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Das waren unbeständige Frühlingstage, die ich im Mai des Jahres 1873 in der Heimat antraf. Ich kam aus dem Süden, dem Land der Sonne und der Sorglosigkeit, daheim hiengen Wolken am Himmel, umlagerte die Sorge das Leben. Und doch war es Mai. Aber alle bösen Eigenschaften, welche der Volksmund dem oft so lieblichen April nachsagt, hatte diesmal der vielbelobte Wonnemond entfesselt und dabei herrschte sommerliche Schwüle, die sich dann und wann in Gewitterschauern über der blühenden, kaum zu frohem Dasein erwachten Erde entlud.
Eine Gewitterstimmung fand ich auch in den Kreisen meiner Bekannten und Freunde und
An dem Morgen, der mir heute mit greifbarer Lebendigkeit in der Erinnerung auftaucht, ließ freilich die Sonne und ihr lichtes Spiegelbild auf der Erde nichts von solchen Betrachtungen aufkommen. Wie die Jugend unter dem Gruß des Glücks, schnell und lebensfroh’, das momentan durch einen Mißerfolg gebeugte Haupt erhebt, so heben die Blätter und Blüten des Frühlings unter der Sonne erneutem Gruß duftiger und kräftiger denn vorher ihre zarten Spitzen und Häupter, als sie unter des Regens Druck und der Tropfen Last tiefgesenkt und niedergebeugt
Auf der letzten der Stufen dieser Treppe aber stand eine lichte Gestalt, deren knospende Formen sich vom tiefblauen Hintergrund des Himmels wundervoll abhoben; eine junge vornehme Frau, ganz in Weiß gekleidet, dessen frischen Glanz der helle Ausputz nur erhöhte; ein zierliches Morgenhäubchen auf dem lockigen kindlichen Krauskopf, aus dessen Mienen die Freude lachte, als wäre die Trägerin der Genius der Freude selbst. Huldigte ihr nicht alles, was sie umgab? Die Natur selbst mit allen ihren Reizen;
So trat mir die junge Frau des Hauses, die Gattin meines alten Freundes Wollheim, seine Lili, wie er sie in seinen Briefen mir genannt hatte, entgegen; mir noch unbekannt und doch erkannt, mir noch fremd und doch schon vertraut. Uns verband die Liebe zu Einem, zu Erich, ihrem Herzensschatz, meinem Jugendfreund. Er selbst war nicht anwesend, sondern schon zeitig in die Stadt gefahren. Natürlich galt unser Gespräch, ihr Geplauder ihm. Er hätte jetzt überhaupt viel in der Stadt zu thun, sagte sie, sie wisse freilich nicht was; aber wichtiges müsse es sein, sonst würde er sie nicht so oft und so lange – ganze Tage oft – sagte sie schmollend, allein lassen. Er habe sich an einem großen Bauunternehmen betheiligt, das sei alles, was sie wisse. Erich liebe es nicht, von Geschäften mit ihr zu sprechen. Und sie verstände wohl sicher nur wenig
»So ist er nun. Bis zu den Arrangements der Küche reicht seine Sorge und dann kommt er selbst nicht zu Tisch. In der letzten Zeit ist er wirklich ein wenig zu viel vom Hause fort. Ueberhaupt« – und ein Schatten flog über die heiteren Züge – »er macht mir seit einigen Wochen rechte Sorge. So oft ist er zerstreut und bleibt abwesend, auch wenn er bei mir ist. Das war sonst nicht so. Auch sein Aussehen beunruhigt mich. Fast fürcht’ ich, daß er mir krank wird. Freilich will er nichts davon wissen; wie und wann ich auch frage, er weist alle meine Sorgen ab und lacht mich aus. Aber das Lachen kommt nicht aus dem Herzen. Ja, ja, so ganz wie Sie meinen, sind auch wir hier draußen vom Glück nicht bevorzugt und von der Sorge verschont.
Erich Wollheim und ich waren Schulkameraden und als solche die besten Freunde gewesen. Verschiedenes Studium hatte dann unsere Wege getrennt; er war Architekt geworden, ich auf die Universität gegangen. Der Reichthum seines vor zwei Jahren verstorbenen Vaters, dessen einziger frühe verwöhnter Sohn er war, hatte ihm dann lange Reisen gestattet, in Frankreich, England, Italien; aber wiederholt waren wir uns auch in der Heimat wieder begegnet. Nach einigen erfolgreichen Versuchen, seine Kenntnisse und sein Talent praktisch zu verwerthen, hatte er vor Jahresfrist geheirathet und sich in die herrliche Villa in der Nähe seiner Vaterstadt mit seinem jungen Weibe eingesponnen wie in einem verwunschenen Schloß. Lili hatte schon seit längerer Zeit in seinen Briefen eine Rolle gespielt. Erst als eine ihn, den Verwöhnten, entzückende Badebekanntschaft, dann als Mittelpunkt seiner Zukunftspläne und dann eines Tages als seine Braut. Seitdem waren seine Korrespondenzen
Lili war das Kind eines bekannten Kunstgelehrten, der stets in der guten Gesellschaft gelebt, aber dafür und für die Erziehung seiner Kinder auch sein jährliches Einkommen hatte aufwenden müssen. So hatte sie eine Bildung, wie sie den Töchtern reicher Leute wird; als Erich die eben zur Waise Gewordene zu seiner Braut erkor, war sie jedoch mittellos. Das war ihm gerade recht. So konnte er der Geliebten alles sein; alles hatte sie von ihm zu empfangen, von seiner Liebe. Und er überschüttete das kindlich liebliche Geschöpf, das so in jeder Beziehung die Seine ward, mit Aufmerksamkeiten, mit Geschenken, mit Kostbarkeiten, deren Werth sie selbst kaum zu schätzen wußte. Das ersah ich schon aus diesem ersten Gespräch. Armuth, Entbehrung waren ihr fremd geblieben durch die frohe Wendung des Geschicks, die, als der Vater starb, ihr Wollheim an die Seite stellte. Sie kannte keine Bedürfnisse, die ihr nicht erfüllt worden wären, erst vom zärtlichen Vater, dann vom Bräutigam und Manne. Und so hatte die Welt wohl Recht, sie ein Glückskind zu nennen.
Ich gieng vor die Thüre des Hotels, um zu warten. Eben kehre ich mich gegen ein Plakat, da biegt hastig ein Herr in das Portal ein, mich dabei unsanft berührend, »Pardon«, ich wende er es wirklich? Ich traue meinen Augen nicht, als ich in das Gesicht mit den vertrauten lieben Zügen blicke, die so aufgeregt, so entstellt sind, daß ich sie nicht anzuerkennen wage. Aber er ist es doch – mein Freund Erich, wenn es auch nicht sein freundliches ruhiges Auge ist, was mit halb erschrecktem, halb ängstlichem Blick den meinen erwidert.
»Du, Du! Endlich!« stößt er kurz hervor. »Willkommen!« »Aber bitte eine Sekunde! Ich bin gleich zu Deiner Verfügung.« Er wendet sich zum Portier, der ihm eine Reihe von Briefschaften einhändigt. »Dies schickte soeben Ihr Bankier.« Erich legt alles Andere bei Seite und öffnet mit fieberhafter Spannung das Billet, nachdem er bei Seite getreten. Er liest, er stiert in das Blatt; er läßt es nicht sinken, sondern hält es starr vor sich, aber seine Hand zittert, seine Kniee wanken; ich stürze auf ihn zu. »Um Gotteswillen, was fehlt Dir?« Das erweckt ihn aus dem Seelenkampf, der offenbar ihn befallen. Ein gewaltsamer Ruck, er zerknittert das Papier und steckt es in die Tasche. »Es ist nichts, Freund. Gleich! Nur ein wenig Geduld«, sagt er leise und dann aufsehend und mir mit unsäglich wehmüthigem Blick ins Auge schauend:
Das schöne Frühlingswetter des Morgens war längst verzogen. Ein rauher Wind fegte durch die Straßen und trieb uns kalte Regenschauer ins Gesicht; Erich schritt stumm neben mir her. Lange wagte ich nicht, sein Schweigen zu stören, doch schließlich ertrug ich dies unheimliche Brüten nicht länger, ich rief ihn an und, um ihn auf heitere Gedanken zu bringen, begann ich von meinem Besuch in seiner Villa draußen zu erzählen, von dem Sonnenglanz umwobenen Idyll, dessen Zeuge ich heute morgen geworden, von seiner Frau!
»Mein Weib! O Gott. – Die Aermste. Ihr kann ich nicht mehr unters Auge treten. Wie soll sie, das Kind, mein Kleinod, den Schlag verwinden. O Freund, ich bin namenlos unglücklich!«
Nur allmählich erfuhr ich, was ihn betroffen. Wie er dazu gekommen, was ihn verleitet, sein ihm vom Vater in bester Ordnung hinterlassenes großes Vermögen in gewagten Spekulationen anzulegen, ich weiß es des Genauen nicht mehr. Hineingerissen in den Strudel, in das Fieber, das damals so manchen Edlen ergriffen, hatte ihn sein gutes Herz, das immer jedem begründeten
Schon längst hatte ich den Freund von der Straße in ein behagliches Kneipzimmer gezogen, das wir allein innehatten; wir befanden uns in dem Hinterstübchen eines bekannten Weinrestaurants. Wie im Kreise bewegten sich die Gedanken und Bekenntnisse des schwer getroffenen Mannes: Anfang und Ende bildete stets seine Lili. Sich selbst traute er zu, den Schlag verwinden zu können, ja die Aussicht, nun gezwungen zu sein, fortan durch eigene Kraft, durch strenge Ausübung seines Berufs seinen Unterhalt zu suchen, hatte für ihn einen tröstenden Reiz. Aber wie sollte sie, die bisher nur durch das Leben getändelt, deren zarte Haut bisher nichts von der Rauheit des Lebens gefühlt, die er gehegt und gepflegt hatte wie eine Wolkenprinzessin,
Immer hastiger, immer unruhiger sprach er, immer mehr entfärbten sich seine Wangen, trotzdem er von dem rothen Burgunder ein Glas nach dem anderen, ohne Bewußtsein davon, in hastigen Zügen leerte. Die Schwärze seines Haupthaares und Vollbartes, welche sein Gesicht umrahmten, erhöhte den Eindruck der Blässe, so daß ich eine ernstliche Erkrankung fürchten zu müssen glaubte und deshalb in ihn drang, doch zu versuchen, seiner fieberhaften Aufregung in etwas Meister zu werden, statt sie durch Selbstanklagen und fassungslose Unterwerfung unter
Es war Abend geworden. Der Regen hatte aufgehört zu fallen; der bleigraue Wolkenhimmel war gelichtet, nur vereinzelt jagten weißschimmernde Wolkenfetzen am Monde vorüber. Unwillkürlich waren wir, ziellos durch die Straßen eilend, in die Nähe der Brühl’schen Terrasse gelangt und es überraschte mich selbst mit Grausen, als mir bewußt ward, daß neben mir der von tausend Seelenqualen gefolterte Freund von der Höhe derselben herab auf die Elbe starrte, deren freundliche Fluten ihn so oft nach dem lieblichen Heim seines Glückes getragen, welche er jetzt mied, wie eine Stätte des Grauens. Eben war der Mond wieder hervorgetreten, den auf einige Zeit eine an ihm vorbeisegelnde Wolke bedeckt hatte. Seine Strahlen spiegelten sich in der rauschenden Wasserflut unten, deren Anblick, deren heimliche Musik auf meinen stillen Nachbar offenbar eine mächtige Anziehungskraft ausübten. Unwillkürlich senkte sich sein Haupt über die Brüstung, tiefer und tiefer, als sehne er sich hinab in die kühle Tiefe, unterzutauchen in der Wogen Vergessenheit. Doch plötzlich richtete er sie nur dir erhalten bleibt. Brecht zusammen, ihr Säulen und Thürme, lodert ihr Flammen, aber laßt mir, gebt mir mein Weib!«
Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust und im selben Moment fühlte ich seinen Arm krampfhaft in den meinen geschoben. Unsere
Seine Thränen flossen reichlicher, als er mir das sagte, während ich ihn die breite Treppe der Brühl’schen Terrasse wieder herunterführte. Auf der letzten Stufe trat mir wie eine Vision das frühlingshafte Bild von heute morgen vor die Seele. Ein Schauder erfaßte mich. Der Kontrast dieses Morgens und dieses Abends, dieser freudeathmenden Frauengestalt und dem in sich gebrochenen Mann an meiner Seite war zu gewaltig.
»Nach Hause darfst Du jetzt nicht, Freund, Du bist zu aufgeregt, zu abgespannt. Ich bringe Dich in Dein Hotel. Deiner Frau ein kurzes Wort von Deiner Abhaltung zu telegraphiren, überlaß mir. Suche zu schlafen; und wenn das nicht geht, versuche Dich zu sammeln. Hast Du auch Dein Vermögen verloren, nicht hülfe- und aussichtslos stehst Du da. Deine Verbindungen werden Dir leicht ein lohnendes Arbeitsfeld öffnen. Und auch Deine Frau wird sich in das Unvermeidliche finden. Ich selbst will morgen früh hinaus zu ihr und sie vorbereiten auf die
Erich war wie verändert. Seine Aufregung hatte sich gelegt. Mit einem weichen Klang in der Stimme, der dieser sonst fremd war, sagte er nach meinem letzten Worte leise vor sich hin: »Glaubst Du das wirklich? – Doch nein, Du irrst!« Dann schüttelten wir uns die Hände. Wir befanden uns vor dem Hotel. So schnell ließ er mich freilich nicht gehen. Er klammerte sich an meinen Vorsatz, seine Frau auf den Schlag vorbereiten zu wollen. Mit der Verabredung, daß ich das erste Schiff benutzen sollte, schieden wir endlich.
Wie verändert erschien mir die Welt, als ich am anderen Morgen den Loschwitzer Bergpfad hinanklomm, welchen ich gestern so fröhlich beschritten, daß mein Herz hätte mögen wettsingen mit der Lerche, die über mir im blauen Aether auf und nieder sich wiegte. Heute schien keine Sonne und grau war der Himmel, dem keine Lerche zuschwebte; gewitterschwül war die Luft, die mir fast den Athem benahm. Wie
Es war mir unmöglich, unbefangen zu blicken, als ich erwiderte, daß er das erste Schiff versäumt habe, mit dem zweiten aber sicher nachkommen werde. Noch im letzten Moment habe sich ihm eine Abhaltung in den Weg gestellt. »Viele herzliche Grüße habe ich einstweilen auszurichten.« Dem sorgenvoll auf mich gerichteten Auge der in ihrer Sorge und Angst noch liebenswürdiger als gestern aussehenden kleinen Frau entgieng es nicht, daß dies nicht alles war, was ich ihr zu berichten hatte.
»Mein Gott,« rief sie, »sagen Sie mir alles! Erich ist doch nicht krank? Sie schauen drein wie ein Unglücksbote. Was ist ihm passirt? O quälen
Was sollte ich machen! Sie beruhigen, daß ich ihren Mann körperlich wohl verlassen, daß, was ich gesagt, die Wahrheit sei und sie ihn in einer Stunde frisch und gesund in die Arme schließen könnte. Für das Weitere fand ich noch keinen Muth.
»Gott sei Dank,« rief sie. »Wenn ich ihn nur gesund weiß, dann bin ich der Sorgen ledig. Sie glauben nicht, was ich heute Nacht ausgestanden. Ich sah ihn im Nachen auf der Elbe. Ich stand auf unserm Balkon und winkte ihm. Da erhob er sich und grüßte mich mit beiden Armen, plötzlich verlor er das Gleichgewicht, er strauchelte, fiel… doch es war ja ein Traum; er lebt mir ja, ist ja gesund! O, daß er schon da wäre!«
Ich erzählte, daß ich mit Erich gestern Abend zusammengewesen. Seine Geschäfte nähmen ihn in der That sehr in Anspruch und schienen ihm mancherlei Sorgen zu machen. Auch der Reiche müsse jetzt die Schwankungen an der Börse empfinden.
»O das dumme Geld!« rief Frau Lili dazwischen. erworben werden muß.«
Mit Erstaunen blickte ich zu der jungen Frau auf, die ich nun erst als ein wahres Kind des Glückes erkannte. »Sie sagen da goldne Weisheit. Wohl Ihnen: so werden Sie, wenn Sorge und Noth Sie einmal heimsuchen sollten, gegen ihren Besuch gewappnet sein.«
»Sie sagen das so feierlich!«
»Nun denn; Daß Sie das Ungeheuere auf einmal erfahren. Erich ist über Nacht ein armer Mann geworden. Unglück in Spekulationen, in welche ihn Freundschaft verwickelt, hat ihn seines Vermögens beraubt.«
Die Portière schlug auseinander. Das ernste bleiche Gesicht meines Freundes zeigte sich und richtete seinen fragenden Blick auf mich und dann auf seine Frau.
»Sie weiß es?«
»Ja, Erich, ich weiß es,« antwortete ihre Stimme mit freundlichem Ernst.
Da stürzte er auf sie zu und barg sein Haupt in ihrem Schooß. »Kannst Du mir vergeben?«
»Lieb ich dich nicht, Erich? Geliebter! Nicht Dir kann ich zürnen, noch mag ich zürnen dem Schicksal! Der heutige Tag nimmt mir viel, aber er gibt mir mehr: er macht meine Liebe ebenbürtig der Deinen, er gibt Dich mir doppelt, er gibt mir die Freiheit, Dir endlich zu bethätigen, wie lieb ich Dich habe!«
*___*___*
Wieder war es Mai. Derselbe liegt in meiner Erinnerung jedoch nicht so weit zurück; es war im vorigen Jahre. Mein Weg führte mich nach Berlin in Geschäften; nebenbei hatte ich auch den Zweck, für eine mir befreundete Familie, die auf dem Lande lebt, Möbeleinkäufe zu besorgen. In den Räumlichkeiten eines bekannten Kunstschreiners fiel mir ein Credenztisch von so außergewöhnlich edlem Geschmack im Entwurf, von so liebenswürdiger Ausführung der gefälligen Motive auf, daß ich den mich durch die Ausstellung kostbarer Ausstattungsstücke begleitenden Geschäftsführer unwillkürlich fragte, ob die Zeichnung zu diesem Modell von einem neueren Meister stamme und von wem? – »Vom Architekten Wollheim,« lautete die Antwort. »Nicht wahr, eine schöne Arbeit?«
»Erich Wollheim?«
»Ja wohl, Erich ist der Vorname des Künstlers.«
Es war mein Freund. Ich hatte lange nichts von ihm gehört. Sein letzter Brief hatte mir seine Uebersiedelung nach Berlin gemeldet, wohin ihn zwei lohnende Bauaufträge führten. Das moderne Leben mit seinen tausenderlei zerstreuenden Pflichten läßt seine Söhne nicht zur Pflege von Freundschaftskorrespondenzen kommen.
Es war ein zwar kleines aber schmuckes Gartenhaus in der Vorstadt, vor welchen der Wagen hielt. Als ich den Garten betrat, traf ich ihn voller Leben. Zwei kleine, in gesunder Lebensfülle blühende Kinder tummelten sich auf den Rasenplätzen. Vor der von rothblühenden Bohnenhecken und duftenden Hollunderzweigen umrankten Laube fand ich eine junge rüstige Frau in eine Arbeit vertieft, die sie offenbar ganz in Anspruch nahm.
Es war denn auch keine von den modischen Beschäftigungen, welche unsere Damen mehr um den Schein der Arbeit willen als aus Lust an dieser ergreifen und die ihnen so leicht von der Hand gehen. Die Dame da vor mir hatte alle Ursachen, ihre zwei Augen ungetheilt auf ihre
Und sie war keineswegs betreten über den Eintritt eines Fremden in diesen stillen Winkel häuslichen Schaffens. Mit graziöser Sicherheit stellte sie vielmehr ihr ungefüges Handwerkszeug schnell beiseite, entledigte sich der groben Schürze, die sie zum Schutz über ihr sauberes Hauskleid gebunden hatte, und mich schnell erkennend, trat sie, ein humorvolles Lächeln auf den feingeschnittenen Lippen mir entgegen, mich mit meinem Namen begrüßend.
»Endlich, Sie Ungetreuer! Herzlich willkommen in unserer Klause. Wie wird Erich sich freuen?«
»Aber ich störte Sie, gnädige Frau!«
»Keineswegs! Eine ordentliche Hausfrau
Im gleichen Moment erklang helles Gejauchz von Kinderstimmen an der Gartenthüre. »Der Vater!« –
Es war Erich.
Wir begrüßten uns mit stummer Innigkeit. Als aber jetzt die beiden Gatten einen Willkommenskuß tauschten, bot sich mir in ihnen ein Anblick, der mir mehr sagte als lange Reden.
Dieser ernste kräftige Mann, dessen offenes Antlitz von Güte und inniger Liebe verklärt war; diese Frau mit dem geistig belebten Gesichtsausdruck, in dem alle Mienen Freude und befriedigtes Behagen ausstrahlten – das waren zwei glückliche Menschen.
»Ihr habt Euch in das Leben gefunden. Nicht wahr, es geht auch, ohne den Glanz des Reichthums?«
Erich sah mich leuchtenden Auges an.
»Ihr seid glücklich?«
»Ob wir es sind!« rief da selig die
Erich aber sagte: »Mein Glück heißt – Lili.«