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Wie, meine teure Elise, ich sehe Euch nachdenklich und sorgenvoll, nachdem Ihr eben die Großmut hattet, mich Eurer Treue zu versichern? Muß ich Euch – ach! – mitten in meiner Freude seufzen sehn? Ist's Euch leid, mich glücklich gemacht zu haben? Und bereut Ihr das Versprechen, zu dem meine Leidenschaft Euch überredet hat?
Nein, Valere, ich kann nichts bereuen, was ich für Euch getan habe; ich fühle mich durch eine zu sanfte Gewalt dazu hingezogen und kann nicht einmal wünschen, daß dies alles nicht geschehn wäre. Aber wenn ich Euch die Wahrheit gestehn soll, unser bisheriger Erfolg beunruhigt mich, und ich fürchte zuweilen, ich liebe Euch mehr, als ich sollte.
Ach, hunderterlei: den Zorn meines Vaters, die Vorwürfe der Familie, das Urteil der Welt: mehr aber als dies alles, Valere, die Wandelbarkeit Eures Herzens und die schnöde Kälte, mit der ihr Männer so oft die zu warmen Äußerungen einer unschuldigen Neigung vergeltet.
Um alles in der Welt, tut mir nicht das Unrecht an, mich nach andern zu beurteilen. Traut mir alles mögliche zu, teure Elise, nur nicht, daß ich meine Pflicht gegen Euch vergessen könnte. Dazu liebe ich Euch zu sehr, und meine Liebe wird nur mit meinem Leben erlöschen.
Ach, Valere, das sagt jeder. Alle Männer gleichen sich in ihren Reden, und nur ihre Taten unterscheiden sie.
Wenn wir denn nur an unsern Taten erkannt werden, so wartet wenigstens, bis Ihr mein Herz nach meinem Tun beurteilen könnt, und laßt Eure ungerechte Furcht, die nur auf einer melancholischen Voraussicht beruht, mir nicht Verbrechen andichten, die meiner Seele fern liegen. Erspart mir, ich bitte Euch, die tödlichen Dolchstiche eines kränkenden Verdachts und gönnt mir Zeit, Euch durch tausend und aber tausend Beweise von der Aufrichtigkeit meiner Liebe zu überzeugen.
Wie leicht läßt man sich überreden, wenn man liebt! Ja, Valere, ich halte Euch für unfähig, mich zu betrügen; ich glaube, daß Ihr mich wirklich liebt und mir treu bleiben werdet; ich will nicht länger zweifeln und meinen Kummer auf die Furcht vor dem Tadel beschränken, der mich treffen wird.
Nichts, Valere, wenn die ganze Welt Euch mit meinen Augen ansähe; und ich finde in Eurem Wesen die beste Berechtigung für mich, zu handeln, wie ich's tue. Meine Herzenswahl wird gerechtfertigt durch Euer Verdienst und stützt sich überdem auf eine Dankbarkeit, zu der der Himmel selbst mich gegen Euch verpflichtet hat. Jede Stunde denke ich an die entsetzliche Gefahr, in der wir uns zuerst einander begegneten; an die bewundernswürdige Großmut, mit der Ihr Euer Leben wagtet, um das meinige den tobenden Wellen zu entreißen; an die zärtliche Sorgfalt, die Ihr mir erwiest, nachdem Ihr mich aus den Fluten gerettet, und an die fortdauernd dargebrachte Huldigung Eurer Liebe, die weder Zeit noch Schwierigkeiten erschüttern konnten und die Euch dazu gebracht hat, Eltern und Heimat zu verlassen und hier zu verweilen. Seid Ihr doch, um mich sehn zu können, so weit gegangen, einen Dienst im Hause meines Vaters anzunehmen! Das alles mußte einen unwiderstehlichen Eindruck auf mich machen und ist in meinen Augen mehr als hinreichend, um das Versprechen zu rechtfertigen, das ich gestern eingegangen bin; aber es genügt vielleicht nicht für die übrige Welt, und ich bin nicht sicher, ob diese meine Gesinnungen billigen wird.
Von allem, was Ihr eben angeführt habt, ist es nur meine Liebe, durch die ich hoffe, etwas bei Euch zu
Ach, Valere, ich bitte Euch, verlaßt mich nicht und denkt nur darauf, Euch bei meinem Vater in Gunst zu erhalten.
Ihr seht ja, wie mir's bisher gelungen ist und durch welche geschickte Nachgiebigkeit ich es durchgesetzt habe, in seinen Dienst zu kommen; wie ich unter der Maske gleicher Neigungen und Gesinnungen es dahin gebracht habe, ihm zu gefallen, und welche Rolle ich täglich spiele, um mir seine Gewogenheit zu sichern. Ich habe auch schon die überraschendsten Fortschritte in seiner Gunst gemacht und überzeuge mich, daß es kein besseres Mittel gibt, sich bei den Menschen beliebt zu machen, als mit ihren eignen Ansichten vor ihnen schön zu tun, ihre Grundsätze zu verteidigen, ihren Fehlern zu huldigen und alles zu bewundern, was sie tun. Man braucht nicht zu fürchten, diese Geschmeidigkeit könnte ihnen übertrieben erscheinen; die Art, wie man sie zum besten hat, mag noch so augenscheinlich sein – selbst die Klügsten sind einem Schmeichler gegenüber die Allerverblendetsten, und es gibt nichts so Widersinniges und Abgeschmacktes, das sie nicht verschlucken, wenn man es mit Lob zu würzen versteht. Freilich kommt die Ehrlichkeit ein wenig zu kurz bei dem Handwerk, das ich jetzt treibe; aber wenn man die Leute braucht, so muß man sich schon nach ihnen richten; und da man sie nur auf diese Weise gewinnen kann, sind nicht die Schmeichler die Schuldigen, sondern sie selbst, die geschmeichelt sein wollen.
Warum bemüht Ihr Euch aber nicht auch um den
Das läßt sich nicht vereinigen; Vater und Sohn sind in ihrer Gesinnung so gründlich verschieden, daß es mir unmöglich scheint, sich mit beiden gut zu stehn. Ihr aber, teure Elise, tut das Eurige bei Eurem Bruder und benutzt seine Freundschaft für Euch, um ihn in unser Interesse zu ziehn. Er kommt, und ich entferne mich. Der Augenblick ist günstig; sprecht mit ihm und entdeckt ihm von unserm Verhältnis, soviel Euch ratsam scheint.
Es ist mir lieb, dich allein zu treffen, Schwester, denn ich konnte es nicht erwarten, mit dir zu sprechen, um dir ein Geheimnis mitzuteilen.
Ja, ich liebe. Ehe ich aber fortfahre – ich weiß, daß ich einen Vater habe, von dem ich abhänge, und daß der Name Sohn mich seinem Willen unterwirft; daß wir unser Herz nicht ohne die Einwilligung unsrer Eltern verschenken dürfen; daß der Himmel sie als Gebieter über unsre Wünsche eingesetzt hat und daß es unsre Pflicht ist, uns ihrer Führung zu überlassen; daß sie, von keiner törichten Leidenschaft beherrscht, in der Lage sind, sich weit weniger als wir selbst zu täuschen und viel besser zu beurteilen, was uns frommt; daß wir uns sicherer auf ihre Einsicht und ihr Urteil verlassen können, als auf unsre blinde Leidenschaft, und daß die stürmische Heftigkeit der Jugend uns nur zu oft in die gefährlichsten Abgründe stürzt. Das alles sage ich dir, meine gute Schwester, damit ich dir die Mühe erspare, es mir zu
Nein, aber ich bin dazu entschlossen, und ich beschwöre dich noch einmal, komme mir nicht mit Gründen, um mir's einzureden.
Nein, Schwester; aber du liebst nicht; du weißt nichts von der süßen Gewalt, die eine zärtliche Neigung über unser Herz hat, und ich fürchte dein besonnenes Urteil.
Ach, Bruder, sprechen wir nicht von einer Besonnenheit; es gibt niemand, den sie nicht einmal im Stich ließe, und wenn ich dir mein Herz eröffnen wollte, würde ich dir vielleicht, sehr viel unbesonnener vorkommen als du dir selbst.
Ein junges Mädchen, das erst seit kurzem in dieser Gegend wohnt und ganz dazu geschaffen scheint, jedem, der sie erblickt, Liebe einzuflößen. Nie hat die Natur etwas Reizenderes hervorgebracht, und ich war vom ersten Augenblick an bezaubert von ihrer Schönheit. Sie heißt Mariane und lebt unter der Obhut einer guten ehrlichen Mutter, die fast immer krank ist und für welche das liebe Mädchen die rührendste Sorgfalt an den Tag legt. Sie pflegt sie, tröstet sie und bemitleidet sie in einer Weise, die dein ganzes Herz gewinnen würde. Alles, was sie tut, ist anmutig, jeder Bewegung leiht sie einen neuen Reiz und zeigt eine so liebenswürdige Sanftmut, eine so unwiderstehliche Güte, eine so entzückende Sittsamkeit, ein ... Ach, Schwester, ich wünschte nur, du könntest sie sehn!
Ich sehe schon genug, Bruder, aus allem, was du mir von ihr sagst; und um ihren Wert zu erkennen, brauche ich nur zu wissen, daß du sie liebst.
Ich habe unterderhand erfahren, daß sie nicht
Ach, Schwester, er ist größer, als du ihn dir vorstellen kannst. Sag selbst, kann man sich etwas Grausameres denken als die harte Sparsamkeit, die man gegen uns ausübt, und die unerhörte Dürftigkeit, in der wir schmachten müssen? – Wozu hilft uns unser Vermögen, wenn es uns erst in einer Zeit zufällt, wo wir nicht mehr in den schönen Jahren sind, es genießen zu können? wenn ich jetzt, um nur zu bestehn, nach allen Seiten Schulden machen muß und so wie du gezwungen bin, täglich die Gefälligkeit der Kaufleute in Anspruch zu nehmen, um mir nur einigermaßen anständige Kleider zu verschaffen? – Ich habe dich bitten wollen, liebste Schwester, mir unsern Vater über meine Neigung ausforschen zu helfen; und wenn ich sehe, daß er taub für meine Wünsche bleibt, bin ich entschlossen, mir eine andre Heimat zu suchen und mit dem geliebten Mädchen mein Schicksal dem Himmel anheimzustellen. Ich bemühe mich deshalb, wo ich kann, Geld aufzunehmen, und wenn deine Lage, liebste Schwester, der meinigen gleichen sollte und unser Vater sich dir ebenso widersetzt wie mir, so laß uns ihm beide entfliehen und uns von der Tyrannei freimachen, in der sein unerträglicher Geiz uns schon so lange gefesselt hält.
Es ist wahr, daß er uns täglich mehr und mehr Ursache gibt, den Tod unsrer Mutter aufs neue zu beweinen.
Ich höre seine Stimme: laß uns in dein Zimmer gehn, um unsre Geständnisse weiter auszutauschen, und dann mit vereinten Kräften einen Angriff auf seinen harten Sinn versuchen.
Hinaus, sage ich! Mir aus den Augen, du Erztagedieb! den Augenblick aus meinem Hause, du Galgenstrick!
Habe ich je einen so boshaften alten Kerl gesehn! Ich glaube meiner Treu, er hat den Teufel im Leibe.
Als ob dir's zukäme, du Schlingel, mich noch nach Gründen zu fragen! Drum marsch fort, sonst werfe ich dich hinaus.
So geh und erwarte deinen jungen Herrn auf der Straße und stehe mir nicht so kerzengrade wie eine Schildwache da, um alles auszukundschaften, was vorgeht, und dir an allem deinen Profit zu machen. Ich will nicht ewig einen Aufpasser zur Seite haben, einen Spürhund, dessen verdammte Augen alles bewachen, was ich tue, alles verschlingen, was ich besitze, und in allen Ecken umherspähen, um zu sehn, ob's nichts zu mausen gibt.
Wie zum Teufel sollte man's denn wohl anfangen, um Euch zu bestehlen? – Seid Ihr ein bestehlbarer Mensch, Ihr, der alles einschließt und Tag und Nacht Wache steht?
Ich will verschließen, was mir beliebt, und Schildwache stehn, wie mir's gefällt. Du bist mir auch so ein Spion, der auf alles acht gibt. Leise für sich. Wenn er nur nichts von meinem Gelde gemerkt hat! Laut. Du wärst wahrhaftig imstande und sprengtest aus, ich hätte Geld bei mir versteckt?
Nein, du Spitzbube, das sage ich nicht. Leise. Er bringt mich noch außer mir! Laut. Ich frage, ob du nicht boshaft genug wärst, mir's nachzusagen?
Uns kann's am Ende ganz einerlei sein, ob Ihr welches habt oder ob Ihr keins habt; wir bekommen doch nichts davon zu sehn!
Du räsonierst noch? Ich will dir meine Antwort hinters Ohr schreiben. Und nun noch einmal, mach, daß du fortkommst!
Die großen Pluderhosen sind wahre Diebshöhlen, und ich wollte nur, man hängte einmal eine an den Galgen.
Na! wenn der nicht verdient, daß ihm geschähe, was er fürchtet, so weiß ich's nicht. Welch ein Vergnügen müßte es sein, den zu bestehlen!
Der Schlingel ist mir immer im Wege, und ich kann den nichtsnutzigen hinkenden Taugenichts nicht mehr ersehn. Es ist wahrhaftig keine kleine Sache, eine so große Summe in seinem Hause zu hüten, und der ist ein glücklicher Mann, der sein ganzes Vermögen sicher untergebracht und nur so viel behalten hat, als er zu seinen täglichen Ausgaben braucht! – Man hat wahrhaftig rechte Not, im ganzen Hause einen sichern Winkel zu finden. Von den eisernen Geldkisten will ich nichts wissen und traue ihnen nicht; denn die sind der wahre Köder für die Spitzbuben; an die machen sie sich immer zuerst.
Und doch weiß ich nicht, ob es klug war, daß ich die dreißigtausend Livres, die man mir gestern brachte, im Garten vergraben habe. Dreißigtausend Livres in blankem Golde sind wahrhaftig ein hübsches Kapital ... Er bemerkt Elise und Cleanthe; beiseite. O Himmel! – da werde ich mich selbst verraten haben! – Der Eifer hat mich hingerissen, und ich glaube, ich habe laut vor ihnen gesprochen! Zu Elise und Cleanthe. Was gibt's?
Ich sehe es euch an, ihr müßt etwas gehört haben. Ich überlegte mir, wie schwer es heutzutage ist, Geld aufzutreiben, und sagte, das wäre ein glücklicher Mann, der dreißigtausend Livres im Hause liegen hätte.
Ich wiederhole euch das mit Fleiß, damit ihr die Sache nicht falsch versteht und euch etwa einbildet, ich hätte selbst die dreißigtausend Livres.
Was, ich wäre vermögend genug? Daran ist kein wahres Wort, und wer so etwas unter die Leute bringt, ist ein Schelm.
Ja freilich! – Solche Rede und deine unsinnigen Ausgaben werden noch zur Folge haben, daß man allernächstens bei mir einbrechen und mir den Hals abschneiden wird, weil man denkt, ich schwimme in Gold.
Was für Ausgaben? Ist es denn nicht eine wahre Schande, sich in einem so kostbaren Anzuge in der
Daran tust du sehr unrecht. Wenn du Glück im Spiel hast, solltest du's benutzen und das gewonnene Geld auf gute Interessen anlegen; dann hättest du etwas, wenn du's brauchst. Ich möchte doch wissen, abgesehen von allem andern, wozu die Unmasse von Bändern nützt, mit denen du vom Kopf bis zu den Füßen gespickt bist, und ob ein halb Dutzend Nesteln nicht genug wäre, um deine Pluderhosen an das Wams zu heften. Es ist wahrhaftig wohl nötig, Geld für Perücken auszugeben, wenn man sein eigenes Haar tragen kann, das nichts kostet! Ich will wetten, in deiner Perücke und deinen Bändern stecken allerwenigstens zwanzig Pistolen, und zwanzig Pistolen bringen im Jahr achtzehn Livres acht Sous und acht Deniers, wenn man sie auch nur zum zwölften Pfennig ausleiht.
Aber jetzt von etwas anderm. Er bemerkt, daß Cleanthe und Elise sich Zeichen geben. He! Beiseite. Ich glaube, sie machen sich einander Zeichen, um mir meine Börse zu stehlen. Laut. Was bedeuten alle die Winke?
Wir verhandeln eben, mein Bruder und ich, wer zuerst mit Euch sprechen soll, denn wir haben Euch beide etwas zu sagen.
Nach der Art, wie Ihr wahrscheinlich die Sache auffaßt, kann eine Heirat uns beide wohl erschrecken, und wir sind in der Besorgnis, daß unsre Gefühle nicht mit Eurer Wahl übereinstimmen werden.
Nur ein wenig Geduld, und macht euch keine Unruhe. Ich weiß, was sich für euch beide schickt, und ihr sollt weder der eine noch die andere die mindeste Ursache haben, euch über meine Pläne zu beklagen. Um also die Sache vom einen Ende anzufangen, Zu Cleanthe. sage mir doch, hast du eine junge Person gesehen, die Mariane heißt und nicht weit von hier wohnt?
Es ist allerdings eine kleine Schwierigkeit dabei: ich fürchte, sie wird nicht so viel Vermögen haben, als man wohl verlangen könnte.
Ach, Vater, auf das Vermögen muß man nicht sehen, wenn sich's darum handelt, ein so vortreffliches Mädchen zu heiraten.
Erlaube, mein Sohn, erlaube! Indes, wenn sich denn auch nicht so viel Kapital vorfindet, als zu wünschen wäre, so läßt sich das immer auf andere Weise wieder einbringen.
Nun, es ist mir recht lieb zu sehen, daß du einer Meinung mit mir bist, denn ihr sittsames Wesen und ihre Sanftmut haben mich für sie eingenommen, und ich habe beschlossen, sie zur Frau zu nehmen, wenn sie nur irgend etwas Geld hat.
Da haben wir unsere Modeherrchen, unsere zarten, schmächtigen Stutzer, die nicht mehr Saft und Kraft in den Gliedern haben als ein junges Huhn. Das war also, meine Tochter, was ich für mich ausgesucht habe. Was deinen Bruder anlangt, so bestimme ich dem eine Witwe, von der man mir heut morgen gesprochen hat; und du, mein Kind, sollst den Herrn Anselme heiraten.
Ja; ein gesetzter, vorsichtiger und verständiger Mann, der nicht über fünfzig Jahre alt ist und, wie man mir rühmt, ein schönes Vermögen besitzt.
Und ich, Fräulein Naseweis, mein Schatz, ich bestehe darauf, mit deiner Erlaubnis, daß du dich verheiratest.
Ich bin des Herrn Anselme untertänigste Dienerin; aber Verneigt sich abermals. mit Eurer Erlaubnis, heiraten werde ich ihn nicht.
Du wirst dich nicht umbringen und wirst ihn heiraten. Aber sehe mir einer den Trotz! – Hat man je eine Tochter so mit ihrem Vater sprechen hören?
Hierher, Valere! Wir haben ausgemacht, meine Tochter und ich, daß du entscheiden sollst, wer von uns beiden recht hat.
Ich will sie heut abend mit einem wackern und reichen Manne verheiraten, und der Grasaffe sagt mir ins Gesicht, daraus könne nichts werden. Was sagst du dazu?
Ich sage, daß ich im Grunde Eurer Meinung bin, denn Ihr könnt nicht anders als recht haben; aber sie hat ihrerseits auch nicht völlig unrecht.
Was! Der Herr Anselme ist eine höchst vorteilhafte Partie; er ist ein Edelmann von wirklichem Adel, ein stiller, gesetzter, verständiger und sehr reicher Mann, dessen Kinder alle gestorben sind. Kann sie es denn besser verlangen?
Das ist wahr. Aber sie könnte Euch vielleicht einwenden, daß Ihr die Sache etwas übereilt und daß man wenigstens noch einige Zeit warten sollte, um zu sehen, ob ihre Neigung ...
Ei was! Solch eine Gelegenheit muß man beim Schopf fassen. Es wird mir hier ein Vorteil geboten, den ich anderswo nie wieder finden würde; er verpflichtet sich, sie ohne Mitgift zu nehmen.
Ah, dann sage ich nichts mehr. Ja, seht, das entscheidet ohne weiteres; da muß man die Segel streichen.
Natürlich. Dagegen ist nicht zu streiten. Freilich könnte Eure Tochter Euch vorstellen, daß die Heirat für sie eine hochwichtige Sache ist; daß sich's um das Glück oder Unglück ihres ganzen Lebens handelt; und daß eine Verbindung, die nur der Tod trennen kann, mit der größten Vorsicht geschlossen werden muß.
Ihr habt recht; damit ist alles gesagt, das versteht sich. Es gibt zwar Leute, die Euch bemerken könnten, daß in solchen Fällen die Zuneigung eines Mädchens berücksichtigt werden sollte, und daß eine so große Ungleichheit des Alters, des Naturells und Gefühls eine Ehe den verdrießlichsten Zufällen aussetzen kann ...
Freilich, darauf läßt sich nichts erwidern, das sehe ich wohl ein. Wer Teufel kann dagegen aufkommen? Es gibt allerdings Väter, denen die Zufriedenheit ihrer Töchter lieber ist als das Gold, das sie ihnen mitzugeben hätten; die nicht daran denken, sie ihrem Interesse zu opfern, und die vor allen Dingen danach streben, eine Ehe auf die schöne Harmonie zu gründen, die allein imstande ist, ihr Ehre, Ruhe und Glück zu sichern ...
Still, was war das? Ich glaube, der Hund hat gebellt. Gewiß sind Diebe bei meinem Gelde. Zu Valere. Geh nicht fort, ich bin gleich wieder da.
Das muß ich, um ihn nicht zu erbittern, und um desto eher zu meinem Ziele zu gelangen. Ihm geradezu widersprechen, wäre das Mittel, alles zu verderben; es gibt Charaktere, denen man nur durch Nachgiebigkeit beikommen kann – Temperamente, die keinen Widerspruch ertragen; störrische Naturen, die sich gegen die Wahrheit aufbäumen, vom geraden Wege der Vernunft nichts wissen wollen und sich nur durch Wendungen dahin führen lassen, wohin man sie haben will. Stellt Euch nur, als fügtet Ihr Euch in seinen Willen, so werdet Ihr Euren Zweck viel leichter erreichen.
Glaubt Ihr das im Ernst? Was verstehen denn die Ärzte davon! – Geht, geht; wegen deren könnt Ihr von Krankheiten nennen, was Euch einfällt; sie werden Euch gewiß Gründe finden, um Euch zu deduzieren, woher das Übel entstanden sei.
Und dann haben wir ja noch das letzte Mittel, das uns gegen alles schützt – die Flucht. Wenn Eure Liebe, meine teure Elise, Festigkeit Er sieht Harpagon. Ja, eine Tochter muß ihrem Vater gehorchen. Wie der ihr bestimmte Mann aussieht, das muß ihr einerlei sein; und wenn das große Argument »ohne Mitgift« ins Spiel kommt, muß sie sich jeden gefallen lassen, den man ihr vorschlägt.
Gnädiger Herr, Ihr müßt entschuldigen, daß ich so in Eifer kam und mir's herausnahm, so resolut mit ihr zu sprechen.
Ei, das macht mir ja die größte Freude, und ich räume dir die unbedingteste Gewalt über sie ein. Zu Elise. Ja, laufe nur davon; ich erteile ihm alle Gewalt, die mir der Himmel über dich verliehen hat, und verlange, daß du alles tust, was er dir sagen wird.
Ja, das Geld ist kostbarer als alles übrige in der Welt, und Ihr müßt dem Himmel dankbar dafür sein, daß er Euch einen so braven Vater gegeben hat. Der weiß, was zum Leben gehört. Wenn sich jemand erbietet, ein Mädchen ohne Mitgift nehmen zu wollen, da darf man weder rechts noch links sehen; in dem Wort liegt alles. Ohne Mitgift; das ersetzt Schönheit,
Der brave Junge! Spricht er nicht wahrhaftig wie ein Orakel! – Glücklich, wer einen solchen Diener gefunden hat!
Ja, gnädiger Herr, ich hatte mich auch hier eingefunden; aber Euer Vater, der ungnädigste aller Menschen, hat mich sehr wider meinen Willen aus dem Hause gejagt und mich beinahe geprügelt.
Wie steht's mit unserm Geschäft? Es ist die höchste Zeit, denn ich habe inzwischen die Entdeckung gemacht, daß mein Vater mein Nebenbuhler ist.
Der will sich noch mit Liebeshändeln abgeben? Was Teufel fällt ihm denn ein! – Ist er nicht gescheit! – Als ob die Liebe für seinesgleichen erfunden wäre!
Um weniger Verdacht bei ihm zu erregen, und um mir für den Notfall noch Mittel und Wege offen zu halten, wie ich diese Heirat verhindern könne. Was hat man dir geantwortet?
Meiner Treu, gnädiger Herr, wer borgen will, ist schlimm dran, und man muß sich wunderliche Zumutungen gefallen lassen, wenn man so wie Ihr in die Hände der Pfandwucherer geraten ist.
Bitte um Vergebung. Unser Meister Simon, der Mäkler, den man uns empfohlen hat, ist ein rühriger, eifriger Mann; er versichert, er habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, und schwört, schon allein Eure Physiognomie habe sein Herz gewonnen.
Ja; aber unter gewissen kleinen Bedingungen, die Ihr Euch gefallen lassen müßt, wenn Ihr wollt, daß die Sache zustande komme.
Ach, gnädiger Herr, so leicht geht das nicht. Der ist noch viel mehr darauf erpicht, seinen Namen geheim zu halten als Ihr, und es stecken viel größere Mysterien dahinter, als Ihr Euch vorstellen könnt. Wie er heißt, sollt Ihr schlechter dings nicht erfahren; er will heut mit Euch in einem eigens dazu gemieteten Zimmer zusammenkommen, um von Euch das Nähere über Euer Vermögen und Eure Familie zu erfragen. Ich zweifle aber nicht, daß die Sache sich machen wird, wenn Ihr ihm Euren Vater nennt.
Und besonders, wenn ich ihm sage, daß meine Mutter gestorben ist, deren Vermögen mir niemand nehmen kann.
Hier sind einige Artikel, die er unserm Mäkler selbst diktiert hat und die Euch mitgeteilt werden sollen, ehe er sich auf etwas einläßt.
»Vorausgesetzt, daß der Darleiher sich von der gehörigen Sicherheit überzeuge und der Borger mündig und aus einer Familie sei, deren Vermögen ansehnlich, solid, gesichert und dabei schulden- und prozeßfrei ist; soll eine rechtsgültige bündige Obligation von einem Notar aufgesetzt werden, der ein möglichst ehrlicher Mann sein muß und den der Darleiher, als welchem am meisten daran liegt, daß besagtes Dokument in gehöriger Form verfaßt sei, selbst aussuchen wird.«
Der Darleiher, der sein Gewissen nicht beschweren will, erklärt, sein Geld nur zum achtzehnten Pfennig ausleihen zu wollen.
Das ist wahr.
»Aber da besagter Darleiher die verlangte Summe nicht in Kassa hat und um dem Borger gefällig zu sein sich genötigt sieht, selbige von einem andern zu entnehmen und mit dem fünften Pfennig zu verzinsen; so wird der vorgedachte erste Borger sich dazu verstehen müssen, diesen Zins, ohne Präjudiz des andern, zu bezahlen; maßen besagter Darleiher nur ihm zu Gefallen diese Anleihe kontrahiert.«
Was Teufel! Der Kerl ist ja ein Jude, ein wahrer Türke! Das kommt ja auf mehr als den vierten Pfennig!
Nur noch ein kleiner Artikel.
»Von den verlangten fünfzehntausend Livres kann der Darleiher in barem Gelde nur zwölftausend zahlen und muß für die fehlenden dreitausend der Borger die nachstehend verzeichneten Mobilien, Schmucksachen, Kostbarkeiten und Geschmeide annehmen, die gedachter Verleiher auf Treu und Glauben zu den erdenklichst mäßigen Preisen notiert hat.«
Nun hört nur das Verzeichnis!
»Primo, eine Bettstelle mit vier Füßen und olivenfarbigen Gardinen, auf welche Streifen von ungarischen Kirchenspitzen sehr sauber aufgenäht sind, nebst sechs Stühlen und einer Paradedecke von nämlichen Stoff: alles wohl konditioniert und mit rot oder blau schillerndem Taft gefüttert;
Item, ein Betthimmel von gutem, trocknen rosenblätterfarbnen Serge d'Aumale, nebst Garnierung und Fransen von Seide.«
Wartet nur!
»Item, ein Gehänge von gewirkten Tapeten, auf welchen die Geschichte vom Gombaud und der schönen Macée vorgestellt ist;
Item, ein großer Tisch von Nußbaumholz, mit zwölf Füßen oder gedrehten Pfeilern, der an beiden Enden ausgezogen werden kann und unten mit sechs Fußbrettern versehen ist.«
Nur Geduld!
»Item, drei große Musketen, ganz mit Perlmutter eingelegt, nebst den dazu gehörigen Gabeln;
Item, ein Ofen von Ziegelsteinen nebst zwei Retorten und drei Rezipienten; sehr nützlich für solche, die Vergnügen daran finden, zu destillieren.«
Nur ganz still!
»Item, eine Bologneser Laute mit allen Saiten, bis auf wenig fehlende;
Item, ein Troumadamespiel und ein Damenbrett nebst einem Gänsespiel, wie es von den Griechen entlehnt ist; sehr gut, um die Zeit zu vertreiben, wenn man sonst nichts zu tun hat;
Item, eine Eidechsenhaut, viertehalb Fuß lang und mit Heu ausgestopft; sehr angenehme Kuriosität, um sie an der Decke eines Zimmers aufzuhängen.
Alles hier Benannte, unter Brüdern allerwenigstens auf viertausendfünfhundert Livres geschätzt, ist aus besonderer Billigkeit des Verleihers nur zu einem Taxationswert von dreitausend Livres angenommen.«
So wollte ich doch, daß die Pest den Schurken, den Blutsauger mitsamt seiner besondern Billigkeit holte! – Hat man wohl je von einem solchen Wucher gehört? und kann er nicht mit den haarsträubenden Zinsen zufrieden sein, die er ver langt – muß er mich noch zwingen, für dreitausend Livres altes Gerümpel anzunehmen? Nicht fünfhundert Livres bekomme ich dafür, und doch werde ich mich entschließen müssen, in alles zu willigen, was er verlangt; denn er hat es jetzt in der Hand, mich zu allem zu zwingen; der Bösewicht setzt mir das Messer an die Kehle, und ich muß mich fügen.
Nehmt mir's nicht übel, gnädiger Herr; aber Ihr seid genau auf derselben großen Heerstraße, auf der Panurge zu seinem Ruin gelangte. Ihr nehmt Geld voraus, kauft teuer, verkauft wohlfeil und verzehrt Euren Weizen auf dem Halm.
Was soll ich aber machen? – Dahin führt der verdammte Geiz der Väter die jungen Leute; und dann wundert man sich noch, wenn es Söhne gibt, die ihren Tod wünschen!
Soviel ist gewiß, die Knauserei des Eurigen könnte den ruhigsten Menschen von der Welt wild machen. Der Galgen, Gott sei's gedankt, hat keine sonderliche Attraktion für mich, und ich weiß auch unter meinen Kameraden, die sich mitunter allerlei Schmuggel erlauben, meinen Einsatz immer genau zur rechten Zeit zurückzuziehn, und nehme mich wohl in acht vor allen Kunststücken, die nach dem Strick schmecken. Aber das muß ich sagen, Euer Vater mit seinem Geiz könnte mir Lust machen, ihn zu bestehlen, und wenn's mir glückte, würde ich glauben, ein gutes Werk getan zu haben.
Ja, mein Herr, es ist ein junger Mensch, der Geld braucht; er steht bis an den Hals im Wasser und wird sich alles gefallen lassen, was Ihr ihm vorschreibt.
Seid Ihr aber auch sicher, Meister Simon, daß nichts zu wagen ist? – Und kennt Ihr den Namen, das Vermögen und die Familie des jungen Menschen?
Nein. Gründlichen Bescheid kann ich Euch über das alles noch nicht geben, denn ich bin nur ganz zufällig an ihn gekommen; aber er selbst wird Euch jede Auskunft erteilen, und sein Diener versichert mir, Ihr werdet vollkommen zufrieden sein, wenn Ihr seine Bekanntschaft gemacht habt. Alles, was ich Euch sagen kann ist, daß seine Familie sehr reich ist und daß er keine Mutter mehr hat. Auch kann er dafür einstehn, wenn
Das läßt sich hören. Die christliche Liebe, Meister Simon, befiehlt uns, unsern Nebenmenschen gefällig zu sein, wo wir können.
Ei, ei, Ihr seid ja sehr pressiert! Wer hat Euch denn schon gesagt, wo Ihr uns finden würdet? – Zu Harpagon. Glaubt wenigstens nicht, gnädiger Herr, daß ich ihm Euer Haus und Euren Namen verraten habe; aber, wie mir scheint, hat es nicht viel zu bedeuten; es sind verschwiegne Leute, und Ihr könnt Euch recht gut hier mit ihnen besprechen.
Das ist der junge Herr, der die fünfzehntausend Livres von Euch borgen will; derselbe, von dem ich Euch gesagt habe.
Schämst du dich nicht, sage mir, deine heillose
Und Ihr, errötet Ihr nicht, Euren Stand durch solche schmutzige Prellereien zu entehren; Euren Ruf und guten Namen der unersättlichen Begierde, Taler auf Taler zusammenzuscharren, zum Opfer zu bringen und die nichtswürdigsten Kniffe, die je von den berüchtigtsten Wucherern ersonnen sind, noch zu überbieten?
Wer handelt unwürdiger, sagt selbst, derjenige, der Geld kauft, weil er es nötig hat, oder der, der Geld stiehlt, das er nicht brauchen kann?
Geh, sage ich dir, und mache mir den Kopf nicht warm. Allein. Im Grunde ist mir die Geschichte gar nicht leid; sie soll mir eine Warnung sein, mehr als je auf alle seine Schritte achtzuhaben.
Wartet einen Augenblick; ich komme gleich hierher zurück. Beiseite. Ich muß nur schnell einmal nach meinem Golde sehn.
Das war ja ein lustiges Abenteuer! Er muß wohl irgendwo einen großen Trödelkram haben, denn auf unserer Liste kam nichts vor, das wir wieder erkannt hätten.
Was ich allenthalben suche und finde; Gelegenheit, den Leuten Dienst zu erweisen und, soviel ich kann, von meinen geringen Talenten Nutzen zu ziehn. Du weißt, unsereins muß in dieser Welt von seinem Verstande leben und hat keine andern Renten geerbt als ein wenig List und Anstelligkeit.
Auf eine Belohnung? von ihm? – Nun, mein Seel, wenn du dem etwas ablockst, mußt du früh aufstehn, und ich kann dich versichern, das Geld ist hier im Hause sehr rar.
Dein gehorsamster Knecht! Du kennst unsern Herrn Harpagon noch nicht. Herr Harpagon ist unter allen Menschen der mindest menschliche Mensch, unter allen Sterblichen der härteste und zäheste. Es gibt gar keinen Dienst, der seine Dankbarkeit soweit brächte, die Hand dafür aufzutun. Lob, Anerkennung, Wohlwollen in Worten, Freundschaftsversicherungen soviel du willst – aber Geld? – keine Rede! – Ich wüßte nichts so Trocknes und Dürres als seine Liebkosungen und Gunstbezeigungen, und vor dem Wort Geben hat er solchen Abscheu, daß er nie sagt: ich gebe Euch mein Wort, sondern ich verpfände Euch mein Wort.
Laß das gut sein; ich verstehe mich auf die Kunst, die Leute zu rupfen; ich weiß, wie man's anfängt, sich ihre Zuneigung zu erwerben, ihr Herz zu kitzeln und ihre schwachen Seiten zu finden.
Ja, schön! Versuch's einmal, unsern Mann in Geldsachen gemütlich zu machen. Da ist er ein Türke; aber von solcher Türkenhaftigkeit, daß er die ganze Welt zur Verzweiflung bringen könnte; er sähe einen sterben, und es würde ihn nicht rühren. Mit einem Wort, er liebt das Geld mehr als guten Namen, Ehre und Tugend; wenn ihn jemand anspricht und ihn um etwas bittet, bekommt er Krämpfe; das ist der Punkt, wo er sterblich ist, das
Weiß Gott, Ihr seid in Eurem Leben nie so jung gewesen; und ich kenne Leute von fünfundzwanzig Jahren, die älter sind als Ihr.
Nun, was sind denn sechzig Jahre? Das ist etwas Rechtes! Das ist ja die wahre Blüte des Alters, und Ihr tretet jetzt erst in die schönste Zeit des Lebens.
Ihr spaßt wohl? Das habt Ihr ja gar nicht nötig. Ihr seid ganz darauf angelegt, hundert Jahre alt zu werden.
Unbedingt; das geht aus allem hervor. Steht einmal ein wenig still: ach, was sehe ich da zwischen Euren Augen für ein gutes Zeichen eines langen Lebens!
Ich sage Euch, man wird Euch totschlagen müssen; und Ihr werdet Eure Kinder und Kindeskinder begraben.
Braucht's da noch einer Frage? und mische ich mich je in so etwas, ohne es durchzusetzen? – Ich habe für die Heiraten eine ganz besonders glückliche Hand. Es gibt keine Partie in der Welt, die ich mir nicht getraute, in kurzer Zeit zustande zu bringen; und ich glaube, wenn ich mir's in den Kopf gesetzt hätte, ich verheiratete den Großtürken mit der Republik Venedig. Und in unsrer Sache waren wahrhaftig auch keine großen Schwierigkeiten. Da ich bei ihnen ein und aus gehe, habe ich mit beiden ausführlich von Euch gesprochen und der Mutter von Euren Absichten auf Marianen erzählt, seit Ihr sie auf der Straße und am Fenster erblickt habt.
Sie war sehr erfreut über Euren Antrag; und als ich ihr mitteilte, Ihr wünschtet, daß das Fräulein heut abend zugegen sein möchte, wenn der Ehekontrakt Eurer Tochter unterschrieben wird, hat sie gleich eingewilligt und will sie mir anvertrauen.
Siehst du, Frosine, ich muß ohnehin Herrn Anselme auf heut abend einladen, und da wäre mir's ganz lieb, wenn sie sich dazu einfände.
Ihr habt ganz recht. Sie soll heut nach Tisch Eurer Tochter einen Besuch abstatten; von da wollte sie ein wenig auf den Jahrmarkt gehn und dann zum Abendessen wieder hier sein.
Aber Frosine, hast du auch mit der Mutter über die Mitgift gesprochen, die sie ihrer Tochter geben kann? – Hast du ihr begreiflich gemacht, sie müsse sich ein wenig zusammennehmen, müsse sich etwas anstrengen, müsse bei einer Gelegenheit wie diese sich einmal schröpfen? Denn man heiratet doch am Ende auch kein Mädchen, das nicht etwas mitbringt.
Jawohl. Fürs erste ist sie, was den Tisch betrifft, an die größte Einfachheit gewöhnt: sie lebt von Salat, von Milch, von Käse und Äpfeln, und bedarf deshalb weder einer reichbesetzten Tafel noch besonders kräftiger Suppen, verlangt auch weder ewig Gräupchenschleim noch alle sonstigen Delikatessen, die eine andre Frau fordern würde: und das alles beläuft sich nicht auf so wenig, daß es nicht am Ende des Jahrs seine dreitausend Livres austragen sollte. Überdem sieht sie nur auf Reinlichkeit und Einfachheit und fragt nichts nach prächtigen Kleidern, kostbaren Juwelen oder schönen Möbeln, auf die andre Weiber so erpicht sind; das ist wieder ein Artikel, den wir auf viertausend Livres im Jahre anschlagen können. Endlich hat sie einen unüberwindlichen Abscheu vor dem Spiel, der wahrhaftig unter den Frauen heutzutage selten ist; ich kenne eine in diesem Viertel, die im Trente- et-Quarante zwanzigtausend Franken im Jahre verloren hat. Wir wollen aber nur den vierten Teil rechnen. Fünftausend Franken im Jahr Spielverlust, viertausend für Kleider und Juwelen, das macht neuntausend Livres; und dreitausend Taler, auf die ich die Verzehrung anschlage – haben wir da nicht Eure jährlichen zwölftausend Franken richtig gerechnet?
Verzeiht mir! – Ist denn das nicht etwas Positives, wenn Euch ein Mädchen als Mitgift eine große Mäßigkeit, als Erbschaft eine große Vorliebe für Einfachheit und als Zugabe einen tödlichen Widerwillen gegen das Spiel mitbringt?
Es ist aber doch nur ein Scherz, ihre Mitgift aus allen den Ausgaben konstituieren zu wollen, die sie nicht macht. Ich werde doch keine Quittung ausstellen über etwas, das ich nicht empfangen habe, und muß durchaus auf etwas Barschaft bestehn.
Mein Gott ja, die wird sich auch finden; sie haben mir von einem Lande gesagt – ich weiß nicht welchem
Das muß ich erst untersuchen. Aber Frosine, dann ist noch ein Umstand, der mich beunruhigt. Das Mädchen, siehst du, ist jung, die Jugend aber liebt in der Regel nur ihresgleichen und will keinen andern Umgang. Nun fürchte ich, ein Mann in meinen Jahren wird ihr nicht gefallen, und das könnte zu gewissen kleinen Unzuträglichkeiten führen, die mir nicht anstehn würden.
Ach, wie schlecht kennt Ihr sie! Das ist noch eine Eigenheit an ihr, die ich Euch nicht genannt habe. Sie hat einen erschrecklichen Abscheu vor allen jungen Leuten, und liebt nur die Alten.
Ja, sie. Ich wünschte, Ihr hättet sie darüber reden hören. Sie kann den Anblick eines jungen Mannes nicht ausstehn; aber nichts gefällt ihr besser, sagt sie, als ein schöner Greis mit einem majestätischen Bart. Je älter einer ist, je lieber hat sie ihn; und ich rate Euch, gebt Euch ja nicht für jünger aus, als Ihr seid. Sie verlangt zum mindesten einen Sechziger; und es ist noch kein Vierteljahr her, als sie drauf und dran war, sich zu verheiraten, und alles kurz abbrach, weil ihr Verlobter fallen ließ, er sei erst sechsundfünfzig Jahr, und weil er den Kontrakt ohne Brille unterschreiben wollte.
Ja. Sechsundfünfzig Jahr, sagt sie, wären ihr zu wenig; und ganz besonders sind ihr die Nasen zuwider, die keine Brille tragen.
Das geht noch viel weiter, als man's glauben sollte. Sie hat in ihrem Zimmer ein Gemälde und einige Kupferstiche hängen; aber was denkt Ihr wohl, was sie sich ausgesucht hat? Etwa einen Adonis, einen Cephalus, einen Paris, einen Apoll? – Gott bewahre! Nein, lauter schöne Abbildungen vom Saturn, vom König Priamus, vom alten Nestor und vom ehrwürdigen Vater Anchises, wie Äneas ihn auf den Schultern trägt.
Das ist ja unvergleichlich; das hätte ich kaum
Das geht mir ebenso. Schöne Apothekerware, wahrhaftig, solches junges Volk, für unsern Gaumen! – Solche glatte Milchgesichter, solche eben aufgeschossene Gelbschnäbel sollten mir auch den Mund wäßrig machen? Ich möchte doch wissen, wie man darauf Appetit haben kann?
Ich muß sagen, ich kann's auch nicht begreifen, und ich verstehe nicht, wie es Frauen gibt, die sie gern haben.
Erzverrückt müssen sie sein. Wie kann man nur die Jugend liebenswürdig finden? Heißt das seinen gesunden Menschenverstand haben? – Sind denn diese jungen blondköpfigen Burschen richtige Männer, und kann man sich in solche Geschöpfchen vergaffen?
Das sage ich ja alle Tage! Mit ihrem doppelten Stimmregister, ihren drei Härchen auf der Oberlippe, die sie wie einen Katzenbart in die Höhe drehen, ihren Flachsperücken, ihren ellenweiten Pluderhosen und ihren aufgeknöpften Wämsern ...
Wie sich das alles ausnimmt, wenn man solch eine Figur wie Eure damit vergleicht! Das nenn' ich mir ein Mannsbild; daran haben die Augen doch etwas zu sehn; ja, so muß man gebaut sein und sich anziehn, um einem Mädchen zu gefallen.
Was sagt Ihr? – Herzgewinnend; Euer Gesicht ist zum Malen. Dreht Euch doch einmal um, seid so gut! – Vortrefflich. Jetzt laßt mich Euch gehn sehn. Das nenne ich mir einen Wuchs, einen freien, ungezwungnen feinen Anstand, und eine Haltung, die am besten beweist, daß Ihr von keiner körperlichen Beschwerde etwas wißt.
Davon bin ich auch, Gott sei Dank, so ziemlich frei. Da ist nur mein Brustkatarrh, der mich mitunter heimsucht.
Ach, das ist nichts. Euer Brustkatarrh kleidet Euch gar nicht übel; im Gegenteil! Ihr habt einen angenehmen Husten.
Sag mir doch: hat mich Mariane noch nie gesehn? – Hat sie nicht vielleicht im Vorbeigehn auf mich geachtet?
Nein; aber wir haben schon viel von Euch gesprochen. Ich habe ihr eine Schilderung von Eurer Person entworfen und nicht verfehlt, Euer Verdienst herauszustreichen und ihr auseinanderzusetzen, welches Glück es für sie sein würde, einen Mann wie Euch zu bekommen.
Ich hätte Euch eine kleine Bitte vorzutragen, mein gnädigster Herr. Ich habe einen Prozeß, den ich auf dem Punkt stehe zu verlieren, weil mir eine geringe Summe fehlt; Harpagon wird ernsthaft. und Ihr könntet mir mit Leichtigkeit dazu verhelfen, ihn zu gewinnen, wenn Ihr so gütig wärt, mir ein wenig beizustehn. – Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie erfreut sie sein wird, Euch zu sehn. Harpagons Gesicht erheitert sich. Ach, wie gut werdet Ihr dem lieben Mädchen gefallen; und welchen Eindruck wird Eure ehrwürdige Krause aus der alten guten Zeit auf sie machen! – Aber vor allem wird es ein rechtes Fest für sie sein zu sehn, daß Ihr Euer Beinkleid noch mit Nesteln an das Wams festmacht. Das wird ihr ganz den Kopf verdrehen; ich sage Euch, ein Liebhaber mit Nesteln wird ihr ein Festessen sein.
In der Tat, gnädiger Herr, der Prozeß ist für mich von der größten Wichtigkeit. Harpagon wird wieder ernsthaft. Ich bin ruiniert, wenn ich ihn verliere, und eine noch so kleine Unterstützung könnte alles wieder ins Gleis bringen ... Ich wollte nur, Ihr hättet ihre entzückten Mienen gesehn, als ich ihr von Euch erzählte. Harpagon wird wieder vergnügt. Die Freude glänzte in ihren Augen, als ich von Euren schönen Eigenschaften sprach; und ich habe sie endlich so weit gebracht, daß sie mit wahrer Sehnsucht den Augenblick erwartet, wo Ihr um sie anhalten werdet.
Laßt mich Euch also nochmals bitten, mir die kleine Hilfe zu gewähren, um die ich Euch angesprochen habe. Harpagons Gesicht verfinstert sich wieder. Das wird
Gewiß würde ich Euch nicht zur Last fallen, wenn ich mich nicht durch die äußerste Not dazu gezwungen sähe –
Daß dich das Fieber schüttle, du Hund von einem Geizhals, und der Teufel dich hole! – Der alte Knauser blieb fest bei allen meinen Angriffen; aber ich gebe den Handel drum nicht auf. Im schlimmsten Fall gehe ich ins andre Lager; da kann ich auf eine gute Belohnung rechnen.
Seid ihr alle da? – so kommt her, damit ich euch für hernach meine Befehle austeile und jeder weiß, was er zu tun hat. Näher, Frau Claude, denn mit Euch will ich anfangen. So, da habt Ihr schon Euer Gewehr im Arm. Ihr wischt mir alles recht rein und nehmt Euch vor allen Dingen in acht, die Möbel nicht zu scharf abzureiben, damit Ihr sie nicht abnutzt. Außerdem installiere ich Euch während des Abendessens als Aufseherin über die
Euch, Brind'avoine, und Euch, Merluche, euch übertrage ich das Amt, die Gläser zu schwenken und bei Tisch einzuschenken: aber nur, wenn einer Durst hat, und nicht, wie so oft die impertinenten Schlingel von Lakaien es machen, die die Gäste ordentlich zum Trinken auffordern und sie drauf bringen, wenn sie gar nicht daran dachten. Wartet immer, bis ihr zweimal gerufen seid, und vergeßt nicht, gehörig Wasser dazu zu gießen.
Ja, aber nicht eher, als bis ihr die Leute kommen seht, und dann nehmt euch in acht, daß ihr eure Kleider nicht verderbt.
BRIND'AVOINE. Ihr wißt doch, gnädiger Herr, daß mein Wams auf der einen Vorderseite einen großen Ölfleck hat?
Still! Stellt Euch nur, soviel Ihr könnt, recht nahe an die Wand und zeigt Eure Vorderseite. Und Ihr Zu Brind'avoine. haltet Euren Hut nur immer so, wenn Ihr aufwartet. Er macht es ihm vor.
Du, meine Tochter, wirst ein wachsames Auge auf alles haben, was man abträgt, und aufpassen, daß nichts verschleppt wird; das steht einem Mädchen gut
Und dir, mein Herr Fant, dem ich seine letzte Geschichte aus besondrer Güte verzeihen will, dir rate ich, daß du dir's nicht etwa einfallen lässest, sie schief anzusehn?
Ei, mein Gott, wir wissen ja, welchen Lärm die Kinder machen, deren Väter sich zum zweitenmal verheiraten, und mit was für Augen sie ihre sogenannte Stiefmutter anzusehn pflegen. Wenn dir aber darum zu tun ist, daß ich den Skandal von vorhin vergesse, so empfehle ich dir ganz besonders, daß du der jungen Dame artig entgegenkommst und sie so freundlich empfängst, als dir's möglich ist.
Aufrichtig gesagt, Vater, ich kann Euch nicht versprechen, daß mir's große Freude macht, wenn sie meine Stiefmutter wird: ich würde lügen, wenn ich Euch das sagte. Aber was das freundliche Entgegenkommen und den artigen Empfang betrifft, so gelobe ich Euch in diesem Punkte strikten Gehorsam.
Dich brauche ich auch, Valere. Jetzt also, Meister Jacques, kommt näher; Euch habe ich bis zuletzt gelassen.
Wollt Ihr mit Eurem Kutscher sprechen, gnädiger
Was Teufel! Immer Geld! Es scheint, als hättet Ihr nie etwas anderes zu sagen als Geld, Geld, Geld! – Sie haben immer alle das eine Wort auf der Zunge: Geld! – sprechen nie von etwas anderem als von Geld! – Damit stehen sie auf und gehen damit zu Bett: immer und ewig nur Geld!
Ich habe nie eine so alberne Antwort gehört, Meister Jacques. Als ob das eine Kunst wäre, eine gute Mahlzeit mit vielem Gelde herzurichten: das ist das Leichteste von der Welt, und kein Koch ist so einfältig, daß er das nicht verstände. Wer sich aber als geschickten Künstler zeigen will, der liefert etwas Gutes für wenig Geld.
Meiner Treu, Herr Haushofmeister, Ihr tätet mir einen Gefallen, wenn Ihr mich das Kunststück lehrtet und mein Amt als Koch übernähmt. Ihr wollt ja ohnehin das Faktotum hier im Hause vorstellen!
Wir werden unser acht oder zehn sein; rechnen
Wollt Ihr's denn darauf anlegen, daß sich alle Gäste zu Tode essen sollen? Hat denn der gnädige Herr seine Freunde eingeladen, um sie durch eine solche Abfütterung umzubringen? Werft nur einmal einen Blick in die Regeln für die Erhaltung der Gesundheit, und fragt jeden Arzt, ob es etwas für den Menschen Schädlicheres gibt, als übermäßig viel zu essen!
Begreift doch, Meister Jacques, Ihr und Euresgleichen, daß eine so überfüllte Tafel zu einer wahren Mördergrube wird; daß, wenn man sich als aufrichtigen Freund seiner Gäste beweisen will, bei den Mahlzeiten die größte Mäßigkeit herrschen muß; und daß man nach dem Ausspruch eines alten Weltweisen ißt, um zu leben, und nicht lebt, um zu essen.
Ei wie schön war das ausgedrückt! – Komm her, Valere, für den Spruch muß ich dich umarmen. Das ist die geistreichste Sentenz, die ich in meinem Leben gehört habe: man muß leben, um zu essen, und nicht essen, um zu le ... Nein, so war's nicht. Wie hast du doch gesagt?
Schreib mir den Satz auf. Vergiß es nicht.
Das soll geschehen. Und was Eure Abendtafel betrifft, so überlaßt mir nur alles; ich werde es Euch besorgen, wie sich's gehört.
Wir müssen Gerichte nehmen, von denen man wenig ißt, und die gleich satt machen; so etwa eine gute Schüssel recht fette weiße Bohnen und dazu eine Topfpastete mit recht viel Kastanien darin.
Die Pferde, gnädiger Herr? – Lieber Gott, die sind gar nicht imstande, sich von der Stelle zu rühren. Ich werde Euch nicht sagen, daß sie aus Hunger ihre Streu fressen, denn die armen Tiere haben keine, und ich spräche nicht die Wahrheit; aber Ihr laßt sie so strenge Fasten halten, daß sie keine Pferde mehr sind; nein, nur noch Gedanken oder Gespenster, rechte Schatten von Pferden.
Und weil sie nichts tun, gnädiger Herr, sollen sie wohl auch nichts fressen? Es wäre viel besser für die armen guten Tiere, wenn sie viel arbeiten müßten, und hätten dafür auch viel zu fressen. Es geht mir allemal durchs Herz, wenn ich sie so klapperdürr sehe, denn ich habe meine Pferde so lieb, daß mir's immer zumute ist, als müßte ich selbst mit hungern, wenn sie so heruntergekommen dastehen. Ich knappe mir's täglich für sie am Munde ab und muß Euch sagen, gnädiger Herr, so gar kein Mitleid mit seinem Nächsten zu haben, das ist allzu grausam.
Nein, ich traue mir's nicht zu und würde mir ein Gewissen daraus machen, sie zu peitschen, so elend, wie sie sind. Wie sollten sie wohl eine Kutsche schleppen? Sie können sich ja selbst kaum schleppen.
Gnädiger Herr, ich werde den Nachbar Picard bitten, daß er fährt: er muß uns ohnehin in der Küche helfen.
Da habe ich nichts dagegen; ich will noch lieber, daß sie einem andern unter den Händen krepieren als mir.
Gnädiger Herr, ich kann die Schmeichler nicht leiden; und ich sehe, daß der einer ist. Alles, was er tut, sein ewiges Aufpassen auf Brot und Wein, auf Salz und Lichter, ist nur, um Euch zu kitzeln und den Hof zu machen. Das ärgert mich, und ich möchte aus der Haut fahren, wenn ich alle Tage hören muß, wie die Leute über Euch reden: denn ich mag wollen oder nicht, so halte ich immer noch etwas auf Euch, und nach meinen Pferden seid Ihr mir die liebste Person, die ich habe.
Nicht im mindesten! Im Gegenteil, es geschähe mir ein Gefallen, und sollte mir ganz lieb sein, einmal zu hören, wie man von mir spricht.
Gnädiger Herr, wenn Ihr's denn nicht anders wollt, so will ich Euch frei heraussagen, daß man sich allenthalben über Euch aufhält. Von allen Seiten bekommen wir Sticheleien über Euren Geiz zu hören, und die Leute finden ihr Hauptvergnügen daran, Euch durchzuhecheln,
Da haben wir's! Hatte ich nun nicht ganz recht? Ihr habt mir nicht glauben wollen. Ich wußte wohl, Ihr würdet zornig werden, wenn ich die Wahrheit sagte.
Sapperment, Ihr neugebackener Herr Haushofmeister, der sich hier so breit macht, was geht Euch das an? Ihr mögt lachen, wenn Ihr selbst einmal Schläge bekommt; um meine braucht Ihr Euch nicht zu kümmern.
Er gibt klein bei; nun will ich ihm die Zähne weisen, wenn er so dumm ist, sich vor mir zu fürchten, klopfe ich ihm die Jacke aus. Laut. Wißt Ihr auch, wie Ihr dasteht und lacht, daß es mir gar nicht lächerlich ist und daß, wenn Ihr mir den Kopf warm macht, ich Euch ganz anders lachen lehren will? Er droht Valere und drängt ihn in den Hintergrund der Bühne.
Ich bin nicht Euer lieber Meister Jacques, und wenn ich einen Stock finde, so werde ich Euch wamsen, daß es eine Art haben soll.
Euer Spaß gefällt mir aber nicht Er gibt ihm Stockschläge. ich will Euch zeigen, daß Ihr ein schlechter Spaßmacher seid!
Hole der Henker die Aufrichtigkeit! – Es ist ein schlechtes Handwerk; von nun an befasse ich mich nicht mehr mit ihr und will mich wohl hüten, wieder die Wahrheit zu sagen. Von meinem gnädigen Herrn mag's noch hingehen, der hat so quasi das Recht, mich zu prügeln; aber dem Herrn Haushofmeister werde ich's gedenken, wenn ich kann.
Ach, Frosine, wie seltsam ist mir zumut! Und aufrichtig gestanden, wie fürchte ich mich vor dieser Zusammenkunft!
Ach, könnt Ihr noch fragen? Wer wäre denn nicht außer sich, wenn er im nächsten Augenblick zum Richtblock geführt werden soll?
Ich begreife freilich, daß Ihr, um auf eine angenehme Weise zu sterben, lieber einen andern Block umarmen möchtet als Herrn Harpagon, und ich lese in Euren Mienen, daß der junge Blondkopf, von dem Ihr mir erzähltet, Euch wieder ein wenig in den Sinn kommt.
Ja, Frosine, ich will's nicht leugnen und gestehe dir gern, daß seine ehrerbietigen Besuche bei uns nicht ohne Eindruck auf mich geblieben sind.
Nein; wer er ist, weiß ich nicht. Aber ich weiß, daß ich ihn höchst liebenswürdig finde; daß, wenn alles von meiner Wahl abhinge, ich ihn jedem andern vorziehen würde, und daß er nicht wenig dazu beiträgt, mir die für mich bestimmte Heirat zu verleiden.
Liebe Zeit! Alle die jungen blonden Köpfe sind liebenswürdig und verstehen es, sich einzuschmeicheln; aber die meisten sind arm wie die Kirchenmäuse: Ihr steht Euch sehr viel besser, wenn Ihr einen alten Herrn nehmt, der Euch recht viel hinterläßt. Ich gebe zu, daß das ein großer Entschluß ist, und daß man mit einem
Mein Gott, Frosine, es ist aber doch eine betrübte Sache, wenn man, um glücklich zu werden, den Tod eines andern herbeiwünschen oder erwarten muß; und überdem richtet der Tod sich selten nach unsern Plänen.
Ihr scherzt wohl! – Ihr heiratet ihn unter keiner andern Bedingung, als daß er Euch bald zur Witwe mache; das muß einer der Artikel im Kontrakt sein. Es wäre ja wahrhaftig sehr rücksichtslos, wenn er nicht in drei Monaten sterben wollte! Da kommt er in eigner Person.
Zürnt mir nicht, meine Schöne, wenn ich mit der Brille vor Euch erscheine. Ich weiß, daß Eure Reize genugsam in die Augen fallen und ohnedies sichtbar genug sind, um sie auch ohne Gläser zu erkennen: aber man beobachtet ja auch mit Gläsern die Gestirne, und ich behaupte und verbürge mich dafür, daß Ihr ein Stern seid – aber ein Stern erster Größe, der schönste Stern im ganzen Sternenreich. – Frosine, sie antwortet keine Silbe und verrät, wie mir scheint, gar keine Freude, mich zu sehen?
Sie ist noch zu überrascht; und dann wißt Ihr ja, die Mädchen schämen sich immer, ihre Gefühle gleich zu verraten.
Du hast recht. Zu Mariane. Hier, mein schöner Engel, kommt meine Tochter, die Euch willkommen heißen will.
Ich sehe, Ihr wundert Euch, daß ich so große Kinder habe; aber ich werde sie mir bald alle beide vom Halse schaffen.
Wenn ich Euch die Wahrheit sagen soll, mein Fräulein, so war ich auf dieses Zusammentreffen freilich nicht gefaßt; und mein Vater hat mich nicht wenig überrascht, als er mir eben seinen Entschluß mitteilte.
Ich kann Euch dasselbe versichern. Diese unvermutete Begegnung überrascht mich ebensosehr als Euch, und ich war auf ein solches Wiedersehn nicht vorbereitet.
Gewiß konnte mein Vater nicht besser wählen, mein Fräulein, und die Ehre, Euch hier zu sehen, gewährt mir das größte Vergnügen; aber mit alledem könnte ich Euch doch nicht versprechen, daß ich mich darüber freuen würde, wenn Ihr meine Stiefmutter werden solltet. Es wird mir zu schwer, das gestehe ich, Euch als solche zu begrüßen, und es ist ein Name, den ich – mit Eurer Erlaubnis
Und ich habe Euch darauf zu erwidern, daß es mir ebenso geht; und daß, so wie Ihr es ungern seht, wenn ich Eure Stiefmutter würde, mir's ebenso zuwider sein würde, Euch zum Stiefsohn zu haben. Glaubt ja nicht, daß es an mir lag, Euch diesen Verdruß zu machen. Es sollte mir leid sein, Euch unzufrieden zu sehen; und wenn mich nicht eine unabweisliche Notwendigkeit dazu zwingt, gebe ich Euch mein Wort, nie in eine Heirat zu willigen, die Euch unangenehm ist.
Das war recht; auf ein solches Kompliment gehört sich eine solche Antwort. Ich bitte Euch um Verzeihung, meine Schöne, wegen seiner ungehörigen Art sich auszudrücken; er ist ein junger Laffe, der das Gewicht der Worte noch nicht kennt.
Ich kann Euch versichern, daß mir das, was er gesagt hat, gar nicht beleidigend vorkam; im Gegenteil, es machte mir Vergnügen, ihn seine wahrhaften Gesinnungen aussprechen zu hören. Sein Geständnis war mir ganz lieb, und ich würde sehr viel weniger von ihm halten, wenn er anders gesprochen hätte.
Ihr seid allzu gütig, seinen Verstoß noch entschuldigen zu wollen. Mit der Zeit wird er schon klüger werden, und Ihr werdet sehen, daß er bald ganz anders darüber denken wird.
Nein, Vater, das wäre mir nie möglich, und ich bitte das Fräulein inständigst, davon überzeugt zu sein.
Nun, wenn Euch dieser Ton nicht ge fällt, so werde ich einen andern versuchen. Erlaubt, mein Fräulein, daß ich meines Vaters Stelle vertrete und Euch gestehe, daß ich nie ein so reizendes Wesen in der Welt gesehen habe als Euch; daß ich mir nichts Entzückenderes vorstellen kann, als das Glück, Euch zu gefallen; und daß der Titel, Euer Gatte zu sein, einen Ruhm, eine Seligkeit in sich schließt, die ich dem Glanz der größten Fürsten dieser Erde vorziehen würde. Ja, mein Fräulein, das Glück, Euch zu besitzen, ist in meinen Augen das schönste Los, das einem Sterblichen werden kann: darauf beschränkt sich mein ganzer Ehrgeiz. Es gibt nichts, dessen ich nicht fähig wäre, um einen so kostbaren Schatz zu erobern und die mächtigsten Hindernisse ...
Nein, ich schlage vor, daß wir gleich auf den Markt fahren, um desto eher wieder hier zu sein; wir haben hernach noch alle Zeit, uns zu unterhalten.
Ich bitte Euch, mich zu entschuldigen, meine Schöne, daß ich nicht daran gedacht habe, Euch vorher eine kleine Kollation anzubieten.
Dafür habe ich gesorgt, Vater. Ich habe einige Schalen mit Apfelsinen, süßen Zitronen und Konfekt bestellt, die ich in Eurem Namen habe holen lassen.
Habt Ihr jemals, mein Fräulein, einen Diamant schöner funkeln sehen als diesen hier, den mein Vater am Finger trägt?
Vater, es ist nicht meine Schuld. Ich dringe in sie, soviel ich kann, daß sie den Ring behalte: aber sie ist unerbittlich.
Ihr werdet ihn noch krank machen: ich bitte Euch um alles, mein Fräulein, weigert Euch doch nicht länger!
Um Euch nicht zu erzürnen, behalte ich ihn jetzt und werde ihn Euch zu gelegener Zeit wieder zurückgeben.
BRIND'AVOINE. Gnädiger Herr, es ist jemand da, der Euch sprechen will.
Der Schurke war gewiß von meinen Schuldnern bestochen worden, damit er mir das Genick brechen sollte!
Gnädiger Herr, ich bitte um Verzeihung, ich dachte es recht gut zu machen, wenn ich so schnell liefe.
Bis sie beschlagen werden, will ich statt Eurer den Wirt machen, Vater, und das Fräulein in den Garten führen, wo man die Erfrischungen auftragen soll.
Valere, habe ein Auge auf das alles, ich bitte dich – und rette mir, soviel du kannst; ich will es dem Kaufmann wiederschicken.
Wir sind hier viel sicherer; kommt nur alle hier herein. Hier stört uns niemand, und wir können frei sprechen.
Ja, liebes Fräulein, mein Bruder hat mir vertraut, daß er Euch liebt. Ich weiß, was es sagen will, seine liebsten Wünsche so gekreuzt zu sehn, und bitte Euch, überzeugt
Es ist mir ein süßer Trost zu wissen, daß ein Wesen wie Ihr sich meiner annimmt; und ich beschwöre Euch, mein Fräulein, mir stets Eure großmütige Freundschaft zu erhalten, die mein Mißgeschick so sehr zu lindern vermag.
Es war, meiner Treu, ein wahres Unglück für euch, daß ihr mich nicht schon früher in euer Geheimnis gezogen habt. Ich hätte alle die Widerwärtigkeiten abgewendet und die Sache nicht soweit kommen lassen.
Ach, steht es denn in meiner Macht, einen Entschluß zu fassen? – In meiner Abhängigkeit kann ich ja nichts anderes tun als wünschen!
Wie! Ich habe keinen andern Beistand in Eurem Herzen als bloße Wünsche? Kein tatkräftiges Mitleid? Keine hilfreiche Güte? Keine zum Handeln entschlossene Hingebung?
Was kann ich Euch erwidern? Setzt Euch nur in meine Lage und sagt mir, was ich tun kann. Ratet mir; bestimmt alles! ich will mich ganz auf Euch verlassen und halte Euch für zu verständig, um etwas anderes von mir zu verlangen, als was Ehre und Anstand mir erlauben.
Ach, was bleibt mir übrig, wenn Ihr mich nur auf das verweist, was die leidigen Vorurteile einer strengen Ehre und einer peinlichen Konvenienz mir gestatten?
Aber wie kann ich anders? Wenn ich auch die vielen Rücksichten beiseite setzen wollte, zu denen unser Geschlecht verpflichtet ist, so bindet mich doch die zärtliche Verehrung, welche ich für meine Mutter fühle. Sie hat mich seit meiner Kindheit mit der liebevollsten Sorgfalt erzogen, und ich kann mich nicht entschließen, ihr Kummer zu bereiten. Handelt selbst; gebt Euch alle Mühe, sie für Euch zu gewinnen. Tut und sagt, was Ihr wollt, ich gebe Euch die Vollmacht; und wenn es nur darauf ankommt, daß ich mich zu Euren Gunsten ausspreche, will
Ei, Kinder, was braucht ihr da noch erst zu fragen? Von Herzen gern – wenn ich nur könnte! Ihr alle wißt, ich bin von Natur eine mitleidige Seele. Der Himmel hat mir kein eisernes Herz geschaffen, und es ist mir ja immer ein Hauptvergnügen, den Leuten meine kleinen Dienste zu leisten, wenn ich sehe, daß sie sich einander in allen Ehren gut sind. Was wäre denn dabei zu tun?
Das ist nicht so leicht! Zu Mariane. Wenn es nur auf Eure Mutter ankäme – die ließe schon mit sich reden, und man könnte sie vielleicht dahin bringen, das Geschenk, das sie dem Vater zugedacht hat, auf den Sohn zu übertragen. Zu Cleanthe. Die Hauptschwierigkeit bleibt, daß Euer Vater Euer Vater ist.
Ich meine, er wird es nie verzeihen, wenn man ihm einen Korb gibt, und wird nachher wenig Lust haben, in Eure Heirat zu willigen. Man müßte es daher so abkarten, daß er selbst sein Wort zurücknähme, und ihm auf irgendeine Weise einen Widerwillen gegen das Fräulein beibringen.
Freilich habe ich recht, das weiß ich wohl; so müßte man's angreifen; aber wie zum Henker soll man die Mittel finden? – Still! – Wenn wir eine nicht mehr ganz junge Frau auftreiben könnten, die ein Talent hätte wie ich und die gut genug Komödie spielte, um eine Dame von Stand vorzustellen? Wir könnten sie schon in aller Eile gehörig herausstaffieren und sie mit einem recht fremd klingenden Namen als eine Marquise oder Vikomtesse etwa aus der Bretagne auftreten lassen; ich würde
Wenn dir's gelingt, Frosine, so rechne auf meine Dankbarkeit. Aber vor allem, liebste Mariane, laßt uns versuchen, Eure Mutter zu gewinnen; es ist schon viel erreicht, wenn wir diese Heirat rückgängig machen. Tut dazu Eurerseits, ich beschwöre Euch, was Ihr irgend könnt; ihre mütterliche Zärtlichkeit wird Euch Gewalt über sie geben. Ruft ohne Bedenken alle beredsame Anmut, allen unwiderstehlichen Reiz zu Hilfe, die der Himmel Euren Augen und Euren Lippen verliehn hat, und vergeßt ja keins jener zärtlichen Worte, keine jener sanften Bitten und jener rührenden Liebkosungen, denen niemand etwas abschlagen kann.
Oho! mein Sohn küßt seiner künftigen Stiefmutter die Hand, und seine künftige Stiefmutter läßt sich's ganz ruhig gefallen! Sollte dahinter wohl etwas stecken?
Nun also, abgesehen von deiner Stellung zu einer Stiefmutter, laß einmal hören, was du von dem Mädchen denkst?
Wenn ich offen gestehen soll, ich habe nicht in ihr gefunden, was ich mir erwartet hatte. Ihr Wesen ist das einer Erzkokette, ihre Haltung ist sehr linkisch, ihre Schönheit höchst mittelmäßig und ihr Verstand ein ganz alltäglicher. Glaubt ja nicht, Vater, daß ich das sage, um sie Euch zu verleiden; denn Stiefmutter bleibt Stiefmutter, und da ist diese mir am Ende ebenso lieb wie eine andre.
Tut mir leid, denn es verdirbt mir einen Plan, der mir eingefallen war. Ich stellte, während sie hier war, einige Betrachtungen über mein Alter an und überlegte mir, die Leute könnten vielleicht Glossen machen, wenn ich ein so junges Mädchen zur Frau nähme. Diese Gedanken brachten mich so weit, den ganzen Plan aufzugeben; und da ich doch einmal um sie angehalten
Hört, Vater: sie ist zwar nicht allzusehr nach meinem Geschmack; aber um Euch gefällig zu sein, würde ich sie heiraten, wenn Ihr's wünscht.
Die wird sich vielleicht nachher finden, Vater, denn man sagt ja, daß sehr oft die Liebe eine Frucht der Ehe ist.
Nein. Von seiten des Mannes ist solch ein Versuch nicht zu wagen; er könnte verdrießliche Folgen haben, denen ich mich in keinem Fall aussetzen möchte. Ja, wenn du einige Neigung für sie gehabt hättest, dann wäre es etwas anders gewesen; dann hättest du sie in Gottes Namen statt meiner heiraten können. Da das nun aber nicht der Fall ist, so werde ich auf meinen ersten Vorsatz zurückkommen und sie selbst heiraten.
Nun wohl, Vater; weil die Sache denn so steht, will ich aufrichtig sprechen und Euch mein Geheimnis offenbaren. Die Wahrheit ist, daß ich sie liebe seit dem Tage, an welchem ich ihr zum erstenmal auf der Promenade begegnet bin; daß es schon längst meine Absicht war, sie mir von Euch zur Frau zu erbitten, und daß nichts mich davon zurückgehalten hat als die Erklärung Eurer Gesinnungen für sie und die Furcht, Euch zu mißfallen.
Es ist mir recht lieb, daß ich hinter dies Geheimnis gekommen bin; das war gerade, was ich wollte. Laut. Hört, mein Herr Sohn, wollt Ihr also jetzt wissen, woran Ihr Euch zu halten habt? – Ihr werdet so gut sein, Euch Eure Liebesgedanken aus dem Kopf zu schlagen; alle Eure Bemühungen um ein Mädchen, das ich für mich behalten will, aufzugeben und mit nächstem die Dame zu heiraten, die ich für Euch ausgesucht habe.
So also treibt Ihr Euer Spiel mit mir, Vater? – Nun gut; da es einmal so weit gekommen ist, erkläre ich Euch meinerseits, daß ich meine Leidenschaft für Mariane nicht aufgeben werde; daß ich vor keinem Äußersten zurückschrecken will, um Euch Eure Eroberung zu entreißen; und daß, wenn Ihr die Mutter auf Eurer Seite habt, ich vielleicht andre Verbündete finde, die für mich kämpfen.
In solchen Dingen brauchen Kinder den Eltern nicht nachzustehn; und die Liebe kennt keine Gewalt über sich.
Du sollst selbst über die Sache urteilen, Meister Jacques, und einsehn, wie sehr ich in meinem Recht bin.
Ich liebe das Mädchen, das ich heiraten will; und der Galgenstrick da hat die Frechheit, sie auch zu lieben, und will trotz meines Befehls nicht von ihr lassen.
Ist denn das nicht unerhört? Ein Sohn, der gegen seinen Vater in die Schranken treten will? Und muß er mir nicht aus schuldigem Respekt freiwillig das Feld räumen?
Nun gut, weil er dich zum Schiedsrichter gewählt hat, so habe ich nichts dagegen; mir ist jeder recht, wer's auch sei, und du sollst entscheiden, Meister Jakob.
Ich bin sterblich in ein junges Mädchen verliebt, das mir gleichfalls gewogen ist und meine Erklärung liebreich aufgenommen hat. Nun fällt es meinem Vater ein, unsre Liebe zu stören und selbst um sie anzuhalten.
Schämt er sich nicht, in seinem Alter noch an eine Heirat zu denken? Schickt sich's für ihn, noch verliebt sein zu wollen? Sollte er das nicht uns jungen Leuten überlassen?
Ihr habt recht; er ist wohl nicht gescheit. Laßt mich nur ein paar Worte mit ihm reden. Zu Harpagon. Seht, Euer Sohn ist doch nicht so wunderlich, als Ihr sagtet; er nimmt ja Vernunft an. Er sagt, er wisse recht gut, daß er Euch Respekt schuldig sei und wäre nur in der ersten Hitze so heftig geworden; er wolle sich Euch aber in allem unterwerfen, wenn Ihr ihn ein wenig besser behandeln und ihm irgendein Mädchen zur Frau geben wolltet, das ihm gefiele.
Oh, dann sag ihm, Meister Jakob, in dem Fall habe er alles von mir zu hoffen, und Marianen ausgenommen, wolle ich ihm ganz freie Wahl lassen.
Das will ich schon machen. Zu Cleanthe. Seht, Euer Vater ist ja gar nicht so unverständig, wie Ihr sagt; er hat mir versichert, er sei nur über Euer Auffahren so in Zorn geraten und nur deshalb so unzufrieden, weil Ihr's nicht auf die rechte Manier mit ihm anfingt. Er ist ganz geneigt, Euch alles zuzugestehn, was Ihr wünscht, wenn Ihr's nur mit Sanftmut vortragt und ihm die Achtung und den Respekt und Gehorsam erweist, die ein Sohn seinem Vater schuldig ist.
Ach, Meister Jacques, du kannst ihm beteuern, daß, wenn er mir Marianen läßt, er den gehorsamsten aller Menschen in mir finden soll, und daß ich nie das geringste gegen seinen Willen beginnen werde.
Meine Herren, jetzt dürft ihr nur weiter miteinander sprechen; ihr seid beide schon einig. Ihr zanktet vorhin bloß, weil ihr euch nicht recht verstanden hattet.
Du hast mir wirklich einen Gefallen getan, mein ehrlicher Meister Jacques, und das verdient eine Belohnung. Harpagon greift in die Tasche, Jacques hält ihm die Hand hin, Harpagon aber zieht sein Schnupftuch heraus und sagt: Geh nur, ich werde dir's nicht vergessen, das versichre ich dir.
Ach, Vater, ich bitte Euch um nichts weiter. Ich bin ja überglücklich, seit Ihr mir Marianen geschenkt habt.
Ich sage, daß ich Euch ohnehin schon Dank genug schuldig bin und daß mir nichts zu wünschen bleibt, nachdem Ihr die Großmut hattet, mir Marianen zu überlassen.
Diebe! Diebe! Räuber, Mörder! Gerechtigkeit! O gerechter Himmel, ich bin verloren, ich bin ein geschlagner Mann, ich bin ermordet; sie haben mir den Hals umgedreht; sie haben mir mein Geld gestohlen. Wer kann's gewesen sein? Wo ist er? Wo hat er sich versteckt? Wo finde ich ihn? Wo laufe ich hin, wohin nicht? Ist er da, ist er dort? – Wer ist's? Halt! Zu sich selbst, indem er sich an dem Arm packt. Gib mir mein Geld wieder, Spitzbube! – Ach! ich bin es selbst. Mir schwindelt, ich weiß nicht, wo ich bin, wer ich bin und was ich tue. Ach, mein liebes Geld, mein liebes Geld, mein einziger Freund! Dich haben sie mir genommen, du bist mir entführt, und mit dir habe ich meinen Stab, meinen Trost, meine Freude verloren; es ist aus mit mir, und ich habe nichts mehr auf dieser Welt zu tun. Ohne dich kann ich nicht leben; ich bin hin, ich kann nicht mehr; ich sterbe, ich bin tot, ich
Laßt mich nur machen, ich verstehe, Gott sei Dank, mein Handwerk. Es ist nicht das erstemal, daß ich mich damit befasse, Diebstählen auf die Spur zu kommen, und ich wollte nur, ich hätte so viel Säcke, jeden von tausend Franken, als ich schon Delinquenten an den Galgen gebracht habe.
Alle Behörden müssen sich schon von Rechts wegen der Sache annehmen; und wenn man mir mein Geld nicht wieder schafft, so fordere ich die Gerichte vor Gericht.
Wir müssen alle erforderlichen Nachforschungen anstellen. Wieviel, sagtet Ihr, befand sich in der Schatulle?
Keine Marter ist groß genug für die Entsetzlichkeit dieses Verbrechens; und wenn es unbestraft bleibt, wird das Heiligste nicht mehr sicher sein.
Wir müssen, wenn ich Euch raten soll, die Leute nicht gleich kopfscheu machen und in der Stille einige Beweise zu erlangen suchen, um dann hernach mit aller Strenge verfahren und Euch die gestohlenen Füchse wiederschaffen zu können.
Ich komme gleich wieder. Stecht ihn derweile ab und röstet mir die Füße; hernach steckt ihn in siedendes Wasser und hängt ihn am Deckenbalken auf.
Was Dieb! – Ich spreche von meinem Frischling, den mir Euer Haushofmeister eben zugeschickt hat und den ich Euch auf meine Manier zubereiten will.
Seid ganz ruhig, mein Freund; es soll
Meiner Seel, ich werde zeigen, was ich vermag; verlaßt Euch darauf, Ihr sollt mit meiner Kunst zufrieden sein.
Wenn ich Euch nicht so viel Gutes vorsetzen kann, als ich wünsche, so ist das die Schuld unseres Herrn Haushofmeisters, der mir mit der Schere seiner Sparsamkeit die Flügel gestutzt hat!
Halunke! Hier handelt sich's um ganz andere Dinge als um unser Abendessen. Du sollst mir sagen, wo mein Geld geblieben ist, das man mir gestohlen hat!
Mein Gott, fahrt ihn doch nicht so an. Ich sehe es ihm an den Augen an, daß er ein ehrlicher Mann ist, und daß er Euch alles entdecken wird, was Ihr wissen wollt, ohne daß Ihr ihn ins Gefängnis bringen laßt. Ja, mein Freund, wenn Ihr uns die Sache gesteht, soll Euch kein Haar gekrümmt werden, und Ihr erhaltet noch obendrein eine Belohnung von Eurem Herrn: Es ist ihm heute seine Schatulle gestohlen worden, und ich bin gewiß, Ihr könnt uns auf die Spur helfen.
Das wäre ja die schönste Gelegenheit, um mich an unserm Haushofmeister zu rächen. Seit er ins Haus kam, ist er Hahn im Korbe; unsereins wird gar nicht mehr angehört; und überdem habe ich noch die letzten Stockschläge auf dem Herzen.
Laßt ihn doch! Er macht schon Anstalt, Euch etwas zu sagen; ich wußte gleich, daß er ein ehrlicher Mensch ist.
Gnädiger Herr, wenn ich's Euch denn bekennen soll, so glaube ich, daß es Euer lieber Herr Haushofmeister gewesen ist, der das Stückchen aufgeführt hat.
Es ist kein Zweifel, sie muß es sein. Schreibt, Herr Kommissar, schreibt seine Aussagen nieder. Himmel, wem soll man nun noch trauen? – Man kann auf nichts mehr schwören, und nach dieser Geschichte glaube ich, ich wäre imstande, mich selbst zu bestehlen.
Komm her und bekenne die schwärzeste Schandtat, das abscheulichste Attentat, das je begangen worden ist.
Von welchem Verbrechen ich spreche, Scheusal? – Versuche nur nicht, dich herauszureden; die Sache ist entdeckt, und ich weiß alles. So mißbrauchst du meine Güte! – Schleichst dich bei mir ein, um mich zu verraten und mir einen solchen Streich zu spielen!
Da man Euch alles entdeckt hat, mein Herr, will ich keine Ausflüchte machen und die Sache nicht länger leugnen.
Ich hatte mir schon vorgenommen, mit Euch darüber zu reden, und wollte nur eine gelegene Zeit abwarten. Aber weil es nun einmal soweit gekommen ist, beschwöre ich Euch, gelassen zu bleiben und meine Gründe anhören zu wollen.
Oh, mein Herr, den Namen habe ich nicht verdient. Ich gestehe, daß ich mich gegen Euch vergangen habe; aber mit alledem ist mein Fehler doch verzeihlich.
Ich bitte Euch, ereifert Euch nicht. Wenn Ihr mich nur erst angehört habt, werdet Ihr sehen, daß die Sache nicht so schlimm ist, als Ihr glaubt.
Euer Blut, Herr Harpagon, ist nicht in schlechte Hände geraten. Ich werde ihm keine Schande bringen; und es ist überhaupt nichts geschehen, was ich nicht wieder gutmachen könnte.
Nein, mein Herr, Euer Reichtum hat mich nicht verlockt; durch ihn ward ich nicht geblendet; und ich beteure Euch, daß ich mit Freuden auf alle Eure Güter verzichten will, wenn Ihr mir nur laßt, was ich habe.
Den Teufel auch lasse ich's dir! Nichts lasse ich. Aber da sehe mir einer die Unverschämtheit. Er will das gestohlene Gut behalten!
Es ist ein Schatz, das ist wahr, und gewiß der kostbarste, den Ihr besitzt; aber Ihr verliert ihn ja nicht, wenn Ihr ihn mir laßt. Ich bitte Euch fußfällig um diesen reizenden Schatz; Ihr tätet gewiß am besten, ihn mir freiwillig zu gewähren.
Ich habe Euch schon gesagt, Herr Harpagon, daß kein Eigennutz mich verleitet hat. Es sind nicht die Beweggründe, die Ihr mir zutraut, die mich dazu getrieben haben; mein Entschluß ist aus einer edleren Eingebung hervorgegangen.
Er wird mir am Ende wahrhaftig noch beweisen, es sei aus christlicher Liebe geschehen. Aber ich werde schon Rat schaffen, und die Obrigkeit, du unverschämter Galgenstrick, wird mir zu meinem Recht verhelfen.
Ihr mögt tun, was Euch beliebt, und ich bin bereit, alles über mich ergehen zu lassen. Aber das eine bitte ich Euch zu glauben, daß, wenn ein Unrecht begangen ist, nur ich der Schuldige bin und daß Eure Tochter keinen Anteil daran hat.
Das fehlte auch wahrhaftig noch! Wie käme denn auch meine Tochter dazu, die Mitschuldige eines so greulichen Verbrechens zu sein? – Aber ich will mein Eigentum wiederhaben, und du sollst mir gestehen, wohin du sie entführt hast?
Ich, sie berührt? – Oh, Ihr tut uns beiden das größte Unrecht! Es ist die reinste und ehrerbietigste Liebe, von der ich für sie glühe.
Ich würde ja lieber sterben als einen beleidigenden Gedanken gegen sie äußern. Dazu ist sie zu gut, zu rechtschaffen.
Alle meine Wünsche haben sich darauf beschränkt, mich an ihrem Anblick zu weiden, und nichts Strafbares hat die Leidenschaft entweiht, die ihre schönen Augen in mir entzündet haben.
Die schönen Augen meiner Schatulle? – Er spricht weiß Gott von ihr, wie ein Liebhaber von seiner Geliebten!
Ja, Herr Harpagon: sie war Zeuge unserer Verlobung; und nachdem sie die Redlichkeit meiner Absichten erkannt, half sie mir, Eure Tochter zu überreden, daß sie mir ihre Treue gelobte und mein Versprechen empfing.
Was Teufel! Hat die Furcht vor der Justiz ihm den Kopf verrückt? – Laut. Was faselst du dazwischen von meiner Tochter? –
Ich sage, Herr Harpagon, daß ich alle Mühe gehabt habe, ihre Bedenklichkeit dahin zu bringen, daß sie meiner Liebe Gehör gab.
Eurer Tochter; und erst gestern hat sie sich entschließen wollen, ein gegenseitiges Heiratsversprechen mit mir zu unterzeichnen.
Neues Elend! Schmach über Schmach! Zum Kommissar. Geschwind, mein Herr. Tut, was Eures Amts ist: schreibt ihn ins Protokoll als Dieb und als Mädchenräuber.
O du entartete Tochter, die einen Vater wie ich gar nicht verdient! – So also befolgst du die Lehren, die ich dir gegeben habe? Verliebst dich in einen ehrlosen Dieb und versprichst ihm deine Hand ohne meine Zustimmung? Aber ihr sollt euch beide verrechnet haben. Zu Elise. Vier feste Mauern sollen mir für deine Aufführung bürgen, Zu Valere. und ein tüchtiger Galgen wird mich für deine Frechheit rächen!
Euer Zorn wird in dieser Sache nicht das Urteil sprechen; und wenigstens werde ich doch gehört werden, ehe man mich verurteilt.
Ach, teurer Vater, seid doch menschlicher, ich beschwöre Euch, und treibt Eure väterliche Gewalt nicht aufs äußerste. Laßt Euch nicht von der ersten Aufregung Eures Zorns hinreißen, und nehmt Euch etwas Zeit, ehe Ihr beschließt, was Ihr tun wollt. Gebt Euch die Mühe, den, von dem Ihr Euch beleidigt glaubt, besser kennenzulernen; er ist ein ganz anderer, als für den Ihr ihn haltet; und es wird Euch weniger befremdlich dünken, daß ich ihm meine Hand zugesagt habe, wenn Ihr hören werdet, daß Ihr mich ohne ihn schon längst verloren haben würdet. Ja, bester Vater, er war's, der mich einst aus der großen Gefahr rettete – der mich aus dem Wasser zog, und dem Ihr das Leben Eurer Tochter zu danken habt ...
Das alles ist nichts. Es wäre viel besser für mich, er hätte dich ertrinken lassen, als daß er mir das getan!
Ach, Herr Anselme, ich bin der unglücklichste Mensch auf Erden; und mit dem Kontrakt, den Ihr schließen wollt, sieht es noch sehr verwirrt und weitläufig aus. Man greift mein Geld, man greift meine Ehre an; hier steht der Verräter, der Bösewicht, der die allerheiligsten Pflichten mit Füßen tritt. Er hat sich unter dem Namen eines Dieners in mein Haus eingeschlichen, um mir mein Geld zu stehlen und meine Tochter zu verführen.
Ja, sie haben sich einander die Ehe versprochen: der Schimpf fällt zunächst auf Euch zurück, Herr Anselme, und an Euch ist es jetzt, gegen ihn klagbar zu werden und eine gerichtliche Untersuchung einzuleiten, um Euch an dem Unverschämten zu rächen.
Es ist nie meine Absicht gewesen, eine Heirat durch Zwang zustande zu bringen und Anspruch auf ein Herz zu machen, das sich schon verschenkt hat. Was aber Euer Interesse betrifft, so bin ich bereit, es zu wahren, als ob es mein eignes wäre.
Hier ist ein wackerer Kommissar, der mir versprochen hat, nichts zu vergessen, was seines Amtes ist. Zum Kommissar. Setzt ihm recht scharf zu, mein Herr, und stellt sein Verbrechen ins grellste Licht.
Ich begreife nicht, wie man aus meiner Liebe zu Eurer Tochter ein Verbrechen machen will, noch wie ich wegen unserer Verlobung bestraft werden könne, wenn man erfahren wird, wer ich bin ...
Über solche Märchen lache ich nur. Es wimmelt jetzt allenthalben von solchen sogenannten Adligen, solchen Schwindlern, die es benutzen, daß niemand ihre obskure Herkunft kennt, und sich frecherweise mit dem ersten besten berühmten Namen ein Ansehen geben.
So laßt Euch gesagt sein, daß ich zu stolz bin, mich mit erborgten Federn zu schmücken, und daß ganz Neapel Euch bezeugen kann, welcher Familie ich angehöre.
Sachte, sachte! Bedenkt, was Ihr sagen wollt. Ihr wagt hier mehr, als Ihr Euch vielleicht vorstellt; Ihr habt einen Mann vor Euch, der ganz Neapel kennt, und der Eure Erzählung sehr bald durchschauen wird.
Ich habe niemand zu scheuen; und wenn Ihr Neapel kennt, werdet Ihr wissen, wer Don Thomas d'Alburci war.
Ich frage den Henker weder nach Don Thomas noch nach Don Martin. Er sieht, daß zwei Lichter brennen, und bläst eins aus.
Geht, Ihr wollt uns zum besten haben. Denkt Euch eine andere Erfindung aus, mit der Ihr besser bestehen könnt, und gebt es auf, Euch mit dieser Fabel zu retten.
Wählt Eure Worte vorsichtiger. Was ich sage, ist keine Fabel, und ich behaupte nichts, was ich nicht mit leichter Mühe beweisen kann.
Eure Kühnheit ist unerhört! Erfahrt denn zu Eurer Beschämung, daß der Mann, von dem Ihr sprecht, vor mehr als sechzehn Jahren mit seiner Frau und seinen Kindern auf dem Meere umgekommen ist. Er wollte sich den grausamen Verfolgungen entziehen, die der neapolitanische
Jawohl. Erfahrt denn aber zu Eurer Beschämung dagegen, daß sein damals siebenjähriger Sohn mit einem Diener bei diesem Schiffbruch von einem spanischen Fahrzeug gerettet ward, und daß ich selbst, der hier mit Euch redet, dieser gerettete Sohn bin. Erfahrt, daß der Kapitän dieses Schiffs aus Mitleid mit meinem Unglück sich freundlich meiner annahm, mich wie seinen eigenen Sohn erziehen und in Kriegsdienste treten ließ, sobald ich herangewachsen war; daß ich erst ganz vor kurzem erfuhr, mein Vater sei nicht tot, wie ich immer geglaubt hatte – daß ich durch eine Fügung des Himmels, nachdem ich hier angekommen war, um ihn aufzusuchen, die reizende Elise kennenlernte; daß ihr Anblick mich zum Sklaven ihrer Schönheit machte, und daß die Heftigkeit meiner Leidenschaft und die Strenge ihres Vaters mich zu dem Entschluß brachten, in seinem Hause Dienste zu nehmen und einem andern aufzutragen, die Nachforschungen nach meinen Eltern fortzusetzen.
Aber was für andere Zeugen als Eure alleinige Erzählung habt Ihr, um uns zu beweisen, daß dies alles nicht eine Fabel sei, der vielleicht etwas Wahres zugrunde liegt?
Meine Zeugen sind der spanische Kapitän; ein Petschaft von Rubin, das meinem Vater gehörte; ein Armband von Achaten, das meine Mutter mir um das Handgelenk gebunden; endlich der alte Pedro, der treue Diener, der sich mit mir zugleich aus dem Schiffbruch rettete.
Ach! Nach dem allen kann ich verbürgen, daß dies kein Betrug ist; alles, was Ihr sagt, läßt mir keinen Zweifel, daß Ihr mein Bruder seid.
Ja. Vom ersten Augenblick an, wo Ihr zu sprechen begannt, ergriff mich eine Rührung; unsere Mutter, die außer sich vor Freude sein wird, hat mir hundertmal das Unglück unserer Familie erzählt. Auch uns hat der Himmel in diesem furchtbaren Schiffbruch nicht untergehen lassen; aber wir mußten das Leben mit dem Verlust unserer Freiheit erkaufen, denn es waren Korsaren, die meine Mutter und mich von den Trümmern
O Himmel! Wie überraschend sind die Fügungen deiner Allmacht! – Und wie zeigst du mir aufs neue, daß nur du Wunder tun kannst! – Umarmt mich, meine Kinder, und teilt eure Freude mit der eures Vaters!
Ja, meine Tochter; ja, mein Sohn; ich bin Don Tomaso d'Alburci, den der Himmel mit aller Habe, die er bei sich trug, aus den Fluten gerettet hat, und der euch alle seit sechzehn Jahren für tot hält. Nach langen Reisen wollte ich in der Verbindung mit einem sanften und verständigen Mädchen den Trost eines neuen Familienlebens suchen. Die Gefahr, in der mein Leben noch in Neapel schwebt, hat mich bewogen, jeden Gedanken an die Rückkehr dahin aufzugeben; und nachdem mir's gelungen ist, meine dortigen Güter verkaufen zu lassen, habe ich hier eine Heimat gefunden, in welcher ich unter dem Namen Anselme die Verfolgungen von mir fernhalten wollte, die mein wahrer Name mir zuziehen würde.
Macht Euch keine Sorge, Vater, und klagt niemand an. Ich bin Eurer Sache auf die Spur gekommen und kann Euch so viel sagen, daß, wenn Ihr Euch entschließen wollt, mich Marianen heiraten zu lassen, Euer Geld Euch wieder eingehändigt werden soll.
Kümmert Euch darum nicht. Es ist sicher aufgehoben, dafür stehe ich; und alles hängt nur von mir ab. Ihr habt jetzt die Wahl und müßt mir sagen, wozu Ihr Euch entschließt; ob Ihr mir Mariane lassen oder Euer Geld verlieren wollt.
Nicht das mindeste. Entscheidet nun, ob Ihr gesonnen seid, unsere Heirat zuzugeben, nachdem auch Marianens Mutter ihre Einwilligung ausgesprochen hat, sie zwischen uns beiden wählen zu lassen.
Ihr wißt aber nicht, daß diese Einwilligung allein nicht hinreicht, und daß der Himmel mir außer einem Bruder, den Ihr hier vor Euch seht, auch meinen Vater wiedergeschenkt hat, von dem Ihr mich erbitten müßt.
Der Himmel, meine Kinder, hat euch nicht wieder zu mir zurückgeführt, damit ich euren Wünschen entgegen sein sollte. Mein Herr Harpagon, Ihr werdet wohl einsehen, daß die Wahl eines jungen Mädchens eher auf den Sohn als auf den Vater fallen wird; macht also keine Umstände, laßt Euch nicht erst sagen, was nicht nötig ist zu hören, und willigt so wie ich in diese Doppelheirat.
Das soll geschehen. Und nun laßt uns nur an die Freude denken, die dieser glückliche Tag uns bereitet.
Halt, meine Herren, halt! – Noch einen Augenblick, wenn's gefällig ist. Wer wird mir denn meine Schreiberei bezahlen?
Ach, wie soll man's denn anfangen? Wenn ich die Wahrheit sage, bekomme ich Schläge, und wenn ich lüge, soll ich hängen!