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Du siehst, in welche Tiefen ich gefallen,
Furchtbare Venus, unversöhnliche!
Bin ich genug gesunken? Weiter kann
Dein Grimm nicht gehn, vollkommen ist dein Sieg,
Getroffen haben alle deine Pfeile.
Grausame, willst du deinen Ruhm vermehren,
Such einen Feind, der mehr dir widerstrebt.
Dich fliehet Hippolyt, er spricht dir Hohn,
Und nie hat er ein Knie vor dir gebeugt;
Dein Name schon entweiht sein stolzes Ohr.
Räche dich, Göttin! Räche mich! Er liebe!
– Doch was ist das? Du schon zurück, Oenone?
Man verabscheut mich, man will dich gar nicht hören.
Geh, Elender! du gehst in dein Verderben!
Denn bei dem Fluß, den selbst die Götter scheuen,
Gab mir Neptun sein Wort und hälts. Dir folgt
Ein Rachedämon, dem du nicht entrinnst.
– Ich liebte dich und fühle zum voraus
Mein Herz bewegt, wie schwer du mich auch kränktest.
Doch zu gerechte Ursach gabst du mir,
Dich zu verdammen – Nein gewiß, nie ward
Ein Vater mehr beleidigt – Große Götter,
Ihr seht den Schmerz, der mich zu Boden drückt,
Konnt ich ein Kind so schlimmer Art erzeugen?
Er geht – Welch eine Rede traf mein Ohr!
Welch kaum ersticktes Feuer zündet sich
Aufs neu in meinem Herzen an! O Schlag
Des Donners, der mich trifft! Unselge Nachricht!
Ich flog hieher, ganz Eifer, seinen Sohn
Zu retten, mit Gewalt entriß ich mich
Den Armen der erschrockenen Oenone,
Die Stimme des Gewissens wollte siegen,
Wer weiß, wohin die Reue mich geführt!
Vielleicht ging ich so weit, mich anzuklagen.
Vielleicht, wenn man ins Wort mir nicht gefallen,
Entwischte mir die fürchterliche Wahrheit.
– Gefühl hat Hippolyt und keins für mich!
Ihr Götter, da der Undankbare sich
Mir gegenüber mit dem stolzen Blick,
Mit dieser strengen Stirn bewaffnete,
Da glaubt ich ihn der Liebe ganz verschlossen,
Gleich unempfindlich für mein ganz Geschlecht,
Und eine andre doch wußt ihn zu rühren;
Vor seinem Stolz fand eine andre Gnade!
Vielleicht hat er ein leicht zu rührend Herz,
Nur ich bin seinen Augen unerträglich!
Und ich bemühe mich, ihn zu verteidigen!
Was kann sie meinen? Was verhüllen mir
Die halben Worte, die man nie vollendet?
Will man mich hintergehn? Verstehn sich beide
Zusammen, mich zu ängstigen? – Doch ich selbst?
Trotz meines schweren Zornes, welche Stimme
Des Jammers ruft in meiner tiefsten Seele?
Ein heimlich Mitleid rührt mich wunderbar.
Zum zweitenmal laßt uns Oenonen fragen,
Den ganzen Frevel will ich hell durchschauen.
Oenone komme vor mich und allein!