein immer so bewacht, daß es nicht möglich war, etwas an Ew. Hochwohlgebohrnen Gnaden zu Papier zu fertigen, doch hatten Sie Gelegenheit mir, während Clavicordio, als auch in den Regulis des General-Basses gab, den Auftrag zu ertheilen, Hochdenenselben und dem jungen Herrn von Hundefeld, dies eiligst jedoch heimlich zu melden, welches denn zu befolgen nicht verfehlen, und in schuldigem Respect verharren wollen,
Hochderoselben
Für mich ist alles verlohren – Schlag auf Schlag – Um niemand mehr zu beunruhigen – um meinem armen Wohlthäter nicht ferner zur Last zu fallen – um Ruhe für mein Herz zu suchen – fliehe ich, wohin mein Schicksal mich leiten wird – Bedauern Sie mich – Küssen Sie meinem würdigen, unglücklichen Pflegevater
Es ist eine gar possierliche Sache um die Autorsucht, und um den Ruhm, den man durch das Büchermacherhandwerk zu erwerben trachtet.
Ich setze selbst sehr wenig Werth auf den Mann, der blos dadurch beliebt wurde, daß er ein gutes Buch schrieb. Es ist sehr viel leichter hundert schöne Grundsätze predigen, als einen einzigen ausüben. Am Schreibtische, wenn keine Leidenschaft ins Spiel kömmt, lassen sich herrliche Sachen sagen, und gewöhnlich sieht doch der Mann ganz anders auf dem Papiere aus, als in seinen Handlungen.
Was ist daher natürlicher, als daß ich Ihnen Allen, die Sie mit so nachsichtsvoller Güte die beyden ersten Theile dieses Büchelchens aufgenommen haben, herzlich danke? Mögte der dritte eben so glücklich seyn, Ihren Beyfall zu gewinnen! Vielleicht schriebe ich dann noch – Nicht die zwanzig, davon wir neulich redeten – aber doch ein oder ein Paar dazu, um ein Ganzes daraus zu machen, und Sie nicht in Ungewißheit über das Schicksal der Personen zu lassen, welche ich die Ehre gehabt habe Ihnen vorzustellen.
Im Grunde sollte freylich wohl alles wahr seyn, was in einem Roman steht. Man kann sich ja auch nichts so Tolles erdenken (das versichre ich Sie) was nicht irgend einem Erdensohne begegnet wäre, und keinen so albernen Streich, den nicht schon einmal ein Mensch gemacht hätte. Wenn man aber freye Hand hat, eine Menge Abentheuer auf Eines Menschen Kopf zu erzählen; so kann man der Geschichte wohl eher diejenige Einheit geben, welche Sie vielleicht hier vermissen. Indessen wollen wir doch überlegen, wie wir das Ding so einrichten, daß alles in einander passe.
Ueberlegen Sie das alles! Und wenn Sie dennoch, nach Lesung dieses Theils eine Fortsetzung des Romans meines Lebens begehren – Ey nun! so muß man sehen, wie man Rath schafft.
Erster Brief, von Müller an Meyer, aus Hamburg geschrieben. Er ist nebst Leidthal in Sorgen um, das Schicksal des jungen Hohenau. Man sollte solche junge Schwärmer ihrem Schicksal überlassen. Aber Erziehung und schlechte Schriftsteller verdrehen der Jugend den Kopf. Ueber Zünfte. Gelehrten- Zunft. Vorschläge gegen die Schreibseligkeit. Nachricht von der Abreise aus Urfstädt, Ankunft in Hamburg, und Lebensart daselbst. Ueber Reichsstädte und Residenzen. Herr Bellojoco nimmt diesen Brief mit. Meyer soll über sein Herumreisen sein Glück in Dresden nicht verscherzen. Sie hoffen bald bessere Nachrichten von Hohenau zu hören.
Zweyter Brief, von Meyer an Leidthal. Er ist, nachdem er Hohenau auf Hundefelds Gut nicht gefunden, nach Donnergrund gereiset. Auch hier ist derselbe so wenig, als das Fräulein, Werber im Wirthshause. Ueber Militair, Soldatenstand, persönliche Tapferkeit, große und kleine Feldherrn. Gemälde der Frau von Donnergrund. Ein hochadeliches Haus. Aussicht Herrn von
Mallitz natürlicher Sohn. Dessen Geschichte, und von seiner Mutter. Carl ist also noch immer nicht gefunden. Er weiß auch nicht, wo er ihn suchen soll. Also geht er jetzt gerade nach Dresden.
Dritter Brief, von der Frau von Donnergrund an den Herrn von Retzel. Jetzt klärt sich's auf. Sie hat ihre Nichte bey der Frau Käserink abgesetzt, woselbst sie Retzel besuchen, und sie vermögen soll, ihn zu heyrathen, dagegen dieser der Frau von Donnergrund das Geld schenkt, das sie ihm schuldig ist. Hohenau war dieselbe Nacht mit Meyer in einem Wirthshause, und wurde da den Werbern in die Hände gespielt, Meyer aber nach Eisleben irre geführt. Eine Bitte wegen einer Canzelbekleidung.
Vierter Brief von Leidthal an Meyer. Nun da alle Mühe, alles Suchen vergebens ist, soll er nur seine Secretairsstelle in Dresden, die Seiner erwartet, annehmen. Gott wird schon für den jungen Hohenau sorgen. Künstliche Erziehung im Gegensatz mit Erziehung, die das Schicksal giebt.
Fünfter Brief von der Frau Käserink an die Frau von Donnergrund. Das Fräulein ist aus dem Wirthshause, wo sie ein Paar Tage bleiben mußten, fortgegangen, indem sie sich hat von einem Manne entführen lassen, der vorher französisch mit ihr sprach. Frau Käserink betheuert angstvoll ihre Unschuld.
Sechster Brief von Weckel an Leidthal. Er spricht ihm Trost ein, und will es versuchen, ihn aufzumuntern; erzählt ihm, daß, und wen er heyathen werde. Ein alter geiziger Oncle. Ein Andachtsbuch. Ein Zeitungsblatt. Gesellschaft im Wirthshause. Amtmann. Kaufmann. Apotheker. Officier. Adept. Derselben Gespräche. Eine Fürstliche Gevatterschaft.
Siebenter Brief, von dem jungen Hundefeld an Leidthal. Giebt Nachricht von der Entweichung des Fräuleins. Die Eltern glauben Hohenau habe dies veranstaltet, deswegen machen sie nun ihrem Sohne, der sein Freund war, Vorwürfe. Sie liegen vor Kummer krank. Der junge Hundefeld will nachreisen, und bittet Leidthal unterdessen nachzuforschen.
Achter Brief von Meyer an Leidthal. Nachricht von seinem neuen Stabilissement. Ueber die Art zu studieren und sich zu seinem künftigen Zustande Esprit de Corps. Esprit public. Ueber Müllers Aussichten. Dankbarkeit gegen Leidthal. Wüßten Sie nur, wo Hohenau ist!
Neunter Brief von Leidthal an Meyer. Freuet sich, daß Meyer zufrieden ist. Ueber die Triebfedern unserer guten Handlungen. Ueber Leidenschaften. Tollhäuser. Ueber die Narrheit. Da ist endlich Nachricht von Hohenau, welche sie Alle mit Freude erfüllt.
Zehnter Brief (in dem vorigen eingeschlossen) von Hohenau an Leidthal aus Potsdam geschrieben. Er bittet ihn um Verzeyhung seiner Verirrungen. Erzählung dessen, was ihm begegnet ist. Wie er Charlotten auf Hundefelds Gute nicht fand; herumirrte; endlich sie auch in Donnergrund vergebens suchte; Wie ihn dort ein Franzose den preussischen Werbern in die Hände spielte, die ihn einige Wochen lang mit herumführten, und dann in Potsdam ablieferten. Daselbst entdeckt er sich seinem Obristen,
Eilfter Brief von Meyer an Leidthal. Enthält einen Auszug aus dem Briefe des Obristen an ihn. Nemlich die Erzählung, wie er aus dem Gefängnisse, nach dem Tode des Fürsten, losgelassen, den Abschied als Obristlieutenant bekömmt, nach Schlesien zu einem Vetter geht, durch denselben preussischer Obrist wird, und ein Regiment bekömmt. Ueber den Nutzen würklicher treuer Lebensbeschreibungen im Gegensatz mit andern Romanen. Wo mag aber das Fräulein von Hundefeld seyn? Man darf Carl nicht von ihrer Entführung unterrichten, muß aber ihren Eltern sagen, wie unschuldig Hohenau daran ist.
Zwölfter Brief von
Dreyzehnter Brief von Meyer an Leidthal. Er berichtet ihm mit traurigem Herzen, was er so eben durch einen Brief von Carl erfahren hat. Der Obrist ist nemlich schleunig gestorben, und Charlotte ihrem Geliebten untreu geworden. Mr. de la Saltière fälschlich geschriebenen Brief bekommen hat. Jetzt fürchtet Meyer, Hohenau werde schlechter werden, ohne Führer und eine Liebe, in Berlin. Der Obrist hat Carln in seinem Testamente bedacht. Meyer ist äusserst niedergeschlagen.
Vierzehnter Brief von Weckel an Leidthal. Nachricht von seiner Heyrath. Ueber den Ehestand. Kleine Reisebeschreibung. Ueber das Bekanntschaftmachen, und die Kunst sich beliebt zu machen. Eine rührende Malzeit. Ein Landedelmann. Ein Pfarrer. Ein Lügner. Ein fürstlicher Garten. Ein Trauerzug. Ein Regimentschirurgus. Man soll niemand beschämen.
Funfzehnter Brief von Hundefeld an seinen Vater. Er hat nirgends auf die Spur von Charlottens Aufenthalt kommen können. Nun kömmt er so eben nach Berlin, um wenigstens Hohenau zu sprechen. Er hat einen artigen Franzosen angetroffen, dem er seine Geschichte erzählt, und der ihm versprochen hat, ihn morgen früh selbst hinzu begleiten.
Sechzehter Brief von la Saltière, Billet an den Grafen ... Er schickt ihm einen aufgefangenen Brief, den Charlotte, die in Madam Schufits Hause ist, an ihre Eltern fortschicken wollte. Zugleich meldet er ihm, wie Hundefeld in seine Hände gefallen sey, und
Siebenzehter Brief (Einschluß des vorigen) von Charlotten an ihre Eltern. Sie klagt zärtlich dar über, daß sie keine Antwort von ihnen bekömmt, schildert ihren jammervollen Zustand, und bittet flehentlich um Errettung. Der Franzose hat sie nach Berlin in der Frau Schufit Haus in der Töpfergasse geführt. Sie weiß nicht, was für ein Haus das ist. Sie ist immer krank, wünscht bald zu sterben, und weiß gar nicht, wo Hohenau sich aufhält. Die Obristen von M ... Der Graf. Ein junges Mädgen, welches ihr aufwartet.
Achtzehnter Brief, von dem Grafen an die sogenannte Obristen von M ... Er ist unzufrieden davon, daß sie Charlotten noch nicht bekehrt hat. Sie soll bald Anstalt machen, das Fräulein aufmuntern, zu einer Unterredung mit ihm vorbereiten, und das Mädgen, welches den Brief an Charlottens Eltern hat besorgen sollen, von ihr entfernen.
Neunzehnter Brief, von Ludwig Müller an seinen Vater. Er freut sich über des Commerzienraths nahe Hofnung zu dänischen Diensten. Ueber seine jetzige Lage. Ueber den Schauspielerstand überhaupt. Künste in Deutschland.
Zwanzigster Brief, von dem jungen Hundefeld an Hohenau. Nachricht, daß ihm der Gouverneur die Stadt verboten habe. Er hat vorher zweymal Hohenau in seinem Hause aufgesucht, aber immer verfehlt. Er solle doch auswürken, daß er wieder in die Stadt kommen dürfe.
Ein und zwanzigster Brief, von Hohenau an Meyer. Man sieht aus dem Styl, daß er anfängt sittlich schlechter zu werden. Beschreibung seiner Gesellschaft. Nachtheiliges Urtheil vom weiblichen Character. Sein Mistrauen gegen la Saltière.
Zwey und zwanzigster Brief, von Birnbaum an Leidthal. Er bittet ihn zur Gevatterschaft. Nachrichten von Urfstädt und Mallitzens Kränklichkeit.
Drey und zwanzigster Brief, von Leidthal an Hohenau. Gute Lehren. Geschichte eines verabschiedeten Ministers, und einige Hofanecdoten. Ueber Religions-Indifferentismus. Wie unsicher der Ruf eines Menschen ist.
Vier und zwanzigster Brief, von Weckel an Müller. Fröhlich wie immer. Wie er lebt. Von seinem guten Oheim. Ein Holländer. Etwas über diese Nation. Von Bauern, und deren Vorurtheilen.
Fünf und zwanzigster Brief, vom Secretair Reifenbrück an Leidthal. Auf Befehl seines Herrn geschrieben, der auf dem Sterbebette ihn gern sprechen will, und ihn also bittet nach Urfstädt zu kom men.
Sechs und zwanzigster Brief, von Hohenau an Hundefeld. Sehr leichtfertig geschrieben. Er hat bey dem Gouverneur seine Unschuld dargethan. Er kann also nach Berlin zurückkommen. Entdeckung der Verrätherey des la Saltière.
Sieben und zwanzigster Brief, vom Commerzienrath Müller an seine Tochter. Er ist in dänische Dienste getreten. Familienumstände. Nachricht von Leidthal.
Acht und zwanzigster Brief, von Ludwig Müller an seinen Vater. Nachricht von Hohenaus Verirrungen. Seine Lebensart beschrieben. Interessante Beschreibung von desselben Zusammenkunft mit Charlotten in Madam Schufits Hause.
Ich schreibe Ihnen auf Geheiß des guten Baron Leidthals, der so zerstreuet und niedergeschlagen ist, daß ich sehr fürchte, die Last von Unruhe und Kummer, welche er seit einem Jahre hat tragen müssen, wird Einfluß auf seine Gesundheit haben.
Wo sind Sie denn jetzt? Mögten Sie doch, wenn Sie diesen Brief bekommen, den jungen Hohenau gefunden haben! Aber wer weiß, wo Sie umherstreifen müssen, den
Ich bekenne es gern, wenn es von mir abhienge, ich wäre ihm längst nicht mehr nachgelaufen. Die Vorsehung sorgt für ihn, und wenn er sehen wird, daß es in der würklichen Welt ganz anders aussieht, als in einem empfindsamen Roman; so wird er schon zurückkehren, und vielleicht noch einst ein nützlicher Mann werden.
Wehe denen Schriftstellern, welche die Phantasie unserer jungen Leute durch wildes Feuer entzünden, ihre Sinne so reitzbar machen, daß sie den Boden, worauf sie treten, für glühend halten, und bey jedem Fußtritte laut schreyen! Da versengt dann der zehrende Blick eines solchen Schwärmers die schönsten Fluhren um ihn her.
Der Grund zu diesem Unglücke wird aber schon in der Schule gelegt, wo man uns
Allein von wahrem Genusse und weiser Anwendung dieses Lebens wird uns in der Jugend sehr wenig, und dies Wenige sehr trocken gesagt. Man fühlt dann bald, daß es unvernünftig seyn würde zu glauben, der gute Schöpfer habe uns funfzig Jahre des Jammers bestimmt. Wenn nun das Alter der Wünsche und des Verlangens herantritt, dann angelt der Jüngling nach Freuden, die er nicht geniessen gelernt hat. Aber er hat auch das Ungemach nicht wahrhaftig ertragen, sondern nur mit kaltem moralischen Lumpengewebe überspinnen gelernt. Er ist
Hier kommen ihm unsere neueren Schriftsteller herrlich zu Hülfe. Die liefern ihm Ideale nach seinem Herzen, und unterhalten seine elende Schwärmerey. Da winselt ein jämmerlicher, in der bürgerlichen Welt unnützer Müßiggänger ihm, von seinem Dachstübchen herunter, Klagelieder über die undankbare Welt entgegen – Dann geht erst das rechte Unglück an. Er glaubt, hier sey nun einmal nichts mehr für ihn zu thun, also handelt er wie ein Rasender, und wird, ehe er Mann ist, schon ein unnützer
Ueberhaupt! Wäre denn gar kein Mittel dem unseligen Bücherschreiben Grenzen zu setzen? Die Wissenschaften sind nun einmal eine res communis geworden; Indessen liesse sich viel darüber sagen, ob es nicht besser wäre, wenn sie, wie ehemals in Egypten und andern Ländern, das Monopolium eines gewissen Standes würden? Dies ist freylich ohngefehr der nemliche Streit, als: ob es gut sey die Zünfte aufzuheben oder nicht? Es ist wahr, wenn man keine Zünfte hat; so gilt der privilegirte Pfuscher nichts, und der Mann von Verdienst gewinnt. Aber ist nicht der Schaden eben so groß, wenn jeder Pfuscher arbeiten darf, was er will? Wer hält sich nicht für berufen, ein Handwerk, das er liebt, zu treiben? und indeß er, wenn er schlechte Arbeit macht, betteln muß; so verliehrt doch der Staat den Mann, der etwas, wozu er gebohren wäre, unterdessen
Könnte man nicht in jedem Lande eine Deputation von redlichen verständigen und uneigennützigen Männern dazu festsetzen? Ein Schriftsteller müßte sein Manuscript dahin, ohne sich zu nennen, abliefern: Aber auch die Männer, aus denen die Deputation bestünde, müßten dem Namen nach unbekannt bleiben. Es würde untersucht, ob das Buch irgend etwas enthielte, das sittlichen Nutzen
Diese Einrichtung würde nicht die Gebrechen der gewöhnlichen Büchercensuren haben, und die Deputirten dürften auch nur
Doch, was ermüde ich Sie jetzt, zur ungelegenen Zeit, mit meinen Träumereyen? Ich will Ihnen lieber Nachricht von unserer Art zu leben geben.
Wir zogen, wie Sie wissen, im vorigen Monate hierher. Es war eine traurige Scene, als unser lieber Wohlthäter Urfstädt verlassen mußte. Lassen Sie mich darüber schweigen. Gewiß wird er noch lange in dem Herzen seiner ehemaligen treuen Unterthanen gegenwärtig seyn. Wie manchem Redlichen hat er dort großmüthig geholfen, wie manche
Wir bewohnen hier das mittelste Stockwerk eines artigen Hauses. Der Baron Leidthal geht wenig aus, und ich leiste ihm beständig Gesellschaft. Noch haben wir nicht viel Bekanntschaft gemacht, obgleich ich sehr wünschte, daß unser guter Herr es doch versuchen mögte, sich ein wenig zu zerstreuen, denn der Kummer nagt unaufhörlich an ihm – Sein lieber Carl schwebt immer vor seinen Augen.
Wären wir nicht in diese Traurigkeit versenkt; so würden wir hier sehr glücklich leben. Der Verlust des Reichthums ist bald verschmerzt, sobald man nicht Mangel leidet,
Nein! Man sage was man will gegen die Reichsstädte; Hier sind wohl auch kleine Verhältnisse, wie aller Orten, wo der Mächtige den Schwächern zurückdrängen kann,
Es herrscht hier in Hamburg auch sehr viel Aufklärung, wahrer Geschmack an Wissenschaften und Künsten, eine vernünftige Gleichhaltung der Stände, und ein sehr angenehmer, zutraulicher Ton in Gesellschaften. Mein Nachbar controlirt nicht mein Hauswesen; Man erlaubt mir zu leben, mich zu tragen, wie ich will; die jungen Leute sind bescheiden, gefällig und sittsam. Man hört wenig Persiflage. Es ist viel Familienband, viel häusliche Glückseligkeit unter den Leuten, und endlich hat man ja die Wahl unter einer großen Menge Menschen aller Art, denn allgemein paßt freylich das Gemälde nicht auf das Hamburger Publicum.
Ich war heute einige Augenblicke auf dem Baumhause. Welch' ein herrlicher Augenblick von da hinunter die mit Schiffen beladene Elbe und so viel geschäftige Leute zu sehen! Unter dem Gewühle von fremden Kaufleuten dachte ich jemand anzutreffen, der aus dortigen Gegenden käme, und mir vielleicht Nachricht von dem Herrn von Hohenau geben könnte, aber vergebens. Indessen habe ich einen alten Freund gefunden, den Herrn Bellojoco, der aus Schweden kömmt, und morgen früh nach Mannheim abreiset. Er wird diesen Brief in Göttingen abgeben.
Eben habe ich unsern armen Herrn noch einmal gesprochen. Er bittet Sie durch mich, während Ihrer Nachforschungen Ihr Glück nicht zu versäumen. Man erwartet Sie in Dresden, wo Sie so dringend empfohlen sind, daß es Ihnen gewiß nicht mislingen wird, wenn nur das Eisen geschmiedet wird, weil es warm ist.
Noch ist alle meine Mühe, alle meine Nachforschung vergebens gewesen; Ich habe den unglücklichen jungen Menschen nicht gefunden. Meine letzten eilig geschriebenen Zeilen werden Sie, mein gnädiger Herr! erhalten haben.
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Ich konnte auf Hundefelds Gut und in der ganzen Gegend nicht das Geringste von ihm erfahren. Was war also natürlicher, als zu glauben, er sey gerade hierher nach Donnergrund gelaufen? Aber auch hier will niemand nichts von ihm wissen. Vor wenig Stunden bin ich angekommen, und habe so genau geforscht, als man an einem ganz fremden Orte forschen
Ich wollte geradeswegs zu der Dame gehn, aber es war so spät, und ich so ermüdet von der Reise, daß ich diesen Besuch auf morgen früh verschoben habe. Gern hätte ich nun diese Nacht ein wenig geschlafen, aber da ist unten im Wirthshause ein Lerm von Werbern, der mirs, bey meinem ohnehin unruhigen Gemüthe, ohnmöglich macht, ein Auge zu schliessen. Wie ich aber höre; so werden sie nach Mitternacht weiter marschieren. Ich bin also wieder aufgestanden, um mich noch eine Stunde mit meinem theuersten Wohltäter zu unterhalten.
Mögte ich Ihnen etwas zur Aufmunterung sagen können! aber mein Herz ist
Die Werber und Recruten lermen unaufhörlich, singen, fluchen und toben durcheinader –
Gott! wie sind die menschlichen Anstalten verderbt worden! Ein Volk, das zu seiner Gückseligkeit gesellige und bürgerliche Bande unter sich geknüpft hatte, mußte sich in dem Gebrauch der Waffen üben, um gegen die Einfälle und Räubereyen einer weniger cultivirten, müßigen Nation geschützt zu seyn. Nach und nach bediente sich ein Haufen der Stärkern dieses Mittels, um die Schwächern zu unterjochen – Nun ja! da war doch noch Recht des Stärkern, Triumpf persönlicher Tapferkeit. Aber, wie artete dis nach und nach aus? Der Feige wollte auch seine Leidenschaften befriedigt wissen. Die Großen dieser Erde fanden es bequemer, aus einer Menge ihrer Sclaven eine Zerstörungsmaschiene
Diese Sclaverey, welche nach und nach zur Gewohnheit, ja zur Ehre geworden ist, hat aus unsern Fürsten, welche sonst nur gewählte oder durch höhere Bestimmung auf den Thron gesetzte Vorsteher waren, unsere Götter gemacht. Ohne Murren müssen jetzt Millionen Menschen sich als das Eigenthum
Da nunmehro nicht mehr Freyheit, Muth und gerechte Sache das Glück des Krieges bestimmen, ihn herbeyführen oder entfernen; so muß der Nachbar jeden Augenblick erwarten, daß man in sein Reich einbreche, und das Glück des Landes, dessen Vorsteher er ist, der Raub irgend eines unruhigen Kopfes werde. Er muß also auf alle Fälle auch eine Schaar solcher Puppen halten, und weil also ein Staat mit dem andern wetteifert; so werden die sogenannten Armeen jährlich größer. Ist der Staat nicht reich genug, hierzu Fremde zu erkaufen; so muß auch der wohlthätigste beste Fürst die arbeitsamsten nützlichsten seiner Unterthanen von ihrer Bestimmung weg, aus dem Schooß ihrer Familien reissen, und mitten im süssen Frieden ein ungeheures Heer zusammen halten. Um dies recht groß zu haben wird alles auf Ersparung
Doch ist diese Einrichtung nun einmal, wenigstens, so lange nicht irgend ein großer Kopf Muth haben wird, eine Monarchie von ganz anderer Art zu errichten, für mächtige Fürsten ein nothwendiges Uebel geworden, aber auch der kleine Monarch, der sein Land
O! wer ein weiches Herz in seinem Busen trägt, der mögte blutige Thränen über einen solchen Anblick weinen. Wenn doch die guten Fürsten (es gibt deren noch, welche die reinen Freuden der Seele fühlen können) wenn sie einmal in sich gehen, und bedenken wollten, wie gewiß es ist, daß diese Einrichtung die damit verbundene Verderbniß der Sitten, und die Unterdrückung aller wahrwahrhaftig
Es wird stiller unten im Hause. Sie sind fort; Ich will mich zur Ruhe legen.
Ich bin bey der Frau von Donnergrund gewesen, und nichts weniger als zufrieden von diesem Besuche zurückgekommen; Denn ohngerechnet, daß ich nichts von dem Herrn von Hohenau erfahren habe; so hat mir auch diese Bekanntschaft sehr wiedrige Eindrücke eingeflößt.
Mögte ich in der Gemüthsverfassung, darinn ich bin, Ihnen ein etwas lebhaftes Gemählde von derselben machen können! Stellen Sie Sich, mein gnädiger Herr! ein kleines dickes Weib vor, deren breiter rother Kopf nach hintenzu auf einem unförmlichen Rumpfe wie angenagelt sitzt. Die Augen klein und zusammengekniffen, die Nase in die Höhe stehend, die Stirn in kurze Perpendicularlinien gezogen. Ihre Stimme wie das Rufen einer Heringsverkäuferinn, ihr Gang watschlich und langsam, ihr Lächeln wie das Grinzen eine schadenfrohen Menschen –
Das ganze Haus hatte ein gewisses Gepräge hochadelicher hochmüthiger Armuth. Alles sollte nachläßig umherliegend aussehen, und alles war doch gewiß künstlich ausgekramt. Der Bediente bedeutete mir, daß ich die Füße auf dem Saale rein abtreten sollte, obgleich der Boden äusserst schmutzig aussah. Er öfnete mir sodann die Thür eines Vorzimmers, in welchem auf einer alten goldledernen Tapete viel Familienportraitte mit Ordensbändern, wie deren auch heut zu Tage mancher Narr kauft, und mancher Kluge aus Politik annehmen muß, hiengen. Es war hier nicht eingeheitzt, doch stund ein ungeheurer Ofen, auf welchem adeliche
Der Bediente schlich durch eine Tapetenthür in der gnädigen Frau Cabinet, und meldete mich. Ein alter, unförmlich dicker grauer Hund, von der Art, welche man Spione nennt, bellte mir entgegen, als man mich einließ, und stritt mit mir um den Vortrag. Die Dame kam aus ihrem Schlafzimmer, und setzte sich sogleich auf ein Canapee, warf den Kopf zurück, befahl ihrem Hunde Stillschweigen, und fragte: »Was ist zu Seinen Diensten, Musjö?« Hierauf legte sie ein Zeichen in ein auf einem Tische vor ihr aufgeschlagenes Gebethbuch, schlug es zu, und irrte mit ihrem unsichern Blicke auf meiner Figur herum.
»Ich weiß wohl, daß mein Fräulein Niece ein ridicüles Attaschement zu einem jungen Menschen gefaßt hat, mit dem ihr Bruder auf Universitäten, wo man nicht immer choisiren kann, sondern Leute von allerley Extraction um sich sehen muß, in Bekanntschaft gerathen ist. Das wird wohl derselbe sogenannte junge Cavalier seyn, von dem der Herr redet. Ich höre aber, daß niemand recht weiß, wo dieser Pursche eigentlich her ist, ob er von Familie ist, und ob er Vermögen hat. Sollte man es denken, Mon Dieu! Er muß dem Fräulein weiß gemacht haben, als wenn er von Familie wäre. Denn sonst hätte sie gewiß nicht einmal daran gedacht. Ich habe aus Commiseration gegen das arme Kind, sie an einen sichern Ort bringen lassen, um da zur Raison zu kommen, und bethe täglich für sie, daß sie der Himmel stärken wolle, damit sie dem bösen Feinde widerstehe, und ihrer Familie Ehre mache; denn ich habe eine Partie für sie, und sie wird auch die
Ich hatte kaum Fassung genug das beleidigende Gewäsche anzuhören; Auch sagte ich der Dame einige sehr beissende Dinge über ihre Art sich auszudrücken, über die geerbten Vorzüge des Adels, über des Herrn von Hohenau Character u.s.w. Nach einigem Hin- und Herreden, in welchem sie oft wiederholte, daß sie von dem armen Carl nichts wisse, und mir den Aufenthalt des Fräuleins zu entdecken nicht für nöthig halte,
Nun, mein theuerster Herr? Was soll ich jetzt thun? Der Beschreibung nach müßte ich glauben, daß dies der Herr von Hohenau gewesen ist – Was kann ich also bessers thun, als ihm nachreisen? – Aber was will er in Eisleben? Zu welchem Zwecke? Die ganze Begebenheit ist mir ein unauflösliches Räthsel. Ich weiß nicht recht wozu ich mich entschliesse – Eisleben bringt mich zugleich näher nach Dresden, und wo soll ich ihn sonst suchen? – Ja! ich will hin.
Hier übernachte ich, und da ich auf allen Posten genaue Nachforschung angestellt habe; so bestättigt sich meine Hofnung, daß ich ihn finden werde, und daß Er es war, der mit der Post nach Eisleben gereiset ist – Gott, mögte es wahr seyn! Gern reisete ich noch heute ab, aber ich bin zu müde.
Wissen Sie denn auch, mein gnädiger Herr! daß ich an dem Orte, wo ich jetzt bin, manche vergnügte Stunde verlebt habe? Ich hatte diesen Abend eine rührende Scene, die
Hier besaß der Herr von P ..... ein Landgut; Er selbst aber war Hofrath in W ...... Ein lieber, sanfter Mann, nur etwas zu schwach, zu sinnlich. Er war mein Freund – Mögte der Himmel ihm jetzt fröhlige Tage schenken! – Aber er war nicht gemacht, um in dem Creise, den ihm das Schicksal angewiesen hatte glücklich zu seyn. Er verstand nicht die Kunst mit dem Genuße gut Rath zu halten, zu wirthschaften. Jede kleine Freude machte er zu einem Theil seines Wesens, und wer sie ihm raubte, der nahm ihm einen Theil seiner Existenz. Er liebte die schönen Künste, den sanften Umgang der Musen, und vergaß an der Seite eines holden Mädgens alles Ungemach des Lebens, aber auch alles, was man unterdessen nützlichers für die Welt thun könnte als scherzen und küssen. Folglich war er kein fleißiger Hofrath, aber der beste Anordner geselliger déjeûné dansant eine Seßion zu versäumen. – Kurz! hier glückte es auch nicht, und unterdessen
Ein Mann aber, der an viel zusammengesetztere Freuden gewöhnt ist, als welche der Aufenthalt in einem Landstädtgen gewähren kann, wird schwerlich je glücklich auf dem Lande seyn. Ich war einst acht Tage lang bey ihm, als ich nach Berlin gieng
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und fand ihn in einem Circul von Bauerknaben, die er vom Pfluge weg an die Bratsche oder Baßgeige berufen hatte.
Diese Lebensart wurde ihm nun bald zu einförmig. Er reisete auf die Nachbarschaft umher, verzehrte viel Geld, kam immer tiefer in Schulden, und mußte endlich seinen Gläubigern entfliehen, und sein Landgut, eine alte würdige Mutter und den Ruf eines
Der Minister war unterdessen in Ungnade gefallen. Ich glaube, er hatte es verdient, aber ich nehme nicht gern Partey gegen den Gedrückten, und rede nicht gern wieder jemand, der sich weder rächen noch vertheydigen kann. Genug, der Minister hatte, schuldig oder unschuldig, seinen Abschied bekommen, und das Gut des Herrn von P .... gekauft, wo er jetzt gewiß nicht glücklicher lebt, als der vorige Besitzer, weil sich hier weder Finanzplane, noch Commödienplane ausführen lassen. Doch ist nun das Haus angepinselt, der Garten verschönert worden; Er leidet also, wie es scheint, wenigstens keinen Mangel, und könnte, wenn er weise wäre, zufrieden seyn, indeß P .... in der Welt, Gott weiß wo herumirrt.
Am Ende des Flecken, nicht weit von meinem Gasthofe, ist ein Haus, wo immer ein
Der Anblick rührte mich; Ich dachte, ich wollte den Degen an mich kaufen; Aber doch entschloß ich mich anders. In meinen Händen, glaubte ich, wäre er weniger merkwürdig; Hier kann er noch lange ein Monument der Vergänglichkeit menschlicher Hoheit und Freude seyn. Vielleicht wird ein anderer Freund des armen P .... der hier durchreiset, dieselbe Ueberraschung haben, empfinden was ich empfand; und wenn der Degen ganz abgenutzt und unbrauchbar geworden seyn wird; wird auch vielleicht der gute P ... nicht mehr auf den Beinen seyn, oder glücklichere Umstände werden das Andenken seines erlittenen Ungemachs aus seiner Seele vertilgt haben.
Meine süßen Hofnungen sind leider! verschwunden; der Herr von Hohenau ist nicht hier, und der Jüngling, der ihm gleichen sollte, ist – rathen Sie, theuerster Herr! – ist des Herrn von Wallitz unehliger Sohn – Doch ich will alles ordentlich erzählen.
Als ich ankam, war mein erster Weg in das Posthaus – Ich fragte nach, man besann sich, erkundigte sich, und ich erfuhr, daß der junge Mensch, von dem ich redete, würklich noch in Eisleben war. Die Stadt ist klein, und bald ausgefragt; Ich fand auf dem Markte, ohnfern der Apotheke das Haus – Mein Herz schlug voll freudiger Hofnung – Nachdem ich nun den Wirth
Ich trat also in das Zimmer, und sah nun bald, daß hier nicht war, was ich suchte. Ein Jüngling von edlen Gesichtszügen saß vor dem Bette einer alten Frau, und hatte derselben, wie es schien, etwas vorgelesen, denn ich hörte noch den Laut der letzten Worte, und er hielt das Buch in der Hand, stand auf, als ich kam, und gieng mir freundlich entgegen.
»Ich habe mich geirrt« sagte ich, und trat ein Paar Schritte zurück. »Verzeyhen Sie, ich glaubte jemand, den ich kenne,
»Ich weiß es, Sie sind mit der Post hier angekommen« sagte ich, »und das ist eben die Veranlassung die mich hierher führt. Es thut mir leid, daß ich Sie beunruhigt habe, und noch mehr, daß ich Sie bey einem Krankenbette finde. Ist Ihre Frau Mutter schon lange unpaß?«
Wir waren nun bis an die Treppe gekommen, aber die sanfte Schwermuth des guten Jünglings hatte zu viel Eindruck auf meine Seele gemacht; Ich konnte nicht so weggehn, sondern fühlte etwas, das mich zu ihm zog. Ich bath ihn, seinen Kummer in meinen Busen auszuschütten. »Es kann Ihnen vielleicht Zudringlichkeit scheinen« sagte ich, »aber vielleicht erleichtert es Sie auch, wenn sie einem Menschen, der so sehr bekannt mit aller Art Leiden ist, Ihr Herz öfnen – Kommen Sie! wir wollen unten in ein Zimmer gehn, wo wir allein sind.« Und so gieng ich voraus, und bath den Wirth uns eine Stube zu öfnen. Zugleich ließ ich
Nicht leicht erinnere ich mich mehr aufgelegt gewesen zu seyn, eine recht traurige Geschichte zu hören. Zwar fühlt meine Seele immer eine Art von Wonne, wenn sie einem armen gepreßten Herzen die Last des Kummers mit tragen helfen darf. Es ist so süß, auch da wo man nicht Balsam des Trostes in die Wunde giessen kann, doch ein brüderliches Thränchen darauf zu weinen. Ja! ich weiß es, was es heißt, zu leiden, und so umherzulaufen, nicht klagen zu dürfen, niemand zu finden, der uns versteht, den wir würdig hielten, daß wir auch nur einen Augenblick die Bürde, die uns zur Erde drückt, vor seiner
»Scheuen Sie sich nicht« sagte ich, und schenkte ein, als der Wirth fort war, »scheuen Sie sich nicht! Ich bin ein armer Teufel, und auch nicht sehr beredet zum Troste, aber da ich selbst so viel gelitten habe« – der Jüngling blickte mir wehmüthig in die Augen – »da ich selbst so viel gelitten habe; so giebt es mir Wonne, wenn ich einem leidenden Bruder sagen kann, daß ich in größern Plagen oft unerwartet Trost und Hülfe von oben herab gefunden habe,
Der arme Mensch seufzete tief; Meine Anrede hatte ihn bewegt – Seine Stimme war beklemmt; Er konnte zuerst keinen festen Ton finden; Endlich fieng er an: Hier ist seine Geschichte, die ich, wie Sie denken können, oft durch Fragen unterbrach, als ich hörte, daß Personen, die ich kannte, darinn vorkamen.
»Es mag etwa vierzig Jahre her seyn, daß ein gewisser Herr von Wallitz, welcher Besitzungen in Ostindien hatte, und nur eines Processes wegen mit seinem Sohn 3
, wieder in jenes Land zurückkehrte, seinen Sohn aber hier ließ, damit er in Halle erzogen werden mögte.«
»Als dieser nun die Jünglingsjahre erreicht hatte, wählte er den Militairstand, und wurde Lieutenant in sächsischen Diensten. Meine Mutter war ein armes unschuldiges Bürgermädgen in Dresden. Der Herr von Wallitz suchte Bekanntschaft mit ihr; Er war schön und angenehm; sie gefielen sich, ihr Umgang wurde immer vertrauter; Endlich ließ sie sich, durch das Versprechen geblendet, sie einst öffentlich als seine Gattinn zu erkennen, von ihm verführen, ein festes, unglückliches Band zu knüpfen, das mir vor zwanzig Jahren das Leben gab. Ihre Eltern durften diese
»Mein Vater besuchte sie in der ersten Zeit sehr oft, ließ uns auch keinen Mangel leiden; aber nach und nach kam er seltener, gab weniger zum Unterhalte her, wurde immer kälter, und verschob die priesterliche Trauung, unter allerley Vorwande, von einem Monathe zum andern. Er klagte dabey so oft über die Härte und den Geiz seines Vaters, der ihn ausser Stand setzte; so viel für uns zu thun, als er wünschte, daß meine Mutter großmüthig genug war, gar nichts mehr von ihm anzunehmen, sobald sie merkte, daß es ihm würklich oft an dem nothwendigsten Gelde zu seinem eigenen Unterhalte fehlte. Sie suchte sich durch ihrer Hände Arbeit kümmerlich zu
»Nach und nach linderte doch die Zeit, die beste Trösterinn in Widerwärtigkeiten, ihren heftigen Schmerz. Gute Leute nahmen sich unserer an; dabey arbeitete meine Mutter fleißig, als sie wieder hergestellt war, und wandte alles an, mir eine gute häusliche Erziehung zu geben. Ich fand an einem redlichen Schullehrer in Merseburg einen Beschützer. Er unterwies mich ohnentgeldlich, und brachte mich, durch Hülfe einiger Wohlthäter, so weit, daß ich in Leipzig die Theologie studieren konnte.«
»Unterdessen war das Gerücht von der Wiederkunft meines Vaters zu ihren Ohren gekommen. Er hat Reichthümer mit aus Ostindien gebracht, und ist auch hier in Deutschland durch den glücklichen Ausgang eines Processes in den Besitz eines ansehnlichen Ritterguts gekommen. Meine Mutter schrieb mir also, voll tröstlicher Ahndung, ich sollte zu ihr kommen, und mich zu einer Reise anschicken. Wir sammleten hofnungsvoll das Letzte was wir auftreiben konnten (denn meine bisherigen Wohlthäter hörten auf mir etwas zuzuwenden, sobald der ehrliche Schulmann tod war; –Wie es denn in der Welt geht, wo so wenig Menschen aus Liebe zum Guten Gutes thun.)«
Ein Strom von Thränen unterbrach hier die Rede des Jünglings.
»Fassen Sie Sich, lieber Freund!« sagte ich – »Um des Himmels willen! Ihr Vater wird Sie doch in den Umständen nicht verstoßen haben?«
»Mein Gott! Freylich hat er das« rief der Jüngling. »Ein unwürdiges Allmosen wollte er mir geben, aber ich schlug es aus, und so jagte er mich unter harten Drohungen fort. Von dieser Reise bin ich vorgestern zurückgekommen, und habe meine arme
Ich bath den Jüngling nicht weiter zu reden; Es zerriß mir die Seele – »Unmensch« sagte ich, und sprang vom Stuhle auf, »ja, ich erkenne dich; du bist der Mann, der meinen Wohlthäter aus seinem väterlichen Hause vertrieben hat.« –
Was soll ich Ihnen weiter erzählen? Ich weinte mit dem guten Menschen, sagte ihm, wer ich wäre, und wie manchen frohen Augenblick ich in Urfstädt verlebt hätte, tröstete ihn, und nöthigte ihm eine Kleinigkeit auf, die er endlich annahm, weil ich in ihn drang, und darauf bestand, daß seine Weigerung mich beleidigen würde.
Und nun soll es meine erste Sorge seyn, sobald ich nach Dresden komme, wenn es nur irgend möglich ist, dem armen Jünglinge bessere Aussichten zu eröfnen. Wenn
Aber wo ist nun unser Carl? – Gott wird bey ihm seyn – Ich kann nichts mehr für ihn thun. Morgen reise ich nach Dresden – Dort erwarte ich Ihre Befehle – Mein Herz ist von so mancherley Gefühlen bestürmt; Ich weiß nicht was ich thun, sagen und denken soll.
Leben Sie ruhig und zufrieden, theuerster; bester Herr! Ich bin ewig
Ihr
Mon chèr Ami,
Jetzund muß ich Sie Nachricht geben, wie ich unsre Sachen arrangirt habe. Gott sey gelobt! Alles ist in Ordnung, und meine Niece soll Ihre Gemahlinn werden; Ich habe sie würklich aus ihres Vaters Hause weggebracht.
Ich bath mir's von meinem Herrn Bruder aus, daß er mir seine Tochter anvertrauen mögte. Er consentirte sogleich, und da nahm ich sie denn mit mich.
Ma chère Niece! Ihr müßt jetzo Eure unanständige Paßion gegen den jungen Laffen aufgeben; davor hilft nun einmal nichts. Ich weiß Euch eine bessere Partie, und habe schon mit Eurem Vater geredet. Führt Euch vernünftig auf! Ich gebe Euch Zeit, Euch zu besinnen, und will Euch nicht eher auf meinem Gute sehen, bis ich höre, daß Ihr raisonnabel geworden seyd.«
Dergleichen Vermahnungen hielt ich ihr den ganzen Weg über, und recomandierte ihr christliche Geduld und Gehorsam gegen ihre Familie. Ich sagte ihr, daß der Mann, den ich ihr destinirte, zwar nicht von alter Familie, aber von des Kaisers Majestät nobilitirt und sehr reich sey, auch sie in Betracht der Alliance mit unserer Familie gewiß sauber und fein halten würde. Sie stellte sich aber gar wiederspenstig und opiniatre. Unterdessen waren wir nach Bachstädt gekommen, wohin uns Madam Käserink entgegen
Aprésent, mon chèr Ami, müssen Sie selbst das Beste thun. Der Himmel wird seinen Segen geben. Ich schliesse Sie alle Abend in mein Gebeth ein. Sehen Sie zu, daß Sie Sich bey ihr insinuiren.
Aber ich hoffe denn, daß Sie auch Parole halten, und mich den Wechsel, den Sie von mich in Händen haben, wiedergeben werden; Sintemalen ich für Ihnen sehr viel riskiere.
Die Frau Käserink hat Ordre, nicht zu erlauben, daß das Mädgen an jemand schreibt.
Nun, und so war es denn gut. Ich dachte aber wohl, daß der Amant bald nachgelaufen kommen würde, und dictu factu, als ich hier ankam, war der Maulaffe schon hier. Er
Nunmehro gieng er ins Wirthhaus, und wollte da fragen. Da sind denn immer preussische Werber (die hat ja der böse Feind aller Orten) und da dachte ich: »Holla! da wollen wir den Musjö schon fangen.« Darauf schickte ich meinen Conrad hin, den Sie kennen, den hübschen Menschen, der immer bey unsern Abendandachten ist, und beywohnt, und ließ den Unteroffiicier avertieren. Das war ein durchtriebener Vogel. Der fragte denn den jungen Herrn aus, und that als wenn er ihm Nachricht geben wollte. Enfin, weiß der liebe Himmel, wie er es so listig angefangen hat, kurz! er hat ihn des Nachts mit weggetransportirt.
Es war auch hohe Zeit, denn den andern Morgen kam der Informator, der mit ihm
Ich hoffe, Sie werden Wort halten. Noch eine Bitte habe ich. Ich habe in Beinfeld eine Canzelbekleidung, für die hiesige Kirche bestellt, von grünem Tuch, mit gelben Schnüren. Wollten Sie diese Kleinigkeit wohl bezahlen? Der Fuhrmann Madelieb wird es mitbringen.
Unterdessen wünsche ich gut Glück, und schliesse Ihnen in mein Gebeth ein, die ich verharre,
Ihre
Mein lieber Freund!
Sie haben gethan, was Sie thun konnten. Das Schicksal hat Ihre Mühe und unsre Hofnungen nicht begünstigt; Indessen wird der Himmel Ihren treuen Eifer belohnen.
Gehen Sie getrost nach Dresden – Doch, Sie werden nun schon da seyn, und Ihr Secretairspatent gefunden haben, welches seit vierzehn Tagen ausgefertigt ist.
Der arme Carl! – Es ist unbegreiflich, wo er geblieben ist; Aber wir können nicht mehr thun. Ich werde an Freunde in allen
Vielleicht ist gerade diejenige Erziehung die beste, welche uns das Schicksal giebt. Was helfen nun die Künsteleyen, die schönen Theorien? Ich glaubte nichts versäumt zu haben, das Herz und den Verstand des jungen Menschen zu bilden, und es ist mir doch nicht gelungen, ihn zu einem guten, ruhigen Weltbürger zu machen.
Ein unerwarteter Zufall macht oft alle unsre Predigten zu Maculatur. Glücklich ist das Volk, das keine Erziehungssysteme kennt.
Warum soll sich denn auch ein junger Mann nicht einmal ohne Führer durch die Welt arbeiten? Muß man uns immer am
Umstände formen den Character, Schicksale bessern, Unglück macht milde, Erfahrung weise, Wiederwärtigkeiten stimmen herab, Leiden würkt Geduld, Schwierigkeiten erwecken den Geist, Weltkenntniß macht uns klug –
Wohlan denn! Er arbeite sich durch die Welt. Ich fühle etwas in mir, das mir sagt, er werde noch einst fröhlige Tage erleben.
Seyen Sie glücklich; Ich bin gefaßt und ruhig, und umarme Sie in Gedanken,
O, meine gnädige Frau! Was fange ich arme Person an? Das Fräulein ist mir fortgegangen, weiß der Himmel wohin. Ich habe sie wie meinen Augapfel bewahrt – Aber mir einen solchen Streich zu machen! Gewiß und wahrhaftig! Es kann ihr nicht gut gehn, nun sie das an mir gethan hat.
Ist das erlaubt, wegzulaufen, wie ein gemeines Mädgen, und in dem Augenblicke, daß sie nur aus der Thür gieng? Ist das honett? Ich dachte, »sie wird ja schon wiederkommen« und warte, und warte – Aber fort war sie.
Er fieng an, mit mir französisch zu parlieren. Die Stube wurde oben gekehrt, deswegen waren wir unten. »Ich verstehe kein Französisch« sagte ich, »ich bin eine ehrliche Deutsche« Ja! darauf parlierte er mit dem Fräulein – Gott verzeyhe es ihm! Da müssen Sie es wohl verabredet haben. Es gieng ihnen beyden vom Maule weg, als wenn sie sich zehn Jahr gekannt hätten.
Ich merkte aber gleich Unrath. »Allo!« sagte ich, »Fräulein! Wir wollen auf unser
Wie wir nun so saßen, und bald zu Bette gehen wollten, gieng sie einmal in die Cammer. Ich muß eben ein wenig auf dem Stuhle eingenippt seyn. Denn wie ich mich besinnen konnte, war sie über alle Berge. Der Wirth sagte, sie sey mit dem Kerl in der Cariole fort, und ließe mich noch schön grüßen.
O! ich arme Frau! Was soll ich nun anfangen? Das war als heute vor acht Tagen. Ich gieng gleich den andern Tag zum Amtmann, aber der lachte mir in die Nase, der Spitzbube!
Nun bin ich hierher gekommen – In aller Welt, wer hätte das gedacht? – Allein ich bin unschuldig – Ach! gnädige Frau! zürnen Sie nur nicht auf mich. Lassen
Nun, mein verehrungswürdigster Freund! Wie geht es Ihnen denn? Haben Sie noch einige Güte für den leichtsinnigen Menschen, der Sie aber immer so herzlich liebt, und ewig lieben wird?
Wüßten Sie nur, wie oft mein Herz bey Ihnen ist, wie sehnlichst ich wünsche, Sie zufrieden zu sehn! Beruhigen Sie Sich doch, bester Mann! Was ist am Ende alles Unglück in der Welt? Ein Mann, der so viel Schätze in sich selbst besitzt, kann sich leicht über den Verlust des elenden Reichthums hinwegsetzen. Es ist wahr, Ihre edle Seele
Auch weiß ich, daß der Verlust der Glücksgüter das geringste Ihrer Leiden ausmacht. Aber Ihr armer Pflegesohn! – Nun! und hat der nicht auch einen Vater im Himmel, der für ihn sorgt? Wer weiß, zu welchem unvermutheten Glücke für den Rest seines Lebens die Erfahrungen, welche er jetzt einsammlet, ihm nützen?
Lassen Sie uns einen Augenblick alles Unangenehme vergessen! Ich will Ihnen etwas vorplaudern, das Ihnen Vergnügen machen soll.
Wissen Sie denn, daß ich mich in den heiligen Ehestand begeben will? Mein Oncle drang schon lange darauf, daß ich auch an
Eleasar und Rebecca wurden beym Brunnen in einer Stunde ihres Handels einig. Das war voreilig, wenn ich sagen darf; Glauben Sie ja nicht, daß ich so gehandelt habe. Ich kenne das Fräulein von M ...., des Oberamtmanns jüngste Tochter, schon lange. Wären meine Umstände früher in der Lage gewesen, darinn sie jetzt sind, ich hätte schon vor drey Jahren um ihre Hand angehalten.
Mit einem Worte! Ich darf mit Zuversicht hoffen, geliebt und glücklich zu seyn; Weil es aber doch eine langweilige Sache für einen Dritten ist, von dem Liebhaber die Apologie seines Mädgens zu hören; so will
Nachdem ich die Beystimmung aller übrigen Verwandten meiner künftigen Frau gewonnen hatte; so kam es darauf an, einen alten Oncle von ihr für mich einzunehmen, der an dem Hofe des kleinen Fürsten von .... lebt, und ein ganz sonderbares Original von Manne ist. Er ist reich; meine Braut hat einst viel von ihm zu erwarten, und obgleich es sonst ganz ausser meinem Character ist, dem elenden Gelde nachzulaufen; so dachte ich doch: »es ist der Mühe werth, den alten Sünder zu gewinnen, den Podagra und Geiz bald zu seinen Vätern versammlen werden.«
Ich reisete also hin, ausgerüstet mit allerley Nachrichten von der Denkungsart des Mannes, den ich zu behandeln hatte.
Es war zu spät als ich ankam, um sogleich zu ihm zu gehn; Es war etwa sieben
Er brachte mir ein Andachtsbuch, geschrieben von dem Herrn Avenarius in Schmalkalden – Ein originelles Werk in seiner Art! Die Leute, welche die in dieser Sammlung enthaltenen Gesänge, Predigten und Gebethe gemacht hatten, führten lauter sonderbare Namen, als Steuerlein, Pfefferkorn u.s.f. Voran stand allemal der Lebenslauf des Verfassers eines solchen Gesanges, und da fand es sich, daß sie mehrentheils Informatorn gewesen waren, deren höchst unwichtige Begebenheiten in dem wichtigsten Styl geschrieben waren. An typographischer Schönheit fehlte es auch nicht, denn alle Anfangsbuchstaben waren mit herrlichen Verzierungen versehen. Da sahe man ein I
Ich legte das Buch bald auf die Seite, fand ein Blatt vom Reichspostreuter, ersah daraus mit Vergnügen: wo der König von Neapolis zu Mittag gespeiset hatte; wie der König von Frankreich die armen Haasen und Hirsche bekriegt; durch welche Städte der russische Courier, von dessen Geschäften man nichts wisse, und der vielleicht an irgend jemand ein Paar Armbänder überbringt, passirt sey; in welcher fürstlichen Menagerie eine Leopardinn trächtig ist; für welche schwangere Fürstinn die Kirchengebethe geschehen; ob ein Prinz auf Reisen gegangen; ob irgendwo ein Zwerg oder Zwitter zu sehen ist; was man in Hamburg von den Verhältnissen der bourbonischen Höfe urtheilt – Und während des Lesens kam denn nach und nach meine Gesellschaft.
Man sprach anfangs wenig; Als man aber sich mit Speise und Trank gelabt hatte, wurde die Unterredung lebhafter.
Mich kannte man nicht, und lästerte daher oft über meinen künftigen Oncle. Man sagte: er trinke aus Geiz Kräuterthee, weil derselbe wohlfeiler wäre. Dabey glaube er immer, er sey krank, und habe neulich den Doctor eilig des Nachts aus dem Bette holen lassen, und dieser, weil er glaubte es sey Gefahr da, lief geschwind im Schlafrocke hin. Es fand sich aber, daß das Uebel sehr gering war, und daß der alte gnädige Herr es sehr übel aufnahmen, daß der Doctor in einer so unehrerbiethigen Kleidung erschien. Der Arzt, der ein schlauer Mann ist, merkte sich
Der Apotheker kam hier in sein Fach. Er sprach von Medicamenten, welche bey ihm verschrieben würden. Als er die Confectio al Kermis nannte, glaubte der alte Officier, es sey Confect zur Kirmiß, welcher Misverstand dem Herrn Amtmann gute Laune machte. Bald nachher aber war von Comödien die Rede, und da sagte der Amtmann: das sey eine gute Motion, worüber denn wieder der Officier lachte. Der Amtmann verließ früh die Gesellschaft.
Da gieng es denn über den Fürsten her. Man erzählte unter andern ein Stückgen von ihm, das auch der Mühe des Nacherzählens werth ist. Dieser Sultan hatte nemlich, bey der Niederkunft seiner Gemahlinn, das ganze Ländgen zu Gevatter gebethen. Unterdessen
Der Kaufmann sprach beständig von Pferden; Ich glaubte er handelte damit, erfuhr aber, daß er nicht ein einziges im Stalle hätte. – Wunderbar genug, dachte ich, daß der Mensch zuweilen seine Fantasie mit Gegenständen nährt, die er nicht besitzt, oft nicht besitzen kann, und wovon ihm also die Kenntniß völlig unnütz ist. Wie mancher mischt sich auf diese Art in
Endlich verlohr sich nach und nach die Gesellschaft, bis auf den mystischen Mann, der beynahe keinen Laut von sich gegeben hatte. Es war eine abgezehrte, blasse, kränkliche Figur, etwa vierzig Jahr alt, aber dem ersten flüchtigen Anblicke nach hätte man ihm zehn Jahr mehr gegeben. Er hatte dünne graue Haare, hinten in einen kleinen Zopf gesammlet, eine Art von Tonsur, steckte in einem sehr abgetragenen braunen Rocke mit gelben Knöpfen, und hatte sehr schmutzige Hände, als Einer, der vielerley angreift.
Er hatte mich vom Anfang an auf dem Korn gehabt; es schien, als mögte er es mit mir allein zu thun haben. Weil ich nun nicht gern jemandes Hofnung täusche; so blieb ich gegen ihm über sitzen, als die Andern fort waren.
Kaum war der Letzte hinausgegangen, als er näher an den Tisch rückte, und ausrief: »Mein Gott! mit welchen Kleinigkeiten beschäftigen sich diese Leute!«
»Ja wohl!« sagte ich. »Aber es ist nun einmal so durch alle Stände im menschlichen Leben, daß jeder das für groß hält, was Beziehung auf seine kleine eingeschränkte Sphäre hat, indeß er alles übrige, was Andern wichtig scheint, verachtet.«
»Das ist wohl wahr,« erwiederte er, und darüber wird die einzige Wissenschaft,
»Also,« unterbrach ich ihn, »sind Sie vermuthlich ein Adept?«
»Mein Herr und Bruder!« sagte er mit der lächerlichsten Würde, »Unser Wissen ist Stückwerk, und alle Erkenntniß kömmt von oben herab; Aber was meine Augen gesehen, und diese Hände gefördert haben, das ist in meinem Herzen verschlossen, und nur einem treuen Mitverbundenen darf ich es offenbahren, wie groß die Herrlichkeit an mir gewesen ist. Sehen Sie nicht auf diesen Rock! Ach du lieber Gott! der Weise ist darüber hinaus, und meine Umstände sind jetzt leider so, daß ich nicht Gelegenheit haben kann, zu arbeiten, sonst wollte
»Nein!« antwortete ich trocken, und stand auf, denn ich merkte nun wohl, mit wem ich es zu thun hatte – Aber er erhob sich auch von seinem Stuhle und trat vor mir hin: »Mein Herr!« sprach er, »Sie haben ein menschenfreundliches Herz. Können Sie mir nicht mit einer Kleinigkeit beystehn? Vielleicht bin ich im Stande, Ihnen einst hunderttausendfältig wiederzugeben, was Sie heute an mir thun, denn meine Zeit ist noch nicht gekommen; doch kann ich Ihnen ein Arcanum für Ihre 1
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Ich ließ ihn nicht ausreden, griff in die Tasche, gab dem Narren etwas Geld, aber keine Vermahnung (denn solche Leute sind nicht zu curiren). Ich verbath seine Arzeney, ließ ihn stehn, und gieng zu Bette.
Den folgenden Morgen also rüstete ich mich aus, dem alten Herrn Oncle meine Aufwartung zu machen. Ich ließ mich, sobald
Ich bin glücklich in meinem Vorhaben gewesen; soviel will ich Ihnen heute nur noch sagen. Die Art aber, wie ich es angriff, und die übrigen Umstände meiner Reisebegebenheiten, behalte ich mir vor, Ihnen in meinem nächsten Briefe zu erzählen.
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Es soll mich innigst freuen, wenn Ihnen mein Geplaudere einige heitere Augenblicke macht. Noch einmal! muntern Sie sich auf, würdigster Freund! und zweifeln nie an der treuesten Freundschaft
Ihres
Ich halte es für meine Pflicht, Ew. Hochwohlgebohren, obgleich ich nicht die Ehre habe, Dieselben persönlich zu kennen, eine Nachricht zu geben, welche freylich Ihr gefühlvolles, leidendes Herz noch mehr beunruhigen wird, vielleicht aber auch dazu dienen kann, Sie näher auf die Spur von des Herrn von Hohenau, meines ehemaligen Freundes, Aufenthalt zu führen.
So unglaublich, so sehr ausser dem Character meiner Schwester diese Begebenheit auch ist; so können wir doch leider! nicht an
Versäumen Ew. Hochwohlgebohren doch nicht, ich bitte Sie inständigst, den Flüchtlingen nachzuspüren; ich werde morgen selbst nach Donnergrund und weiter reisen.
Mein Eltern überhäufen mich mit Vorwürfen, geben mir und meiner Freundschaft zu dem Herrn von Hohenau alle Schuld ihres jetzigen Unglücks, und ich bekenne es, bald reuet es mich, mein Herz mit einem so leichtsinnigen Menschen getheilt zu haben. Welch ein unkluger Schritt! Was wollen diese jungen Leute nun anfangen?
Ew. Hochwohlgebohren
Ich schrieb Ihnen, mein theuerster Wohlthäter! in meinem letzten Briefe,
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wie sehr ich in allem Betracht Ursache habe von dem Zustande zufrieden zu seyn, in welchen ich jetzt – Dank sey es Ihren großmüthigen Bemühungen! – versetzt worden. Ich bin nun würklich schon so zu Hause in den Geschäften, welche mir meine angetretene Bedienung vorschreibt, als wenn ich viel Jahre darinn gearbeitet hätte.
Ich sage dies nicht zum Lobe meiner Geschicklichkeit, denn es ist in der That unglaublich,
Wenn daher nur jeder wüßte, zu welcher Laufbahn ihn das Schicksal bestimmt hat; so glaube ich, man könnte auf Universitäten eine Menge unnützer Dinge zur Seite liegen lassen, die viel Zeit und Geld zu erlernen kosten, und uns oft in der Folge zu gar nichts nützen. Wie mancher studiert drey Jahre lang die römischen Rechte, und ist nachher, mit einem weitschweifigen juristischen Styl, und einer völligen Unwissenheit von dem Zustande des Landes und der Landwirthschaft, der elendeste Rath bey dem Cammercollegio, und der Gottesgelehrte, der voll orientalischer Sprachkenntniß steckt, predigt, wenn er Landpriester wird, den Bauern unverständliches Zeug vor.
Ein anders ist es mit Wissenschaften, wo Erfahrung auf Erfahrung gegründet werden muß; aber da, wo es blos auf Scharfsinn und intellectuelle Kraft ankömmt, da sollte man dem Menschen das Originelle nicht nehmen. Denn eben daher kömmt es, daß wir
Nun etwas von meiner kleinen häuslichen Einrichtung! Ich bewohne ein Paar recht artige Zimmer am Markte, in der Neustadt. Vor mir sehe ich die vergoldete Bildsäule des Königs August II., welche der Stadt den Hintern zeigt, und eine lange Allee von Lindenbäumen, welche nach dem schwarzen Thore zu führt. Zuweilen mache ich denn so meine Betrachtungen, wie viel mehr sich ein Fürst verewigt, wenn er, so wie der große Friedrich, denen Männern, welche dem Vaterlande treue, wichtige Dienste geleistet haben, Ehrensäulen errichtet, als wenn er bey seinen Lebzeiten, aus Furcht, man
Sie wissen, mein gnädiger Herr! daß ich den jungen Wallitz, sobald seine Mutter zur Erde bestattet war, hierher geholt habe. Weil ich nun nicht Platz genug in meiner Wohnung hatte, so miethete ich ihm ein Zimmer in einem Hause ohnfern dem Jägerhofe. Er scheint zufrieden mit seinem Zustande, und ist auch glücklich genug hie und da, durch Unterweisung und durch literarische Arbeiten für die leipziger Buchhändler, etwas zu erwerben. Also, hoffe ich, soll es schon gut gehn.
Mein Präsident läßt mir sagen, ich sollte in einer Stunde zu ihm kommen. Er ist ein würdiger Mann, der sich allgemeine Ehrerbiethung und wahres Zutrauen zu erwerben weiß. Es giebt Leute, die man nur bewundern kann, ohne sie zu lieben, und andre, an welche uns eine geheime Sympathie
Vor zehn Tagen war ich in Hernhut, und sahe die Einrichtung der Brüdergemeine. Ich habe immer eine große Achtung für dies stille, gute Völkgen gehabt. Man sage was man will; so ist es gewiß, daß sie das Mittel gefunden haben, unter sich ruhig und glücklich zu leben, und das Interesse der Einzelnen an das Interesse des Ganzen zu binden. Der elende Unterschied der Stände, das Uebergewicht des Reichthums, der Jammer der Armuth, der Luxus – Alle diese traurigenesprit public in unsern Seelen verlöschen.
Es wäre lächerlich zu behaupten, es gäbe deswegen keine schlechte Menschen unter ihnen; Aber das ist doch zuverläßig wahr, daß ihre innere Einrichtung sie davor sichert, daß die Verirrungen einzelner Menschen nicht den Plan im Ganzen zerrütten können.
Zinzendorf war gewiß ein großer Mann, und vielleicht würde man dies noch lebhafter fühlen, wenn man seine geheimen Plane, oder wie er demnächst mit seinem Häuflein auf die übrige Welt würken wollte, genauer wüßte.
Es ist mir unbekannt, was für Köpfe jetzt an der Spitze des Systems sind; aber
Wir arbeiten leider! täglich mehr daran, alle Bande aufzulösen, und in weniger als hundert Jahren werden wir die schrecklichen Folgen davon fühlen. Verstünden nur die Regenten ihr Handwerk! Mein Gott! man kann ja mit den Menschen machen, was man will. Unmerkliche, kleine, sichre Anstalten können ungeheure Würkungen hervorbringen – Eine Uniform, eine Nationalkleidung, ein allgemeines Nahrungsmittel, ein nomen collectivum, flössen einen esprit de corps ein, und binden Tausende, daß sie thun, was sie nicht thun würden, wenn nicht diese kleinen Gleichförmigkeiten unter ihnen herrschten; und ich bin sehr überzeugt, daß unsre künstlichen Armeen viel öfterer in der Schlacht
Es freuet mich innigst zu hören, daß nun auch unser redlicher Commerzierrath Müller Hofnung hat, in dänische Dienste zu kommen – Ach bester Herr! Sie sind unser Aller Wohlthäter, der Schöpfer unsres Glücks – Wie können wir Ihnen je genug danken! Doch, der bessere Lohn ist in Ihrem Herzen. Hätten wir nur den armen Carl wieder! Wie zufrieden wollten wir seyn!
Ich küsse Ihnen die Hände
Herzlichen Dank für Ihren lieben Brief. Er hat mir in allem Betracht Vergnügen erweckt, vorzüglich aber, weil er die Nachricht enthielt, daß Sie gesund und zufrieden mit Ihrem Zustande sind.
Was Sie an dem jungen Wallitz thun, wird Ihnen der Himmel und Ihr Herz vergelten – O! wenn ich je wieder in solche Umstände käme, (und wer weiß? Mein Proceß ist ja noch nicht zu Ende) daß ich diesem jungen Menschen, dem Sohne meines Verfolgers, glücklichere Tage machen könnte! – – Freund! solch' eine Rache wäre doch wohl
Ueberhaupt glauben wir oft am uneigennützigsten zu handeln, wenn wir es am wenigsten sind. Wir betrügen uns dann selbst, wenn wir so im Stillen eine edle That vollführen, indem doch eine andre Leidenschaft im Hinterhalte Acht giebt, und ein Protocoll darüber abfaßt; Wir stellen uns aber, als merkten wir das nicht. Nichts ist wahre Tugend, als das, was aus der reinen Absicht ausgeübt wird, die Vollkommenheit des Ganzen zu befördern – Aber wie wenig solcher Handlungen giebt es?
Doch darüber wollen wir nicht zanken. Genug! ich mögte dem jungen Wallitz gern dienen, wenn ich könnte; Ihm wäre auch im Grunde eben so viel damit geholfen, ob
Wir leben noch auf dem alten Fuße, der ehrliche Müller und ich. Morgens gehen wir zuweilen, wenn es heiteres Wetter ist, ein bisgen umher, und ergötzen uns an manchen schönen Gegenständen, welche denen, die an dieses Schauspiel gewöhnt sind, und ihre Geschäfte im Kopfe haben, entwischen.
Diesen Morgen haben wir das Tollhaus besehen – Ein Anblick, der jedem Menschenfreunde höchst wichtig seyn muß. Allein ich habe noch sehr viel an dergleichen Anstalten auszusetzen. Man wendet zu wenig Sorgfalt auf die Herstellung solcher Leute.
divide, & impera! zu verfahren. Wer dies kann, den nennen wir im gemeinen Leben einen klugen und guten Menschen.
Bey den eingesperrten Narren aber ist mehrentheils Eine Leidenschaft so mächtig geworden, als etwa die Maitresse über den schwachen Fürsten, oder gar zwey Leidenschaften, die sich gut miteinander vertragen, wie wenn der Cammerdiener sich mit in die Regierung mischt. Sie machen dann den armen Menschen, den sie beherrschen, taub gegen alle andre Eindrücke.
Freuen Sie Sich, mein Lieber! da ist ein Brief von unserm Carl – Lesen Sie ihn selbst!
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Sagte ich es nicht, daß ihn die Vorsicht gut leiten würde? Er ist Officier, und – O unbegreifliches Schicksal! Er hat sein Glück dem Manne zu danken, um dessentwillen Sie einst so viel gelitten haben.
Leben Sie wohl, und freuen Sich mit uns. Ich bin ewig
Darf ich es noch wagen, vor Ihnen, mein theuerster, bester Wohlthäter und Vater! mit diesen Zeilen in der Hand, zu treten, und Sie reuevoll um Verzeihung der Unruhe, des Kummers zu bitten, den ich gewiß Ihrem zärtlichen Herzen werde verursacht haben? –
Entschuldigen kann ich meine Thorheit nicht. Aber Sie kennen ja das Wesen der Liebe, und wissen, wie schwer es einem jungen Menschen von meiner Lebhaftigkeit ist, die kalte Vernunft zu hören, wenn heftige Leidenschaft sich der Seele bemeistert hat.
Doch fühle ich mit innigster Freude, daß ich Sie nicht Ihrer Wohlthaten wegen, nein! daß ich den herrlichen, ausserordentlichen, edlen Mann in Ihnen verehre, den Mann, der so, mit allgemeiner treuer Liebe, Alles umfaßt, zu dem man sich hingezogen fühlt, ohne zu wissen wie. – Ja! ich bin so stolz, zu glauben, Sie könnten Sich nicht von mir lossagen, und Sie wollten es auch nicht. Und
Ich lief nach dem Landgute zu, wo ich meine Charlotte noch zu finden glaubte. Dort wollte ich die Knie ihrer Eltern umfassen, und sie beschwören, uns nicht zu trennen, uns nicht das Leben zu nehmen. Aber sie war schon mit ihrer Tante fortgereiset, und nun glaubte ich keine Zeit verliehren zu dürfen, ihr nachzueilen, um sie, wo möglich, den Händen dieses schändlichen Weibes zu entreissen.
Der Schulmeister (der einzige Mensch, den ich dort sprach) mußte mir den Weg beschreiben. Ich fragte von Dorf zu Dorf; Aber schon gegen die Mitte der Reise verlohr ich die Spur; Nirgends weiter hatte man die Kutsche gesehen. Man machte mich irre.
Was war nun zu thun? Traurig und unentschlossen stand ich da im Wirthshause. Es waren preußische Werber
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mit einigen Recruten in demselben Zimmer, und ausserdem saß noch ein Franzose in der Ecke.
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Dieser nun näherte sich mir; Er merkte, daß ich in einem unruhigen Gemüthszustande war, und suchte jetzt auf die verbindlichste Art mein Zutrauen zu gewinnen.
Das theilnehmende Mitleiden, welches aus den Reden des Fremden hervorzuleuchten schien, nahm mich armen Verlassenen bald
Kurz! er winkte mir, mit ihm zu kommen. Wir giengen in ein anderes Zimmer, und nun trug er mir folgendes vor: Er hatte nemlich,
Ein Plan, der so einfach, so großmüthig und natürlich schien, mußte mir nothwendig gefallen. Ich dankte dem Franzosen mit allen Merkmalen der wärmsten Freude, und es kam nun nur darauf an, die Werber zu gewinnen, daß sie mir erlaubten, mit ihnen zu gehen.
Wir riefen also einen von ihnen heraus. Dieser Bösewicht ließ sich lange bitten; Endlich willigte er in unsere Absichten ein; Ich zog Uniform an, der Franzose fuhr mit der Post fort, nachdem ich ihm vorher den verlangten Brief an meine Freundinn gegen hatte, und ich marschirte um Mitternacht mit den Soldaten ab.
Keine Beschwerlichkeit war mir unterwegens zu groß; Schlechte Kost, theure Zehrung,
In der dritten Woche, als wir eines Tages in einem Städtgen einkehrten, kam (vermuthlich war das ein abgeredetes Spiel) ein Mann, und sah' uns Alle sehr aufmerksam ins Gesicht. Er verweilte sich lange bey mir, las eine Beschreibung meiner Figur her, die auf ein Haar zu meiner Person paßte, und darauf forderte er Rechenschaft von dem Unterofficier, ob und wie er mich angeworben hätte.
Der schelmische Unterofficier rief mich auf die Seite: »Was ist hier zu thun?« sagte er, »Man wird Ihnen wohl einen Steckbrief nachgeschickt haben. Jetzt werden Sie mich in eine schöne Verlegenheit setzen. Wir sind hier in fremder Herrn Lande. Gewiß wird Ihr Papa, oder wen Sie sonst
Was blieb mir zu thun übrig? Ich sah mich schon in Gedanken den Händen der Justiz überliefert, und Charlotten in Baruth, in der traurigsten Lage, allein, verlassen, vergebens sich nach mir sehnend. Der Vorschlag des Werbers, dem es gar nicht darum zu thun schien, mich bey sich zu behalten, behauptete also die Oberhand, und ich erklärte dem Fremden: ich sey freywillig zum Soldaten angeworben worden, welches derselbe
Von diesem Tage an begegnete man mir vollkommen wie einem Recruten. Denken Sie an, bester Vater! wie mir dabey zu Muthe war. – Aber wer wollte sich Meiner annehmen? Ich bath, drohete, sprach von vornehmen Verwandten, von meinem Stande; Aber man spottete nur über dies alles. Der Unterofficier nahm auch einen ganz andern Weg als nach Baruth, und sobald wir im Preußischen waren, überlieferte er mich einem Officier, dem er mit der größten Frechheit erzählte: Er habe mich angeworben; Und als ich Himmel und Erde zu Zeugen des Betrugs anrief, zeigte mir der Hauptmann, zu meiner größten Verwunderung, das Protocoll der Aussage, so ich in dem Städtgen gethan hatte, von einem Notar unterschrieben. Ich mußte also nebst den übrigen Recruten vier Wochen hier bleiben.
Die Recruten wurden endlich getheilt. Der Unterofficier, der mich so schändlich betrogen hatte, gieng wieder zurück, und ein anderer führte den Transport, wobey ich war, nach Potsdam. Daselbst kamen wir des Abends an, und am folgenden Morgen sollten wir dem Obrist vorgeführt werden, dessen Regiment zwar in Berlin liegt, der aber jetzt bey dem Könige war.
Ich erwartete sehnlichst diesen Augenblick, denn mein Herz ahndete, daß dieser würdige Mann nicht taub bey meinen Klagen seyn,
Jetzt erzählte ich ihm, in der ungekünstelten Sprache des Herzens, alle meine Unglücksfälle. Er hörte mir mit wahrer Theilnehmung zu, und schien gerührt, für mich eingenommen, und bereit, mir zu helfen. Er fragte nach jedem kleinen Umstande, und ich mußte ihm oft die Nahmen der Oerter und Personen wiederholen.
Endlich – O, bester Vater! Wer hätte das denken sollen? – Als er recht nach des würdigen Meyers Geschichte geforscht hatte; fand sich's, daß dieser liebe Obrist grade 3
derselbe Adjudant, welcher wegen muthmaßlicher Vertraulichkeit mit der Fürstinn in ..... gefangen gesetzt wurde.
Nun schien er doppeltes Interesse für meine Person zu fassen. Es war keine Rede mehr davon, daß ich sein Recrute wäre; Ich mußte den Soldatenrock wieder ausziehen, und sein ganzes Herz war beschäftigt, mir einen Plan für mein folgendes Leben zu machen.
Allein ich konnte eher an nichts denken, bis ich mich von dem Schicksal meiner Charlotte versichert hatte. Der erste Gebrauch, den ich daher von meiner Freyheit machte, war, daß ich meinem edlen Obristen den Wunsch äusserte, nach Baruth zu reiten.
Ich kehrte also traurig zurück. Aber nun fieng mein vortreflicher Obrist an, mir Vorstellungen wegen meiner künftigen Plane zu machen: »Es ist eine ganz gute Sache um die Liebe,« sagte er, »und ich kenne diese Leidenschaft vielleicht so gut als Sie. Allein Sie haben nun selbst gefühlt, daß sie auch ihre Bitterkeiten hat, und am Ende – Gestehen Sie es mir! – wäre es doch lächerlich, als ein irrender Ritter, in der Welt umher, einem Mädgen nachzulaufen, ungewiß ob man sie finden, ob man sie besitzen,
Er führte so viel Gründe an, diesen gütigen Antrag zu unterstützen, daß ich ganz verblendet und undankbar hätte seyn müssen, wenn ich ihn nicht angenommen hätte. Ich dankte dem würdigen Manne aus der Fülle meines Herzens. Er schlug mich dem Könige vor, und seit wenig Tagen bin ich bey dem Regimente angestellt, und thue würklich schon Dienste.
Nun, theuerster Wohlthäter! So ist denn jetzt mein Zustand besser, als ich es verdient habe – Werden Sie mir nun Ihren väterlichen Schutz dazu, Ihre großmüthige Verzeihung versagen?
Beyliegender Brief meines lieben Cheffs
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wird mein Vorsprecher bey Ihnen seyn, wenn es noch eines andern Vorsprechers, als Ihres eigenen edlen Herzens bedarf, das so gern wohlthut und verzeihet. Zugleich liegt 5
um deren gütige Besorgung ich so kühn bin, Sie zu bitten.
Ach! wie verlangt mich von Ihnen Allen Nachricht zu hören! Ich müßte heucheln, wenn ich sagen wollte, daß meine Seele ruhig sey, so lange ich nicht weiß, was aus meiner Charlotte geworden ist; Aber wenn etwas in der Welt mich vergessen machen kann, daß ich nur bald lebe, indeß ich in dieser Ungewißheit bin; so ist es die Versicherung, daß Sie glücklich sind, und nicht ganz aufgehört haben zu lieben,
Ihren
Mein theuerster Herr!
Unbeschreiblich habe ich mich gefreuet – so gefreuet, als vielleicht noch nie in meinem Leben. Unsern Carl gerettet, und einen längst verlohrengegebenen Freund gesund und glücklich zu wissen; das war mehr, als ich zu hoffen gewagt hätte. Ich will nun ein heiliges Gelübde thun, nie wieder im Unglücke zu verzweifeln, immer zu hoffen, und fest auf die Vorsehung zu bauen, die mit unbegreiflicher Kunst die Knoten unserer Schicksale auflöset, wenn sie auch noch so verwickelt scheinen.
Sie wissen, mein gnädiger Herr! daß, vor etwa fünf Jahren, eine unglückliche Catastrophe uns trennte. Der arme Adjudant wurde gefangen gesetzt, und ich nach Berlin geschickt, wo ich Sie anzutreffen das Glück hatte, und mit Ihnen nach Urfstädt reisete, ohne daß ich wieder etwas von meinem Freunde erfahren konnte. Das gieng auch sehr natürlich zu, denn obgleich er kaum ein halbes Jahr lang gefangen gesessen hat; so wußte er doch hernach nicht, wo er mich, noch ich, wo ich ihn suchen sollte.
Er wurde in seinem Gefängnisse scharf bewacht, durfte sich auch mit niemand, weder mündlich noch schriftlich unterreden, bis der Tod des Fürsten auf einmal der Sache
Er hatte in der Residenz noch einen Freund, der den Zusammenhang seiner Begebenheiten wußte; Ausserdem war die ganze Geschichte ein Geheimniß geblieben. Dieser ehrliche Mann nun verwendete sich für ihn. Der neue Fürst war ein Liebhaber von raren Thieren; Der Mann, der für meinen Freund bath, hatte eine ganz besondere Art von Hünern; Damit machte er dem Landesherrn, zum Behuf seiner Menagerie, ein Geschenk, und dies erleichterte um ein beträchtliches die Loslassung des Gefangenen. Die Hauptsache war aber, daß sich durchaus keine Nachrichten von Verbrechen fanden, die ihm zur Last fallen konnten; Man sagte dem Fürsten: er sey nur eines leichten Dienstfehlers wegen hingesetzt worden; Privatcabalen gegen ihn
Vorher aber erhielt er von dem Fürsten den Abschied als Obristlieutenant; Wie denn überhaupt manche neue Regenten gern, zu Anfang ihrer Regierung, einige Beyspiele ihrer fürstlichen Huld geben, um in den Zeitungsblättern ausposaunt zu werden, und ein vortheilhaftes Licht auf ihre folgende Regierung zu werfen, welches sie aber bald wieder auszulöschen pflegen.
Jetzt bemühete sich sein Vetter, der vom Könige von Preussen, dem er ehemals als Gesandter wichtige Dienste geleistet hat, geliebt wird, ihm eine Laufbahn in dessen Diensten zu eröfnen. Es gelung; Man stellte ihn dem Könige, der wahres Verdienst zu
Wunderbar, wie der Himmel unsre Begebenheiten lenkt, in einander verwebt, Menschen vereinigt, trennt, wieder zusammenbringt – So magisch, daß wenn nur mancher, ohne alle Zusätze, die Geschichte seines Lebens schreiben wollte, wir einen sehr viel verwickeltern und interessantern Roman bekommen würden, als die mehrsten derjenigen sind, wo die Fantasie Histörchen zusammenflickt, denen man die Aengstlichkeit des Erfinders, seinen Leuten Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, ansieht.
Warum schreiben also nicht mehr Menschen, ungeschminkt, die Geschichte ihres Lebens? Kann den Menschen etwas näher angehn, als eine mit Treue und Beobachtungsgeist
Man sollte in dem einfachsten Styl erzählen: »Ich ..... bin in .... gebohren«
Aber, in aller Welt! was mag aus dem Fräulein Charlotte von Hundefeld geworden
Aber wohin kan er mit ihr gereiset seyn? Zu welchem Zwecke? – Vielleicht haben ihre Eltern schon Nachricht von ihr – Mein Herz nimt warmen Antheil an dem Schicksal des armen Mädgens; Mögte ich in Ihrem nächsten Briefe einige gute Nachricht darüber finden!
Ich verharre ehrerbiethigst,
à Worms ce 4 me d'Avril en 1771.
Monseigneur,
Siehe da mich endlich in Stand zu präsentir an Ihre Excellenz eine hübsche kleine Mädgen, die ich führe mit mir seit ein Paar von Monath, wie ein Schatz, den ich Ihr aufbewahr.
Ihre Excellenz weiß, daß Sie mir schrieb, daß, in Zurückkehren von Spaa, ich sollte anwenden eine Theil von unser Gewinst, um Ihr zuzuführen eine hübsche Maitresse. Ich mich erkundigt da und dort, aber alles was ich fand ne me convenoit pas. (Ich weiß nicht, wie man ausdrückt das in Teutsch, und doch ich liebe zu schreiben teutsch, seitdem daß ich kenne diese Sprache, und daß ich Ihr mach Vergnügen, indem derselben mich bedienen, obgleich ich sey verbunden zurückzulaufen auf jeden Augenblick an einem Dictionair.)
Endlich eine sonderbare Aventüre mich führte gegenüber von einem jungen Menschen, jeune damoiseau an die Werber der Preussen.
Ich machte nun Gebrauch von seinem Billet, um zu entreissen die junge schöne Person der Aufsicht von einer alten Gouvernante, indem ihr versprechend, sie zu liefern in die Hände von ihrem Liebhaber, den ich ihr verkaufte für meinen Freund. Und also, im Ergreifen einen Weg durchaus entgegengesetzt zu demjenigen, den er hatte genommen, kam ich an mit ihr hier in Worms.
Ich verstellte seyn in Verzweiflung, nicht zu finden unsern Mann; Unterdessen
Sie gab in den Garn zu Anfang, weil ich ihr versprach die Neuigkeiten von ihrem Geliebten. Ich verstellte selbst zu haben von seinen Briefen, in welchen er mir meldete, wollen kommen in Wenigem. Aber endlich sie schien sich zu mistrauen von meiner Aufrichtigkeit. Ihre Betrübniß wuchs von Tag zu Tag, nicht habend mehr Geld, und nicht davon wollend annehmen von mir. Endlich sie fiel sogar krank von Unmuth. Ich leyhete ihr alle Hülfe möglichst, und träumend, daß sie würde seyn mehr ruhig zur Seite von einer Frau, ich ihr ließ eine Alte von meiner Bekanntschaft, vorgebend wollen suchen ihren Geliebten, aber in der That, um ihr zu geben die Zeit, sich zu machen an ihr Schicksal, und um zu arranger, die Sache von dem Lotto in .... wie es weiß Ihre Excellenz.
Von der andern Seite ich unterdrückte die Briefe, welche sie schrieb, sie selbst, und die waren erfüllt von Verzweiflung und Reue.
Während die zwey Monathe, daß ich war abwesend, ihre Krankheit vermehrte von
Ueber diese Begebenheit ich ankam gestern, und ihr mitbrachte einen Brief von ihrem Geliebten, aber den ich hatte geschrieben selbst, und in welchem ich hatte gelegt zehn Louisd'or, begleitet von der Bitte, zu kommen mit Monsieur de la Saltière, sein lieber Freund, eiligst nach Berlin, wo er wäre placiert vortheilhafterweise, aber abgehalten durch eine Fluxion am Fuß, sie abzuholen in Person.
Die Kleine schauderte fast von Freude, zu dem Anblick von diesem Briefe. Sie gab sogleich vier Louisd'or von dem Gelde an die Alte, versprechend ihr zu schicken mehr.
Es ist wahr, daß sie schien zu fühlen einen leichten Widerwillen, zu reisen mit mir. Aber
Ich zähle doch anzukommen mit ihr gegen den 15ten von diesem Monath in Berlin, und werde setzen Fuß an Erde in dem Hause von Valet de Chambre von Ihre Excellenz, von woher ich werde haben sogleich die Ehr, Sie zu avertir, um zu arranger das Uebrige.
Endlich Ihre Excellenz fühlt wohl, daß ich habe gewesen verpflichtet zu machen starke Depense, und daß mir übrigbleibt wenig von Geld, das Sie hat wohl gewollt lassen in meinen Händen. Aber auch ich halte mich versichert, daß Sie Sich davon reuen wird nicht, habend die Ehre zu seyn mit dem mehr tiefen Respect,
Von Ihre Excellenz
la Saltière lesen; so werden sie bald merken, daß dies derselbe würdige Franzmann ist, welcher im sechsten Briefe des zweyten Theils auftrat, wo man ihn die jetzige Frau von der Hörde nebst ihrem Geliebten in ein schlechtes Haus führen sah. Es scheint also, als wenn dieser Herr nicht die edelste Art von Gewerbe triebe.
O mein theuerster Herr! Wie vergänglich sind alle menschliche Hofnungen! Da bekomme ich eben einen Brief von unserm Carl, der mich in Schrecken und Wehmuth versetzt.
Denken Sie nur, der redliche Obrist ist schleunig gestorben – Vor vierzehn Tagen kam der würdige Mann gesund vom Exerciren nach Hause; nach Tische fieng er an über heftiges Seitenstechen zu klagen; die Krankheit nahm täglich zu, und endigte vorigen Montag sein Leben. Da ich nicht weiß, ob Ihnen der Herr von Hohenau schon die traurige
Wieder ein rechtschaffener Mann weniger in der Welt! – Und welch' ein Verlust für unsern Pflegesohn! Auch ist jedes Wort von ihm ein Abdruck des tiefsten Schmerzens.
Ja! der arme Carl leidet noch von einer andern sehr empfindlichen Seite; denn wenig Tage vor dieser betrübten Begebenheit, hatte er ein Paar Zeilen von seiner Charlotte, ohne Benennung des Orts ihres Aufenthalts, bekommen, darinn sie ihm, in Ausdrücken, die, wie er sagt, gar unbegreiflich von ihrem sanften Character, und auf keine Art ihrer würdig waren, schrieb: »Er solle nicht ferner an sie denken; sie habe eine andre vortheilhafte Partie getroffen.«
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Ich habe ihm geschrieben, was man in solchen Fällen schreiben kann. Mein vortreflicher Obrist hat auch noch auf dem Todtenbette für unsern Carl gesorgt. Sein Vetter war grade in Berlin. Dieser, der von dem Verstorbenen erbt, hat sich in dessen Gegenwart gerichtlich verbinden müssen, dem Herrn von Hohenau, bis derselbe eine Compagnie haben würde, monatlich vier Thaler Zulage zu geben –
Was ich seit einem Jahre aufs Neue erlebt habe, betäubt mich oft so, daß ich Mühe habe mich zu überzeugen, daß mir das alles würklich also begegnet ist. Es werden kaum vierzehn Wochen seyn, daß ich in Donnergrund im Wirthshause, um eben diese Stunde saß, und um unsern Carl trauerte, der indeß mit mir unter einem Dache war, ohne daß wir von einander etwas wußten – Und was ist nicht wieder in dieser kurzen Zeit vorgefallen! – Ach, bester Herr! könnte es ein Verbrechen seyn, wenn meine Seele wünschte, bald das Ende aller dieser Verwirrungen zu sehn; wenn ich mich nach der Ruhe im Grabe sehnte, wo Vergessenheit der Sorgen, wo ewiger Frieden wohnt? –
Seyen Sie nur recht glücklich, mein bester, gnädiger Herr! recht gesund, recht heiter, und entziehen nicht Ihre väterliche Güte,
Ich wünschte nur, mein gütiger Freund! Sie mögten mich jetzt sehen, wie ich den Hausvater mache, überhaupt, welche Figur ich spiele, seitdem ich verheyrathet bin. Ich glaube wohl, es mag mich ziemlich lächerlich kleiden; aber mit dem allen, das versichere ich Sie, hätte ich nicht gedacht, daß ich mich sobald an das häusliche Leben gewöhnen würde.
Freylich stellt man sich das Ding ganz anders vor – Es ist ein ernsthafter Schritt, mein lieber Herr! das fühlt auch der leichtsinnige Weckel. Denn einmal, ein Ehemann nach der Mode mag ich nicht seyn; ich
Allein ich bin glücklich, recht glücklich, dabey so fröhlich als jemals, und davon, hoffe ich, sollen Sie bald selbst Zeuge seyn. Denn gestern habe ich an unsern ehrlichen Meyer geschrieben, und ihn gebethen, bald möglichst Urlaub zu nehmen, um zu mir zu reisen. Vielleicht findet sich dazu noch vor dem Winter Gelegenheit; wo nicht; so soll doch gewiß im nächsten Frühjahre nichts dazwischen kommen. Ich behalte dann den lieben
Uebrigens reiset der Herr Hauptmann von Weckel nicht mehr so viel, als in seinem ledigen Stande, kann also auch dem curiosen Liebhaber nicht mehr mit so viel Reiseanecdoten aufwarten. Doch habe ich, gleich nach meiner Hochzeit einen kleinen Ritterzug gemacht, um meine Frau und mich ihren und meinen Verwandten vorzustellen. Unter diesen habe ich denn freylich auch manche comische Originale, aber auch manche wackre, brave Leute kennen gelernt.
Es versteht sich, daß wir Alle uns von beyden Theilen Mühe gaben, unsre glänzendsten
Sie wissen es, mein theuerster Freund! Mein Grundsatz ist: daß man (Ich rede nicht von bleibenden, auf verdiente Hochachtung gestützten, sondern von vorübergehenden Eindrücken) daß man, sage ich, in dem ersten Angriffe, mit den Menschen machen
Es ist mir oft wiederfahren zu wissen, daß die Leute gegen mich eingenommen waren – Immerhin! Ein einziges Gespräch unter vier Augen; und sie sind mein – Aber auf diese elende Kunst, so sehr sie auch beynahe die Triebfeder aller menschlichen Handlungen ist, bilde ich mir eben so wenig ein, als ich durch Vorurtheile beunruhigt werde, die mancher Mensch, ohne mein Herz zu kennen, ja! ohne mich je gesehn zu haben, durch die Gespräche irgend eines alten Weibes oder dergleichen, von mir gefaßt hat.
Das war eine kleine Ausschweifung; Jetzt zu meiner Reise. Wir giengen zuerst zu einem Oncle meiner Frau, der, weil wir ihm unsere Ankunft nicht vorher gemeldet,
Es war aber Mittagszeit; Wir wollten also nicht gern nüchtern fortgehn, bathen uns daher bey dem Herrn Gerichtshalter zu Gaste, der uns denn auch, mit unzähligen Complimenten, vorlieb zu nehmen bath, und uns darauf folgendes vorsetzte: Hirse mit Milch; sauren Kohl und Schweinefleisch; und zuletzt Quetschen mit Senf.
Ich will Sie, mein lieber Herr! nicht mit Erzählung derjenigen sonderbaren Revolutionen aufhalten, welche diese, in der That nichts weniger als einförmige Malzeit, in uns erregte. Es sey mir genug, Ihnen zu sagen, daß wir, ohne mehr als etwa sechsmal a Person auszusteigen, glücklich bey der Frau Tante ankamen.
Wir fanden oben eine kleine Gesellschaft, die aus dem Pfarrer des Dorfs, und einem Edelmanne aus der Nachbarschaft bestand.
Der Edelmann lag so entsetzlich, daß es nicht möglich war, mit dem besten Köhlerglauben, dagegen Stich zu halten. Er hatte unter andern einen Mann gekannt, der so gut schiessen konnte, daß er, wenn er den Schlüssel zu seinem Schranke in eine Pistole ladete, denselben nach Belieben in das Schlüsselloch, mit einer solchen Gewalt zu schiessen verstand, daß derselbe sich umdrehete, und
Der Pfarrer hielt sich ruhig, solange es zu essen, zu trinken, und nichts zu zanken gab. Gegen Ende der Abendmalzeit aber geriethen beyde in einen heftigen Wortwechsel über die Rechtmäßigkeit des geistlichen Zehntrechts. Der Edelmann gieng indessen früher fort. »Das ist ein grober Herr!« rief der Prediger, sobald jener aus dem Hause war. »Und ich weiß nicht, worauf
Wir blieben zwey Tage an diesem Orte. Die Tante ist eine gute, einfache Frau, schlecht und recht, ohne große Forderungen. Mit ihr reiseten wir dann weiter, drey Meilen von da, nach ......
Sie können Sich leicht vorstellen, daß ich keinen großen Beruf fühlte, an den dortigen sogenannten fürstlichen Hof zu gehn, sondern daß ich ruhig in dem Circul meiner Familie blieb. Doch lief ich einmal durch das Städgen und den Schloßgarten, und sahe auch hier allerley drollichtes Zeug.
Einer von den Hof Cavalieren begegnete mir reitend, und las zu Pferde – das war schon ganz hübsch!
Man begrub grade an dem Tage den Canzelleydirector – Ich hatte hier wieder Gelegenheit meine Anmerkungen über die Schiefigkeit des Geschmacks zu machen, welche in unserm Zeitalter noch so sehr groß ist; Nemlich, daß wir unsre Augen gewöhnt haben,
Der fürstliche Garten steht aus, wie die Marzipangärten, welche man den Kindern zum Weinachtsgeschenke giebt. Auf jeder Taxuspyramide ist oben ein Fürstenhut ausgeschnitten, und in einem kleinen Bassin sah ich ein Paar steinerne Schwaane ganz dünne
Als ich nach Haus kam, fand ich eine ganz artige Gesellschaft zum Mittagsessen eingeladen. Es war aber auch ein Leibchirurgus dabey, der ausserordentlich neugierig schien; denn er fragte nach einer Menge kleiner Geschichtgen aus dieser Gegend, um welche ich mich nie bekümmert habe, oder von denen ich, wenigstens an einem fremden Orte zu reden, für unklug halte. Und weil ein vorwitziger Neugieriger auch immer ein unvorsichtiger Schwätzer ist; so konnte er manche Anecdote von seiner gnädigsten Herrschaft nicht auf dem Herzen behalten, die er wohl hätte verschweigen können. Dabey wollte er belesen und gelehrt scheinen, redete auch von Alchymie, verwickelte sich aber oft in seinen Erzählungen, und sagte unsinniges Zeug. Unter andern versicherte er: er habe einen Mann gesprochen, der den Theophrastus Paracelsus,
Allein ich merke, daß ich so ziemlich wieder in meinen alten Reisebeschreiberton verfalle – Nun will ich aber auch schleunig abbrechen. Zudem geht mein Papier zu Ende; Ich muß machen, daß ich noch vor dem Schlusse nach Hause komme – Also kurz! Nachdem wir die ganze Familie rund umher besucht hatten, kamen wir wieder hierher, woselbst würklich noch zu der jetzigen Stunde sitzt, und diesen Brief schreibt,
Ihr
Gnädigster Herr Vater!
Es ist wohl freylich, als wenn sich alles gegen mich verschworen hätte, damit ich unsere arme Charlotte nicht finden soll. Ich berichtete Ihnen neulich gehorsamst,
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wie ich, durch meine Tante irregeführt, hin und her gereiset bin, ohne im geringsten auf die Spur kommen zu können, wo meine arme Schwester seyn mögte, und daß ich nun fest entschlossen sey, nach Berlin zu gehn, um wenigstens den Herrn von Hohenau aufzusuchen. Da komme ich denn nun eben hier
Der Brief den Sie mir, bester Herr Vater! letzthin zu schicken die Gewogenheit gehabt haben,
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ist zuversichtlich nicht von meiner Schwester. Es ist weder ihre Hand, noch ihre Schreibart. Dahinter steckt gewiß Betrug.
Zudem weiß ich durch den Herrn Meyer ganz sicher, daß Hohenau selbst Charlottens Aufenthalt nicht erfahren hat – Morgen früh wird sich alles aufklären; Sobald ich ausgehn kann, gehe ich zu ihm.
Ich bin kaum seit einer Stunde hier im Gasthofe, wo ich noch niemand gesehen habe, 3
der hier gespeiset hat. Er scheint Officier zu seyn, und hat mir Hohenaus Wohnung beschrieben. Weil er sehr verbindlich war; so habe ich ihm die Absicht meiner Reise entdeckt, und er hat mir seine Dienste angebothen, will mich auch morgen selbst hinbegleiten.
So viel nur in Eile – Die Post geht in einer halben Stunde ab – Ich verharre mit kindlicher Ehrerbiethung,
Theuerster Herr Vater,
chés moi ce 16. du Juin en 1771
à 11 heures du soir.
Monseigneur,
Ich schreibe in Eil diesen Billet an Ihre Excellenz, um Ihr zu melden, daß ich komm zu machen einen coup de Maitre, und das doppelterweise.
Nicht allein ich habe aufgefangen den Brief hier beygeschlossen,
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den unsre junge Person hatte geschrieben an ihre Eltern, und gewonnen eine der Mägde von Madame
Schouffitte,
Zu diesem Endzweck ich habe gleich gesucht mich zu machen nothwendig an seine Person, ihm anbiethend, weil er wäre durchaus fremd hier, meine Dienste, und ihn zu führen selbst zu dem Herrn, den er suchte.
Wir sind dazu übereingekommen auf morgen, und ich habe genommen Abschied von ihm auf wiedersehen, laufend wie ein Besessener, um zu avertir das Gouvernement
Ich habe so gut gehandhabt das alles, daß bevor aufzustehn, er wird bekommen morgen vom Gouverneur die Ordre zu verlassen die Stadt.
Ihre Excellenz wird fühlen wohl, ich hoffe, daß ich wache für Ihre Interesse, und daß ich nicht durchlaufe alle Gasthöfe der Stadt für die Pflaumen.
Morgen werde ich haben die Ehre Ihr zu präsentir vom Munde meine Ehrerbietungen.
Nicht eine einzige Zeile Antwort auf keinen meiner Briefe? – O Gott! ist denn das Andenken an Ihre unglückliche Tochter, durch einen einzigen Fehltritt, so ganz aus Ihrer Seele vertilgt, daß die Stimme der Natur kein Erbarmen mehr zu meinem Vortheile bey Ihnen erwecken kann? –
Um Erbarmen, um Mitleiden, um Rettung, sonst wage ich ja nicht um irgend etwas zu bitten. Sie haben mich selbst gelehrt, mich des Elenden anzunehmen, auch dann, wenn seine eigenen Verirrungen ihn in
Aber damals kannte ich noch nicht, was Elend und Jammer heißt; Ruhig und leicht flossen meine Tage dahin; Meine Eltern liebten mich – Wo sind sie, jene glücklichen Tage? Verstoßen, verlassen, krank, die Hände ringend, quäle ich die schwarzen Stunden hin, seufze meinem Ende entgegen – Und o! mögte es nicht fern mehr seyn! –
Noch einmal werfe ich mich zu Ihren Füßen, theuerste, ewig geliebte Eltern! – Es ist so süß zu verzeyhen, wie der Vater
Ich kann nicht mehr schreiben – Meine Kräfte verlassen mich – Ach! ich bin sehr krank –
Weinen kann ich nicht mehr; die Quelle ist versiecht – Ich sitze zuweilen so ganz starr, gleichgültig da auf meinem Bette, und meine, es wäre mir recht leicht, recht wohl, hoffe dann immer, der Freund der Unglücklichen würde mich bald in seine Arme schliessen, die mütterliche Erde mich aufnehmen – Aber dann kömmt auf einmal wieder eine Stunde – Gott gebe niemand solche Stunden, vorzüglich dem nicht, der mich in dies Elend gestürzt hat, der mich nun verläßt – o Himmel! – dem ich gern verzeyhe – Aber es ist hart, grausam hart –
Ich habe wieder abbrechen müssen; das Fieber greift mich sehr an. – Die Stunden sind so lang – Wenn Ihnen doch jemand erzählen wollte, wo ich bin, wie es mir seitdem gegangen ist! – Woher soll ich selbst die Kräfte dazu nehmen? – Aber ich habe ja niemand mehr auf dieser Welt; Also muß ich wohl, so gut ich kann.
Der Franzose führte mich hierher – O! wäre ich nur bey der ehrlichen Frau in Worms geblieben! Mein Herz ahndete wohl, daß ich ihn, den ich liebte, nicht sehen würde – Auch will ich ihn in dieser Welt nicht wiedersehn – Ach! wenn doch das meine lieben Eltern versöhnen könnte! Ich wollte ihn hier nie wiedersehn – Er hat mich ja auch verlassen, läßt mich hier jammern –
Der Franzose führte mich hierher in das Haus – Gott weiß, was für ein Haus es ist. Kein Wirthshaus scheint es nicht zu
Der Franzose gieng aus, sobald wir ankamen, und sagte, er wolle den Herrn von Hohenau holen; Er kam aber in vier und zwanzig Stunden nicht wieder – Gott! was ich unterdessen gelitten habe! – Meine Seele prophezeyete mir, was geschahe; Hohenau war nicht zu finden gewesen – Ja, welche Abscheulichkeit! Es war Erdichtung, daß er je in Berlin gewesen wäre – Gott im Himmel! sollte es möglich seyn, oder bin ich betrogen, entführt? – Allein er schrieb mir ja selbst, ich sollte mich seinem Freunde anvertrauen – Der Mann scheint auch so gerührt von meinem Unglücke – Aber doch – Ach, beste, theuerste Mutter! Ich weiß nicht, was ich denken soll, mag auch
Aber ist denn keine Verzeyhung für mich? – Sie werden ja nicht lange mehr über mich zürnen; Ich fühle schon den Tod in meinen Adern – Er sey mir willkommen, der süße Freund der Bedrängten! Seit dem Tage meiner Ankunft habe ich fast beständig krank gelegen. Der Arzt hat mir etwas verschrieben, aber ich nehme es nicht – Wenn mich nur der Schlaf nicht flöhe!
Der Franzose gab sich Mühe mir Muth und Trost einzusprechen; Er hat versprochen alle Mühe anzuwenden, ihn zu finden. Er führte mir eine Dame zu, die sich die Obristen von M .... nannte; Sie kömmt sehr oft zu mir – Allein ich kann kein Zutrauen zu ihr fassen. Sie will mich aufmuntern; aber sie redet so frey, ist so geschwätzig –
Gleich anfangs brachte sie ein paarmal, wenn sie wußte, daß ich ein wenig aufgestanden war, einen Verwandten mit, der ein Graf ist.
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Ich bath sie aber mir nie wieder Gesellschaft zuzuführen. Er war ein ganz artiger Mann; aber auch sehr frey – Vielleicht ist der Ton der Leute von gewissem Stande hier so – Ach! sie mögten Alle gut seyn, wenn ich nur Antwort von
Die Frau von M ..... kömmt fast täglich; ich kann ihrer gar nicht los werden – Die einzige Person, mit welcher ich zuweilen gern rede, ist ein junges Mädgen, das mir aufwartet, und das auch Kummer zu haben scheint. Sie hat mir versprochen diesen Brief sicher zu besorgen –
Theureste Mutter! Ich kann nicht mehr schreiben – Mein Kopf ist so schwach – Ich habe nicht die Kraft, Ihnen mein ganzes Elend zu schildern – Mögte es ein Anderer thun! – Sie würden gewiß Thränen des Mitleidens und der Verzeihung schenken
Ihrer
la Saltière schreibt. Wer diese Obristen von M .... ist, entwickelt der letzte Brief in diesem Theile.
Ich bin gar nicht zufrieden von Deiner Aufführung, und von der Art, wie Du das junge Mädgen behandelst. Sie hat einen Brief an ihre Eltern geschrieben, den der verfluchte la Saltière aufgefangen hat. Darinn klagt und jammert sie so, daß es mir bald selbst Mitleiden gemacht hätte. Dich mag sie gar nicht leiden – Du wirst es wohl sehr schief angefangen haben –
Das arme Mädgen wird immer elender. Wenn sie uns stirbt, und Du sie nicht in Ordnung bringst; so halte ich mich an Dich. Es liegt an Deinem bösen Willen; Du bist doch sonst so dumm nicht. Man wird ja ein Mädgen zur Vernunft bringen können! –
Kurz! Du sollst nun bald deutsch mit ihr reden. Wenn sie sieht, daß sie keine andre Hülfe hat; so wird sie schon nachgeben. Sage ihr, es sollte ihr an nichts mangeln; Du weißt ja, daß mir das Geld nicht an das Herz gewachsen ist.
Am besten wird es wohl seyn, ich gehe einmal wie der selbst zu ihr; Aber du muß erst die Sache vorbereiten. Noch acht Tage gebe ich Dir Zeit. Aber nim dich in Acht, wenn ich dann das Mädgen noch so bleich, krank und klagend finde!
Apropos! Du darfst nicht leiden, daß sie fernerhin mit der kleinen Catharine allein sey; die verdirbt uns alles.
Die Hofnung, welche Sie, mein bester Vater! nun immer näher erblicken, in dänische Dienste zu kommen, erfüllt, wie Sie denken können, Ihren Sohn mit warmer Freude.
Sie befehlen, daß ich Ihnen sagen soll, ob ich von meinem Stande zufrieden bin, oder ob ich denselben zu verändern wünschte; Hier ist also mein offenherziges Bekenntniß darüber:
Soll ich blos von meiner jetzigen Lage reden; so habe ich Ursache damit vergnügter zu seyn, als in Sachsen, wo ich manche kleine Unannehmlichkeit hatte. Die Gesellschaft,
Betrifft aber die Frage im Ganzen meinen jetzigen Stand, bester Vater! so gestehe ich Ihnen gern, daß ich denselben mit irgend einem andern zu vertauschen wünschte – Nicht als ob ich glaubte, dieser Stand sey nicht geehrt, nicht belohnt genug – Im Gegentheil! mich dünkt, Dichter und Künstler werden bey uns nur zu sehr verzogen. Man schmeichelt dem mittelmäßigen Talente nur zu leicht in unserm Vaterlande. Die Ursache aber, warum ich mich in eine andre Lage wünsche, ist, um eine gewissere, sicherere Aussicht zur Versorgung im Alter, und einen bleibenden Aufenthalt haben.
libellum in caussa Caji contra Titium, mit einem Worte! alle Producte des Fleisses, den jemand meinen Bedürfnissen widmet, bezahle, eben so könne ich auch die Fantasie eines Dichters, das Werk seiner,
Die Erfahrung ist hier auf meiner Seite. Die größsten Talente haben sich in jedem Zeitalter, auch im Drucke, in der Armuth, und mitten unter tausend Schwierigkeiten offenbahrt. Der heilige Funken des Genies läßt sich weder auslöschen noch anblasen. Ja! wir haben täglich Beyspiele, daß Dichter, die vortreflich schrieben, solange sie durch das Ringen nach Ruhm, durch die Begierde sich, aus einer dunkeln Lebensart hervor, bekannt zu machen, getrieben wurden, nachher, wenn sie durch irgend einen Mäcenaten in eine bequemere Lage gebracht, so stolz auf ihre Nahmen wurden, daß sie, wenig bekümmert um das Bedürfniß der Menschheit, entweder gar nichts mehr, oder die mittelmäßigsten Sachen in die Welt schickten.
Ich kenne solche Schriftsteller, die dies aus bloßem Geize thun: die aus ihren alten Papieren halb fertig gewordene, äusserst mittelmäßige, nicht ausgefeilte Producte hervorsuchen,
Eben, bester Vater! bekomme ich Ihren gewogenen Brief. Es ist kindliche Pflicht Ihren Befehl zu erfüllen, und Ihnen von des Herrn von Hohenau jetzigen Aufführung eine treue Schilderung zu machen, obgleich ich bis dahin Bedenken getragen hatte, dies ohne Geheiß zu thun.
Doch vielleicht steht es in Ihrer Macht, von meinen Nachrichten einen solchen Gebrauch zu machen, daß der würdige Baron Leidthal Mittel finde, seinen sonst so liebenswürdigen Pflegesohn auf den besseren Weg zurückzuführen. Hier ist alles, was ich von
Als der Herr von Hohenau die Nachricht von seiner Geliebten vermeintlichen Untreue erhalten hatte, war auch grade sein rechtschaffener Wohlthäter, der Obrist, gestorben. Er war über diesen doppelten Verlust anfangs, wie es die Heftigkeit seines Temperaments sehr begreiflich macht, ausschweifend traurig, entzog sich allem Umgange, und lebte ganz einsam vor sich.
Nun hatte er aber unter den jungen Officieren der Garnison viel Bekannte, die er täglich im Dienste sah, und welche sich bemüheten, ihm, was sie nannten, die Grillen aus dem Kopfe zu sprechen. Zuerst gab er den Eindrücken dieser Reden keinen Raum; Aber nach und nach fruchteten sie doch so viel, daß er wieder anfieng in Gesellschaften zu gehen.
Nach und nach fieng der Herr von Hohenau an, das Ding mit freyeren Augen anzusehn. Da er jung und hübsch ist, so gefiel er den Frauenzimmern; Man schmeichelte ihn; und er, der keine Achtung mehr für das Geschlecht hatte, fieng an, mit einer gewissen sorglosen Unvorsichtigkeit, in den Circuln, worinn man ihn führte, herumzuflattern,
Beyspiele aller Arten von Leichtsinn, welche er unter Damen vom ersten Range fand, bewogen ihn zuletzt, eben keinen Unterschied mehr unter solchen zu machen, die nur schwach, oder coquet sind, und unter solchen, welche die grobe Coquetterie als ein Handwerk treiben. Er fand kein wahres Interesse mehr an dem andern Geschlechte, und also war es ihm auch nun ziemlich gleichgültig, welche Frauenzimmer er sahe, wenn sie nur munter und unterhaltend waren.
Zugleich verwickelte man ihn in Spielparthien. Sie wissen, theuerster Vater! welche unglückliche Leidenschaft dies ist. Sie macht ja den Menschen zu allen übrigen Lastern fähig, feuert alle Arten von unrechten Begierden an, macht denjenigen, welcher Handwerk damit treibt, zu allen übrigen nützlichen Beschäftigungen unbrauchbar, unthätig
O! wenn doch manche edle Jünglinge, die diesen unglücklichen Weg zu wandeln im Begriff stehen, die Augen auf die traurigen Beyspiele alter Spieler werfen und, weil es noch Zeit ist, zurückkehren wollten! Wie viel Thränen würden sie ihren Eltern, wie viel Demüthigungen, wie viel Verantwortungen sich selbst ersparen, die sie einst von den Stunden Rechenschaft geben sollen, welche sie dem Dienste der Menschheit schuldig waren.
Hohenau ergriff in seinem übertäubten Gemüthszustande alles, was nur Genuß des Augenblicks gewähren kann. Also ließ er sich auch zu Hazardspielen verleiten – Er verlohr ein paarmal grosse Summen, welche er
Es ist ein Haus unter den Linden, au pisalé genannt, wo immer sehr stark gespielt wird. Ich bedarf Ihnen nicht zu sagen, daß also dahin nicht die besten Leute kommen. Hier war er nun fast täglich, und endlich gieng er sogar auf die berüchtigten Bälle bey der Frau Corsica.
In dieser Sinnesart, auf diesem schlüpfrigen Wege, ist er noch. Ich bin nicht vertrauet genug mit ihm, auch, unserer sehr verschiedenen Verhältnisse und Verbindungen wegen, nicht genug in der Lage, mich ihm zum Freunde und Rathgeber aufdringen zu können. Ich sehe ihn selten, denn in die Häuser, welche er besucht, komme ich nicht. Vielleicht, bester Vater! können Sie, gemeinschaftlich
Ihren
Ich bin seit gestern hier, und zu meiner größten Befremdung zwingt man mich, schon heute wieder die Stadt zu verlassen. Ich war dreymal bey Dir, um Deine Hülfe und Rath mir zu erbitten, aber keinmal warst Du zu Hause, und niemand konnte mir sagen, wo ich Dich antreffen würde.
Die Veranlassung meiner Reise kannst Du leicht errathen. Ich suchte meine unglückliche Schwester, und nachdem alle meine Nachforschungen vergebens gewesen, wollte ich doch wenigstens Dich nicht verfehlen – Nicht,
Ich kam gestern Abend an. Ein Franzose, den ich hier fand, dem ich ohngefehr die Veranlassung meiner Reise sagte, und daß ich Dich zu sprechen wünschte, erboth sich, mich zu Dir zu begleiten. Ich nahm weitere Abrede mit ihm darüber, und er empfahl sich.
Diesen Morgen stehe ich früh auf, kleide mich an, und erwarte noch immer den Franzosen, als der Wirth hereintritt, und mir meldet, daß der Gouverneur mich um acht Uhr bey sich sehen wollte. Da ich nun den Mann gar nicht kennte; so glaubte ich nicht, hingehen zu müssen; Allein der Wirth machte mir begreiflich, daß auch ein Fremder hier, ohne Erlaubniß des Gouvernements, nicht in der
Als ich fortwollte, war der Franzose noch nicht dagewesen; die Stunde rückte heran, ich gieng also, begleitet von einem Miethlaquaien, zum Gouverneur. Dieser fragte mich um die Ursache meiner Reise, nach meinen Pässen, und um meine Geschäfte in Berlin.
Ich fühlte keinen Beruf, ihm davon genaue Nachricht zu geben, sondern sagte: »Ich hätte allerley Geschäfte hier, und ein reisender Cavalier bedürfe keines Passes« –
»Nicht naseweiß, junger Herr!« rief der grobe Mann; »Haben Sie denn Addressen?« Ich sagte, ich hätte keine, und wollte eben hinzufügen, daß ich Dich kennte, als er mit lauter Stimme mir in die Rede fiel: »Wir kennen schon die Art Herrchen. Der König mag hier keine müssige Leute herumlaufen haben. Ich rathe Ihnen, daß
Was sollte ich machen? Ich war so betroffen über diese ungewöhnliche Begegnung, daß ich kaum die Thür wieder finden konnte. Es blieb mir nichts anders übrig, als mit meinem Lehnlaquaien Deine Wohnung aufzusuchen; Ich gieng hin, und fand Dich nicht.
Als ich zurück in den Gasthof kam, war noch immer der Franzose nicht da gewesen; Auch hat sich derselbe nicht wieder sehen lassen. Gleich nach Tische war ich nochmals vergebens in Deinem Quartiere, und vor einer halben Stunde zum drittenmal. Da komme ich nun eben zu Hause, und höre vom Wirthe, daß der Gouverneur sich schon hat erkundigen lassen, ob ich noch da sey.
Ich muß also gleich fort – Warum? das weiß der Himmel. Es muß hier ein 1
Was ich muthmaßen soll, begreife ich nicht – Genug ich bitte, ich beschwöre Dich, bey unserer ehemaligen Freundschaft, die Sache aufzuklären, und zuerst meinetwegen mit dem Gouverneur zu reden, damit ich zurückkommen dürfe. Ich will unterdessen nach Rosenthal gehn, wo mich Deine Briefe treffen können –
Voll Zuversicht, daß du diese Sache in Ordnung bringen, und mein dir noch immer gewidmetes Herz nicht zu einem noch schlimmern Verdachte verleiten wirst, unterschreibe ich mich,
Wenn ich Ihnen auch in etwas langer Zeit nicht geschrieben habe; so bin ich doch oft in Gedanken bey Ihnen, und wünschte Sie hierher; Berlin sollte Ihnen jetzt schon gefallen; Es hat würklich tausendfache Annehmlichkeiten, sowohl für einen Gelehrten, als für den, der blos Vergnügen sucht.
Ich bekenne Ihnen wenigstens, daß ich anfange recht zufrieden von meinem hiesigen Aufenthalte zu seyn. Es giebt so mancherley Unterhaltungen und Zerstreuungen hier, die ich begierig ergreife, um die Erinnerung dessen, was ich gelitten habe, in meinem Herzen auszulöschen. Sie werden mir, mein
Und warum sollte ich mich auch quälen? – Ueber die Untreue eines Mädgens? – Sind sie nicht Alle leichtfertig, wankelmüthig? Ach! ich habe das Geschlecht hier kennen gelernt – Zwar fand ich keine, die werth gewesen wäre, meiner Charlotte die Schuhriemen aufzulösen – Aber Alle waren Weiber; Alle nicht fähig wahrhaftig und treu zu lieben, so zu lieben, wie ich einst das Ideal davon in meinem Herzen trug. Sie werden von Eitelkeit, Temperament oder Launen regiert – Ja! Wenige haben nur einmal Temperament. Sie spielen mit den
Jetzt muß ich Ihnen, mein lieber Freund! nur noch eine Sache erzählen. Sie wissen, daß ich immer den Verdacht hatte, als wenn der Franzose, der sich mir in Donnergrund so dienstfertig aufdrang, mich damals unsern Werbern verkauft hätte. Mancherley Ursachen hielten mich in der ersten Zeit ab, der Aufklärung dieses Argwohns weiter nachzuspüren, bis ich vor etwa vier Wochen, in einem gewissen Hause, wohin ich zuweilen aus Gefälligkeit gegen andre Officiers gehen muß, und um mich nicht auszuzeichnen, denselben Franzosen antraf.
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Allein vorgestern bekomme ich ein Billet von Hundefeld, der hieher nach Berlin gereiset war, um mich zu sprechen, sich einem Franzosen anvertrauet, der sich erbothen hatte ihm mein Quartier zu zeigen, und als er denselben erwartet, einen Befehl vom Gouverneur
Sollte nun dies nicht derselbe la Saltière seyn, der ihm diesen Streich gespielt hätte? – Zwar kann ich noch nicht einsehn zu welchem Endzwecke – Aber doch –
Noch eins! Habe ich nicht irgend schon einmal den Nahmen: la Saltière, gehört, oder gelesen? Besinnen Sie Sich nichts dergleichen?
Jetzt arbeite ich nur daran, bey dem Gouverneur, Hundefelds Sache zu erläutern, und zu erfahren, was man gegen ihn vorgebracht haben mag, und dann soll sich bald das übrige aufklären.
Ich werde gestöhrt – Leben Sie wohl, mein Theuerster! Bald will ich weitläuftiger schreiben.
la Saltière anvertraueten Brief, freylich Gelegenheit gegeben hatte, verschwiegen hielten. Hätte er diesen Umstand gewußt; so würde er gewiß jetzt den Franzosen nicht so leicht haben laufen lassen. Auch wäre er in diesem Falle nicht in die Ausschweifungen gerathen, zu welchen ihn die Verzweiflung über seiner Geliebten vermeintliche Untreue brachte; Und in so fern wäre es besser gewesen, ihm alles zu entdecken – Aber wer kann die Folgen jeder kleinen Handlung voraussehn.
Es hat dem höchsten Geber alles Guten gefallen, meine liebe Frau abermals mit einer gesunden Leibesfrucht zu segnen, welche gestern Abends um acht Uhr zehn Minuten zur Welt gekommen, und sich als ein Knäblein befunden hat.
Da es nun christlichen Eltern geziemet, ihre Kinder gehörigermaßen mit dem Bade der Wiedergeburth versehen zu lassen, und dabey hohe Standespersonen sich nicht zu schämen pflegen, auch bey geringen Menschen,
Nun wollen Ew. Gnaden excusiren, wenn noch in gegenwärtigem Schreiben etwas von den hiesigen Umständen hinzufüge. Es geht wohl freylich jetzt so nicht hier zu, als es zu unsers gnädigen Herrn Barons Zeiten war. Die Bauern werden gar arg gedrückt, mit Diensten und in andern Puncten. Auf die Povertät wird gar kein Betracht genommen, und, kurzum! es ist ein böser Haushalt, so daß ich immer sage: es kann keinen Segen bringen.
Der gnädige Herr von Wallitz sind aber schon seit einigen Wochen malade am Podal,
Nun, mich geht es nichts an; Aber ich sage immer: Hätten wir nur unsern gnädigen Herrn Baron von Leidthal noch; der ich in tiefster Soubmission beharre,
Ew. Hochfreyherrlichen Gnaden,
Deine Briefe, mein lieber Carl! werden immer seltener, und doch (verzeihe mir diesen kleinen Vorwurf!) dächte ich, Deine Geschäfte wären nicht so überhäuft, daß Du nicht solltest Zeit finden können, zuweilen an Deinen alten Freund ein Paar Zeilen zu schreiben.
Freylich hat ein Officier, wenn er nicht Soldat nach dem ganz gemeinen Schlage seyn will, unzählige Dinge zu lernen, die auf sein Handwerk nützlichen Einfluß haben, und da können denn schon seine Stunden sehr besetzt seyn. Auch soll mich es freuen, wenn dies die Ursache Deines Stillschweigens ist.
Unterdessen kann man sich leicht an Ordnung oder an Nachlässigkeit im Briefschreiben, so wie in allen andern Fächern, gewöhnen. Ich kenne Leute, die nicht durch Geschäfte, noch übermäßige Zerstreuungen (ich hoffe, das Letzte ist auch Dein Fall nicht) abgehalten werden, aber dennoch so unerträglich faul in diesem Puncte sind, daß sie eher den größten Verlust leiden, als zu einer bestimmten Zeit einen Brief schreiben wollten. Das ist würklich schimpflich, und zeugt von schlechter Erziehung, oder geringer Achtsamkeit und Gewalt über sich selbst. Wie leicht ist nicht ein Brief geschrieben! Wie viel Nutzen oder Freude kann ich nicht oft damit stiften! Und wo ist der Mensch, dem seine Geschäfte oder sein Gemüthszustand nicht täglich eine viertel Stunde frey liessen? – Das macht doch jährlich 365 Briefe, und manche fröhlige
Ich kenne aber Deine Ordnung von dieser Seite, und also trifft Dich, mein lieber Hohenau! dieser Vorwurf nicht. Eben deswegen aber ahnde ich andere Ursachen Deines Stillschweigens. Sollte Dein Gemüth wohl nicht in demjenigen glücklichen Gleichgewichte seyn, in welchem wir, gestützt auf die Tugend und den Adel unserer Handlungen, einem Freunde unser ganzes unschuldiges Herz ausschütten dürfen? – Das würde mir sehr wehthun, mein Sohn! Aber wenn es so ist; so scheue Dich dennoch nicht, mich zum Vertraueten Deiner Verirrungen zu machen!
Soll ich Dir mit meinem Bekenntnisse entgegen kommen? Sehr gern! Ich glaube aus Deinen Briefen zu sehen, daß Du, nach dem Verluste Deiner Geliebten, nicht diejenige
Das würde eine unglückliche Gemüthslage für Dich seyn. Denn nicht nur würdest Du kein wahres Glück, keine Seelenruhe, die Du doch wünschen wirst, auf diesem Wege finden, sondern Du würdest auch Deine schönsten Tage verliehren; das Leere, welches diese üppigen Vergnügungen, deren man sehr früh überdrüssig wird, in der Seele zurücklassen, würde Deine natürliche Thätigkeit in Gährung bringen, und weil Du Dich dann von edlern Geschäften entfernt hättest, würdest Du vielleicht, um den gänzlichen Müssiggang zu fliehen, Dir aus Dingen ein Gewerbe machen, die Unglück, Elend und Reue über Dein Haupt sammlen würden.
Schütte also Dein Herz in meinen Busen aus! Ich erwarte mit väterlicher Sehnsucht Dein Bekenntniß – Jetzt wollen wir von andern Dingen reden –
Ich lebe noch immer hier äusserst einfach, aber zufrieden. Müller wird mich nun auch bald verlassen; Doch, zu seinem Glücke; denn ich zweifle nicht, daß er in Dännemark guten Unterhalt und Gelegenheit finden wird, seine Kenntnisse nützlich anzuwenden.
Mein einziger Umgang hier ist mit dem Herrn von B ..... einem alten, würdigen,
Was war daher natürlicher, als daß er eine Menge heimlicher Neider und Feinde um sich her hatte, die ihn zu stürzen suchten? Seine Administration war aber so klar, so öffentlich, gut ordentlich und nützlich, daß man ihn darinn keiner Sünde zeugen konnte.
Da er nun reichlich besoldet wurde; so hatte er Gelegenheit, Geld zu sammlen; die Misgunst der hungrigen Hofschranzen aber machte ihm das zum Verbrechen. Man sprengte böse Gerüchte gegen ihn aus, und das Volk, welches gern alles nachplaudert,
Ueberhaupt, was in der Welt ist wohl unsicherer, als der Ruf eines Mannes, besonders an Höfen? Ich sehe immer gern mit eigenen Augen, und auch da betrügt man sich oft. Wer kann immer, durch die Hülle der Hof-Intriguen hindurch, den wahren Faden der Begebenheiten und alle die kleinen Triebfedern entwickeln, welche manchen schätzbaren, vortreflichen Mann zum Gegenstande des Abscheues, und manchen Schuft zu einem Orakel des ganzen Landes erklären? – O! wenn doch das die Menschen beherzigen wollten, die so bereit sind, auf
Der Herr von B ..... war in einer sehr üblen Lage. Er sollte seinem Fürsten alle entbehrlichen Ausgaben ersparen, folglich mußte er manchem, dem er gern geholfen hätte, verdiente Wohlthaten versagen; Und von einer andern Seite schränkte der Sultan doch seine Begierden nicht ein, und was der Dienerschaft abgezogen, und den Bauern ausgepreßt wurde, das verzehrten Maitressen, Geiger, Pfeifer und Müssiggänger. Sahe nun der gnädige Landesvater, daß er und das Land dabey sichtbarlich zurückkamen; so schob er die Schuld davon nicht auf sich, sondern auf die Haushaltung des Ministers, in welcher Gemüthsverfassung er denn auch von kleinen, erkauften Creaturen, von Cammerdienern u.s.f. unterhalten
Diesen Zeitpunkt nützte ein elender Schwätzer, der mit flüchtigen Kenntnissen von Büchern über das Cameralwesen ausstafiert, einige Einrichtungen in andern Ländern, die aber, weil er sie mit schiefen Blicken angesehen hatte, hier gar nicht passend waren, dem Fürsten so reitzend abmalte, daß derselbe nun in diesem Windbeutel endlich den Mann gefunden zu haben glaubte, der sein bisher schlecht verwaltetes Finanzwesen wieder herstellen könnte.
Es ist unbegreiflich, wie leicht es mehrentheils den erbärmlichsten Menschen ist, eine Rolle bey den Großen der Erde zu spielen. Dieser Kerl hatte ein Paar Haranguen auswendig gelernt, die er immer wiederholte, war übrigens ein so schlechter, unmoralischer, tückischer, und unwissender
Ich schreibe Dir, mein lieber Carl! gern solche Erfahrungen aus der großen Welt. Schreibe Du mir nur auch fleissig, was Du um Dich siehst, und welche interessante Bekanntschaften Du machst; An einem Orte wie Berlin ist, kann es Dir daran nicht fehlen.
Nun, das war ein langer Brief. Lebe wohl, mein bester Carl! Ich hoffe bald etwas Gutes von Dir zu hören,
Ich denke, ich muß Ihnen doch noch einmal schreiben, ehe Sie nach Dännemark gehn, es wird Ihnen diese Zeilen ein Holländer überreichen, der nach Hamburg reiset, und den ich hier habe kennen gelernt.
Das ist nun freylich so ein Volk von Menschen, mit denen ich durchaus nicht sympathisieren kann. Ihr ganzes Wesen ist Handel, Pflegma und Unempfindlichkeit – Wissen Sie die Geschichte des Mannes, dem man, als er nach Amsterdam gieng, wohl
Mit dem allen aber ist der Mann, der Ihnen diesen Brief bringt, ein bisgen besser, als seine gewöhnlichen Landesleute; Ich empfehle ihn daher Ihrer Güte. Er kann Aufträge von Ihnen in Holland besorgen.
Wenn werden wir uns denn einmal sehen? Auf das Frühjahr komm ich gewiß nach Hamburg; aber dann sind Sie vielleicht
Ich bin sehr vergnügt hier auf dem Lande, studiere das Bauernvolk, ihre Charactere, ihre Vorurtheile, ihre Lieder, und wahrlich, ich finde manche originelle Menschen unter ihnen. Darüber schreibe ich viel auf, auch ihre Vorurtheile, Gesänge und Tänze sammle ich; Sie sollen nächstens etwas davon lesen. Da werden Sie hören, daß man das Messer nicht auf den Rücken legen darf, damit die heiligen Engel nicht in die Schneide treten, daß man, während es zur Kirche läutet, nichts essen soll, damit die Zähne nicht ausfallen; Wie man es anzufangen hat, um nicht behext zu werden, und dergleichen mehr. Unter den Liedern werden Sie einige recht herzergreifende finden; Aber da müßten Sie dieselben auch hier fingen hören.
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bitte ich geschwind zu besorgen. Sie ist mir gestern eilig von Urfstädt geschickt worden. Von wem der Brief ist, weiß ich nicht.
Leben Sie wohl, mein Lieber! und vergessen mich nicht,
Bey Ew. Hochgebohren soll auf Befehl meines auf den Tod krank liegenden Herrn Principals ich angelegendlichst nachsuchen, doch Denenselben die Bitte nicht abzuschlagen, vor Ihrem Ende noch, so geschwind als möglich, hierher nach Urfstädt zu kommen; als worum gedachter mein gnädiger Herr, Ew. Hochgebohren auf das pressanteste ersuchen; maßen Sie Hochdenenselben angenehme und von der größten Wichtigkeit seyende Sachen zu eröfnen hätten; hoffend Ew. Hochgebohren würden alle alte moribundo diese letzte Güte nicht versagen; Mit dem Beyfügen, gern alle Depensen der Reise quæstionis stehen zu wollen; Welches alles nur in Eile unterthänig zu melden, mich aber zu beharrlicher Gnade und Protection zu empfehlen, und mit vollkommenster Veneration zu unterschreiben nicht unterlassen wollen,
Ew. Hochgebohren
Komm nur gleich, mein lieber Freund! nach Erhaltung dieser flüchtig geschriebenen Zeilen, nach Berlin zurück! Ich habe beym Gouverneur alles in Ordnung gebracht – Du wirst sonderbare Dinge erfahren – Der verdammte Franzose hat Dich und mich schändlich angeführt. Aber er soll das nicht umsonst gethan haben. Noch ist er in der Stadt. Er kann uns nicht entwischen. Komm nur sogleich hierher, und trete in der Stadt Paris ab,
Ich erwarte Dich mit Ungeduld.
Dies ist vorerst das letztemal, daß ich Dir, meine liebste Tochter! aus Hamburg schreibe. Ich bin so glücklich gewesen, die einträgliche Stelle, wovon ich neulich Erwähnung that,
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würklich zu erhalten, und meine Abreise nach Koppenhagen ist auf künftigen Diensttag festgesetzt. So bald ich dort ankomme, sollst Du mehr von mir hören.
Du erhältst diesen Brief durch einen holländischen Kaufmann. Gern machte ich mit ihm die Reise, um Zeuge Deines häuslichen Glücks zu seyn, und einmal mein Enkelchen an mein Herz zu drücken. Das läßt sich nun aber jetzt nicht thun. Unterdessen vergiß mir Deinen alten Vater nicht, und grüße Deinen guten Mann tausendmal von mir.
An Deinen ältern Bruder habe ich geschrieben, und ihn, wie er es verdient, gelobt, weil er an meinem Peter so großmüthig brüderlich handelt. Von Christoph, aus Neuwied, habe ich auch kürzlich Nachricht bekommen.
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Der Himmel leite dich! Sey glücklich in Deinem Hause, und liebe immer
Bester Vater!
Beyliegender Brief des Herrn von Hohenau an den Freyherrn von Leidthal,
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erzählt Begebenheiten, welche bey Ihnen gewiß zugleich Erstaunen und Rührung erwecken werden.
Ich bin selbst Augenzeuge bey einer Scene gewesen, die, von einem geschickten Maler dargestellt, jedem, der Gefühl für die Leiden und Freuden der Menschheit hat, höchst willkommen seyn müßte – Doch, zu meiner Erzählung!
Als Hohenau in Donnergrund, voll Verzweiflung seine Charlotte nicht zu finden, sich dem Niederträchtigsten unter allen Franzosen, der in demselben Wirthshause mit ihm war, anvertrauete, machte dieser Elende (der ein falscher Spieler, Seelenverkäufer,
Mit diesem Briefe ausgerüstet, gieng er fort, suchte das Fräulein auf, und erhielt, nach Vorweisung dessen, daß sie sich ihm in die Hände lieferte; seine Absicht aber war, dieselbe, wenn sie sich ohne Hülfe sehen würde, einem reichen Grafen in Berlin als Maitresse zuzuführen.
Sein Schrecken war nicht gering, da er den Herrn von Hohenau, den er als Recrute in irgend einer entlegenen Provinz glaubte, hier als Officier fand. Nun war doppelte Vorsicht nöthig, eine ohngefehre Zusammenkunft zu verhindern. Das Fräulein wurde also – denken Sie an, bester Vater! – in ein Bordel geführt, und daselbst in einem Hinterstübchen einer liederlichen Weibsperson, welche ehemals die Buhlerinn eines Obristen gewesen war, (die man ihr aber als eine Dame von Stande vorstellte) anvertrauet.
Unterdessen hatte sich Hohenau, aus Verzweiflung über die vermeintliche (durch falsche Briefe des Franzosen ihm angezeigte) Untreue seiner Geliebten, allerley Ausschweifungen ergeben; der Herr von Hundefeld aber suchte noch immer seine Schwester, kam nach Berlin, wurde durch eine Cabale des französischen Bösewichts wieder aus der Stadt geschafft, kehrte aber gestern wieder hierher zurück, und trat in der Stadt Paris ab.
Abends um acht Uhr kam Hundefeld an. Ich hatte ihn erwartet, und bewillkommte ihn im Gasthofe. Wir giengen zusammen nach dem Hause des Lieutenants von B ..., allein der Bediente sagte uns, sein Herr und der andere Officier seyen zu der Frau Schufit, in der Töpfergasse, ohnweit dem Comödienhause, gegangen.
Es fiel uns nicht ein, daß dies ein berüchtigtes Haus seyn könnte; wie hätte ich den Herrn von Hohenau fähig halten mögen,
Wir giengen sorglos dem Hause zu, traten hinein, fanden aber eine solche Verwirrung, einen solchen Aufruhr in demselben, daß wir wie versteinert da standen.
O! hören Sie, theuerster Vater! Leichtsinn und Ausschweifungsgeist hatten den Herrn von Hohenau in dies Haus geführt. Er war mit seinem verderbten Freunde kaum hineingetreten, als er, ohne weitere Anfrage, in das Hinterstübchen gehen wollte, welches vermuthlich dem Herrn von B ... von alten Zeiten her, bekannt war. Er
Was für eine Scene das war; wie wir darauf ohnerwartet herzukamen; wie doppelt feyerlich und wehmüthig die Ankunft des Bruders dies Gemälde machte; was darauf vorfiel; welche Erläuterungen nun erfolgten; wie der arme Hohenau gegen sich selbst, gegen das Haus, gegen die Menschen, welche ihn getäuscht und irregeführt hatten, tobte; was die wahrscheinlichen Folgen davon seyn werden – das alles, liebster Vater! werden Sie besser aus beyliegendem Briefe und aus meinem nächsten Schreiben sehen.
Noch bin ich zu verwirrt, um Ihnen etwas Zusammenhängendes darüber sagen
Ihrem
Ich danke Ihnen zum letztenmal für die unverdiente gütige Aufnahme des dritten Theils dieses rapsodischen Werks. Der Beyfall, womit Sie dasselbe beehrt haben, wird mich anfeuern, die geringen Talente, welche mir die Natur in diesem Fache verliehen hat, sorgfältiger auszubauen, um Ihnen einst etwas Besseres, fleißiger Bearbeitetes, zu liefern. Denn, gewiß! ich fühle die vielfachen Fehler dieses Büchelchens sehr gut, und um Ihre Nachsicht nicht länger auf die Probe zu setzen, habe ich den Roman meines Lebens mit diesem Theile beschlossen.
Weil wir indessen eben von Rezensenten reden; so muß ich doch eines Richterspruchs in dem acht und vierzigsten Bande der allgemeinen deutschen Bibliothek Erwehnung thun. Jeder unpartheyische Freund der Literatur wird den Werth dieser critischen Schrift erkennen, wird eingestehen,
Allein bey der ungeheuren Schreibseligkeit unserer lieben Landesleute bedarf Herr Nicolai auch einer Menge Mitarbeiter. Es ist nicht immer möglich dazu die gelehrtesten, mit andern Dingen beschäftigten Männer anzustellen. Auch kömmt eine so schreckliche Menge unwichtiger Schriften heraus, (man rechne immer die meinige mit darunter) daß es der Muhe nicht lohnt, darüber das Urtheil großer Männer zu hören.
Um also diesen Ballast von minder wichtigen Büchern rezensieren zu lassen,
Ich kann sehr gut Zurechtweisung vertragen, theils weil das Bücherschreiben gar nicht mein Handwerk, sondern der Gegenstand meiner Erholungsstunden von ernstern Geschäften ist, theils, weil ich mich überhaupt gar nicht für ohnfehlbar halte. Wenn daher der Herr quidam sagt, daß dies Werkgen nicht Zusammenhang genug habe; so hat er vielleicht Recht,
Ein Magisterlein, in seinem Dachstübchen, ein zierlicher Informator, oder irgend ein andres schöngeisterisches Geschöpf dieser Art, sollte es wahrlich nicht unternehmen über den Hofton zu urtheilen, den er
Und was die Wahrheit der Begebenheiten betrifft, die der liebe Mann bestreitet; so wünschte ich herzlich, er mögte Recht haben. Zu mancher Menschen Ehre, und zu meiner eigenen Beruhigung mögte ich ganz gern das alles so erdacht haben. Liegt es aber an der Art der Darstellung, daß, was ich erzähle, nicht ganz den Anstrich der ungeschminkten Wahrheit hat; so bedenke man, daß ich gute Leute habe schonen wollen. Deswegen habe ich manche Annecdoten durch Zusätze unkenntlich gemacht. Wäre die Welt wie sie seyn sollte; so würde diese Vorsicht überflüßig seyn. Ich wenigstens verlange nicht besser zu scheinen als ich bin; fest überzeugt, daß ein feiner Menschenkenner dennoch durch meine Maske hindurch, meine Leidenschaften, und was diese etwa hervorbringen
Aber freilich gehn auch eine Menge Dinge in der Welt vor, von denen eine gewisse Classe von Leuten gar nichts erfährt, und die dem ganz unwahrscheinlich vorkommen,
Das ist also zu verzeyhen. Vielleicht hat das Männchen, voll Hofnung auf eine künftige Versorgung, durch einen vornehmen Patron, der sich einbildete das Portrait seiner jämmerlichen Excellenz oder Hochwohlgebohrnheit in meinem Roman zu finden, sich bewegen lassen, ein bisgen auf mich zu schimpfen – Es ist auch wahrlich nicht erlaubt, daß ich mit so wenig Respect von Personen rede, die ihm so grosse Leute scheinen, die aber, in der Nähe betrachtet, gar kleine Menschen sind – Einen solchen Ketzer muß man verdächtig machen –
Sollte übrigens irgend ein Herr oder eine Dame eine Erklärung von mir über etwas in meinem Roman Vorkommendes verlangen, der sey so gütig sich bey dem Herrn Verleger zu melden, woselbst er meinen Nahmen erfragen kann. Ein ehrlicher Mann, der Sultans, Sultaninnen, Vezirs, von der Bürste und von der Feder, und wie das Zeug heissen mag, flieht aber nicht scheuet, und sein eigenes Gewissen noch weniger zu scheuen braucht, bekennt sich gern zu jedem Worte, das er geschrieben hat. Auch leben wir gottlob! in einem Zeitalter, und unter einem Schutze, wo man frey Wahrheit denken, reden und schreiben darf, wo die Anbethung der kleinen
Erster Brief, von Ludwig Müller an seinen Vater, aus Berlin geschrieben. Erzählt den Fortgang ihrer Begebenheiten, nach der Zusammenkunft in der Frau Schufit Hause. Das Fräulein wohnt itzt mit ihrem Bruder in der Stadt bey einer Officierswitwe. Ihre Gesundheit bessert sich. Sie warten auf Antwort von den Eltern und von Leidthal, um zu wissen, was aus ihnen werden wird. Ueber die Anlegung und Duldung öffentlicher Bordelle. Man will nachspüren, wo la Saltière ist, erfährt es aber nicht. Lebensgeschichte von drey liederlichen Frauenzimmern. Beschreibung eines üppigen Hofes, eines Bordels. Ueber Ludwigs Schauspielerleben. Er wünscht es zu verlassen.
Zweyter Brief, von Leidthal an Müller. Er traf den Herrn von Wallitz sterbend an, und wurde von demselben wieder in den Besitz seiner Güter gesetzt. Auf welche Art sich hierdurch auch des jungen Wallitz Umstände verbessern. Ueber Vorbereitung auf dem Sterbebette. Man soll nie sagen, was man thun würde, wenn man an eines Andern Stelle wäre. Von Hohenaus neueren Begebenheiten weiß Leidthal noch nichts.
Dritter Brief, von Weckel an Hohenau, aus Urfstädt geschrieben. Er meldet ihm voll Freude die Glücksveränderung des Baron Leidthals, und das allgemeine Vergnügen darüber. Sein Oheim wird schwächlich. Er fragt, ob Nachrichten von Charlottens Aufenthalte da sind. Lustige Beschreibung von der Frau von Donnergrund und zweyten Verehligung. Eine Lesebibliothek. Welche Bücher da gelesen werden. Eine dicke empfindsame Frau. Epigrammenschreiber sind große Köpfe. In Weckels Hause herrscht itzt viel Literatur.
Vierter Brief, von der alten Frau von Hundefeld an ihren Sohn in Berlin. Die Eltern sind froh, daß Charlotte endlich wiedergefunden ist. Der Bruder soll nur sogleich mit derselben zu ihnen kommen.
Fünfter Brief, von Hohenau an Leidthal. Man will ihm seine Charlotte entreissen; der Bruder reiset mit ihr ab. Er bittet also flehentlichst, sie nicht zu trennen, die Eltern zur Einwilligung in ihre Heyrath zu vermögen, und, da Leidthal itzt reich ist, das Maaß seiner Wohlthaten für Carln voll zu machen, und ihn zu unterstützen, damit er eine Frau ernähren könne.
Sechster Brief, von Madam Wilhelmine Becker an ihre Jugendfreundinn, das Fräulein Caroline von Wilmar. Sie giebt ihr Nachricht von ihren Schicksalen, seitdem sie, durch ihre Eltern
Siebenter Brief, von Leidthal an Hohenau. Er stellt ihm die Schwierigkeiten vor, die seinem Gesuche, heyrathen zu dürfen, entgegen stehn, malt ihm die Pflichten eines Ehemanns, Hausvaters und Mitglieds des Staats lebhaft ab. Doch will er sich seiner Heyrath nicht wiedersetzen, sondern hat selbst an Hundefelds Eltern, wegen ihrer Einwilligung geschrieben. Er soll aber erst ein oder zwey Jahre in Deutschland reisen, Menschen, Sitten und Gebräuche kennen lernen. In Berlin soll er seinen Abschied nehmen; Leidthal wird suchen ihm eine andre Laufbahn zu eröfnen. Meyer und der junge Wallitz reisen mit; vermuthlich auch Weckel, wenn sein Oncle sterben sollte.
Achter Brief, von Weckel an Hohenau. Wünscht ihm Glück, daß alles gut geht. Er wird wohl mitreisen, da sein Oncle täglich schwächer wird. Anmerkungen über ihre Reise, und wie sie sich dieselbe angenehm zu machen suchen wollen. Geschichte eines kleinen Fürsten, der incognito reisete. Jagd-Annecdote. Corruption. Französische Lebensart. Soldatenstand, und dessen
Neunter Brief, von Meyer an Leidthal. Er will gern mitreisen, hat auch schon Urlaub erhalten, und den Präsidenten bewogen zu erlauben, daß Ludwig Müller indessen seine Geschäfte versehe. Character des Cammerraths von ...
Zehnter Brief, von Charlotten an Hohenau. Voll Gefühl überschwenglicher Freude. Die Eltern haben eingewilligt. Zwar ist es hart, daß er noch erst reisen soll; aber Hofnung wird sie trösten. Er soll doch gleich den Eltern schriftlich danken, und baldmöglichst kommen.
Eilfter Brief, von Hohenau an Leidthal. Herzlicher Dank. Alles ist in Ordnung. Er wird in acht Tagen in Urfstädt seyn.
Zwölfter Brief, von Leidthal an Meyer. Er erwartet ihn nun bald, und wird vorher nicht mehr schreiben. Eine Predigt. Moralischer Character des Predigers. Gute Werke machen selig. Jesuitische Grundsätze. Annecdoten von einem regierenden Grafen. Ein Projectenmacher sollte keine Finanzen dirigieren. Nicht jede Theorie ist anwendbar. Ein Mann der die Welt aus Büchern kennt, spielt darinn eine dumme Rolle. Ueber Tyrannie der deutschen Fürsten. Vaterlandesliebe ist kein Vorurtheil.
Dreyzehnter Brief, von Weckel an den alten Müller. Der Oncle ist gestorben. Wallitz,
Vierzehnter Brief, vom alten Müller an Leidthal. Er ist froh über Ludwigs Glück, obgleich sein Herz sich nicht mehr so freuen kann als ehemals. Man soll mittelmäßige Leute nicht leicht sein Uebergewicht fühlen lassen. Ueber die dänische Nation.
Funfzehnter Brief, von Meyer an Ludwig Müller. Regeln, wie er sich in seiner neuen Laufbahn betragen soll. In wie fern man auf Freunde rechnen kann. Mistrauen ohne Haß. Ueber die Liebe der Weiber. Er hat Madam Becker gesehn, und in ihr seine Wilhelmine wieder erkannt. Sein Gemüthszustand. Etwas über des Cammerraths von ... Character. Portraitte vom Secretair Fränzel, Hauptmanne von Herdel, Hofrathe Tillmeyer, dem Schriftsteller ... und Herrn von Altheim. Der junge Hundefeld ist in hessische Dienste getreten, geht aber noch auf ein Jahr nach Göttingen.
Sechzehnter Brief, von der ganzen Reisegesellschaft an Leidthal. Weckel sieht alles von der lustigen, Meyer von der verdrießlichen Seite an. Hohenau ist empfindsam und Wallitz bewundert alles, findet alles schön. Hannover. Bekanntschaften
Siebenzehnter Brief, von Wilhelminen an ihre Freundinn. Nachricht von der unerwarteten Erscheinung ihres Jugendfreundes. Ihre Empfindungen dabey.
Achtzehnter Brief, von Leidthal an Müller. Er schickt ihm den folgenden Brief von Weckel. Meyer hat nur aus Göttingen ein Paar Zeilen geschrieben. Was er über Universitäten sagt.
Neunzehnter Brief, (in dem vorigen eingeschlossen) von Weckel an Müller, auf der Reise geschrieben. In Zelle wohnte er noch einem Concerte bey. Ueber den Geschmack an Musik. Orchester in Hannover. Er trennt sich von seiner Gesellschaft, und geht von Cassell aus zu einem Freunde ohnweit Herßfeld. Erst in Frankfurt wird er wieder zu seinen Reisegefährten stoßen. Etwas über Hessen. Waisenhaus in Herßfeld. Hessische
Zwanzigster Brief, von Charlotte an Carl. Zärtliche Besorgniß. Sie geht auf einige Zeit zur Frau von Weckel. Die Eltern sind gesund. Der Bruder auf dem Harz. Was ihr derselbe über Seesen, Gandersheim, Goslar, Clausthal, Zellerfeld und überhaupt vom Harz sagt.
Ein und zwanzigster Brief, von Wallitz an Leidthal, aus Frankfurt geschrieben, woselbst sie mit Weckel zusammengetroffen sind. Ueber eine Schmetterlingsammlung. Etwas von Cassell. Marburg. Fluch eines hessischen Officiers. Giessen. Gesellschaft daselbst. Wetzlar. Ton in Gesellschaften. Armuth der Einwohner Kloster Altenburg. Geschichte einer Nonne. Sitten, Lebensart, Character der Frankfurter.
Zwey und zwanzigster Brief, von dem alten Müller an Weckel. Ueber glückliche und unglückliche Laune. Sein ehemaliger Gemüthszustand im Gegensatze mit dem jetzigen. Einige
Drey und zwanzigster Brief, von Weckel, Hohenau und Wallitz an Leidthal. Fortsetzung der Erzählung ihrer Reise. Sie fuhren mit dem Marktschiffe aus Frankfurt. Reisegesellschaft. Ein Capuciner. Inquisition in Preussen. Ein Landedelmann. Wie es da hergieng. Ein armer französischer Officier mit seiner Frau. Höchst. Tabacsfabrik, unnützer Aufwand. Gegend von Maynz. Cartause. Lustschloß. Character des Churfürsten. Lebensart in Maynz. Ein Hofmann in einer bürgerlichen Gesellschaft. Wanzen im Wirthshause. Oppenheim. Herrliche Gegend. Unmenschlichkeit der französischen Nation. Verwüstung der Pfalz. Leiche eines jungen Mädgens. Ein Beinhaus. Der Graf von ... Rhein-Türkheim. Worms. Ein calvinischer Pfarrer. Freinsheim. Gute Leute, bey denen sie sind. Weinlese; Wie sie ihre Zeit hinbringen. Traubencur. Frankenthal. Gastfreyer Freund in ... Redlichkeit der Landschreiber. Bestechungen in der Pfalz. Herxheim; Aussicht daselbst, und in Neustadt. Türkheim; Parforcejagd. Einige Annecdoten. Character eines würdigen Pfarrers. Bauern
Vier und zwanzigster Brief, von Meyer an Leidthal. Fortsetzung. Bekanntschaft mit einigen würdigen und verdienstvollen Menschen. Ueber Speyer. Manheim. Erzählung von Bothen und Gastwirthen. Bildergallerie. Urtheil eines Dilettanten. Schwetzingen. Ueber den Garten. Annecdote von einem Steinfresser. Die Bergstraße. Darmstadt. Sie besuchen einen edlen Mann. Eine englische Werberinn. Die Judengasse in Frankfurt. Ueber dies gedrückte Volk. Offenbach. Wer daselbst regiert, wer da wohnt.
Fünf und zwanzigster Brief, von Leidthal an Hohenau. Es freuet ihn, daß er gute Menschen angetroffen hat. Die Familie der Edlern. Ueber Charlotten. Wie listig sie ihn bewogen hat, Carls Reise abzukürzen. Annecdote von einer kleinen Demüthigung. Ueber Religions-Beweise. Ueber Aechtheit der Freymaurer-Logen.
Sechs und zwanzigster Brief, von Weckel an Müller. Abreise von Frankfurt. Zwey Freunde, Herr von Greb und der Professor Blumenhof gehn bis Nürnberg mit. Seligenstadt. Abtey. Mönchsleben. Domherrn. Dorf, wo die Bauern die Auferstehung nicht glauben wollen. Ein Pudel. Wo der Unglückliche Trost sucht. Ein Kaiserlicher Major von M ... Geschichte einer Entführung. Aschaffenburg. Ein Informator
Sieben und zwanzigster Brief, von Sophie an ihren Vater den Statsrath. Nachricht, wie es ihnen geht. Ueber Erziehung. Madam de Beaumonts Grundsätze. Ein Informator. Ein kleiner Roman von einem, jungen Mädgen, das itzt bey dem Herrn Lescow sich aufhält. Uebrige Nachrichten von dem Bruder Fritz, Peter, Ludwig und Christoph.
Acht und zwanzigster Brief, von der Reisegesellschaft an Leidthal. Sie sind von Nürnberg abgereiset, und haben sich von den beyden guten Reisegefährten getrennt. Schwabach. Fabriken. Zuchthaus. Pleinfeld. Unsichre, schlechte Wege. Eichstädt. Nachforschungen. Lage von Eichstädt. Pfaffenregiment. Verfinsterung. Ein Paar gute Männer. Jesuiten. Ihr Geschäft ist geendigt. Hohenau war unpäßlich. Lebensart,
Neun und zwanzigster Brief, von Leidthal an Meyer. Antwort auf Briefe, die sich nicht finden. Ueber München. Stadt. Gegend. Kirchen. Grafen. Nymphenburg. Hofgarten in München. Toleranz. Beyspiel von Duldung eines Juden. Kälte in Bayern. Edler Zug von einer Erb ... von ...
Dreyßigster Brief, von Hohenaus Bedienten, Friedrich Kirschbrod an den Acciseinnehmer Birnbaum in Urfstädt. Beschreibung von den Processionen in München und auf dem Lande. Wie man dort beichtet. Gastereyen. Kirchengebräuche. Pfaffenbetrug. Familie des Grafen von S ... Freisingen. Wie es dort zugeht. Annecdote von fürstlicher Bestechung.
Ein und dreyßigster Brief, von der Reisegesellschaft an Leidthal. Abreise von München. Göttingen. Oeringen. Unfall daselbst. Postmeister. Heilbronn. Sie treffen den Herrn von P ... an. Heidelberg. Ein herrlicher Mann. Gegend. Schloß. Bild von Lebensart und Wohnung der jetzigen Fürsten. Eigenschaften, welche man von einem Secretair verlangt. Ueber Homburg vor der Höhe, und die dortige Herrschaft. Sie reisen nun nach Neuwied.
Zwey und dreyßigster Brief, von Meyer an Leidthal. Herrliche Wasserfahrt den Rhein hinunter. Wie sie sich im Schiffe beschäftigen. Maynz. Ein guter Mann. Sie finden den
Drey und dreyßigster Brief, von Leidthal an Hohenau. Er freuet sich, daß sie nun bald über Gotha und Weimar zu ihm zurückkehren werden. Er erwartet auch Charlotten und deren Mutter. Die Hochzeit soll bald seyn. Plan auf die Folge. Hundefeld ist nun in Cassel etablirt. Was er mit Wallitz und Meyer vorhat, da Reifenbrück fort ist. Ueber Herrn ... in Gotha, und vom Herzoge von Weimar.
Ich beschrieb Ihnen, bester Vater! die sonderbare Lage, in welcher wir uns Alle hier wiedergefunden haben, in meinem letztern Briefe
1
, und ich hoffe, Sie werden denselben noch vor Ihrer Abreise nach Coppenhagen erhalten haben. Jetzt will ich Sie von
Noch sind wir leider! in beständiger Ungewißheit, wie es mit dem Schicksale des Herrn von Hohenau und seiner Freundinn gehn wird, denn weder der Freyherr von Leidthal noch des Fräuleins Eltern haben bis itzt auf unsre Nachrichten geantwortet – Doch, ich komme zu meiner Erzählung.
Sie können leicht denken, liebster Vater! daß der Herr von Hohenau, beschämt und gerührt über seine bisherigen Verirrungen; in nagendem Zweifel über die Veranlassung, durch welche Charlotte in der Frau Schufit Haus gekommen war; nach näherer Erklärung aber, erfreuet den Gegenstand seiner Liebe unschuldig, verzeyhend, und so zärtlich als jemals für ihn wiederzufinden; endlich ungewiß, was nun künftig ihr gemeinschaftliches Schicksal seyn werde – daß er, sage ich, da in einem Strudel von kämpfenden 2
.
Als daher die ersten Erläuterungen vorüber waren, kam es darauf an, dem armen Kinde einen anständigen Aufenthalt zu verschaffen, und ich wurde abgeschickt, mit einer braven Officierswittwe, deren Bekanntschaft der Lieutenant von B ... gemacht hatte, desfalls zu reden. Diese bewog ich denn auch ohne Mühe, Charlotten auf eine Zeitlang zu sich zu nehmen. Es wurde in demselben Hause ein Zimmer für den Herrn von Hundefeld gemiethet, und wir machten sogleich Anstalt beyde dahin zu führen.
Man fand es der Klugheit gemäß, daß der Herr von Hohenau, bis zu eingelaufener
Was die Frau Schufit und den Grafen betrifft; so glaubten wir, es werde nicht gut gethan seyn, viel Lerm zu machen. Wie kann man es einem Wollüstling verdenken, wenn er neue Gegenstände zu Befriedigung seiner immer an ihm nagenden Begierden aufsucht? Das Weib droheten wir zwar, ihr durch die Policey das schändliche Handwerk, so sie triebe, legen zu lassen; allein sie schien sehr ruhig dabey, und mogte wohl theils in einer so galanten Stadt des höhern Schutzes gewiß seyn, theils selbst fühlen, daß wir, ohne den Ruf des Fräuleins von Hundefeld
Ich bekenne gern, (was man auch zu Vertheidigung des Satzes, daß man in grossen Städten solche Häuser dulden müsse, sagen mag) daß es mich empört, wenn ich bedenke, daß die Vorsteher der bürgerlichen und geselligen Einrichtungen öffentliche Bordelle anzulegen erlauben können, und dadurch Gelegenheit geben, an keine Heiligkeit irgend eines Gesetzes mehr zu glauben. Sündige jeder auf seine Gefahr, und trage die Folgen davon! Aber daß man dem schamhaften Jünglinge, der noch nicht frech, kühn, geübt genug im Laster ist, um Gelegenheiten und Gegenstände zu Ausschweifungen aufzusuchen, wenn er sich dadurch der Gefahr aussetzt, entdeckt zu werden, die Mittel erleichtert, im Stillen den Lüsten zu frohnen, mit der Sprache des Lasters bekannter zu werden, die unglückliche Corruption des Geschlechts näher kennen zu lernen, gewiß zu seyn, daß
Nehmen Sie noch dazu, daß, auch bey der besten Aufsicht, diese Einrichtung gar nicht gegen böse Krankheiten sichert, indem doch nur die dort wohnenden Frauenzimmer, nicht aber die hineingehenden Männer der Untersuchung der Aerzte unterworfen sind; daß folglich das Einzige, was sich noch etwa zu Vertheidigung dieses Misbrauchs sagen liesse, wegfällt; daß in Berlin sogar Damen von vornehmen Stande, wie man mich versichert hat, in solche Häuser schleichen, und dort die Würde, die ihnen Stand, Erziehung
Sie wissen, theuerster Vater! daß ich so gern die geheimen Geschichten des menschlichen Herzens studiere. Als ich daher den folgenden Tag mit dem Herrn Lieutenant von B ... wieder in der Frau Schufit Haus gehen mußte, um wo möglich Nachricht von la Saltière einzuziehn; (welches uns jedoch nicht gelungen ist) so kam ich auf den Einfall, die armen verirrten Mädgen zu bitten, uns ihre Lebensgeschichten zu erzählen, um zu erfahren, durch welche Reihe von Begebenheiten sie in dies Labyrinth gerathen wären. Diesen Plan führten wir aus, und vielleicht ist es Ihnen nicht unangenehm, den Hauptinhalt von einigen dieser Geschichten zu hören.
Sie war nemlich die Tochter eines ehrlichen Beamten auf dem Gute des Herrn
In einem Alter, wo das junge Mädgen noch so vieler Aussicht bedurfte, hätte die gnädige Frau freylich sich auch um ihre sittliche Bildung bekümmern, und bey dem Glanze und den Verfahrungen der Stadt, genauer über ihr Herz wachen sollen. Allein, wie war das möglich, da die Frau von W ... sich nicht einmal der Erziehung ihrer eigenen Kinder annahm, dieselben der Aufsicht einer Französinn überließ, nach deren eigenen Abkunft, Cultur und Sitten man nie gefragt, sondern nur darauf geachtet hatte, ob sie gut plappern und anständig mit Herrschaften umgehen könnte? Die Frau von W ... fuhr täglich in Gesellschaften, tödtete dort
Ich will mich kurz fassen; dieser ganze Plan war von dem Herrn von W ... selbst angelegt, der sie auf diese Art zu seinen Absichten vorbereiten ließ, und den sie endlich eines Tags bey der Frau Schufit antraf.
Von dieser Zeit an wurde ihr Umgang mit ihrem Herrn sehr vertraulich; allein die gnädige Frau, welche sich zwar alles erlaubte, auch ihrem Manne durch ihre zerstreuete Lebensart Gelegenheit zu Ausschweifungen gab, dennoch aber sehr eifersüchtig war, merkte nach einiger Zeit diesen verbotenen
Wir wendeten uns darauf zu einer Andern, die schon längere Zeit die Bahn des Lasters betreten zu haben schien. So wie sie herausgeputzt war (denn vermuthlich dachte sie an uns ein Paar Kundmänner zu finden) hätte sie gern gesehen, daß man sie für ein zwanzigjähriges Mädgen gehalten hätte. Auch war sie vielleicht nicht viel älter. Aber frühe Ausschweifungen hatten solche Züge in ihre Bildung gegraben, daß auch alle Weißbinderkunst vergebens angewendet war, dies zu verlarven. Sie blickte mit frechen Augen
Ich kann nicht sagen, daß ihr Gesicht ohne allen Ausdruck von Würde gewesen wäre. Vielleicht würde sie auch ein gutes treues Weib geworden seyn, wenn nicht sonderbare Schicksale und Verhältnisse, die so oft unsern ganzen Character, unsern Ruf, und die Figur, die wir in der Welt spielen sollen, bestimmen, sie vom graden Wege abgeleitet hätten. Sie war in ihrem siebenzehnten Jahre von ihren Eltern, in Danzig vor der Altare einem reichen Kaufmanne verhandelt worden, dessen Denkungsart, Neigungen und Jahre, (denn er war deren sechzig alt) so mit ihrem ganzen Wesen contrastirten, daß sie ohnmöglich glücklich mit einander leben konnten.
Eine Dritte war an dem üppigen Hofe des ... von ..., dessen natürliche Tochter sie war, aufgewachsen. Ihre Mutter, eine Operntänzerinn, hatte sie zu allen Künsten der groben und feinen Coketterie abgerichtet. Als das Kind heranwuchs, gefiel auch sie dem Durchlauchtigen Wollüstlinge.
Bey jedem neuen Schauspiele wurde der Natur Gewalt angethan, und oft trug ein verschnittener römischer Feldherr auf seinem herabgewürdigten Leibe den Erwerb von einigen hundert seufzenden armen Unterthanen.
Diese Pracht mußte mit jedem Tage zunehmen, weil solche Vergnügungen, die so weit von der edlen Simplicität der Natur abstehen, immer Eckel zurücklassen. Doch dauerte die Lebensart nur so lange, bis das Land erschöpft, die Sitten aller Stände vergiftet, der Cörper des Sultans ausgemergelt, und sein sonst nicht uncultivirter Geist entnervt, zum Vieh hinabgesunken war. Dann machte ihn die öde Langeweile verdrießlich, ungerecht und grausam. Der redliche Mann, der es wagte, die Rechte der Menschheit zu reclamiren, und das schlummernde
Doch Sie kennen ja, bester Vater! die ganze Verfassung; ich fahre also in meiner Erzählung fort.
Die natürliche Tochter ersetzte bald den Platz, den ihre Mutter einst bey dem gnädigen Herrn versehen hatte, und das so lange, bis dieser ein andres Liebesverständniß, das sie mit einem Secretair unterhielt, entdeckte. Da mußten Mutter und Tochter aus dem Lande. Sie kamen an den Hof des Herzogs von ..., und das junge Mädgen erhielt eine Stelle bey der Oper, an diesem prächtigen Hofe. Als aber ökonomische Umstände auch hier eine Abschaffung aller Schauspiele nothwendig machten, war sie ohne Versorgung, und hatte nie Handarbeit gelernt. Ihre Stimme wurde heiser, und es blieb
So wie indessen ihre Jahre zunahmen, und der erste Reiz der Schönheit entwich, sunk sie immer in eine tiefere Classe hinunter. Es ist nicht das Fach solcher Personen, in ihren glänzenden Tagen Geld zu sparen. Als daher keine andre Hülfsmittel für sie übrig blieben, ließ sie sich in Berlin in der Frau Schufit Hause nieder; da lebt sie nun, und steht einer höchst fürchterlichen Zukunft mit nagender Ahndung entgegen.
Allein, ich will Ihre Geduld, theuerster Vater! nicht länger mit Erzählung solcher Annecdoten auf die Probe setzen. Kennen Sie nicht schon Scenen genug von unglücklichen Folgen der menschlichen Verirrungen?
Gott erhalte Sie uns, liebster Vater! das ist der erste Wunsch meines Herzens. Wir hoffen sehnlichst auf Antwort wegen des Fräuleins, und ich bin ewig
Ihr
Noch immer ermüdet das eigensinnige Schicksal nicht, mit mir sein Spiel zu treiben. Ich bin aber so gewöhnt, diese kleinen Abwechselungen zu ertragen, daß ich Ihnen heute mit wahrhaftig ruhigem Herzen melden kann, daß ich wieder der Besitzer von Urfstädt bin.
Ich kam vorgestern Abends hier an, und fand den Herrn von Wallitz auf dem Sterbebette. Ihn hatte sehr nach meiner Ankunft verlangt, und als man ihm sagte, daß ich da wäre, schien die quälende Unruhe, welche man seit dem Anfange seiner Krankheit an
Unterdessen mußte sein Secretair ein Papier herholen, das er mir mit viel Bewegung übergab, und welches ein kürzlich von ihm vor Notarien und Zeugen ausgefertigtes Document enthielt, darinn er, auch in dem Falle, wenn er leben bleiben sollte, feyerlich auf den Besitz der von mir ehemals besessenen Güter Verzicht that, um mich wiederum als den rechtmäßigen Herrn derselben anzuerkennen. Ausserdem hatte er wegen seines übrigen Vermögens, einige Legaten ausgenommen, gänzlich zu meinem Vortheile Verfügungen getroffen.
Er schien darüber betroffen, daß mir dieser Theil seiner Lebensgeschichte bekannt war, und wollte anfangs sich auf keine Weise darauf einlassen; als ich aber in ihn drang, erlangte ich endlich, nicht ohne Mühe, daß sein letzter Willen abgeändert, und der junge Mensch zum Erben seiner baaren Capitalien eingesetzt, mir aber die Verwaltung dieses Vermögens übertragen wurde. Ja! es gelung mir, nachdem er diese Pflicht erfüllt hatte, sein Gemüth in eine gänzlich ruhige und heitre Verfassung zu setzen.
Ach! ich lerne täglich mehr, daß man nie sagen soll, was man thun würde, wenn man an eines Andern Stelle wäre – Wie unsinnig! und doch wie gewöhnlich! – Wenn man an eines andern Stelle seyn könnte; (das heißt, wenn man von eben den Umständen regiert, von denselben Triebfedern getrieben würde) so würde man auch grade eben so handeln, das ist zuverläßig wahr.
Gestern wurde der Herr von Wallitz so schwach, daß er nur wenig reden konnte. Ich ließ den Pfarrer, der sich anboth ihn zu
Jetzt, bester Freund! hat mich also das Schicksal wieder in Umstände versetzt, in
Was meinen Carl betrifft; so mögte ich ihn, bey dieser neuen Lage der Sache, gern aus Berlin weg haben
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. Allein ich will das alles erst genauer überlegen –
Freude über Freude! Seit drey Tagen bin ich hier auf Ihres lieben Pflegevaters eigenem Gute – Ja! auf seinem Eigenthume, denn, daß Sie es nur gleich erfahren, wenn Sie es noch nicht wissen, der alte Wallitz ist todt, und hat unsern lieben Freund in den Besitz von Urfstädt gesetzt. Dieser hat schon Posseßion genommen, der Pfarrer hat gratulirt, der Schulmeister Verse gemacht; Christoph Birnbaum weint vor Freuden; alles ist froh und in Bewegung. Der Herr Secretair Reifenbrück hat sich eine blaue seidene Weste mit Silber machen lassen, und ich trage meinen Sonntagshut jetzt alle Tage.
In langer Zeit bin ich nicht so innigst vergnügt gewesen als jetzt – Der redliche Mann! Ich sagte es wohl, daß er noch einst recht glücklich werden würde. Könnten Sie nur sehen, mit welcher immer gleichen Gemüthsverfassung, mit welcher friedenvollen, mäßigen Ruhe der Seele er diesen Wechsel des Glücks erträgt! Immer derselbe sanfte, weise Mann, der, erhaben über alle äussere Umstände, nur in sich selbst, in dem Bewußtseyn gut und edel zu handeln, seine Wonne sucht.
Wir werden glückliche Tage mit diesem lieben Nachbar verleben. Ich fürchte aber,
Verzeyhen Sie nur, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe. Ich bin jetzt sehr beschäftigt, lese viel, und habe auch allerley Familiengeschäfte zu besorgen gehabt. Wir hoffen indessen Sie bald einmal hier zu umarmen; Ich hätte Ihnen tausend Dinge zu erzählen.
In der Hofnung, daß Sie jetzt in einer ruhigern Gemüthsverfassung seyn werden, darf ich Sie wohl einmal fragen, ob Sie denn noch gar nichts von des Fräuleins von Hundefeld Aufenthalt erfahren haben?
Die Frau von Donnergrund hat sich selbst für ihre Bosheit bestraft. Sie wissen, in welchen Verhältnissen sie mit einem gewissen Herrn von Retzel stand
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. Als nun ihr gemeinschaftlicher
Unterdessen hatte sich ein reicher Pferdehändler gemeldet, der vom regierenden Grafen von ... den Titel als Hofrath bekommen hatte. Dieser fühlte bey sich einen Trieb in dortigen Gegenden sich niederzulassen. Er wollte ein Gut kaufen, und allenfalls, wenn es Gott gefiele, auch eine Frau dazu. Die Speculation, welche ihm ein Jude in den Kopf setzte, mit seinem Vermögen die Güter unserer gnädigen Frau frey zu machen, das ganze Inventarium nebst der alten Dame zu erhandeln, sie baldmöglichst zu Tode zu ärgern, und auf diese Art der ruhige Besitzer von Donnergrund zu werden, gefiel ihm nicht übel. Er brachte sein Anliegen vorläufig durch ein altes Weib, welche mit geräucherten Gänsen handelte, vor, veranstaltete einige Zusammenkünfte, putzte sich
Der liebenswürdige Mann war dringend, die Geldnoth groß – Was will man machen? Man hat schwache Augenblicke. Sie befanden sich einst in einem Kornfelde, um die heisse Mittagsstunde, auf einem Spaziergange, zusammen allein – Er bath, flehete, die gnädige Frau vergaß ihre sechzehn Ahnen, und der triumphierende Liebhaber erhielt ein nicht zweydeutiges, besiegeltes Jawort. In voriger Woche hat der Pfarrer das holde Paar zusammen gekoppelt –
So fahrt denn hin, theure Seelen! Kräftige Peitschenschläge werden bald eine neue Mannigfaltigkeit in Eure Unterredungen
War das nicht eine poetische Beschreibung? Ja! Sie müssen auch wissen, daß ich, der ich sonst so fremd in der schönen Literatur war, jetzt sehr viel Dichter lese. Wir haben hier auf dem Lande eine Lesegesellschaft, die ein Advocat, des Herrn Amtmanns Informator, und der Amtschreiber dirigieren. Da sind denn: Wielands Schriften groß und klein, so viel ihrer auch sind, selbst der Don Silvio, der ein so neues nützliches Werk ist, die Dialogen des Diogenes von Sinope, in welchen Alexander mit so viel Würde seinen Plan die Welt zu bezwingen entwickelt, die Grazien, mit der Vignette, wo diese drey Schwestern des Verfassers Bildniß tragen, und mit dem Briefe in welchem Danae sagt: »Wer kennt nicht die Wärme
Laggiadria singulare e pellegrina
affectirt.
Auch ist der kleine Doctor Kitt ein Mitglied unserer Lesegesellschaft – Ein grosser
Wir halten, unter den Journalen, vorzüglich viel auf die Allgemeine deutsche Bibliothek, ohngeachtet der Pfarrer in Urfstädt behauptet, daß dieselbe heterodox, und daß schon die Stellen in der Apokalypse im zweyten Capittel, Vers 6 und 15, wo von den Nicolaiten geredet ist, auf diese Ketzer zu deuten sey –
Kurz! Ich bin ein schöner Geist, bis über die Ohren. Meine Domestiken fangen schon an zu lesen; die Cammerjungfer lieset dem Jäger aus Sophiens Reise von Memel nach Sachsen vor, und meiner Frau Bedienter weiß die ganze wichtige Rolle des Bischoffs Seewald aus Eduard dem Dritten auswendig.
Ihren
Lieber Sohn!
Der Empfang Deines Briefes vom 29sten voriges Monats, hat Deinem Vater und mir nach langer Zeit den ersten vergnügten Augenblick gemacht. Gott sey Lob und Dank, daß wir endlich die arme Lotte wiedergefunden haben. Das arme Kind! Es ist ja unerhört, wie die bösen Menschen mit ihr umgegangen sind. Eile, so viel Du kannst, sogleich mit Deiner Schwester hierherzureisen. Wir schicken Dir einliegendes Geld dazu, und senden dies wo möglich heute mit der reitenden Post ab, damit es geschwinder gehe. Halte Dich ja keinen Tag
Was wir seit einem Jahre erlebt haben, das hat uns schwer gedrückt, und unsrer Gesundheit einen harten Stoß gegeben. In den zwanzig Jahren unserer Ehe hatte uns keine so harte Prüfung betroffen. Der Himmel wird aber alles zum Guten lenken. Wir sehen Euch mit Ungeduld entgegen. Ich denke, Ihr könnt gegen den 30sten hier seyn. Verkältet Euch nur nicht auf der Reise, die Nächte sind kühl; sondern sorgt für Eure Gesundheit.
Dies bitten wir Euch, und vorzüglich ich
Deine
Theuerster, väterlicher Wohlthäter!
Ach! wenn Ihnen je das Schicksal Ihres Carls am Herzen lag; wenn Sie es noch nicht vergessen haben, wie oft Sie, da ich als Knabe zu Ihren Füßen spielte, oder mit den kleinen Armen Ihre Knie umschlang, wie Sie mich da zu Sich hinaufhoben, und voll Rührung ausriefen: »So lange ich noch einen Bissen habe, soll dich nicht hungern; So lange ich noch einen Heller habe, sollst du nicht Mangel leiden; Und wenn dich die Härte böser Menschen verfolgt, sollst du an meinem Busen Schutz und Trost finden.«
Alles was ich habe und was ich bin, verdanke ich Ihnen, verdanke Ihnen mehr als dem edlen aber unglücklichen Manne, der mir das Leben gab – Warum sollte ich Bedenken finden, dem Schöpfer meiner ganzen moralischen und bürgerlichen Existenz auch jetzt in die Arme zu eilen?
Das Schicksal hat Sie, bester Vater! wieder in glückliche Umstände versetzt – Was ist der elende Bettel, das Geld? Sie geben ihm ja keinen andern Werth, als insofern Sie damit wohlthun können –
Man will mir meine Charlotte entreissen; Morgen geht ihr Bruder mit ihr fort – Und ich soll sie nicht wiedersehen – – Ich kann den Gedanken nicht ertragen – Meine ganze Wohlfarth, mein sittliches Glück, mein Character, alles, ja! die Ehre meiner Freundinn hängt, nach dem was mit uns vorgefallen ist, davon ab, daß ich durch das Band der Ehe mit ihr verbunden werde.
Ohne Sie, bester Vater! kann ich Armer aber nicht daran denken, die Eltern um die Hand ihrer Tochter zu bitten, da ich das liebe Mädgen, bey meinen jetzigen Umständen,
Doch Ein Wort von Ihnen, Eine Erklärung, daß Sie mich unterstützen wollen, bis mich mein Fleiß in irgend einen bessern Zustand setzt, Ein Vorwort bey dem alten Herrn von Hundefeld kann mich zum glücklichsten Menschen machen.
O! versagen Sie mir dies nicht! Mein ganzes Leben soll feuriger, innigster Dank für Sie seyn, und Ihren segnenden Beyfall zu verdienen das eifrigste Bestreben
Ihres
Sie haben wohl Recht, meine theuerste Freundinn! wenn Sie mit mir zürnen, weil ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe. Doch, verzeyhen Sie mir diesmal noch. Ich bin nun einmal faul im Briefwechsel; Und davon können Sie Sich keinen Begriff machen, meine Liebe! wie man immer so mancherley Geschäfte findet, wenn man eine Hausfrau und Mutter ist, und die Sorge einer Haushaltung auf sich hat, mögte diese auch noch so klein seyn.
Sie fragen mich, ob ich glücklich bin? Einer Freundinn wie Sie sind kann ich meine
Sie wissen, daß meine Eltern mich überredeten, einem Manne die Hand zu geben, den mein Herz nicht gewählt hatte. Wie wenig Wonne ich nun in den ersten Jahren meines Ehestandes hatte, das können Sie1
Die üble Laune, welche mir diese nagenden Gedanken erweckten, mußte denn auch leider! mein Mann empfinden, der des Dinges endlich überdrüssig, und, weil er wohl die Ursache davon ahndete, im höchsten Grade mistrauisch wurde. Er beobachtete jeden meiner Schritte, und war äusserst aufmerksam auf meinen Briefwechsel.
Lange nachher habe ich von ohngefehr erfahren, daß der arme Meyer die dortigen Gegenden (vielleicht aus Verzweiflung) verlassen, und daß man seit dieser Zeit nichts von ihm gehört hat.
Unterdessen faßte mein Mann den Entschluß das Land zu fliehen, und mich aus allen ehemaligen Verbindungen heraus zu reissen. Er hatte ohne mein Wissen sein väterliches Vermögen in baares Geld verwandelt, sich völlig frey und unabhängig gemacht, und eher erfuhr ich seinen Entschluß nicht, als bis er eines Tages mit einem ernsthaften Gesichte in mein Zimmer tratt, und mir kurz
Ich war so gleichgültig bey allem geworden, daß mich diese Nachricht, gegen seine Erwartung, gar nicht erschreckte. Mein Vater war gestorben; meine Mutter wohnte schon nicht mehr auf den Gütern des Grafen, sondern war zu einer Verwandtinn gezogen, und starb bald nachher; Was sollte mich also an meinen Geburthsort fesseln? Ich stieg noch in derselben Woche mit ihm in den Wagen, und fuhr auf gutes Glück nach – Wien.
Sobald wir dort ankamen, nahmen wir den Nahmen an, mit welchem ich mich jetzt, zu Ihrer Verwunderung, unterschreibe, und mein Gatte bath mich allen Briefwechsel in mein Vaterland aufzugeben, welches ich, so hart es mir ankam, wie Sie wissen, erfüllt habe.
Ich gebahr wenig Monathe nach unserer Ankunft unsre einzige Tochter, und da dies neue Band mich fester an meinen Gatten fesselte, und nun mancherley häusliche Geschäfte auf mir lagen; so fieng ich an meinen Zustand weniger hart zu finden. Ich sah meinen Mann mit andern Augen an, und fand, daß er in der That ein schätzbarer Mann war, dem ich es nicht verdenken konnte, daß er ausschliessenden Anspruch auf mich machte. Ich fühlte auch, daß würklich eine gewisse Art von Liebe gar nicht zu einer glücklichen Ehe erfordert wird, indem dieser Zustand doch ohnmöglich würde dauern können, und daß ein auf gegenseitige Hochachtung, Pflicht, Bedürfniß und Dienstleistung gestütztes Band
Sobald mein Mann merkte, daß ich anfieng eine gute Frau und Mutter zu werden, war auch er lauter Aufmerksamkeit und Freundlichkeit gegen mich. Kleine Abwechselungen des Schicksals und unerwartete Vorfälle machten wohl hie und da einige Stunden trübe, aber im Ganzen genommen lebten wir doch in jenem seligen Zustande des stillen häuslichen Friedens, der vielleicht die einzige wahre dauerhafte Glückseligkeit ist.
So begegnete es mir, zum Beyspiel, daß ich in einem deutschen Schauspiele einen Mann zu sehen glaubte, der natürlich wie Meyer aussah. Ja! ich wollte darauf schwören, daß er es gewesen ist, und ich erinnere mich noch wohl, welchen Eindruck dies auf mich machte, wie es mir viel Tage hinter einander meine Seelenruhe raubte, und wie mein Mann aufs neue darüber nachdenkend wurde.
Ein andermal suchte ein vornehmer Herr, den wir auf einem Spaziergange im Prater
Allein endlich fanden wir doch, daß man sehr theuer in Wien zehrt; Man hatte uns die Gegenden, wo wir itzt wohnen, wie billig, als sehr angenehm und wohlfeil beschrieben, und daher beschlossen wir hierher zu ziehen.
Wir mietheten ein Häuschen in dieser Landstadt, setzten uns freylich anfangs, durch unsre sonderbare Lebensart, der Neugier des müssigen geschwätzigen Publicums aus,
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waren aber doch bald, nachdem die Leute müde waren von uns zu reden, ungekränkt und so unerkannt als in der größten Stadt.
Hier wohnen wir nun seit ein Paar Jahren, meine Tochter wächst heran, und verspricht mir Freude zu machen, und da itzt mein Mann von meiner Treue und Aufrichtigkeit
Noch einmal! Verzeyhen Sie, wenn ich auf den freundschaftlichen Brief, den ich kurz nachher von Ihnen erhielt, und auf Ihre Anforderung, Ihnen meine Geschichte zu erzählen, erst itzt antworte. Von nun an, da ich wieder in die Gewohnheit des Briefschreibens komme, will ich auch recht fleissig seyn.
Jetzt wissen Sie, wie es mir geht; Lassen Sie bald wieder etwas von Sich hören, meine Beste! und vergessen nicht
Ihre
Ich setzte mich sogleich hin, um Dir, mein bester Carl! zu antworten. Lies aber, darum bitte ich Dich, alles was ich schreiben werde mit Ueberlegung, und ich hoffe, Du sollst von mir zufrieden seyn.
Wenn es nur darauf ankäme, Dir einen Unterhalt zu verschaffen, um eine Frau ernähren zu können; so sollte Dir bald geholfen seyn. Ich habe ja jetzt Vermögen genug, um Dir, den ich so herzlich liebe, so viel mitzutheilen, als Du brauchen würdest, und Du weißt, daß mir das elende Geld nicht an das Herz gewachsen ist.
Du bist itzt verliebt, und glaubst, daß Dir nie ein andres Mädgen gefallen könnte, als Deine Charlotte. Jeder ihrer Blicke, jedes Lächeln ihres süßen Mundes, ist Dir wie ein erquickender Blick der Frühlingssonne. So denkt jeder Liebhaber; ich kenne das.
Aber wird diese Bezauberung ewig dauern? Bist Du, der Du so sehr neu in der Kenntniß des weiblichen Geschlechts bist, gewiß,
Die Heftigkeit der ersten Liebe (das ist eine Erfahrung, die nicht der kalte Mann, sondern jeder weise Beobachter wahr findet) wird nur durch Schwierigkeiten, Wünsche, Sehnen, kleine Entfernungen u.d.gl. unterhalten, und kann, da sie ein Werk des überraschten Gefühls ist, bey längerem Umgange und bey größerer Familiarität nicht fortwähren. Deswegen sind Ehen, die blos auf heftige Liebe gebauet sind, selten ganz glückliche Ehen. Wenn der Rausch vorüber ist, und die Sinne sich gesättigt haben, dann kann nur Hochachtung, die unmerklich der Liebe den Nahmen abborgt, und sich ihn ihr Kleid hüllt, das Band festhalten. Gewohnheit des angenehmen Umgangs, nach und nach entstandene Gleichförmigkeit in der Denkungsart, gemeinschaftliches Interesse und Bedürfniß kommen hinzu, und so entsteht dann ein glückliches Bündniß, und Hang zur
Um aber dauerhafte Hochachtung zu erwecken, muß man feste Grundsätze, einen gebildeten Character haben, und das ist selten der Fall von zwanzigjährigen Leuten. Wenn Ihr beyde zu der ganz gemeinen Classe von Menschen gehörtet; so würde mir weniger bange seyn, daß Ihr nicht Euer Pflanzenleben ruhig hinbrächtet. Aber bey Deinem feinen, noch so heftigen Gefühle, da Du so leicht an kleine Ecken stößest, jeden Augenblick wähnest, Dich in einem Menschen geirrt zu haben, wenn er dem Ideale nicht entspricht, das ihm Deine schwärmerische Phantasie gab – Wie willst Du es da wagen, Dich auf Zeitlebens zu verbinden, alles Gute und Böse gemeinschaftlich mit jemand zu tragen, den Du nicht genau geprüft hast? Und das thut doch der junge Liebhaber nicht.
Weißt Du denn ferner, daß Du auch der Führer, der Rathgeber Deiner Frau seyn mußt? Und meinst Du, das wäre so leicht? Kennst Du das weibliche Herz? Bist Du mit Frauenzimmern aller Art umgegangen? Hast Du Biegsamkeit, Sanftmuth genug, Deine Seele an die ihrige anzuschliessen, der Freund einer Frau zu seyn? Glaube mir, dies Geschlecht ist schwer zu kennen und zu regieren. Ich habe sehr viel aus dem Umgange mit ihnen gelernt. Die Hälfte meines Characters gehört dem andern Geschlechte. Aber ihre Eitelkeit, die so leicht beleidigt wird, ihre
Und wenn Du nun Vater und Hausherr wirst – Weißt Du da auch, wie man Kinder erziehen, wie man das Gesinde behandeln soll, um in der Mittelstraße zwischen Güte und Ernst, Herablassung und Familiarität zu bleiben? Bist Du selbst schon erzogen? Kannst Du Dich selbst regieren? – Verzeyhe mir, wenn ich Dich hier daran erinnern muß, auf welchen unsittlichen Abwegen Du noch vor kurzer Zeit bey den besten Einsichten, wie wenig Du Meister über Dich warst, als das Schicksal Grundsätze in Dir erschütterte, die
Nun laß uns auch von der Person reden, die Du in der Welt spielen willst. Du bist dem Staate Dienste schuldig, bist noch jung, hast noch wenig zum Besten der bürgerlichen Gesellschaft gethan. Womit willst Du Dich beschäftigen? Lieutenant in Berlin kannst Du, wenn Du heyrathest, nicht wohl bleiben. Willst Du ein Hof-Müssiggänger werden? Willst Du in Urfstädt unsre Felder bauen, wovon Du nichts verstehst? Willst Du den schönen Geist machen, Journale, Romanen schreiben und lesen, an der allgemeinen deutschen Bibliothek arbeiten? – Oder was sonst? Denn daran müssen wir doch auch denken.
Ich bin sehr dafür, daß der Mann, welcher viel in der Welt gelebt, und Vorrath für Kopf und Herz gesammlet hat, nicht ewig ein Fürstenknecht sey, sondern sich ruhig in ein Winkelchen zurückziehe, da im Stillen an
Jetzt, da ich Dir alle Schwierigkeiten, die Du auf Deinem Wege antriffst, gezeigt habe, jetzt will ich Dir auch sagen, was ich gesonnen bin für Dich zu thun. Meine Lehren wären nichts werth, wenn ich sie blos ausgekramt hätte, um Dich mit Deiner Bitte abzuweisen. Nein! ich rede als Dein treuer Freund, und als ein solcher werde ich auch handeln.
Kömmst Du dann in derselben Gemüthsverfassung zurück; Ist Charlotte noch dieselbe – Nun wohlan, denn heyrathe sie!
Ich will auch unterdessen sorgen, daß Du einen Würkungscreis erhaltest, in welchem
Und damit Du nicht allein reisest; so habe ich für Gesellschaft gesorgt. Ich gebe Dir den jungen Wallitz mit; Meyer bittet in Dresden um Urlaub und begleitet Euch; Weckel hat sich erbothen auch von der Partie zu seyn, wenn indessen sein Oncle stirbt, wie es denn sehr wahrscheinlich ist – Da habt Ihr eine Kutsche voll Philosophen! Für einen treuen Bedienten, ausser dem, den Weckel mitnimmt, sorge ich. Der deinige mag unterdessen hier bleiben. In vier bis fünf Wochen könnt Ihr abfahren.
Jetzt sprich, junger Mensch! bist Du davon zufrieden? – So antworte mir denn bald!
Nun, lieber Freund! So können Sie denn endlich hoffen, Ihre Wünsche erfüllt zu sehen? Lassen Sie mir die Gerechtigkeit wiederfahren zu glauben, daß ich den wärmsten Antheil an Ihrem Glücke nehme.
Aber freylich mit der Reise – das ist ein böser Umstand. Wir mögten wohl herzlich gern gleich heyrathen. Doch das geht nun einmal nicht an; Beruhigen Sie Sich also darüber; die kurze Zeit soll bald vorübergehn. Ihre Charlotte wird indeß, wie ich hoffe, auf einige Monathe zu meiner Frau reisen. Dort werden sie täglich von uns reden, unsre
Ich weiß nicht, ob ich es wünschen oder fürchten soll, mit Ihnen zu gehen, da die Gewißheit, ob ich dies Vergnügen haben kann, auf den Tod meines ehrlichen Oheims beruht, den ich nicht verlassen werde, wenn er in den Umständen bleibt, darinn er jetzt ist. Es zeigt sich aber keine Hofnung zu seiner gänzlichen Genesung; Er leidet viel, und es wäre ihm in der That geholfen, wenn er bald das Ende seiner Schmerzen sähe. Auch kann er es auf diesen Fuß nicht lange aushalten.
Unsere Reise soll schon ganz lustig seyn. Wir wollen ein gemeinschaftliches Journal incognito, wie der Prinz von S ...
Wissen Sie denn die Geschichte von ihm? Dieser kleine unbedeutende Fürst fuhr mit einem gewissen Herrn von Z ... nach Magdeburg. Als sie vor das Stadtthor kamen, sagte der Prinz: »Ich will hier incognito seyn, und mich für einen Edelmann ausgeben.« Als man ihn daher fragte: »Um Vergebung! wer sind Sie?« gab er sich den Nahmen irgend eines Cavaliers. Die Reihe kam nun an den Herrn von Z ... »Und mit Erlaubniß! was bedienen Sie denn?« »Ich bin der Prinz von S ...« sagte der Herr von Z ... Nun stieß ihn der Prinz in die Seite, und flüsterte: »Aber, mein Gott! Sie wissen ja, daß ich incognito
Das ist eben dieser Monarch, dessen Vetter einst den armen alten Herrn von W ... auf der Jagd erfrieren ließ. Er hatte nemlich den guten Landedelmann zu diesem fürstlichen Vergnügen eingeladen. Als der Abend herankam eilte der Prinz zu Fuße nach Haus, und hatte so wenig Aufmerksamkeit auf seinen Gast, daß er ihn ganz vergaß, sich auch, als der Greis nicht zur rechten Zeit da war, ohne ihn an Tafel setzte. Dieser hatte sich indessen verirrt, und verkältete sich so, daß er wenig Tage nachher starb.
Wir werden manche lächerliche Annecdote aufsammlen, aber auch manche Scene des Jammers sehen, manche Thräne des Mitleidens dem guten gedrückten Menschengeschlechte weyhen. Wir werden in manchen Provinzen unsres lieben Vaterlandes Despotismus
Diese schnellere Corruption haben wir unsern lieben Lehrmeistern, den aufgeklärten Franzosen zu danken, und wahrlich! ich mögte wohl der Rußischen Kaiserinn vorschlagen, sie sollte, wenn sie sich vor den Einfällen der rohen männlichen Tartarn fürchtete, nur eine Colonie von Franzmännern hinschicken, welche die Nation ein bisgen humanisierte; dann bedürfte es keiner Armeen. In dreyßig Jahren würde das wohlriechende, gepuderte, entnervte Völkgen so zahm als möglich seyn, brav Verse machen, Romane lesen, sich unter einander kränken, die bessern stärkern Köpfe verfolgen, und die guten Menschen durch das Gift der Verläumdung auszehren.
Wie würde sich ein Fürst wundern, wenn man ihm vorschlüge, seinen Sohn Arzt werden zu lassen? Aber ohne Bedenken wird er
Doch, wieder auf unsre Reise zu kommen! Könnten wir nicht auch unterwegens Geld verdienen? Erinnern Sie Sich noch eines Mannes, der vor ein Paar Jahren herumreisete
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, und in jedem Wirthshause, wo er abtrat, Morgens und Nachmittags jedermann, der kommen wollte, etwas vorlas, wofür die Person einen halben Gulden zahlte. Er las wie jeder andrer Mann von einzigem Geschmacke, und das kaum; denn er legte
Könnten wir nicht bekannt machen, wir wollten jedem eine Schmeicheley für einen halben Gulden sagen, ein Histörchen erzählen oder d.gl.?
Aber die Post geht ab. Leben Sie wohl, lieber Freund! Es bleibt beym Alten.
Verehrungswürdigster Wohlthäter!
Wie können Sie einen Augenblick zweifeln, ob ich Ihr gnädiges Anerbiethen, den Herrn von Hohenau auf seiner Reise zu begleiten, annehmen werde? Wenn auch nicht mein eigenes Vergnügen, da ich so herzlich gern Länder und Menschen sehe, damit verbunden wäre; so würde es doch wohl keine Frage seyn, ob ich einem Manne, dem ich so alles zu verdanken habe, auf den ersten Winke zu Dienste stünde.
Es hat auch sehr viel weniger Schwierigkeit gekostet, als ich anfangs dachte, vorerst
Dabey ist es mir gelungen, auch unserm lieben Etatsrath Müller einen Gefallen zu erzeigen. Er wünschte lange, daß sein Sohn Ludwig das Schauspielerleben verlassen, und irgendwo angesetzt wer den mögte. Diesen jungen Menschen nun habe ich unserm redlichen Präsidenten (der über alle Vorurtheile hinaus ist) vorgeschlagen. Ich habe es dahin gebracht, daß er bey der Canzelley angestellt und meinen Dienst in den gewöhnlichen Geschäften versehen wird. Hierdurch gewinnen wir Alle, und vorzüglich der junge Müller, der nun in den Zug von solcher Art Arbeit kömmt.
Da Sie, mein gnädiger Herr! gern Portraitte von ausserordentlichen Menschen sehen; so glaube ich, es wird Ihnen keine Langeweile machen, wenn ich Ihnen hier ein treues Bild dieses Mannes vor Augen lege.
Er ist nicht schön; Im Gegentheil! seine Physionomie hat etwas Auffallendes, das Manchem wiedrig scheint, dem feinen Beobachter
Auch hat er in seinem Character eine so glückliche Mischung von Leichtsinn, ohne
Er besitzt sehr viel Eitelkeit – Nicht eben, sich Eigenschaften anzudichten, die er nicht hat; aber sehnlichst zu verlangen, daß man alles Gute an ihm bemerken, ihn nicht grob schmeicheln, aber ihm vorzügliche Achtung und Liebe beweisen soll. Sobald er glaubt mit einem mittelmäßigen Menschen verglichen oder gleichgehalten zu werden; so murrt sein Stolz.
Er hat ein zu fühlbares Herz, nimt so warmen Antheil an den Schicksalen Anderer, als wenn es ihn selbst beträfe – Ja! mehr, denn wenn seine Weichligkeit ihn bey eigenem Kummer fast immer eine üble Rolle spielen läßt; so zeigt er bey den Gefahren Anderer Muth und Entschlossenheit, und ist der beste Tröster. Der Gedanke nicht helfen zu
Hieran ist wohl freylich sein Temperament, sein schwacher Nervenbau mit Schuld; Er kann kein Thier leiden sehen. Nicht aus Furcht vor dem Anblicke des Jammers, dem sich glückliche Leute so gern entziehen, sondern weil er selbst viel gelitten hat, vertrauet mit aller Art von Elende, und nur selten in dem Falle ist, dies heben zu können, weil es ihm an Vermögen und Gewicht fehlt.
Sein Kopf ist hell und aufgeklärt. Er dringt tief in das Wesen der Dinge, ist voraussehend, fein beobachtend, und hat sehr erfahren, gelesen, gesehn, gelernt, seit einigen Jahren aber viel von seinem Gedächtnisse verlohren, weil sich immer eine Menge Gegenstände in seinem Kopfe herumdrängen.
Niemand kann dienstfertiger seyn als er. Auch machen fast alle Leute Misbrauch davon,
Bey der großen Lebhaftigkeit seines Temperaments hat er einen ausserordentlichen esprit de detail und einen höchst pedantischen Ordnungsgeist. Er kann mit ungeheurer Geduld sich um die kleinsten Geschäfte, um Küche, Keller u.d.gl. bekümmern. Dabey ist er, wenn er gestimmt ist und es will, der unterhaltendeste Gesellschafter, der feinste Hofmann, der angenehmste, bescheidenste, sittsamste Freund der Frauenzimmer, die er, vielleicht mehr als er sollte, liebt und ehrt, kann sich mit jesuitischer List in die Gunst auch schlechter Leute einschleichen, aber selten darinn erhalten, weil er nicht in der Folge fortschmeicheln kann, und das zwar, theils
Er ist leicht für jede gute Sache in Feuer zu setzen und mit Enthusiasmus zu erfüllen. Dann fehlt es ihm aber oft an kalter Ueberlegung der Folgen, und augenblickliche Gegenwart des Geistes, die sonst eine Eigenschaft schneller Genies ist, hat er, vielleicht aus zu großer Lebhaftigkeit, gar nicht.
Er thut alles, bis auf die geringsten Dinge, mit äusserster Schnelligkeit, ißt und trinkt gern gut und viel, ohne jedoch unmässig zu seyn. Er ist nur einmal in seinem Leben berauscht gewesen.
Aus zu großer Thätigkeit aller Orten Gutes zu befördern und Böses zu verhindern, hat er sich mehrmals in Händel gemischt, aus welchen er sich nur mit Mühe und oft auf Unkosten seines Rufs herauszog.
In dem Augenblicke, da er beleidigt wird, ist er voll Rachgier, und zuweilen sehr ungerecht gegen den Beleidiger. Aber eine kurze Ueberlegungsfrist bringt ihn zur Vernunft, und dann würde er seinen letzten Bissen mit seinem Verfolger theilen, besonders wenn sich dieser unterwirft, oder unglücklich ist.
Er ist mehr Verschwender als geizig, hat ungern mit Geldsachen etwas zu thun; aber für andre Leute würde er mit Freuden wuchern.
Sein mündlicher Vortrag ist nur dann, wenn Körper und Seele recht gesund sind, (und das kömmt selten) wenn er in Feuer geräth, und die Materie nach seinem Geschmacke ist, hinreissend und zusammenhängend; ausserdem aber verwirrt und zerstreuet. Hingegen schreibt er mit Wärme, Ordnung und Zierlichkeit, kann sich auch beynahe zu jeder Zeit in die Laune zum Schreiben setzen.
Seit einiger Zeit entzieht er sich sehr dem Umgange mit Menschen. Sie haben ihn so oft getäuscht, daß er lieber im Stillen für sie arbeiten, als sie um sich sehen will. Als ihn neulich jemand fragte, warum er so philosophisch lebte, sagte er: »Der Teufel mag am Ende kein Philosoph werden, wenn es einem so schlimm geht!«
Dies ist das ohngefehre Bild eines Mannes, der von der Natur zu etwas Größerm bestimmt zu seyn schien.
Ich sehe aber, daß mein Brief durch diese Zeichnung ungewöhnlich lang geworden ist. Verzeyhen Sie, gnädiger, bester Herr! Ich küsse Ihnen in Gedanken die Hände.
Bester, ewig geliebter Freund!
So werden dann endlich unsre Wünsche erfüllt! – Meine Eltern sind von allem zufrieden, und haben schon unserm Wohlthäter geantwortet – Vor Freuden zittert die Feder in meiner Hand – Auf meinen Knien habe ich Gott gepriesen, der unsres Leidens ein Ende macht –
Zwar soll ich noch ein Jahr, ein langes Jahr von Ihnen getrennt leben – Das ist hart – Doch, ich will nicht murren; In
Aber wirst Du mich auch nicht vergessen, Einziger, liebster Carl! mich nicht vergessen, wenn Du unter liebenswürdigern Mädgen umherschwärmst – O! wenn du das könntest! – Doch nein! das kannst Du nicht. Du wirst nicht wollen, daß Dein armes Mädgen sich abhärmen, aus Kummer dahinsterben soll – Haben wir uns nicht vor dem Angesichte des Höchsten ewige, unwandelbare Liebe geschworen? Bist Du nicht ein treuer, redlicher Mann? –
Guter, bester Freund! Ach! wenn ich daran denke, was ich ausgestanden habe, und welche frohe, wonnevolle Tage ich itzt ahnden darf – Ich kann nichts davon schreiben – Es ist zu viel in meinem Herzen – Ich mögte alles wieder ausstreichen; Es steht so kalt da – –
Wir erwarten Sie nun bald hier – Ich muß den Brief schliessen; der Bothe geht in die Stadt – Tausendmal drücke ich Dich zärtlichst an mein Herz – Morgen fange ich einen neuen Brief an – Komm ja bald zu
Alles ist in Ordnung – Ich bin frey, und eile zu Ihren Füssen ein von Dankbarkeit volles Herz auszuschütten – Bester Wohlthäter, Lehrer, Vater, Freund! Schöpfer meines Glücks! – Was kann ich sagen, das stark genug wäre, Ihnen das Gefühl meiner Seele abzuschildern – Ich hoffe den 26sten dieses Monats in Urfstädt zu seyn, und zähle die Augenblicke bis ich Ihre segensvolle Hand an meine Lippen drücken, und Ihnen sagen kann, mit welcher zärtlichen Verehrung ich bin
Dieses, mein bester Freund! ist also das letztemal, daß ich Ihnen vor Ihrer Herkunft schreibe. Sie haben doch mein Paquet von voriger Woche erhalten? Der junge Wallitz hat mir durch seinen Brief, der nur zu voll von überspannten Ausdrücken der Dankbarkeit war, einen rührenden Beweis seines zarten Gefühls gegeben. Empfehlen Sie mich ihm herzlich, und entschuldigen es, daß ich ihm nicht antworte; Wir sehen uns ja bald hier; Sie würden heute auch nichts mehr von mir lesen, wenn ich nicht grade eine einsame Abendstunde mir damit zu erheitern
Ich war gestern Simoldsstein, und hörte den berühmten Prediger, dessen Beredsamkeit man so sehr erhebt. Dabey habe ich die Bemerkung erneuert, wie viel darauf ankömmt, ob man den sittlichen Character des Mannes schätzt, der gute Dinge sagt, und daß auch von dieser Seite ein Seelsorger doppelte Ursache hat Beyspiel zu geben, wenn er verlangt, daß seine Lehren Eindruck machen sollen.
Mich dünkte würklich der Mann sagte vortrefliche Sachen; Er trug sie auch mit Wärme vor; Er predigte von der Liebe des Nächsten, von Wohlthätigkeit, von guten Werken, zeigte, wie unvernünftig es ist, wie sehr es den redlichen Mann niederschlagen muß, wenn ihm sein Geistlicher sagt, daß ihn seine guten Werke, seine rechtschaffnen Handlungen nicht selig machen können.
Das alles sagte er vortreflich, ohne alle dogmatische Narrheiten, faßlich und fühlbar für jeden Stand, befriedigend für jede Religionssecte. Aber so wie er da stand und Tugend predigte, indeß die Arglist aus seinen schüchternen, jedem festen Blicke ausweichenden
Er ist ein heimlicher Jesuit, und, so jung er ist, schon von einem andern schlauen Bösewichte, der an dem nemlichen Orte wohnt, und das System der Bosheit theoretisch und practisch einem kleinen Circul um ihn versammleter Jünger docirt, in ihre schändlichen Grundsätze eingeweyhet.
Aeusserst einschmeichelnd drängt er sich in Familien ein, um dort Uneinigkeit und Zwist zu verbreiten, alle heiligen Bande der Gesellschaft aufzulösen, über Wahrheiten zu spotten, die er selbst, des schändlichen Gewinstes wegen, lehren muß, und worauf so viel Menschen ihre innere Glückseligkeit bauen; behauptet, wo er es ungestraft thun kann, daß die Moral ein Hirngespinst sey, daß jeder seinen eigenen Vortheil suchen dürfe, und daß es, weil das kurze Leben doch nur durch sinnlichen Genuß und Entfernung von
Doch, wir wollen einen Vorhang zwischen uns und diesen Mann ziehen – Es wird eine Zeit kommen, wo das bedrängte Herz, welches die Uebertretung so vieler süssen Pflichten auf sich liegen hat, deren Erfüllung allein die Harmonie der Schöpfung befördern helfen kann, allen Jammer seiner Herabwürdigung fühlen, sich vergebens nach Ruhe und Frieden sehnen, und umsonst die übel verwendeten Stunden, das gegebene Aergerniß verwünschen mögte; Indeß der verkannte gekränkte Redliche, der nicht gepredigt, aber im Stillen groß und edel gehandelt hat, voll Zuversicht auf die allmächtige Liebe, mit sanftem Lächeln aus dieser Vorbereitungsclasse in eine bessere Welt übergeht – Von Wenigen gekannt, von den Thränen einiger Edlen begleitet, die ihm zum letztenmal mit
Nach der Kirche besahen wir das Schloß und die Gärten des regierenden Grafen. Das ist der saubere Landesvater, von welchem der Herr von Weckel so viel Geschichtgen weiß. Er hat mir kürzlich ein Paar davon erzählt, die würklich einen traurigen Beweis von der Ausartung unserer Staatsverfassungen und von dem schönen Despotismus der kleinen deutschen Tyrannen geben.
Dieser Graf verführt nemlich seine eigenen Bediente, durch abgeschickte Schelme, daß sie sich müssen bestechen lassen; dann macht er ihnen den Proceß, und zieht ihr Vermögen ein, oder erlaubt ihnen, aus
Ueberhaupt darf bey ihm jeder für Geld alles thun. Er hat unter andern eine Verordnung ergehen lassen, welche festsetzt, wie oft die Leute die Kirchen besuchen sollen. Auf den Uebertretungsfall ist Geldbuße gelegt. Wer sich aber abonnirt, und jährlich acht Thaler giebt, kann das ganze Jahr durch den Gottesdienst versäumen.
Einer von seinen ersten Staatsbedienten bekömmt jährlich zweyhundert Thaler, wovon er aber seinem Herrn hundert als Kostgeld für die Hoftafel geben, und mit funfzigen eine Pharaobank im Schlosse machen muß.
Sagen Sie mir, ist es nicht erschrecklich, daß ein gutes, ehemals freyes Volk, sich von solchen Menschen muß regieren oder vielmehr schinden lassen?
Ich schätze einen Mann sehr hoch, der über Cameral- und Finanzwesen gute Bücher schreibt. Wenn er Genie hat; so wird er manche feine kühne Idee zur Welt bringen, die Gelegenheit zu nützlichen Einrichtungen geben kann. Aber dem practischen kältern Geschäftsmanne muß man es überlassen, zu prüfen, ob eine Erfindung, ein Project anwendbar ist oder nicht, und ihm auch die Ausführung übertragen. Jeder schöpferische Geist ist in seine Systeme, in das Werk seiner
Es geht mit allen menschlichen Kenntnissen also. Ich sehe eine Menge Leute, die aus Büchern den Menschen studieren, täglich das Spiel der Betrüger werden, sehe Leute, die das Landleben aus Idyllen und Romanen lieben gelernt haben, sich unter den Bauren ein unverdorbenes Völkgen von arcadischen Schäfern und patriarchalischen Landleuten
Allein ich bin von meinem Grafen abgekommen; ich habe aber auch nichts mehr über ihn zu sagen, als daß ich fest hoffe, er und seine Herrn Mitbrüder werden wohl nicht lange mehr ihre kleinen Fürstentyrannien über unser armes Vaterland ausüben, und es wird einst ein Größerer auftreten, über sie kommen, und ihnen das Handwerk legen.
Es ist beynahe zu verwundern, warum nicht ganze Heerscharen von deutschen Bauren, die so entsetzlich-gemishandelt, vermiethet und gequält werden, und in so wenig Provinzen des Reichs, bey ihrem sauren Schweiße, nur einmal sich rühmen können ein Eigenthum zu haben, das nicht heute oder morgen, zu
Vaterlandsliebe ist kein Vorurtheil. Unsre Glückseligkeit hängt oft an sehr kleinen Fäden, hängt von so geringen Eindrücken, von so kleinen Dingen ab, an welche wir einen eingebildeten Werth heften, und sie so viel Jahre hindurch zu unsrem Bedürfnisse gemacht haben, daß es uns sehr wehe thut, wenn man uns aus diesen Schranken reißt. Dazu kömmt dann die Annehmlichkeit des Umgangs mit Personen, die einerley Art von Erziehung, einerley Richtung des Geistes haben, denen wir uns eher mittheilen und verständlich machen können. Ich bemerke auch in der
Doch ich komme in den Predigerton; Ich denke Sie sind eben so müde zu lesen, als ich zu schreiben. Leben Sie wohl, edler Mann! Ich bin mit herzlicher Ergebenheit
Sie wissen schon, mein verehrungswürdiger Freund! durch des Baron Leidthals Brief
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, daß mein Oncle aus dieser Welt gegangen ist. Was soll ich Ihnen darüber sagen? Er war ein so redlicher Mann, daß ihm Wenige an practischer Rechtschaffenheit gleichkommen werden. Indessen schienen seine Umstände von der Art, daß ihm der kleine Rest von Leben nur zur Last gefallen seyn würde; und wenn gleich mir die Trennung von einem so herzlich guten wohlthätigen Freunde nicht gleichgültig seyn kann; so ist mir es doch von der andern Seite ein
Dergleichen ernsthafte Beobachtungen sind Sie von dem leichtsinnigen Weckel nicht gewöhnt zu hören. Aber glauben Sie mir, ich kann oft sehr schwermüthig seyn – Doch aber will ich Ihnen mit keinen hypochondrischen Klagen Langeweile machen, sondern Ihnen nur angenehme Dinge erzählen.
Wir sind seit gestern Alle hier versammlet; der junge Wallitz, Hohenau, Meyer und ich stehen da gestiefelt und bereit, unsern großen Ritterzug zu machen, den wir in sechs Tagen antreten werden. Wir haben uns Röcke von gleicher Farbe angeschafft. Man wird Einen von uns für einen reisenden
Ich bin etwas unpäßlich gewesen. Verkältung bey dem Nachtwachen an dem Bette meines guten Oheims hatte mir einen steifen Hals zugezogen. Der Doctor Pipenbühl (Sie kennen ihn ja, den Mann mit der Perücke von Eisendrat, dem kleinen Haarbeutel mit Schmelz besetzt, dem kaffeebraunen Rocke,
Dieser nemliche Mann hat neulich einen sonderbaren Entbindungsfall gehabt. Ein Bauersfrau wurde wegen Gartendiebstahl verurtheilt um die Mittagsstunde an den Pranger gestellt zu werden. Sie war schwanger, welches aber der Beamte nicht wußte. Der Arzt speisete bey diesem, als gemeldet wurde, die Frau sey in Kindesnöthen. Der redliche Amtmann wollte sogleich befehlen, man solle sie losschliessen; allein der Herr Doctor versicherte auf seine Pflichten, das sey nur ein Vorgeben, und es sey damit so weit noch nicht. Indessen bestättigte sich doch
Des Doctors Sohn ist ein sehr geschickter junger Mann, und Hofmeister in dem Hause des Herrn von F ... in O ..., mit welchem er aber jetzt einen unangenehmen Proceß führt. Der gnädige Herr war zu nachsichtig gegen seine ungezogene Jugend, und wenn der Hofmeister durchgreifen wollte, so bekam er Streit mit ihm. Eine solche kürzlich vorgefallene Verdrießlichleit, wobey sich Herr Pipenbühl sehr geärgert hatte, bewog den armen Mann einige Tage auf seinem Zimmer zu bleiben, und nicht an den Tisch zu kommen, weswegen er bescheiden um Erlaubniß bath. Der gnädige Herr, welcher gewohnt ist den Erzieher seiner Kinder wie einen andern Hausknecht zu betrachten, murrte sehr, nannte es Eigensinn, und ließ endlich – horribile dictu! – am dritten Tage den armen Hofmeister, selbst durch seine Untergebenen, bey lautem Gelächter des Gesindes,
Ich habe mich herzlich über die bessern Aussichten Ihres Herrn Sohns gefreuet; Sie wissen ja, welchen aufrichtigen Antheil ich an allem was Sie und die Ihrigen betrifft, nehme.
Da kömmt ein Brief von Ihrer Hand an den Baron. Wann etwas darinn steht, worauf Sie Antwort haben müssen; so wird man Ihnen heute noch schreiben. Ausserdem empfehlen wir uns Alle Ihrer Freundschaft und Güte. Vergessen Sie nicht, daß ich auf Reisen wie zu Hause froh bin, wenn Sie mir erlauben, mich nennen zu dürfen,
Ihren
Mein Sohn Ludwig ist entzückt über sein Glück, über die Veränderung seiner Lebensart; Schade, daß ich würklich schon zu alt werde, und zu viel Gutes und Böses durcheinander erlebt habe, um jede Freude so mitempfinden zu können, als ich wohl wollte. Ein Krankenwärter, der bey so manchem gefährlichen Patienten gewacht hat, ist an die kleinen Revolutionen so gewöhnt, daß, wenn ihn der Kranke, sobald er ein wenig Linderung spürt, freudig bey der Hand faßt, und ihm zuruft: »Ach! ich befinde mich besser« er kaum etwas mehr fühlt,
Unterdessen ist mein Herz noch warm genug, um nicht zu vergessen, daß Sie, mein gnädiger bester Herr! die Haupttriebfeder alles des Guten sind, das ich im angehenden Winter meiner Tage mit den Meinigen erlebe. Nun auch dies Kind versorgt ist; nun ist mir nicht mehr bange. Die jüngsten Knaben sind auf gutem Wege, und meine beyden ältesten Kinder so glücklich, als man es, bey dem Spaziergange durch diese Welt, wo doch hie und da ein Steinchen in den Schuh kömmt, seyn kann.
Mir ist nur immer für Ludwigs Vorwitz und Mangel an Welt bange. Er will sich gern aller Orten von der vortheilhaftesten Seite zeigen, und das ist nicht eben der Weg sein Glück zu machen, besonders wenn man die Leute, von denen unser Glück abhängt, merken läßt, daß man sie übersieht. Ich
Allein an dieser und aller andern Art Weltklugheit fehlt es dem guten Ludwig noch sehr – Doch er mag immerhin einmal anlaufen, und aus Erfahrung, welche die beste Lehrmeisterinn ist, lernen weise werden. Sein Platz in der bürgerlichen Welt ist noch nicht so wichtig, daß er sich durch solche kleine Unvorsichtigkeiten unglücklich machen könnte.
Das einzige, was mich kränkt, ist, daß ich nun wahrscheinlicherweise in langer Zeit nicht so glücklich seyn werde, Ihnen, theuerster, vortreflicher Herr! mündlich zu sagen, wie herzlich ich bin,
Ihr
Jetzt, mein lieber Freund! da wir im Begriff sind übermorgen abzureisen, muß ich noch ein herzliches Wörtgen zu Ihnen reden. Wer weiß, wie bald wir uns wiedersehen, und indessen treten Sie in eine neue Laufbahn, mit welcher eine wichtigere Periode Ihres Lebens anfängt.
Bis dahin, mein Bester! waren Sie ziemlich frey; Sie wurden durch keine merkliche Bande an den Staat geknüpft, konnten leben, wie Sie wollten, ohne jemand anderm als Ihrem Herzen Rechenschaft zu geben, und dies Herz war ein billiger, sanfter
Glauben Sie nicht, daß ich Ihnen die Menschen verhaßt machen wollte; Gewiß nicht! Ich will Ihnen im Gegentheil eine Skizze von Gemählden vor Augen legen, an deren Anblick Sie Sich gewöhnen müssen, wenn Sie nicht jeden Tag vier und zwanzig unruhige Stunden haben wollen.
Sieht man auch nur die Sache aus dem rechten Gesichtspuncte an; so wundert man sich gar nicht darüber, daß der große Haufen sich unter einander das Leben so sauer macht. Das gehört mit zu der Ordnung des Ganzen; durch diese Gährung wird manche sonst ruhende
Sie sind lebhaft, verständig, gefühlvoll, unternehmend zum Guten und zutraulich auf die Güte Anderer – O! machen Sie Sich gefaßt, mit diesen herrlichen Eigenschaften wenig Glück in der Welt zu machen – Wiederstand von allen Seiten, Neid, Kälte, ungerechte Auslegung Ihrer unschuldigsten, edelsten Handlungen – das alles erwarten Sie sicher, und dies nicht nur vom vornehmen und geringen Pöbel, nein! von denen Leuten, die sich Ihre Freunde nennen; und haben Sie einst in dreyßig Jahren drey Menschen gefunden, die Sie ganz verstanden, ganz uneigennützig an Ihnen hiengen, von denen Sie treu, unwandelbar, um Ihrer selbst willen geliebt wurden – dann sind Sie ein Sohn des Glücks.
Aber suchen Sie diese Freunde nicht ängstlich, aus Furcht, es mögte Sie gar zu sehr schmerzen, oder erbittern, wenn Sie Sich geirrt hätten. Fragen Sie niemand, wo er hinaus will; Aber Sie werden schon einmal an irgend einen andern stillen Wanderer gerathen, wenn Sie viel Tagereisen gemacht haben, und Sie denselben guten Menschen jeden Abend in derselben Herberge finden; wenn Sie bemerken, daß er stets den nemlichen graden Weg geht, den Sie wandeln – dann ist es wahrscheinlich, daß er eben den Ort erreichen will, wohin Sie streben, und Sie können es versuchen Hand in Hand mit ihm zu wandeln –
Allein auch da werden Sie Sich noch oft getäuscht sehen – Doch, was thut es? Wenn Sie nur indessen nicht auf Irrwege gerathen sind.
Es ist eine alte Bemerkung, aber sie ist deswegen nicht weniger wahr, daß Sie, wenn Sie im Glücke sind, nicht wissen können, wer Ihr Freund ist. Der Eine wird sich Ihnen aufdringen, um sich durch Ihr Zutrauen Glanz zu geben; das Publicum soll es merken, daß ein allgemein geehrter, verständiger, oder gar berühmter Mann sein Freund ist. Der Andre sucht Sie auf, weil er irgend einen Vortheil von Ihnen ziehen, einen Freundschaftsdienst erwiesen haben, irgend etwas lernen, Ihnen irgend etwas ablocken will. Ein Dritter sucht nur in
Und hier habe ich nur von der schlechtesten Classe von Menschen geredet. Aber auch die Bessern, zu schwach ihren Grundsätzen treu zu bleiben, werden, wenn man Sie verläumdet, zurückweichen. Zehnjährige Kenntniß Ihres Herzens wird nicht hinreichen Ihrer Unschuld das Wort zu reden. Die Schmähungen Ihrer Feinde werden dem ganzen Bilde, das Sie so ausgemalt in den Seelen ihrer Freunde glaubten, andre Farben, andre Umrisse geben. Ein Schein von Wahrscheinlichkeit wird genug seyn, Sie der unerhörtesten Handlungen zu beschuldigen, Handlungen, deren Möglichkeit ganz ausser Ihrem Character liegt. Man wird alle Ihre guten edlen Züge vergessen, so manche Probe Ihrer Rechtschaffenheit, so manchen Freundschaftsdienst – Ihre Tugenden werden nicht gegen Ihre Fehler auf die Wagschale gelegt werden; Auf die Heftigkeit Ihrer Leidenschaften
Und mit was für Recht? Sie können eine sonderbare Erfahrung dabey machen. Wenn es Ihnen leidlich wohl geht; dann werden Verwandte und Freunde ruhig seyn; Niemand wird sich beeifern, Ihre Zufriedenheit zu vermehren; Sie werden immer allein für Sich arbeiten, Sich selbst durchhelfen, der Schöpfer Ihres Glücks seyn müssen.
Sehen Sie, mein lieber Freund! das sind Resultate von Erfahrungen meines unruhigen Lebens. Mögten Sie doch alles falsch finden, was ich hier gesagt habe! Zur Ehre der Menschheit wünschte ich es – Aber wie wenig darf ich das hoffen!
Wenn denn einst Ihr lebhafter, thätiger, sorgenloser Geist Sie in einen bösen Handel
Ich weiß nicht, ob Sie je geliebt haben; Also kann ich Ihnen hierüber keinen Rath geben. Auch ist da schwer zu rathen; denn dies süße Ungemach kömmt über uns, wenn wir es am wenigsten erwarten. Fliehen Sie also, so lange Sie noch können. Ist es aber zu spät – dann erfahren Sie selbst, welche Revolution die erste Liebe in Ihrem ganzen Wesen hervorbringen wird. Nur merken Sie Sich, daß Sie nie bey dem andern Geschlechte jene gänzliche treue Hingebung erwarten müssen, mit welcher wir Männer uns ihnen in die Hände liefern.
Der klügste Mann ist, wenn er liebt, nicht mehr Meister seines Verstandes. Er wird nichts hören, nichts sehen, als seine Geliebte; Alle übrigen Weiber werden für ihn Bildsäulen seyn. Vergebens wird er sich in einer Gesellschaft, worinn die Freundinn seines Herzens ist, verstellen wollen. Man wird sehen, wie seine Augen nur sie suchen,
Ist es würklich eine ganz andre Art von Leidenschaft was sie Liebe nennen, und wobey sie sich noch immer so planmäßig in ihrer Gewalt haben, oder hat der Schöpfer gewollt, daß sie dadurch gegen unsre Zudringlichkeiten geschützt seyn, sich weniger vergessen sollten? – Das kann ich nicht entscheiden; Genug, die Natur hat es so gewollt, und eben diese kleinen Cocketterien, welche den Weibern beynahe angebohren werden, geben der Liebe mehr Mannigfaltigkeit. Das
Und nun, da ich Ihnen von einer Leidenschaft geredet habe, die so großen Antheil an meinen vielfachen Schicksalen hat; so muß ich Ihnen etwas vertrauen, das mir schwer auf dem Herzen liegt.
Sie wissen, daß seit einiger Zeit ein gewisser Herr Becker (wenigstens giebt er sich diesen Nahmen) nebst seiner Frau in dem Städtgen ohnweit Urfstädt wohnt. Da niemand diese Leute kannte, und sie allen Umgang mieden; so erregten sie anfangs die
Vorigen Diensttag nun, als ich, mit einem Buche in der Hand, an dem Bache hinter dem neuen Garten her spazieren gehe, begegnet mir dies Paar – Und welche unangenehme Entdeckung! – ich erkannte in der Frau die Geliebte meiner Jugend, meine Wilhelmine. Was ich in dem Augenblicke empfand, das bin ich nicht fähig Ihnen zu beschreiben. Auch weiß ich mich es kaum mehr zu erinnern; Meine Verwirrung war so groß, daß ich mich noch zuweilen gern überzeugen mögte, ich hätte mich geirrt.
Ob sie mich erkannt hat, weiß ich nicht. Ich war nicht genug bey mir selbst, um
Nicht als wenn meine alte nun überwundene Liebe aufgewacht wäre! Dieser Schaden ist – leider! – längst geheilt; Aber die Rückerinnerung alles dessen, was ich um Wilhelminen gelitten habe, meine Schicksale, die fast alle Folgen von dieser Leidenschaft gewesen sind – das alles, und viel andre Dinge drängen sich itzt vor meine Phantasie, so sehr ich mich bemühe diese Gedanken zu vertreiben – Ich fürchte, es wird das Vergnügen meiner Reise sehr verbittern, mir böse Launen machen.
Mich dünkt der Herr Becker hat einen finstern unfreundlichen Blick. Wenn er nur gut mit ihr umgeht! –
Sie wird mich wohl nicht mehr gekannt haben; Sie hat mich, hoffe ich, längst vergessen – Zerreissen Sie nur diesen Brief – Das wäre Wasser auf des Herrn von Weckels Mühle, wenn er über eine solche Wiederfindung scherzen könnte – Seine Lustigkeit ist meiner itzigen Gemüthsverfassung sehr zuwieder – Aber der Mann meint es so gut; Mein Verdruß macht mich ungerecht – Gott erhalte ihm sein fröhliges Humor! – Und nun wollen wir nicht weiter von dieser Sache reden –
Sie bitten mich, Ihnen ein Portrait von einigen der Leute zu machen, mit denen Sie itzt leben. Allein mein Brief ist schon so lang, und Sie werden alle diese Personen bald
Sie wissen, wie sehr ich Ihnen empfohlen habe, die Freundschaft des Cammerraths von ... zu suchen. Er ist auch wahrlich ein edler, seltener Mann. Mit dem allen aber wünschte ich doch nicht, daß Sie ganz Ihren Character nach dem seinigen zu bilden suchen mögten, wenigstens nicht in Ihrer jetzigen Lage. Sein freyes, ofnes Herz fließt zu oft über, wo es Wahrheit und Aufrechterhaltung der guten Sache gilt, und da trifft denn oft sein gerechter Eifer den heuchlerischen aber rachgierigen, mächtigen Bösewicht so scharf, daß der gute Cammerrath sich dadurch
Der Secretair Fränzel hat viel gute Anlage. Wenn er nicht ganz ist, was er seyn sollte; so schieben Sie die Schuld auf Rechnung seiner Erziehung und der durch schlechten Umgang erhaltenen Eindrücke. Er ist ein hübscher Mann, gefiel früh den Weibern, wurde von ihnen geschmeichelt, fiel aber unglücklicherweise ausschweifenden, wenig gebildeten Frauen in die Hände; daher die Frivolität, mit welcher er über alles hinausglitscht. Er liebt das Vergnügen, und hat nicht Festigkeit genug, sich irgend eines zu versagen. Da er für sich wenig Vermögen hatte; so mußte er sich, bis er dahin kam, wo er jetzt ist, um Gönner bewerben, diesen
Der Hauptmann von Herdel, der mit Ihnen an einem Tische speiset, ist noch sehr jung, voll Lebhaftigkeit und gutes Muths. Sein Kopf ist hell, sein Herz nicht ohne Gefühl. Aber schwerlich werden Sie ihn fest an irgend etwas binden können. Er ist aufbrausend, heftig, ein beständiger Wetterhahn seiner stürmenden Leidenschaften. Er hat nie Mangel gefühlt, sondern war das Lieblingssöhnchen seiner Eltern, und daher hat sein Character nicht die zum geselligen Leben so nöthige Biegsamkeit angenommen. Bey allem Anschein der wärmsten Theilnehmung lebt er doch nur einzig für sich, und hat dabey hohe überspannte Begriffe von falscher Ehre, welche, nebst einer unbegränzten Eitelkeit, allein die Triebfeder seiner Handlungen ist.
Der Herr von Altheim hat eine sehr eingeschränkte, falsche Erziehung genossen, welche denn auch seine vortrefliche Anlage gänzlich erstickt, sein von Natur warmes treues Herz erkältet, seinen Kopf verdunkelt hat. Hie und da sieht man noch einen Blick von diesem Guten hervorschimmern, aber es ist alles nur Erscheinung. Er steckt voll Vorurtheile, ist eigensinnig, an Müßiggang gewöhnt, melancholischen Temperaments, und fast immer in der Einbildung krank, welches wegfallen würde, wenn er eine geschäftigere Lebensart wählte.
Sehen Sie, mein Lieber! da haben Sie ein kurzes Bild der mehrsten Personen, mit
Aber es ist wohl Zeit, daß ich diesen Brief schliesse; Er kann für drey gelten. Dagegen erwarten Sie in den ersten acht bis zehn Wochen auch keinen wieder. Ich werde bey dem Anfange unserer Reise schwerlich so viel Muße finden; Sie erhalten ja durch Ihren Herrn Vater immer Nachricht von uns.
Der junge Herr von Hohenau ist wieder nach Göttingen gegangen, woselbst er noch ein Jahr studieren, und dann die ihm zugesicherten hessischen Civil- und Hofdienste in Cassell antreten wird.
Leben Sie, lieber guter Müller! recht wohl und zufrieden. Niemand nimt wärmeren Antheil an Ihrem Glücke, als
Ihr
Bis dahin, bester Vater! sind wir glücklich gekommen, und es gefällt uns ganz gut hier. Wir sind Alle fröhlig und guter Dinge, unsern ehrlichen Meyer abgerechnet, der zuweilen Anfälle von Hypochondrie hat, so sehr er sich auch beeifert, ein heitres Gesicht anzunehmen. Doch hoffe ich, es soll sich schon nach und nach legen; wenigstens thut der Herr von Weckel redlich das Seinige dazu. Er überrascht uns jeden Augenblick mit höchst possierlichen Einfällen, pinselt alles, was uns aufstößt, mit bunten lustigen Farben an, und hat uns unterwegens in
Vorgestern, sobald wir ankamen, zogen wir uns an, und fuhren herum, unsre Addressen abzugeben, wobey wir ein Paar interessante Bekanntschaften machten. Beyliegender Brief des vortreflichen Z ... an Sie,
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theuerster Vater! wird Ihnen darüber mehr erzählen. Wir geniessen den wohlthätigen Umgang dieses großen Mannes in ganzer Fülle.
Ich finde es täglich mehr bestättigt, was Sie uns über den Character der Niedersachsen gesagt haben. Diese glücklichen Provinzen von Teutschland haben weniger von der Ueberschwemmung der französischen Lebensart gelitten. Es herrscht hier mehr Festigkeit, Eigenheit, Würde, Mannheit, und doch zugleich mehr wahre Sanftmuth und Milde, als in den leichten Provinzen
Hannover ist weder groß noch besonders schön gebauet, aber sehr bevölkert, und es herrscht hier eine gewisse Opulenz, ein Ansehn von Wohlstand. Mich dünkt die Leute sehen Alle so aus, als wenn sie ein gutes Gewissen
Viel Merkwürdigkeiten sind hier nicht zu sehen, doch darum reisen wir ja auch nicht. Das Lustschloß Herrnhausen hat einen großen langweiligen Garten, und ein sehr schlechtes, nicht einmal massiv gebauetes Schloß, in welchem die antiken Büsten, die ein wenig durch unvorsichtiges Reinmachen gelitten haben, (denn sie stehen im Orangeriehause, wo sie im Winter von den Ausdunstungen angegriffen werden) das beste sind. Die Wasserkünste sind eine Seltenheit; die große Fontaine springt ungeheuer hoch und dick, welches um so mehr zu verwundern seyn mag,
Die königliche Bibliothek ist vorzüglich stark im historischen Fache, und an Leibnitzischen Manuscripten. Ich mögte wissen, ob es wahr ist, was uns einst Herr Müller erzählte, daß man unter dieses Weltweisen Papieren einen Briefwechsel mit Jesuiten gefunden haben sollte, darinn er sich anheischig gemacht, gegen eine Summe Geldes die Transsubstantiation, metodo mathematica zu beweisen.
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Man sieht eine Menge schöner Equipagen, und viel schön gekleidete Lakayen, wovon die Straßen stets voll sind; denn man ist gewöhnt, sehr viel Visiten zu machen, und selbst die Herrn Minister haben täglich des Morgens eine Art von Cour, statt daß an jedem andern Orte sich ein mit wichtigen Geschäften beladener Mann sehr wundern würde, wenn man ihm, ohne etwas mit ihm zu reden zu haben, des Morgens beschwerlich fiele. Hier aber wird dies als eine zum Wohlstand nöthige Sache angesehn.
An der Landes-Regierungsverfassung wird nicht viel gekünstelt – Vielleicht um desto besser! Alles geht seinen nicht willkührlichen, einmal festgesetzten Gang. Einländer haben, wie billig, den ersten Anspruch auf Versorgung, und die Dienerschaft ist reichlich bezahlt.
Uebermorgen gehn wir über Hildesheim nach Braunschweig, und dieser Brief reiset mit. Bis dahin empfehle ich mich Ihrer väterlichen Gnade.
Carl.
Nun ergreife ich die Feder, mein bester gnädiger Herr! um Ihnen weiter von uns Nachricht zu geben.
Hildesheim ist ein bischöflicher Sitz, das heißt: alle Straßen dieses finstern häßlichen Orts wimmeln von Betlern, indeß sich ein Heer müßiger Pfaffen zur Ehre Gottes mästet – Wir eilten weiter –
Braunschweig ist groß, war einst eine glänzende, reiche Stadt, ist aber jetzt ausser der Messe äusserst tod. Obgleich es so nahe an dem hannöverschen Lande liegt, und ehemals ein Stück desselben ausmachte; so herrscht doch schon einige Verschiedenheit im Character und in den Sitten beyder Stämme. Da sieht man, welchen großen Einfluß die Regierungsverfassung hat. Dazu kömmt noch daß, was die Stadt selbst betrifft,
Wir haben hier Gelehrte und schöne Geister aufgesucht, auch einige schätzbare Menschen kennen gelernt. Die jungen Herrn sind sehr vergnügt, und ziehen mich den ganzen Tag durch alle Gassen. Morgen sehen wir die Lustschlösser und Wolfenbüttel.
Der Herr von Hohenau hat an seine Charlotte geschrieben; Ich bin so frey den Brief hier einzulegen. Es wird wohl viel verliebter Unsinn darinn stehen. Wie glücklich, daß ich ihn nicht zu lesen brauche!
Meyer.
Dieser Brief soll von hier fortgeschickt werden, und die hochansehnliche Gesellschaft trägt mir auf den Rest desselben mit der Erzählung unsrer weitern Reise anzufüllen.
Auf dem höchst angenehmen Wege von Braunschweig nach Wolfenbüttel, zwischen Gartenhäusern, Lustschlössern und anmuthigen Wäldern schlief er ruhig ein; Als wir nach Wolfenbüttel kamen, rief er aus: »Mein Gott! Ist das eine Stadt, eine ehemalige Residenz? Es wächst ja Gras auf den Straßen. Man sieht keinen Menschen. Am hellen Mittage meint man, die Leute
Dergleichen Einfälle brachte unser hypochondrische Freund in Menge vor, und als wir auf der Reise von Wolfenbüttel hierher nach Zelle durch die lange öde Heide kamen, da hätten Sie ihn über die Natur schimpfen hören sollen. Indessen muß ich ihm die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß er sich hier noch so leidlich beträgt –
Aber der Herr von Wallitz bittet mich aufzuhören. Er will doch auch gern ein Paar Zeilen zu diesem allgemeinen Rapport setzen. Leben Sie also wohl, lieber, vortreflicher Freund! Ich werde Ihnen nächstens einzeln schreiben.
Weckel.
Zelle ist ein gar allerliebster freundlicher, obgleich nicht großer Ort. Die Vorstädte machen den angenehmsten Theil davon aus; Auch wohnen darinn die angesehensten Leute.
Die hiesige Lebensart ist so ungezwungen, der Ton in Gesellschaften so zutraulich! Der Umgang hat durch die Verwandtschaft der ehemaligen Herzoge von Zelle mit französischen Häusern, durch die hierher gezogenen Hugenotten und durch den Krieg grade so viel
Dazu kömmt, daß die verschiedenen Stände sich nicht absondern. Jeder sittliche, angenehme, sichre und verständige Gesellschafter (hätte er auch gar keine Ahnen) ist in Zelle in den ersten Circuln willkommen, da hingegen in Hannover das Ding ganz anders beschaffen ist.
Man fängt an, hier so wie bey Hannover, Gärten im englischen Geschmacke anzulegen.
Wir haben diesen Morgen eine öffentliche Anstalt gesehen, wobey freylich ein gefühlvolles Herz lebhaftes Mitleiden empfinden muß, worinn wir aber doch zugleich die Ordnung der Aufsicht, den Kostenaufwand, und die Reinlichkeit bewundert haben; Ich meine
Uebermorgen reisen wir weiter, und denken den 26sten in Göttingen zu seyn.
Ich verharre mit dankbarster Ehrerbiethung,
Ihr
Sie erwarteten wohl nicht, meine liebe Freundinn! als ich Ihnen neulich einen Theil meiner Schicksale erzählte, ich würde Ihnen bald melden können, daß ich den Mann, der einst der Gegenstand meiner ersten Liebe war, von Angesicht zu Angesicht – gesehen habe – Und doch ist dies heute der Fall. Aber fürchten Sie desfalls nichts für meine Ruhe! Freylich habe ich nicht ohne Gemüthsbewegung einen Menschen erblicken können, der mir ehemals so nahe am Herzen lag. Wer auch nicht scharfsichtiger Beobachter gewesen wäre, der müßte doch meine Bestürzung, meine Verlegenheit, den Ausdruck von tausend Empfindungen, die sich alle auf
Es war mein Glück, daß dieser erschütternde Auftritt mich nicht in einem gesellschaftlichen Circul, sondern auf einem Spaziergange bey Urfstädt überraschte.
Wie Herr Meyer dahin kömmt, das weiß ich noch nicht; Nur soviel habe ich erfahren, daß er sich seit einiger Zeit bey dem Baron Leidthal aufgehalten hat, und wenige Tage nach dem sonderbaren Zufalle, der ihn vor meine Augen brachte, mit ein Paar jungen Herrn auf Reisen gegangen ist. Doch auch ohne diesen Umstand, der ihn wieder von hier entfernt, würde mir in der Folge nicht bange für meine Gemüthsruhe seyn. Ich habe mich sorgfältig geprüft, und glaube mich stark genug, täglich mit ihm umgehn zu können, ohne daß je ein Gefühl von wiedererwachender Liebe in mir aufkeimen würde. Auch war mein sonst so ängstlicher Mann so
Unterdessen wäre ich doch neugierig zu erfahren, ob er mich wiedergekannt hat; Ich glaube es nicht. Zehn Jahre können schon ein Weibergesicht verändern. Wer weiß, wenn ich einmal das Glück hätte Sie, beste Freundinn! wieder zu umarmen, ob auch Sie mich dann noch kennen würden.
Seyen Sie aber überzeugt, daß wenn auch die Zeit meine Züge verändert, dieselbe doch keinen Wechsel hervorgebracht hat in dem Herzen
Ihrer
Ich schicke Ihnen, mein lieber Freund! hier einen Brief unsres muntren Weckels an Sie
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, den er mir offen eingeschlossen hat. Von dem guten Meyer habe ich nur wenige Zeilen aus Göttingen erhalten, die (der Himmel weiß, warum?) voll böser Laune sind. Er schilt alle Universitäten, sagt: es seyen gelehrte Findelhäuser, wo manches Genie, durch Verwahrlosung und Mangel an guter Nahrung (indem man ihm nur aufgewärmte Wassersuppen reichte) ermordet würde. Wenn er ein großer Herr wäre, meint er, so würde er alle diese Weisheitssinnungen,
Sie sind den 26sten Abends nach Göttingen gekommen, und haben den jungen Hundefeld, mitten unter Büchern, gesund und vergnügt gefunden.
Ich schreibe diese Zeilen in Eil, weil ich Besuch erwarte. Es gehe Ihnen wohl, lieber Freund! Denken Sie zuweilen an
Ihren
Ich will diesen Brief an Sie noch hier in Zelle anfangen, und denke daran so fortzuschreiben, bis ich nach Frankfurt komme. Heute waren wir in einem Privatconcerte, und ich habe gefunden, daß hier recht viel Musicliebhaberey herrscht. Sie wissen, daß ich schon sehr vortheilhaft von den mildern Sitten einer Stadt urtheile, in welcher man Geschmack an Tonkunst findet. Da schleiche ich gewöhnlich, wenn ich an einen fremden Ort komme, des Abends durch die Gassen und horche, ob in den Häusern gespielt und
In Hannover schien mir der Geschmack in der Music steifer als hier. Das dortige königliche Orchestre ist aber dennoch mit einigen guten Spielern besetzt, und diese werden gut besoldet. Nur hat es mich gewundert zu hören, daß die Größe des Gehalts sich nicht nach dem größern Talente, sondern nach der Anciennität richtet. Man hat mir erzählt, (ich stehe nicht für die Wahrheit der Sache) daß der Aelteste unter den Hofmusikern allzeit die stärkste Gage bekäme, wäre er auch nur ein leidlicher Bratschenspieler, da indeß der unentbehrlichere aber jüngere erste Violinist sich vielleicht nur halb so hoch steht.
Morgen reisen wir fort – Gott befohlen, Herr Etatsrath!
Noch ein Paar Zeilen, ehe ich fortreise, denn ich bin im Begriff mich auf einige Zeit von meiner Gesellschaft zu trennen. Wir gehen zwar morgen zusammen nach Cassell; da aber die andern hohen Herrschaften sich daselbst einige Tage aufhalten werden, ich aber einen alten Freund ohnweit Herßfeld besuchen will; so fahre ich weiter, und werde erst wieder in Frankfurt zu ihnen stolzen.
Ich bin in Hessen – Ja! meine Rippen fühlen es – Schöne Wege – Berge über Berge – fröhlige Armuth – Entvölkerung – schmutzige Wirthshäuser – schlechte Kost – langsame Postanstalten – Corruption des Landvolks, welche die Soldaten aus der Residenz bringen – liebäugelnde Mädgen – elende Music – ja! ich bin in Hessen –
Mein Postillon pfiff den ganzen Weg durch eine jämmerliche Polonaise – Ich
Muß ich nicht schon wieder auf die Pferde warten! –
Indem ich so im Zimmer umher suche, finde ich eine gedruckte Nachricht von den Geschenken, die im vorigen Jahre an das hiesige Waisenhaus eingeschickt worden sind. Da steht zum Beyspiel: es habe Einer einen Kalbsbraten geschenkt, und sich dagegen vorbehalten, man solle Gott um Gesundheit für ihn bitten –
Wie doch jedermann hier in Hessen so fehlerhaft schreibt! Hier liegt eine gedruckte Verordnung, in welcher auf einer Seite vier Fehler gegen die Rechtschreibung sind.
Endlich kommen die Pferde – Fort von hier! –
Ich habe seit vorgestern manche vergnügte Stunde bey meinem alten Freunde zugebracht. Er hat den letzten Krieg mitgemacht, und darinn den Ruhm eines herzhaften, redlichen Mannes erworben. Da ihn der Fürst nicht so für seine Dienste belohnte, als er es erwarten konnte; so nahm er seinen Abschied, lebt nun auf seinem Eigenthume, wo er von jedermann geliebt ist, und würkt so viel Gutes als er kann. Er ist von gar milder, edler Gemüthsart, ein warmer Freund aller redlichen Menschen, gastfreundschaftlich, (wie
Ich habe glücklicherweise einen angenehmen Reisegefährten, den sächsischen Major von Sterkfeld gefunden, der mit mir bis Frankfurt gehn wird. Wir sitzen hier im Wirthshause, und erzählen uns allerley. Jetzt da er eben ein Paar Briefe schreiben muß, will auch ich, bis unser Abendessen kömmt, ein wenig mit Ihnen plaudern.
Weil wir eben von Schulen reden; so muß ich Ihnen doch etwas erzählen, das mir der Major von Sterkfeld beschrieben hat. In der Reichsstadt ... herrscht bekanntlich wenig Sorge für die Erziehung der Jugend. Lustbarkeiten und Gewinnsucht lassen den Eltern nicht so viel Zeit übrig, um daran zu denken. Die ansehnlichste Schule hält ein gewisser Herr Eyermann. In derselben werden dreyhundert Knaben zusammengearbeitet. Gern nähme der liebe Mann auch tausend auf, wenn es möglich wäre, sie in das Zimmer zu stopfen, denn dies Zimmer ist so klein, daß die Kinder ihre Arme kaum von dem Leibe bringen können. Bey dem Eintritte muß ein jeder seinen Hut hergeben, welcher mit den übrigen zu einer großen Pyramide aufgethürmt wird. Diese Pyramide wirft der Herr Präceptor, nach Endigung der Stunde, mit dem Fuße um, und dann
Nun muß ich Ihnen aber auch eine lustige Geschichte liefern, die der Major selbst mit angesehen hat. An dem Hofe zu ... speiseten
Da kömmt unser Abendbrod! Ich bin froh, daß doch hier kein Franzwein herrscht. Sonderbar! In ganz Niedersachsen wird fast lauter Franzwein getrunken, ein Wein, der, so wie er da ist, gar nicht wächst. In Bremen sind die Brauhäuser, worinn er vor
Nun wollen wir speisen. Das Zimmer, darinn wir sitzen, ist ganz hübsch. An den Wänden hängen Monumente fürstlicher Heldenthaten. Es sind Bilder von Hirschen und Rehen, darunter immer geschrieben steht: »den 20sten ... haben Ihre Hochfürstl. Durchl. diesen ansehnlichen edlen Hirsch Nro. I. geschossen« u.s.f. – Gute Nacht! –
Ich komme eben an, und finde einen Brief von Meyer, darinn er mir meldet, sie würden morgen hier eintreffen – Die Post geht ab; es ist über fünf Uhr – He! Keller! Licht – Leben Sie wohl, ehrlicher guter Freund!
Kaum bin ich drey Stunden in dem Besitze Ihrer zuletzt an mich geschriebenen Zeilen, und schon schreibe ich wieder an Sie, theuerster, bester Freund meiner Seele! Ach! es ist die einzige Beschäftigung, der ich mich so von ganzem Herzen überlasse. Seitdem Sie aus meinen Armen gerissen sind, geniesse ich keinen frohen Augenblick, ausser wenn ich entweder Ihre Briefe erhalte, oder durch ein zärtliches Seelengespräch mich an Ihre Seite hinversetze – Und doch ist auch keine dieser Freuden ganz lauter, ganz vollkommen. Ihr letztes Blatt – darf ich es sagen, daß meine Zärtlichkeit nicht davon zufrieden ist? –
Vergieb, Geliebter! vergieb den bangen Zweifeln Deines Mädgens – Ich setze kein Mistrauen in Deine Redlichkeit, in Deine Treue – Nein! gewiß nicht! Aber wie, wenn unvermerkt mein Bild, das Du in Dein Herz aufnahmst, zu verlöschen anfienge, wenn meine Züge sich mit andern vermischten, von irgend einer jener artigen Frauen, welche Du auf Deiner Reise kennen lerntest, und die Du mir mit so viel Wärme lobst? –
Ich bin heute ausserordentlich zur Schwermuth gestimmt – Meiner Einbildungskraft drängen sich immer neue Bilder der Traurigkeit und des Jammers vor – Wenn ich
O! schreiben Sie bald wieder an Ihre Charlotte, mein Bester! Um unsrer Liebe willen, thun Sie es! Noch muß ich Sie bitten, Ihren nächsten Brief nach ... zu richten; Ich gehe auf dringende Einladung in einigen Tagen zu der Frau von Weckel. Diese gütige Freundinn glaubt, daß einige Zerstreuung meiner Gesundheit zuträglich seyn mögte. Wir wollen die Klagen über die Abwesenheit unsrer Freunde vereinigen, und das wird vielleicht meine Seele erleichtern.
Unsre Eltern sind jetzt leidlich wohl.
Es gefällt ihm sehr wohl dort. Die ersten Tage besahe er nur den Unterharz, und war über Nordheim nach Seesen gereiset, wo er einen Freund hat, einen treflichen muntren Mann, der, glaube ich, dort als Forstmeister steht.
Seesen macht ein kleines Städtgen aus, in welchem einige wackre Leute wohnen, welche ganz gesellig, theils unter sich, theils mit der Nachbarschaft leben. Von da gieng er auf einige Stunden nach Gandersheim, wo ein kleiner Hof der Aebtissinn (vom herzoglich-braunschweigischen Hause) ist. Dieser Ort gefiel ihm nicht sehr. Er hat auch die
Jetzt ist er in Zellerfeld, einer Stadt die mit Clausthal, wo so viel ich weiß die churfürstliche Direction ist, (denn die beyden braunschweig-lüneburgischen Häuser haben beyde Antheil am Harze) beynahe zusammenhängt. Hier kann er nicht genug beschreiben, wie gesellig die Leute leben; welche herrliche, wilde, romantische Gegenden er täglich sieht; wie der ehrwürdige Tannenwald so majestätische, malerische Scenen darbiethet; und wie freundlich das gemeine Volk, die Bergleute sind. Er glaubt überhaupt bemerkt zu haben, daß die Menschen in bergigten Gegenden, auch wenn sie noch so arm sind, sanftere Sitten, mehr Zutraulichkeit im Character führen.
Den größten Theil vom Jahre liegen die Spitzen der Gebürge voll Schnee. Auf dem Oberharze wächst wenig, und die armen Leute
Mein Bruder fährt täglich in die Gruben. Man nennt das Fahren, wenn man mit einem schmutzigen schwarzen Bergmannskittel, und einem Lämpgen in der Hand die Leitern hinunterklettert. Es muß sehr interessant seyn, so im Schooße der mütterlichen Erde, fern von allen Verderbnissen der Oberwelt, herumzuspazieren. Aber freylich, man spaziert nicht; Es sind nur enge, zum Theil sehr niedrige Gänge.
Als mir mein Bruder schrieb, war er im Begriff den ersten heitern Tag zu einer Reise auf den Blocksberg, oder Brocken, zu bestimmen. Er geht hier immer zu Fuße, denn die Wege sind zum Fahren und Reiten sehr unbequem.
Meine Mutter ruft mich ab – Ich muß also schliessen, und hätte Ihnen noch so viel zu sagen, indeß ich die schöne Zeit mit meinem schalen Gewäsche über den Harz verschwendet habe – Ich ärgre mich über mich selbst –
Lebe wohl, einziger bester Freund meines Herzens! Vom frühen Morgen, bis wenn sich meine Augen zum Schlaf schliessen, beschäftigt das Andenken an Dich,
Diesmal, mein vortreflicher Wohlthäter! bin ich der Einzige von unserer Gesellschaft, der Ihnen schriftlich aufwartet, und darauf will ich stolz seyn. Ich soll Ihnen melden, wie es uns seit unserer Abreise von Göttingen gegangen ist; Hier ist kurz die Geschichte davon. Verzeyhen Sie nur, wenn ich Ihnen das so gradeweg erzähle, und wenn ich weder mit der Wärme, Gründlichkeit noch mit dem Witze schreiben kann, wie die Herrn von Hohenau, Meyer und von Weckel thun würden.
Wir reiseten von Göttingen nach Cassell. Meine Gefährten waren so sehr mit dieser wahrlich schönen Stadt bekannt, daß ich Mühe hatte sie zu bewegen, daß sie sich meinetwegen hier etwas aufhielten. Indessen habe ich doch das Merkwürdigste gesehen, und Sie können denken, wie mich alles überrascht und entzückt hat. Man sagt, in Berlin finde man das mehr im Großen, und hier sey fast alles Nachahmung – Was bekümmert
In Marburg hielten wir uns nur eine Nacht auf. Den andern Morgen besahen wir, ehe wir in den Wagen stiegen, die Bibliothek; mehr weil wir Gelehrte vom Handwerke sind, als weil die Sammlung so sehenswerth, oder der Nutzen von einer solchen kurzen Besichtigung der Bände beträchtlich wäre.
Als wir wegfuhren, marschierte grade die Garnison zum Herbstmanöuvre aus dem Thore, welches uns ein wenig aufhielt.
Man sagt den hessischen Officieren nach, daß sie entsetzlich zu fluchen pflegen. Ich weiß nicht, ob das wahr ist, aber das hörte ich denselben Morgen, und schrieb mir's auf, daß ein Officier, welcher mit einem Soldaten schmählte, demselben zurief: »er wolle,
In Giessen hielten wir Mittag. Eine Gesellschaft niederländischer Kaufleute und deren Frauen speiseten mit uns. Dem Herrn von Weckel gefielen sie nicht; Es war ein Mann dabey, mit großen Glasaugen, von denen unser muntrer Freund behauptete, sie sähen aus, wie die kleinen runden Fensterscheiben in alten Häusern. Die Frau desselben Mannes hatte alle ihre Ringe an den Daumen gesteckt, und ein Knabe, vermuthlich dieses Pärchens Sohn, fraß so entsetzlich von allen Gerichten, als wenn er, da doch einmal der Vater bezahlen müßte, sein Geld wieder herausessen wollte.
Des Abends kamen wir nach Wetzlar, und blieben den ganzen 4ten October dort. Wir wurden in ein Paar Häusern bekannt,
Der Ton der Gesellschaften in Wetzlar ist sehr bequem und leicht. Man hatte uns viel von der daselbst herrschenden Verderbniß der Sitten gesagt; aber wir blieben nicht lange genug dort, um diese Nachrichten zu berichtigen, und wo auf dem Erdboden ist jetzt nicht Verderbniß der Sitten? –
Aber Eine Bemerkung haben wir gemacht, die dort wohl jedem Beobachter einfallen muß. Es werden nemlich in Wetzlar jährlich ungeheure Summen verzehrt, sowohl von der großen Anzahl gut besoldeter Assessoren, als auch von der Menge der Procuratoren, die sich ihre Arbeit, wie billig, von reichen Partheyen tapfer bezahlen lassen. Dazu kömmt das Heer von Sollicitanten, die jungen Practicanten, und der Aufwand der Visitationscommission.
Wir besuchten den 5ten, begleitet von einem Freunde, die Prämonstratensernonnen im Kloster Altenburg. Die guten Mädgen wohnen da ganz angenehm; die Aussicht ist herrlich; Es sind hübsche junge, gut erzogene, mehrentheils adeliche Frauenzimmer darunter. Sie können einige Monate im Jahre abwesend seyn, dürfen oft Wetzlar und
Eine Begebenheit hörten wir dort, die der Herr Meyer aufgeschrieben, und welche ich mit seiner Erlaubniß, so wie er sie hingesetzt hat, aus seinem Tagebuche hier einrücken will.
»Es soll eine alte Nonne dort gewesen seyn, welche kürzlich das Ende ihrer Leiden im stillen Grabe gefunden hat. Sie liebte einen guten Jüngling, ohne die Einwilligung ihrer Verwandten zu einem Bündnisse mit demselben erlangen zu können; denn die Familie wollte aus Interesse ihr nicht erlauben, ihn zu heyrathen, sondern hatte beschlossen, sie in ein Kloster einzusperren. Zu diesem Endzwecke erfand der Bruder die
»An einem heissen Sommertage kam ein fremder Reisender vor das Kloster – Es war ein schweres Gewitter am Himmel, das die Athmosphäre drückte und reizbare Nerven angriff – Die arme Klosterfrau
»Sie zehrte nach und nach aus, war voll inniger Melancholie, klagte aber nie, war auch niemand zur Last, sondern gegen jedermann freundlich und liebreich. So steht sie nun vor Gott, und hat ihrem Bruder längst verziehen, aber es wird schon sein Ankläger einst vor dem Throne der Gerechtigkeit Rechenschaft über jede Thräne, jeden Seufzer seiner Schwester fordern.«
So weit geht des Herrn Meyers Erzählung. Wir kamen den 6ten Abends hier in Frankfurt an, und fanden den Herrn von Weckel im römischen Kaiser. Diese drey Tage haben wir angewendet des Morgens und Nachmittags die wenigen Merkwürdigkeiten,
Wir waren zuerst in einer Gesellschaft des hiesigen Adels – Man setzte sich an den Spieltisch, und gieng um neun Uhr auseinander. Es soll fast täglich eine dergleichen Gesellschaft in irgend einem Hause seyn.
Gestern waren wir Mittags zu Gaste, sodann in noch ein Paar Häusern von Handelsleuten, und den Abend in einer großen Gesellschaft von calvinischen Kaufleuten, in welcher der feinste, sittlichste Ton herrschte. Es waren sehr wackre cultivirte, bescheidene, durch Reisen und Umgang mit aller Gattung von Menschen sehr gebildete Leute darunter, und ich hörte einige Gespräche, die weder gemein noch langweilig waren.
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Es sind viel große Häuser hier, wo sehr oft prächtige Gastereyen gehalten werden;
Zu Ausfüllung der leeren Stunden ist hier das Spiel beynahe die einzige Belustigung, welche denn auch in vollem Maaß genossen, indem in Frankfurt entsetzlich hoch und viel gespielt wird.
Zur Ehre des schönen Geschlechts, welches in dieser Stadt sehr reizend ist, muß man es sagen, daß keine Zügellosigkeit der Sitten hier hervorleuchtet, und daß die französische Lebensart doch die Sittsamkeit nicht verdrängt hat. Es versteht sich, daß ich nicht von einzelnen Ausnahmen rede.
So viel über die Sitten und Lebensart dieser Reichsstadt, welche wir morgen verlassen werden – Verzeyhen Sie, bester Herr! wenn mein Brief zu lang gerathen ist; ich will jetzt schliessen, indem sich Ihrer Gnade und väterlichen Güte fernerhin empfiehlt
Ihr
Herzlichen Dank, mein geliebter, theurer Freund! für Ihren gütigen Brief; Er hat mir einige recht fröhlige Augenblicke gemacht. Ich kann nicht genug sagen, wie sehr ich Sie um Ihre glückliche Laune beneiden könnte.
Sonderbar ist es doch mit den verschiedenen Dispositionen der Menschen beschaffen. Mich haben so viel ertragene Schicksale gar zu sehr in Moll gestimmt. Ich war einmal ein recht munterer fröhliger Mann; Ich konnte so recht aus Herzens Grunde lachen, und der ehrliche Müller war dafür bekannt,
Ich fand, daß das die seltensten, edelsten Seelen sind, die auch mitten im Schmerze dem Gefühl der Freundschaft offen bleiben, die ihren Kummer nicht Andre empfinden lassen, und durch Traurigkeit nicht böse Launen bekommen, sondern um so liebevoller gegen ihre Brüder werden, wenn der Balsam, den sie so gern in fremde Wunden giessen mögten, ihre eigenen nicht heilen kann.
Ich erfuhr, daß man den Menschen fliehen soll, der fähig ist, einem schon gekränkten
Mit dergleichen Beobachtungen zerstreuete mein Verstand die trüben Wolken, welche meine Seele umhüllten; Aber der Schläge kamen zu viel – Wenn ein Papier gar zu oft gefaltet wird; so ist es zuletzt nicht mehr glatt zu machen. Nunmehro also, da es nur wohl geht, drücken mich noch die alten Beugungen. Ich fühle einen sonst nie gekannten Hang, alles in unangenehmen Lichte zu sehen; Ich bin lustig, ohne fröhlig zu seyn, und, was mich am mehrsten kränkt, ich kann nicht mehr so lebhaft an der Freude Anderer Theil nehmen.
Diesen Brief gebe ich dem Doctor Verenholz mit, der Sie in Frankfurt aufsuchen, oder den Brief, wie Sie es befohlen haben, im römischen Kaiser abgeben wird. Ich wünschte, Sie lernten den Mann genau kennen. Feinheit des Geistes, Reinigkeit des
Unterdessen kenne ich des guten Verenholz Umstände recht gut, und weiß, wie wenig sein Schicksal seiner würdig ist. Sein Hang zur Unabhängigkeit läßt ihn alle Gelegenheit fliehen in öffentlichen Geschäften gebraucht zu werden, und da er unverheyrathet ist; so
Ihres
Das wird einmal wieder ein sonderbarer Brief werden. Jeder will sein Stück dazu beytragen, und jeder schreibt seinen eigenen Styl – Es sey darum – Platz, meine Herrn! ich mache den Anfang, und gebe unserm theuersten Freunde Nachricht von der heutigen Reise. Also seyd still und ruhig, Ihr jungen Leute! sonst werde ich irre.
So ist es recht! Herr Meyer raucht sein Pfeifgen Tabac und schreibt nach Dresden, und die beyden jungen Herrn lesen, denn sie
Wir kamen diesen Morgen auf den Einfall mit dem Marktschiffe hierherzugehn; desfalls schickten wir unsern Wilhelm mit der Kutsche zu Lande voraus, behielten Friedrich bey uns, und schifften uns um zehn Uhr diesen Morgen ein. – Wahrlich eine schöne Gesellschaft! Juden, Pfaffen, Viehhändler, Metzger, nebst Hunden und Zubehör – Ach! und welche liebenswürdige Frauenzimmer! – »Ich empfehle mich Ihnen, Jungfer Selzler!« – Eine sonderbare Sprache! Hier empfehlen sich die Leute, wenn sie kommen, andrer Orten empfiehlt man sich, wenn man fortgeht – Und wie alle Leute so fürchterlich laut schreyen; Es muß viel Taube hier geben.
Nun, dachte ich, immerhin! Vater Noah war doch auch kein Narr, und hatte mit dem 1
mit von der Sündfluth ausrotten lassen. Der Herr von Hohenau, welcher hier im Nebenzimmer winselt, dankt es ihm mit dem Henker, daß der hiesige Hauswirth diese Art hübscher Thierchen, durch die Vorsorge des Erzvaters, aufbehalten hat – Doch das gehört ja nicht hierher.
Wir arbeiteten uns durch den Haufen hindurch, über die Beine, Körbe, Kasten und Hunde weg, bis in das hintere Kämmerchen, wo wir denn den Kern der Gesellschaft
Auf diese Art wohl eingepackt stiessen wir vom Lande. Nun fieng ein jeder an, die übrige Gesellschaft ruhiger zu betrachten. Dabey hatte mancher noch ein Restgen Frühstück zu verzehren, etwas an seinem eilig geordneten Anputze zu verbessern, sich bequemer zu setzen – Jetzt wurden Bekanntschaften gemacht – »Um Vergebung, mein Herr! Sie gehen gewiß weiter« – Dort sprach auf einmal jemand von Madrit – »Herr Jemine! so weit sind Sie schon gereiset?«
»Zehn Schritte vom Leibe, Du schmutziger Capuziner! Behalte Dein Ungeziefer für Dich!« – »Und das können Sie einem armen Mönch zurufen, den Noth oder Tyranney seiner Familie zu dieser unglücklichen Lage bestimmt haben?« – Aber er war doch gewaltig unwissend, denn als von der Inquisition geredet wurde, behauptete er, im Preussischen sey dieselbe noch allgemein eingeführt. Vermuthlich hatte er einmal etwas von der Regie reden gehört, die doch würklich eine vortrefliche Einrichtung ist. Ueber so etwas kann ich mich freuen. Man
In der Ecke saß ein Deutscher, in einer abgetragenen französischen Officiersuniform. Er hatte ein junges Weibchen bey sich; Sie blickten sich oft traurig und kümmerlich an, und die arme Frau hielt ein Bündelchen an der Hand, worinn etwas Eßvorrath, zu Ersparung der Mittagsmalzeit, seyn mogte. Beyde kamen mir so bekannt vor, und ich erinnerte mich bald, wo ich sie gesehen hatte. Denn als ich im vorigen Jahre durch ... reisete, und des Abends, kurz vor Tische, aus meinem Zimmer über einen langen Gang in das Hinterhaus gieng, stand die Thür einer bewohnten kleinen Kammer offen, in welcher kein Licht war. Zwey Stimmen sungen ein deutsches Lied; die männliche
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Die Eitelkeit, durch eine Reyhe von Schlössern dort seinen Nahmen zu verewigen, kostet den Herrn Bolengaro gewaltige Summen, wobey niemand als die Handwerksleute Vortheil haben. Ich kann nichts schön finden, was nicht zweckmäßig ist, und eine Tabacsfabrik, die wie ein königliches Schloß aussieht, ist etwas eben so elendes, als ein Reisekoffer, der mit Goldstoff überzogen wäre. Da auch gewöhnlich nach einer Reyhe von Jahren andre neuere Etablissements jede Fabrik dieser Art lahm legen; so ist vorauszusehn, daß den Erben einst dieser Steinhaufen
Hinter Höchst kamen Musicanten in das Schiff, die das lustige Publicum sehr angenehm unterhielten. Sie verkleideten sich unter andern wie Juden, und ahmten den Lerm einer Synagoge nach, welches nun freylich, da verschiedene Israeliten gegenwartig waren, für dies ohnehin gedrückte Volk nicht angenehm seyn konnte.
Die Hitze im Schiffe, und die Hofnung zu einer herrlichen Aussicht trieben uns oben auf den Verdeck – Und wahrhaftig! Wer Sinn für die Schönheiten der Natur hat, der muß bey dem Anblicke der Gegend von Maynz gerührt werden. Da wo sich der Mayn in den majestätischen Rhein ergießt; rechter Hand die Stadt mit ihren Thürmern, gegen über Cassell; und dann an den Ufern
Wir kamen um vier Uhr an, und besuchten diese guten Mönche, die nun freylich keine solche Lebensart führen, wie sie dem Hauptmann von Weckel Freude machen würde; Unterdessen hat dieselbe doch in manchen Stücken Vorzüge vor derjenigen, in welcher die mehrsten übrigen Ordensgeistlichen vegetieren; denn jeder besitzt hier sein kleines Haus für sich, und hinter dem Hause ein Gärtgen. Dabey treibt er ein Handwerk, wozu ihm alles erforderliche Handwerkszeug und dergleichen angeschafft wird.
Ich kann nicht sagen, daß der churfürstliche Garten, die Lage ausgenommen, den geringsten Reiz für mich gehabt hätte. In
Der Maynzische Adel ist gastfrey, angenehm und leicht im Umgange, und wenn Fremde über das Gegentheil klagen; so waren es gewiß immer solche, die entweder aus Mangel an Lebensart, oder wegen ihrer Geburt, die nun einmal in dieser Welt einen gewissen äussern Unterschied unter den Classen der Menschen macht, fühlten, daß sie in diesen Circuln nicht an ihrem Platze waren.
Wir brachten aber diesen Abend, von sieben Uhr an, in einer bürgerlichen Gesellschaft zu. Es waren artige Leute darunter, und wir wurden bald bekannt mit ihnen. Gegen neun Uhr kam ein Cammerherr dahin. Er paßte sich nicht recht zu den übrigen dort
Doch, es ist spät, mein theuerster Freund! Ich will also Abschied von Ihnen nehmen. Leben Sie wohl –
Weckel.
Könnte ich Ihnen, bester Vater! nur beschreiben, welche herrliche Gegenden heute meine Augen gesehen haben! O! das romantische Oppenheim! – Aber man muß von der andern Seite, über die fliegende Brücke
Als wir auf dem Kirchthurm standen, begrub man unten auf dem Kirchhofe ein junges
Als wir in den Gasthof zurückkamen, begegnete uns oben im Durchgange ein unansehnlicher kleiner Mann, im blauen Ueberrocke,
Ehe man nach Worms kömmt, berührt man einen Ort, der Rhein-Türkheim heißt, am Ufer des Flusses gelegen. Der Mond
Worms zeigt wieder klägliche Ueberbleibsel von des französischen Generals Melac Unmenschlichkeit. Auch ist sein Nahmen so verhaßt, daß in der Pfalz die mehrsten Hunde
Soviel wir diesen Abend sehen können, ist es hier äusserst still und menschenleer. Wir werden morgen früh wieder fortreisen, und küssen Ihnen, bester Vater! Alle in Gedanken die Hände.
Hohenau.
Dieser Brief hat lange unvollendet gelegen. Sie werden indessen des Herrn Meyers Schreiben vom 11ten und das Paquet des Herrn von Hohenau vom 19ten richtig erhalten haben.
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Jetzt, bester Herr! will ich
Wir durchstreichen die schöne Pfalz, und zwar mehrentheils zu Fuße. Die Weinlese geht noch stark fort, und das ist ein gar herrliches Schauspiel für uns. Des Morgens früh lausen wir mit in die Weinberge und Weinfelder, wo dann alles von fleißigen Menschen wimmelt, welche Trauben lesen, und dabey fröhlig und guter Dinge sind. Auf den Feldern stehen hie und da Handmühlen, worinn die Trauben gequetscht, sodann in Fässer geschüttet, und auf Karren in die Häuser zur Kelter gebracht werden.
Wir helfen unsern lieben, vortreflichen Hauswirthen, die Ihnen heute selbst schreiben werden, fleißig lesen, wobey wir uns selbst aber nicht vergessen. Man sollte es nicht glauben, wie viel Trauben man des Morgens geniessen kann, ohne irgend gesättigt zu werden, und ohne Ungemächlichkeit
Es gefiel uns nicht, daß die Bauern in einigen pfälzischen Dörfern Contretänze tanzen
Man erzählt viel Böses von den Landschreibern, und daß Einige von ihnen in vorigen Zeiten, zu Bestreitung ihres fürstlichen Aufwandes, erschreckliche Diebereyen begangen hätten. Ich weiß nicht, ob das wahr ist; Allein die jetzigen sollen grundehrliche, gewissenhafte Leute seyn, und von denen unerhörten Bestechungen, ohne welche ehemals niemand in der Pfalz das Geringste erlangen konnte, hört man sehr wenig mehr.
Herxheim hat eine Lage, die weder zu beschreiben, noch zu malen ist. Man sieht aus des Herrn von Reinecks Garten, der auf einer Anhöhe liegt, rings umher vielleicht sechs und zwanzig Stunden weit, und nach manchen Seiten verliehrt sich ganz das Auge. So viel Städte, Dörfer, Weinberge, Felder, Ströhme, Wälder, Schlösser – Es
Beynahe noch majestätischer ist dieser Anblick in Neustadt an der Hart.
In Türkheim hat der Fürst von Leiningen ein Schloß, welches auch sehr angenehm gelegen ist. Dieser Herr soll eine artige Parforcejagd haben. Der Herr von Weckel erzählte uns bey dieser Gelegenheit verschiedene Annecdoten von dieser Art Jagden. Zu Zweybrücken soll ohnstreitig jetzt in Deutschland die vollständigste seyn. In Cassell werden mehrentheils nur zahme Tannhirsche im Garten herumgejagt. Aber sie werden des Tags vorher wild gemacht, und so geht es doch gut. Die englischen Officiere und andre vornehme Herrn in America, welche gern jagen, und kein Wild haben, lassen ein Stück frisches Rindfleisch an einem Seile auf der Erde, von einem Kerl zu Pferde vorausschleppen, und auf dieser Fährte jagen
Wir haben bey unsern Fußreisen Gelegenheit die Anmerkung zu bestättigen, daß man die Bauern und Postillons in ihren Gegenden nie um die nächsten Fußwege fragen muß. Sie bekümmern sich darum nicht, sondern gehn die Wege, welche, von Vater auf Sohn herab, als die nächsten sind anerkannt worden, und es ist vergebens ihnen begreiflich machen zu wollen, daß eine grade Linie der kürzeste Weg zwischen zwey Puncten ist.
In Deidesheim sahen wir ein Haus der barmherzigen Brüder – Ich schätze diesen Orden sehr – Sie nehmen Kranke von allen dreyen Religionspartheyen auf, behandeln dieselben mit bewundernswürdiger Sorgfalt und Reinlichkeit, und reichen ihnen alle diese wahrhaftig christlichen Liebesdienste und die erforderlichen Arzeneyen unentgeldlich.
Theuerster, gnädiger Herr!
Der fröhlige Herbst ist schnell vorübergegangen, und wir haben die liebe Pfalz recht ungern verlassen. Mit Thränen in den Augen schieden wir von unsern theuren Freunden, obgleich wir Hofnung haben, sie bey unserer Zurückkunft aus Bayern wieder zu umarmen. Jetzt sind wir hier, und bereiten uns zu unserer Winterreise vor.
Ein Paar Tage waren wir in ..., wo wir die vortreflichen Menschen kennen
Auch habe ich die beyden Domherrn von ... und ... gesehen. In dem Circul dieser vortreflichen Leute brachten wir ein Paar Tage, im Vorschmacke des Himmels hin. Ich war vorher mismüthig und traurig; Aber wenn ich noch solche Menschen in
Speyer ist ein so trauriger Steinhaufen, als ich je einen gesehen habe. Der Dom hat etwas Schauer erweckendes, feyerlich Ehrwürdiges.
Wir giengen von dort zu Fuß nach Manheim, Schwetzingen, und von da durch die Bergstraße hierher, nahmen von Dorf zu Dorf Bothen mit, die ein Päckgen mit Nachtzeug trugen, und lernten da manche Originale kennen. Von Speyer aus hatten wir einen catholischen Knaben bey uns, der sehr vernünftig über die Religionssecten urtheilte, und unter andern sagte: er müsse gestehen, daß in seinem Dorfe die Protestanten bessere Menschen und wohlthätigere Christen wären, als seine Glaubensgenossen, und es käme ihm unwahrscheinlich vor, daß Leute, die
Ein Wirth in Manheim schien nicht geneigt Fußgänger aufzunehmen; So sehr würkt das Vorurtheil. Der andre führte uns auf ein schmutziges Hinterstübchen, bis unsre Kutsche kam, und da nannte er uns Excellenzen, gab uns zwey schöne Zimmer ein, ließ uns tapfer auftischen, und noch tapfrer bezahlen.
Manheim ist völlig nach der Schnur gebaut, sieht aus wie ein Waffelkuchen, ganz einförmig, und hat manche schöne Häuser, alle neu und massiv, aber niedrig. Diese unbevölkerte Stadt, obgleich sie eine der schönsten in Europa seyn mag, gefällt mir nun gar nicht. Ich mag wohl sehen, daß estimer la vertu, c'est toujours ma maxime« u.s.f. zu schreiben. Wir aßen des Abends mit ihm im Gasthofe, und als er das Licht putzte, hielt er die Hand nicht frey, sondern legte die Lichtscheere zur Seite auf das Licht, so daß ein dicker Klumpen Wachs daran hängen blieb. Sie wissen, daß der Herr von Weckel dies schon für ein böses Zeichen hält.
In Manheim verkauften wir unsre große schwere Kutsche (wovon der Herr von Weckel behauptete, der Ryswicksche Frieden sey darinn geschlossen) und haben hier eine andre erhandelt. Wir schickten sodann die Bedienten und Koffers mit dem Postwagen, und giengen zu Fuß fort. Ein siebenzigjähriger Porteur trug unser Päckgen bis an das nächste Dorf. Dort übernahm es der Feldschütz, und auf diesen folgte ein pensionirter alter Soldat, der manches erfahren hatte.
In Heppenheim wurde ein gesundes, fettes Bauermädgen unser Bothe, und beschämte uns im Schnell gehn – Die schöne
Von Zwingenberg aus gieng ein Jude mit uns. Es wurde Abend, und der arme Israelite fieng an Gespenster zu fürchten. Als die Sonne untergieng, legte er das Bündel weg, stellte sich gegen Morgen, verrichtete sein Gebeth, und lobte Gott mit allen seinen Gliedern. Wir sahen ihm andächtig theilnehmend zu; Sodann wünschte er uns einen guten Abend, und wir giengen mit ihm weiter.
Allein wir waren ermüdet, blieben also des Nachts schon in Eberstadt, in einem sehr schmutzigen Wirthshause. Den folgenden Morgen bekamen wir einen versoffenen, liederlichen Bothen, den wir bald zurückschickten, und nach der Reihe unsre Bagage selbst trugen.
Um zwölf Uhr giengen wir, begleitet von einem Trommelschläger hierher nach Frankfurt. Er holte sich erst einen Thorpaß, und gieng dann in seinen engen weissen Cammaschen, ohne welche er sich nie darf sehen lassen, mit uns. Er schien ein guter Kerl, soll auch vortreflich trommeln, und desfalls bey seinem durchlauchtigen Herrn beliebt seyn.
Als wir hierherkamen, fanden wir das liebe Paquet aus Urfstädt. Die andern Herrn antworten sämtlich, also habe ich ihrentwegen nichts hinzuzufügen.
Diesen Vormittag sahen wir die Judengasse, und den Nachmittag haben wir in Offenbach zugebracht. In der hiesigen Judengasse fanden wir Ursache dem Himmel zu
Offenbach, am Ufer des Mayns gelegen, ist ein freundliches, heitres Städtgen. Jedermann, der unter dem Schutze eines edlen guten Fürsten, welcher ohne Prahlerey seine ihm von Gott aufgelegten Pflichten treu und redlich erfüllt, und nur darauf stolz ist für einen guten Menschen gehalten zu werden, den wer ihn nur kennt seines reinen Herzens wegen verehren und lieben muß; Wer, sage ich, unter diesem Schutze frey und ruhig sein Gewerbe treiben will, der zieht gern dahin, bauet sich ein Häusgen, und so wird dann der Ort von Jahr zu Jahre größer, geselliger, angenehmer, und wird in kurzer
Wir reisen übermorgen von hier ab, und bitten Sie, theuerster Wohlthäter! um Ihren Segen auf den Weg.
Ich habe nun alle Eure Briefe, Ihr guten Leute! richtig erhalten, und danke Euch herzlich, daß Ihr, auch auf der Reise, Meiner so fleißig eingedenk seyd. Verzeyhe mir es nur, mein liebster Carl! wenn ich nicht immer an Dich einzeln schreibe. Ich habe jetzt viel Geschäfte, und da es früh dunkel wird, und meine Augen schwach werden; so kann ich des Abends auch wenig ausrichten, besonders, da ich mich gewöhnt habe sehr klein zu schreiben, und in meiner Jugend, wenn man mir anrieth, größere Buchstaben zu machen, nicht folgen wollte.
Wenn Du nach München kömmst, und das Opernhaus siehst; so erinnere Dich Meiner; Denn ich habe dort einmal eine kleine Demüthigung ertragen. Die Sache an sich ist unwichtig, beweiset aber doch, wie ungern gekränkte Eitelkeit vergißt. Ich saß nemlich, als ein junger Mensch, in der nächsten Loge dem Theater zur Rechten. Ich
Deine Charlotte besucht mich oft mit der Frau von Weckel. Sie zeigt mir so viel Zutrauen und Aufmerksamkeit, als wenn sie
Die bösen Weiber plagen mich unaufhörlich, ich solle die Zeit Deiner Reise abkürzen, aber ich halte mich fest wie ein Mann. Unterdessen hatten sie es gestern doch so listig angelegt, daß ich in so weit nachgeben mußte, es nur bey Einem Jahre bewenden zu lassen. Sie hatten mich sonderbar gefaßt. Zuerst bathen sie um allerley Kleinigkeiten, wovon sie wußten, daß ich mich ungern darauf einlassen würde, z.B. ich sollte mich abmalen lassen, sollte mit ihnen auf einen Ball gehen und d. gl. mehr. Das alles wurde in Gnaden abgeschlagen, und da kam es dann an die Hauptsache, wo ich, um nicht für einen wunderlichen Mann zu gelten, wohl ein
Ich habe die Bücher gelesen, welche Du mir empfohlen hast. Ich wundre mich gar nicht mehr darüber, daß schwache Köpfe Religionszweifel haben können, seitdem ich weiß, daß ein so großer Astronom als de la Lande, ein Atheist ist, das heißt: an der Existenz des Kochs zweifeln, dessen Pastete wir essen. Uebrigens bekümmert mich das sehr wenig. Es giebt, dünkt mich, nur Einen Beweis für die Aechtheit einer Lehre, und das ist der, wenn sie mich glücklich und ruhig macht. Was geht es mich an, ob historische Beweise für die Aechtheit der Bibel da sind, oder nicht! Wer eine bessere, glücklicher machende, einfachere, ältere, natürlichere, die Menschen zu besserer Seelenruhe und Tugend führende Lehre kennt, als die Lehre Jesu, der thut sehr unrecht diese für göttlich zu halten, hätte sie auch alle Beweise
Jetzt will ich noch ein Paar Worte an Meyer schreiben. Lebe wohl, mein lieber Carl! und vergiß nicht
Nun, mein lieber Etatsrath! Wie geht es Ihnen denn? Nicht wahr, Sie mögten gern einmal wieder so etwas von meiner Prosa lesen? Wohlan! Kommen Sie her! Hier ist die Erzählung unserer großen Reise von Frankfurt nach Nürnberg, wie solche beschrieben steht in unserm Reise-Journale, daselbst auf der 181sten Seite, wie folget. Uebrigens ist mein herzlicher Wunsch, diese Zeilen mögen meinen Herrn Etatsrath bey gutem Wohlseyn und wahrer ächter dänischer Gemüthsruhe antreffen – Zur Sache!
Wir kamen gegen Mittag nach Seligenstadt, wo eine Benedictinerabtey ist, liessen uns bey dem Prälaten melden, und wurden von ihm zur Mittagstafel eingeladen. Sie haben guten Wein, diese Leute, und man sieht, daß sie bey ihrer Andacht und Seelenanstrengung, doch die materielle Hülle nicht vergessen – Ja! lieber Himmel! Was soll man auch machen? Gott läßt den schönen Wein wachsen, und giebt dann auch Stärke, daß man ihn vertragen, und überhaupt das beschwerliche Klosterleben ausstehen lernt.
Es speisete ein Domherr mit uns, der auch auf Reisen war, und zwar mit seiner Maitresse, die jedoch so lange im Wirthshause blieb. Er war ein Mann voll Firniß,
Bey dem Fegefeuer, an welches nicht jeder glaubt, fällt mir ein Geschichtgen ein. In Hessen war ein Dorfpfarrer, dem gemeldet wurde, es gäbe in seiner Gemeine Leute, welche die Aufersteigung der Todten leugneten. Der Lerm der orthodoxen Gegenparthey wurde so laut, daß der arme Geistliche endlich das Ding ins Reine bringen mußte. Er versammlete also seine Gemeine, rief alle die, welche die Auferstehung glaubten, hervor, und stellte sie auf eine Seite, den Ungläubigen gegenüber, und nun rief er aus: »Ihr
Hinter Seligenstadt gesellte sich ein Pudel zu uns, und verließ uns auch seit dieser Zeit bis itzt nicht. Der empfindsame Herr von Hohenau glaubt, der Hund habe vorzüglich zu ihm Zuneigung, weil er ein guter Mann sey, an den sich gern jeder Unmündige wende. »Bey mir« ruft er pathetisch aus »sucht der Unglückliche Trost, und der Verlassene Zuflucht; Es giebt ein Gefühl von Sympathie, welches jedes schutzbedürftige Geschöpf, jeden Leidenden, jedes Kind und jedes Thier zu dem hinzieht, der gern hilft, und theilnehmend fühlen kann.«
Candidatus Theologiae, hatte eine schwarze sammetne Weste mit Knöpfen von geschliffenen Steinkohlen an, eine Hose von gewürfeltem wollenen Zeuge, und einen braunen Rock mit halb steifen Schößen, und kleinen mit Kameelgarn übersponnenen Knöpfen.
Wir fuhren den 14ten früh Morgens fort. Der Weg geht über einen Berg, welcher der Spesser heißt, auf dessen Höhe es schon recht grimmig kalt war. Das Volk in diesen Gegenden ist gut, treu, wohlgebildet, höflich,
In Esselbach begegneten uns zwey andre Kutschen, und da unsre Postillons Lust hatten mit jenen zu wechseln; so stiegen wir sämtlich aus, und machten oder erneuerten vielmehr Bekanntschaft mit den Fremden, denn ich sah bald, daß es Personen waren, Entrés toujours, Commère, nous ne sommes qu'a sept. Es war unter andern eine Art von Cammerjungfer unter ihnen, mit einer schwarzen Haube, und dabey lang, hager, gelb, gestaltet wie der Lieutenant Lismahago. Die Herrschaft aber bestand aus einem gewissen Obristen von Verden, der einst in russischen und sodann in französischen Diensten war. Derselbe hielt einmal um ein reiches Fräulein in Stuttgard an. Man erfuhr aber indessen, daß er schon in Rußland verheyrathet sey. Als man ihn nun darüber zur Rede stellte, und er hörte, daß seine erste Frau gegen ihn geklagt hatte, fragte er: »Welche Frau ist denn das?« Denn Sie müssen wissen, daß es sich nachher entwickelte, er habe nicht nur in Moscau, sondern auch in Straßburg eine theure Ehehälfte zurückgelassen, und beyder Vermögen durchgebracht.
Man kömmt nachher durch verschiedener kleinen Grafen Länder. Ein Franzose sagte einst zu einem von diesen Potentaten. »J'ai traversé ce matin Votre Monarchie.« Derselbe Graf, zu welchem er dies sagte (er wohnt aber nicht in diesen Gegenden) gieng einmal auf dem Felde spazieren, und traf einen Bauern an, der hinter einer Hecke gewisse Bedürfnisse der Natur befriedigen wollte. Der Graf fand dadurch die ihm schuldige Ehrerbiethung beleidigt: »Kerl!« rief er »Weißt du, daß sich das nicht schickt?« »Ei nun!« erwiederte der Bauer ganz gelassen »so gehe ich denn über die Grenze.« Er behielt die Beinkleider in der Hand und ging zwanzig Schritte von da in eines andern Herrn Länder.
Unser Gasthof lag am Mayn. Die Aussicht nach einer Art von Wasserfall, die Brücke, sodann oben auf dem Berge die Festung; das alles macht einen hübschen Anblick. Wir besahen diese Festung, so weit es, der strengen militairischen Einrichtung nach, erlaubt ist, und als wir herabkamen, giengen wir dem Schlosse zu. Es ist eines der schönsten in Teutschland, nur vielleicht zu sehr mit Zierrathen überladen, für einen
Diese Gegend von Franken ist öde und wüst, doch findet man Weinbau daselbst. Wenig Dörfer sieht man, aber freundliche höfliche Leute, elende Postanstalten und scheußliche Wege. Wir fuhren die Nacht durch, weil die Gegend doch nicht verdiente bey Tage gesehen zu werden.
So oft ich von bösen Wegen höre, fällt mir die Geschichte vom regierenden Grafen quasi Finanzdirector hatte, welcher sich freylich zu dem Posten gar nicht schickte, denn er war ein schöner Geist, übrigens aber nie mit Geschäften umgegangen. Es begab sich aber, daß durch ein gewisses Dorf im Lande eine Chaussee sollte gemacht werden, wogegen sich aber der gräfliche Minister aus der Fülle seiner Lunge setzte, und zwar aus der Ursache, weil dadurch Schmiede und andre Handwerksleute lahmgelegt werden würden. Denn da in diesem Dorfe die Fremden fast immer etwas an ihrem Fuhrwerk zerbrächen, welches hier ausgebessert werden müßte; so dürfte man zum bessern Aufkommen des Dorfs die Wege ja nicht bessern. Diese Vorstellung leuchtete dem Grafen ein, und die Straße blieb, wie sie war. Aber daß auch im Anspachischen so höllische Wege sind, daß ist nicht erlaubt – Wir verlohren alle Geduld. Doch kamen wir endlich nach Nürnberg, der berühmten Reichsstadt, die wir indessen morgen wieder verlassen, und
Das bewußte Geschäft haben wir glücklich beendigt; Meyer hat darüber an den Baron geschrieben; Vielleicht schickt er Ihnen den Brief. Wir haben die Bekanntschaft eines sehr redlichen Mannes und Freymaurers, des Herrn von ... gemacht. Er führte uns in die Loge, wo wir einige sehr wackre Männer, und von nicht alltäglichen Kenntnissen, sprachen. Der Herr von ... hat uns überhaupt mit wahrhaftig brüderlicher und gastfreundlicher Güte behandelt. Aber er und sein kleiner Circul von sichern Freunden sind auch die Wahrheit zu gestehen die einzigen Männer, von denen die ich dort kennen lernte, die mir gefallen haben. Alle übrigen kamen mir steif und verschroben vor. Die Leute haben so possierliche Nahmen, welche sich mehrentheils auf lein endigen, kleiden sich so wunderlich und geschmacklos; die Patrizier glauben sich so weit über 1
Unser Freund führte uns in eine große Gesellschaft. Es war ein sehr mittelmäßiges Concert, worinn aber so viel geplaudert wurde, daß man von der Musik nichts hören konnte. Darauf folgte ein Suppee und hintennach ein Ball. Gott bewahre! Es war viel auf einmal. Ich liebe sehr, daß man mit den Freuden dieses Lebens hauszuhalten verstehe.
Uebrigens kann ich nicht sagen, daß wir daselbst eine einzige interessante Bekanntschaft gemacht, oder auch nur an irgend einem von den Anwesenden einige Lust wahrgenommen hätten, den Fremden eine gute Aufnahme zeigen.
Sonderbar kömmt es einem Fremden vor, daß in Nürnberg noch nach der alten römischen Uhr die Zeit gerechnet wird. Wenn die Sonne aufgeht, so schlägt es Ein Uhr, und hat der Tag z.B. sechzehn Stunden; so schlägt die Glocke, bey Untergang der Sonne sechzehnmal, und so auch die Nacht.
Ich habe noch allerley kleine Ausrichtungen in der Stadt zu machen, und die Post geht ab; Ich will also schliessen – Leben Sie wohl, bester Freund! von uns allen geliebt, vorzüglich aber von
Bester, theuerster Vater!
Kömmt es Ihnen vor, als wenn Sie lange nichts von Ihren Kindern gehört haben; so klagen sie nur nicht Ihre Tochter an. Meine häuslichen Geschäfte, eine itzt glücklich überstandene Krankheit meines Kindes, und der Besuch von einigen Fremden, hat mir die Zeit zum Schreiben geraubt, und dann verließ ich mich auch auf den lieben Bruder Fritz, der Ihnen von Unserm Befinden Nachricht geben sollte, aber, wie ich eben mit Schrecken erfahre, seit drey Wochen nicht an Sie geschrieben hat.
In unsres Freundes Lescow Hause gefällt mir die Erziehung nicht. Dort herrschen Magazin des Adolescents thut, zu sagen: Alles Gute, so sie thäten, werde nur von Gott gewürkt, sie seyen blos Maschinen, das Böse hingegen komme allein von ihnen her? Und unter den Märchen, welche die Hofmeisterinn erzählt und erzählen läßt, sind einige höchst abgeschmackt.
Lescow hat bey seinen Kindern einen Informator, der, meiner Meinung nach, auch eine sehr verkehrte Methode hat. Sie haben mich gelehrt auf kleine Züge Acht haben; Da sah ich nun einmal, daß der Mann mit seinen Zöglingen im Gartenhause saß, und seine Pfeife anstecken wollte. Er nahm also ein papiernes Püpchen von einem der Kinder und zündete den Tabac damit an. Das gefiel mir nicht. Ich mögte niemands Puppe verbrennen, das weiß Gott, und am wenigsten zu
Von des Bruder Peters Betragen ist Fritz nicht ganz zufrieden. Er legt sich zwar ziemlich fleissig auf die Handlung, ist aber nicht gefällig, nicht einschmeichelnd genug, und das muß doch ein Kaufmann auch seyn. Ich glaube er hat zu viel Phlegma in der Mischung seines Characters.
Von Ludwig habe ich gestern einen Brief aus Dresden bekommen; Er beneidet dem Herrn Meyer das Vergnügen, künftiges Frühjahr unsern Christoph in Neuwied zu sehen.
Bey Lescow lebt itzt eine Verwandtinn, eine junge Philippine N ..., die ein unglückliches Schicksal hat. Ihre Geschichte konnte wahrlich Stoff zu einem theatralischen
Nun, theuerster Vater! muß ich wohl schliessen. Ich küsse Ihnen nebst Mann und Kind ehrerbiethigst die Hände, als
Ihre
Bester Vater!
Wir kommen so eben sehr ermüdet hier an; Doch will ich noch ein Paar Zeilen schreiben, damit ich nicht den Faden unserer Reisegeschichte verliehren möge.
Wir fuhren diesen Morgen aus Nürnberg, und es kostete von beyden Theilen Thränen, als wir uns von unsern lieben Begleitern trennen mußten.
Von Nürnberg kömmt man zuerst an einen Ort, welcher Schwabach heißt; Er gehört
Man hat uns am Thore so ausgefragt, als wenn uns Steckbriefe nachgeschickt worden wären; Man muß gewöhnt seyn, verdächtige Personen hier zu sehen. Der Herr von Weckel hatte seinen Spaß mit den Leuten, und Herr Meyer ärgerte sich, daß die Menschen sich unter einander so unnützerweise plagen –
Carl.
Das ist ein verzweifelter Ort – O Pfaffenregiment! Wann wirst du aufhören? Die Leute forschen noch immer, aus Mistrauen, oder, weil sie nichts bessers zu verrichten wissen, aus Müssiggang, sehr ängstlich nach uns, nach unsern Geschäften, Nahmen, Bedienungen, und was wir denn eigentlich hier zu thun haben. – Nun, wahr ist es, wer keine Geschäfte hier hat, der würde Unrecht haben, des Vergnügens wegen hierher zu reisen. Und der allgemeine Ton von päbstlicher Unterdrückung – die Leute haben nicht das Herz frey Athem zu holen – nein! es ist nicht auszustehn. Wer noch nie in solchen gänzlich verfinsterten catholischen Provinzen gelebt hat, der findet hier jeden Augenblick Gelegenheit, die Hände über den Kopf zusammen
Unsre Ausrichtungen bey dem Fürsten Bischoff werden indessen, wie ich hoffe, in wenig Tagen eine gute Wendung nehmen, wenn die schelmischen Jesuiten, welche hier sehr viel vermögen, und sich in alles mischen, nichts dazwischen bringen. Ein Paar recht wackre, aufgeklärte Männer haben wir doch hier angetroffen. Ja! es giebt noch der guten Menschen aller Orten, aber sie sind dünn gesäet, vom Unkraute erstickt, oder doch bedeckt; Man tritt auf eines wie auf das andre – Ich muß itzt ausgehn. Leben Sie, vortreflichster Herr! recht wohl.
Meyer.
Der Herr von Hohenau ist ein wenig unpäßlich, es hat aber nichts zu bedeuten, und wir hoffen Ihnen, bester Wohlthäter! ehe dieser Brief abgeht, schreiben zu können, daß ihn sein Catarrhalfieber (dann weiter ist es nichts) verlassen hat. Wer kann auch hier gesund seyn? Am Ende jeder Gasse dieser sonst nicht schlecht gebaueten Stadt, sieht man einen hohen Berg hingepflanzt; und dann der ekelhafte Frankenwein! – Auch trinken die Domherrn, wieder die Gewohnheit ihres Standes, fast nichts als Wasser. Diese Herrn haben prächtige Häuser, haben zum Theil von drey Stiftern Einnahmen, und verzehret also mancher von ihnen mehr Geld als nöthig wäre zwanzig thätige, dem Staate nützliche Familien zu ernähren. Lebhaft ist die Stadt gar nicht, und wenn der Abend herankömmt, wo die Pfaffen, welche fast allein des Tages über die Gassen erfüllen, nicht mehr öffentlich ausgehn dürfen, dann sieht man, ausser etwa einem Capuziner,
Wir eilen von hier; Uebermorgen hoffen wir mit allem fertig zu seyn, der Arzt glaubt, daß dem Herrn von Hohenau die bayerische Luft besser bekommen werde, und daß er dreist fortreisen könne – Ich küsse Ihnen die Hände.
Wallitz.
Hohenau ist wieder besser, und wir werden morgen von hier gehn. Die übrigen Herrn waren (so viel Freude ihnen auch der Umgang mit den wenigen würdigen Männern machte, welche wir kennen gelernt haben) doch sehr unzufrieden hier, ich aber habe noch ausserdem manche lustige Stunde gehabt.
belles lettres.«
Diesen Nachmittag besahen wir die Capelle der heiligen Walpurge. Ein Weib zeigte uns alle diese Herrlichkeiten. Da war denn das berühmte Oel, welches aus den Steinen hervorquillt. Ich fragte bey dieser Gelegenheit: ob es wahr sey, daß man, als kürzlich der Capuzinergeneral dort gewesen, ihm einen Sallat mit Walpurgsöl vorgesetzt habe? Und als man uns Reliquien wies, fielen mir des Compère Matthieu Reliquien ein, und ich versicherte die Frau: ich hätte in Prag den Backenstreich, den unser Herr Christus bekommen, in Gold eingefaßt, gesehen. Sie können denken, daß diese Scherzreden mich nicht in großen Credit setzten.
Diesen Brief will ich in Ingolstatt schliessen.
Nein! das lasse ich eher gelten! So ein freundliches, reinliches bayersches Städtgen! Hier könnte ich schon wohnen. Auch ist der Herr von Hohenau so gesund, wie ein Fisch, und mich dünkt man athmet freyer hier. Wenn man nur auch so frey denken dürfte! Aber die Herrn Exjesuiten, welche auch auf dieser Universität den Meister spielen, sorgen dafür, daß die gesunde Vernunft noch lange wird im Stillen seufzen müssen. Aber wenn einmal der Damm durchbricht, dann sollen Sie sehen, daß Bayern kühne und schnelle Schritte in der Aufklärung machen wird. Es fehlt ihnen nicht an herrlichen Köpfen; daß hierunter ihr alter Freund, der große Mann, den ich gestern kennen gelernt habe, und der
Die Bayern sind gute, gesellige Leute; Ich liebe dies Volk sehr; sie haben doch noch wahrhaftig deutsches Gepräge, und ihr Kopf ist nicht mit ausländischem Firlfanz umnebelt.
Daß die bayerischen Mädgen schön, und die Weine schlecht sind, werden mein hochgeehrtester Herr Baron schon aus Erfahrung wissen. Mir gefällt auch die Tracht der
Es freuet mich, mein lieber Freund! daß Ihnen München so wohlgefällt.
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Ich habe auch manche fröhlige Stunde dort verlebt. Sie werden einen angenehmen Winter daselbst zubringen; Die Menschen sind sehr gesellig, und man wird bald mit ihnen bekannt.
Sie haben sehr Recht, wenn Sie München weit über Manheim setzen. Wenngleich diese Stadt nicht ganz nach einem einförmigen Plane gebauet ist; so sind doch viel
Es ist wahr, die Kirchen sind zum Theil schön gebauet und verziert, aber doch werden Sie gestehen, daß die Theatiner Hofkirche ekelhaft mit Zierrathen überladen ist; Die Jesuitenkirchen haben sonst den Ruf solche Puppen-Schrank-ähnliche Sächelgen zu zeigen.
Eine ungeheure Menge Grafen werden Sie in Bayern finden, vermuthlich noch von Carl des Siebenten Zeiten her, in dessen Macht es stand, dergleichen nach Gefallen zu machen.
Ihre hypochondrische Laune macht Sie unbillig, wenn Sie über den Mangel an Toleranz in catholischen Ländern klagen. Ich kann Ihnen dagegen eine sehr demüthigende Annecdote aus einer protestantischen Provinz erzählen, einer Provinz, die noch dazu gern in dem Rufe der höchsten Aufklärung seyn mögte. Daselbst wollte sich in der Hauptstadt ein reicher Jude festsetzen, und hatte schon von der Landesregierung die Erlaubniß
Sorgen Sie nur ja Alle für Ihre Gesundheit. Es muß jetzt grimmig kalt in Bayern seyn. Das Clima ist schon rauher; Doch habe ich dort immer im Winter viel anhaltend reines heitres Frostwetter gefunden, wenn es bey uns abwechselnd regnigt war.
Grüßen Sie Ihre Reisegesellschaft und unsre lieben Freunde in München herzlich von mir, und schreiben bald
Gott zum Gruß, vielgeehrter Herr Vetter!
Wenn diese Zeilen Ihn bey guter Gesundheit vorfinden; so soll es mir sehr lieb seyn; die meinige ist, dem Himmel sey Dank, noch recht wohl.
Ich bin nun den ganzen Winter mit meiner Herrschaft allhier im Bayerlande gewesen, wie Er wohl wissen wird, und sehe Er nur, Herr Vetter! da werde ich Ihm, wenn ich wiederkomme, viel zu erzählen haben. Er sollte nur zum Exempel die Procesonen gesehen haben, die sie in der Osterzeit hielten;
In München selbst kostet so eine Proceson auf 5000 Gulden. Da sind heidnische Götzen, die sprechen mit Gott dem Vater, Jahrszeiten, Winde, Adam und Eva, Cürassiere, Herodes und Pilatus, und alle Zünfte aus
Sieht Er, mein lieber Vetter! Hier muß jeder wenigstens einmal im Jahre beichten, und darüber bekömmt er ein Zettul. Uebrigens
Meine Herrschaft ißt beynahe täglich zu Gaste. Es wird entsetzlich hier gefressen, mit Respect zu sagen, und zwar, wenn keine Fasttäge sind, gewaltig viel große Stücke Fleisch.
Wir wohnen gegen einer Kirche über. Da sind dann ringsumher viel Epitaphiums, und bey jedem steht ein Näpfgen mit Weihwasser. Nun kommen den ganzen Tag die Verwandten des Verstorbenen gelaufen, und schütten ein bisgen Wasser auf den Stein. Das friert hernach im Winter, und da kann man kaum des Abends gehen, ohne Hals und Bein zu brechen.
Unsre Herrschaft geht am mehrsten in des Herrn Grafen von S .... Hause um. Ach! das ist ein gar lieber Herr, hat so eine gute gnädige Frau, und allerliebste Kinder. Es ist eine Freude anzusehn! Man meint, man wäre bey Unser einem. Uebrigens sollen die Damen zum Theil verzweifelt lustig seyn; Hier im Hause aber geht alles so lieblich zu.
Wir waren auch in Freisingen. O Jemine! da sind erst die Pfaffen recht auf ihrer Miste. Der Fürst läuft sich bald die Beine ab, auf den Procesonen, und da muß alles mit, obgleich sie es zum Theil ungern thun, oder hinterher lachen – Aber der arme Herr hat ja auch sonst nichts zu thun, und das gehört dazu, wenn einer Bischoff ist, daß er das Handwerk treibe.
Mein lieber Vetter! Ich will diesen meinen Brief schliessen; Lebe Er recht gehorsamst wohl, ich bin
Desselben
Unser letzter Brief aus München
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wird Ihnen, bester Herr! sagen, daß wir mit wahrhaftig schwerem Herzen dort fortgereiset sind Wir sprachen noch den Tag vorher bey Hofe einen gewissen Herrn von Felsberg, der in Ihre Gegenden kommen, wenn es ihm seine Zeit erlaubt, Ihnen aufwarten, und mündlich von uns Nachricht geben wird.
Wir sind indessen verschiedener Monarchen Länder durchstrichen. Sie wissen, theuerster Herr! daß Weckel gern seinen Vetter in Oettingen besuchen wollte. Wir nahmen also
Der erste Mann, den Herr Meyer, als wir ausstiegen antraf, war sein alter 2
der unglückliche Herr von P ... Er fand ihn in einer kaiserlichen Officiersuniform, sprach lange mit ihm allein, und schien gerührt zu seyn, als er wieder zu uns kam. Ich habe in nicht über den Gegenstand ihres Gesprächs fragen mögen.
Heilbronn scheint ein gar unfreundliches Nest zu seyn, doch sind die Einwohner, wie man sagt, sehr gesellig, und es ziehen viel Fremde her, weil man hier wohlfeil leben kann. Seltenheiten haben wir hier nicht gesehen, denn ein ungeschliffener Posthalter (wie wir einen hier antrafen) ist ja keine Seltenheit. In einer halben Stunde reifen wir weiter über Vierfelden, Sinzheim und Necker-Gemünd nach Heidelberg.
Obiges hat der Herr von Wallitz geschrieben, und mir erlaubt fortzufahren.
Dann die Gegend; der Anblick vom hohen zertrümmerten Schlosse hinunter; der eingestürzte Thurm; Unten die Stadt am Neckar; die weite Gegend; die majestätischen Gebirge, Waldungen, Weinberge; der Wolfsbrunnen – O! man muß es gesehen, muß aber auch Sinn für so etwas haben –
Damit des Herrn Meyers deutsches Blut Zeit habe sich abzukühlen; will ich ihn ablösen, und an diesem Briefe fortschreiben, bis wir ihn absenden. Wir reisen morgen von hier nach Frankfurt zurück, und sodann zu Wasser den Rhein hinunter nach Neuwied.
Gestern fand ich in einem Hause folgende Anzeige. Man versichert mich, es sey ein ächtes Document (denn ich war geneigt es für eine Erfindung zu halten.)
»Es wird in M ... von einer Herrschaft ein Secretair gesucht, von folgenden Eigenschaften: Er muß ein Jurist seyn, d.i. in jure civili, publico, canonico, feudali, criminali, germanico, statutario palatino
Wir kamen gestern spät hier an, und fuhren gleich diesen Morgen nach Homburg vor der Höhe, von woher wir so eben wieder zurückkommen.
Homburg vor der Höhe ist ein kleines Städtgen. Ich wollte aber, es wohnten in manchen glänzenden Residenz- oder Reichsstädten halb so viel gute Menschen als hier. Wollen Sie einen Fürsten sehn, der sich nicht schämt ein guter Vater zu seyn; der seine Kinder selbst unterrichtet, sie selbst zur Weisheit und Tugend führt; einen Fürsten, der alle Schmeicheley haßt und die Schmeichler flieht; der seine Größe (die Größe seines Geistes und Herzens, dann er glaubt an keine andre) nicht einmal ahndet; der der beste Gatte, der theilnehmendste Freund, der gütigste sorgsamste Landesvater ist; Wollen aegri somnia zu realisiren.
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Bester, theuerster Wohlthäter!
Deus nobis haec otia fecit – Sie sind es, der uns dieses entzückend schöne Vergnügen verschafft, eine Wonne, die beynahe für mein Herz zu groß ist – einen Vorschmack des Elisiums –
Aber ich will herabstimmen, sonst mögte ich schwerlich zu einer zusammenhängenden Erzählung kommen können. Doch erst muß ich Ihnen ein Bild von dem Theater machen, auf welchem ich hier vor Ihnen auftrete.
Gestern fuhren wir aus Frankfurt nach Maynz. Sobald wir daselbst ausstiegen, war unser erster Gang zu dem würdigen, sanften Manne, der Sie so herzlich liebt, und der in den wenigen Stunden, die wir mit ihm verlebt haben, unsre ganze Hochachtung gewonnen hat. Wir blieben den ganzen Abend bey ihm, giengen zusammen spazieren, und durchliefen noch einmal die Favorite, die würklich eine geschmacklose Mischung zeigt. Als wir nun durch das Thor giengen, welches la Saltière – »So haben Dich denn doch deine Bosheiten endlich an das Ziel gebracht!« rief der Herr von Hohenau in dem ersten Augenblicke der Ueberraschung aus. Aber bald bemeisterte sich edles Mitleiden seiner Seele. Er gab dem Bösewichte, der beschämt da stand, ein seiner Großmuth würdiges Allmosen, gieng weiter, ohne das geringste Wort ferner darüber zu reden, und hat sich auch nicht erkundigen mögen, auf welche Art der Franzose hierhergekommen ist.
Noch besahen wir in Maynz ein künstliches Clavier, welches ein Mann von viel Talent, ein Liebhaber, selbst verfertigt hat, und das durch einige hundert Veränderungen allerley Crescendo und die Register nicht schleunig genug mitten im Spielen (wie es doch leicht mit dem Fuße zu bewürken wäre) anziehen kann. Uebrigens sind einige Stimmen vielleicht einzig in ihrer Art.
Wir fuhren diesen Morgen zwischen vier und fünf Uhr weiter. Es freuete uns, so früh Morgens schon in den Gassen von Maynz viel Menschen gehen und arbeiten zu sehen, obgleich es diese Nacht durch noch bis ein Uhr ziemlich lebhaft in der Stadt gewesen war.
Die Rheinbrücke bey Maynz macht einen herrlichen Anblick. Sie geht über sechs und funfzig ziemlich weit von einander entfernte Schiffe.
Herr von Weckel schenkt uns Wein ein. Er sagt: wir sollen in der Freude unsres Herzens auf des besten Baron Leidthals Gesundheit die vollen Gläser ausleeren – Nun! es ist geschehen. O! gnädiger Herr! wären Sie nur bey uns!
Als wir einmal in einem maynzischen Dorfe, durch welches die Straße geht, an
Hir zalt Mann Schose Gelder.
Unter Bingen fängt so zu sagen ein ganz andrer Styl der Natur an, und unter St. Goar wiederum. Es ist nicht möglich sich schönere, reichere, mannigfaltigere Aussichten zu denken, als die der ganze Strich von Maynz bis hierher zeigt.
Wir kamen diesen Morgen hier an. Die Nacht hatten wir in Laenstein zugebracht. Das Wirthshaus lag am Ufer des Rheins, in welchem sich der liebe sanfte Mond spiegelte. Die Frösche sungen uns ein Abendlied. Wir genossen dieses Schauspiel länger als eine Stunde, bis wir uns schlafen legten.
Wir hielten uns nur eine Stunde in Coblenz auf, und fanden im Gasthofe den edlen jungen S ... der itzt auf Reisen geht. Sie wissen es doch, daß dieser, als er in Göttingen studierte, und sein stolzer Vater von ihm verlangte, er sollte Equipage halten, sich endlich das Geld dazu schicken ließ, und von dieser Summe einem armen Studenten Zuschuß gab?
Neuwied ist eine allerliebste Stadt. Hier wohnen Inspiranten, Wiedertäufer, Hernhuter
Das Schloß und der Garten am Ufer des Rheins liegen gar herrlich, und das Lustschloß
Mon repos, welches wir morgen besehen werden, und das auf einem Berge liegt, von woher man die ganze Gegend überschauen kann, hat eine sehr reizende Situation.
Als wir ankamen, lag unser lieber Freund ... noch im Bette. Wir überraschten ihn; Und wenn es wahr ist, daß man das Hauptgepräge des Characters eines Mannes nach der Laune beurtheilen kann, mit welcher er aufsteht; (wenn er anders gesund ist) so hat diese Bemerkung auch hier nicht gelogen, denn der vortrefliche Mann sprang heiter und liebevoll aus dem Bette in unsre Arme. Wir haben schon heute einige glückliche Stunden mit ihm und unsern andern theuren Freunden verlebt. Auch habe ich sogleich den jungen Christoph Müller aufgesucht, und aus seines Lehrherrn Munde das vortheilhafteste Zeugniß seines Fleißes und seiner Aufführung gehört.
Wir haben heute etwas gesehen, das man nur in diesen Gegenden allein finden kann, und wovon man in den übrigen Provinzen von Deutschland keinen Begriff hat, nemlich eine Flöße (Vloot). Ein solches ungeheures Gebäude kömmt stückweise an, und wird nicht weit von hier zusammengesetzt, um nach Holland geführt zu werden. Da wir erfuhren, daß eine dergleichen Maschine heute von Andernach abfahren würde; (wie denn gewöhnlich jährlich zwey hinuntergehn) so nahmen wir ein Nachen und fuhren dahin.
Es ist ein frappanter Anblick für jemand, der so etwas noch nie gesehn hat, eine schwimmende Insel, welche, ohne die Flügel, die man Knie nennt, acht-bis neunhundert Schuhe lang, etwa hundert Schuhe breit und sechs bis sieben tief ist. Von einem solchen Gebäude, das oft 200,000 fl. werth ist, werden bis Holland ohngefehr 30,000 fl. Zoll gegeben. Es stehen viel Hütten zu Wohnungen
Wir sind heute über Coblenz, Montebaur und Limburg hierhergekommen, wo wir unsern liebenswürdigen Simon mit seiner Familie gefunden haben. Die Gegend dieses Brunnenorts hat wilde Schönheiten. Brunnengäste sind immer wenige gegenwärtig, um desto beträchtlicher aber ist die Versendung des Wassers. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht sitzt ein Haufen Menschen an der Quelle, wovon der Eine Wasser schöpft, der Andre die Krüge herreicht, der Dritte
Wir haben hier auch einen meiner alten Bekannten, den Herrn von Trautenberg mit seiner Frau angetroffen. Es war eine rührende Freude für mich, diesen guten, einst sehr unglücklichen Mann, so zufrieden, gesund und heiter zu sehen. Erlauben Sie, liebster Herr! daß ich Ihnen eine Scene aus seinem Leben mit seinen eigenen Worten erzähle. Sie werden dieselbe nicht ohne Theilnehmung lesen.
»Ich war ein fleißiger, frommer, aber zu warm und enthusiastisch gefühlvoller Jüngling, als ich nach ... auf die Universität kam. Von allen Menschen hatte ich eine vortheilhafte Idee, und kettete mich so gern an jeden an, der irgend eine hervorstechend gute Eigenschaft blicken ließ, oder mir einige Zuneigung bewies; So neu war ich noch in der Welt – Es drängten
»Aber dieser Taumel dauerte nicht lange. Ich gerieth bald in Schulden, welche mein Vormund nicht bezahlen wollte, und fühlte zu früh das Leere meiner Lebensart, den Verlust der schönsten Jahre, und glaubte, ich sey unwiederbringlich verlohren. Um eben diese Zeit war ich auch sehr unglücklich in der Liebe; mein einziger treuer Freund, mein ältester Bruder starb, und meine Gesundheit war nicht die beste.«
»Alle diese Unfälle öfneten mir die Augen über meinen Zustand, und da ich nun so wenig Freude, gleich bey meinem ersten Eintritte in die Welt schmeckte; so verzweifelte ich daran, jemals Glück in derselben zu finden. Was ist, dachte ich, an einem einzelnen Menschen verlohren, wenn
»Von allen Todesarten hielt ich keine für sanfter und weniger schmerzhaft als die, Opium zu nehmen. Ich wußte aber, daß es, zu Verhütung des Mißbrauchs, verbothen ist, dieses Gift in großen Portionen zu verkaufen. Deswegen holte ich mir, unter allerley Vorwande, von mehreren Apothekern, zu verschiedenen Zeiten, so viel laudanum liquidum, als jeder verkaufen dürfte, sammlete alles in einem Glase, und als ich endlich so viel zusammengebracht hatte, als nach medicinischer Theorie dem stärksten Manne nothwendig einen Schlagfluß zuwege bringen mußte, machte ich mich an die Ausführung meines Plans.«
»Es studierte mit mir ein deutscher Russe, von welchem ich wußte, daß er nur auf Gelegenheit wartete, die Universität zu verlassen, auf welcher er eine sein Vermögen
»Wir giengen des Nachmittags fort, kamen dort an, liessen uns ein gutes Abendessen bereiten, bey welchem ich recht heiter und frohlig war, und darauf legten wir uns zu Bette – Ich vergesse nie den Ort und die Umstände, und so oft ich durch die Gegenden reise, besuche ich die Stelle, und verlasse sie nie ohne innigste Rührung.«
»Unsre Betten standen gegen einander über; Ein Nachtlicht brennte vor dem meinigen. Ich nahm von meinem Begleiter einen so zärtlichen Abschied, ehe wir uns hinlegten, daß er nothwendig hätte etwas
»Als ich nun merkte, daß der Russe schlief, reckte ich mich noch einmal in die Höhe, sah ihn bedeutend an, holte dann mein Fläschgen, so ich unter das Bette gestellt hatte, hervor, und trank es mit aller Kaltblütigkeit bis auf den letzten Tropfen aus. Ich kann nicht sagen, daß der Gedanke, nun zum letztenmal alles um mich her zu sehen, und dann auf ewig die Augen zu schliessen, mich im geringsten beunruhigt hätte. Ich war im Gegentheil froh, das Ende meiner Leiden erlebt zu haben.«
»Es überfiel mich bald ein fester Schlaf, der bis des Morgens um vier Uhr dauerte. Aber da erwachte ich, (kein Arzt hat mir die Wahrheit dieser Begebenheit glauben wollen) erwachte mit Schrecken, Betäubung, fürchterlicher
»Jetzt aber drang mein Gewissen mit ganzer Last auf mich ein. Ich sah wie feig, wie unverantwortlich unmännlich und schlecht ich gehandelt hatte; ich erkannte die Gnade der Vorsehung, der ich meine Rettung dankte; Der ernstliche Vorsatz ein guter, fleißiger Mensch zu werden, alles Ungemach des Lebens zu ertragen und zu überwinden, erfüllte meine Seele, und dieser Scene habe ich dann mein ganzes Glück, die wiederkehrende Ruhe meines Herzens zu danken. Seit dieser Zeit ist jeder meiner Schritte gesegnet gewesen; Ich habe die kleinen Ungemächlichkeiten des Lebens standhaft ertragen, und nie wieder gegen die allmächtige Güte gemurrt.«
Wir sind über Königsstein hierher gekommen. Billig sollten Seiner Churfürstlichen Gnaden in Mayn; Seelenmessen für die Seelen derer lesen lassen, wel che durch heftige Flüche über die schlechten Wege, sich zum langen Fegefeuer reif machen. Aber die gerüttelten Rippen der Lebenden würden sich um nichts besser dabey befinden, und in so fern wäre es besser, die Wege würden gebessert.
Morgen gehen wir von hier ab, und binnen acht Tagen sind wir wieder in den Armen unsres besten, vortreflichen Wohlthäters, dem unsrer aller Herzen entgegen schlagen; vorzüglich aber das Ihnen ewig verbundene Herz
Ihres
Dies, mein liebster Sohn! ist also mein letzter Brief, und dann drücke ich Dich bald an mein Herz. Glaube mir, ich freue mich innigst auf diesen Augenblick. Du hast nun allerley Bilder gesammlet, und wir wollen gemeinschaftlich überlegen, wie wir diese Gallerie in Ordnung bringen, und welchen Plan Du für Dein künftiges Leben einschlagen willst.
So viel kann ich Dir im Voraus sagen, daß ich gleich nach Deiner Zurückkunft Anstalt zu machen denke, Deine Charlotte auf ewig
Deine gute Braut erwarte ich in wenig Tagen nebst ihrer Mutter; Sie wollen Dich hier bewillkommen, und von ihrer Freude kann niemand eine bessere Vorstellung haben, als Du selbst.
Der junge Hundefeld hat seine Dienste als Cammerassessor und Hofjunker in Cassell angetreten. Dort denke ich auch den jungen Wallitz anzubringen.
Für unsern Freund Meyer habe ich einen Vorschlag, den er, wie ich hoffe, annehmen wird. Der Secretair Reifenbruck hat eine große Pachtung im Hannöverschen übernommen. Also habe ich jetzt niemand, der meine
Hier hast Du Addressen nach Gotha. Du wirst an meinem lieben ... einen Mann kennen lernen, der wegen seiner seltenen Bescheidenheit und seines liebevollen sanften Characters, eben so sehr als wegen seiner Schriften und Verdienste um die Literatur, Verehrung verdient.
In Weimar mögte ich Dir das Glück beneiden einen jungen Fürsten von Angesicht zu Angesicht zu sehen, der durch so viel Privattugenden den Glanz seines Standes erhebt, der ein eben so treuer Freund als guter Landesvater ist, der jedes Talent schätzt, Gefühl für alles Gute und für die Leiden der Menschheit hat, und fest und entschlossen bey Ausführung edler Vorsätze ist.
Hier, lieber Leser! hast Du nun mein Büchelchen ganz. Ich wünsche herzlich, es möge Dir wohlgefallen. Wenigstens hatte ich, als ich es schrieb, die redliche Absicht, Du solltest Freude und Nutzen daraus schöpfen. Ist dieser Endzweck nicht ganz erreicht; so habe Nachsicht. Etwas Gutes steht doch wohl darinn, und sollte auch dies nicht seyn; so kann ich kühn sagen, Du wirst wenigstens nichts finden, das der Unschuld gefährlich, oder dem Schwachen ärgerlich seyn könnte. Also ist es doch ein unschädliches Buch, jedem unschädlich, es müßte denn dem Verfasser Nachtheil bringen können, weil er hie und da ein wenig frey von der Lunge weg geredet hat. Doch dafür laß mich sorgen; die Edlen habe ich wissentlich nicht gekränkt, und die Schurken fürchte ich nicht.