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Nur eines kannst du nicht mehr. Du kannst nicht mehr
Wir werden es schwerer haben als andere Völker: Wir werden vielleicht in ganz kurzer Zeit den Freiheitsweg durchrasen müssen, den die anderen in einer geschichtlich größeren Bahn zurücklegen konnten. Das wird uns nicht mehr erspart bleiben können, den gesetzmäßigen Weg der Geschichte der Freiheit zu gehen, denn wir haben bis heute jede Gelegenheit versäumt, außerhalb unserer Entwicklung, außerhalb der Geschichte, den großen Sprung zu machen, den Sprung in die Freiheit, den Sprung in das neue Reich. Unser Weg, unser langsamer, schwerer Weg, hat schon begonnen: Conventikel flüstern im Lande, die den Individualismus lehren. Einzelaktion, reißende Klugheit, Rettung der Person vor der Auflösung. Gut – für die Phase, die autoritätsfrei machen wird. Unterlassen sei der Vorwurf: Kleinbürgertum! Nur dies ist nicht zu vergessen, daß wir in solchem Zustande anderen Völkern (die ihn längst los sind) genauso novellistisch komisch erscheinen wie uns selbst unser halb vergessener individueller Ahn im Schlaf rock mit langer Pfeife. Aber dieser Weg der Selbstvervollkommnung, der kleine Weg, hat nur dann ein Recht, wenn wir nicht auf ihm bleiben. Wenn wir in der Masse landen.
Der Augenblick, da ganz ernstlich auf der Welt die große
Es ist eine Schein-Enttäuschung. Alte Gewöhnung aus stillen Zeiten fragt immer noch bei jeder Krise: sind die Männer da, die die Ordnung der Zukunft lenken können? Aber die Männer sind immer da, diese Beauftragten, Denker, Genies, Volksvertreter, diese Führer. Nur ihr Volk ist nicht da. Warum das Volk nicht da sei? Weil sie es nicht wollen. – Der Führer tritt auf, er erklärt, er fordert. Aber er erklärt, daß eine mechanisch und passiv heraufrollende Welle die Ereignisse gebracht hätte: die »Umstände«. Und er fordert: Abwarten. Wer hört ihn? Publikum, nicht Volk. Das Volk, noch eine Millionenzahl von einzelnen, unverbundenen, stecknadelgroßen Individuen, strömt aus unendlich vielen Flußläufen seine Willenskräfte zusammen, mächtig steigt sein Wille auf, ein riesenhafter griffbereiter Arm aus zahllosen Menschenleibern. Die Führer sind verstört: Hier will etwas, das mehr ist als sie, höher, sicherer und drängender ungeduldig nach vorwärts. Weiß nicht dieser Schrei der Masse, der in die Welt auffliegt, unendlich genau das Ohr, zu dem er stößt: das Ohr der Masse irgendwo auf Erden, der Brüder, Kameraden, Helfer? Weiß nicht der Riesenfuß der Masse, der über die Straßen stampft, warum er Häuser zertritt, die Hindernis zum Ziel sind? Weiß nicht die gespannte Riesenhand so sicher, wohin sie greift, was sie zerdrückt und was sie bewahrt, um es über ihre Menschen auszuschütten? Hier ist das Volk, und der strahlende lebendige Gigantenkörper seines Willens ist unendlich mehr als das Geschöpf eines einzigen, zufälligen Moments: Ein Wesen ist dieser Wille, aufgebaut aus allen Willensgeschöpfen der unvollendet versunkenen Geschlechter.
Aber wo ist da der Führer? Der Führer war in der langen Zwischenzeit der erzwungenen Ruhe, der Niederhaltung des Volkes, jenem Fackelläufer gleich in antiken Spielen, der im Wettlauf die Fackel brennend dem nächsten Läufer reichen mußte. Der Führer sah atemlos nur den nächsten Führer, er rannte, gebannt ganz im Gedanken an das Brennen seiner Fackel; keiner wußte mehr, warum der Fackellauf war; ein Rennen gab es um die Führerehre. – Der Führer denkt und lebt noch mit seiner Vergangenheit. Zur Zeit, da er längst schon vorstoßen müßte, wie einer der kleinen Namenlosen neben ihm, steht er noch in bloßer Opposition. Seht diesen großen Ringelreihen der Erde. Die Mitspieler das Gesicht unablässig einander zugewandt im innern Kreis: die Führer! Draußen wanken schon die Berge von Menschen auf und ab. Der Führer ist gestört vom Draußen. – Ah, es wurde ernst? Der Führer ist zum Gegner geworden. Denn der Gegner das ist der Autoritätsmensch. – Eine Schein-Ent täuschung. Er konnte nie wirklich enttäuschen. Das Volk beging die Sünde, sich blind auf ihn zu verlassen – was sollte es machen, wenn er sprach? Es war noch wirr zerspalten in ein Millionenfeld einzelner Würmer. Notgedrungen dem trauen, der sich selbst für ehrlich hielt. Schlimmer: notgedrungen ihm folgen! – Aber es wird ernst? Es gibt keine Führer mehr. Auf kein fremdes Einzelwesen hat man jemals mehr sich zu verlassen. Auf kein fremdes Einzelwesen hat das Volk jemals mehr sein Leben zu stellen. Es gibt keine Führer! –
Du würdest dies nicht lesen, mein Freund, wenn du nicht die Erneuerung wolltest: die Erneuerung der ganzen Welt, die Austreibung des bösen Giftblutes aus den Adern und die Durchströmung mit neuem Lebensfluß. Die Erneuerung
In abgelegenen Provinzen kämpfen kleine Sondergruppen zäh; in den.großen Knotenstationen entladet alles sich plötzlich in einem Augenblick. Zusammen gesehen gingen alle aufs selbe Ziel los. Und die Massenaktionen des Volkes unterscheiden sich von allen befehlsmäßig kommandierten politischen und kriegerischen Zügen ganz scharf dadurch, daß bei ihnen die höchste, gerechteste, geistigste, menschheitliche Ideen-Forderung mit der allerdringendsten, allerunkompliziertesten, allerlebensbrennendsten Interessen-Forderung zusammenfällt. Hier hört die Diskussion auf: Wo in der Welt, in der Geschichte, die Masse den Schritt tat, der zur Lösung der unmittelbarsten Lebensfrage des Menschen ging, wo ein Versuch zur Verwirklichung des Sozialismus begonnen wurde, da ist Ungeheures geschehen, auf rohestem Bauplatze menschheitlich Göttlich-Geistiges. Und es kann sogar kommen, daß die Tat in die höchsten Stufen der Erkenntnis und des menschlichen Willens reicht, doch jenes rein theoretische Denkprogramm, das Agitationshilfe zu dieser Tat war, auf ganz unfreiem, mechanistisch-fatalistischem Denkgebiet blieb. In unserer Zeit haben die ersten Verwirklicher des Kommunismus einer materialistischen Philosophie angehört, die nichts anderes als das längst Abgetane veralteter Naturwissenschaft sagte, der Mensch sei ohne freien Willen und das Produkt der Verhältnisse, und eben sie haben mit dem mächtigsten Griff des freien Willens in der unbeschreiblich kurzen Spanne eines Jahres die neuen Verhältnisse der kommenden Welt geschaffen und vorgeformt. Denn nicht das Agitationsprogramm ist die Idee, die die Massen zum Handeln treibt, sondern jener große Denk- und Willenskreis, der aus der bloßen Tatsache der Existenz des Menschen entspringt und in dem die Interessen-Agitation (also der materialistische Unterbau) nur den kleinen Abschnitt des Aktuellen bildet. Die Menschen tun ihre Taten nach den Ideen. Die Menschen setzen die Ideen in die Welt; lauter Einzelpersönlichkeiten der
Die wir an den Weg des Geistes glauben, wir sehen: Vor der Erneuerung wird eine große Bekehrung kommen müssen. Aber Bekehrung, das kann man nicht mit Jammern machen, nicht passiv, nicht mit Abwarten, Zusehen und Abwälzen der drohenden Dinge auf die anderen. Bekehrung ist bewußtes und willentliches Hindurchgehen durch ein Leben, das wir für niedriger halten als jenes, das vermeintlich unserer würdig wäre. Abstieg auf ein Niveau, das scheinbar tiefer als das unsrige ist. Nämlich genau zu dem Leben und zu dem Niveau, das unsere erfüllte Wirklichkeit ist, das uns nicht mehr den Schutz des Sich-erhaben-Dünkens gewährt, den Schutz nicht mehr des geistigen Reservates; nicht mehr den tödlich Weltschwindel zuläßt, in dem System des Intellektes durchaus menschlich zu denken, aber sich mit dem bloßen System zufriedenzugeben; mit Hochmut auf den Handelnden zu sehen – also noch selbst: außermenschlich zu handeln. – Hindurchgehen durch unser tiefstes Niveau – und das geistige Ziel? Das Ziel ist ewig und absolut – wir selbst sind endlich und unsere Mittel endlich. Bekehrung ist der Weg des Handelns mit allen, mit allen unseren endlichen Mitteln zum ewigen Ziel. Der Weg der Bekehrung: Untertauchen in die Masse. Masse sein. Masse sein, heißt nicht: hinter dem Rücken des Vorderen verschwinden. Es heißt: Verantwortlich mit der brennendsten Spannung deines Willens in den Willen deiner zahllosen Kameraden stürzen.
Ein Augenblick kommt, da bist du nicht mehr Klasse: nicht mehr Bürger. Wer führt die Massenaktionen aus? Die Arbeitenden. Das Proletariat. Sie handeln, die andern schauen zu. Es gibt aber keine Zuschauer mehr. Du sympathisierst mit den Handelnden, den Arbeitern, dem Proletariat? Man braucht keine bloßen Sympathiekundgeber mehr. Du hast heute zu handeln. Mein Freund, dein Weg