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Nun meine Herren! Sie haben sich doch wohl sehr lange bei meinem Sohne aufgehalten. Wie ist's denn eigentlich mit ihm? Sind Sie hinter seine Krankheit gekommen?
MUSKAT. Je nun! mein lieber Herr Gotthart, was wollte es anders sein als das Malum hypochondriacum? Ja, ja, das Malum hypochondriacum ist's und nichts anders. Alle Zufälle, die der Herr Sohn uns nach der Länge erzählet hat, sind lauter Criteria des Mali hypochondriaci, wie ich Ihnen sage! Lauter Criteria des Mali hypochondriaci: Nicht wahr, Herr Kollege?
KREBSSTEIN. Ja, ja! ganz recht. Wie der Herr Kollege saget. Die Hypochondrie ist es oder, welches einerlei ist, die Melancholie; die Schwermütigkeit; die Passio hysterica; kurz die Milzsucht.
KREBSSTEIN. Eben nicht für einerlei? Allein, was ist denn auch endlich für ein großer Unterschied darunter?
KREBSSTEIN. Ja, ja! wenn man es so gar genau nehmen will: so ist freilich ein solcher Unterschied darunter, als inter caussam atque caussatum; morbum et symptomata. Interim posita caussa ponitur caussatum; posito morbo ponuntur symptomata! et sic vice versa. Nicht wahr?
MUSKAT. Beileibe nicht, Herr Doktor! Ich statuiere gar keine Symptomata. Alle Krankheiten, die Sie mir daher genennt haben, das sind lauter Morbi particulares per se; wenigstens so viel ich die Medizin verstehe. Die Hypochondrie ist eine besondere Krankheit; die Melancholie ist eine besondere Krankheit; die Schwermut ist eine besondere Krankheit: und die Milzsucht ist auch eine besondere Krankheit. Wenn nun also jemand Malum hypochondriacum oder Passionem hystericam complet.
KREBSSTEIN. Ganz recht, mein Herr Doktor! was heißt das aber anders als soviel: die Schwermut oder nach unserer Sprache die Melancholia und die Hypochondrie sind Symptomata von der Milzsucht; die daher, a sede principali, halb lateinisch, halb griechisch, das Malum hypochondriacum heißt? Residet enim sub hypochondriis, teste Hippocrate, Galeno, Paracelso, ac reliquis.
MUSKAT. Ei, beileibe nicht, Herr Doktor! Es sind lauter einzelne Krankheiten; lauter Morbi particulares. Sie haben auch ihre absonderlichen Sedes und Radices. Die Milzsucht hat ihren Sedem in der Milz und entsteht ex obstructione fibrillarum lienis, quae est ipsius materia peccans. Die Hypochondrie hat ihren Sitz sub hypochondriis und entsteht ex stagnatione flatuum sub hypochondriis: unde oriuntur vertigines, atque imaginationes perversae, animus formidolosus atque dubius. Die Melancholie hat ihren Sitz im Geblüte und entsteht ex nimia terrestritate et spissitudine sanguinis: unde oriuntur stagnationes, atque palpitatio cordis. Wie gesaget, es sind alles lauter Morbi particulares et simplices. Zusammen aber machen sie einen einzigen Morbum compositum aus, nämlich das Malum hypochondriacum totale.
KREBSSTEIN. Und nach meiner Nosologo-semiotica sind alle diese Accidentia nichts anders als Symptomata des Morbi splenetici: und ich deriviere ihre Caussas alle aus der einzigen Verstopfung des kleinen Milzgeäders her.
MUSKAT. Nun, da haben wir's! Das macht, mein Herr Doktor, Sie sind noch einer von den alten; ein Stahlianer, ein Empirikus, der besser Rezepte machen als von Krankheiten demonstrativisch räsonieren kann.
KREBSSTEIN hitzig. Und Sie sind ein Burhavianer, ein neuer Mechanicus, ein Scientificus, der den Patienten noch einmal soviel Krankheiten an den Hals demonstrieret, als sie wirklich haben.
Um des Himmels willen, meine Herren, erzürnen Sie sich doch nicht! Ich bin willens, Sie beide bei meinem Sohne zu brauchen, und da wäre mir's lieb, wenn Sie fein einig miteinander sein möchten. Disputieren Sie ein andermal; ich bitte
KREBSSTEIN. Ich rede zu Ihrem und Ihres Herren Sohnes Besten, mein Herr Gotthart. Der Herr Doktor Muskat will ihm mit aller Gewalt vier Krankheiten an den Hals demonstrieren: und ich dächte doch, er hätte an einer genug, zumal da sie soviel gefährliche Symptomata hat.
Ja leider! das dünket mich auch. Einen Betrübten soll man nicht mehr betrüben! Mein Sohn ist ja schon elend genug daran!
MUSKAT auffahrend. Was? was sagten Sie, Herr Doktor Krebsstein? Ich hätte behauptet, unser Patient hätte vier Krankheiten? Was das nun für eine boshafte Fallacia conjunctionis et divisionis ist! Wissen Sie denn nicht mehr inter morbus simplices et compositos zu distinguieren? oder wollen Sie es nicht tun? Sie haben mit lauter Symptomatibus zu tun, und eben das, was Sie Symptomata nennen, das nenne ich Morbos simplices, sive particulares.
Zum Gotthart. Nein, nein mein Herr Gotthart! Ihr Sohn hat nicht mehr als eine Hauptkrankheit; das einzige Malum hypochondriacum hat er und nichts mehr.
KREBSSTEIN lächelnd. Ja, ja! in der Hauptsache sind wir freilich wohl eins. Es war nur ein bloßer Wortstreit, eine pure Logomachie!
MUSKAT hitzig. Freilich war es nichts anders: allein man muß doch seinem Systemati nichts vergeben, wenn man es einmal recht versteht.
Um des Himmels willen, meine Herren, fangen Sie doch ja nicht wieder an! sonst disputieren Sie wieder eine gute Viertelstunde, ob es ein Wortstreit gewesen ist oder nicht. So hat denn also mein Sohn wirklich das Malen hyperondreherum?
KREBSSTEIN. Ja, ja! wie Ihnen der Herr Doktor Muskat gesaget hat, das Malum hypochondriacum mit allen seinen Morbis particularibus.
Nun! dem Himmel sei ewig Dank, daß Sie
Er vergeht mir wie ein Schatten an der Wand. Kein Mensch tut ihm was; und doch fürchtet er sich immer. Wo er sitzet, da sitzet er wie ein toter Klotz, setzt die Hände unter den Kopf und träumet. Sonst wollte er vor Mutwillen aus der Haut fahren; und jetzt kann man ihn nicht lustig bekommen, man mag ihm auch vormachen, was man will.
Wird er aber ja endlich einmal lustig: so ist er wieder lustiger, als es sich für ihn schickt. Im Augenblick aber kriegt er seine Raptus wieder und sitzt wieder da wie eine bretterne Wand. Zuweilen finde ich ihn, daß er sitzt und weinet wie ein kleines Kind. Ach! meine Herren? wenn Sie wüßten ...
KREBSSTEIN. Ja, mein Herr Gotthart, das wissen nicht nur Sie und die ganze Stadt; sondern er hat es uns alles selbst geklaget. Das sind aber eben die Symptomata von der Hypochondrie, deren es zuweilen wohl achtzig bei einem einzigen Menschen gibt.
MUSKAT. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Doktor! das sind die Morbi particulariores, von den Morbis particularibus morbi illius compositi.
Was sollte ich mit dem Menschen endlich anfangen, so lieb ich ihn auch habe? Ich bin schon mehr als einmal willens gewesen, ich wollte ihn irgendwo einkaufen, daß er nur den Leuten aus den Augen käme. Denn ich muß soviel spitzige Nachfragen und anzügliche Reden seinetwegen in mich fressen.
KREBSSTEIN. Ei, beileibe, das nicht! Herr Gotthart. So weit muß es noch nicht kommen! Man muß dem Malo nur beizeiten vorbeugen, damit es nicht weiter um sich greife. Es sind ja noch für alles Mittel in der Welt; nur nicht wider den Tod!
Ach! ich möchte fast wünschen, daß er nur lieber
MUSKAT. Ja, ja! lassen Sie es nur auf uns ankommen, mein lieber Herr Gotthart. Innerhalb Jahresfrist soll er der gesundeste Mensch von der Welt sein.
KREBSSTEIN schüttelt den Kopf. Das war ein bißchen viel geredet, Herr Kollege! Ich werde freilich auch das meinige dabei tun; allein, mein lieber Herr Gotthart, Ihr Sohn muß erst gesund werden, ehe ich ihn recht kurieren kann.
MUSKAT lacht. Ein jeder muß wissen, wieviel er versprechen kann. Der junge Herr Gotthart ist nicht der erste Hypochondrist, den ich in meiner Kur gehabt habe.
Ach ja! ich weiß es, die Herren haben bei dergleichen Kranken schon Wunderkuren getan. Drum habe ich auch das Vertrauen zu Ihnen gefaßt, daß ich Sie zu meinem Sohne habe holen lassen.
MUSKAT. Ach! es kömmt nicht auf die Kranken und auf die Anzahl der Doctorum und Barbiere an! Es kömmt bloß auf die Art an, wie man kurieret. Kein Unglück kömmt allein und also auch keine Krankheit. Für jede Krankheit aber müssen auch eigene Mittel sein. Ich werde Ihrem Sohne, mein Herr Gotthart, für die Hypochondrie allerhand Resolventia und Propellentia; für die Melancholie eine besondere Speciem von einem Kräutertee und ein fleißiges Aderlassen; für die Schwermut Dilventia et Abstergentia und endlich für die Milzsucht kräftige Laxantia et Purgantia auch per vices einige Vomitiva geben.
MUSKAT. Dadurch restituiere ich ihm das Gehirn in statum naturalem; dadurch liberiere ich die Hypochondria von allen flatibus et spasinis; dadurch purifiziere ich ihm das Geblüt von den überflüssigen
particularis terrestribus; dadurch hebe ich ihm die
KREBSSTEIN. Nun, das gestehe ich! Herr Doktor Muskat! Wenn man der Natur so von allen Seiten zusetzet, so kann es nicht fehlen, der Patient muß entweder vollends toll oder vollends gesund werden.
Ach! das gebe doch der Himmel! Brauchen Sie nur alles, was zu brauchen ist; ich will's gern bezahlen. Ich habe doch sonst keinen Erben als diesen einzigen Sohn.
KREBSSTEIN. Nein, mein Herr Gotthart, nein! wo Sie Ihren Sohn auf solche Art kurieren lassen: so kuriere ich nicht mit.
KREBSSTEIN. Laxanzen und Purganzen schwächen den Magen; und der tauget ohnedem bei Ihrem Sohne nichts. Aderlassen ist bei einem so jungen Menschen nichts nütze; er kann sich damit bei einer schweren Krankheit noch einmal das Leben retten. Vomitive sind bei der Hypochondrie ärger als Gift: denn das Brechen ist selbst ein Symptoma dieses Übels. Zum Gehirne aber muß man Ihrem Herrn Sohne vor allen Dingen nicht kommen: denn da sieht es ohnedies schon sehr alteriert aus. Alle diese Salbaldereien sind ihm mehr schädlich als nützlich.
KREBSSTEIN. Seine ganze Krankheit entspringt aus der Verstopfung des kleinen Geäders in der Milz. Man muß also dieses nebst den primis viis zu eröffnen suchen. Hernach gibt sich das andere von selbst.
KREBSSTEIN. Das werde ich so machen: erstlich soll mir der
Ja, ja! mein lieber Herr Doktor! Die Kur möchte ich selbst ausstehen, ob ich gleich frisch und gesund bin. Nur schade, daß mein Beutel sie nicht aushalten kann! Ich habe wohl so etwas vor mich gebracht; aber doch soviel nicht, daß ich meinen Sohn nach der Gesundheit in der ganzen Welt könnte herumreisen lassen.
MUSKAT lacht. Das dünkt mich auch, Herr Gotthart! Meine Medikamente kann man doch noch alle hier in der Stadt haben.
KREBSSTEIN. Der Herr Sohn darf auch nicht selbst in die Bäder reisen. Er kann ja die Brunnen alle hier bei meinem Schwiegersohne im Goldenen Hirsche haben: und ein schönes Glas Wein bei einer lustigen Gesellschaft findet er da auch.
MUSKAT lacht. Aha! da sehen Sie's, Herr Gotthart! Der Herr Doktor Krebsstein verordnet Sauerbrunnen und ein Glas Wein, weil sein Schwiegersohn mit beiden handelt.
KREBSSTEIN. Zu dienen, Herr Doktor! Aber verordnen Sie denn nicht Pulver zu halben Zentnern und Tropfen zu ganzen Eimern: weil Ihr Bruder der Apotheker mit Ihnen Gewinn und Verlust teilet?
MUSKAT besinnet sich. Ei! das ist doch aber eine verzweifelte Sache mit dem ewigen Brunnenwasser! Das muß ich in allen Apotheken sagen. Sie sollen gewiß keine Magenmorschellen und keinen Hippokras zum neuen Jahre mehr kriegen. Er geht drohend ab.
KREBSSTEIN. So sollen Ihnen meine Auditores gewiß dafür die Fenster einschmeißen. Ihr Diener, Herr Gotthart! Er geht ab.
Ei, meine Herren! meine Herren! bleiben Sie doch. Ich habe Ihnen noch viel zu sagen. Ich weiß ja noch nicht, woran ich nun bin. Für sich. Doch sie kommen schon wieder. Er steht und hält die Türe offen.
Was habt Ihr denn so eilig zu laufen? Ihr seid ja kein Mediziner. Wo sind denn die Doktores geblieben?
Ja, das mag der Geier wissen! Sie kamen die Treppe herunter gerennet, als wenn der Henker sie jagete. Drauf flogen sie zur Türe hinaus, der eine zur Rechten, der andre zur Linken, als wenn sie Quecksilber im Leibe hätten. Gelt! dachte ich, mein Herr wird seine Karbatsche bekommen und sie beide tüchtig ausgeklopftet haben!
Nun, das wäre noch besser! Ich glaube gar, Ihr denkt, ich kriege noch auf meine alten Tage solche Raptus als Euer junger Herr?
Sie fluchten aber gar zu sehr, etwas muß ihnen doch widerfahren sein. Ich bleibe darbei, sie haben Stöße gekriegt. Aber der eine muß mehr bekommen haben als der andere: denn sie brummten beständig, daß einer nicht besser wäre als der andere.
Narr! Ihr habt auch mein Tage nichts anders im Kopfe als von Prügeln und Stößen. Und wenn es nun Schläge gesetzt hätte; warum kommt denn Ihr gelaufen? wollt Ihr etwa auch welche haben?
Nein, gehorsamer Diener! Ich wollte Ihnen nur melden, daß ich meinen Herrn werde anbinden, ihm Messer, Gabel, Degen, Hirschfänger, Strumpfbänder, Halstücher, ja Lichtputzen, Tabakspfeifenräumer, Schuhschnallen, Nähnadeln und alles, was ich nur finden kann, wegnehmen müssen.
Ja, Herr Gotthart, Sie glauben es nimmermehr! Es ist ein ganz anders mit Leuten, die im hitzigen Fieber oder in einer Raserei
Wie? Heinrich, könnt Ihr meiner und Eures Herrn so spotten? Ist es nicht genug, daß sich die ganze Stadt mit allerhand Lügen von ihm herumträgt? Ihr dürft wahrhaftig keine neue darzu erdenken! Wie kann doch ein Mensch, der nur noch eine Unze gesunde Vernunft im Kopfe hat, solch närrisches Zeug anfangen?
So wahr ich lebe, Herr Gotthart, es ist die lautere Wahrheit! Sie wissen meines Herrn Zustand noch lange nicht recht; und wer wollte es Ihnen auch so gut sagen können als ich? Ich weiß wohl, wie sauer mir mancher Tag bei ihm wird. Bald muß ich ihm das Fenster zunageln aus Furcht, daß er Lust kriegen möchte, herunterzuspringen. Herr Gotthart schlägt die Hände zusammen. Bald sitzt er in tiefen Gedanken wie ein Stock, und dann fährt er auf und fragt mich: ob er auch was gesprochen hätte. Wenn ich ihm nun genug zugeschworen habe, daß dies nicht geschehen ist, so glaubt er mir es doch kaum. Schreibt er irgendeinen Brief, so bricht er ihn wohl zehnmal wieder auf und sieht nach, ob er auch was Unrechtes hineingeschrieben hat, oder ob er ihn mit Tinte begossen habe.
Geht er einmal aus, und ich bin hinter ihm gegangen, so fragt er mich, wenn wir nach Hause kommen, bald aufs Blut: ob er auch einen jeden tief genug gegrüßt hat, ob er irgendeinem Bauern zu nahe gekommen oder sich mit einem Gassenjungen geprügelt habe, und was der Lappereien mehr sind, dergleichen einem kaum im Fieber träumet. Gehe ich aber nicht mit ihm, so ist der Henker gar los! denn da hat er keinen, den er fragen kann. Da kriegt er denn einen Raptus nach dem andern. Dann weiß ich mir keinen bessern Rat, als daß ich ihn geschwinde im Bette anbinde und ihm nur alles aus den Augen trage. Endlich, wenn er lange genug phantasiert hat, so muß er doch einschlafen.
Nun, das sei dem
Ja, mein lieber Herr Gotthart! woher kömmt's? ist er nicht selbst schuld daran? Das haben wir von unserm Reisen! hätten wir nicht zu Jena so oft ... Er zeigt, wie man aus einer großen Humpe säuft. und als wir zu Halle waren so fleißig ... Er zeigt, wie man zu Dorfe reitet und fähret. so hätten wir einen gefunden Leib und ein gutes Gewissen nach Hause gebracht. Aber so geht's! die hinkenden Boten kommen alle nach.
Heinrich! ich habe es Euch wohl hundertmal befohlen, Ihr sollt mir den alten Unrat nicht wieder aufwärmen. Ich habe es ihm vergeben und vergessen: so könnt Ihr's auch vergessen. Es ist ihm Strafe genug, daß er sich selbst und andern Menschen eine Last ist.
Es ist ja aber die lautere Wahrheit. Woher hat er die närrischen Zufälle alle bekommen, als daß er auf Universitäten seine schöne Natur in den Grund verderbet hat? Lunge und Leber sind ihm angestecket. Der Magen ist verschrumpft. Das Eingeweide ist verschränket: Und wenn ihm die Kolike denn einmal bis an den Hals steigt, so meint er gleich, jetzt wird's aus sein.
Hört, Heinrich, ich befehle es Euch jetzt zum letzten Male: Laßt mir meinen Sohn mit seiner Krankheit zufrieden und haltet das Maul, bis ich Euch frage! Ihr seid sein Diener und nicht sein Hofmeister. Ich glaube, Ihr wollet seine Krankheit noch besser einsehen als die beiden Doktors, die doch auch auf Universitäten gewesen sind.
Ja freilich! Erst waren sie wegen der Krankheit eins; hernach zankten sie sich wieder drüber wie die Fischerweiber, und endlich bissen sie sich wie ein paar tolle Hunde.
Da hätte ich einen Zahnbrecher holen lassen, der ihnen das Gebiß ausgebrochen hätte; so wären sie doch ohne Schaden voneinander gekommen.
Aber Herr Gotthart, warum haben Sie auch zween Doktores holen lassen? Zween Meister vertragen sich ja niemals bei einer Arbeit.
Nun, es ist einmal geschehen. Ich habe es zu meines Sohnes Bestem getan. Vier Augen sehen ja besser als zwei.
Dafür stehe ich Ihnen, mein Herr Gotthart! Sie verschworen sich gar zu sehr, daß Sie Ihre Schwelle nicht wieder betreten wollten.
Nun, so laßt sie laufen, daß ihnen die Beine abfallen! Ich habe mir ohnedem vorgenommen, meinen Sohn selbst zu kurieren.
Mein Herr Gotthart! Ihr Wort in Ehren! Wo Ihnen jemand gesaget hat, daß ich Ihnen je was gestohlen, so schaffen Sie mir meinen Mann: Ich will's ihm ins Gesichte sagen, daß er ein Schelm ist.
Nun, so seid nur stille; aus die Tortur sollt Ihr nicht kommen. Ich frage nicht, ob Ihr reine Finger habet, sondern ob Ihr reinen Mund halten könnet, wenn man Euch was offenbaret?
Ich muß es nur wagen: denn zu der Sache, die ich vorhabe, werde ich Euch auch mit brauchen müssen. Wißt Ihr das?
Ei, so hört doch und laßt mir Zeit, mich ein wenig zu bedenken. Ich will Euch die ganze Sache mit zwei Worten ausführlich erzählen. Seht nur, ich habe einen alten Vetter ...
Ich glaube, Ihr habt einen Affen gesehen, daß Ihr so gut raten könnet. Das ist eben meine Meinung, meines Vetters aus N. Tochter soll er haben.
Freilich! Sie will vor Freuden aus der Haut fahren. Sie hüpft, sie tanzt, sie springt, sie singt und ist eine lebendige Unruhe.
Nun, das ist gut! das ist recht schön! Allein, mein Herr Gotthart! zum Kaufe gehören ihrer zween. Es ist die Frage, ob diese Jungfer einen so mürrischen, tiefsinnigen, ja ich möchte wohl sagen unsinnigen Menschen zum Manne haben will, als mein Herr ist? Der wird ihr wahrhaftig die Lustigkeit bald vertreiben!
Ich sage Euch, die Tochter hat selbst Lust dazu. Sie hat sich's vorgenommen, einen Mann zu nehmen, den sie auch so kurieren könnte, wie ihre Mutter ihren Vater kurieret hat; und wenn er auch noch ärger wäre.
Ei, mein Herr Gotthart! so lassen Sie sie ja morgen herüber kommen und übermorgen Hochzeit halten: denn ich fürchte, ich fürchte! wo sie meinen Herrn erst kennenlernet, sie nimmt ihn nicht!
Drum vertraue ich Euch eben die Sache: daß Ihr im Anfange dann und wann manche von seinen Grillen bemänteln helft oder nur nicht viel Wesens davon machet.
Nun verstehe ich's. Aber warum das? Sie werden ja ehrliche Leute sein; und was sie vorhaben, das ist auch kein Schelmstück.
Das hat alles seinen guten Grund. Mein Sohn kennet weder Vater noch Tochter, und da sollen sie als Fremde, aber Bekannte bei mir einkehren. Da will ich nun sehen, wie sich die jungen Leute miteinander vertragen. Hernach will ich meinem Sohne das Geheimnis entdecken.
Herr Gotthart, der Gerber Grundmann ist drunten. Er hat gehöret, daß Sie vorgestern eine Fracht Ochsenhäute bekommen. Er will etliche Hundert handeln.
Schmutz hin! Schmutz her! grobes Mensch! Nötige ich ihn doch wohl gar auf den samtnen Lehnstuhl. Der Mann ist einer von meinen einträglichsten Kunden. Seht Ihr nicht, was er für große silberne Knöpfe am Rocke hat?
Ja, nun hinterher! Nun will ich es wohl selber tun. Im Weggehen. Heinrich, ich sage es Euch noch einmal ... Er legt die Hand auf den Mund und geht ab.
Heinrich, ich rate Euch, lügt mir nichts vor! Ich erzähle es hernach auf dem Fischmarkte, und wenn es dann nicht wahr ist: so bestehe ich mit Lügen.
Nun, nunmehr sage ich es Euch zum letzten Male: unser Phantast hier im Hause, mein junger Herr, ist ein Bräutigam.
Nun, ich kann es ja wohl glauben. Es ist ja endlich mein Schade nicht. Ich werde doch wenigstens eine schöne Schleppe, ein damasten Leibchen und ein Paar rote Strümpfe davontragen. Wo sich auch denn kein hübscher Kerl in mich verliebt, so hole sie alle der Henker!
Und ich werde eine Livrei bekommen, daß mir alle Mädchen auf der Gasse nachsehen werden. Hört, Kathrine, wo Ihr mir's auch
Potz Velten, nein! Oder kommt mit in die Küche. Ich habe Milch beim Feuer, die wird mir über und über gelaufen sein.
Ende des ersten Aufzuges.
Um des Himmels willen, Heinrich! bleibt doch bei mir; oder bindet mich zum mindesten fest, ehe Ihr von mir geht!
Zum Henker! warum geberden Sie sich denn so wie eine kranke Frau? Haben Sie etwa eine Gräte im Halse stecken?
Ja, Herr Gotthart, wo Sie's selbst nicht wissen, so weiß ich es noch viel weniger! Legen Sie sich nieder und schlafen Sie aus. Ich wollte Sie herzlich gern anbinden; aber ich muß erst ausgehen. Er will gehen Gotthart hält ihn zurück.
Je mit Ihrem Paroxismus! Immer kommen Sie mit dem verwünschten Paroxismus, wenn ich gerade keine Zeit habe, Sie zu warten. Sie wissen ja, daß ich notwendig ausgehen muß.
Haben Sie es denn nicht gehört? Der Herr will nicht haben, daß die fremden Gäste im Gasthofe einkehren sollen. Ich muß ja ihre Kuffer und Sachen hieherschaffen.
Gäste hin! Gäste her! bleibt Ihr bei mir. Was gehen mich die Gäste an? Sie kommen mir gerade zur Unzeit!
Ei, mein lieber Herr Gotthart, nehmen Sie mir das nicht übel: Gehen die Gäste Sie nichts an, so gehen sie mich an. Ein ehrlicher Lakai will auch gern einmal mit Ehren ein Trinkgeld verdienen. Ich muß gehen! Er will gehen.
Ja, das wäre was Schönes! Wenn ich nun nicht hinginge und holte die Sachen nicht, so kriegte ich von den Gästen nichts, und Sie gäben mir hernach doppelt soviel: das heißt, ich kriege von beiden einen Quark. Dabei käme ich trefflich zurechte! Nein! ich gehe! Er will gehen.
Ihr höret ja aber, daß ich Euch nicht gehen lasse! Seht! da habt Ihr einen Gulden! den vertanzt künftigen Sonntag auf meine Gesundheit und bleibt jetzt bei mir. Er hält ihn beim Ärmel.
Ja, Herr Gotthart, das ist alles ganz schön und gut; ich nehme es auch mit Dank an! und wenn nur die Gäste nicht da wären; ich bliebe wohl den ganzen Tag bei Ihnen. Aber jetzt muß ich gehen, oder der Henker wird mir das Licht halten. Er will gehen.
Ich habe es Ihnen ja wohl zehnmal schon gesagt! Ich soll der Fremden ihre Sachen von der Post holen. Sie wissen ja, daß Sie selbst deswegen früher vom Tische aufgestanden sind, und wir armen Menschen, die Köchin und ich, wir haben unsre Mittagsmahlzeit gar bis auf die Nacht verlegen müssen; denn heute abend kriegen wir doch nichts.
Nichts anders, als daß Sie brav gegessen und getrunken und wenig gesprochen haben: welches auch das klügste ist.
Ei! darnach frage ich nicht! Habt Ihr aber nicht in meinem Gesichte eine gewisse ungewöhnliche Verzuckung bemerkt?
Ach! ich sehe wohl, Euch muß man so fragen, wie man die Bauren ausfragt. Ängstlich. Sagt mir doch, Heinrich, habe ich nicht heute bei Tische meinem Vater ein schiefes Maul gemacht?
Bedenken Sie doch nur einmal, wie soll ich's denn wissen! Ich gehe ja bei Tische wohl zehnmal aus und ein. Indessen kann viel geschehen, das ich nicht weiß.
Um des Himmels willen! wenn Sie es getan haben, so müssen Sie es ja selbst am besten wissen: denn betrunken sind Sie ja nicht. Und haben Sie es nicht getan, was fragen Sie mir denn die Seele aus dem Leibe?
Ich sage Euch ja, daß ich es nicht weiß. Ich stehe noch deswegen im Zweifel. Aber ich muß eine Gewißheit davon haben.
Das ist es eben, was mich so martert! Es liegt mir auf dem Herzen wie ein Mühlstein; und wo ich gewiß werde, daß ich mich so sehr vergangen habe, so erhänge ich mich den Augenblick. Er windet die Hände. O Himmel!
Ich sage ja nur, gesetzt! Gesetzt nun, Sie hätten dem Herrn Vater ein schiefes Maul gemacht: wer weiß, ob er es auch gesehen hat?
Gesetzt nun, daß er sich's auch zu Gemüte gezogen hätte; wer weiß, ob er's Ihnen nicht schon wieder vergeben hat?
Je, warum denn nicht? Und wenn er es Ihnen auch nicht vergäbe, wollten Sie sich denn darüber gleich erhenken?
Ja freilich! was wollte ich anders machen? Mein Vater würde mich doch gewiß enterben. Wenn er mich nun enterbte, so würde ich hier aller Menschen Spott. Kein Mensch würde sich meiner annehmen. Zivildienste kriegte ich nicht, und zum Kriege tauge ich nicht. Ich müßte also betteln gehen. Wenn ich betteln ginge, könnte ich leicht Hunger leiden: wenn ich Hunger litte, könnte ich leicht stehlen: wenn ich stöhle, könnte ich leicht aufgehangen werden: und ehe ich mich von einem Scharfrichter hängen lasse, eher ...
O ja! ebenso richtig als meines vorigen Herrn seine. Der ging niemals in die Kirche; denn er schloß so: wer in die Kirche geht, der kann leicht fallen. Wer fällt, der kann leicht ein Bein brechen. Wer ein Bein bricht, der kann leicht ein Krüppel werden. Ehe ich also in tausendfache Not gerate: so gehe ich lieber nicht in die Kirche.
Ei! ich mag nichts mehr hören! Bedenken Sie doch nur einmal: die ganze Ursache, warum Sie sich erhenken wollen, ist diese: weil Sie besorgen, Sie möchten den alten Herrn Gotthart böse gemacht haben. Aber wenn Sie sich nun erhenkten: würden Sie ihn da nicht noch zehnmal böser machen? He? was meinen Sie?
Ja, Ihr mögt schwatzen, wie Ihr wollt! Ich muß wissen, ob ich meinem Vater ein schiefes Maul gemacht habe oder nicht. Ehe werde ich nicht ruhig: und sollte ich ihn auch selbst darnach fragen.
Sei'n Sie doch nicht wunderlich! Wenn ich einem eine Maulschelle gegeben hätte, wie wollte ich doch ihn selbst ...
Nun, das ist Euer Glück, Heinrich, daß ich Euch hier bei meinem Sohne finde; sonst setzte es heute gewiß zum ersten Male Schläge. Ich stehe vor der Türe und warte wie ein Narr, ob Ihr mit den Sachen von der Post kommt. Endlich, da ich lange genug Schildwacht gestanden: so höre ich, daß Ihr noch nicht einmal aus dem Hause seid.
Verzeihen Sie es ihm, liebster Herr Vater; ich bin allein schuld, daß er noch hier ist: und wo Sie deswegen ungehalten sind, so zürnen Sie mit mir. Ich habe ihn nicht von mir lassen können. Er küßt dem Vater die Hand.
Ja gewiß, ich wäre schon längst hin und wieder zurück;
Nun, so will ich jetzt lieber selbst bei dir bleiben, ehe ich es in der Höflichkeit wider die Fremden verstoße. Heinrich, lauft und schafft die Sachen von der Post her und macht an die Gäste meine Empfehlung: ich hoffte doch, sagt nur, daß es bei der Abrede bleiben, und sie bei mir fürlieb nehmen würden.
Heinrich! noch eins. Sagt der Kathrine, sie sollte alles hübsch auskehren und rein machen, damit die Gäste nicht sagen, man könne es doch gleich sehen, wenn man zu einem Witwer käme: so unsauber sähe das Haus aus. Hört Ihr's?
So sage mir doch, mein Sohn, was fehlt dir denn nun schon wieder? Ich dachte, heute solltest du mir einmal recht lustig sein?
Ach allerliebster Herr Vater! vergeben Sie es meiner Schwachheit, wofern ich mich an Ihnen versündiget habe!
Stehe auf, mein Sohn! steh auf! du weißt ja, daß ich dir einmal versprochen habe, alles zu vergessen und zu vergeben. Ich will aller der Dinge nicht mehr gedenken.
Ach! freilich haben Sie mir wohl das Vergangene gütigst vergeben! allein heute habe ich mich wohl allzu gröblich an Ihnen versündiget, Herr Vater!
Womit denn? Du hast ja fast kein Wort geredet. Ich hätte es lieber gesehen, du wärest muntrer gewesen, als daß du so tiefsinnig dasitzest und keinen Laut von dir gibst.
Ei! nicht doch! Ich habe dich fast die ganze Mahlzeit über angesehen und mich gewundert, daß dir das Gesicht immer in einerlei Falten geblieben ist.
Nun, gottlob! da fällt mir ein schwerer Stein vom Herzen! Meine ganze jetzige Unruhe, Herr Vater, rührte bloß daher, daß ich mir einbildete, ich hätte Ihnen über Tische ein schiefes Maul gemacht.
Nun! das wäre freilich grob genug gewesen! Aber sage mir einmal, Ernst, wie kömmst du immer mehr auf solche Gedanken, da du doch, wie ich sehe, Furcht un Liebe gegen mich hast?
Ach! liebster Herr Vater, vernünftig kann ich Ihnen darauf nicht antworten! solche närrische Einfälle kriege ich täglich mehr als tausend; und da hilft keine vernünftige Vorstellung.
Aber Ernst, solange du noch eine gesunde Vernunft hast, so kannst du ja wohl sehen, daß es lauter Possen sind.
Das ist eben meine ganze Krankheit. Ja, ich bin schon froh, wenn es nur so bleibt, daß die Vernunft nur noch im Gleichgewichte steht: denn wo meine Phantasie einmal stärker wird als die Vernunft, so bin ich hin!
Ach! die guten Leute! die haben mich heute fast zu Tode damit gequälet, daß ich mir ein ruhiges und fröhliches Gemüt anschaffen soll.
Ja, das haben sie mir auch gesagt; und mich dünkt, das ist auch wohl der beste Rat. Denn, sie sagten, ihre Arzeneien schlügen sonst nichts an.
Ja, so mögen sie nur lieber alle fortbleiben! Bedenken Sie es nur selbst, Herr Vater, ich soll ein fröhliches, ruhiges Gemüt haben, ehe sie mich kurieren können; und in der Schwermut besteht eben meine ganze Krankheit.
Aber, lieber Ernst, warum bist du nun schwermütig? Es fehlt dir ja in der Welt an nichts. Du mußt dir nur immer was Gutes vorstellen, und wenn du es auch gleich nicht hast.
Und ich stelle mir gerade immer was Böses vor: was mir oft gar nicht einmal zustoßen kann. Darüber vergesse ich alles Gute, was ich wirklich besitze oder doch haben könnte.
Ich wollte, daß sie auf dem Blocksberge wäre! Nun muß sie mit ihrem Abschiednehmen kommen, da ich eben gute Freunde bei mir habe. Sie verderbt uns die ganze Gesellschaft.
Ei! mit der verdrießlichen Visite! Hört, Kathrine! sagt: ich ließe die Frau Kreuzin schön grüßen, und ich wüßte wohl, daß sie nicht gern bei vielen Leuten wäre; ich hätte aber heute etliche
Mein Herr Vater, wo Ihnen dieser Besuch nicht gar zu sehr zuwider ist, so lassen Sie sie immer kommen! Ich wollte sie doch gern einmal sprechen. Sie hat überaus viel wider das Hypochondriacum gebraucht; ich möchte doch gern hören, was ihr am besten bekommen ist.
Nun, Ernst, den Besuch nehme ich bloß dir zuliebe an. Nun tue du mir auch den Gefallen und sei hübsch lustig und munter, daß meine Gäste von deiner Krankheit nicht viel merken.
Ihr Diener, Herr Doktor! Ich dachte, Sie würden gar nicht mehr wiederkommen, weil Sie vorhin so zornig weggingen.
KREBSSTEIN. Ei! Herr Gotthart, das habe ich nach der menschlichen Schwachheit und nicht nach meinem medizinischen Gewissen geredet.
Ja, wenn mir nur Ihr Beistand was nützte, Herr Doktor: aber bisher bin ich noch wenig davon gebessert gewesen. Nehmen Sie mir das nicht übel.
KREBSSTEIN. Ja, das macht, Sie haben so viele Arzeneien eingenommen, die Ihnen der Herr Doktor Muskat verordnet hat. Das Zeug ist Ihnen wie lauter Gift im Leibe!
KREBSSTEIN. Ei, Arzeneien und Arzeneien ist wieder was anders! Ich meine die Tränke, die Pulver, die Tropfen, die Pillen, die Klistiere, die Magenpflaster und alle Schmieralien. Das Zeug ist zu nichts nütze, als den Apotheker reich und den Kranken arm und elend zu machen.
KREBSSTEIN. Sie können es als ein paar vernünftige Leute, meine Herren, selbst begreifen. Der Mensch hat fast einen Eimer voll Blut im Leibe. Was wollen nun zwanzig oder vierzig, ja lassen Sie es auch sechzig und siebzig Tröpfchen Arzenei sein, in einer so großen Menge Bluts wirken? Was soll doch eine Messerspitze Pulver ausrichten? Das Zeug bleibt im Magen liegen, und der kranke Teil empfindet nichts davon. Ist's nicht wahr?
KREBSSTEIN. Nun, sehen Sie! drum will ich Ihnen eben eine Arzenei eingeben, die Ihnen gewiß Ihren ganzen Körper durchdringen muß. Drei Kannen müssen doch wohl mehr verschlagen als ein halber Löffel voll!
KREBSSTEIN lächelnd. Ja, ja, drei Kannen! Aber gute Tröpfchen! Rechte schöne Tröpfchen! Er zieht ein Glas aus der Tasche. Sehen Sie?
KREBSSTEIN. Ja, ja! mit Wein und Wasser. Er zieht wohl ein Dutzend kleine Fläschchen aus den Taschen. Sehen Sie, hier habe ich Ihnen Proben von allerlei Brunnen mitgebracht und zu jedem Brunnen eine Probe Wein, die dazu getrunken werden muß. Sie sollen die Brunnen nur einmal kosten, Herr Gotthart. Sie schmecken gar nicht übel.
KREBSSTEIN gibt ihm ein Fläschchen mit Wein. Kosten Sie einmal diesen Wein, Herr Gotthart. Er ist von Anno 1718.
Da mußt du ein besser Geschicke zum Kranksein haben als ich. Ich würde vor Abscheu gegen die Arzeneien gesund.
KREBSSTEIN gibt Herrn Gotthart noch ein Fläschchen. Da, kosten Sie einmal diesen Wein: Der gehört zum Pyrmonter Brunnen.
Pfui! weg mit dem Zeuge! Es ist eine Sünde, den schönen Wein damit zu verderben. Wenn ich meines Sohnes Krankheit hätte, so tränke ich den Wein allein und ließe Brunnen Brunnen sein.
Der Egersche schmeckt noch besser. Gelt, mein Sohn! die Brunnen schmecken aus meinem Fläschchen besser als aus deinem?
Gewiß, Herr Vater, diese Brunnen schmecken doch besser als eine Arzenei, die ich noch eingenommen habe.
Und mir gefällt es daran, daß sie doch noch deutsche Namen haben, die ein Christenmensch verstehen kann. Er zieht eine große Rechnung von etlichen Bogen aus der Tasche. Sehen Sie nur, Herr Doktor, was das hier für arabisches Zeug ist. Es sieht nicht anders aus als ein Zauberzettel, womit der Teufel beschweret werden soll. Sonne, Mond und Sterne und alles Henkerszeug hat mein Sohn in den Leib gekriegt; und das soll ich nun so teuer bezahlen.
KREBSSTEIN nimmt die Rechnung. Ja, ja! die Apothekerzettel sehen nicht anders aus. Er blättert darin. Hat der Herr Sohn alles das eingenommen?
KREBSSTEIN. Ja, ja! mich wundert's, daß Sie noch leben. Hätten Sie das Geld meinem Schwager zugewandt, so wären Sie schon gesund.
Da sagt aber Herr Doktor Muskat nein dazu. Er spricht, die Brunnen wären meinem Sohne so schädlich wie Gift.
KREBSSTEIN. Das macht, er will nur den Apotheker reich machen. Und ich sage Ihnen, die Tropfen und Pulver, und was hier auf dem Zettel steht, das ist Gift für Ihren Herrn Sohn gewesen.
KREBSSTEIN. Um Ihr Gewissen zu retten, so müssen Sie meinem Rate auch folgen, wie Sie dem Doktor Muskat gefolgt sind.
KREBSSTEIN steht auf. Das tun Sie, Herr Gotthart, und trauen mir als einem redlichen Manne, daß außer der Brunnenkur kein Rat für Ihren Herrn Sohn ist. Ihr Diener, leben Sie wohl.
Ja, mein lieber Ernst, du tätst mir einen großen Gefallen, wenn du allen beiden zum Possen von dir selbst gesund würdest.
Wenn es nur so bleibt, als es jetzt ist, so hoffe ich noch wohl ... Er drängt sich dicht an seinen Vater an.
Was ist dir, Ernst? Was hast du nun schon wieder für eine Grille? Weg damit! kleide dich geschwinde anders an. Und komm dann hinunter. Ich will indessen die Fremden erwarte Er will abgehen.
Hilf, Himmel! Ernst! kömmst du denn gar von Sinnen? Eine Wolke im Zimmer? Du bist ja nicht auf dem Blocksberge?
Ach! welch ein Kreuz ist das nicht, wenn man solche Narrheiten geduldig anhören muß! Ich bitte dich, Ernst, laß dir doch solche Fieberträume nicht einkommen! Was wäre denn hier für eine Wolke in der Stube? Ich sehe ja nichts als die Türe?
Ei! wenn es darauf ankömmt, so gib mir die Hand. Ich will dich auf deine Stube führen. Wir wollen sehen, daß wir trocken durchkommen.
Ende des zweiten Aufzuges.
Ja, mein Herr Gotthart, ich und der Kaffee, wir sind fertig. Wo sonst nichts mehr fehlt, so können Sie sie nur herbringen.
Nun, so will ich sie holen ... Aber ... es ist gut, daß ich eben dran denke, Heinrich: hättet Ihr mir heute zu Mittage nicht bald den ganzen Handel verderbt?
Daß Ihr den Brief von den Fremden meinem Sohne gabt. Wenn er ihn nun erbrochen hätte; da würde es schön verschwiegen gewesen sein. So nachlässig seid ihr Leute!
Je, mein Herr Gotthart, wie konnte ich wissen, daß der Brief an Sie wäre! Es stand ja Monsör drauf; und solche alte Leute, wie Sie sind, die heißen nicht mehr Musge.
Ja, warum nicht? und wann ich auch einem Bürgermeister schriebe, so würde ich ihn doch Monsieur nennen. Monsieur heißt soviel als Herr.
So? Ja, jetzt besinne ich mich. Das Mädchen, die ihn brachte, sagte auch, er wäre an den Herrn. Indessen jetzo heißt doch alles Herr, was nur zween Beine am Leibe hat. Wer kann sich in soviel Herren finden?
Jawohl! wenn Ihr nur nicht so unachtsam wäret. Habe ich Euch nicht hundertmal gesagt, wenn Briefe kämen, darauf mein Name steht, so sollt Ihr sie mir zuerst bringen?
Nun, da sieht man's! So manches Haus, so manche Weise!
Ja, der junge Herr mag ein lustiger Kauz gewesen sein! Gottlob! daß mein Sohn zu solchen Streichen nicht geneigt ist! Aber, potztausend! daß der Kaffee nicht kalt wird! Ich muß gehen. Er geht ab.
Ei! ich dächte, Sie hätten sich unten schon zur Genüge gewiesen, daß Sie komplimentieren können. Haben Sie noch nicht genug? Nun, Frau Kreuzin, setzen Sie sich hier in den Lehnstuhl.
So recht, meine Tochter! alt bei alt und jung bei jung. Kommen Sie, Frau Kreuzin! Ich will mich neben Sie setzen: und Herr Gotthart bleibt bei uns. Das junge Paar wird sich schon miteinander vertragen. Sie setzen sich alle.
Das ist wahr! der Kaffee bleibt doch noch immer Mode wie das liebe Brot! Ich habe ihn aber doch nun in sechs Jahren nicht getrunken.
Nein; seitdem ich mit dem Herrn Vetter von der
Nun gut! Sie sollen gleich Tee bekommen. Wollen Sie indessen mein Haus und Gewölbe besehen, Herr Vetter? so will ich Sie herumführen. Ich trinke auch nicht gern Kaffee: ich kann nicht gut darauf schlafen.
Von Herzen gern, Herr Vetter. Er steht auf. Ich habe ohnedem etwas von Handelssachen mit Ihnen zu reden.
Nun, so kom men Sie, Herr Vetter. Mein Sohn! vertreibe indessen dem Frauenzimmer die Zeit mit allerhand lustigen Gesprächen. Wir alten Männer wissen nicht mehr mit ihnen umzugehen.
Es ist gut, daß ich das höre. Ich will auch keinen mehr trinken. Er gibt dem Heinrich die Tasse wieder hin.
Ach, leider! mehr als zu viel! Ich heiße Kreuzin und habe auch mein Kreuz. Seitdem ich Witwe bin, habe ich das Unkraut am Halse.
Nun! so werde ich doch einmal recht hören können, wie es denn eigentlich mit der Hypochondrie beschaffen ist. Mein Vater hat zwar ehemals auch diese Krankheit gehabt: allein, seit er
Ach! spotten Sie nur nicht, Jungfer Fröhlichin! Wohl dem, der es niemals erfahren hat! Es kann keine Todesangst größer sein.
Ja freilich, Frau Kreuzin! ich wollte gern einen Mühlstein zehn Meilen weit tragen, wenn ich dies Unglück nur damit loswerden könnte.
Ja, das weiß ich gewiß selbst nicht; aber was ich fühlen und leiden muß, das weiß ich mehr als zu wohl. Bedenken Sie nur, wie mir's gestern gleich nach dem Kaffee erging. Meinem Bedünken nach war ich ganz frisch und gesund: mit eins steigt mir ein Dampf in den Kopf, daß ich dachte, er würde mir in tausend Stücken springen. Ich konnte nicht anders denken, als daß mir alle Adern bersten müßten. Kaum besorgte ich das, so borste mir wirklich eine Ader hinten im Kopfe. Da sah ich nun den lebendigen Tod vor Augen. Ich wollte meine Leute rufen: allein, ich fiel nieder und blieb tot. Ja, es kam mir nicht anders vor, als daß ich im Sarge lag, und ich ärgerte mich nur, daß mir die Leute die eine Manschette anders gekraußt hatten als die andere.
Den Augenblick aber erwachte ich und sah, daß ich noch lebte. Bedenken Sie nun, wie mir zumute war! Ich wußte wahrhaftig in einer ganzen Stunde nicht, ob ich lebte oder tot wäre? Können Sie nun wohl glauben, daß die rechte Todesangst was Ärgers sein könne?
Gewiß nicht: denn es ist eben die leibhaftige Todesangst gewesen, die man bei Leuten findet, welche nicht gern sterben wollen. Allein, es ist doch bloß ihre eigene Einbildung schuld daran gewesen.
Ei, Frau Kreuzin! das ist noch gar nichts. Mir ging es vor vierzehn Tagen noch viel ärger. Ich wär auf meiner Stube und
Hören Sie nur weiter. Als ich mich nun lange genug besehen hatte und das Gedärme mit aller Gewalt wieder hinein haben wollte, so sah ich, daß das Bersten nichts anders war, als daß ich mir in der Angst die Weste ausgerissen hatte.
Ei! es war nur desto schlimmer! Ich laufe den Augenblick zu meinen Büchern und schlage nach, was ich für ein Crimen begangen haben möchte, wenn ich den alten Mann wirklich zu Tode gesehen hätte, und was darauf für eine Strafe stünde? Ich machte mir in Gedanken den ganzen peinlichen Prozeß, beantwortete die Inquisitionsartikel, führte meine Defension pro avertenda; sprach ein Urteil über mich und stand die ganze Tortur nach allen Graden glücklich aus ...
Hören Sie nur: den Augenblick kömmt der alte Mann auf meine Stube, und da sehe ich nicht nur, daß er noch lebt: sondern daß es unser alter Holzhacker ist, der unten im Keller wohnet, und von dem ich weiß, daß er sonst mit dem Schlagflusse behaftet ist. Sagen Sie nun, ob man für solche Todesangst nicht lieber einen Mühlstein schleppen möchte?
Nun, Herr Vetter! wo Sie mir das im Ernste gesagt haben, so lache ich Sie dafür tapfer aus. Mit der Frau Kreuzin hatte ich noch einiges Mitleiden: aber mit Ihnen? das ist ja gar zu arg! Zum Henker! glauben Sie es denn etwan noch Ihrer Amme zu Ehren, daß es Basilisken gibt, die vor sich selbst zerbersten? Warum spiegeln sich die Gecken? Ich habe gedacht, das Märchen von den
Um des Himmels willen, Jungfer Muhme! scherzen Sie nur nicht gar zu sehr. Wenn es vorbei ist, so sehe ich es ebenso gut, daß es lauter leere Einbildungen sind. Allein, wenn einem gleichwohl solche Vorstellungen einfallen ... Er schüttelt den Kopf.
Ja! da haben Sie wohl recht, Herr Gotthart. Ich erfahre es leider zur Genüge an mir. Sind Sie denn Herr über Ihre Gedanken, Jungfer Fröhlichin?
Ei! wie wollte mir doch so was einfallen können? Es ist ja eben, als wenn ich mir einbilden wollte, Sie wüßten anjetzt, was ich von Ihnen denke.
Ja, da kommen Sie eben auf den rechten Punkt! Meinen Sie denn, daß man sich das nicht auch vorstellen kann? Ach, das versalzet mir manche Gesellschaft! Ich sitze manchmal bei einem Besuche und beiße mir fast die Lippen entzwei aus Furcht, ich möchte sagen, was ich dächte. Gleichwohl, wenn ich nach Hause komme, so ängstige ich mich doch noch ganze Wochen lang, ob die Leute auch möchten erraten haben, was ich denke?
Nun, das gestehe ich, Frau Kreuzin! Auf diese Art sind Sie freilich bedaurenswert! Nein. Das Lachen muß ich wohl oft verbeißen; aber mit dem Sprechen habe ich keine Not. Wenn ich nicht reden will, so sage ich gewiß kein Wort.
Ja, meine liebe Jungfer Muhme! Sie richten uns nach sich. Aber Sie haben ja kein Malum hypochondriacum.
O das ist mir auch von Herzen lieb! Wissen denn aber die Hypochondristen gar nicht mehr, was sie tun?
Nein, Jungfer Muhme, ich weiß zum mindesten niemals gewiß, was ich tue. Mir kann ein jeder einbilden, was er will. Sagt man, ich habe das Podagra, so kann ich gleich auf keinem Fuße mehr stehen. Sagt man: ich hätte die Schwindsucht, so fühle ich gleich den Schmerz in der Lunge. Sagt man, ich sähe elend aus, so verliere ich den Augenblick meine Gestalt.
Ei! was wollte es doch lustig sein! Denken Sie nur, als Sie vorhin mit der Frau Kreuzin redeten, so fiel mir ein, ich hätte
MUSKAT. Ihr Diener, mein Herr Gotthart. Ich bin zwar vorhin mit einigem Unwillen von hier gegangen; allein wenn ich es recht bedenke, so ist's doch eine Gewissenssache, daß ich Sie so gar verlassen soll.
Ach, lieber Herr Doktor, ich liege an einerlei Krankheit mit dem Herrn Gotthart. Geben Sie mir doch immer einen guten Rat, mein Herr Doktor!
Ach! ich möchte fast sagen, alles! Ich habe den Selzer, den Pyrmonter, den Egerschen Brunnen gebraucht ...
MUSKAT. Da haben wir's! mit dem verwünschten Wasser! Ich sage es Ihnen, das Wasser ist den hypochondrischen Leuten wie ein Gift. Nehmen Sie doch um des Himmels willen, Herr Gotthart, meinen Rat an, und trinken Sie keine Brunnen: sonst sind Sie des Todes.
Endlich bin ich es überdrüssig geworden und habe mir jetzt vorgenommen, eine Reise nach Hamburg zu tun: ob mir etwa die dortige Luft besser bekommen möchte als die hiesige. Sie schieben doch alle meine Krankheit auf die hiesige Luft.
MUSKAT. Indessen kann Ihnen die Veränderung und Bewegung auf der Reise schon gut bekommen. Ich will Sie heute oder morgen einmal besuchen, Frau Kreuzin.
Mein lieber Herr Doktor, in zwo Stunden bin ich nicht mehr hier. Der Wagen steht schon vor meiner Türe.
MUSKAT. Ei! das ist schade! Sie müssen doch etwas mit auf die Reise nehmen. Es könnte Ihnen ja unterweges was zustoßen.
MUSKAT. Ei! mein lieber Herr Gotthart. Sie haben oben noch soviel Arzeneien stehen, die ich Ihnen bisher verschrieben habe. Es ist fast noch alles da. Lassen Sie sie doch herunterholen. Ich will geschwinde eine Komposition für die Frau Kreuzin zusammengießen. Man kann doch die arme Frau nicht unterweges darben lassen.
MUSKAT. Das sage ich eben nicht. Ich sage nur, manchmal ist die Veränderung der Luft ein besser Mittel als die Luft selbst. Es kann sein, daß Sie sich dort besser befinden: es kann aber auch wohl nicht sein.
Den Gesunden ist alles gesund. Sollte nicht den Hypochondristen auch alles hypochondrisch sein, Herr Doktor?
MUSKAT. Soso! mein Freund. Setzt es nur hieher. Er rückt sich einen Stuhl an den Tisch und setzt sich nieder. Nun, meine liebe Frau Kreuzin, nun klagen Sie mir Ihre Not! Was fehlt Ihnen denn eigentlich? Er nimmt ein großes leeres Tropfenglas in die Hand.
MUSKAT. Gut, gut! Er nimmt eins von den Tropfengläsern, macht es auf und schmeckt; macht aber ein garstig Gesicht und speit aus und gießt etwas in das große Glas hinein. Nun? worüber klagen Sie noch mehr?
MUSKAT. Gut, gut! Er nimmt ein ander Glas, macht's auf, kostet, macht ein garstig Gesicht, speit aus und gießt ein. Was fehlt Ihnen denn noch mehr?
MUSKAT. Gut, gut! Er nimmt ein ander Glas, macht's auf, kostet's, macht ein garstig Gesicht, speiet aus und gießt ein. Was fehlt Ihnen weiter?
MUSKAT. Für die Kopfschmerzen wollen wir ein Pülverchen nehmen. Er macht ein Päckchen Pulver auf, kostet's, speit aus und schüttet eins hinein. Was fehlt Ihnen mehr?
MUSKAT. Gut, gut! Er nimmt ein ander Glas mit Tropfen und macht es wie vorhin. Was fehlt Ihnen denn noch sonst?
Ach! mein lieber Herr Doktor, ich muß mich immer mit solchen seltsamen Gedanken plagen. Bald bilde ich mir ein, daß mir eine Ader gesprungen ist.
Der junge Herr Gotthart erzählte vorhin, daß er sich eingebildet, er hätte Basiliskenaugen. Das geht mir nun im Kopfe herum. Wenn es nun wahr wäre, was könnte ich hier nicht für ein Unglück haben!
MUSKAT. Gut, gut! Er nimmt ein Glas mit Tropfen, macht es wie vorhin und gießt damit sein Glas voll. Herr Gotthart, Sie möchten immer was einnehmen für Ihre Basiliskenaugen.
MUSKAT. Ja, meine liebe Frau Kreuzin, nunmehr muß Ihnen nichts mehr fehlen! Mein Glas ist ganz voll. Er bindet es zu.
Ach! wenn es mir nur für alles das hilft, was ich Ihnen geklagt habe, so will ich gern zufrieden sein.
MUSKAT gibt ihr das Glas. Nun, da haben Sie dies, nehmen Sie davon fünfzig bis sechzig Tropfen ein, so oft Ihnen was vorkömmt, und haben Sie einen guten fröhlichen Mut und ein gelassenes Gemüt dabei.
Ja, mich dünkt auch, wenn der fröhliche Mut in dem Glase wäre, so könnte das andere alles daraus gegossen werden.
MUSKAT zur Jungfer Fröhlichin. Spotten Sie nur nicht! Ich Hypochondriaci geworden sind.
MUSKAT. Ja, ich muß noch zu einer Wöchnerin gehen. Leben Sie wohl, Frau Kreuzin! ich wünsche Ihnen eine glückliche Reise.
MUSKAT nimmt's. Nun, so danke ich sehr schön. Herr Gotthart, weil Sie itzt Gesellschaft haben, so besuche ich Sie schon ein andermal. Er geht ab.
Ach! ich wollte, daß ich nur schon da wäre. Ach, die böse, dicke, schwermütige Luft hier in der Stadt!
Ja! nun soll gar die Luft schuld haben. Bedenken Sie nur, haben Sie denn in Hamburg nicht so gut Winter Sommer, Frühling und Herbst als hier?
Ach! alle hamburgische Doktors, die ich um Rat befragt, die haben alle Schuld auf die hiesige Luft geschoben; und wem soll man mehr glauben als ihnen? Aus Eigennutz werden sie's doch nicht sagen.
Ei, das ist artig! Und wenn Sie nun in Hamburg die Hypochondrie bekommen hätten; wäre denn die dasige Luft nicht schuld daran?
Ja, das glaube ich! denn Hamburg ist eine andere Stadt als diese, und diese Stadt ist ein anderer Ort als Hamburg. Es ist eben solch ein Unterschied darunter als zwischen meiner Andrienne und Ihrer Andrienne. Es ist aber doch beides eine Andrienne.
Ja! und so wie Ihnen meine Andrienne nicht passen würde und mir Ihre nicht: so ist auch nicht allen Menschen eine jede Luft gesund. Denn so wie ...
Ach, es ist gut, daß Sie wiederkommen, meine Herren! Ihre Jungfer Tochter hat uns beide hier zum besten.
Ei, Herr Vater! die Frau Kreuzin und der Herr Gotthart erzählen mir auch soviel kurzweilige Sachen von ihrer Hypochondrie, daß ich das Lachen unmöglich verbeißen kann.
Du mußt aber auch nicht gar zu lustig sein, meine Tochter: insonderheit auf anderer Leute Unkosten. Es mag dir wohl nur so kurzweilig vorkommen.
Ach! das sind wir von den sanguinischen Temperamenten schon gewohnt. Sie sind wie die Heiden und lachen über alles.
Sagte ich's nicht, daß sie gelehrt redeten. Sie sprechen ja gar von Temperamenten. Da scheide ich heraus!
Nun, wie steht's? Sind Sie auch wohl bewirtet worden? Befehlen Sie nicht etwa noch ein Schälchen Kaffee?
Ach! wir sind so tief in die hypochondristischen Gespräche geraten, daß wir den Kaffee darüber vergessen haben.
Nun, Heinrich, so macht, daß wir jetzt Tee bekommen. Heinrich gießt Wasser auf und macht den Tee zurechte. Nun, mein Sohn? wie ist's? wie sitzest du da, als wenn du träumest?
Ich, Herr Vater? ich ... dachte ... ich stünde auf einem Turme, und da dachte ich, wenn ich nun den Schwindel kriegte ...
Nein, Heinrich! für mich danke ich. Ich trinke keinen Tee auf den Kaffee. Wer wird wohl den Knecht auf den Herrn setzen?
Nun, Heinrich, so gebe er mir's her. Ich halte keine so gewissenhafte Rangordnung unter Tee und Kaffee. Und soll ja der Kaffee der Herr sein, so mag er auch einen Diener hinter sich haben: so hat es doch ein Ansehen.
Ja, ja. Einem gesunden Magen ist alles gesund. Aber ein hypochondristischer Magen, der ist von lauter Postpapier. Man muß mit ihm umgehen wie mit einem Spinngewebe.
Nein, mein Magen ist wie ausgepicht. Weich und hart, kalt und warm, süß und sauer, alles durcheinander. Das tut mir gar nichts!
Ja, ja! das ist sehr gut für den, der ihn hat; aber allen Leuten ist das nicht gegeben. Sie steht auf, die andern auch.
Ja, es wird Zeit sein. Ich habe noch ein paar Visiten zu machen. Ich danke Ihnen, daß Sie mir haben erlauben wollen, meinen Abschied von Ihnen zu nehmen.
Ihre Dienerin. Nun, so will ich meine Komplimenten bis unten versparen. Leben Sie wohl, Jungfer Fröhlichin! Leben Sie wohl, Herr Gotthart, und folgen Sie mir bald nach Hamburg! Leben Sie wohl, Herr Fröhlich! Es ist mir lieb gewesen, daß ich die Ehre gehabt habe, Sie kennenzulernen.
Leben Sie wohl und beständig vergnügt, Frau Kreuzin. Wenn ich nicht hier dem Herrn Vetter Gesellschaft leisten müßte, so wollte ich Sie auch begleiten.
Die Jungfer Muhme sagte es vorhin, Sie hätten sie zwar gehabt, aber Sie wären sie auch glücklich wieder losgeworden.
Ei! Herr Vetter, meine Tochter hat Ihnen nur was weismachen wollen! Sie ist ein leichtfertiges Mädchen: das sehen Sie ja wohl.
Nein, Herr Vetter, ich danke. Ich habe unten Ihres Herrn Vaters Palmsekt versucht, und da mag ich mir den Geschmack nicht verderben.
Nun, Herr Vetter, den Sermon sollten Sie gehöret haben! Meine Tage habe ich ein so lustiges Abschiedskompliment nicht gehöret. Es war mehr eine juristische Protestationsschrift als ein Kompliment. Sie hat wohl hundertmal protestiert, wofern sie etwas gesprochen hätte, das mir nicht angenehm gewesen wäre, so wollte sie es doch nicht in der Absicht gesagt haben, mich zu beleidigen. Ich wollte wohl darauf schwören, daß Sie sie mit Ihrer Furchtsamkeit angesteckt haben.
Freilich hast du deine hypochondristischen Mucken wieder gehabt: und ich habe dich doch so sehr gebeten, du sollst dir deine Krankheit nicht so merken lassen.
Ach, liebster Herr Vater! ich hoffe,
Nein, Herr Vater. Die Jungfer Muhme sagte, der Herr Vetter wären auch einmal hypochondrisch gewesen und doch gesund worden. Da dachte ich, ich täte besser, daß ich ihn fragte, was er gebraucht hätte, als die Frau Kreuzin, die noch diese Stunde krank ist.
Ei, Herr Vetter, zum mindesten ist mir der Besuch der Frau Kreuzin sehr angenehm gewesen. Ich hätte kein größeres Vergnügen haben können, als ich gehabt habe. Ich habe in dieser halben Stunde mehr gelacht, als wenn ich einen halben Tag Pfand gespielt hätte.
Ja! ja! du bist immer lustig, Lieschen; und wenn du auch bei deiner seligen Mutter ihrem Sarge säßest.
Das ist wohl wahr: aber höre, was hast du dem Herrn Vetter für Wind vorgemacht? ich hätte vor diesem auch die Hypochondrie gehabt? Wie kannst du das sagen? Er winkt ihr immer mit den Augen.
Ja, freilich, Herr Vater, haben Sie's nicht ... Verwirrt. Je ... haben Sie es nicht gehabt, so haben Sie sich auch nicht daran dörfen kurieren lassen. Ich wollte nur gern dem Herrn Vetter was vorreden. Er tat mir so ängstlich, wie die Kreuzin davon anfing, daß es mich jammerte. Ich muß ihn ja ein bißchen auslachen. Sie lacht.
Nun, lieber Herr Vater! ich habe ja nichts mehr gesagt, als daß Sie es nur vor diesem gehabt hätten; jetzt aber hätten Sie es gar nicht mehr. Das ist ja nichts Böses! Gesetzt, ich hätte gesagt, Sie hätten vor zehn Jahren ein Fieber gehabt und in der Phantasie allerhand seltsame Dinge angegeben: wäre Ihnen denn das eine Schande? Wenn Sie nur wieder davon genesen sind.
Nun, Herr Vetter, wofern es Ihnen beliebt, so wollen wir anjetzt ein wenig in meine Wohnstube gehen, da ist die Aussicht schöner als hier. Heinrich soll uns Tabak und Pfeifen bringen.
Ja, ja, Herr Vetter! ich habe gern eine freie Aussicht. In meinem Hause kann ich aus einem Zimmer in fünf Gassen sehen.
Da stehe ich manchen halben Tag am Fenster oder vor der Türe und lache alle possierlichen Leute aus, die vorbeigehen und närrisch Zeug machen.
Ende des dritten Aufzuges.
Ja, Jungfer Muhme, ich habe so ein bißchen vom Reimen und Komponieren gelernet, und da mache ich mir zuweilen so selbst ein Liedchen, um mir die Grillen zu vertreiben.
Potz Velten, Herr Vetter! sind Sie so geschickt? Aber warum machen Sie sich solche traurige Sachen, wenn Sie sich damit die Schwermut vertreiben wollen? Das ist ja Stroh zum Feuer! Rechte lustige Stückchen sollten Sie sich machen. Hübsche schwäbische Tänze, lustige Menuetten, geschwinde Polonaisen und Murkis, die brav hurtig gehen; aber nicht solche melancholische Klagelieder!
Ja, für meine guten Freunde mache ich allerdings zuweilen so was Lustiges: aber wenn ich für mich selbst poetisiere, so richte ich es nach meinem Malo hypochondriaco ein.
Ei! das sollten Sie bleibenlassen, Herr Vetter! Damit verderben Sie sich den Magen. Indessen ist es mir lieb, daß Sie für andere Leute auch was Lustiges machen können.
Ei! Herr Vetter! so müssen Sie mir auch einen Text zu einem kleinen lustigen Tanze machen. Aber es muß alles ebenso lustig sein, als ich selbst bin.
Sagen Sie doch davon nicht. Es wird schon gut werden. Wissen Sie was? Ich habe neulich bei meinem Tanzmeister einen Tanz gelernet, der so recht nach meinem Sinne ist, und meine Französin hat den Text dazu gelehrt. Er ist französisch.
Hören Sie doch einmal. Ich will ihn Ihnen vorsingen. Damit Sie den Takt hören. Ich bitte mir's aber aus, daß Sie mich mit meiner Stimme nicht auslachen; ich habe nun schon keine Nachtigall werden sollen. Das wissen Sie.
Ja, ja, ich höre schon, es ist der Kotillon. Aber gefällt Ihnen denn der französische Text nicht? da Sie doch Französisch gelernet haben?
Ei! was wollte er mir gefallen! Meine Französin hat mir ihn deutsch übersetzen müssen, und weil sie keine Verse machen kann, so hat sie auch keine Reime hinein gemacht. Hören Sie nur einmal, wie das kauderwelsch klingt. Sie singt.
Wenn ich tanz', Gevatterin,
Sagt, wie geht mir denn mein Rock?
Wenn ich tanz', Gevatterin,
Sagt, wie geht mir denn mein Rock?
Bald ist er hie,
Bald ist er da;
Er geht immer auf und ab.
V.A.
Ha, ha, ha, ha! Sollte sich ein Mensch nicht krank lachen, wenn er dergleichen Zeug höret? Ich weiß nicht, ob die Reime schuld daran sind, oder ob der Text selbst so possierlich ist, als er mir vorkömmt?
Nein, Jungfer Muhme, an den Reimen liegt es nicht. Der Text an sich selbst ist so kauderwelsch, als die meisten französischen Chansons sind. Sie sind selten viel klüger als unsere Ringelreime, die die Kinder auf den Gassen singen. Aber wenn ein Ding nur Reime hat, so singt es der Franzose, es mag nun sonst gehauen oder gestochen sein.
Es ist aber schade um den schönen Tanz, daß er einen so läppischen Namen vom Unterrocke hat. Ich tanze ihn so sehr gern: und allemal hat man doch keine Musik, da muß ich mir nun dazu singen: denn das ewige Hum-hum oder La-la-la ist mir unerträglich.
Nun, wie gesagt, Herr Vetter, Sie müssen mir zu meinem französischen Tanze einen hübschen lustigen deutschen Text machen.
Ja, meine liebe Jungfer Muhme, das geht so geschwinde nicht an. Verse machen erfordert sehr viel Zeit.
Wenn ich nun lange genug ausgestrichen und meine Gedanken wohl hundertmal umgeschmolzen habe, so weiß ich doch oft zuletzt selbst nicht, welches die besten sind. Es gibt bei einem jeden einzelnen Worte unsäglich viel zu bedenken und zu beobachten.
Nun, so was Extrafeines und Wunderwürdiges darf es ja eben nicht sein. Wenn es nur ein wenig gescheiter ist als das französische.
Ja! das ist Ihnen wohl genug: aber mir nicht. Ich wollte gern was machen, was nicht nur besser wäre als das französische; sondern auch besser als alles, was man noch von dieser Art im Deutschen gesehen hat.
Behüte der Himmel! Herr Vetter, so mühsam müssen Sie sich's nicht machen. Sie sind ein junger Mensch, von Ihnen begehrt man keine untadelhaften Meisterstücke.
Ei! was sagen Sie, Jungfer Muhme? eben die jungen Leute sind's, von denen die Nachwelt die Meisterstücke dieser Zeiten zu gewarten hat. Das müßte ein schlechter Kopf sein, der nicht jetzt schon aus Schulen bessere Gedichte machte, als die anderen Dichter in ihrem dreißigsten oder vierzigsten Jahre machen.
Ich kenne Greise von zwanzig Jahren, die an ihre Wäscherinnen und Schneidertöchter Verse machen, die unsre Zeit kaum wert ist zu lesen, und die Leibniz und Euklides kaum verstehen würden.
Ja, ich habe die Ehre, keine davon zu kennen. Sie werden von den Herren Dichtern immer unter den edlen Namen Phyllis, Chloris und so weiter verkappt; ungeachtet ihre eigene Namen vielleicht Käthe, Röse und Else heißen.
Nun, dergleichen Meisterstücke für solche Leserinnen! Mich dünkt, das heißt die Perlen vor die Säue werfen.
Ach! glauben Sie das nicht! es kömmt nur darauf an, was man den Leuten zu lesen gibt. Einer von meinen gelehrten Freunden hat neulich auf eine gründliche Art denn das ist allemal seine Gewohnheit. bewiesen: daß noch alles Frauenzimmer in der Welt in kurzem die mathematischen Gedichte so gut verstehen würde, als sie die Pamela verstehen.
Es kann sein, daß ihm von diesem Unglücke etwas geahndet hat: drum teilt er auf eine so neue als scharfsinnige Art das menschliche Geschlecht in zwo Klassen ein; nämlich in kluge Leute und in das Frauenzimmer.
Er tut dem Frauenzimmer, die er kennt, und mit denen er umgeht, wahrhaftig viel Ehre an! denn von
Ich will es Ihnen gewiß machen, Jungfer Muhme. Aber die Zeit, wenn Sie es kriegen werden, kann ich Ihnen nicht bestimmen. Es können sich täglich Hindernisse finden! und sieben Tage machen dann eine Woche; vier Wochen machen einen Monat; zwölf Monate machen ein Jahr; und wer weiß, ob ich nicht noch dieses Jahr sterbe.
Drum eben will ich die Verse jetzt von Ihnen haben, weil wir noch beide am Leben sind, und weil Sie sie noch machen, und ich sie singen kann. Hören Sie, ich habe beim Pfandspielen, und wenn wir Hechte gesessen haben, auch so ein bißchen Reimen gelernet. Helfen Sie mir nur auf die Sprünge. Sagen Sie mir nur die erste Zeile, so will ich sehen, ob ich die andere etwa selbst machen kann.
Ei! Jungfer Muhme, das wird ein ebenso abgeschmacktes Mischmasch werden, als der französische Kotillon ist!
Was schadet's? Wir wollen einmal der französischen Flüchtigkeit zum Possen versuchen, ob wir nicht auch aus dem Stegereife dichten können?
Wer hat Ihnen denn gesagt, daß ich was Kluges daraus haben will? Ich bin ja kein Ballenbinder und Sackträger, daß ich zur klugen Hälfte des menschlichen Geschlechtes gehörte. Es soll alles nur lauter Spaß sein. Fangen Sie an.
V.A.
Ei, Herr Vetter! Sehen Sie, wir leben noch ein Jahr beisammen: denn wir haben einerlei Gedanken. Wir müssen's noch einmal singen, damit ich es behalte.
Nein, nein! fürchten Sie nichts. Aber nun müssen wir auch einmal darnach tanzen, Herr Vetter; damit ich sehe, ob ich nach dem deutschen Texte auch den Takt halten kann.
Ei, Sie müssen mit mir tanzen. Einem Hypochondristen ist die Bewegung gesund. Die Wahrheit zu sagen, ich kann ihn auch nicht recht: so lernen wir ihn beide bei dieser Gelegenheit.
Ich glaube, Ihnen ist bange, daß uns die Wand auslachen wird: denn sonst kann es doch niemand tun. Kommen Sie; ich singe schon!
Ei, ei! heißt das den Tanz nicht können, Herr Vetter! und Sie helfen mir noch zurechte? Sagen Sie mir, um des Himmels willen, was haben Sie nun wieder für Grillen? Sie stehen ja ganz betrübt?
Ich besorge meine Hausgeschäfte recht mit Spielengehen, und wenn ich nun dann und wann eine Freistunde habe oder bei guten Freunden bin: warum sollte ich mir da nicht alles mögliche Vergnügen machen?
Ei! solange man noch jung ist und für nichts zu sorgen hat, so muß man sich seine jungen Jahre auch zunutze machen. Sie werden einem doch einmal für voll angerechnet. Meine selige Mutter sagte zwar zu mir: wer gern tanzt, dem ist bald gepfiffen.
Allein, ich habe doch von andern gehört, daß sie in ihrer Jugend leichtlich keine Lustigkeit ausgeschlagen hat.
Und warum tun Sie es denn nicht, Herr Vetter! Warum verderben Sie den besten Teil ihrer Jahre mit der Kalendermacherei und den ewigen sorgsamen Vorstellungen?
Ach! Jungfer Muhme! quälen Sie mich nur mit solchen Fragen nicht! Meine beste Zeit ist dagewesen und kömmt nimmermehr wieder!
Ei, Possen, Herr Vetter! vor den Jahren
Ach, liebe Jungfer Muhme! wie kann ich lustige Lieder singen, wenn mein Herz voller Angst ist? Lustige Lieder sind nur für solche fröhliche Gemüter, als Ihres ist.
Aber meine lustige Verse sind auch immer für fremde Leute. Ich habe keinen Vorteil davon, als daß ich andere Leute lustig mache und mich selbst dabei kränke.
So bilden Sie sich doch nur einmal ein, Sie wären an der lustigen Leute ihrer Stelle; ich will mir einbilden, daß ich an Ihrer Stelle sei. Sie sollen sehen, was das für ein lustiger Hypochondrist sein wird! Und damit Sie sehen mögen, wie sehr ich Ihnen für das Liedchen verbunden bin: so will ich Ihnen auch etwas schenken, das Ihnen vielleicht angenehmer sein wird, als der Tanz war. Sie zieht etwas, das in ein Papier gewickelt ist, aus der Tasche.
Nun, nun, Herr Vetter! es war Ihnen einmal zugedacht gewesen; aber nun haben Sie es gar verdient. Sie will es ihm geben.
Nun, warum denn nicht? Es ist kein Geld, das dörfen Sie nicht glauben. Es ist nur sonst etwas, das die jungen Herren von den Jungfern wohl anzunehmen pflegen.
Sie machen sich ein Gewissen, zu nehmen, und sind eines Kaufmanns Sohn? Nein. Ich halte es ganz
Nein! wenn ich's nähme, so hätte ich in meinem Leben keine ruhige Stunde. Wollen Sie mir ja was schenken, Jungfer Muhme, so schenken Sie mir einen Kuß: davon haben Sie keinen Schaden und ich auch nicht. Ein Kuß hat nichts zu sagen: das versichern alle Moralisten, Zivilisten und Kanonisten.
Hm! ... Aber die Kanonisten können doch nicht wissen, ob ich nicht das Malum hypochondriacum bekäme, wenn ich Sie küßte?
Ja, ja, Herr Vetter! Wenn ich küssen soll, so kriege ich augenblicklich schwermütige Gedanken. Soll ich einen Junggesellen küssen, so besorge ich immer, er möchte es einem Juristen ausplaudern, der mich denn gleich zu seiner Braut machte. Soll ich einen Ehemann küssen, so denke ich, seine Frau möchte es übelnehmen. Und soll ich endlich ein ander Frauenzimmer küssen, wie das anjetzt die ärgerliche Mode ist, so denke ich auch, ich tue unrecht daran. Mancher fromme Junggeselle ärgert sich doch daran.
Ei! so behüte mich der Himmel, daß ich Ihnen einen Kuß anmuten sollte? Lieber wollte ich Ihnen den Tod gönnen, als daß Sie sich durch meine Schuld das Malum hypochondriacum zuziehen sollten. Ihre Besorgnisse sind alle in LL. et communibus opinionibus Doctorum gegründet.
Darum eben! so verlangen Sie nichts von mir, was ich ohne meinen größten Schaden nicht geben kann, und nehmen hübsch das, was ich Ihnen selbst anbiete. Es ist nur eine goldne Schnur um den Hut, so wie die jungen galanten Herren sie anjetzt durchgängig tragen. Sie kostet mir nichts. Nehmen Sie sie nur. Sie will sie ihm geben.
Wollen Sie mich denn etwa recht böse machen, Herr Vetter Schon gut! Sie will die Tresse wieder einstecken.
Nun, damit Sie sehen sollen, daß ich mir lieber alles Unheil zuziehen als Sie erzürnen will, so will ich mir's von Ihnen ausbitten.
Nun, da haben Sie's! Sie gibt ihm die Tresse, er nimmt sie und küßt ihr die Hand. Ich glaube doch gar, Sie denken, ich habe sie meinem Vater aus dem Laden gemauset.
Ich wollte wohl wetten, daß Sie das denken und befürchten, daß Sie noch nach diesem einen großen, gewaltigen, kostbaren, gefährlichen Prozeß darüber bekommen möchten. Nicht wahr?
Je nu! wer kann alle künftige Fälle vorher wissen? Aber wenn man doch sieht, daß sie möglich sind, so ...
Je! mit Ihren künftigen Möglichkeiten! Wie? wenn künftig einmal der Himmel einfiele? Was fingen Sie denn an?
Nun, nun! sein Sie nur zufrieden! und setzen Sie mir keine neue Zweifel in den Kopf, Jungfer Muhme. Ich habe ja Ihr Geschenk angenommen.
Ja, Herr Vetter. Wir haben auch Verse miteinander gemacht. Zum Ernst Gotthart. Kommen Sie, Herr Vetter, wir wollen sie dem Papa einmal vorsingen und vortanzen.
Ich danke Ihnen, Jungfer Muhme. Es ist mir leid, wofern ich eine so lustige Gesellschaft störe. Herr Gotthart will noch
Ja, Herr Vetter, heute bitte ich freilich, mich zu verschonen. Aber morgen will ich mitgehen, wohin Sie wollen.
Gehe also, mein Sohn. Zur Jungfer Fröhlichin. Ich will Ihnen unterdessen die Zeit vertreiben, so gut, als ich kann. Sie werden ohnedem bald wiederkommen.
Nun, das höre ich recht gern! Jungfer Muhme. Sie haben also Verse miteinander gemacht und darnach getankt. Das ist mir ungemein lieb! Auf diese Weise glaub' ich doch, daß Sie Ihr Wort halten und meinen Sohn kurieren werden. Er hat meines Wissens in Jahr und Tag nicht getanzt. Ohne Zweifel sind es doch verliebte Verse gewesen, die Sie gemacht haben?
Ja, das weiß ich leider! Seitdem er von Universitäten gekommen ist und sein Malum mitgebracht hat, so achtet er auch das schönste Frauenzimmer nicht. Allein, ich dächte, Jungfer Muhme, Sie müßten ihn durch Ihre Lustigkeit verliebt machen.
Das weiß ich nicht. Allein, es muß doch ein recht verzweifeltes Zeug sein, die Hypochondrie. Was meinen Sie wohl? Er getrauete sich nicht einmal, mir einen Kuß zu geben, aus Furcht, daß ich das Malum hypochondriacum bekommen möchte.
Ach nein! Herr Vetter! Sie müssen mich auch recht verstehen. Es kam ihm selbst von ungefähr die Lust darnach an: und da wandte ich nur vor, ich möchte das Malum hypochondriacum darnach kriegen: den Augenblick verging ihm aller Appetit darnach.
Ja, das glaube ich! warum haben Sie ihm auch das gedroht, Jungfer Muhme? Mit der Hypochondrie kann man ihn ärger schrecken als mit dem Kobolde.
Ich dachte, ich wollte es einmal so mit ihm machen, als ein gewisser Wundarzt es mit seinem Kranken gemacht, der sich eingebildet, er hätte eine Nase, die fünf Ellen lang wäre.
Haha! ich sehe schon. Sie haben sich einmal seiner Schwachheit gleichstellen wollen, um zu sehen, ob er seine eigne Torheit an andern nicht erkennen würde.
Das war eben meine Meinung, Herr Vetter. Man kann ja einem Kinde seine Unart nicht besser abgewöhnen, als wenn man sie ihm nachmachet und fraget: Wie läßt mir das? Nehmen Sie mir's nicht übel, daß ich Ihren Herrn Sohn mit einem Kinde vergleiche.
Nein, nein; Sie haben ganz recht. Aber bei einem Hypochondristen hilft das alles nichts. Man macht ihn nur noch zehnmal ärger, wenn man seine Torheit annimmt. Das habe ich oft erfahren. Mein Sohn hält alles für Ernst und nicht für eine Vexiererei; so leichtgläubig ist die Hypochondrie.
Ja, ja, wie ich Ihnen sage: Ich habe dergleichen Exempel an meinem Sohne oft erlebt. Ich wollte Ihnen wohl ein paar Begebenheiten erzählen; allein Sie möchten meinem Sohne nur gram werden: und das wollte ich nicht gern.
Ach nein, Herr Vetter! sorgen Sie dafür nicht. Die Unarten, die ein Mensch nur wegen seiner Krankheit hat, die vergehen auch gemeiniglich mit der Krankheit wieder; und ich hoffe, Ihren Sohn noch gesund zu machen.
Nun, daran werden Sie ein christliches Werk tun! So will ich Sie Ihnen nur getrost erzählen. Ich muß doch ohnedem
Den Augenblick erwacht er dar über; und weil er in der Nacht keinen Lärmen machen will, aus Furcht, wir möchten uns entsetzen und vor Schrecken den Tod haben: so verbindet er sich im Finstern den Fuß, so gut er kann, und geht wieder zu Bette und schläft auch bis an den hellen Mittag ganz geruhig.
Wie sie ihn aufwecken, daß er zu Tische kommen soll, so springt er aus dem Bette; erschrickt aber und besinnt sich, daß er einen lahmen Fuß hat. Er besieht und befühlt sich, sieht aber kein Blut auf dem Verbande und fühlt auch keine Schmerzen. Er löset endlich die Binde auf und findet weder Wunde noch Narbe.
Gleichwohl blieb er dabei, er hätte sich den Fuß verwundet und meinte, die Wunde wäre nur deswegen so geschwinde zugeheilet, weil er sie gleich den Augenblick zugebunden und nicht zum Bluten kommen lassen.
Hören Sie nur weiter. Des Abends, da er wieder zu Bette gehen soll, so entdeckt er seine Not dem Diener Heinrich. Ich hatte nun dem Kerl scharf anbefohlen, er sollte ihm in allen Stücken nachgeben und sich, soviel möglich, in ihn schicken. Daher rät ihm der wunderliche Kauz, er sollte, wenn er sicher schlafen wollte, künftig allemal mit Pantoffeln zu Bette gehen.
Ja, so wahr ich hier stehe! Ein ganzes halbes Jahr lang ist er beständig mit Pantoffeln zu Bette gegangen, bis ich endlich dahinter kam. Hätte es länger gewähret, er hätte mich um alles mein Bettzeug gebracht. Alle Monate mußte ich die Betten überziehen lassen, und kein Mensch konnte begreifen, wovon die Wäsche so zerrissen war.
Auf die Art wunderte mich's nicht, wenn er gar gepanzert und gestiefelt zu Bette gegangen wäre, aus Furcht, daß er sich einmal den Rückgrat zerbrechen möchte. Wie gewöhnten Sie ihm aber endlich diese spanische Mode ab?
Womit? damit, daß ich ihm vernünftig vorstellete, wie lächerlich seine Torheit wäre, und dem Diener in seiner Gegenwart einen derben Verweis für seinen eulenspiegelschen Rat gab.
Nun! so wundert mich's nicht, daß er so treuherzig glauben konnte, ich kriegte vom Küssen die Hypochondrie.
Wissen Sie was, Jungfer Muhme? Wir wollen es auf den Abend bei Tische so einfädeln, daß er sie noch einmal um einen Kuß bitten soll, und da müssen Sie ihm auch einen erlauben, damit er sehe, daß Sie ihn nur vexiert haben.
Nun, ich bitte Sie recht sehr darum, Jungfer Muhme. Der Herr Vater ist, die Wahrheit zu sagen, jetzt mit ihm deswegen ausgegangen, daß er ihm eine Lust und Liebe zum Frauenzimmer beibringen will.
Nun, das bekenne ich! das ist schön, wenn der Schwiegervater dem Schwiegersohne Lust und Liebe zur Braut beibringen muß. Aber sagen Sie mir doch, Herr Vetter, weiß denn schon jemand von Ihren Leuten, was wir im Sinne haben? Sie sind ja gar zu erschrecklich gefällig und freundlich gegen mich, insonderheit die Kathrine.
Wie gesagt. Ich habe fast mit Gewalt Ihre Küche, Ihre Schlafstube und alle Schränke und Betten hier im Hause besehen und bewundern müssen; und dabei sagte sie mir soviel Schönes von Ihnen, von Ihrer Haushaltung und insonderheit von dem jungen Herrn vor, daß ich mir nichts anders einbilden kann, als daß sie den Braten riecht.
Ei, ei! das will ich doch nimmermehr hoffen! oder der Schleichvogel muß uns belauscht haben. Aber warte! ich will dich gewiß noch heute abend wieder belauren.
Ja, ja! seid nur noch fein dreiste obendrein! Was macht Ihr denn sonst anders draußen, als daß Ihr horchen wollt, was wir hier reden?
Ich? Herr Gotthart? ich? ... ja, daß sich Gott erbarme! Sie denken auch immer was Böses von einem! Sie hält das Tuch vors Gesicht und tut, als wenn sie weinte.
Je, Herr Gotthart, ich dachte, Sie sollten hinauskommen. Ich mag es vor der Jungfer Fröhlichin nicht sagen.
Was das nun für ein Mensch ist! wie die einen ehrlichen Mann vexieren kann! Sagt, was habt Ihr gewollt; oder ...
Herr Gotthart, was ich gewollt habe, das will ich noch. Zwei Batzen zu Semmel. Fünf Groschen zum Zucker an die Weinsuppe: einen Dreier zum Senfe an das Rauchfleisch, zwei Pfennige Grünes zur Karbonade ...
Nein, jetzt besinne ich mich. Der fremde Kutscher ist's, der die Herrschaft hergebracht hat. Er will das Fuhrlohn haben.
Ei, verzweifelt! lieber Herr Vetter, so müssen Sie so gütig sein und das Geld solange auslegen oder den Kutscher solange aufhalten, bis mein Vater wiederkömmt. Ich habe wahrhaftig nichts zu versetzen als meine Sparbüchse mit etlichen silbernen Schaupfennigen.
Sorgen Sie nicht, Jungfer Muhme. Ich will ihn herzlich gern bezahlen. Wenn es nur wahr ist; aber ich glaube es noch nicht.
So sein Sie so gut, Herr Gotthart, und geben mir die Schlüssel zum Wäschschranke. Ich muß das Tischzeug herausnehmen.
Sieh da, Heinrich! ist Er es? Ich denke gar, Er hat vor der Türe gelauret. Sind die Herren schon wieder zu Hause?
Ei, Possen! Was wird nichts draus werden? Ich habe den alten Herrn mit der Jungfer lange genug behorcht, die Sache hat ihre Richtigkeit.
Jawohl! der alte Fröhlich hat ihm unterwegens das Hochzeitmachen so süß vorgestellt, daß ich heute abends das erste das beste Mädchen mit zu Bette nehmen möchte. Er aber will lieber mit dem Alp als mit den hübschen Mädchen zu tun haben.
Mit dem Alp? Behüte mich das güldne Kalb! und der heilige Sankt Niklas bescher mir lieber sonsten was! Warum ist er denn aber so tolle?
Darum, daß er immer solche Hexenbilder im Kopfe stecken hat und sich tausend Teufelsgespenster macht, wo doch keine sind. Da meint der Eulenspiegel nun, wenn er heiraten möchte, so könnte es einmal mit der Zeit kommen, daß ...
Ei, verflucht! Wo wollten wir armen Mädchen hin, wenn die Junggesellen alle aufs Zukünftige sehen wollten? Aber da haben wir's! Habe ich's nicht gesagt?
Potztausend! Jetzt denke ich dran! Ich habe vorhin dem alten Herrn was vorgelogen: ich muß machen, daß ich nicht betrappelt werde.
Ende des vierten Aufzuges.
Heinrich! Heinrich! kommt Ihr denn noch nicht? Der Mensch kann einen recht in Ängsten lassen! O Himmel ... Er läuft ängstlich herum. Wo der Paroxismus nicht übergeht, so bin ich des Todes! Ach! wenn ich doch nur ausgekleidet wäre! ... Vielleicht ginge es dann über! Heinrich! Heinrich! Heinrich!
Nun, kommt Ihr einmal? Böser Mensch! kommt her geschwinde und kleidet mich aus! O Himmel! wie ist mir zumute!
Nun, da sehen Sie einmal! So machen es die Herren Gelehrten. Sie kaufen sich ganze Stuben voller Bücher und lesen doch ihr Leben lang nicht den sechsten Teil davon durch. Ich wollte wohl drauf schwören, daß Sie nicht einmal wissen, ob dies Ihr Buch ist oder nicht?
Wie? Ist's schon wieder unrichtig? nun es eben zum Essen geht? Ich glaube wahrhaftig, Ihr Malus vexiert Sie nur so.
Ach! was wird es sein? Euch kann ich's endlich wohl sagen. Ich wollte für die Langeweile das Brot zur Tafel vorschneiden, und da wird mir auf einmal, ich weiß nicht wie, zumute! Wofern es nicht wieder übergeht, so darf ich mein Lebetag kein Messer mehr anrühren; oder ich muß besorgen, daß ich mich oder jemanden anders umbrächte.
Nein, ich weiß noch einen bessern Rat. Wenn Sie ja wie die kleinen Kinder essen wollen, so bitten Sie die Jungfer Fröhlichin, daß Sie Ihnen bei Tische das Essen klein schneidet. Da dörfen Sie hernach nur jedes Stückchen mit der Gabel aufspießen.
Ja, du lieber Himmel: so macht mich ja aber meine Hypochondrie noch vor den Jahren zu einem Kinde? wo ich sie nicht einmal loswerde!
Das war's eben, was ich sagen wollte; Sie wollten mich nur nicht hören. Da hat Ihnen die Kathrine ungefähr vor einem halben Jahre dies Buch von der Stube genommen, und wir beide lesen so alle Abende ein Kapitelchen daraus. Sie aber, denen dies Buch gehört, wissen wohl nicht einmal, daß ein trefflich schönes Rezept für das Malus hypi ... hypi ... Je! wie heißt das Teufelszeug schon? darinnen steht.
Ja, Herr Gotthart. Hier in diesem Buche steht's. Ich werde Ihnen ja nichts vorlügen. Kathrine hat es eben jetzt von ohngefähr aufgeschlagen. Er zeigt ihm den Titel.
Ich sage es Ihnen ja, was sie damit macht. Wir halten unsere Abendandachten daraus. Wozu werden die Bücher anders geschrieben, als daß man drinnen lesen soll? Aber die Herren Gelehrten haben sie, wie ich glaube, nur zum Staate und brauchen sie in der Stube anstatt der Tapeten.
In aller Welt! Wie kömmt das Mensch zu dem Buche? Ich habe es doch nebst vielen andern solchen Schriften das erstemal, wie ich meine ängstlichen Gedanken kriegte, so sorgfältig versteckt, daß ich selbst sterben müßte, wenn ich sagen sollte, wo sie wären.
Ja, das heißt ein Buch trefflich hoch verstecken, wenn man es unter die Bänke oder hinters Bette steckt! Ich weiß davon ein Liedchen zu singen, das eben nicht zum besten klingt.
Mein Himmel! wenn mein Vater die Kathrine bei dem Buche einmal betroffen hätte, und sie hätte ihm gesagt, daß es mir gehörte: was würde der Mann nicht Böses von mir gedacht haben?
Was würde er nicht! was würde er nicht! da reden Sie schon wieder von künftigen Dingen. Genug, daß er es nun nicht gesehen hat! Aber jetzt will ich Ihnen das Rezept weisen. Wenn Sie es aber nicht wissen wollen: gut! so will ich Sie erst auskleiden. Er greift ihm an den Rock. Erst Gotthart halt ihn zurück.
Freilich! Aber Sie wollen ja nicht hören: so müssen Sie fühlen! kommen Sie, lassen Sie sich abkleiden, daß ich wieder hinunterkomme. Es geht zur Mahlzeit. Er will ihn abkleiden.
Nein, Heinrich. Nun ist mir mein Herz schon um einen Zentner leichter, da ich höre, daß es noch ein Rezept für meine Krankheit in der Welt gibt.
Aber ist's auch etwa ein fröhliches Gemüt? womit die beiden Mediziner mich Vormittage fast närrisch gemacht haben?
Ja, ja! ich will es gleich wieder aufschlagen. Eins, Nulle, eins. Nein, es war weiter hinein. Er blättert lange. Es ist doch schlimm, daß ich Zahlen nicht verstehe, ob ich gleich lesen und buchstabieren kann. Er blättert immer. Sieh da! hier ist's! Ich habe ein Ohr in das Blatt gemacht. Richtig! Ein Kapitel von den Nutzbarkeiten des Ehestandes, auf der Seite drei, neun, fünf. Soll ich's Ihnen vorlesen?
Ei, bei den Nutzbarkeiten des Ehestandes! Er liest weiter. Die Melancholischen sind dabei fröhlich, und durch dieses Mittel vergeht ihre Traurigkeit und Furcht. Ihr verlorner Appetit und geschwächter Magen wird dadurch wiederum bei Kräften erhalten. In der Tat heilet der Umgang mit dem Frauenzimmer unsere Melancholie ... Sehen Sie, der Mann hat auch selbst die Melancholie gehabt: drum sagt er unsere.
Und hat weit größere Wirkung über uns ... Sehen Sie? als alle El – el, l, e, elle, b, o, bo, ellebo, r, i, bori, lebori, Ellebori, der Medicorum ... Was ist das für Zeug, Herr Gotthart?
Was, zum Teufel! geben die Leute einem ehrlichen Menschen Niesewurz ein? Wofür sehen sie ihre Kranken an?
Was wollte ich's nicht verstehen? Einem Niesewurz eingeben, das heißt ja einen für einen Narren erklären. Ich habe es wohl mehr als tausendmal gehört.
Arzenei oder nicht! Wenn mir mein Doktor mit Ellenbogen oder Niesewurz käme, so schmiß ich ihm das Glas vor die Füße und sagte, wollt Ihr einen Narren haben, so nehmt es selbst ein.
Selbst die Gedanken der Liebe erfreuen und erquicken und stärken uns: sie vermehren unsern Ca–lo–rem und dissi–dissi–pie–ren und dissipieren die dicke schwarze Galle ... Sehen Sie, da haben Sie's! Ist das nicht ein vortrefflich Rezept wider Ihre Grillen? Da dörfen Sie keinen Kräutertee trinken; keine Pillen einnehmen; keine magenstärkenden Tränke; keine blutreinigende Tropfen; keine niederschlagende Pulver und allen solchen Plunder mehr einschlucken. Nun? was sagen Sie dazu?
Der Ehestand? der Umgang mit dem Frauenzimmer? und die bloßen verliebten Gedanken? das soll ein Mittel wider die Hypochondrie sein? das glaube ich mein Lebetage nicht!
Ei, hier steht's ja mit ausdrücklichen Worten gedruckt. Der Mann würde es ja nicht geschrieben haben, wenn es nicht wahr wäre. Das Buch ist ja in Leipzig gedruckt. Es muß gewiß wahr sein!
Ja, wenn ich nur nicht von allen andern Medicis gehört hätte, daß der Umgang mit dem Frauenzimmer und die verliebten Grillen einem Hypochondristen so schädlich wären als Gift. Sie sagen, das Blut wird dadurch in Wallung gebracht: weil es aber wegen seiner Dicke und der schwarzen Galle seinen Umlauf nicht haben kann, so preßt es sich nach dem Herzen. Daher entstünde das Herzpochen und die Beängstigungen. Die Ehe selbst aber soll einem Hypochondristen ärger sein als der Tod. Denn wie leicht ...
Ach schweigen Sie doch! Was Sie auf den heiligen Ehestand zu schändieren haben, das habe ich wohl gehöret, als Sie um das Tor gingen. Allein, nehmen Sie mir's nicht übel. Es ist alles falsch!
Freilich ist das Vertrauen bei allen Medizinern die beste Arzenei. Aber warum ich dem Herrn Venette mehr trauen soll als allen seinen andern Kollegen: das weiß ich nicht. Zumal, da er ein Franzose ist.
Lesen Sie nur einmal die Vorrede. Da werden Sie finden, was das für ein Buch ist. Es ist kein gründlicheres, gelehrteres, brauchbarers, bessers, vortrefflichers, nützlichers, vollkommeners medizinisches Buch in der ganzen Welt als des Herrn Venette seines. Ja, es steht sogar darin, daß ein großer, gelehrter, berühmter Mann, der selbst ein großes Buch geschrieben haben soll, gestanden hat: daß er aus diesem Buche tausend neue Dinge gelernet habe, die er sonst nicht gewußt hätte.
Ja. Und Sie wollen nicht einmal ein Rezept daraus annehmen? Da Sie doch selbst sehen, daß es ganz neu ist und aller andern Mediziner ihrem Rate schnurstracks zuwiderläuft.
Heinrich, Heinrich! Ihr macht mir beinahe Lust zu dem Rezepte. Ein Kranker muß doch alles versuchen, was ihm die Ärzte raten; es klinge auch so widersinnig, als es wolle. Nun, es sei darum! ich will also einmal aus Desperation verliebt werden und wider alle meine ehemaligen Vorsätze auf die Freite gehen. Allein ... Er schüttelt den Kopf.
Allein! allein! mit Ihrem ewigen allein! Wenn ich schon das Wort höre, so ist es nicht anders, als wenn mich einer mit einem Eimer kaltes Wasser begösse! Suchen Sie sich doch lieber geschwinde ein hübsches Mädchen aus. Und daß Sie sehen sollen, daß ich es mit Ihnen redlich meine, so will ich auch alles mein mögliches tun, daß Sie sie auch bekommen sollen. Ich habe bei meinem vorigen Herrn in der Kunst so ziemlich ausgelernet.
Ja, Heinrich, wo ich in der Welt mit einem Frauenzimmer umzugehen oder gar zu leben wünschte: so wäre es keine andere als meine lustige Muhme, die jetzt hier im Hause ist.
Ei, desto besser! desto besser! Bringen Sie nur je eher, je lieber Ihr Jawort bei ihr an. Aber lange zaudern müssen Sie nicht. Sie bleibt nur noch zween Tage hier.
Heinrich, ich muß es Euch nur vertrauen. Mir kömmt es gänzlich so vor, als wenn die Jungfer Muhme schon ein Auge auf mich hat.
Ja. Seht nur einmal, was sie mir für eine kostbare Tresse geschenkt hat. Er sucht ganz erschrocken in allen Taschen.
Ei! was wird sie fort sein. Sie werden Sie gewiß in Gedanken wieder wohin verwahret haben. Eben wie die Bücher.
Ei, was wollt Ihr suchen! Sie wird wohl vor dem Tore liegen. Ich armer, unseliger Mensch. Er läuft ängstlich herum.
Haben Sie doch nur ein wenig Geduld! Ich will den Augenblick zurücklaufen und suchen, bis ich sie finde. Er will gehen.
Nun! jetzt ist es mit mir geschehen! länger kann ich es nicht aushalten! Es geht mir auch alles in der Welt die Quere! kaum erfahre ich, daß kein ander Mittel für mich sei als die Ehe, und kaum entschließe ich mich auch dazu, so ist alle Hoffnung wieder auf einmal aus. Ja, wenn ich ein ander Mädchen lieben könnte als meine Muhme! aber das kann ich nicht; und wer wird auch einen so verdrießlichen, mürrischen, melancholischen Kerl haben wollen? Ach! es muß sie noch ein rechter guter Engel regieren, daß sie mich noch vor Augen leiden mag! ... Aber was werde ich ihr antworten, wenn sie nach ihrer Tresse fragt? ... Wird sie wohl glauben, daß ich sie verloren habe? Wird sie nicht denken, ich habe sie verspielt, versoffen oder noch was ärgers damit gemacht? ... Wird sie mich nicht aufs ärgste hassen? ... Wird sie mich nicht allenthalben anschwärzen? Nein, ich kriege in meinem Leben keine Frau! ... Mit meinem Malo werde ich ins Grab fahren müssen! ... Und wer weiß, ob ich mich nicht noch achtzig Jahre darmit quälen muß? ... Ach! Himmel! noch achtzig Jahre das Malum hypochondriacum zu haben? Wie will ich das ausstehen? ... Nein! ich muß mich umbringen! ... Es kömmt auf eine böse Minute an! ... Er sucht in allen Taschen. Ich habe kein Messer bei mir ... So muß ich mich erhenken ... Er sieht sich rund in der Stube herum. Es ist kein Nagel hier, der mich tragen könnte ... Nun gut! Ich will mich mit meinem Strumpfbande erwürgen. Er fängt sich an, ein Knieband abzunehmen. Doch das Licht könnte Schaden tun! ... Es könnte ein Feuer werden, das die ganze Stadt verzehrte ... Ich will es erst auslöschen, damit ich nicht noch nach meinem Tode ein solches Elend und Unglück anrichte. Er löscht das Licht sehr sorgfältig aus, spuckt auch gar in den Docht. Heinrich schleicht sich hinter den Stuhl. Nun kann es doch wohl nicht wieder anbrennen. Er geht noch einmal hin und besieht es. Wohlan! lieber einmal gestorben als täglich solche Er bindet sich das Band um den Hals. Nun gute Nacht, Welt: du Angstkasten!
Herr, Sie sind rasend. Er schreit. Herr Gotthart! Herr Fröhlich! Jungfer Fröhlichin! Kathrine! Licht her! Licht her!
Was wollte ich sie haben? Es ist wohl ein großes Glück, daß ich nicht darnach gegangen bin. Ich glaube wahrhaftig, Sie wären einmal so toll gewesen und hätten Ernst daraus gemacht. Es ahnte mir so was; darum ging ich nicht von der Türe weg.
Ja, so muß ich sterben! Getreuer Heinrich! Lebt wohl! sagt meinem Vater, daß ich Euch meine Wäsche und Kleider geschenkt habe.
Ei, Possen! Herr Gotthart ... Ich glaube wahrhaftig, er bleibt mir unter den Händen tot! ... Heda! Geschwinde, Licht her! Gewalt! Gewalt! Licht her! Ist denn kein Teufel im Hause, der es hört! Licht her!
O Himmel! was ist's? Was ist hier zu tun? Bringt sich hier jemand im Finstern um? Heinrich? Was habt Ihr mit Eurem Herrn vor?
Nun, da sehen Sie das Spektakel, Jungfer Fröhlichin! Da will sich mein Herr erwürgen, weil er meint, daß er Ihre goldne Tresse verloren hat, und braucht selbst die Tresse dazu.
Hilf, Himmel! ist denn gar Sie schüttelt ihn. Herr Vetter! Herr Vetter!
Ei, es ist noch Leben in ihm. Gebt mir einen Stuhl her, Heinrich. Heinrich setzt ihr einen Stuhl neben den jungen Herrn, dem sie ihr Schwammdöschen vorhält.
Zum Henker! hier ist sie! Sie haben sie ja um den Hals statt des Strumpfbandes. Da ist sie! Er gibt sie ihm.
Wie? hat sich denn mein Strumpfband in meine Tresse verwandelt? Ach! nun sehe ich's ... ich habe sie in Gedanken statt meines Kniebandes umgebunden. Nun, was das für eine Todesangst gewesen ist! ... Ist sie das auch? ... Es ist mir ja alles ganz gelbe vor den Augen.
Ja, Herr Vetter, das Schrecken vergesse ich so leicht nicht! habe ich Ihnen die Tresse dazu geschenkt, daß Sie sich damit strangulieren sollen wie ein türkischer Bassa?
Ach! ich bitte Sie tausendmal um Vergebung, Jungfer Muhme! Ich konnte mir nicht anders einbilden, als daß sie fort wäre: und da scheuete ich mich dermaßen vor Ihrem Zorne, daß mir der Tod dagegen was Geringes zu sein schien.
Aber, um einer leidigen Tresse willen, die Sie für verloren halten, sich umzubringen? Ist das nicht zuviel? Heinrich zeigt ihm die Perücke. Setzen Sie nicht Ihre Perücke wieder auf? Sie möchten sich sonst erkälten.
Ach allerteureste Jungfer Muhme! ich werde mich nicht eher zufrieden geben, bis Sie mir mein Vergehen verziehen haben.
Nun, ich will sehen, ob das möglich ist. Aber sagen Sie mir nur, verdient wohl eine so schlechte Tresse ...
Ach! Jungfer Muhme, mich brachte nicht sowohl der Verlust der Tresse in Verzweiflung als die unzähligen Sorgen, die ich mir wegen des Zukünftigen machte.
Ei, Herr Vetter, die Entschuldigung hilft Ihnen nichts. Sind Sie nicht Herr über Ihre Gedanken, wenn Sie Ihnen einfallen: so sind Sie doch wenigstens insoweit Herr darüber, daß Sie sie unterdrücken können.
Nein, Jungfer Muhme, das ist mir ebenso unmöglich. Ich habe es wohl tausendmal versucht; allein es geht nicht an. Er fühlt sich nach dem Kopfe. Heinrich, wo ist meine Perücke?
Da liegt sie. Ich habe Sie Ihnen schon so oft angeboten. Sie wollen sie ja nicht haben. Er hebt sie auf und gibt sie ihm.
Herr Vetter! Sie sagten, es wäre Ihnen nicht möglich, Ihre aufsteigenden sorgenvollen Gedanken zu ersticken?
Das ist aller Hypochondristen ihre Entschuldigung. Allein, nehmen Sie mir's nicht übel: Sie fangen die Sache nur nicht recht an. Ich habe Sie heute mit Ihrer Hypochondrie schon genug
Ach, mein Engel! reden Sie, was Sie wollen. Zürnen Sie, schelten Sie, lachen Sie mich aus; ich will es alles gelassen ertragen.
Nein, Herr Vetter, schelten und zürnen will ich mit Ihnen nicht. Allein, hören Sie mich nur ein wenig. Das glaube ich Ihnen gern, daß Sie alsdann, wann Ihre verwirrte Einbildungskraft rege wird, die Torheit Ihrer Gedanken nicht sogleich einsehen können. Allein, Sie und alle Ihre Kollegen, die werten Herrn Hypochondristen, sollten doch nur einmal bei gelassenem Gemüte eine Betrachtung über alles das Vergangene anstellen: so würden sie sich leicht überzeugen, daß es lauter Torheiten gewesen. Diese Wahrheit müßten sie sich zu einer festen Regel setzen und allemal, wenn das Malum sich wieder meldete, den Schluß machen: es wäre auch wieder eine bloße Einbildung und ein leerer Dunst.
Ach, Mühmchen! Sie reden wie ein Engel! Aber helfen Sie mir doch wenigstens auf die Spur, wie man eine solche allgemeine Betrachtung anstellen kann.
Herzlich gern, Herr Vetter. Antworten Sie mir nur immer auf meine Fragen: so werden Sie sich von selbst darauf führen. Besteht nicht Ihre ganze Hypochondrie darinnen, daß Sie sich ohn Unterlaß mit fürchterlichen Gedanken plagen?
Haben Sie aber bisher endlich nicht noch immer gefunden, daß die Sorge wegen des Zukünftigen teils unnötig, teils
Gelte! Sie wissen noch wohl, wie es Ihnen mit dem alten Holzhacker und mit den Pantoffeln im Bette gegangen ist?
Haben Sie nicht vielmehr mit der Zeit bei einer gelassenen Überlegung gefunden, daß das, was Sie anfangs nicht unbillig für einen Fehler oder für etwas Übles gehalten, nachmals zu Ihrem Vergnügen oder Sie desto behutsamer zu machen, ausgeschlagen ist?
Haben Sie ferner mit allen Ihren Sorgen jemals wohl das geringste gebessert, sondern es nicht vielmehr noch zehnmal ärger gemacht, als es an sich gewesen!
Müssen Sie also nicht endlich erkennen, daß alle Ihre bisherige Grillenfängerei eitel Torheit gewesen? und können Sie sich nicht daraus eine Regel aufs künftige machen, um alle sorgenvolle Kümmernisse gleich für dasjenige zu halten, was sie wirklich sind; nämlich für einen leeren Dunst?
Ach, Jungfer Muhme! Sie haben einen englischen Verstand! Ich wundere mich nun nicht mehr, daß Sie ein so ausgeräumtes, frohes Gemüt haben. Wollte der Himmel, ich könnte zeitlebens um und bei Ihnen sein! Ihre vernünftigen Vorstellungen kurieren mich viel besser als alle Brunnen und Rezepte. Sie sehen es doch ein, daß meine Krankheit mehr am Gemüte als am Leibe liegt. O wie ruhig würde meine Seele sein, wenn ich Sie täglich sehen, sprechen und bewundern könnte!
Nein, Herr Vetter, der täglichen Erinnerung wird es nicht gebrauchen. Sie können sich, wenn Sie nur wollen, mit dem, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, lebenslang behelfen. Sie brauchen deswegen eben nicht beständig bei mir zu sein. Es wird Ihnen
Ach, allerliebste Jungfer Muhme! nur das reizende Vergnügen Ihres Umganges müssen Sie mir nicht entziehen. Er küßt ihr die Hand. Glauben Sie, Ihre vortrefflichen Regeln würden alle ihre Kraft verlieren, wenn ich sie nicht oftmals aus Ihrem schönen Munde wiederholen hörte. Er seufzt. Ach! ...
Ich will es wagen, weil Sie es zumal selbst befehlen. Sollte es nicht dem Himmel und Ihnen gefallen, mir die Last so vieler martervollen Stunden durch den Besitz Ihrer reizenden Person nunmehro mit unverrückter Zufriedenheit zu vergelten? Er küßt ihr die Hand.
Ei, Herr Vetter! die Frage habe ich mir nicht vermutet, und Sie wer den wohl wissen, daß es eine Frage ist, die in dieser Welt noch nie zum ersten Male gleich beantwortet worden ist.
Nun, so will ich Sie zu tausend Malen gefragt haben, engelschönes Mühmchen! Ich lasse gewiß nicht nach, bis Sie mich durch ein erwünschtes Ja erfreuen. Er sieht sie sehr verliebt an und hält ihre Hand fest an seine Brust.
Ei nun, Herr Vetter! was ist dran gelegen? Unsere Väter sitzen gewiß unten und haben sich in den böhmischen Krieg vertieft. Kommen Sie! wir wollen einmal einen Spaß machen! wir wollen hinuntergehen und ihnen ganz unvermutet sagen, daß wir Braut und Bräutigam wären. Mich soll verlangen, was sie darzu sagen werden.
Gehen Sie! gehen Sie! Ich bitte Sie um des Himmels willen. Werden Sie nicht wieder wunderlich, ... Da die andern fort sind. nun Ihnen die Jungfer eine halbe Unze Witz in den Kopf praktiziert hat.
Ende des Lustspiels.