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So wag' ich es Ew. Majestät anzureden in der Sprache eines dankbaren Herzens, welches die kalten Formeln der Gewohnheit verschmäht. Unter Ihrem Scepter ward ich geboren; Ihren Lehrschulen verdank' ich, was ich an Bildung besitzen mag; Ihrer väterlich milden Herrschaft bin ich als Mensch und Bürger, als Gatte und Vater für die Wohlthat desjenigen Lebensglückes verpflichtet, welches dem genügsamen Ew. Königl. Majestät diese Blätter widmen zu dürfen.
Ihr tragischer Inhalt ist entstanden in den letzten Monden einer heroisch-tragischen Geschichtsepoche. Die Einbildungskraft des Sängers zersprengte die Bande
So hangt das heilige Andenken an
Ew. Königl. Majestät und an mein Vaterland innig mit meinem Bewußtseyn zusammen, der Urheber dieser Dichtung zu seyn. So ist se vielleicht mit allen ihren Mängeln nicht ganz unwürdig, Ihren Namen an der Stirn zu tragen. So übergeb' ich sie ruhig dem Strome der Zeit in welchem früher oder später die Helden und Königreiche der Einbildungskraft, wie die wirklichen, versinken.
Wie nah' auch immer der Untergang des kaum gebauten Fahrzeuges sei; so weit es kommt, lass es die altehrwürdig Fahne seiner Heimath sehen, und nenne
Ew. Königl. Majestät.
Weißenfels an der Saale,
am 15. März 1817.
unterwürfiger Verehrer
Müllner.
Der französische Akademiker, Herr Vanderbourg, welcher im Journal des savans, Octobre 1817. p. 626., über diesen meinen Versuch gesprochen hat, billigt zwar mehr als ich selbst den Inhalt der fünften Scene des dritten Aktes zwischen Yngurd und Irma; aber er tadelt ihren Ort durch den Beisatz: si elle ne venoit se placer au milieu d'une bataille – au moment le plus décisif. Einen ähnlichen Einwand hat mir mein verehrter Freund Böttiger gemacht. Ich kann ihn an sich nicht für gegründet halten; muß aber glauben, daß ich aller Bemühungen ungeachtet nicht deutlich genug in der Exposition des fraglichen Momentes gewesen bin. Es giebt in dem Augenblicke, wo Yngurd auf der Bühne erscheint, um die Ausreißer vom Reichsvolk Abend des sieglosen Tages, einzig noch darauf beschränkt, mit dem Kern seiner Schaaren sich in dem natürlich-festen Felsenpasse zu behaupten. In dieser Stellung, die er bereits genommen hat, will er den Angriff erwarten, der nicht erfolgen kann, so lange noch Graf Egrösund, dem er eben Verstärkung durch Nös gesandt hat, gegen die nachdringenden Völker Brunhildens kämpft. Mithin ist in seiner Lage nichts, was ihn abhalten könnte, dicht hinter seinem Heer der Königin Gehör zu geben, die ihm unerwartet nachgefolgt ist, und von welcher er Wichtiges zu hören erwarten muß.
Dieser Zustand der Dinge schien mir um so unverkennbarer angedeutet, da Yngurd selbst gegen Marduff erklärt, daß er gegen den unzählbaren Schwarm des Feindes mit seinem Heer das Feld nicht halten könne. Er ist darauf gefaßt,
Norweg ist lang, ich will ihn schon ermüden,
Und eh' er's denkt, ist Auslo wieder mein.
Um inzwischen jede Dunkelheit zu heben, die noch vorhanden seyn könne, hab' ich die Stelle benutzt, wo Yngurd den Erichson zu seinen Schaaren sendet. Ich hab' ihm hier die Worte in den Mund gelegt:
Weis't sie zur Geduld,
Bald zahlt der Sieg dem Muthe seine Schuld,
Ermüden nur die Heldin von der Spindel
Soll vorn im Feld der Flachs von Reichsgesindel.
Spinnt sie ihn fleißig auf vor Nacht, wohlan,
So mag sie diesem Steingethürme nahn!
Im Felsenthor von Norweg auf das Beste
Empfangen wir die ungeladnen Gäste.
Bewacht des Feindes Thun u.s.w.
Die übrigen Einwendungen des ausländischen Kunstrichters hab' ich nicht berücksichtigen können, weil sie auf den Lehren einer Schule ruhen, welche dem Geschmack meiner Nation fremd ist. Ich ehre die Regeln derselben. Herr Vanderbourg gesteht mir zu, daß ich in meinem früheren Versuche, die Schuld, mich ihnen nach Möglichkeit angenähert habe. Wenn es hier weniger geschah; so liegt der Grund im Stoff, welcher die größere Freiheit der englischen Bühne in Anspruch nahm. Uebrigens hab' ich seinen Tadel mit Vergnügen gelesen. Ein zusammenhängendes System von Regeln der tragischen Kunst, wenn auch nicht das meinige, ist dessen Basis. Wie viel angenehmer liest sich das, als solch' eine gequirlte Aesthetik, solch' eine zerfahrne Suppe kunstphilosophischer Halbbegiffe sich genießt, wie sie in der Leipziger Literatur Leitung bei Gelegenheit des Yngurd der Herr Professor Clodius
Weißenfels, im December 1818.
Müllner.
Bemüht euch nicht, im Buche der Geschichte
Der Quelle meines Liedes nachzuspüren.
Die Wirklichkeit taugt selten zum Gedichte;
Nach Wahrheit rang ich, euern Sinn zu rühren,
Nach jener Wahrheit, die im Traumgesichte
Die Musen vor des Geistes Auge führen.
Auf ihrer Bahn nur ist ein sicher Schreiten:
Was niemals war, das ist zu allen Zeiten.
Ich will nicht weiter daran denken! – – Was –
Was sprach ich da? Ich will nicht? Steht denn das
Bei mir? Die Dünste sendet Erd' und Meer,
Zu Wolken in der Luft sich zu gestalten,
Das kann der Mensch nicht fördern und nicht halten,
Und wenn Gedanken aus dem Busen steigen,
Die, Trunknen gleich, in fessellosem Reigen
Aufziehn im Haupt, da ist kein König Herr,
Sie auszutreiben.
Es war Satans Spiel,
Als der Gedank' an Mord mich überfiel
Auf dieser Stelle! – – Mord? Mord, sagt' ich? Wer
Kann deß mich zeihn? Wär' Oskar stark, wie ich,
Ja, hätt' er dreifach meine Kraft, mit Freuden
Ließ' ich die Schwerter zwischen uns entscheiden.
Es geht nicht; nun, so geb' ich ihn – und mich –
In Marduffs Hand – ist das ein Mordgeheiß?
Nein. Nein! Der süße Zitherschläger weiß,
Daß Kron' und Haupt Eins sind beim Helden; denn
Sprach er's nicht selber aus im Lager? Wenn
Er um mein Leben spielen will, wohlan!
Ich bin bereit, er setze seines d'ran.
Auf eines Knechtes würfelhaften Sinn
Gilt unsre Wett', und Eins steht gegen Drei
Zu Oskars Vortheil: Muth und Witz und Treu:
ich soll gewinnen, haben;
Wenn Eins ihm fehlt, verlier' ich an den Knaben.
Wer sagt, daß ich ein feiger Spieler bin?
Wer? – Jeder Pulsschlag in den vollen Adern.
Gespannt nur hab' ich erst den Bogen, noch
Ist's nur Gedank', ist ungeschehn; und doch
Fängt Herz und Hirn so mächtig an zu hadern
In mir, daß ich's nicht tragen könnte, wenn
Ich nicht gewiß wär': Jetzt kann nichts geschehn,
Jetzt ist er sicher unter'm Aug' der Frauen.
Wär's nur vorbei erst! – Was vorbei? Die That –
Die wird vorbei seyn einst; ein rollend Rad
Geht alles, was geschieht, vorüber. Doch dieß Grauen,
Das da ist, eh' die That noch ist gethan,
Das aus der Brust heraufsteigt zu den Haaren,
Wenn ich sie denke – ist auch das vorbei,
Wenn sie vorbei ist? Bin ich wieder frei,
Wenn Oskar todt ist? Werd' ich wieder Mann,
Wenn diese Furcht –
Oh, packt mich stärker an
Ihr Höllengeister, oder laßt mich fahren!
Gebt ganz mich auf, ihr himmlischen Gewalten,
Wenn euch die Macht fehlt, ganz mich zu erhalten!
Wenn Gott und Teufel eine Seele spalten,
Hat keiner etwas, das der Mühe lohnt.
Yngurd, der Held, von einem Kind entthront?
Yngurd, der Bauer, frommer Eltern Kind,
Die stolz auf ihn im Herrn entschlafen sind,
Ein Meuchelmörder? Hier ist keine Wahl,
Hier steht der Menschenwitz an seinen Schranken.
Den Wahnwitz möcht' ich rufen, die Gedanken
Wild zu verwirren, daß des Sinnens Qual
Im wüsten Meer des Unsinns ende; daß
Die Tollheit, die blind handelt, wie die Noth,
Der Klugheit Amt verwalt', und ihr Gebot
Rasch, eh' es mein Gemüth gewahrt, vollstrecke!