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Nicht ohne Mistrauen wage ich die öffentliche Bekanntmachung dieser Schrift, welche die Untersuchung einiger Gegenstände der Sittenlehre zum Zwecke hat. Der größte Theil des heutigen Publicums pflegt keinen Geschmack an ernsthaften Abhandlungen von der Art zu finden, sondern wenigstens zu verlangen, daß die moralischen Lehren in das gefällige Gewand eines Romans gehüllt, oder sonst hinter irgend einer reizenden Bekleidung versteckt, erscheinen sollen. Mehr als Eine Ursache aber hat mich diesmal abgehalten, eine andre Form, als die der ungeschmückten Darstellung, zu wählen. Es ist unmöglich, Leser, die ohne Unterlaß Neuheit in Materie und Einkleidung fordern, zu allen Zeiten zu befriedigen. Nicht jeder Stoff verträgt eine solche Bearbeitung, ohne an seiner Würde zu verliehren und in einem gewissen Alter fehlt auch oft dem Schriftsteller diejenige Geschmeidigkeit und Lebhaftigkeit, die erfordert wird, um sich nach allen Umwandlungen der Mode zu richten und von der Phantasie eine günstige Aufnahme für das, was die Vernunft hergiebt, zu gewinnen. Neue Entdeckungen in dem Gebiethe der Sittenlehre zu machen, ist wohl unsern Zeiten nicht mehr vorbehalten; daß aber manche moralische Vorschriften noch nicht zu oft sind in Erinnerung gebracht worden, beweiset leider! die schlechte Befolgung dieser Vorschriften. Eigennutz und Undank sind Laster, über die man, bey dem mit dem Luxus zugleich einreißenden Sittenverderbnisse, häufig klagen hört. Habe ich diese Gegenstände nicht so behandeln können, daß ich auf den Beyfall aller Leser rechnen darf; so läßt mich doch die gute Aufnahme meines Buchs über den Umgang mit Menschen, das in derselben Manier geschrieben ist, hoffen, nicht allgemein zu misfallen.
Bremen,
Ist es wahr, daß die Haupt-Triebfeder aller menschlichen Handlungen der Eigennutz, und daß auch da, wo großmüthige Aufopferungen jenen Vorwurf zu widerlegen scheinen, dennoch die Beförderung des eignen Vergnügens des eignen Genusses, des eignen, in wie fern die Beförderung eigner Glückseligkeit als ein erlaubter und edler Bewegungsgrund zu moralischen Handlungen angesehn werden
könne, so deutlich wie möglich aus einander zu setzen und zu beantworten.
Um zu entwickeln, wie etwa der Mensch, ohne Betrachtung der Würkung seiner Handlungen auf die Verhältnisse, darinn er sich befindet, handeln würde, wird es nicht unnütz seyn, ihn uns ganz ohne jene Verhältnisse, isolirt, zu denken; also nicht den Menschen, der schon mit den Rechten, Vortheilen und Verbindlichkeiten, welche ihm die bürgerliche Gesellschaft gewährt und auflegt, gebohren wird, sondern den einzeln stehenden Natur-Menschen. Und da fragt sich's dann: wie kann und wird dieser die Tugend kennen, lieben und ausüben?
Der Natur-Mensch hat mit den übrigen Thieren das gemein, daß er durch körperliche
Sein Gefühl treibt ihn ohne Ordnung und Gesetz, zu Allem, was ihm einen angenehmen Genuß der ihm bekannten Gegenstände in der Welt gewähren und zusichern kann. Höchstens lehrt ihn sein Instinct durch Erfahrung, sich das Uebermaß des Genusses zu versagen, überhaupt dasjenige nicht zu begehren, was ihm einmal unangenehme Empfindungen erweckt hat, und also wieder erwecken kann. Auch zieht ihn sein Instinct unwillkührlich
Diese Entschlüsse nun können sich nicht weiter erstrecken, als auf solche Fälle, über welche er würklich Erfahrungen gemacht hat, und er kann nur Vorsätze fassen, die auf diejenigen Verhältnisse anwendbar sind, welche er kennt. Da ihn nun seine eigne Existenz jeden Augenblick seines Lebens am mehrsten beschäftigt und ihm das Gefühl derselben am lebhaftesten und beständigsten gegenwärtig ist; so wird die erste Sorgfalt seiner Vernunft auf Erhaltung und Vervollkommung seines
Es giebt also nur Ein von der Natur uns eingepflanztes allgemeines Gesetz, nämlich das: der Vernunft zu folgen. Die Anwendung hängt von den Erfahrungen und Verhältnissen ab. Wo diese gänzlich fehlen, da kann keine Idee von Entschlüssen, die darauf Bezug haben, Statt finden. Und so wie andre, neue Erfahrungen und Verhältnisse eintreten, müssen auch die Motive zu den Handlungen sich verändern.
Ohne Zweck handelt die Vernunft nicht, denn dadurch unterscheiden sich ja ihre Antriebe von denen, die der Instinct und das dunkle Gefühl bewürken. Wo also keine Zwecke sich darstellen, da wird die Vernunft nicht zum Handeln bestimmt. Deswegen ist alles, was wir Tugend, Pflicht und Gesetz nennen, nur Resultat der Vernunft, gezogen
Hieraus folgt also, daß unsre jetzigen Begriffe von Tugend und Pflicht gar keine allgemeine, ewige, unwandelbare Wahrheiten, sondern nach den verschiedenen Erfahrungen und Verhältnissen auch verschieden sind und seyn müssen, ja! daß dieselbe Handlung, unter andern Umständen, gut, gleichgültig
Um nun noch einmal das Ganze zusammen zu fassen; so giebt es keine reine, angebohrne, allgemeine Begriffe von Tugend und
Kindisch und von eingeschränkten Begriffen zeugend, ist es daher, wenn man höhern Wesen, und sogar der Gottheit, Tugenden beymißt. Da wir die Verhältnisse der höhern Wesen nicht kennen; so können wir nicht nur nicht wissen, welche Zwecke ihre Vernunft zum Augenmerke haben muß, sondern es ist uns auch gänzlich unbekannt, ob nicht andre Kräfte als die, welche wir Kräfte der Vernunft nennen, die höhern Wesen leiten.
Um nun moralisch gut, tugendhaft und pflichtmäßig, das heißt, um so zu handeln, daß der Mensch seine Glückseligkeit, als isolirtes Wesen und als Theil des Ganzen, befördert, würken folglich drey Triebfedern: erstlich sein Gefühl oder Instinct, wodurch er unwillkührlich zu gewissen Handlungen hingezogen wird; zweytens seine Vernunft, die
Wem ist es je mehr darum zu thun gewesen, reine, erhabene Moral zu lehren, als dem großen, göttlichen Stifter unsrer Religion, Jesu von Nazareth? Und welche Bewegungsgründe zur Tugend, welche Stufen in der Pflicht-Erfüllung schreibt er den Menschen vor? Zuerst, weil er überzeugt ist, daß, um den schwachen, sinnlichen Sterblichen zu höherer Würksamkeit und zu Aufopferungen nahe liegender Privat-Vortheile zu bewegen, er eines stärkern Antriebes bedürfe, als den, welcher bloß die Rücksicht auf Erhaltung der gesellschaftlichen Ordnung erzeugen kann, empfiehlt er Liebe Gottes über alles. Wir sollen vor allen andern die Gefühle der Liebe und Dankbarkeit gegen das höchste Wesen, gegen unsern ersten und vornehmsten Wohlthäter, in unsern Herzen herrschen lassen, um ermuntert zu werden zur Nachstrebung höherer Vollkommenheit
Der Bewegungsgrund gut zu handeln, um dadurch unsre eigne Glückseligkeit zu befördern, ist also so einfach, so natürlich, so dringend jedem Menschen eingepflanzt, daß es der gesunden, reinen Vernunft angemessen ist, ihn zur Richtschnur aller Handlungen zu machen. Man sieht aber bey genauerer Beleuchtung bald ein, daß diese eigne Glückseligkeit des fühlenden, denkenden und in Verbindung lebenden Wesens nur allein durch die genaueste Beobachtung aller moralischen Pflichten erlangt werden könne, und daß, wenn Jeder an der Hand der Vernunft, nach diesem Bewegungsgrunde handelt, es um die Ordnung und Harmonie des Ganzen sehr gut stehn werde.
Zuerst ist es gleich einleuchtend, daß wenn jeder Mensch egoistisch nur die Pflichten gegen
Es ist aber auch sehr natürlich, daß, je näher uns das eigne Interesse bey einer Handlung liegt, je leichter zu übersehn die Reihe der für uns zu erwartenden Folgen ist; auch der Antrieb zu dieser Handlung dringender seyn werde. Deswegen ist nichts gewisser, als daß die Sorgfalt für unser
Bis hierher haben wir es nur mit den Bewegungsgründen der Vernunft zu thun gehabt; indessen ist schon vorhin gesagt worden, daß diese allein leicht zu einem, der Gesellschaft schädlichen Egoismus verleiten könnte, und daß der, welcher bey jedem Schritte nur allein ihre Gründe zu Rathe ziehn und die sichern Folgen calculieren wollte, vielleicht manche sehr edle, große und nützliche Handlung unterlassen würde. Dafür nun aber, daß das nicht geschehe, hat die schaffende Natur gesorgt, indem sie dem Menschen die Anlage zu Gefühlen gegeben hat, die ihn unwillkührlich zum Wohlwollen
Ich habe vorhin gesagt und zu beweisen gesucht, daß bey allen Antrieben zu unsern
Es ist jedoch freylich gewiß, daß der, welcher für diese Verpflichtungen keinen Sinn hat, den auch die Furcht vor der Strafe, welche die conventionellen Gesetze auf gewisse, der Gesellschaft schädliche Handlungen gelegt haben, nicht abhält und endlich der, in dessen Herzen religiöse Gefühle unwürksam sind, daß ein Solcher, Trotz seiner Vernunft, unmoralisch handeln wird. Es ist eben so gewiß, daß wer unfähig ist, von einem gewissen Enthusiasmus für große, uneigennützige Thaten beseelt zu werden, zu höhern Aufopferungen nicht fähig seyn wird. Auch ist es nicht weniger ausgemacht, daß
Es ist aber leicht einzusehn, daß diese Unvollkommenheit der menschlichen Natur sich bey den Motiven zu moralischen Handlungen, die aus der Nützlichkeit derselben hergenommen sind, nicht mehr offenbahren werde, als bey denen, die aus so genannten reinen Begriffen von Tugend und Pflicht sind abgezogen worden. Im Gegentheil! Argumenta ad hominem hergenommen werden können, die sich demonstriren lassen und nicht abzuleugnen sind. Man sieht also, daß dies ein weit sichrers, allgemeiner würksames Principium, ein festeres System liefert, als jenes speculative, von der Verschiedenheit der Vorstellungsarten eines Jeden abhängige und veränderliche Grundgebäude.
Man hat hie und da behauptet, der Grundsatz: daß man seine moralischen Handlungen nur nach solchen Motiven bestimmen müsse, die in allen Fällen als allgemeine theoretisch zum Probiersteine jeder Handlung und jedes Bestrebens dienen, wenn er auch nicht immer practisch auszuüben wäre. Allein das heißt nichts gesagt; denn wenn es solche Motive giebt; so müssen sie immer zur Richtschnur dienen und immer practisch angewendet werden können. Allein noch einmal! es giebt dergleichen allgemeine Gesetze nicht und von den Bewegungsgründen eines vernünftigen Wesens, dies oder jenes zu thun oder zu unterlassen, läßt sich die Rücksicht auf den Zweck, das heißt, auf das, was durch dies Thun oder Lassen bewürkt werden soll, mit Einem Worte! was es nütze oder schade, gar nicht trennen.
Daß aber die ausschließliche Befolgung allgemeiner Gesetze im practischen Leben aller Handlungen, nach den Graden ihrer Nützlichkeit bestimmen kann, da hingegen die so gepriesenen reinen Begriffe von Recht und Unrecht sich auf eine große Anzahl von Handlungen gar nicht anwenden, folglich den Werth derselben unbestimmt lassen.
Wie wenig fest und haltbar überhaupt die von den Philosophen der neuern Schule aufgestellten Grundsätze seyen, davon hat mich noch kürzlich, so wie manche andre Stelle in ihres, übrigens sehr achtungswerthen Die Religion, innerhalb den Grenzen der bloßen Vernunft, überzeugt. Hier, wo er sich bemüht, sein System so zu zerren, daß es auch über den Leisten der theologischen Orthodoxen passen, folglich auch der Lehre von der Erbsünde keinen Abbruch thun soll, sagt er: »Es sey eine von den unvermeidlichen Einschränkungen des Menschen und seines practischen Vernunftvermögens, sich bey allen Handlungen nach dem Erfolge davon umzusehn.« Nun dann! wenn dies eine für ihn unvermeidliche Einschränkung ist; so scheint es doch wohl der Vernunft nicht gemäß, von ihm zu fordern, daß er nach Bewegungsgründen handeln solle, die gar keinen Bezug auf den Erfolg haben, und die also für seinen eingeschränkten Geist zu hoch sind.
Und nun zum Schlusse dieses, vielleicht manchem Leser zu trocken scheinenden Abschnittes, noch einige Bemerkungen! Ich habe oben die Würklichkeit angebohrner, allen Menschen eingepflanzter bestimmter Begriffe von Tugend und Pflicht geleugnet. Es ist hingegen unwiderlegbar gewiß, daß in unsrer Natur ein lebhaftes Gefühl von Recht und Unrecht, das heißt: von dem, was der Vernunft gemäß und nicht gemäß ist, herrscht, welches jedoch erst durch die Verhältnisse und Lagen, in welche wir versetzt werden, eine deutliche und bestimmte Richtung bekömmt. Es geschieht aber, durch eine sehr gewöhnliche Verwechselung von Ideen, daß wir diejenigen Eindrücke, welche wir durch Erziehung und nachherige Bildung erhalten haben, nachdem sie uns zur andern Natur geworden sind, für angebohrne Begriffe halten. Daher der Irrthum
Die Herrn Kunstrichter und diejenigen unter meinen übrigen Lesern, denen die hier angeführten Gründe (für den Satz: daß die Beförderung unsrer eignen Glückseligkeit das erste, sicherste und reinste Motiv zu moralischen Handlungen sey) nicht überzeugend vorkommen, bitte ich, ihr Urtheil noch zurückzuhalten und erst vorher den
Anhang zu diesem Abschnitte zu lesen, den ich, um den Vortrag nicht zu unterbrechen, am Ende der ganzen ersten Haupt-Abtheilung folgen lasse.
Es ist in dem vorigen Abschnitte bewiesen worden, daß von den Bewegungsgründen, nach welchen vernünftige Wesen sich zu moralischen Handlungen bestimmen und diese ordnen, sich die Rücksicht auf ihren Nutzen, auf die Beförderung ihrer eigenen Glückseligkeit nicht trennen läßt. Man soll, sagen die neuern Philosophen, die Tugend nur ihres innern Werths wegen lieben, suchen und ausüben. Wohl! was giebt denn aber der Tugend diesen Werth? der Nutzen, den sie stiftet. Und worinn besteht denn dieser Nutzen? In der Beförderung des allgemeinen Wohls, des Wohls der Welt. Und was geht denn mich das Wohl der Welt Weil ich ein Theil dieser Welt bin. Das ist der Cirkel, durch welchen wir immer zu unserm eignen Ich wieder zurückkehren. – Die Beförderung unsrer eignen Glückseligkeit ist also der vernünftige Bewegungsgrund aller unsrer moralischen Handlungen.
Der Mensch kann aber nur ein scheinbares, unsichres, nicht dauerhaftes Glück genießen, wenn durch diesen Genuß die Harmonie des Ganzen leidet und gestöhrt wird. Derjenige Mensch nun, welcher diese Rücksicht bey seinen Handlungen aus den Augen verliehrt und seinem scheinbaren Nutzen das Wohl des Ganzen aufopfert, handelt nach unmoralischen Grundsätzen, sträflich eigennützig und von den verschiedenen Arten eines solchen Eigennutzes soll in diesem Abschnitte geredet werden.
Wollen nun diejenigen neuern Philosophen, mit deren Widerlegung wir uns vorhin beschäftigt haben, in ihrer mystischen Sprache, nichts weiter sagen, als daß ein solcher Eigennutz nicht die Triebfeder tugendhafter Handlungen seyn solle; so bedarf es wahrlich eines so großen Aufwandes von unverständlichen, dunkeln Worten nicht, um eine Wahrheit zu lehren, die von den Moralisten aller Zeitalter als unwiderleglich wahr ist anerkannt worden.
Der Sprachgebrauch berechtigt uns, dem unedlen Bewegungsgrunde, welcher so viel Menschen bewegt, das Wohl der gesellschaftlichen Verbindung ihrem sinnlichen Genusse, der Befriedigung ihrer unregelmäßigen Begierden aufzuopfern, den Namen Eigennutz zu geben. Wir haben aber eigene Nutzen eines einzelnen Mitglieds der Gesellschaft durch keine Handlung bewürkt werden könne, die schädliche Folgen für die Gesellschaft im Ganzen hat.
Man kann also mit Recht sagen, daß nur Mangel an Einsicht daran Schuld sey, wenn die Menschen unmoralisch sind. Berechneten sie besser ihren eigenen Nutzen und die früh oder spät zu erwartenden nachtheiligen Folgen, die für sie oder die Ihrigen jede Handlung nach sich zieht, welche die Harmonie im Ganzen, auch nur auf die am unbedeutendsten scheinende Art, stöhrt; so würden sie Alle gut und folgerecht handeln. Dies ist ein sehr tröstender Gedanke. Jeder unmoralisch handelnde Mensch übertrit also aus eben dem Mangel an gehöriger Ueberlegung der Folgen das moralische Gesetz, aus
Lasset uns also es für Lästerung der menschlichen Natur halten, wenn manche Philosophen behaupten: es herrsche in uns von Natur ein böses Princip und, um mit ihren eignen Worten zu reden, »der Mensch habe, ungeachtet er sich des moralischen Gesetzes, als eines für ihn verbindlichen Gesetzes, bewußt sey, durch den Gebrauch seiner Freyheit den Entschluß gefaßt, von diesem Gesetze zu Gunsten der Selbstliebe abzuweichen.« Nein! dieser niederschlagenden Ueberzeugung von der natürlichen Verderbtheit der Menschen, die nothwendig jede Entwicklung des Keims zum Guten hindern muß, wollen und können wir nicht Raum geben. Das, was die Theologen
Wie geht es denn aber zu, daß mit dem, allen Menschen angebohrnem Gefühle des Wohlwollens und der Theilnahme an dem Schicksale seiner Mitgeschöpfe und mit den Gründen der Vernunft, die uns lehren, was wir als Theile des Ganzen der Gesellschaft schuldig sind und ihr leisten müssen, wenn wir von Andern gleiche Schonung und Hülfe erwarten wollen – wie geht es zu, daß wir mit dem Allen dennoch grade bey denen Völkern, welche sich der höchsten intellectuellen und moralischen Cultur rühmen,
Doch noch ist das Gefühl der Theilnahme an fremder Glückseligkeit, an dem Wohl der bürgerlichen Gesellschaft und an allem, was die Menschheit im Allgemeinen betrift, nicht aus den Herzen der Bewohner cultivirter Länder verschwunden. Wir finden die Spuren dieser edeln Empfindungen in kleinen Staaten, wo noch Einfalt und Reinigkeit der Sitten herrschen; in Ländern, wo Reichthum und Luxus die Menschen noch nicht verderbt haben; wo sie in beständiger Arbeitsamkeit und Anstrengung fortlebend, sich gegenseitig beystehn müssen, um gegen rauhe Elemente und die Unfruchtbarkeit des Bodens anzukämpfen, wo sie daher fühlen lernen,
Es ist dem, welcher auf die feinern Charakterzüge aufmerksam ist, die geheimen Schliche der Herzen belauert, da, wo die Menschen am wenigsten beobachtet zu werden glauben, seine Bemerkungen anstellt und aus kleinen Zügen oft große Erfahrungen abzieht, einem Solchen, sage ich, ist es ein wohlthätiges Gefühl, wenn er noch Leute antrift, in denen der Trieb, ohne specielle Rücksicht auf eignen Nutzen und Genuß, für Andre zu würken, zur Natur geworden ist und sich bey den unbedeutendsten Vorfällen offenbart. Ich wandle auf einem Spaziergange hinter einem Manne her und bemerke, daß er sorgfältig, wenn er im Fortschreiten irgend eine Glas-Scherbe, einen Stein, einen Dorn-Zweig, oder irgend einen andern Gegenstand bemerkt, der dem nach ihm Kommenden hinderlich oder gefährlich werden könnte, es mit seinem Stocke wegräumt. Ich erkundige
Leider! aber ist bey den mehrsten Menschen dies Gefühl von wahrer Theilnahme an dem Schicksale Andrer und an dem allgemeinen Wohl durch Eigennutz und Egoismus erstickt. Sie leben nur für sich, denken
Nichts aber bieten die Leute lieber an und geben es lieber, als was sie entweder nicht haben, oder nicht achten; der Verschwender Geld, der Schwachkopf guten Rath.
Wie wenig Wohlthäter findet man, die nicht auf irgend einen Ersatz rechneten, wäre es auch nur auf Dank, auf die Ehre, der guten That wegen, gerühmt, dadurch für einen großmüthigen Mann bekannt zu werden, und wenn es auch nicht gerade auf eitel Lob und Ruhm angesehn ist, wenigstens darauf, ein Herz mehr zu gewinnen, welches
Und deswegen haben denn auch so wenig Menschen Sinn für den Werth eines großen, edlen, uneigennützigen, für Menschenwohl warmen Herzens; deswegen trauen
Auf die unverantwortlichste Weise wird aber auch von nicht fein denkenden und von schlecht gesinnten Leuten das Zutrauen, die Gutmüthigkeit und die Dienstfertigkeit uneigennütziger und solcher Menschen, die weniger achtsam auf ihren Vortheil sind, gemisbraucht. Wie oft man, besonders in den Jahren, wo man den Werth des Geldes nicht zu schätzen weiß, betrogen wird, davon werden wohl die mehrsten meiner Leser in ihrem Leben selbst Erfahrungen gemacht haben; allein auch nachher, bey reiferer Vernunft, wird man nur gar zu oft mit einem theilnehmenden Herzen das Opfer der Zudringlichkeit und der unersättlichen Forderungen
Allein die mehrsten Menschen handeln, oft ohne es sich selbst bewußt zu seyn, so, als dürften sie sich für den Mittelpunkt der ganzen Schöpfung ansehn, als sey alles außer ihnen nur ihrentwegen da. Dies offenbart sich in ihren unbedeutendsten Reden und Handlungen. Sie sprechen nur von sich, von ihren Schicksalen, Geschäften und Vorsätzen. Was aber andre Leute angeht, das ihr Interesse fordern. Im Umgange wollen sie immer nur genießen, stets nehmen, nie geben. Man hört sie leicht über Langeweile klagen, indeß sie selten darauf Rücksicht nehmen, ob sie auch wohl uns Langeweile machen. Wo sie nicht Unterhaltung genug finden, da gehen sie fort, oder werden böser Laune; aber wo es ihnen gefällt, da bleiben sie, unbekümmert, ob sie auch etwas zur Unterhaltung und Belehrung Andrer beytragen. Wo es ihren Nutzen oder ihr Vergnügen gilt, da sollen wir ihnen unsre Grundsätze und unsre Ruhe aufopfern. Fällt es ihnen ein, bey nächtlicher Zeit zu tanzen, zu singen, zu toben; so ist es ihre geringste Sorge, ob irgend ein schwächlicher, nach Ruhe sich sehnender Mann darüber im Schlafe gestört wird oder nicht. Fehlt ihnen die vierte Person zum Spiele; so fordern sie dich die Gerechtigkeit kann man von manchen Personen nicht erhalten, daß sie uns erlauben, unsern Weg ruhig neben ihnen hinzugehn, ohne uns um den ihrigen zu bekümmern; nein! wenn es in ihrem Kram paßt,
Leider! verwebt sich auch nur gar zu oft ein grober oder feinerer Eigennutz in das
So viel ist indessen gewiß, daß die Menschen selten diejenigen unter ihren Brüdern eigentlich lieben, von denen ihnen ihr Herz oft der Fall seyn mag) daß ein jeder so genanter Literator unfähig seyn sollte, sich diese, einem Geschäftsmanne nöthigen Fertigkeiten zu erwerben. Es hat vielmehr von je her in allen Ländern Männer gegeben, die zugleich auf beyden Wegen sich ein großes Verdienst erworben haben. Und was den Nutzen betrifft, den Beyde stiften; so läßt sich derselbe, so wenig wie die Folgen irgend einer Art von Anwendung seiner Kräfte, berechnen. Lasset uns daher doch Eigennutz und Eitelkeit bey Seite setzen, kein Talent, keinen sonst edlen Gebrauch der Zeit geringschätzen! Lasset uns das oft sehr zweydeutige Glück eines großen Namens niemanden beneiden! Das innere Bewußtseyn, in der Stille, vom Volke ungelobt und unbemerkt, Gutes zu würken, ist wohl eben so viel werth. Lasset uns endlich das
Die mehrsten Menschen, welche verkannte, unterdrückte Talente an das Licht zu bringen, junge Genien mit Geld-Summen und Empfehlungen zu unterstützen und den Gelehrten vorzügliche Achtung zu beweisen, sich angelegen seyn lassen, möchten uns gern glauben machen, dies alles geschähe aus uneigennützigem Eifer für Wissenschaften und Künste; allein nicht immer ist das der Fall. Man will selbst für einen Mann von Kenntnissen, Talenten und feiner Beurtheilung gelten; man möchte gern als ein Solcher und als ein großmüthiger Beförderer der
Auf die häufigen Besuche, welche reisende Liebhaber der Wissenschaften bey bekannten, durch ihre Schriften berühmt gewordenen Männern ablegen, haben Diese auch eben nicht Ursache, stolz zu werden. Die Mehrsten solcher Leute kommen bloß als neugierige Gaffer und um hernach sagen zu
Nicht weniger Eigennutz, als mehrentheils bey der äussern Achtung im Spiele ist, welche die Menschen gelehrten und berühmten Leuten zu beweisen pflegen, ist auch in dem Eifer würksam, mit dem sie sich zu solchen Personen hindrängen, die durch Reichthum, Geburt oder Rang sich über Andre erhoben haben. Wenn auch nicht immer von Planen auf Schutz und Beförderung, auf den Geldbeutel und auf die Mahlzeiten die Rede ist; so sucht doch die liebe Eitelkeit ihren Vortheil bey solchen Verbindungen. Es giebt solche Menschen, die sich gern in
Besser berechnet auf der andern Seite der sich herablassende Große seinen Vortheil bey solchen Verbindungen mit Leuten, die er
Ueberhaupt haben wir Ursache, ohne eigentlich argwöhnisch zu seyn, doch nicht zu fest auf die Zuneigung der Menschen zu rechnen, die wir nie in solchen Fällen beobachtet haben, wo unsre Verhältnisse gegen sie mit ihren Vortheilen in Collision kommen, oder wo es kleine oder große Aufopferungen und Verleugnungen gilt. Man beurtheile also die Menschen nicht nach dem, wie sie handeln, wenn sie Unsrer auf irgend eine Weise bedürfen, oder uns fürchten! Wenn wir uns der allgemeinen Achtung erfreuen; wenn unser Wort von Gewicht, unser guter Ruf ausgebreitet und nicht zweydeutig ist; wenn man es für eine Art von Ehre halten darf, mit uns vertraulich umzugehn;
Es ist sehr unterhaltend für den feinen Beobachter, zu sehn, welchen Tauschhandel von Schmeicheley die Menschen unaufhörlich unter einander treiben und wie fast alle ihre Verbindungen auf diese Waaren-Speculation berechnet sind. Solche Verbindungen erweitern und verengen sich, werden gestiftet und getrennt, je nachdem die Theilnehmer ihr Conto dabey finden, das heißt: je nachdem sie sich dabey eine beträchtliche oder zu geringe Einnahme von äußerer Ehre, Schmeicheley und Blindheit gegen ihre Fehler und Untugenden, versprechen dürfen. Fast die ganze Kunst der feinen Lebensart beruht weniger auf zweckmäßigen, wahren, gegenseitigen Gefälligkeiten, als auf einem stillschweigenden Vertrage, sich einander Gesinnungen
So bereitwillig aber auch die Menschen seyn mögen, da, wo es ihnen Vortheil bringen kann, auch wider ihre Ueberzeugung, für die Unvollkommenheiten ihrer Mitbürger blind zu seyn und sich gegenseitig mit Beyfall und Lob zu hintergehn; so wenig Gerechtigkeit lassen sie, wie dies schon an einem andern Orte ist bemerkt worden, dem wahren Verdienste wiederfahren, wenn dadurch das ihrige verdunkelt werden kann. Sie werden sehr geneigt seyn, alle gute Eigenschaften an die werden sie leise hinausgehn, auf welche sie selbst große Ansprüche machen. Noch hat man Ursache, ihnen zu danken, wenn sie es dann dabey bewenden lassen, zu schweigen; allein wie oft verleitet sie nicht der Brodneid, den Mann zu verkleinern, zu verleumden, von dem sie sich übertroffen glauben.
Ein Theil von dem, was ich über den Eigennutz in der Freundschaft gesagt habe, ist auch auf die Liebe unter Personen von verschiedenem Geschlechte anwendbar. Wir wollen nicht untersuchen, ob überhaupt Geselligkeit und Liebe ursprünglich aus einem Gefühle von Schwäche, aus dem Verlangen nach Hülfe, Beystand und Mittheilung entstehen! – Ein Satz, den man als wahr anzunehmen versucht werden möchte, wenn man bemerkt, daß je selbstständiger,
Unter Blutsfreunden stiftet der Eigennutz oft unversöhnliche Feindschaft, so wie er auch verstellte, falsche Freundschaft, Aufmerksamkeit und Pflege heuchelt, wenn er seine Rechnung dabey findet. Wenn eine Erbschaft zu erschleichen, einer alten Muhme oder einem kränkelnden Oheime ein Legat abzulocken, wenn eine Verlassenschaft unter lachende Erben zu theilen, wenn ein gutmüthiger Vetter zu einem für ihn nachtheiligen Vergleiche zu bereden ist; dann zeigt sich der Eigennutz, mit den glatten Waffen der
So traurig den Menschenfreund die Bemerkung macht, daß in die natürlichsten, einfachsten Verhältnisse, in die Bündnisse, welche Freundschaft, Liebe und Blutsverwandtschaft stiften, sich so vielfältig ein niedriger Eigennutz einmischt; so kränkend ist für ihn auch die Erfahrung, daß diese unedle Leidenschaft sich zuweilen in das Gewand eines wohlthätigen Eifers für die Bildung, den Unterricht und die Erziehung der Jugend hüllt. Ich rede hier nicht von den edeln Männern, die, indem sie ihre Kräfte und die schönsten Jahre ihres Lebens, dem mühseligen, oft so undankbaren Geschäfte
Das Band, welches die Hausherrschaft und das Gesinde an einander knüpft, ist nicht weniger oft aus bloßem Eigennutz zusammengewebt. Man hört aller Orten über die Faulheit und Untreue der Dienstboten klagen. Es ist wahr, die Wenigsten von ihnen verrichten ihre Geschäfte eigentlich mit Lust und Eifer. Wenn nur die Zeit hingeht und sie keiner offenbaren Nachlässigkeit beschuldigt werden können; so glauben sie genug gethan zu haben. Der Nutzen ihrer Herrschaften
Ich habe, nicht um dem Laster das Wort zu reden, sondern zu Milderung der widrigen Eindrücke, welche die Schilderungen, die ich hier von der ungeselligen Handlungsart so vieler Menschen aufstellen muß, auf jeden Tugendfreund machen werden, im Anfange dieses Abschnittes (5 und 6) zu beweisen gesucht, daß der Grund dieses verwerflichen Eigennutzes nicht in einer ursprünglichen Verderbtheit der menschlichen Natur, nicht in einem angebohrnen Mangel an Wohlwollen und Theilnahme, sondern in den, durch unsre bürgerlichen Einrichtungen, innere Glückseligkeit befördern, die in der höhern Ausbildung und Anwendung unsrer Vernunft, zur richtigen Lenkung unsrer Gefühle und Triebe und zu Gründung
Wenn aber auf jene Weise die Menschen von Kindheit an gewöhnt werden, einen niedrigen Eigennutz zur Triebfeder aller ihrer Handlungen zu machen; ist es dann zu verwundern, wenn man im bürgerlichen Leben allgemein die schädliche Würkung dieser Verkehrtheit gewahr wird? Die mehrsten, von den Regierungen ausgesetzten Preise, um Ordnung, Fleiß und Thätigkeit zu befördern, die sich doch selbst so reichlich belohnen, liefern einen traurigen Beweis davon, daß man den Menschen das Interesse sehr nahe legen müsse, um sie zu Ausübung ihrer Pflicht zu ermuntern. Ja die ganze geheime Kunst, Menschen zu regieren, besteht
Die mehrsten Menschen sind äußerlich tugendhaft, rechtschaffen, großmüthig, gefällig, dienstfertig, gesellig, nicht aus innerm Triebe zum Guten, nicht aus richtiger Berechnung des Nutzens, den sie dadurch, wie ihnen die Vernunft diese Pflicht vorschreibt, der menschlichen Gesellschaft stiften; nein! nur um damit gewisse Vortheile zu erkaufen, sey es nun Beförderung im bürgerlichen Leben, sey es irgend ein andrer eigennütziger Plan, oder sey es endlich auch nur des Rufs und Beyfalls wegen. Man lobt, um wieder gelobt zu werden, oder um gelegentlich desto sichrer Verleumdung für Wahrheit
Genau betrachtet hat aber jede Bestrebung, seine Handlungen so einzurichten, daß man dadurch äußern Ruf, Lob und Beyfall gewinne, ihren Grund in einem, obgleich zuweilen versteckten Eigennutze. Zwar bin ich weit entfernt, zu glauben, man dürfe die allgemeine Schätzung, und besonders das Urtheil verständiger und edler Männer über unsern wahren Werth, für nichts achten; vielmehr halte ich diese Rücksichten für sehr vorzügliche Triebfedern, die uns aufmuntern können, die Achtsamkeit auf uns selbst nie aufzugeben und, um guter Menschen Liebe und Beyfalls werth zu seyn, immer eifriger an unsrer Vervollkommung zu arbeiten; allein was man thut, als wie und warum man es thut. Ein redlicher, treuer Hausvater, der sparsam lebt, unermüdet im Schweisse seines Angesichts arbeitet und sich so manches Vergnügen versagt, um ein kleines Vermögen zu sammeln, damit einst seine Kinder sich unabhängige, sorgenfreye Tage erkaufen können; ein fertiger Geschäftsmann, der mit ununterbrochenem Fleiße sein Leben lang, für mäßige Besoldung, in staubigen Acten wühlt, dabey mit Verdruß aller Art kämpft, manche undankbare Behandlung und Zurücksetzung geduldig erträgt und, obgleich er Vermögen genug besitzt, um sich in Ruhe
Doch nicht nur in den Geschäften des bürgerlichen Lebens, sondern sogar in ihren Studien und in Ausfüllung ihrer Nebenstunden verrathen die Menschen eigennützige Absichten. Seltener haben sie, wenn sie eine Wissenschaft treiben, den Zweck vor Augen, dadurch der Welt nützlich zu werden,
Wenden wir nun unsern Blick auf die Geschäfte im bürgerlichen Leben; so sehen wir nicht weniger oft den Eigennutz unter allen Bewegungsgründen, die den Menschen bestimmen, seine Kräfte dem Dienste des Staates zu widmen, obenan stehn. Wer schlägt wohl ein einträgliches Amt aus, das er zu erlangen Gelegenheit hat, er mag nun in seinem Gewissen überzeugt seyn, daß er die dazu nöthigen Kenntnisse habe, oder nicht? Wie selten läßt man seinem geschicktern und fleißigern Mitwerber Gerechtigkeitzurückgesetzt glaubt, weil er nicht vorgesetzt wird, lau in seinem Dienst-Eifer und nachläßig zu werden. Ich hatte das Glück, in meinen ersten Dienstjahren unter den Augen eines großen, würdigen Ministers zu arbeiten. Dieser sagte mir einst: er sähe es ganz gern und veranlasse es zuweilen, daß der Fürst solchen Leuten, die ohne Unterlaß um Beförderungen und Zulagen anhielten, selbst wenn sie dieser Vortheile nicht unwürdig wären, ihre Bitten abschlüge. Man lerne bey solchen Gelegenheiten den Mann kennen. Führe er dennoch fort, seine Pflicht treu und fleißig zu erfüllen;
Wie wenig Menschen verwalten wohl so gewissenhaft fremdes, ihnen anvertrautes Gut, wie ihr eignes? Man werfe doch einen Blick in die mehrsten Vormundschafts- und Curatel-Acten, in die herrschaftlichen Bau-Register und in die Rechnungen öffentlicher Anstalten, Hospitäler, Armen-, Waisenhäuser, Magazine und dergleichen! Sobald die Bezahlung aus einer öffentlichen Casse kömmt; glaubt Jeder ein Recht zu haben, seinen Eigennutz dabey befriedigen zu können und man schämt sich nicht solcher Handlungen, und wenn man die Einnehmer gewisser Abgaben, als Licent, Accise u.s.f.
Kömmt nun gar der Vortheil des Staats mit dem persönlichen Eigennutze seiner Diener und mit dem ihrer Herrn Vettern und
Von einem solchen Unfuge hat man Gottlob! in unsern Gegenden keinen Begriff; es wird aber das System des Eigennutzes in manchen Ländern so weit getrieben, daß ohne Scheu, öffentliche Bedienungen, Würden, Ehrenzeichen, ja! Recht und Gerechtigkeit
Ist es zu verwundern, daß kluge Fürsten endlich so mistrauisch gegen alle Personen werden, von denen sie umgeben sind, daß ihnen jede Empfehlung, jedes Vorwort, jeder Rath, jeder ihnen vorgelegte Plan verdächtig scheint, wenn die Erfahrung sie gelehrt hat, wie oft man ihr Ansehn misbraucht, um Privatabsichten zu begünstigen, den Eigennutz und andre Leidenschaften zu befriedigen? In der That ist fast immer nur die Habsucht und der Ehrgeiz derer, die nahe am Throne stehen, Schuld an dem mannigfaltigen Elende der
In manchen Ländern giebt es Volksrepräsentanten, die, wie die Landstände in einigen teutschen Staaten, berufen, und bey wichtigen Schritten der Regierung um ihre Einwilligung ersucht werden müssen; allein wo der Eigennutz derer, die am Ruder sitzen, die Oberhand hat, da sind solche Einrichtungen nur schwache Brustwehren gegen die Bedrückungen böser Minister. Man
Und weil ich eben von Bestechungen rede; so erlaube man mir eine Bemerkung! Wer von uns Sterblichen ist unbestechbar? Wer von uns ist immer fest genug, sey er Richter, oder Wahlmann, oder Minister, oder Repräsentant, oder welche Stelle im Staate er auch bekleide, der Ueberredung, der Sophisterey, der augenblicklichen Rührung, der feinen Schmeicheley, der Macht eigner und fremder Vorurtheile zu widerstehn? Wenn auch alle baaren Schätze des Erdbodens sein Herz und seinen Kopf nicht vom geraden Wege abzuleiten vermöchten; wird er immer stark und wachsam genug seyn, einer von jenen versteckten Klippen auszuweichen?
Oft ist das Wohl ganzer Völker, Länder und Generationen das Opfer eigennütziger
Traurig ist es nun überhaupt, daß die Regierungs-Verfassungen der mehrsten Länder nicht sowohl auf bestimmten, unwandelbaren Gesetzen beruhen, als vielmehr nach den Privat-Leidenschaften, dem Eigennutze und den Vorurtheilen derer, die am Ruder sitzen, umgemodelt werden dürfen, so daß kein Bürger im Staate sicher seyn kann, ob er mit den Seinigen im folgenden Jahre
Nach und nach rückte nun aber das männliche Alter heran; Max wurde des müßigen, blos der Freude gewidmeten Lebens müde, beschloß seine bisherige Rolle gegen die des Geschäftsmannes zu vertauschen, um, wie man denken kann, auch in dieser zu glänzen, hervorzustechen, und auch seinen Fürsten zu bereden, sich der Regierungs-Geschäfte selbst thätig anzunehmen. Max Ehemals also waren die Unterthanen frey und glücklich gewesen, weil der Liebling ihres Regenten dem Vergnügen nach jagte, in seiner jovialen Laune auch andern Leuten frohe Tage gönnte, und die, denen die Arbeit übertragen wurde, redliche Männer waren. Jetzt herrschten Zufriedenheit und Wohlstand im Lande, weil denselben Liebling die Regierungslust
angewandelt war und er das Ding gern so treiben wollte, daß er Ehre davon hätte.
Allein bald nahmen die Sachen eine andre Wendung. Der Ruf von des Fürsten und seines Ministers Weisheit, Gerechtigkeit und Güte breitete sich aus und entflammte in ihnen Ehrgeiz und Ruhmsucht. Je länger sie sich mit den Regierungssorgen beschäftigten, um desto mehr sehnten sie sich nach einem größern Würkungskreise. Ihr Ländchen schien ihnen ein gar zu kleiner Schauplatz für ihre Talente; sie begannen daher, sich in die größern europäischen Händel zu mischen und trieben auch dies mit Erfolge und Ehre. Hierdurch wurde aber leider! die Begierde in ihnen rege, größer zu scheinen, als sie waren, auch durch äußern Glanz die Augen auf sich zu ziehn und neue Gegenstände für ihre Thätigkeit aufzufinden. Dies verleitete dann weil der Herr Minister anfing, äussern Glanz und Prunk zu lieben.
So verstrichen einige Jahre und nun wurde auf einmal dies Genie des ganzen Regierungswesens und der trocknen Arbeit müde. Seinem fürstlichen Freunde gieng es eben so. Beyde überließen jetzt die Geschäfte wieder andern Leuten, befriedigten ihren Geschmack an allerley Liebhabereyen; der Minister widmete seine Stunden den schönen Künsten und Wissenschaften und gieng auf Reisen; der Fürst verzehrte große Summen weil der Herr Minister der Geschäfte müde war und nur für seinen sinnlichen Genuß lebte.
Endlich kamen Beyde, Herr und Diener, wieder in die Residenz zurück; allein nun wollte die Arbeit gar nicht mehr schmecken. Besonders ergab sich der Liebling gänzlich der Ueppigkeit und dem Wohlleben; man opferte den sinnlichen Freuden alles auf und wollte doch nicht vom großen Schauplatze abtreten. Man hatte im Auslande harte, despotische Grundsätze angenommen, die nun in Ausübung gebracht wurden und weil das Gewissen immer Vorwürfe über Vernachlässigung der heiligsten Obliegenheiten machte und man doch nicht guten Willen und Kraft genug hatte, wieder zu seiner Pflicht zurückzukehren; so wollte weil der Herr Minister keine Tugend und kein reines Gewissen hatte.
Meine Leser werden es mir, wie ich hoffe, verzeihn, daß ich mich ein wenig lange bey dieser Schilderung aufgehalten habe. Sollte auch die ganze Geschichte erdichtet seyn; (und sie ist es wenigstens zum Theil) so kann doch dies Beispiel zeigen, wie abhängig das Wohl ganzer Völker von den Leidenschaften und Privat-Absichten derer, die am Ruder sitzen, werden kann. Ich kehre
Man würde gar nicht endigen können, wenn man alle Fälle namhaft machen wollte, bey denen sich der Einfluß eigennütziger Rücksichten in die Einrichtungen und Geschäfte des bürgerlichen Lebens offenbart. Nur noch etwas über diesen Gegenstand! Wie wenig Länder findet man, in welchen dasselbe erwiesene Verbrechen eben so strenge untersucht und bestraft wird, wenn der Schuldige ein angesehener, gefürchteter, reicher, mächtiger Mann, als wenn er ein armer, unbedeutender, unwichtiger Mensch ist? Wie hat man nicht gegen den guten, edeln Kaiser Joseph geschrien, weil er diesen Unterschied, bey welchem die höhern Stände ihren Vortheil haben, aufheben wollte? Wie wenig Länder findet man, in welchen man s-Bedürfnissen und öffentlichen Abgaben bey, wie der, welcher im Schweisse seines Angesichts sein Brod verdienen muß? – Kurz! wo sichert sich nicht der Eigennutz der Stärkern, mit Gewalt oder List, auf Unkosten der Schwächern, gewisse Vortheile, Vorrechte und Exemtionen zu? Und gehen wir genauer die Reihen der einzelnen Stände durch; so
Man pflegt vor allen den Dienern der verschiedenen Kirchen die Habsucht Schuld zu geben. Dieser Vorwurf wird oft von Verächtern des geistlichen Standes auf übertriebene Art ausgedehnt. Mit Grunde kann man ihn jedoch wohl freylich, so wenig wie andre Stände, ganz davon freysprechen. Und doch ist sein Loos nicht das schlechteste im Staate. Ein Candidat, der die gewöhnliche Zeit auf Universitäten und dann einige Jahre als Hauslehrer zugebracht hat, gelangt oft, bey sehr geringen Gaben und Kenntnissen, viel früher zu einer sichern Versorgung, als der Rechtsgelehrte, Arzt und Kriegsmann. Da trägt ihm dann wohl auch die mittelmäßigste Pfarre, für eine ziemlich bequeme Arbeit, so viel ein,
Wenden wir unsern Blick auf die Aerzte; so finden wir unter ihnen leider! auch Männer, die den ärmern Kranken vergebens auf sich warten und nach Hülfe seufzen lassen, indeß sie in die Palläste der Großen die Stadt-Neuigkeiten umhertragen und den reichen Schlemmern Digestiv-Pulver verschreiben; Männer, die bey kleinen Uebeln bedenklich den Kopf schütteln und die Curen vorsätzlich in die Länge ziehen, um desto größern Gewinn und mehr Ruhm davon zu haben; Männer, deren Recepte so eingerichtet sind, daß ihr Freund, der, um Neujahr
Unter allen Ständen sollte man vielleicht den Kaufleuten am wenigsten Vorwürfe über den Eigennutz machen. Ihre ganze bürgerliche Existenz beruht auf Geldgewinn und von Jugend auf werden sie daran gewöhnt, die Dinge in dieser Welt mehr nach ihrem baaren currenten, als nach ihrem wahren innern Werthe zu schätzen. Im Grunde, und da doch Jeder, der nicht durch Erbschaft reich ist, auf irgend eine Weise, wenn er leben will, nach Erwerb trachten muß, liegt kein großer Unterschied darinn, ob man seiner Ehre leiden, heißt bey ihnen, wenig Credit haben; der Mann ist gut, das bedeutet so viel als: er hat Geld; ein Freund, das will in ihrem Munde so viel sagen, als: ein Mensch, mit dem man Handel treibt, solide, das drückt so viel aus, als: in guten Vermögens-Umständen. Endlich, wenn sie Wohlthaten ausspenden; so geschieht es entweder mit solchem Geräusche, daß es Aufsehn erregen muß und ihr Credit, der Ruf ihres Reichthums dadurch ausgebreitet wird, oder in der abergläubischen Speculation, daß ihnen der Himmel
Von noch niedrigerer und verächtlicherer Art, als der Wuchergeist dieser Leute, ist der Eigennutz der mehrsten Juden – Ich sage: der mehrsten, denn daß man auch sehr edle, große Menschen unter dieser Nation finden könne, wird gewiß nicht geleugnet werden dürfen. Ein Schriftsteller, welcher über die moralischen Gebrechen der verschiedenen Stände und Classen schreibt, sollte zwar eigentlich dergleichen Verwahrungen gegen ungerechte Deutungen und gegen zu allgemeine Ausdehnung seiner Sätze gar nicht bedürfen. Billigdenkende und verständige Leser werden ja ohne seine Erinnerung
Daß die drückende Behandlung, welche die Juden in so vielen Ländern leiden müssen und die Härte, mit welcher man ihnen alle Mittel raubt, anders als durch kleinen, niedrigen Wucher ihren Unterhalt zu finden, mit Schuld an der Herabwürdigung ihres National-Characters sey, das ist schon oft gesagt worden. Es ist aber auch gewiß, daß sie sich, durch ihre Anhänglichkeit an ein, zu den jetzigen Zeiten und Umständen gar nicht passendes Ceremonial-Gesetz, selbst die Wege abschneiden, zu bürgerlichen Geschäften besserer Art zu gelangen. Die ihm war erwiesen worden.
Meine Herrn Mitbrüder in der Schriftstellerey mögen es mir verzeihn, daß ich unmittelbar nach den Betrachtungen über den Wucher der Juden, meine Bemerkungen über den Eigennutz der Büchermacher folgen
Billig sollte der Beruf, durch Schriftstellerey nützliche Kenntnisse über sein Zeitalter und über die Nachwelt zu verbreiten, für zu heilig gehalten werden, als daß man dabey auf Geldgewinn Anspruch machte. Man sollte Weisheit und Witz, Wahrheit und Lehre nicht wie eine feile Waare betrachten, die man ausbiethen, vertrödeln und gegen Baarschaft und Brod umsetzen kann. Auch habe ich schon oft den Wunsch geäussert, es möchte jeder Schriftsteller zugleich ein bürgerliches Amt im Staate bekleiden und das Bücherschreiben nicht wie seinen
Eine noch verächtlichere Art von schriftstellerischem Wucher äußert sich bey solchen Leuten, die mit allen Talenten zu einer edlern Beschäftigung ausgerüstet, aus dem verderbten Geschmacke des Publikums Vortheil ziehen und literarische Mode-Artikel liefern, die jeden Mann von reinerm Gefühl anekeln; Leute, die dann, wenig bekümmert um ächten Geschmack und Sittlichkeit, die Messen bald mit Ritter-, Geister- und Ordens-Mährchen, bald mit Romanen voll matter Empfindeley, bald mit mystischem Unsinne, je nachdem grade die eine oder die andre dieser Thorheiten im Schwange geht, überschwemmen.
Am schändlichsten aber offenbaren diejenigen Schriftsteller ihren Eigennutz, die, wider bessere Ueberzeugung, an der Wahrheit zu Verräthern werden, sich zu niederträchtigen
Von dem Eigennutze der Künstler, Schauspieler, Tonsetzer und Virtuosen ist wenig zu sagen. Da diese Männer, wenn sie es nicht schon zu einem gewissen Grade von Wohlstand, Ansehn und Gewicht gebracht haben, in der That in Teutschland nicht wohl fortkommen können, ohne sich nach dem herrschenden Geschmacke zu richten, der selten der reinste ist; so darf man schwerlich für sie einen andern Vorwurf daraus hernehmen, als höchstens den, warum sie ausschließlich eine Lebensart wählen, die sie abhängig von dem vornehmen und geringen Pöbel macht und wobey sie sich zu Schritten herablassen müssen, wodurch sie fremde und eigne Achtung verscherzen. Um desto tadelnswürdiger aber sind diejenigen unter den
Von der Gewinnsucht der Buchhändler gilt ein Theil dessen, was über den Eigennutz der Kaufleute, und etwas von dem, was über das Schriftsteller-Unwesen ist gesagt worden. Indessen ließe sich noch manches hinzufügen, was allein auf diesen Stand paßt, z.B. von der Art, wie man nichtsbedeutende Werke durch bizarre Titel, durch hochtönende Ankündigungen, Lobpreisungen und selbst gemachte Recensionen, oder durch bunte Bilderchen, durch untergeschobene Namen berühmter Männer, die man als Verfasser angiebt, durch Verschweigung des
Wie wenig der größere Haufen der Menschen geneigt ist, seinen niedrigen Eigennutz der Wohlfahrt des Staats und der gesammten Menschheit zum Opfer zu bringen, das offenbart sich am deutlichsten dann, wenn von Abschaffung verjährter, drückender Misbräuche, von Bekämpfung gewisser Vorurtheile, bey welchen aber einzelne Classen bis dahin ihre Rechnung gefunden haben, die Rede ist. Wie wäre es auch sonst möglich,
Den größten Schauplatz aber hat der Eigennutz in unsern Tagen sich bey Gelegenheit der französischen Revolution eröfnet. Da hat man seinen Einfluß nicht nur auf die Hauptpersonen, sondern auch auf die nahen und entfernten Zuschauer und Beobachter, auf die schriftlichen und mündlichen Beurtheiler, deutlich wahrgenommen. Man nichts mehr seyn würden, wenn der Mensch nicht mehr gölte, als was er werth ist, wenn er nichts mehr erlangen und besitzen könnte, als was er verdiente und erwürbe, wie diese gezittert und durch Declamationen gegen alle vernünftige und nicht vernünftige Reformen das Selbstgefühl ihrer Unbedeutsamkeit verrathen haben. Endlich ist es dem feinern Beobachter gewiß nicht entwischt, wie wenig Menschen überhaupt in ihren Urtheilen über jene ungeheure
Diesen allgemeinen Hang aller Sterblichen nun, dem Eigennutze, auf offenbare h-mystischen Sprache, welche den Profanen unsinnig vorkam, der die Geweiheten aber, wie sie versicherten, die erhabenste Deutung zu geben verstanden, ihren Schülern nichts Geringers versprachen, als den Unterricht in der Kunst alle Metalle überirdi
schen Schätze zu kommen, ließen sich dann die Betrogenen leicht bewegen, einen Theil ihrer irdischen Güter den uneigennützigen Händen ihrer hochwürdigen Lehrer anzuvertrauen. Dort wurden vorwitzige Menschen und die zu träge waren, sich den Studien zu widmen, welche den Geist und das Herz würklich veredeln, durch die Hofnung getäuscht, in dem Schooße eines, aus dem Oriente herrührenden alten Ordens, gewisser Ueberlieferungen aus der Vorwelt theilhaftig zu werden, die ihnen Aufschlüsse über das Universum geben und sie mit einer Weisheit erfüllen sollten, die alle übrigen Wissenschaften entbehrlich machte. Allein sie mußten
So sind aber die Menschen; so waren sie immer; so werden sie stets seyn, so lange in ihnen die Sinnlichkeit mit der Vernunft kämpft, das heißt: so lange sie Menschen sind. Der Anblick des nahe vor Augen liegenden Vortheils; die Hofnung des augenblicklichen eiteln Genusses, der ihnen so reizend scheint, beschränkt ihren Gesichtskreis,
Allein die weise Vorsehung, die jeden Mislaut in der Natur zur Auflösung in den allgemeinen Einklang vorzubereiten versteht und dafür gesorgt hat, daß selbst die anscheinenden einzelnen Unvollkommenheiten zur Vollkommenheit des Ganzen beytragen müssen, weiß auch selbst den Eigennutz der Menschen als Mittel anzuwenden, um unendlich viel Gutes auf Erden zu verbreiten. Die mehrsten großen Thaten werden durch ihn hervorgebracht. Menschen, die keine
Als ich den ersten Abschnitt dieser ersten Haupt-Abtheilung vollendet hatte; beschloß
Da man seine Systeme über so wichtige Gegenstände, als die Pflichten der Sittenlehre sind, wenn man in dem männlichen Alter reiflich darüber nachgedacht zu haben glaubt, nicht so leicht gegen andre verwechselt;
Herr *** war so gütig, mir seine Bemerkungen über das Gelesene schriftlich mitzutheilen und mir nachher zu erlauben, dieselben, begleitet von meinen Gegengründen und Einwendungen, mit abdrucken zu lassen. Hier folgt nun Beydes; das mit Häckgen (") Bezeichnete ist meines, mir sehr werthen Gegners Text; das Uebrige sind meine Antworten und Noten. Ich übergehe einige freundschaftliche, von seiner gütigen, bescheidenen und duldsamen Denkungsart zeugende Aeußerungen, die als Einleitung dienen, und komme gleich zu seinen Einwürfen.
»Die §. 1. aufgeworfenen drey ersten Fragen glaube ich, mit gutem Gewissen bejahen zu können und zur Antwort auf die vierte würde ich das von der Vernunft aufgestellte Moralgesetz als die einzige rechte
Ich bin weit entfernt, aus dieser Bejahung meiner ersten Fragen, das heißt aus der Einräumung des Satzes: daß die mehrsten Menschen aus eigennützigen Absichten handeln, Vortheil für mein System ziehn zu wollen; allein so viel scheint doch daraus zu folgen, daß es im Allgemeinen der Natur des Menschen am angemessensten sey, aus der Beförderung des eignen Vortheils Bewegungsgründe zu seinen Handlungen herzunehmen, und daß also solche Motive, wobey hierauf gar nicht Rücksicht genommen wird, (wenn es auch dergleichen geben kann) wenigstens auf den größten Theil der Menschen wenig Kraft äußern.
»Wenn am Ende dieses §. die Beförderung eigner Glückseligkeit ein erlaubter edel zu nennen, da meinem Bedünken nach nur das, durch sein Bemühen für das Wohl Anderer für schön und vorzüglich Gehaltene, edel genannt wird.«
Ich nehme hier das Wort edel im Gegensatze von unedel, und nenne alle diejenigen Empfindungen und Gesinnungen edel, die nicht aus unreinen Quellen herrühren, und keine niedrige, verwerfliche Absichten zu unmittelbaren Zwecken haben. So nenne ich zum Beyspiel den Stolz edel, in so fern er auf dem gerechten Gefühle unsrer wahren Menschenwürde beruht, den Hochmuth hingegen unedel, weil dieser in der Einbildung eines Uebergewichts über Andre, wegen solcher Eigenschaften besteht, die keinen wahren
»Die nach §. 2. über den Menschen ausser seinen Verhältnissen in der bürgerlichen oder menschlichen Gesellschaft angestellte Betrachtung kann wohl zur Aufsuchung der Gründe aller Sittlichkeit kein sicheres und bequemes Mittel seyn, da wir uns nie ausser diesen Verhältnissen befinden, sondern von Menschen gebohren werden, um für Menschen zu leben. Der Naturmensch steht nirgends einzeln und isolirt
Ich erkenne sehr wohl, daß dem Menschen gleich bey seiner Geburt Rechte, Vortheile und Verbindlichkeiten zu Theil werden, und daß man den im gesellschaftlichen Zustande lebenden Menschen gar nicht anders, daß man ihn nicht isolirt betrachten könne. Ich erkenne dies nicht nur, sondern habe es auch §. 17. desselben Abschnitts
»Die, §. 3. dem Menschen beygelegten Instincte werden, da sie determinirte Triebe sind, fast von allen Philosophen uns abgesprochen. Dagegen ist der Character unsers Geschlechts Vernunft, deren Gerichtsbarkeit sich über die Bearbeitung unsrer Empfindungen und über unsre Neigungen
Ich könnte diesen Stein des Anstoßes, das Wort Instinct, unbeschadet des Zusammenhangs, wohl weggelassen und überhaupt nur Gefühle und Triebe gesetzt haben; allein so ganz bestimmt möchte ich doch dem Menschen die Instincte nicht absprechen. Wir wissen eigentlich noch so wenig von der Natur unserer geistigen Kräfte und ihrer Verbindung und Analogie mit unsern Trieben und mit den materiellen und sinnlichen Operationen in uns, daß noch täglich von den Philosophen nur Theorien darüber aufgestellt werden, die den alten widersprechen.
»Wenn §. 4. der Mensch vermöge seiner Thierheit zu lebenden und todten Gegenständen hingezogen wird; so geht doch
Ich denke, es liegen in unsrer thierischen Natur gleich starke Triebe von der einen und andern Art, die sich nach Maßgabe des Bedürfnisses äußern und befriedigt seyn wollen. Wenn wir Hunger haben, überwiegt der Trieb zu eßbaren Dingen wohl den der Geselligkeit, und so in allen Fällen.
»Zieht aber die Vernunft aus unsern Trieben und Neigungen Vorschriften; so ist der Sinn doch wohl nicht der, daß sie das vorschreiben muß, was die Neigungen wollen; sondern sie muß als eine besondre Kraft angesehn werden, die ihre gesetzgebende Gewalt für sich besitzt, und dieselbe am wenigsten von den Neigungen, denen sie gebiethen soll, entlehnen kann.«
Freilich soll die Vernunft keineswegs die Sclavinn der Neigungen seyn, sondern ihre Führerinn. Nimmermehr aber werde menschlich handeln, wie der, aus bloßen Neigungen und Trieben
»Nach §. 5. erstrecken sich die Entschließungen der Vernunft nur auf die Erfahrungen; aber die Vernunft hängt doch deswegen, weil sie nur auf Fälle, die im menschlichen Leben vorkommen, angewandt wird, nicht von der Erfahrung ab; sie darf sich nicht nach dem richten, was gewöhnlich geschieht, sondern muß das, was sie für recht erkennt, uns zu thun gebiethen.«
was gewöhnlich geschieht, soll sie, ohne zu untersuchen, wie und warum es so geschieht, meiner Meinung nach, sich richten, wohl aber nach dem, was möglicher und wahrscheinlicher Weise, bey gehörig angewandten Mitteln, geschehen wird und also zu erwarten steht; und das lehrt die Erfahrung. Die Vernunft halte ich für das Vermögen, den Zusammenhang der Dinge wahrzunehmen, also, auch den Zusammenhang zwischen Ursache und Würkung, zwischen Bestreben, Mittel und Zweck. Hierüber wird sie durch die Erfahrung belehrt, aus welcher die Urtheilskraft Resultate zieht. Soll uns also die praktische Vernunft Vorschriften über die Leitung unsrer Handlungen geben; so muß sie diese, vermöge der Urtheilskraft, aus der Erfahrung abziehn. Sie muß nämlich auf den Zusammenhang des Antriebs zum Handeln mit dem zu erreichenden Zwecke und den dazu anzuwendenden Mitteln Rücksicht Ausführbarkeit der Handlung, nicht von der Rechtmäßigkeit derselben die Rede. Diese hängt dann von der Eigenschaft, von der Beschaffenheit des Zwecks ab, wovon nachher gehandelt werden wird.
»Soll aber ihre erste Sorge auf die Erhaltung und Vervollkommung unsers Daseyns gerichtet seyn; so glaube ich bisher, dies den Trieben des Menschen eingeräumt zu sehn, nicht aber der Vernunft, die wohl über die Rechtmäßigkeit der, zu unsrer Erhaltung angewendeten Mittel entscheidet, von Wünschen und Neigungen aber an sich weit entfernt ist.«
sichre Zwecke kann die Vernunft als gute Zwecke anerkennen, und es kömmt also darauf an, ob die Erhaltung und Vervollkommung unsers Daseyns, zu welcher uns unsre Neigungen hinlenken, ein guter und sichrer Zweck, und nachher ob es wahr sey, was ich behauptet habe, daß die Mittel, diesen Zweck zu befördern, zugleich die Motive zu allen moralischen Handlungen in sich fassen? Hierauf werde ich in der Folge noch zurückkommen müssen.
»Bald darauf werden Vorsätze mit Pflichten verbunden, da doch die ersten auch
Böse Vorsätze sind die Resultate einer irrigen, gute Vorsätze die einer richtigen Vernunft. Wer seine Pflicht erfüllt, handelt nach guten Vorsätzen, das heißt: er befolgt die Vorschriften einer richtigen Vernunft, oder einer solchen Vernunft, die den richtigen Zusammenhang der Dinge wahrnimmt. Solche Vorsätze habe ich dann bey jener Stelle in Gedanken gehabt.
»Ueberhaupt wünschte ich hier eine Erklärung von dem Worte Pflicht zu finden, weil dadurch alles Misverständniß hätte gehoben werden müssen. Eben dies wäre auch bey dem Worte Vernunft nöthig. Zwar wird von ihr hie und da gesagt, daß sie den Zweck und Nutzen der Handlungen beurtheilt, von der Erfahrung und von den Verhältnissen abhängt u.d. gl. m. allein eine einzige Erklärung, was man Vernunft: das Vermögen, uns allgemeine Gesetze vorzuschreiben, denn darein setze ich ihren praktischen Gebrauch.«
Diese Definition darf ich nicht gelten lassen, wie man hören wird, denn ich leugne die Gültigkeit allgemeiner, von allen Rücksichten auf Verhältnisse, Zwecke und Folgen unabhängiger Gesetze.
»Eben so halte ich Pflicht für die Nothwendigkeit, aus Achtung für's Gesetz zu handeln. Mit diesen beyden Begriffen stoße ich nun überall gegen diese Abhandlung. Sind sie unrecht; so wünsche ich bessere, aber nun finde ich an deren Stelle
Freylich hätte ich wohl diese Begriffe deutlicher und bestimmter entwickeln, oder vielmehr in Definitionen zusammenfassen sollen; denn offenbar beruht darinn die Verschiedenheit unsrer Meinungen. Ich will dies also hier nachholen, bitte aber hierbey und in andern Fällen, zu bedenken, daß wenn ich mir erlaube, zu sagen: das ist also! dies nicht wie eine mir angemaßte Entscheidung anzusehn sey, sondern daß ich mich nur, der Kürze wegen, enthalte, jedesmal die Worte: meiner Meinung nach, hinzuzufügen.
Die Vernunft ist das Vermögen, den Zusammenhang der Dinge wahrzunehmen, also auch den Zusammenhang zwischen Ursache und Würkung, zwischen Bestreben, Mittel und Zweck. Die praktische Vernunft nun, welche uns Vorschriften zur Direction
Um nun hier keine Zweydeutigkeit übrig zu lassen und meine Begriffe gehörig zu entwickeln, muß ich die Reihe der Erklärungen von einem andern Ende anfangen.
Recht handelt der, welcher seine Pflichten erfüllt.
Pflicht ist die Nothwendigkeit, einer reifen Vernunft zu folgen.
Diese Vernunft lehrt uns, die Triebe zum Handeln und überhaupt unsre Neigungen auf bestimmte, sichre Zwecke zu leiten.
Es fragt sich also: welche Zwecke von dieser Art seyen? Bestimmt und sicher ist, dünkt mich, ein Zweck, wenn er auf keine Weise zweydeutig ist, wenn er in sich selbst keinen Widerspruch enthält, sondern möglich zu erreichen und nicht etwa von der Art ist, daß man ihn für keinen lezten Zweck ansehn kann, sondern bey ihm noch einen entfernten, höhern Zweck, wohin er führt, nothwendig annehmen muß. Nun können aber von allen denkbaren menschlichen Zwecken keinem so sehr alle diese Eigenschaften zugeschrieben werden, wie dem: die Harmonie der ganzen Moralität ein bestimmter, sichrer Zweck, zu welchem eine reife Vernunft den menschlichen Thätigkeitstrieb hinleiten muß; und wer recht handeln und seine Pflicht erfüllen will, muß die Nothwendigkeit einsehn, dem Moralgesetze zu folgen. Freylich ist jedem lebendigen Wesen der Trieb eingepflanzt, vor allen Dingen, an Beförderung seiner eignen Glückseligkeit zu arbeiten. Obgleich nun dieser Trieb so allgemein und dringend ist; so würden wir, mit Vernunft begabte Wesen, ihn doch zu unterdrücken suchen müssen, wenn er sich nicht von der Vernunft auf jenen Hauptzweck, (auf die Beförderung des allgemeinen Wohls, durch die Beobachtung der sittlichen Vorschriften) hinleiten ließe. Dies kann aber nicht nur geschehn; unreinen Bewegungsgrund zur Tugend nennen könne. Unlauter in seiner Entstehung kann er nicht seyn, weil er vom Schöpfer selbst allen lebendigen Creaturen eingepflanzt ist; unlauter können die Mittel nicht seyn, durch welche er erreicht wird, da die einzigen würksamsten Mittel gerade die sittlichsten sind; unlauter endlich ist dieser Trieb in seinen Würkungen nicht, weil er uns dahin leitet, zur Harmonie des Ganzen thätig mitzuwürken.
»Bey §. 6. wäre diese Erklärung, was Vernunft sey, besonders nothwendig, da ihr zu folgen für das, von der Natur uns
Hierüber habe ich mich so eben erklärt.
»Allein bald darauf wird von Veränderung der Motive bey neuen Erfahrungen und Verhältnissen geredet, und alsdann kann ich mit meiner Definition nicht auskommen, denn die fordert die beständige Ausübung eben desselben Gesetzes, die Anerkennung seiner Würde und die Anwendung ihrer Vorschrift auf jeden vorkommenden Fall. Sie weiß von keinem neuen, bey neuen Erfahrungen und Verhältnissen entstandenen Gesetze, sondern glaubt, daß man dem alten noch nicht Genüge geleistet habe.«
Da dieser Gegenstand in den Anmerkungen zu dem §. 8. ausführlicher entwickelt
»Im §. 7. wird der Unterschied der Vernunft von den Trieben darein gesetzt, daß die erstere nicht ohne Zweck handele. Dies kömmt mir nicht so vor, weil ich mir keinen Trieb ohne irgend einen Zweck gedenken kann. Tiefer muß daher dieser Unterschied liegen und da weiß ich von keinem andern, als dem, daß der Trieb eine Sache will, ohne nach dem Rechte oder Unrechte derselben zu fragen, daß die Vernunft aber beständig auf die Untersuchung und Ausübung des Rechts dringt.«
Als ich jene Stelle hinschrieb, war ich zweifelhaft, welches Beywort ich dem Worte Zweck hinzufügen sollte, um meine Gedanken genau auszudrücken – bestimmter – letzter – entfernter – sichrer Zweck? – Vielleicht würde das einzige Wort End zweck alles erschöpfen. Bey den warum dabey zu fragen übrig; seine Erreichung kann Folgen haben, die auf einen, nicht wünschenswerthen, fernern Zweck leiten. Das Werk der Vernunft hingegen ist es, vermöge der Urtheilskraft, Ueberlegungen anzustellen, zu welchem letzten Zwecke die Befriedigung eines Triebes, durch Erreichung der Mittel-Zwecke, (wenn ich mich dieses Ausdrucks bedienen darf,) hinführen werde, und ob dieser dadurch würklich erreicht werden könne, ob er folglich durch die Vernunft gerechtfertigt, das heißt mit andern Worten, gut und recht sey? Der Trieb z.B. dies oder jenes zu genießen, hat freylich den Genuß zum Zwecke; allein nun fragt sich's: warum will ich dies genießen? Da untersucht dann die Vernunft: ob dies geschehe,
»Eben so wird der Vorzug der Vernunft darinn gesetzt, daß sie auf die Folgen achtet, weil kein vernünftiges Wesen nichts unternehmen kann, das nicht zu etwas nützt. Dies kann man nun freylich den Trieben nicht beilegen; allein wenn man Vernunft und Urtheilskraft unterscheidet; so kömmt das Achten auf die Folgen nicht der erstern, sondern der letztern zu. Die Vernunft hat den Vorzug, daß sie uns nicht nur urtheilen lehrt, sondern
Ich habe es erklärt, warum ich glaube, daß die Vernunft uns nicht eher Gesetze für unsre Handlungen vorschreibe, als bis sie, vermöge der Urtheilskraft, untersucht hat, zu welchen Final-Zwecken diese Handlungen führen werden.
»Nun wird §. 8. den Begriffen von Tugend und Pflicht es abgesprochen, daß sie ewige unwandelbare Wahrheiten sind.«
Nein, nimmermehr! Die Begriffe von Tugend und Pflicht, in abstracto sind gewiß ewig und unwandelbar; das heißt: es ist eine ewige und unwandelbare Wahrheit, daß vernünftige Wesen nach bestimmten Gesetzen handeln müssen, und für uns Menschen heissen diese Gesetze Tugend-Gebothe. Allein die Gesetze selbst können nicht unwandelbar seyn, weil die vernünftigen Wesen nicht
»So urtheilte doch Haller in der Strophe nicht:
Obgleich ich in andern Fällen wohl eine kleine Einwendung dagegen zu machen wagen würde, daß man einen Dichter als Gewährsmann leerer Name ist gewiß Dem die Tugend nicht, der sie für das höchste Resultat der Vernunft, für das einzige sichre Mittel zu Beförderung seiner wahren Glückseligkeit hält. In dem Herzen liegt der Keim des Wohlwollens, das uns zu der Erfüllung geselliger Pflichten, zum Guten treibt; und wenn dieser Trieb von der Vernunft geordnet und gelenkt wird; so ist alles, wie es seyn soll. Ja! dieser Keim zum Guten liegt eben so gewiß im Herzen, als diesem Herzen die Ahnung von dem Daseyn Gottes, der der Berge Spitzen röthet, eingeprägt ist. Beyde Gefühle aber, die moralischen und die religiösen, bedürfen der Leitung
»Auch mein Gewissen sträubt sich dagegen, weil der Unterschied der That mir gar zu sehr einleuchtet, wenn ich weiß, daß ich darum sie gethan habe, weil es recht ist, und wenn ich nur meinen Vortheil dabey suchte.«
Freylich, wenn dabey auf den letzten Zweck, auf die Harmonie und Wohlfahrt des Ganzen, keine Rücksicht genommen wird.
»Nichts ist mir mehr zuwider und entehrt mich in den Augen Andrer mehr, als wenn Andre mich bloß als Werkzeug zur Erreichung ihrer Absichten gebrauchen, sich aber nicht darum bekümmern, was ich dabey empfinde oder leide. Eben so sehr schäme ich mich auch, wenn ich irgend Jemand bloß als Mittel und nicht zugleich als Zweck behandelt habe.«
»Eine und dieselbe Handlung soll unter andern Umständen gut, gleichgültig, oder strafbar seyn? Nimmermehr! so lange es dabey auf eine und dieselbe Regel unsers Verhaltens ankömmt. Diese muß immer entweder gut oder böse seyn, und ist nie gleichgültig. Hat man aber den Handlungen
Nichts kömmt mir einleuchtender vor, als daß der Werth und die Rechtmäßigkeit einer Handlung durch die Umstände, unter denen sie vollführt wird, durch die Verhältnisse des Handelnden, durch die davon zu erwartenden Folgen, durch die darauf verwendete Anstrengung und durch unzähliche andre Umstände bestimmt werden und wer das nicht eingestehn will, der muß zugleich leugnen, daß es Stuffen in der Tugend gebe. Er muß behaupten, daß es gleichgültig sey, ob ich eine Pflicht ausübe, wodurch Tausende glücklich und froh werden, oder eine solche, wovon die Folgen ganz unbedeutend sind; ob die Handlung Kampf und Ueberwindung kostet, oder ohne große Mühe ausgeführt wird; ob ich, indem ich etwas Gutes thue, etwas Nützlichers,
Folgen Betracht nehmen soll. Unwahrheit sagen ist immer unrecht. Allein ist dies Unrecht gleich groß, ob ich damit die zeitliche Glückseligkeit eines Menschen zerstöhre, oder einen Mann vom Tode errette, oder aus Bescheidenheit und um dem Danke auszuweichen, eine edle That, die ich vollbracht
Was bestimmt denn nun aber in allen diesen gegebenen Fällen den Unterschied im moralischen Werthe und Unwerthe der Handlungen? Freylich bey manchen offenbar die Absicht des Handelnden? Allein in wie viel unzählichen Fällen bleibt nicht diese dem, der nicht in das Herz sehn kann, verborgen? Bey wie viel andern Fällen treten noch andre Rücksichten, als diese ein! Wo finde ich also einen allgemeinern Maßstab für die Moralität einer Handlung, als in dem Einflusse derselben auf das Wohl der menschlichen Gesellschaft? Und woher entsteht der von jedermann anerkannte Unterschied unter einzelnen Fall ein allgemeines Gesetz annehmen und das ist ja ein Widerspruch, oder man bedarf eines Haupt-Grundsatzes, nach welchem sich alle Handlungen prüfen lassen und da finde ich keinen bessern, richtigern und allgemeinern, als den: Habe immer den lezten Zweck vor Augen, den du durch deine Handlungen erreichen kannst und willst; prüfe wohl, in wie fern dieser Zweck mit dem allgemeinen Wohl in Harmonie zu bringen
»Was sollen das aber für erhabene Begriffe von gewissen Pflichten seyn, die das eine verständige Wesen hat, das andre aber nicht?«
Ich denke, das ist leicht zu beantworten. Es giebt Völker auf der Erde, bey denen gewisse Vorschriften, Gesetze, Gebräuche, Einrichtungen u.d. gl., welche zum Theil in dem Clima, in der Regierungsform, in den verschiedenen Religions-Begriffen und in andern Umständen ihren Grund haben, für heilig und unverletzlich gehalten werden. Diese Einrichtungen gehören dann bey solchen Völkern zu derjenigen geselligen Ordnung, welche zu befördern und zu erhalten moralische Pflicht wird, indeß ein anderes Volk von diesen Pflichten gar nichts weiß. Wo zum Beyspiel die Vielweiberey eingeführt ist,
»Es ist ja nach dem Vorhergehenden keine Tugend und keine Pflicht.«
Da sich in meiner ganzen Abhandlung, wenn man meinen Worten nicht eine unrichtige Deutung giebt, auch nicht ein Schatten von einer solchen Behauptung findet; so enthalte ich mich, hierauf zu antworten. Denn das heißt doch wohl nicht das Daseyn eines Dinges leugnen, wenn man den Grund dieses Daseyns nicht gerade da zu entdecken glaubt, wo ein Andrer denselben sucht.
Daß das Bestreben seine wahre Glückseligkeit zu befördern, die mit dem allgemeinen Wohl verkettet ist, nicht mit dem verwerflichen Eigennutze in dieselbe Classe zu setzen sey, das glaube ich deutlich genug entwickelt zu haben.
»Was dem Einen Pflicht scheint, soll der Andre für ein Verbrechen halten. Wäre doch hier die Pflicht erklärt; so würde alles deutlich seyn. Nur das weiß ich, daß die Achtung für das allgemeine Gesetz kein Verbrechen ist.«
Mit Beziehung auf das hierüber schon vorhin Gesagte, führe ich hier nur die Verschiedenheit der bürgerlichen Verfassungen zum Beyspiele an. Was in einem republikanischen Staate für hohe Tugend gelten muß,
»Das von der Mäßigkeit entlehnte Exempel beweiset nichts, weil die Verschiedenheit des Maßes bey an sich erlaubten und zu unserm Unterhalte nothwendigen Dingen, nicht auf das Unerlaubte und Verbothene paßt.«
Ich halte doch das Beyspiel für passend. Wenn es keine gleichgültige Handlungen giebt; so muß auch der sinnliche Genuß gewissen Gesetzen unterworfen seyn. Diese nennt man Gesetze der Mäßigkeit. Woher sollen nun diese Gesetze genommen werden? Darf ich nicht mehr geniessen, als grade zu Erhaltung meiner Existenz nothwendig ist, oder ist auch einiges Vergnügen im Genusse zu suchen erlaubt, in so fern dasErlaubten und Verbothenen in demselben. Ließe sich der Fall denken, daß man durch Uebermaaß des Genusses gesunder an Leibe, stärker an Geiste, wohlwollender, geneigter und fähiger seinen Nebenmenschen und dem gemeinen Wesen zu dienen, reicher, heiterer, kurz! glücklicher würde, Statt daß das Gegentheil wahr ist; so würde Uebermaaß des Genusses Pflicht werden, wie er jetzt Verbrechen ist. Dieselbe Bewandniß hat es mit allen sittlichen Vorschriften. Sie sind nur dann und nur
»Der Canon, so viel zu nehmen und zu genießen, als Appetit und Vermögen verstatten, hat doch viel Aehnlichkeit mit dem: Ede, bibe, lude! Post mortem nulla voluptas. Dieser aber ist doch himmelweit von der Vorschrift entfernt: naturae, seu rationi conuenienter viuere.«
Sollte man aus diesem Einwurfe nicht schließen, ich hätte jenen abscheulichen Canon empfohlen, da ich doch nur behaupte, der, welcher gar nichts von den schädlichen Wirkungen der Unmäßigkeit wüßte, würde auch keine Veranlassung haben, sich Gesetze der Mäßigkeit vorzuschreiben? und das scheint mir so wahr, daß ich gern zugeben kann, ein Solcher würde nach dem Spruche Ede bibe etc. handeln. Rohe, wilde, nicht in wohl geordneten Gesellschaften lebende Menschen sieht man auch diesen Grundsatz oft
»Darauf wird die Heiligkeit des Eigenthums geleugnet.«
Wo? wer hat das gethan? Ich gewiß nicht; ich habe nur behauptet, daß Menschen, die keinen Begriff von Eigenthum hätten, (unter denen z.B. eine Gemeinschaft der Güter Statt fände) auch von gar keinen Gesetzen und Pflichten, welche die Heiligkeit des Eigenthums zum Gegenstande hätten, etwas wissen würden. Dies lehrt uns ja die Erfahrung. Wir haben in den europäischen Ländern das Eigenthumsrecht auf Gegenstände ausgedehnt, die von weniger cultivirten Völkern wie res nullius, oder wie gemeine Güter betrachtet werden. Bey unsern vervielfältigten Verhältnissen ist eine
»Es wird ferner die Verbindlichkeit einer jeden Pflicht aufgehoben, dem gemäß,
Ich meine, doch nun wohl deutlich genug gezeigt zu haben, daß ich diesen verwerflichen Satz weder behaupten wollen, noch behaupten können, noch behauptet habe.
»Nun wird §. 9. gerühmt, daß die angebohrnen und reinen Begriffe der Tugend widerlegt sind. Widerlegt? Ich dächte: befestigt; denn zum Leugnen derselben nichts vorzubringen, das heißt, sie bestättigen und gestehn, daß gegen sie nichts einzuwenden sey. Ich will also davon abstehn, und nur bemerken, daß die allgemeinen Vernunftgesetze nicht angebohren im eigentlichen Sinne des Worts zu nennen sind, nachdem Locke bewiesen hat, daß uns keine Begriffe angebohren werden.«
angebohrne nennen will, oder nicht; das ist zu meinem jetzigen Zwecke gleichgültig.
»In dem §. 10. wird die Behauptung, daß höhern Wesen Tugend zukomme, für kindisch erklärt, weil wir ihre Verhältnisse nicht kennen. Aber ist es auch kindisch, wenn man die Tugend nicht auf Verhältnisse,
Ich muß oft wiederholen, was ich schon gesagt habe, um nicht in den Verdacht zu kommen, als weiche ich der Beantwortung manches Einwurfs geflissentlich aus; dies ist auch hier der Fall. Alles in der Natur ist zweckmäßig zur Ordnung und Harmonie geschaffen. Dies setzt bestimmte Gesetze voraus; die ganze geschaffene Natur ist also bestimmten Gesetzen unterworfen. Wir sehen, wie leblos scheinende Gegenstände nach mechanischen Regeln in Bewegung gesetzt werden; durch welche Kraft? das ist uns verborgen. Die thierische lebendige Natur wird durch körperliche Reize, Triebe, Instinkte Uns ist die Vernunft als Leiterinn unsrer Triebe gegeben. Der stärkste unter allen Trieben und den jedes lebendige Wesen dringend empfindet, ist der, seine Existenz zu erhalten und sich angenehm
»Nach §. 11. soll es ausgemacht seyn, daß moralisch gut handeln seine Glückseligkeit befördern heisse. Diese Deduction ist mir noch nicht vorgekommen.«
Wie? lese ich recht? der Satz: daß man durch Ausübung der Moral seine Wohlfahrt befördre, und daß folglich moralische Vollkommenheit den höchsten Grad von Glückseligkeit gewähre – dieser Satz ist meinem Herrn Gegner noch nicht vorgekommen? Wahrlich! wenn der Satz falsch ist; so dürfen wir es dem Menschen, dessen ganzes Wesen nach Glückseligkeit strebt, wohl nicht übelnehmen, wenn die Tugend,
»Vielleicht aber sollen die angeführten drey oder vier Triebfedern unsrer moralisch guten Handlungen dies erst erweisen.«
Ich habe, um zu zeigen, wie man seine Handlungen auf den Zweck tugendhaft und glücklich zu seyn, hinleiten könne, zuerst bemerklich machen wollen, welche Bewegungsgründe überhaupt uns zum Handeln, zur Würksamkeit, antreiben. Hierinn finde ich in der That nichts, was so ganz wie leeres Geschwätz zu behandeln wäre.
»Diese Triebfedern sind: 1) Das Gefühl, das uns unwillkührlich zu gewissen Handlungen hinführt. Allem gewisse Handlungen sind noch nicht moralisch gute.«
Und wer behauptet denn das? Es ist hier nur theils überhaupt von dem Thätigkeitstriebe
»2) Die Vernunft, die dies Gefühl auf bestimmte Zwecke leitet und seinen Verhältnissen (was denn?) anpaßt. Sind die Zwecke nicht an sich gut und recht; so hilft es nicht, daß sie bestimmt genannt werden; und läge in den Verhältnissen irgend ein Unrecht; so dürfte man sich denselben nicht anpassen.« (sich anpassen? das habe ich ja nicht gesagt, sondern seinen Trieb zur Thätigkeit auf die Verhältnisse passend anwenden.) »Eine Vernunft, die nichts anders als dieses beydes versteht, führt
Wie die reife Vernunft hierbey verfahren müsse, habe ich oben gezeigt.
»3) Die Uebereinkunft oder Convenienz. Da es offenbar ist, daß Menschen oft zu Lastern sich vereinbaren; so ist die Verabredung, die sie unter einander treffen, nicht für sich eine Triebfeder moralisch guter Handlungen.«
Wer sieht nicht, daß meine Absicht ist, hier bemerklich zu machen, daß es auch Bewegungsgründe zu Handlungen gebe, die bloß auf der Uebereinkunft der Menschen beruhen, und die dann nur deswegen zu moralischen Gesetzen werden, weil dadurch die bürgerliche Ordnung befördert wird. Ein Mann, der diese Gesetze deswegen überträte, weil seine reine, auf keine Verhältnisse achtende Vernunft, ihm dieselben nicht vorschriebe, würde ein schlechter Bürger
»4) Der Wille der Gottheit wird es nur dann, wenn das Vernunftgeboth für den Willen Gottes erklärt und kein willkührliches, unerforschliches Gesetz dafür ausgegeben wird.«
Es ist hier von der Verschiedenheit solcher sittlichen Vorschriften die Rede, die bloß auf Religions- Meinungen, auf Glauben an Offenbarungen beruhen, der nicht bey allen Völkern derselbe ist. Meine Ueberzeugung davon ist nicht die Ueberzeugung eines Andern. Ein Jude, zum Beyspiel, den ich für einen moralisch guten Menschen halten soll, muß sein Cäremonial-Gesetz beobachten, dessen Vorschriften mich nichts angehn.
»Das Geständniß, daß die drey ersten Triebfedern (denn auf die letztere wird hier
Nach dieser Logik ist jedes einzelne Bein zum Stehen unnütz, weil man zweyer Beine bedarf, um fest zu stehn.
»Wo bleibt aber dann der Ruhm, daß man Gründe der Sittlichkeit aufstellen wolle, die viel einfacher und bündiger sind, als unsre Achtung für das moralische Gesetz? Alle andre Gründe taugen ja nichts. Dies wird hier selbst zugegeben?«
Wenn man behauptet, daß die natürlichen Gefühle, die uns zu guten Handlungen bewegen, durch die Vernunft ihre Berichtigung
»Was mag das für eine Vernunft seyn, die uns egoistisch und unmoralisch handeln lehrt? Die praktische, die uns Achtung gegen das Gesetz gebiethet und uns also vor dem Egoism, der Frucht unsrer auf Glückseligkeit losarbeitenden Triebe, allein schützt, kann sich doch solche Schande und Laster nicht nachsagen lassen. Welche Vernunft befiehlt uns zu calculiren? Gewiß auch nicht die praktische, die, ohne irgend einen Calcul vorzunehmen, das Gesetz in aller seiner Reinigkeit aufstellt.«
Die Vernunft, welche gar nicht calculirt, gar nicht berechnet, und bey Bestimmung ihrer Gesetze den Antrieb zum Handeln
»Wird hingegen alles Vernünfteln mit Recht als ungeschickt angesehn, eine gute Gesinnung in uns hervorzubringen; so ist doch billig zu fragen, ob es nicht auf gleiche Art Vernünfteley sey, wenn man dem Moralgesetze seine Festigkeit und Gewißheit darum absprechen will, weil Menschen verschieden denken und das Gesetz nicht auf
Eine Vernunft, die nicht raisonnirt, ist ein Unding. Die Vorschriften, die sie giebt, können nur Resultate ihres Raisonnements seyn. Sie weiß von keinen Gesetzen, als von solchen, die auf richtiges Raisonnement beruhen und verlangt keinen Gehorsam, als gegen Gesetze von dieser Art.
»Wozu der §. 12. hier dienen soll, sehe ich nicht ein. Das Christenthum beweiset nicht, daß man, um moralisch gut zu handeln, seine eigne Glückseligkeit suchen müsse,« (wohl aber umgekehrt, daß man, um glücklich zu werden, moralisch gut handeln müsse und das ist per inversionem logicam einerley, da eines die Bedingung des andern
Empfohlen braucht wohl ein Gefühl nicht zu werden, das der Schöpfer aller Creatur als das erste und dringendste in die
»Wird §. 13. die Selbstliebe als natürlich und dringend vorgestellt; (einfach kann ein so zusammengesetzter Trieb nicht heissen) so kann und muß sie doch einem höhern Gesetze unterworfen seyn, ohne es sich anzumaßen, daß sie die Regeln unsers Verhaltens uns vorschreiben dürfe. Dies und nicht das Gegentheil findet eine gesunde, reine Vernunft angemessen. Wenn hernach von der Glückseligkeit behauptet wird, daß sie erst durch die genaueste Beobachtung aller moralischen Pflichten erlangt wird; so wird dadurch die Selbstliebe von der Hervorbringung der Glückseligkeit ausgeschlossen, es wäre denn, daß Selbstliebe einerley mit der genauesten Beobachtung aller
Ich gestehe, daß ich vielmehr in diesen Einwürfen Dunkelheit finde. Einfach ist nun wohl gewiß der Trieb der Selbstliebe, der uns bewegt, für die Fortdauer und Annehmlichkeit unsers Daseyns zu sorgen. Er ist vielleicht der einfachste von allen Trieben, da er sich schon in dem Kinde offenbart, das zum erstenmal die Brust der Mutter sucht und sich gegen den Zwang der Windeln sträubt. Einem höhern Gesetze ist die Selbstliebe unterworfen, nämlich dem Gesetze der Vernunft, die uns lehrt, in wie fern sich die Selbstliebe mit dem Eifer für das Wohl des Glückseligkeit zu befördern; dies kann am sichersten und dauerhaftesten durch Ausübung der moralischen Pflichten geschehn. Die Vernunft giebt, nach den Umständen, die Vorschriften dazu – So hängt alles sehr ordentlich zusammen.
»Im §. 14. wird der Schade, den die Selbstliebe anrichtet, eingeräumt, und, als Mittel zur Verhütung desselben, Schonung, Nachgiebigkeit und Aufopferung angegeben. Die Befolgung selbstsüchtiger Neigungen wird also bloß durch Anwendung des allgemeinen Gesetzes der Schonung etc. abgewandt – die beste Ehrenrettung, welche das Moralgesetz erhalten kann!«
Ich fürchte, einige Worte zur Erläuterung werden einen Theil dieses Triumphs wegnehmen. Wohlgeordnete Selbstliebe
»Nach §. 15. soll die Sorgfalt oder Sorge für unser Leben u.s.f. in Collisionsfälen allen andern vorgehn.«
Daß dies geschehn solle, ist gar nicht gesagt. Es steht nur da, daß, wenn wir immer bloß die calculirende Vernunft zu Rathe zögen, wir in den mehresten Fällen das uns näher liegende eigne Interesse dem zu bewürkenden entferntern Wohl des Ganzen vorziehn würden.
»Nein! dafür ehre ich Juvenals Worte:
»Der Mann schätzte die Bildung des Herzens zur Tugend und den Beruf zur Pflicht, so wie es sich gebührte« – Gewiß!
»Für Scherz sehe ich die Sorge für die Wohlfarth der Mondbürger an und für die Harmonie der Sphären. Die gesunde Vernunft läßt uns nicht so überschwenglich denken, und bindet uns für's Erste an die Erde, wo wir Pflichten genug ausüben können.«
»Eben so wenig kann ich den vier folgenden Schlüssen beypflichten:«
»Erster Schluß: wenn nach dem nähern oder entferntern Einflusse ein Gegenstand uns mehr oder weniger interessirt; so wird in gleichen Verhältnissen unsre Vernunft dadurch mehr oder weniger zu moralischen Handlungen bestimmt. Allein das Interesse an irgend einer Sache wird durch unsre Empfindungen und die dadurch hervorgebrachten Triebe bewirkt, ist aber nicht ein Werk der practischen Vernunft, die nur das Recht gebeut und die moralische Handlung darnach bestimmt. Es kann daher die größere und geschwindere Thätigkeit unserer Vernunft sich nicht nach dem stärkern oder schwächern Eindrucke
Ihr, die Ihr das menschliche Herz kennt, saget, ob sich natürliche Empfindungen wegphilosophiren lassen und ob die Vernunft ein Mehreres vermag, als diese Empfindungen zu guten, nützlichen Zwecken zu lenken!
»Zweiter Schluß: Je einleuchtender die Folgen, der Zweck und die Nützlichkeit einer Handlung, desto dringender die Bewegungsgründe der Vernunft, sie zu unternehmen. Dies alles vermehrt bloß den Trieb oder die Neigung, etwas zu thun, oder zu unterlassen. Die Vernunft richtet sich hingegen nur nach Rechtmäßigkeit und Unrechtmäßigkeit in allen ihren Forderungen oder Verbothen.«
Vernunft, Pflicht, recht, nützlich und Zweck verbinde und dadurch diesen Einwurf beantwortet.
»Dritter Schluß: Eine Handlung ist desto verdienstlicher, je nützlicher sie in ihren Folgen für das Ganze ist. Zum Theil wahr; aber doch nicht ganz« (also wird es hier doch endlich eingeräumt, daß die Hinsicht auf die Folgen nicht gänzlich zu vernachlässigen sey) »weil wir beym Verdienstlichen nicht bloß auf das Gemeinnüzige, sondern auch auf die Reinigkeit der Triebfeder, auf die Entfernung des eignen Vortheils bey unsrer Bestimmung zu der That achten.«
Ich erkenne keine Triebfeder für vernünftig, ächt und rein, als die: Gutes zu thun, um so viel möglich der menschlichen Gesellschaft, deren Mitglied ich bin, nützlich zu werden.
»Vierter Schluß: Eine Handlung, wobey gar keine Folge, gar kein Nutzen vorauszusehn ist, hat gar keinen moralischen Werth. Gern kann man zugeben, daß kein vernünftiges Wesen ohne Ursache und Absicht handelt. Aber der moralische Werth der That beruht doch allein auf der Lauterkeit und Vortreflichkeit des dabey gebrauchten Princips.«
Sollte es nicht ein Widerspruch seyn, zu behaupten, daß ein vernünftiges Wesen nie ohne Absicht handle, doch aber durch ein Princip bestimmt werden müsse, wobey es auf keine Absicht, sondern bloß auf das Princip selbst Rücksicht nehmen dürfe? In der Absicht muß, denke ich, das Princip liegen.
»Nach §. 16. sind es bloß unsre Gefühle, die uns unwillkührlich zum Wohlwollen gegen andre Wesen treiben und die edlen, großen und nützlichen Handlungen hervorbringen,
»Den so hochgepriesenen Gefühlen geschieht meiner Meinung nach Recht, wenn hernach den, durch sie verrichteten Handlungen (moralisch kann ich sie nicht nennen) die Beförderung der eignen Glückseligkeit zum versteckten Motive gegeben wird. Das heißt, diese Gefühle und Triebe sind an sich blind, und lassen sich daher desto leichter durch Klügeley und falsche Vorspieglung täuschen. Sie möchten so gerne gemeinnützig scheinen, aber im Grunde sind sie das, was die Würkung der Selbstliebe seyn muß, eigennützig und selbstsüchtig.«
»Wenn nun ferner Aufopferung des eigenen Nutzens und Vergnügens bloß für Enthusiasmus erklärt wird, der nie (????)
»Ich übergehe das, was von religiösen Bewegungsgründen gesagt ist, weil davon schon vorher und hernach in der Folge mehreres vorkömmt.«
Es sey mir erlaubt, zu bemerken, daß ich in diesen Einwürfen wohl ein wenig
»Im §. 17. wird die überlegende Vernunft beschuldigt, daß sie uns bewegt, das entferntere Wohl des Ganzen dem nähern Privat-Vortheile aufzuopfern, besonders wenn man die That unbemerkt und ungestraft vollbringen könnte. Die Spitzbübinn, die Vernunft! die falsche Lehrerinn, Räthinn, Gesetzgeberinn! Wer mag mit
Wer sich die Mühe geben will, den §. 17. noch einmal aufmerksam zu lesen, wird nicht verlangen, daß ich hier noch etwas zur Erläuterung beyfüge.
»So ungerecht die Anklage der Vernunft war, so unzulänglich scheint mir die Ablehnung derselben. Zuerst soll ein einziger Theil keinen Vortheil haben können, wenn das Ganze darunter leidet. Wäre hier vom Sollen und Dürfen die Rede; so verstünde ich dies; aber widersprechend finde ich es nicht, daß Einer von dem Raube der durch ihn zu Grunde gerichteten lebe.«
»Zweytens soll die Dankbarkeit ihn zur Wahrnehmung des gemeinen Vortheils bewegen. Allein wenn er nichts von Pflicht überhaupt weiß, und aus Achtung gegen dieselbe zu handeln sich nicht entschließen kann; so läßt sich die Erkenntlichkeit gegen empfangene Wohlthaten, eben so gut wie Tugend und Pflicht, wegvernünfteln.«
Was mir Tugend und Pflicht ist, das läßt sich nicht wegvernünfteln, denn es beruht nicht auf einem willkührlich angenommenen Gesetze, das nicht Jeder anerkennt, nicht auf Vorstellungen und Empfindungen, die nicht bey allen Menschen dieselben sind und die man verleugnen kann, sondern auf
»Nach §. 18. werden wir Trotz unserer Vernunft unmoralisch handeln, wenn wir für Dankbarkeit, Furcht vor bürgerlichen Strafen und für religiöse Gefühle keinen Sinn haben. Was heißt hier: Trotz der Vernunft? Will es sagen, ihre Macht reiche nicht zu, wenn die angeführten Triebe und Gefühle es nicht ausrichten; so erbarme sich der Himmel unsrer Tugend! Denn von den Empfindungen und Neigungen ist es hinlänglich erwiesen, daß sie zum öftern unmoralische Handlungen hervorbringen. Der Mensch darf also nie hoffen, sich zu bessern, richtige Grundsätze bey sich aufzunehmen und nie gut zu werden, sich bestreben.«
allein und ohne diese Hülfe hingegen, führen sie leicht auf Irrwege, und es gelingt ihnen oft auch, selbst die Vernunft zu verblenden, wenn Furcht vor bürgerlicher Strafe und religiöse Gefühle nicht noch hinzukommen. Dies beweiset die Nothwendigkeit, keinen von den Bewegungsgründen, die zum Guten führen können, zu vernachlässigen, nicht mit philosophischem Stolze allein auf unsre Vernunft zu pochen, die nicht selten selbst eines sinnlichen Antriebes bedarf, um zur Würksamkeit gebracht zu wer den, noch mit Sicherheit auf die Zulänglichkeit unsrer Temperaments-Tugenden zu rechnen. Zugleich beweiset es
»Eine Kleinigkeit dagegen ist es zwar, wenn Nothwehr, eine erlaubte Sache, mit den strafbaren Verbrechen der Nothlüge und des Diebstahls aus drückendem Hunger in Eine Classe gesetzt wird; aber ich mag sie doch nicht unbemerkt lassen.«
Nothwehr, (Nothmord) Nothlüge und Nothdiebstahl, sind Abweichungen von moralischen Gesetzen, zu welchen uns die Sorgfalt für uns selbst und für Personen, die uns werth sind, verleiten kann. In wie fern die eine oder die andre dieser Abweichungen sträflicher oder verzeihlicher seyn kann, das hängt von den Umständen ab und läßt sich nicht sogleich durch einen allgemeinen Machtspruch abthun.
»1) Menschen, die das reine Moralprincip annehmen, können eben so unvollkommen und unmoralisch handeln, als die, welche der Glückseligkeitslehre folgen. Die Erstern handeln also oft inconsequent und bleiben ihren Grundsätzen nicht immer treu, wie das leider! häufig der Fall im gemeinen Leben ist. Die aber, welche bloß der Nützlichkeit Gehör geben, handeln consequent, wenn sie unsittliche Handlungen begehen; (???) weil für sie Tugend und Pflicht bloße Namen, (???) wenigstens nicht auf die Achtung für's Gesetz gegründet sind.«
Ey! unsittliche Handlungen können nie wahrhaftig nützliche Handlungen seyn und wer Tugend und Pflicht für die einzigen
»2) Die Aechtheit der reinen moralischen Begriffe wird uns von demjenigen gradezu abgestritten werden, dessen sich weder Gewissenhaftigkeit, noch Achtung für die bürgerlichen Gesetze, noch religiöse Empfindungen bemeistern. Dies ist sehr recht geurtheilt, weil das reine Moralprincip mit dem Gewissen des Menschen steht und fällt. Auch wird der Verächter aller bürgerlichen Ordnung, ehe es mit ihm dahin kam, alle Achtung für das Vernunftgesetz aufgegeben haben. Und in Ansehung der religiösen Empfindungen denke ich mit Lichtwehr:
Der scheuet keine Götter, der keines Menschen schont.«
»Ob ein solcher Zweifler weniger Einwendungen gegen die Glückseligkeitsmotive machen werde, rührt mich nicht. Auch freue ich mich nicht über seinen Triumpf, wenn er sie alle wie Seifenblasen wegscheucht, denn wer die ersten Gründe der Sittlichkeit leugnet, muß das Recht haben, uns alles abzustreiten.«
»Zuletzt wird das System, das Achtung für die Pflicht empfiehlt« (Als wenn mein System, oder vielmehr das System so vieler klügerer und besserer Menschen, als ich bin, in allen Jahrhunderten, keine Achtung für Pflichten empföhle!) »ein speculatives Grundgebäude genannt, und von Herz vermissen; Neigungen und Triebe dürfen doch wohl hier nicht verstanden werden, da alles aus der reinen Vernunft geschöpft werden soll.) »des Menschen hergenommen ist und so lange sein Bestehn hat, als Vernunft, Gewissen und Freyheit uns einen Vorzug vor dem Thiere gewähren.«
Ich wollte mich hier wohl kurz fassen, wenn ich könnte, denn ich eile zum Schlusse und mir scheinen diese Einwürfe nicht schwer zu beantworten. Wenn ich ein festes, allgemeines Grundgesetz der Moral aufzustellen werden, daraus, daß wir moralische Wesen sind. Im andern Falle fällt die Gültigkeit des Beweises weg, sobald der Gegner erklärt, daß seine Ueberzeugung, (die ihm eben so viel geltend scheint) nicht die Ueberzeugung des Systemaufstellers sey. Dies nun tritt bey meinem Systeme nicht ein. Niemand soll da etwas anders glauben und annehmen, als die unleugbare, Sollen und Müssen redet, sondern eine wohlthätige Freundinn
»Was §. 20. von dem theoretischen Nutzen des Moralprincips gesagt wird, gewährt ihm, meiner Empfindung nach, einen herrlichen Vorzug; denn was ist schöner und brauchbarer, als ein sichrer Probierstein für alle unsre Handlungen und Bestrebungen? Wird es öfters dazu gebraucht; so wird sich auch sein praktischer Nutzen, trotz alles Leichtsinns, aller Schwachheit, Unlauterkeit und Verkehrtheit der Menschen, immer mehr offenbaren.«
Ich glaubte aber bewiesen zu haben, daß dieser Probierstein der unsicherste von allen, daß er gar kein Probierstein ist. Man lese den §. 20. selbst!
»Nach §. 21. soll es leicht zu beweisen seyn, daß die ausschließliche Befolgung allgemeiner Gesetze im praktischen Leben gut ist, hat.) »Unendlichen Schaden, daß man rechtschaffen und gemeinnützig lebt,« (Welch' ein Widerspruch! Gemeinnützig soll man leben und doch nicht an den zu stiftenden Nutzen denken?) »und nur aus Achtung für seine Pflicht zu handeln sich bemüht?« (ohne bestimmt angeben zu können, warum man etwas für Pflicht hält.) »Wer hat das je gedacht? Aus wessen Sterblichen Munde ist das je ausgegangen? Und das soll noch dazu leicht zu beweisen seyn? Man höre!« (Hier ist künstlich alles so gestellt, daß es scheinen muß, als hätte ich noch gar nichts bewiesen und als sollte das, was ich nur noch beyläufig anführe, den vollständigen Beweis enthalten, da doch die ganze Abhandlung diesen Zweck erfüllt.)
Das verstehe ich nicht. Man soll die Ordnung der Dinge, die Umstände und seine Lage nicht umschaffen wollen und dennoch bey seinen Handlungen auf alle diese Dinge keine Rücksicht nehmen? Das heißt: immer auf der Ebne gehn, da, wo nichts als Berge sind, und dennoch diese Berge weder wegräumen, noch Andre dazu zwingen wollen.
»2) Es soll Tugend und Laster, Weisheit und Thorheit, nicht zu aller Zeit und unter allen Völkern für das, was sie sind, erkannt und oft mit einander verwechselt seyn. Es war von dem unendlichen Schaden die Rede, den das reine Moralprincip anrichtet. Folglich müßte der Schade darein zu setzen seyn, wenn die falschen Vorstellungen, welche die Menschen von
Nein! man mag Gott bitten, daß er uns bey nüchterner Vernunft erhalte und vor unduldsamem Systemgeiste und dem Egoismus bewahre, der aller Men schen Vorstellungsarten nach dem Maßstabe seiner Eingebungen abmessen will! Er lasse uns immer die Ueberzeugung behalten, daß nichts gut ist, als das Nützliche, und nichts nützlich, als das Gute, und daß bey Beyden
»3) Der Klugheit wäre es gemäß, und, um eine größere Summe des Guten zu bewürken, des tugendhaften Mannes würdig, gewisse Vorurtheile zu schonen, gewisse kleine Uebel zu dulden, denen man mit aller Kraft widerstehn müßte, wenn man nur nach allgemeinen Grundsätzen handeln dürfte. Die Beobachtung der Pflicht macht also unverträglich.« (Nein! die Beobachtung dessen, was würklich Pflicht ist, macht gewiß nicht unverträglich.) »Und ich muß gestehn, daß man, wenn es sich also mit der Pflicht verhielte, von einem unendlichen Schaden, den das Handeln nach allgemeinen Grundsätzen anrichtet,
Da diese Apostrophe vermuthlich gegen einen Bösewicht gerichtet ist, der aller Pflicht Hohn spricht, und dem Eigennutze und der Gewinnsucht das Wort redet; so braucht derjenige nicht darauf zu antworten, der die strengste Pflicht-Erfüllung als das einzige Mittel, um glücklich zu seyn und Andre glücklich zu machen, empfiehlt, die Nothwendigkeit der Pflichterfüllung aber aus
»Die Tugend, die das allgemeine Gesetz nicht anerkennt, ist doch wohl nur eine elende Grimasse« (Geist der Liebe, der Schonung und Duldung! bitte für uns und alle die, welche, so lange die Welt steht, Moral gelehrt und das Glückseligkeitssystem zum Grunde gelegt haben, bevor der Morgenstern der neuern Philosophie aufgieng!) »Und doch soll sie geschickter als die, das Moralgesetz verehrende Pflicht seyn, nicht nur kleine Uebel zu tragen,« (kleine und große Uebel trägt gewiß derjenige geduldiger, welcher überzeugt ist, daß sie zur Harmonie des Ganzen gehören, als der, welcher keinen andern Grund kennt, als die Machtsprüche: Du sollst; Du mußt.) »sondern auch gewisse Vorurtheile zu schonen, denen man mit aller Kraft widerstehn müßte, wenn man nur nach allgemein gültigen
Kaum kann ich mich entschließen, nur einmal hierauf zu antworten. Man giebt sich hier die unnütze Mühe, einen Mann zu widerlegen, der keine Pflicht, kein Gesetz anerkennt und dem folglich alle Laster erlaubt scheinen, wenn sie ihm einen angenehmen Genuß, oder Befriedigung seines Eigennutzes verschaffen. Was geht uns dieser an? Ich traue es der Einsicht und dem Herzen meines Herrn Gegners zu, daß er nicht die Absicht haben kann, einen solchen Taugenichts mit dem warmen Tugendfreunde zu verwechseln, der seine Pflichten und seine
»Der tugendhafte Mann, der kein Gesetz anerkennt,« (contradictio in adiecto) »wird vielleicht auch da, wo es Noth thut, seine Meinung zurückhalten, oder gar den, mit solchen Vorurtheilen Behafteten beypflichten, und ihnen seinen Beyfall zu erkennen geben.« (Nein! das wird nur ein Schurke thun, nicht aber der, welcher Tugend für das einzige Mittel zur Glückseligkeit hält.) »Allein was der Pflichtvergessene« (der so eben, doch vermuthlich nur aus
Nur wenig Worte hierüber! Es ist in dem §. 21., wie Jeder einsehn kann, die Frage beantwortet, wie der redliche Mann, mitten in den Verkehrtheiten der menschlichen Einrichtungen und Gesinnungen, dennoch seine Handlungen so einrichten könne, daß das Gute, so viel möglich, befördert und
»4) Wie würde es um den Krieg, wie um die Politik – zwey unvermeidliche menschliche Uebel – aussehn? Nun das, muß ich sagen, ist ein unverzeihlicher Unfug, den das Moralgesetz anzurichten sich erdreistet, wenn es die unvermeidlichen menschlichen Uebel vermeidlich zu machen sich erkühnt. Es ist ein unendlicher Schaden, wenn die drey-Groten-Männer nicht mehr bey Tausenden erschossen oder niedergesäbelt, und der ruhige Landmann nicht mehr gemishandelt und der Frucht seiner Arbeit beraubt werden; wenn die schönsten Städter und Dörfer nicht mehr in Dampf und Feuer aufgehn, nicht mehr Requisitionen und Plünderungen aller Art Statt finden sollen. Es ist ein unendlicher Schaden, wenn man keine Intriganten, keine Projektmacher, keine Cabalenschmiede,
Diese Deklamation würde an ihrem rechten Platze stehn, wenn das neuere Moralsystem alle diese Uebel zu heben im Stande wäre und ich dagegen behauptet hätte, daß dieser Unfug fortdauern müsse und es ein unendlicher Schaden sey, ihn abzuschaffen. Da dies nun beydes nicht der Fall ist; so scheint hier wohl manches unnöthig gesagt zu seyn.
»Ich gebe mich gefangen und rufe mit aus: jenes sogenannte reine Moralprincip ist durchaus für diese Erde nicht gemacht. Wenn wir den Zweck des Krieges und der Politik und den Grad des Nutzens vor Augen haben, den sie den Urhebern bey Beförderung ihrer Glückseligkeit« (???) »gewährt, welche zu suchen und zu finden
Ich muß darüber lächeln, daß man grade mich zum Vertheidiger des Krieg-Unfugs und der Hofränke machen will, da ich seit funfzehn Jahren unaufhörlich eifrig gegen diese Verderbniß geredet und geschrieben habe. Was im §. 21. hierüber gesagt wird, ist kürzlich das: Krieg und Politik gehören nun einmal zu den Dingen, die man
»5) Alles Andre« (nämlich jede Handlung, die ohne Betracht auf die Umstände, ohne Hinsicht auf bestimmte Zwecke und Folgen, unternommen wird) »ist Ueberspannung.« (oder Unverstand) »Vorher hieß es Enthusiasmus, der nie von einer nüchternen Vernunft hergeleitet werden kann. Von wie vielen Menschen wird man noch hören, daß sie durch die Anerkennung des allgemeinen Gesetzes, durch rechtschaffene Erfüllung ihrer Pflicht (???) durch Demuth, Mäßigkeit, Keuschheit, verrückt geworden sind!« Nein! dadurch wird niemand verrückt, sondern vielmehr klüger und besser werden. Allein ich bin auch weit entfernt, zu glauben, daß durch das Moral-System der neuern Philosophen in der Vernunft der Menschen irgend eine Revolution bewürkt werden wird. Das hat nichts aufDu mußt, weil Du sollst, täglich verhaßter zu werden anfangen.
»Es ist ein würklich großes Glück für die Welt, daß man bisher so wenig Achtung für's Gesetz bewiesen hat und noch beweiset,« (O! Ihr unzähliche arme Tugendfreunde in allen Jahrhunderten!) »weil dadurch allein noch so Viele eine nüchterne Vernunft behalten haben. Doch es ist unmöglich Ernst mit dem Schaden, den wahre Tugend und Rechtschaffenheit« (???) »an richten soll, und noch weniger mit den Beweisen dieses Schadens, die alle nur dazu dienen, die Wahrheit, Schönheit, Nothwendigkeit und Brauchbarkeit des Moralgesetzes in ihr völliges Licht zu setzen.
Was ich gesagt habe (welches aber freylich ganz etwas anders ist, als was man mich hier sagen läßt,) war Ernst, wie ich denn überhaupt das Publicum, meine Freunde und mich selbst zu sehr ehre, um über solche Gegenstände in einem Tone von Persifflage zu reden.
»Kaum wage ich daher die Instanz von der Unmöglichkeit der reinen Liebe zu Gott und von dem darüber entstandenen Streite zu beleuchten. Rein ist die Liebe zu Gott, wenn sie aus keinem andern Grunde hergeleitet wird, als aus dem Verhältnisse zu Gott, als Vater, Wohlthäter, Regierer und Richter. Rein ist die Liebe zur Pflicht, wenn sie nur aus unsrer Verbindlichkeit zu ihr herfließt.«
»Daß das Gewissen die Belehrungen der Vernunft gebraucht, leidet wohl keinen Zweifel; aber Unterricht über Zweck und Nutzen scheint es nicht zu verlangen, da sein Amt nicht das eines Professors oder Gelehrten, sondern das eines Richters ist,« (das wäre mir ein schöner Richter, der bey Bestrafung einer Handlung keine Rücksicht darauf nähme, warum diese Handlung unternommen und welcher Schaden dadurch angerichtet worden wäre!) »dem nur das Gesetz, wonach er lossprechen oder verdammen soll, vorgelegt wird.« (Und dies buchstäbliche, allgemein passende Gesetzin dem guten Herzen, bald in der reinen Vernunft, bald im Gewissen, bald in dem Begriffe der Moralität überhaupt, die doch dadurch erst bestimmt werden soll.)
»Die Folgerung, daß unsre Handlungen, wenn sie keine Folgen hätten, weder recht noch unrecht, sondern gleichgültig wären, ist nicht schulgerecht. Die Accidenzen einer Sache gehören nicht zu ihrem Wesen.«
Hier ist nicht von accidentellen glücklichen oder unglücklichen Folgen, sondern von den Würkungen die Rede, die unausbleiblich durch die Handlung hervorgebracht werden. Diese Würkungen sind ja der wesentliche Zweck der Handlung. Ist die Würkung, die eine Arzeney auf den Körper äussert, und wodurch sie, so viel ich weiß, allein zur Arzeney wird, etwa auch ein Accidenz,
gute Handlung begieng, seinen Wohlthäter mit der Tatze zu erschlagen, aus dem reinen Grundsatze, die Mücke zu tödten, die ihn im Schlafe stöhrte. Wenn gute Handlungen beständig gute Folgen haben; so sind die sichern Folgen der Handlung wesentlich, folglich keine Accidenzen, müssen daher bey Beurtheilung ihres Werths mit in Anschlag kommen, ja! die Absicht, der Grundsatz allein, ist practisch nichts werth, wenn vernünftiger Weise sich gar keine Würkung von seiner Befolgung versprechen läßt. Wir sind keine Maschinen, die den einförmigen Gesetzen eines innren Räderwerks gehorchen müssen, sondern darum ist uns die Vernunft gegeben, daß wir, bevor wir einen Vorsatz, der uns gut dünkt, ausführen, erst fragen sollen: Wohin
»Die große Anzahl von Handlungen, worauf die reinen Begriffe von Recht und Unrecht nicht anwendbar sind, möchte ich doch kennen lernen. Moralische können sie nicht seyn, denn für die ist das Gesetz, wie dies der Name selbst anzeigt.«
Hierüber habe ich vielleicht schon zu viel gesagt, z.B. da, wo vom Kriege die Rede war.
»In dem §. 22. ist die Forderung der Vernunft richtig angegeben, daß der Mensch nach Bewegungsgründen handeln solle, die gar keinen Bezug auf den Erfolg haben.« (Wie reimt sich das zu der obigen Erklärung: daß der Sittenlehrer die Folgen nie ausser Acht lassen werde?) »Wir sollen bey unsern Handlungen das moralische Gesetz und zwar dieses allein immer mehr zur Anschauung vor uns Symposium; Zweybrücker Ausgabe B.X.S. 249, oder in Schillers Thalia, im 6ten Stücke, übersetzt) Hier, wo der Mensch zum Anblicke der ursprünglichen Schönheit (des Gesetzes?) selbst gelangt ist, wird sein Leben erst ein wahres Leben – – – Was muß es erst werden, wenn Einem das Glück widerfährt, die Urschönheit selbst ächt, rein, unvermischt, nicht verbunden mit körperlicher Masse oder Farben,« (Wie? Gesetz, verbunden mit Farben?) »oder andern vergänglichen Tand, sondern in ihrem göttlichen Glanze, in der ganzen
Ich finde in dieser Stelle nichts, das gegen mich zeugen könnte. Hier ist keine Sylbe, die von einem diktatorischen Gesetze redete; Tugend, Weisheit, Wahrheit, Schönheit, Harmonie sind hier in platonischer
»Wie traurig ist es dagegen bloß auf den Erfolg zu sehn! Euentus stultorum magister.« (Abermals eine Verwechselung von Ideen! Zufälliger Erfolg und sicher zu berechnende Folgen sind zwey sehr verschiedene Dinge.) »Wir brauchen weder solche Thoren zu seyn, die erst durch Schaden klug werden,« (Nein! dazu haben wir die Vernunft, die uns zum Voraus lehrt, was bey richtig angewendeten Mitteln erfolgen wird und muß) »noch so thöricht zu handeln, daß wir an Statt auf den Fürsten, der uns regiert, zu schauen, bloß um sein Gefolge« (Ein Wortspiel und nichts weiter) »uns bekümmern.«
»Nach §. 23. wird unser Gefühl von Recht und Unrecht bloß« (???) »für ein Werk unsrer Erziehung und Bildung
Wo steht das? Es ist hier gar nicht von den allgemeinen Begriffen des Rechts und Unrechts, sondern von einigen besondern geselligen Pflichten die Rede, die wir, ohne eine Erziehung, die uns zu unsern Verhältnissen vorbereitet, im natürlichen Zustande, nicht kennen würden.
»Dies brauchte es noch zu guter Letzt, uns den moralischen Sinn, oder das Gewissen« (???) »abzusprechen. Wenn uns auch nicht die Empfindung von Recht und Unrecht gänzlich fehlt; so wird sie doch nicht durch das Vernunftgeboth erregt, entsteht nicht durch Anwendung des allgemeinen Gesetzes auf unser Thun und Lassen, sondern sie ist bloß Gedächtnißsache und eine Angewöhnung, die wohl eben so fehlerhaft Du sollst) »und mithin der Tugend und Pflicht angegriffen werden kann.«
Was ich nie behauptet habe und nur der verworfenste Mensch behaupten kann, glaube ich nicht, widerlegen zu müssen. Ueber die Unwandelbarkeit der Begriffe von Recht und Unrecht in abstracto und über das Gewissen habe ich mich in den Anmerkungen zu §. 8. und 21 erklärt.
»Ueber die Ideenverwechselung bey dem Begriffe der Schönheit und über das Willkührliche bey der Ordnung werden meine Anmerkungen völlig unnöthig seyn, da sie
Nicht aber wider meinen Wunsch; denn ich habe meinem mir sehr werthen Freunde viel Verbindlichkeit dafür, daß er mir mit solcher Ausführlichkeit und ganz in der Manier unsrer Philosophen der neuern Schule, diejenigen Einwürfe entgegengestellt hat, die ich sonst weniger glimpflich, vielleicht von einem nicht so würdigen Gegner zu erwarten gehabt haben würde. Als ich die erste Haupt-Abtheilung schrieb, die nur als Einleitung dienen sollte, um den Unterschied unter erlaubter Selbstliebe und verwerflichem Eigennutze deutlich zu machen, übergieng ich manche nähere Bestimmung, indem ich voraussetzte, daß man mich nicht misdeuten würde. Nun ist auch, durch genauere Zergliederung meiner Gedanken, für
Die Leser haben nun Gründe und Gegengründe vor sich, und mögen urtheilen; nur muß ich noch einige allgemeine Sätze zur Erläuterung hier anhängen, um deren Widerlegung ich vorzüglich diejenigen ersuche, welche sich die Mühe geben wollen, meine Behauptungen zu bestreiten:
1) Wo die Freyheit des Willens fehlt, da hat keine Moralität Statt. Zu Bestätigung dieses sehr einleuchtenden Satzes enthalte ich mich Rousseau als Gewährsmann
2) Da nun, wo von unbedingtem Gehorsame die Rede ist, alle Freyheit des Willens wegfällt; so sind die Ausdrücke: Gehorsam, sollen, müssen usw. (worauf sich, wie auf Angeln, das Moral-System einiger neuern Philosophen dreht) in Rücksicht auf die sittlichen Vorschriften, die keineswegs Zwanggesetze sind, durchaus unpassend, unschicklich, sind Barbarismen – sind empörend, hochverrätherisch gegen die Majestät der freyen Menschheit.
3) Die Begriffe von Müssen und Sollen bezeichnen eine Nothwendigkeit, die, sie mag nun seyn, von welcher Art sie will, alle Bestimmung von gut und böse, von recht und unrecht ausschließt. Wer das thut, was er soll und muß;
Da zum Beyspiele alle Menschen sterben müssen; so würde es unvernünftig seyn, zu sagen: ein Mensch habe gut oder recht gehandelt, indem er gestorben sey.
4) Beynahe eben so unpassend, wie die Begriffe von Sollen und Müssen in der Moral sind, ist auch der Ausdruck: moralisches Gesetz; doch läßt er sich, enger eingeschränkt und bestimmt, noch rechtfertigen. Genau genommen kann jede Gesetzgebung nur auf Uebereinkunft beruhn. Macht und Gewalt sind nicht hinreichend, das Recht des Gesetzgebers zu begründen. Die Vernunft maßt sich auch billig nichts weiter an, als nur Rathgeberinn, freundliche Leiterinn zu seyn, verspricht, verheißt, unter gewissen Bedingungen, aber gebiethet und Gesetze und Zwang treten erst ein, wenn die Menschen durch Uebereinkunft bestimmen, daß es nöthig sey, vermöge dieser Mittel, diejenigen Einzelnen in Ordnung zu halten, welche durch die Regeln und Ermahnungen der Moral, deren freye Befolgung von der Willkühr abhängt, nicht zurückgehalten werden, die allgemeine Wohlfahrt zu hindern. Lasset uns indessen sehn, in wie fern man bey den reinen Vorschriften der Sittlichkeit, ohne Rücksicht auf die bürgerliche Verabredung, eine Uebereinkunft, diese Vorschriften als natürliche Gesetze gelten zu lassen, annehmen könne!
eingewilligt hat. Zugleich Gesetzgeber und Gehorcher – das läßt sich nicht denken, denn die höchste Macht kann nicht mit sich selber eine Verpflichtung eingehn, folglich kann es für sie kein Grundgesetz, kein Gesetz, welches sie nicht übertreten dürfte, geben.
6) Zweyerley Kräfte sind in der menschlichen Natur würksam: die der Sinnlichkeit und die der Vernunft, die man daher als zwey Contrahenten betrachten kann. Eine von beyden muß dann die gesetzgebende, die andre die gehorchende Rolle spielen, wenn wir Sitten-Gesetze annehmen.
7) Die Sinnlichkeit hat oft Kraft genug, um über die Vernunft zu herrschen,
Einwilligung zur Gesetzgebung versprechen, aus Gründen, die wohl keiner Ausführung bedürfen.
8) Die Vernunft hingegen hat alle Eigenschaften zur Gesetzgeberinn. Es fragt sich also nur, in wie fern sie die, zu jeder Gesetzgebung nöthige Einwilligung von der Sinnlichkeit erwarten könne?
9) Von der verderbten, ausschweifenden, zügellosen Sinnlichkeit vermag sie dieselbe nicht zu erlangen. Von dieser, die sich gegen alles Gute empört, kann also hier nicht die Rede seyn. Ich verstehe unter Sinnlichkeit überhaupt die physische Natur des Menschen, die Quelle aller seiner Thätigkeit und seiner edelsten Triebe. Diese macht einen Theil seines Wesens aus; ihre Forderungen sind keinesweges zu verachten,
10) Niemand unterwirft sich dem Andern freywillig anders, als in der Absicht und unter der Bedingung, durch diese Unterwerfung einer größern Summe von Glückseligkeit theilhaftig zu werden. Es läßt sich daher gar nicht annehmen, daß die physische Natur des Menschen Verordnungen von der Vernunft annehmen sollte, wobey gar keine Rücksicht auf Beförderung der Glückseligkeit genommen wäre. Alle moralische Vorschriften, die als Gesetze gelten sollen, müssen also auf dieser Grundlage beruhn.
Denn alle, von den weisesten Moralisten aller Zeitalter empfohlene moralische Regeln bewürken, wenn sie befolgt werden, die dauerhafteste Wohlfahrt, Glückseligkeit und Vollkommenheit des geistigen, physischen und geselligen Zustandes des Menschen. Es würde daher nicht vernünftig seyn, anzunehmen, daß die Beförderung der Glückseligkeit kein Zweck für sie seyn dürfte.
12) Jedes weise Gesetz muß ferner mit Rücksicht auf Lage und Umstände gegeben werden; also ist es eben so wenig vernünftig, zu behaupten, daß bey moralischen Vorschriften, wenn sie für Gesetze gelten sollen und wir nicht mit Worten spielen, auf Verhältnisse und Umstände keine Rücksicht Mittel empfehlen, von welchen sich, unter diesen Umständen, die Erlangung jenes Zwecks, nämlich die Beförderung der Glückseligkeit, als Folge, sicher erwarten läßt.
Es sey mir erlaubt, zum Uebergange in diese Materie, einige Resultate aus dem Vorigen zu ziehn!
Es ist ein tröstender, herzerhebender Gedanke, daß alles, was lebt und webt, vom liebreichen Urheber der Natur zum Glücklichwerden erschaffen, daß das Weltgebäude nicht etwa bloß ein Kunstwerk, zur Freude des Meisters und zur Verherrlichung seiner Allmacht, zusammengesetzt, sondern zugleich eine unermeßliche Anstalt zur Beglückung zahlloser Geschöpfe ist; daß hier Myriaden Wesen aller Art, vom Engel bis zur Made
Je empfänglicher für die mannigfaltigen Freuden und je empfindlicher für Leiden ein Geschöpf ist, desto mehr Kraft liegt in seinem Wesen, um sich jene zu verschaffen und diese zu entfernen. Je größer der Drang der Bedürfnisse und Anforderungen in den verschieden organisirten erschaffenen Wesen sich äußert, desto geschickter fühlen sie sich, diese Bedürfnisse zu befriedigen, und für die nützlichste Verwendung ihrer Kräfte, zu ihrem eignen und des Ganzen Wohl, sind gerade die dringendsten
Weil nun die, mit höhern Kräften und mit Vernunft begabten Wesen, geschickter als die Uebrigen, zu der allgemeinen Ordnung beyzutragen, zugleich aber durch ihre größere Selbstständigkeit, mehr als die Andern, im Stande sind, sich eine abgesonderte, freye, von fremder Einwürkung unabhängige Existenz zu verschaffen; so offenbart sich, um diese Absonderung zu verhindern, in ihnen der Hang sich mitzutheilen, sich anzuschließen und auf andere Wesen denn Gott hat nicht gewollt, daß wir die Bewegungsgründe zur nützlichen Würksamkeit aus kalten, abstrakten Theorien, sondern aus unsrer Natur und Be
stimmung selbst, entlehnen sollten.
Es ist aber der Trieb zur Geselligkeit und gegenseitigen Dienstleistung allen lebendigen Wesen, selbst den Thieren, eingepflanzt. Allgemein bekannt ist es, mit welcher Sorgfalt die Eltern nicht nur ihre eigenen Jungen nähren, pflegen und vertheidigen, sondern wie sie auch die Wartung angenommener Zöglinge sich angelegen seyn lassen; mit welcher Sorgfalt die Henne junge Enten, die Grasmücke den jungen Kuckuck auferzieht; wie, in der Brutzeit, Männchen und Weibchen abwechselnd das Nest bewachen und warm halten, wie Jener, durch Lieder, der Gattinn, wenn sie auf den Eyern sitzt, die Darwins Zoonomie, sind viel höchst sonderbare Beobachtungen von dieser Art gesammelt und der Verfasser geht sogar so weit, die, zur Erklärung solcher Thatsachen, bisher angenommenen Instinkte zu verwerfen und auch bey den Thieren Plan, Ueberlegung, Vorschriften, aus Erfahrung abstrahirt und durch eine Art von Ueberlieferung auf sie gekommen, anzunehmen.
Von allen Geschöpfen aber, das bleibt gewiß und unleugbar, ist keines so zur Geselligkeit, Theilnahme und Mittheilung gestimmt, wie der Mensch; aber er bedurfte auch dieses lebhaftern sinnlichen Triebes, um, da ihn das göttliche Geschenk der Vernunft in den Stand setzt, freyer und unabhängiger,
Der Mensch soll und muß also nichts; Er behält die Freyheit, sein wahres Heil zu verscherzen, und sich der höhern Wonne und Seligkeit zu berauben, wenn er keinen Sinn für sie hat. Die Opfer, die er seinen Brüdern und der gesammten Menschheit bringt, sind freywillige Opfer. Will er auf die reinen geistigen Freuden, auf die Ruhe im Innern, auf die Achtung guter Menschen und auf ihre gegenseitigen Dienstleistungen Verzicht thun; will er rastlos nach
Das sind die Begriffe, die ich von moralischer Freyheit, von Sittlichkeit überhaupt und von Glückseligkeit habe, und von den Bewegungsgründen und Mitteln, diese Schätze zu erlangen. Wie klein, jämmerlich Du sollst! Du mußt! mir zuruft?
Die Dankbarkeit ist eine von den Tugenden, die, so viel ich es einsehe, gänzlich wegfallen würde, wenn dies despotische Gesetz die Quelle aller guten Handlungen wäre. Ich kann nur dem dankbar seyn, der, aus Liebe zu mir, aus Theilnahme an dem, was meine Glückseligkeit befördern kann, um meine Wünsche zu befriedigen, sich selber etwas entzieht, das er für sich behalten, zu seinem Vortheile anwenden könnte. Aber was für Verbindlichkeit bin ich dem schuldig, der etwas hergiebt, das ihm ohnehin nicht gehört, das er, dem strengen Gesetze nach, unbedingt Andern schuldig ist?
Das Gefühl, das unser Herz zur Dankbarkeit stimmt, ist von der Hand des Schöpfers in unsre Natur gelegt und wird nur dann verleugnet, wenn andre heftige Leidenschaften, z.B. Eigennutz, Neid, falscher Ehrgeiz oder Eitelkeit, dasselbe ersticken. Wenn alle Geschöpfe des Erdbodens Genuß, Freude und Glück suchen; so ist nichts natürlicher, als daß sie sich hingezogen fühlen zu solchen Gegenständen, die ihnen Befriedigung ihres Glückseligkeits-Triebes verschaffen; und wenn dies bey leblosen Gegenständen der Fall ist; wie viel mehr Zuneigung werden sie zu thätigen, mit Willenskraft begabten Wesen empfinden, die absichtlich die Summe ihrer Freuden vermehren!
Dankbarkeit äußert sich sogar in unvernünftigen Geschöpfen. Wir bemerken nicht
Es hat aber leider! auch Philosophen gegeben, welche die Heiligkeit der Dankbarkeitspflicht zu leugnen gewagt haben. »Wenn,« sagten diese, »Jeder, der Gerechtigkeit und Redlichkelt gegen mich übt, nicht mehr als seine Bestimmung erfüllt, wenn das Gegentheil Verbrechen seyn würde; welchen Dank bin ich ihm dann dafür schuldig?« Bedenkt man aber, wie leicht es dem bösen Willen oft wird, sich um jene Gerechtigkeit und Redlichkeit wegzuschleichen und, ohne sie geradezu zu übertreten, einen Vorwand zu finden, um thätige Hülfe, Beystand und Dienstleistung dem zu versagen, der dessen bedarf; so muß jeder gutgeartete
Die Dankbarkeit ist ein Gefühl, welches das Herz veredelt und bessert, wohlthätig für den, der empfängt, wie für den, welcher giebt. Man empfindet eine reine Wonne, bey dem Anblicke eines Geschöpfs, das durch uns froh und glücklich ist; man vergißt eigne Leiden über das Bewußtseyn, die Wohlfahrt Andrer befördert zu haben. Ein edler Stolz, der sich auf unsre Kraft und auf die Wichtigkeit und Nützlichkeit ihrer Anwendung gründet, entschädigt uns für Mühe, Anstrengung und Verdruß. Wir lieben unser eignes Werk, fühlen uns hingezogen zu einem Wesen, das uns seine bessere
Der Wohlthäter bauet zuweilen das Glück seiner Nachkommenschaft, durch die
Die weisesten Männer aller Zeitalter haben die Dankbarkeit als die heiligste Pflicht empfohlen und kluge Gesetzgeber haben geschärfte Strafe auf die Verbrechen gelegt, die gegen Wohlthäter begangen würden.
Und dennoch, bey so vielfachen innern und äußern Bewegungsgründen, welche uns die Heiligkeit dieser Pflicht empfehlen, hört man über kein Laster so allgemein klagen, als über den Undank. Zwar sind diese Klagen auch je zuweilen eben so übertrieben,
Bey einer großen Anzahl von Menschen ist ein übelgeordneter Freyheits-Sinn die Quelle des Undanks. Man hält sich für gedrückt durch die Last der Verbindlichkeit, glaubt sclavisch abhängig von dem Wohlthäter zu werden, wenn man es sich selber gesteht, wie viel man ihm schuldig ist und fühlt sich doch zu schwach, wird durch den Drang der Umstände abgehalten, auf fremde Hülfe Verzicht zu thun; und so empfängt man dann, vernünftelt aber die Pflicht weg, welche Erkenntlichkeit gebiethet. Ein falscher Stolz, der sich gegen den Gedanken, eine untergeordnete Rolle zu spielen, empört, überschreyet die innere Stimme des Gewissens. Man zürnt mit dem Schicksale, das
Diene neun und neunzigmal einem Menschen und schlage ihm die hundertste
Menschen, die selbst nichts für sich sind, suchen Dich auf, hängen sich an Dich, huldigen Dir, um durch Dich in bessere Verhältnisse zu kommen. Du erhebst sie, bringst sie in die Mode, überwindest das Vorurtheil, das gegen sie stritt und vielleicht Dir selber Schaden that; sie bleiben Dir so lange treu und anhänglich, als sie Deiner bedürfen, ziehen sich aber nach und nach zurück, suchen
Wenn diese und ähnliche Erfahrungen und Ueberlegungen vom Wohlthun abhalten dürften; so würde kein verständiger Mann ferner einen Schritt für Andre thun; allein zum Glücke für die Menschheit giebt es bessere Bewegungsgründe seinen Mitgeschöpfen Gutes zu erweisen, als das kleine, niedrige, eigennützige Verlangen, Dank einzuerndten.
Dennoch aber ist auch keineswegs der Wunsch, sich dankbare Menschen durch Wohlthaten zu verbinden, tadelnswerth, am wenigsten dann, wenn man zwischen diesen und schlechtdenkenden, unerkenntlichen Leuten zu wählen hat, und seine Freygebigkeit und Dienstfertigkeit nicht auf Alle ausbreiten kann, sondern, nach der Eingeschränktheit seiner Kräfte, ihnen Grenzen setzen muß. Warum sollten wir, wenn unser Herz warm für Andre schlägt, nicht auch wünschen dürfen, daß sie Regungen von eben so zärtlicher Art für uns empfinden? Und warum sollten wir nicht gern diese Stimmung in ihnen, durch freundschaftlichen Beystand zu erwecken suchen? Man tadelt oft verständige
Es giebt aber sehr verschiedene Arten, sein Dankgefühl auszudrücken, und nicht immer ist derjenige unerkenntlich, der nicht viel Worte macht, der in seinem Herzen seine Empfindungen verschließt und dem großmüthigen Wohlthäter Verehrung, Hochachtung und Segnung zum stillen Opfer bringt. Ein stummer Dank, ein Händedruck und ein, zum Himmel gekehrter Blick des feuchten Auges, sind wohl so viel werth, als studierte Floskeln einer herzlosen Beredsamkeit.
Oft verlangt auch der Wohlthäter für das, was er vielleicht nicht einmal aus den reinsten Bewegungsgründen geleistet hat, mehr, als ein edles, stolzes Herz zu geben vermag, verlangt Opfer aller Art, Schmeicheley, gänzliche Abhängigkeit, Sclaven-Dienste,
Die mehrsten Großen der Erde verstehen die Kunst, um aller Verbindlichkeit überhoben zu seyn, sich dasjenige aufdringen zu lassen, was sie zu erhalten wünschen. Dagegen
Es ist eine sehr unangenehme Lage, wenn das Gefühl der Dankbarkeit mit dem Eifer für Gerechtigkeit, mit strenger Wahrheitsliebe, oder mit der Sorgfalt für das Wohl des Ganzen in Zusammenstoß kömmt.
Die allgemeinste Art von Undank und dessen wir Alle uns wohl, mehr oder weniger, schuldig machen, ist der Undank gegen
Wenn zu diesem Allen nun noch die Ueberlegung kömmt, daß wir doch unmöglich bloß für die kurze Reihe, halb im Schlafe und in sorgloser Kindheit dahineilender Jahre geschaffen seyn können, folglich in einer bessern Zukunft die gütige Vorsehung uns reichlich für die kleinen unbedeutenden Plackereyen dieses spannenlangen Lebens entschädigen kann; wo ist dann Elend?
Undankbar gegen religiöse Gefühle sind diejenigen, welche das ganze Wesen der Religion und Gottes-Verehrung zu einer Sache der kalten Vernunft machen wollen. Wir sind nun einmal sinnliche Menschen, so lange wir hier auf Erden wandeln; soll irgend eine Wahrheit Interesse für uns haben; so müssen wir sie nicht bloß demonstriren, sondern es auch fühlen können, daß die Ueberzeugung von dieser Wahrheit uns nützlich, wohlthätig sey. Der Abstand zwischen uns und dem unsichtbaren allervollkommensten Wesen ist aber so groß, daß,
Indem ich aber von der Undankbarkeit gegen religiöse Gefühle und Meinungen rede; bin ich doch weit entfernt, auch dem Aberglauben, den Vorurtheilen, der Schwärmerey, den dunkeln, unbestimmten Gefühlen, die mit den Grundsätzen einer gesunden Vernunft, welche uns der Schöpfer zur Leiterinn gegeben hat, in offenbarem Widerspruche stehen, das Wort zu reden. Diesen haben wir gewiß nichts bleibend Gutes zu verdanken. Vielmehr pflegen sie zum geistlichen Stolze, zur Unduldsamkeit, zum Verfolgungsgeiste, zur Heucheley zu führen, und vertragen sich nicht selten, wie uns das
Lasset uns jezt von einigen Arten des Undanks reden, dessen sich die Menschen gegen einander, in den verschiedenen Verhältnissen des Lebens, schuldig machen!
Den gegründetsten Anspruch auf unsre Dankbarkeit haben gewiß diejenigen Personen,
Die undankbarste aller Bemühungen zur Bildung der Jugend ist wohl die eines Prinzen-Hofmeisters. Es ist bekannt genug, mit welchen Schwierigkeiten aller Art ein solcher Mann zu kämpfen hat. Wird dennoch seine Arbeit mit Erfolge gekrönt; so rechnet man doch fast nie die guten Eigenschaften, welche sein fürstlicher Zögling in der Folge zeigt, dem Mentor zum Verdienste an; der Prinz aber, wenn er herangewachsen, oder gar zur Regierung eines Landes gekommen ist, betrachtet seinen bisherigen
Im Allgemeinen ist das große Publikum unerkenntlich gegen die Bemühungen der Erzieher. Wie geringschätzig behandelt und wie ärmlich besoldet man nicht noch immer, in so manchen Gegenden, die Schul- und Hauslehrer! Wird ein Jüngling seiner guten Eigenschaften wegen gelobt; so geschieht selten dabey des Mannes Erwähnung, dem er seine Bildung zu danken hat. Will man es an einem jungen Menschen rühmen, daß er sich die Fehler nicht zu Schulden kommen läßt, die an seinem Vater auffallend sind; so erhebt man deswegen seine festen Grundsätze oder seine glückliche Gemüthsart. Daran aber wird nicht gedacht, daß vielleicht gerade der weniger vollkommene Vater am sorgsamsten seinen Sohn vor den Fehlern zu bewahren gesucht hat, deren schädlichen
Nicht nur für die Verwendung unsrer Kräfte zu dem edlen Zwecke, der Menschheit nützliche Mitglieder zu erziehn, werden wir nur gar zu oft mit Undank belohnt; sondern es muß auch überhaupt Jeder, der es sich angelegen seyn läßt, Andern frohe und glückliche Tage zu bereiten, sich darauf gefaßt machen, von denen selbst, auf die er Wohlthaten häuft, verabsäumt, hintergangen, verleumdet, gemishandelt zu werden. Hierüber ist schon im neunten und
Menschen, deren wir uns, ohne mit ihnen in andern als allgemeinen Verhältnissen zu stehn, kräftig angenommen, sie der Noth entrissen, in Wohlstand versetzt, im bürgerlichen Leben zu einträglichen Aemtern erhoben, ihnen Ruf, Bekanntschaften, Schutz und die Gelegenheit verschafft haben, mit ihren Talenten zu wuchern, kehren uns den Rücken, sobald sie Unsrer nicht mehr bedürfen, suchen sich auf unsre Unkosten zu erheben, zu bereichern, und die Wege zu einem redlichen Fortkommen, die wir ihnen gebahnt haben, uns zu versperren. Personen, denen wir unser Herz ohne Rückhalt eröfneten, wenn sie als Hausfreunde, täglich um uns waren und unser Brod aßen, verrathen uns, um andre Freunde zu gewinnen, misbrauchen
Vergebens erwartest du von Leuten, die du von Elend oder Gefahr errettet hast, sobald das Gefühl der Dankbarkeit in ihren Herzen erstickt und die Wohlthat vergessen ist, daß einst, wenn du nicht mehr bist, dein Weib und deine Kinder an ihnen Beschützer, Rathgeber, Helfer finden werden. Kannst du ihnen kein sichrers Vermögen hinterlassen, als die Forderungen auf fremde
Am empfindlichsten aber schmerzt der Undank, womit Menschen uns kränken, in denen wir die Gefühle treuer, inniger Freundschaft und Liebe erweckt zu haben, die wir für uns geschaffen glaubten, denen wir uns ganz hingaben, ihnen ein ungetheiltes Herz darboten, denen wir mehr aufopferten, als wir vielleicht vor dem Richtstuhle der strengern Vernunft rechtfertigen können, und die das Alles so hinnahmen, uns Gegenliebe heuchelten, um den eiteln Triumpf zu schmecken, uns ganz verstrickt, ganz abhängig von sich gemacht zu haben; und die dann die Larve abziehen, zurücktreten und noch wohl uns höhnen, unsrer Schwäche spotten. Wer je auf diese Weise in die Hände eines Egoisten oder einer Coquette gefallen ist, der wird die Härte eines so niederbeugenden Zustandes kennen.
Der Arzt, der alle Kräfte seiner Kunst aufbietet, um uns von körperlichen Leiden zu befreyn und ein Leben zu fristen, das nützlich für die Welt verwendet werden kann, das redlichen Freunden theuer ist und wovon vielleicht der Wohlstand einer zahlreichen Familie abhängt, hat den gegründetsten Anspruch auf unsre Dankbarkeit, um so mehr, wenn er seinen Beruf ohne Eigennutz und mit wahrhaftig theilnehmender Menschenliebe erfüllt. Er hat dieselben Ansprüche auch dann, wenn seine Kunst nicht hinreicht, das Uebel zu heben, gegen welches er kämpft. Die mehrsten Menschen aber glauben sich aller weitern Verbindlichkeit für so wesentliche Dienste überhoben, wenn sie dem Manne, der sie dem Tode entrissen hat, einige Goldstücke darreichen. Ihre Genesung schreiben sie übrigens der Stärke ihrer Natur zu, jede mislungene Cur hingegen
Kränkliche Personen danken oft sehr schlecht denen, welche ihrer warten, pflegen, aus Sorgfalt für sie, sich jedes gesellige Vergnügen versagen und allen ihren Launen nur Geduld entgegensetzen, für diese zärtliche Bemühung, verlangen noch immer größere Opfer, und kaum sind sie wieder hergestellt, so mishandeln sie dieselben Menschen, die so viel Nachsicht mit ihnen gehabt haben.
Für die Ausübung der Gastfreundschaft wird uns gewöhnlich auch sehr schlecht gedankt und die so genannten Tischfreunde pflegen eben nicht die zu seyn, auf welche man am zuverläßigsten rechnen darf. Eine Mahlzeit ist freylich eine geringe Wohlthat und jeder nicht ganz arme Mann hat ja auch zu Hause
Von den allgemeinen und größtentheils sehr gegründeten Klagen über das unedle Betragen der Dienstbothen gegen ihre Herrschaften, habe ich in dem zweyten Abschnitte der ersten Haupt-Abtheilung §. 28. geredet. Was dort von dem Vorwurfe des Eigennutzes gesagt ist, gilt auch in Ansehung des Undanks, dessen sich diese, für feinere Gefühle so selten empfängliche Menschenclasse, schuldig macht. Wenig Bediente belohnen auch die beste, väterlichste Behandlung mit wahrer Zuneigung. Vergebens sucht man das Gesinde durch Dankbarkeit an sich zu fesseln, indem man sehr junge, ungebildete und rohe Geschöpfe in sein Haus aufnimmt, sie zu nützlichen Menschen erzieht und zum Wohlthäter an ihnen wird. Kaum hat
Einige sehr rührende Beyspiele von dankbaren, treuen Dienstbothen finden wir hingegen
Von der andern Seite zeugt jedoch auch das Verhalten der Regierungen gegen treue
Nirgends darf man weniger die Dankbarkeit suchen, als da, wo überhaupt keine Tugend einheimisch zu seyn pflegt – ich meine: an Höfen. Hier arbeitet Jeder nur darauf los, sich, auf Unkosten Andrer, Vortheile zu erschleichen und tritt mit lachendem Munde den Wohlthäter unter die Füße, wenn der Weg zum vermeintlichen Glücke über diesen hin geht. Auch wird da der stillschweigende Vertrag, sich einander so viel möglich zu betrügen, allgemein anerkannt. Niemand erwartet etwas anders, oder verlangt mehr, als daß dies nur mit gehöriger Manier geschehe. Man bleibt in immerwährendem Vertheidigungsstande und hält sich gegenseitig durch Furcht in den Schranken.
Politischer Partheygeist macht undankbar gegen die wohlthätigsten Verfügungen der Regenten. Man hat Beyspiele in der Geschichte, daß Monarchen, wenn sie, zum Wohl der Völker, die Theilnahme an einem verderblichen Kriege von sich abgelehnet, oder, um von ihren Grenzen die Greuel der Verheerung abzuwenden, früher als ihre Verbündeten den Frieden geschlossen haben, auf die schändlichste Weise von der, durch
Nationalstolz, Neid, Eitelkeit, Vorurtheil und Leichtsinn, machen undankbar gegen ganze Nationen, gegen besondre Classen und Stände und gegen lebende und verstorbene einzelne große Männer. Von jeder dieser Arten des Undanks wollen wir einige Beyspiele vor Augen nehmen.
Von der Zeit an, da sich unsre teutsche Literatur ein wenig aus der Dunkelheit hervorgehoben hat, so daß unsre Geistesproducte kaum anfangen, auch der Ausländer Aufmerksamkeit auf sich zu ziehn, fehlt es
Der Undankbarkeit gegen ganze Stände machen wir uns unter andern durch zu allgemeine Schmähungen des Adels und des Priesterstandes schuldig. Ich kann wohl nicht leicht in den Verdacht kommen, als redete ich den, in unser Zeitalter gar nicht passenden Vorurtheilen der privilegirten Stände, der geistlichen Hierarchie und dem Mönchswesen das Wort; allein wenn wir die Thorheit dieser Classen und den Unfug, den sie von je her angerichtet haben, rügen; so lasset es uns auch nicht mit Stillschweigen übergehn, daß eine liberalere Denkungsart, daß Gastfreundschaft, daß Begriffe von wahrer Ehre, von Großmuth gegen niedergedrückte Feinde, von Treue und Glauben, von Schutz-Verleihung an unschuldig
Die Undankbarkeit des teutschen Publicums gegen große Männer und die Ungerechtigkeit, womit es die Verdienste derjenigen zu miskennen oder zu vergessen pflegt, die, durch edle, nützliche Thaten oder durch ihre Schriften, sich als Wohlthäter der Patres societatis
Iesu in Wien gebildet hätten. Daß der arme Gottsched, der doch wahrlich wenigstens den Eifer für die Vervollkommnung unsrer Sprache erweckt hat, sich von jedem Stümper, der noch schlechter schreibt, als er, (obgleich in andrer Manier) muß verhöhnen lassen; versteht sich von selber.
Den verächtlichsten Undank zeigen die unbärtigen Weltweisen in unsern Tagen gegen die Verdienste der Wolfischen Philosophie. Seit mehrern Jahrtausenden sind wir in der Gewißheit über metaphysische Gegenstände nicht um einen einzigen Schritt fortgerückt. Wir wissen von dem Wesen der Dinge, von dem Zusammenhange im Universo, von der alles belebenden Kraft, von der unsichtbaren Natur – nichts. Vergebens versuchen wir es, die alltäglichsten Erscheinungen aus der Vernunft zu erklären. Wir sehen überall Bewegung und a priori entdeckt worden (auch wird wohl nie der Menschheit auf Erden das Loos zu Theil werden, da klar zu sehn, wohin die Sinne nicht reichen) sondern selbst der Kreis, den unsre Speculationen durchlaufen, um wenigstens Wahrscheinlichkeit und Zusammenhang in unsre Träume zu bringen, scheint längst geschlossen zu seyn. Wer die Werke der ältern philosophischen Schulen studiert hat und sich nicht neue Kunst-Wörter, Einkleidungen und Mischungen, das heißt: neue Formen, für neue Materien, aufhängen läßt, weiß recht der Anmuth, die Klarheit und Würde erzeugen. Auf diesem Wege hätten wir fortarbeiten sollen, um von dem, was allen Classen von Menschen wichtig ist, auch unter alle Classen von Menschen wenigstens so helle Begriffe zu verbreiten, als zu Befriedigung einer lobenswerthen Wißbegierde und zu Beruhigung ihrer Herzen nützlich seyn kann; allein nun tritt eine neue philosophische Schule auf, die, in einer so transscendental, Perfectibilität und Kategorie vorkommen. Doch immerhin könnte man es ruhig mit ansehn, daß diese Pedanterey eine kurze Zeit hindurch (denn lange wird sie sich wohl nicht erhalten) im Schwange gienge; wenn man aber hören muß, mit welchem Uebermuthe, mit welcher Prahlerey der Troß der Nachahmer und blinden Bewunderer 1
Es würde ein garstiger Flecken in dem teutschen National-Charakter seyn, wenn
Lebende verdienstvolle Männer, edle Streiter für Wahrheit und Tugend, müssen es sich, besonders wenn sie kühn die herrschenden Thorheiten angreifen und böse Ränke aufdecken, zum Lohne für ihren treuen Eifer, auch oft gefallen lassen, verläumdet und niedriger Absichten beschuldigt zu werden. Läßt ihnen auch der bessere Theil des Publikums
Die Gerechtigkeit fordert aber, daß wenn wir von der Unerkenntlichkeit des Publikums gegen große Männer reden, wir nicht verschweigen, daß diese auch zuweilen nicht sehr dankbar für die Ehre sind, die sie einerndten; daß sie dem Neide sehr große Blößen geben; daß sie, wenn sie sich einen gewissen Ruf erworben zu haben glauben, durch Eitelkeit oder Hochmuth geblendet, nicht mehr so sorgfältig über sich wachen, in ihrer fernern Ausbildung zur Vollkommenheit nicht weiter fortrücken, die allgemeine Stimme
Und nun lasset uns dann die nicht sehr angenehmen Betrachtungen über den Eigennutz und Undank der Menschen beschließen! Es ist schwer, bey Behandlung solcher Gegenstände, über die man selbst so manche niederschlagende und empörende Erfahrung gemacht hat, ohne Bitterkeit zu reden, und ohne in den deklamatorischen Ton zu fallen, der doch dem philosophischen Forscher nicht ziemt. Indessen darf der Unwillen des verständigen Mannes über diese Verkehrtheiten nur vorübergehend seyn, nicht aber in Menschenhaß ausarten. Wenn man sich grade mit der genauern Beobachtung solcher moralischer
Oft betrogen, gemishandelt und gemisbraucht, trauet man freylich nicht mehr so leicht und glaubt nicht so schnell an die uneigennützige Zuneigung, noch an die zu erwartende Dankbarkeit. Man wundert sich weniger darüber, daß man hintergangen wird, als man sich darüber freuet, wenn wenigstens dieselben Menschen uns nur Einmal betrogen haben. Man verschließt sich nach und nach in sich selbst, möchte am Ende seiner Tage nun auch ein wenig sich selber leben, wenn man lange genug nur für Andre gelebt hat. Aber darum hört man
Rousseau sagt: »er liebe die einzelnen Menschen, aber nicht die Menschen im Ganzen.« Ich möchte wohl im Gegentheil sagen: ich liebe mehr die Menschheit, als die einzelnen Menschen. Es ist mit der Zusammenlebung in der Welt, wie mit den mehrsten großen Orchestern. Vollstimmige Sachen werden leidlich gut vorgetragen; die einzelnen Fehler laufen mit durch, ohne das Ganze widrig zu machen und die Haupt-Harmonie zu stöhren. Als Ripien-Spieler in diesem allgemeinen Concerte sind die mehrsten Menschen gut genug; auch trägt wohl hie und da einmal Einer eine obligate Passage angenehm und richtig vor – Allein lang darf diese nicht seyn und sehr in der Nähe darf man auch nicht zuhören. Der