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Bringt mir die ältesten Stiefel; es sind immer noch die bequemsten. Die Zwerge laufen geschäftig mit verschiedenen Stiefeln umher. Rübezahl setzt sich auf den Divan und die Zwerge bringen nun auch einen grossen Schafspelz, Knotenstock, weisse Pelzmütze und Pelzhandschuhe von links herbei und legens auf die Fellsessel rechts – bürsten und klopfen an den Sachen. Zu einem Zwerge der Zigarren in eine Zigarrentasche steckt und sie dem Rübezahl übergibt, sagt dieser. Ja, mein Sohn, je mehr Du über die Unendlichkeit nachdenkst, um so deutlicher wird Dir klar werden, dass wir, die wir in dieser Unendlichkeit leben, in einer sehr unbegreiflichen Sache leben. Die Welt ist kein A b c- Buch. Er steckt die Zigarrentasche ein und zieht mit Hilfe der Zwerge seine ältesten sehr langen Stiefel an. Und der grosse Zauber, der in dem Unaufhörlichen lebt, sollte auch die Menschen bezaubern Er steht auf. Aber dieses Schweinepack – gebt mir meinen Schafspelz! – lebt lieber wie das liebe Vieh in einer möglichst »beschränkten« Welt Er zieht den Pelz an und geht nach hinten rechts, wo er mehrmals mit seinem Knotenstock heftig auf den Boden stampft.
Schwarzes wirres Haar und dicker schlecht gepflegter Bart. Blaues Kattunhemd. Heil Dir, Rübezahl! Soll es schon losgehen?
Ja! Und ich will, dass diesmal Alles zittert. Und zehn Tausend Menschen müssen mindestens totgeschlagen werden.
Also: Vulkanausbruch mit grösserem Erdbeben! Jawohl – sie werden alle vergiftet, verbrüht und erstickt! Er versinkt – pfeifend in einem Tone.
Spitzbart. Braune Sammetjoppe. Gelbseidenes Halstuch. Dunkle Beinkleider. Nachlässig. Na? Soll schon wieder mal der Spektakel losgehen? Willst Dir wohl den Schaden ansehen – was?
Ja, lieber Rüffel! Gleich gehts los! Pass auf! Er hebt seinen Stock und horcht. Plötzlich furchtbares Gekrache und Getöse – lang andauernd und sehr heftig. Rübezahl steigt währenddem Knotenstock schwingend die Wendeltreppe hinan. Die Zwerge halten sich die Ohren zu und laufen links ab, wahrend Rüffel ganz erschrocken neben dem Divan dem fortgehenden Rübezahl nachblickt.
Ja, ich will wieder – für lange tausend – Jahre – hinunter – in den Granit – und da – zu Stein werden. Mir fällt es schon – so schwer – zu sprechen. Mir ist so – als würge man mich. – in den Granit – und da zu Stein werden. Mir fällt es schon – so schon – so schwer – zu sprechen. Mir ist so – als würge man mich.
Ja! Ich möchte Dich bitten, mir einen sehr grossen Gefallen zu tun. Kann ich mich – auf Dich – verlassen?
Rüffel setzt sich im Folgenden rechts auf einen Fellstuhl. Du weisst – ich muss tausend Jahre tief unten im Gestein leben. Aber Du weisst auch, dass ich da in der langen Zeit nicht tot bin – ich führe da nur ein anderes Leben, das vielleicht ähnlich ist – dem Traumleben der Menschen. Aber dasselbe ist es nicht. Es ist sehr viel mehr. Ich weiss da sehr wohl, wo ich bin – und – werde – mich sehr einsamRüffel, der aufgestanden war, setzt sich wieder. Und deshalb – weil ich mich da unten so einsam fühle, möchte ich, dass Ihr Alle unten in meiner Nähe wäret – ich möchte, dass Rübezahl mit seinem Felsenpalaste in die Tiefe sinkt – in die grossen Granitadern hinein – die den Mittelpunkt der Erde – umklammern.
Ja – aber Rübezahl wird nicht aufhören, sie dafür zu hassen – und zu quälen Getöse von Erdbeben in der Ferne. Und man hört es nur zu oft, wie er sie quält!
Menschen brauchen wir dazu. Ich werde ihm erzählen, dass er in neuer Form die Menschen zwiebeln muss. Und um nun die empfindlichste Art der Menschenzwiebelung kennen zu lernen, müsste er nichtswürdig veranlagte Menschen hier unten ausforschen. Und solche Menschen muss uns Raxer besorgen. Raxer versteht das. Verstehst Du, wie ichs meine?
Keineswegs! Aber Raxer geniesst Rübezahls Vertrauen – allerdings – er muss die Menschen besorgen – herbringen – und das kann er auch.
Fahr hinunter zu ihm – und mach Deine Sache recht gut; Rübezahl kommt bald zurück – mit ihm muss ich allein sprechen.
Ich werde dem Raxer auseinandersetzen, dass wir die Menschen noch viel empfindlicher treffen müssen – und einen Menschenhass heucheln! Oh – er soll ganz verblüfft sein. Ich gehe mit Dir zusammen! Steht auf, reicht ihr die Hand. Du weisst, mir ist Rübezahls Art auch nicht recht; er sollte seine agitatorischen Allüren ablegen. Was geht ihn das ganze Menschengeschlecht an? Wozu muss er immer seine kosmische Weisheit den Menschenköpfen aufdringen? Wozu? Er will ein geistiger Potentat sein – auch da oben auf der Rinde – und das gelingt ihm nicht – und daher ist er Menschenfeind. Das geistige apostolische Potentatentum hat aber doch sehr komische Seiten. Man sollte sich mehr um sich selber kümmern – und schliesslich nur bei sich selber bleiben, Er küsst ihre Hand und lässt sie los, geht nach hinten rechts hinter den Felsblock und sinkt im Folgenden langsam in die Tiefe. Auf Wiedersehen, liebe Quiwi! Bleibe fest! Du sollst nicht einsam unten sein.
Die sind ja schon so kalt. Arme Quiwi! Willst Du noch etwas? Sollen wir immer bei Dir bleiben? Wirst Du uns auch nicht vergessen? Erzähle uns doch, wie Dir unten zu Mute ist.
Plötzlich kommt es nicht. Ich merks vorher. Ich danke
Wir gehen schon. Lebe wohl, Quiwi! Vergiss uns nicht, wenn Du unten bist. Ruf uns nur, wenn Du was willst. Links ab.
Ich werde nicht mehr lange in Deiner Nähe sein. Ich muss wieder hinunter. Die Fingerspitzen werden mir schon so kalt. Und – mit – der Sprache – wills zuweilen – garnicht mehr gehen. Auch in den Füssen hab ichs – und dann zuckts oft durch den ganzen Körper.
Dazu werde ich unten keine Zeit haben – aber ich könnte Dir sagen, wie Du Deinen Menschenhass schärfer zum Austrage
Menschen selber wissen es am besten, wie Menschen am heftigsten gequält werden. Du musst Dir ein paar Menschen herbringen lassen und von ihnen zu erfahren suchen, wie man am stärksten die Menschen verwundet.
Doch die Sache eilt. Ich kann nicht mehr lange hier sein – und ich möchte Dir doch – beim Ausforschen der Menschen – etwas – behilflich sein.
Quiwi, ich danke Dir! Du weisst, was mir fehlt! Du weisst, wie mich die Wut zernagt. Ich habe vergeblich mich bemüht, den Menschen grössere Welträume aufzutun. Die Menschen sind gemein und erbärmlich, und meine Freundlichkeit ist zum wilden Hass geworden. Sie sollen jetzt mit Gewalt aufgerüttelt werden. Wo die guten Worte nicht mehr ziehen wollen – da soll die Peitsche ziehen. Ich muss wirklich – Du hast ganz Recht – schärfer vorgehen – und wie man das macht – Du hast wirklich ganz Recht – das kann man am besten von den Menschen selber erfahren.
Sage dem Raxer, er möchte mir die Menschen bringen – ich werde ihm hier sagen, wie ichs haben möchte.
Ich habe Dir zu danken Küsst ihr die Hand und geht hinten links ab, während Raxer in die Mitte kommt und sich dort auf einen Fellstuhl setzt – der Quiwi gegenüber, die auf dem Divan sitzen bleibt wie im vorigen Auftritt.
Die Sprache – fällt – mir – schon schwer. Sieh – wenn ich unten bin, wird mirs zuweilen schmerzhaft sein, wenn ich was von den Erdbeben höre. Und deshalb möchte ich, dass Rübezahl die Menschen in anderer Weise quält – in einer empfindlicheren Weise.
Oho! Bist du auch zum Menschenfeinde geworden? Vor zwei Minuten hörte ich den Rüffel in derselben Tonart blasen. Denke nur: Rüffel! Rüffel, der sonst nur Welten schaffen will – der dazu fortwährend neue Wesen – mit neuen Leibern – in Ton knetet! Dieser Rüffel will jetzt auch blos die Menschen hassen! Die Sache kommt mir beinahe verdächtig vor.
Garnichts ist daran verdächtig; ich habe mit Rüffel bereits gesprochen – und zu Dir sprach er in meinem Auftrage.
Ach so! Na – denn entschuldige! Ich gebe im Uebrigen zu, dass die Erdbeben den Menschen garnicht empfindlich genug treffen; das einfache Totschlagen macht den Hass nicht kühl.
Ja – ich soll Menschen besorgen, von denen wir das Menschenschinden besser lernen können. Etwas demütigend, dass wir das nicht selber besser wissen. Aber mir leuchtet wohl ein, dass die Gnome nicht so genau die menschliche Natur kennen dürften – wie die Menschen selbst.
Und wir brauchen Dich, denn Du bist Sammler! Du sammelst nicht blos schöne Steine – sondern auch schöne Menschencharaktere.
Ich danke Dir! Ich danke Dir! Drückt ihm die Hand. Aber – hast Du auf Lager, was ich meine? Und – kannst Du mir so was – Schauderhaftes – herbringen?
Gut! Lebe wohl! Er drückt ihr die Hand und geht eilig
mehrere Stufen zugleich nehmend die Wendeltreppe hinauf-pfeifend.
Er tut – was ich will! Sich aufstützend. Das ist ein gewandter Gnom! Und er sieht – immer – so ruppig aus! Aber von den – geistigen Potentaten – sprach er nicht! Natürlich! Die sind ja auch nicht böse! Sie sind anders. Rübezahl! Rübezahl ist ein geistiger Potentat und – ein schöner Wüterich! Und der – soll nicht böse sein? Lacht. Ich danke schön! Er ist voll Ingrimm – und der – ist auch – böse. Jetzt fallen mir – die Augen zu! Wer ist – hier – bei – mir? Rüffel steigt rechts aus der Versenkung heraus.
Wenn ich auch nicht sehe – so weiss ich doch, was vorgeht. Rüffel starrt sie, ohne mit dem ganzen Körper nach oben zu kommen, weit vornüber gebeugt mit grossen Augen an. Schon beginnt – für mich – das andre Leben. Die ersten Fieberschauer – kommen schon. Ich bleibe – nicht mehr lange – bei Euch. Und ich sehe doch durch alle Felsen durch – und sehe, was Ihr wollt und tut: Rübezahl wütet – Raxer tut, was ich will – und Rüffel tut, was er will. Und in der grossen Welt – zerfliessen wieder – tausend Schleier. Und viele viele Wesen lernen tiefer hineinschauen – in die grosse weite Welt. Und ich sehe, wie sie das lernen – langsam, aber mit Beharrlichkeit tun sies. Und die Schleier zerfliessen – und die Augen sind nicht mehr nötig – andre Tastsinne recken sich auf – und die tasten noch weiter Mit erhobenen Händen. in die Welt hinein – durch alle Sterne durch – in manches Geheimnis – und in neue Dinge – über die sich Alle wundern. Dass aber so sehr viel Neues näher rückt – so sehr viel – immer näher! Ich fürchte mich – es rückt mir – zu nah! – das Neue! – Es drückt mich!
Ja, dazu haben wir doch Ursache! Wir, die wir so vieles durchschauen, uns selber und uns gegenseitig durchschauen wir doch nicht; Du durchschaust mich nicht – und ich durchschaue Dich nicht. Das musste wohl so kommen; der weite Blick, den wir hier unten haben, ist in der Nähe nicht zu gebrauchen.
Dann will ich Dir sagen, was ich dachte: ich dachte an Rübezahl und Raxer und an die Quiwi und an mich selbst, und dabei kams mir so vor, als ob ich selbst das schwerste Leben führen musste – denn ich will neue Ideen nicht blos hervorbringen, ich will sie auch festhalten, ausgestalten und plastisch niederlegen – während Ihr Alles ruhig im Kopfe herumwälzet und nichts Neues zur äusseren Erscheinung macht. Rübezahl und Du – Ihr macht Euch die nötige Bewegung blos durch den einfachen Hass.
Ha! Ha! Dacht' ichs mir doch! Der »einfache« Hass! Lieber Rüffel, ich hatte also doch Recht, Quiwi erscheint von links. als ich an die Ehrlichkeit Deines Menschenhasses nicht glauben mochte.
Von Ehrlichkeit des Menschenhasses ist bei uns auch nie die Rede gewesen; es erschien uns aber der Menschenhass als gutes Mittel, stärkere Erregungen auf der Erde zu erzeugen – und darum ...
Der Hass schafft, wie ich schon bemerkte, Dir und dem Rübezahl die erwünschte Bewegung – der Hass kann also auch an andern Stellen die erwünschte Bewegung hervorrufen.
Na – wir reden darüber später noch einmal. Ich traue Euch nicht, aber ich schicke Euch trotzdem die erbetenen Menschen zu. Versinkt hinter dem Fenster.
Ja, setzen Sie sich zunächst auf jenen Stuhl. Von Schmalz setzt sich rechts vom Tisch der Quiwi gegenüber, neben Rüffel.
Ich? Sie verwirren mich. Ich verstehe nicht – soll ich als Steuer-Beamter Ihre – Schmuggelgeschäfte – fördern?
Führt Herrn von Schmalz in ein Nebenzimmer und nehmt die Zwerge gleich mit Die Feen gehen mit Herrn von Schmalz und den Zwergen links ab in die Seitenkulisse nach unten, während sich Paschke aus den Stuhl des Herrn von Schmalz setzt.
Meine sehr verehrten Herrschaften! Ich erkläre Ihnen gleich ohne alle Umstände, dass Sie ganz frei über mich verfügen
Sehr gut! Sie brauchen sich aber unsertwegen nicht in Gefahren zu stürzen. Sie sind hier in Rübezahls Palast.
Ach, Sie missverstehen blos. Denken Sie mal darüber nach, wie man den Menschen die intimsten Schmerzen bereiten könnte.
Ein Hausknecht und eine Kammerzofe in meinem Felsenpalast! So was ist auch noch nicht dagewesen. Und was ist der Grüne?
Du bist mir als Bösewicht und Menschenschinder gut empfohlen. V. Schmalz setzt sich. Ich will hoffen, dass Du
Eine saubere Gesellschaft! In meinem Palast – ein Steuerbeamter! Steht auf und geht nach links. Wartet hier – ich komme gleich zurück! Raxer! He! Raxer! Links nach unten durch die Seitenkulisse ab.
Herr Paschke, entschuldigen Sie bitte mein Benehmen von vorhin – aber ich wollte versuchen – mit Schneidigkeit – durchzudringen.
Sie spassen noch – aber mir wird unheimlich zu Mute. Wir sind hier in die grösste Schmugglerbande hineingeraten – und ich weiss garnicht wie.
Meine Herren, mir kommt die Geschichte sehr romantisch vor. Steht auf. Gestatten Sie, dass ich mich auf Rübezahls Stuhl setze, Tuts. Ich will mal sehen, wie ers aufnimmt. Der rotbärtige Kerl ist auch so romantisch. Und ich liebe die Romantik.
Aber, meine Herren! Sehen Sie sich doch lieber die Goldadern an! Rechts und links neben mir Goldadern! Was bedeutet dagegen eine staatliche Belohnung? Machen Sie gute Miene ...
Die beiden Männer sehen nach den Goldadern – sie wollen sich wahrscheinlich die Taschen vollstecken. Ich aber, Herr Rübezahl, verachte das Gold – und deswegen habe ich mich mit dem Rücken gegen diese Wand gesetzt. Entschuldigen Sie nur, dass ich mich dabei aus Versehen auf Ihren Stuhl gesetzt habe.
Na – meinetwegen! Raxer, führ die beiden andern Menschen nach unten. Ich klopfe nachher. Raxer mit den Beiden nach links ab.
Nur kurz und schnell möchte ich Ihnen, Herr Rübezahl, sagen, dass ich jetzt verstehe, was sie von uns wollen. Es liegt Ihnen, der sie ein ausserordentlich reicher Mann sind, sehr viel daran, Ihre Macht in schärfster Weise zu betätigen. Und man betätigt seine Macht dadurch, dass man die Niedrigergeborenen die ganze Schwere seiner Faust fühlen lässt. Und darum wollen Sie, Herr Rübezahl, immer neue Ideen haben, das niedrigergeborene Volk zu malträtieren. Ihre Frau Gemahlin sagte mir das so nebenbei, dass ichs anfänglich für einen Scherz hielt. Aber jetzt bin ich meiner Sache sicher, und ich erkläre Ihnen hiermit unter vier Augen, dass ich Sie in vorzüglicher Weise bedienen kann und will. Ich verstehe vollkommen, dass der Reichtum leicht eine grosse Reizbarkeit erzeugt, die – sagen wirs einfach – grausam macht. Und ich stehe auch ganz auf dem Standpunkte, dass der Machthaber allein das Recht hat, sich auszuleben. Ein Machthaber
Sie müssen, Herr von Schmalz, über die radikale Zerstörung des menschlichen Gesichtsfeldes weiter nachdenken.
Dieses Erbärmliche – in meinem Palast? Die Gemeinheit – hier? Da könnte ich ja rasend werden. Was hat die Quiwi getan? War das ein Attentat? Ist das eine Verhöhnung meines Menschenhasses? Oder – soll wirklich eine Steigerung meines Menschenhasses erfolgen? Diese Brut sollte man – ja – natürlich – allerdings – es genügt nicht – einfach –Paschke von links unten – anfangs von Rübezahl nicht bemerkt. Man sollte grausamer vorgehen. Ja – sollte man grausamer vorgehen? Sind sie auch die Aufregung noch wert? Allerdings – man sollte – ah! – der Herr Hausknecht. Sehr erfreut!
Wie süss das klingt! Herr Raxer hat mich schon informiert. Sie wünschen, wie ich annehme, die Unruhe in der Welt zu vermehren. Sammeln Sie – die verkommenen Existenzen, die vom Schicksal einfach – zu Krüppeln gemacht sind. Mit einer Gesellschaft von diesen Leuten, die zu Allem fähig sind, können Sie auch Alles machen. Die Saat ist heute reif – nur schnell zupacken. Ich bin nicht so anmassend, dass ich mir einbilde, ganz alleine die schärfsten Infamitäten ausbrüten zu können. Aber – gestatten Sie mir, die Unterdrückten – die Leute, die ihr Selbstbewusstsein verloren haben – die eine sogenannte Würde nicht mehr kennen – hierherzubringen. Sie werden dann bedient werden, dass Ihr Temperament –
Dieser Schuft will, dass ich die grössten Schweinhunde zu Gaste lade! In meinem Palast sollen sie Tag und Nacht – Infamitäten ausbrüten! Zum Donnerwetter! Da könnt' ich ja gleich die ganze Menschheit hier aufnehmen – als wärens meine Freunde! Wollt Ihr mich rasend machen? Fort mit diesem Schuft! Bring den Kerl ins Eiszimmer, damit er sich abkühlt! Raus mit ihm!
Vergib mir! Vergib mir! Ich war vorhin so – herausfordernd. Ich setzte mich auf deinen Stuhl, um Dich zu reizen. Oh – vergib mir! Du kannst machen mit mir, was Du willst. Ich bin nicht mehr das gebrochene Weib – ich bin ganz umgewandelt – und will nur noch das, was Du willst. Ich gehe für Dich in den Tod. Ich will für Dich morden und stehlen, betrügen und lügen – hassen und lieben – so wie Du befiehlst. Peitsch mich! Töte mich! Tu mit mir, was Du willst! Dich suchte ich! Du bist voll ewiger Wut – denn Du bist auch verwundet und zurückgestossen wie ich. Und so gehören wir zusammen. Wir wollen uns zusammen Rache verschaffen. Ich will jeden
Was war das? Es zuckte was durchs Zimmer – wie Blitze – komm her – setz Dich still hin – die Blitze sind fort.
Wenn Du wüsstest – was mich bewegt! Schon geht Alles, was ich sehe, langsam zurück – und es wird bald kleiner und dann wieder grösser. Und ich möchte, dass Du das, was ich empfinde, mitempfinden könntest. Meine Ohren hören schon anders als sonst – viel mehr – ferne Melodieen – und viel Fremdes – Weites. Und ich höre auch, was Du sagst – in Dir – ohne dass Deine
Mich schmerzt es, dass der Mensch, wenn er die Menschheit hasst, so garkeinen Begriff von Grösse hat – dass der Menschenhass der Menschen immer soviel Niedrigkeit in sich schliesst – das Keiner dabei das Weite will. Ja, Du hast recht – diese drei Menschen, die Du mir hergebracht hast, ekeln mich an. Und ich möchte, dass alle Menschen zu Grunde gehen – alle Menschen! Höre, Quiwi, was ich will: Neue Erdbeben sollen mein Herz erleichtern – die Menschen sollen alle zu Grunde gehen – alle! Aber rasch solls geschehen, damit ich sie schnell vergesse.
Für mich gehen sie so langsam hin, dass ich sehr – sehr leiden werde. Keinen werde ich haben, der mein grosses Weltleben da unten mitempfinden wird. Ich bin zu schwach, das Grosse – allein zu tragen. Und so wird das Grosse nur eine grosse grosse Qual für mich sein.
Ich sehe durch die Erde nach allen Seiten – und – ich höre mich, Rübezahl! – ich sehe bereits viele Menschen, deren Blick sich weitet. Menschen sinds – in einsamen Räumen – diesen Menschen wird der Himmel immer grösser – und ihr Leben wird ihnen auch immer grösser. Diese Menschen – wenige sinds nur – aber sie sind auf jener Seite Nach oben zeigend. und auch dort Nach hinten zeigend. – diese Menschen – empfinden immer mehr – vom grossen Weltleben – sie leben mit mir – als wärens – meine Kinder. Und ich weiss nicht, ob Du diese auch hassen darfst – wenns auch
Und diese wütenden Blicke! Und dann denken sie immer noch, wir bilden eine Räuberbande! Und dann wollen sie immerzu Gold haben! Recht dickes Gold! Zu komisch!
Damit Rübezahl – mit diesem Felsenschloss – in die Tiefe – fährt – dorthin – wo ich – in den Stein muss und – für tausend Jahre selbst zu Stein werden muss.
Diese Uebergangszeit – ist – für mich – so qualvoll – dass ich mir – selber bald – unangenehm – werde. Ich bin noch – so wie sonst – doch dabei fühl ich schon – ganz – wie die hohen Felsen – die über uns – immer – Schnee auf ihren Häuptern tragen. Mir wird so oft schon – oben – weit über mir – so kalt – so eiskalt. Und das ist so scharf – und schneidend. Wirst Du mir helfen – auch wenns anders kommt?
Ja – Du willst damit andeuten, dass Du immer oben bleiben möchtest. Und damit willst Du Deine Menschenliebe oder Deinen Menschenhass als etwas Höheres – was oben bleibt – hinstellen. Ist es nicht so?
Das tut mir recht leid, denn ich hätte Dir gerne Manches gezeigt. Ich arbeite jetzt nur an neuen Organen. Auf der Erdoberfläche entstehen doch auch so viele neue Organe – und das regt so an – zudem: da ich meine neuen Lebewesen mit lauter seltsamen Gliedmassen ausstatte, – so müssen an diesen seltsamen Gliedmassen auch seltsame Organe zu finden sein.
Das ist ja gerade das, was ich an Dir schrecklich
Ach was! Im Grunde genommen möchtest Du sie blos bekehren. Wie ein Apostel der kosmischen Fernsicht kommst Du mir vor. Dein Apostelspielen scheint mir aber etwas oberflächlich zu machen – denn Du kommst nicht zu mir runter.
Selbst leben ist wichtiger als leben lehren. Er setzt sich links auf die Bank. Es wäre doch besser, wenn Du mehr danach strebtest, Deine Ideen plastisch auszuarbeiten – als agitatorisch zu verbreiten. Sonst könntest Du schliesslich dahinterkommen, dass Deine ganze agitatorische Potentatentätigkeit blos eine Propaganda für ein Schattenreich darstellt, was mir schon der zwei Dimensionen wegen nicht behagt – ich bin doch Bildhauer.
Lieber Rüffel, ich möchte blos unsre drei Menschen beobachten – belauschen. Und ich bitte Dich daher, sie dort unten, wo Du sitzest, zusammenzubringen. Schick sie mir her und lass sie da unten warten. Ich möchte die Menschen mal da unten so ungestört neben einander sehen. Ueber Deine Worte will ich nachdenken.
Ich bitte Sie, wir sollten Hand in Hand gehen, das Schicksal hat uns zusammengeführt – und darum – Handgeschüttel.
Daran denkt hier kein Mensch! Sieht ihn schmunzelnd an – sie setzen sich links und rechts auf die Bänke, sodass sie neben dem Eingange sitzen, der zur Holztüre führt.
Der gewöhnliche Menschenfeind ist gewöhnlich ein dummer Kerl, der von Andern mit Leichtigkeit ausgequetscht werden kann.
Solch ein dummer Kerl befindet sich aber in diesem Palaste nicht – wir müssen daher unsern ganzen Witz aufbieten, dem Herrn dieser Herrlichkeit zu Diensten zu sein.
Hm! Also: Sie sind meiner Meinung? Von Schmalz nickt. Hm! Ich bin eigentlich auch ein grosser Menschenfeind – wie – dieser – Rübezahl.
Hm! Sie, Herr von Schmalz, hassen aber blos das dumme Volk – und das ist unserm Rübezahl noch nicht genug.
Die Sache ist einfach; wir haben uns blos die Arbeit zu teilen. Geteilte Freude ist doppelte Freude; wir werden den doppelten Lohn erhalten.
Sie müssen den Wohlhabenden Furcht einjagen – Furcht vor dem Neuen. Und mit dieser Furcht müssen Sie lauter freche Tyrannen machen. Dann werden durch die Tyrannei die Minderbegüterten aufgestachelt und wütend werden. Und so werden alle Menschen in Jahr und Tag zu Menschenfeinden werden und sich gegenseitig fuchswild kurz und klein schlagen.
Leuchtet ein! Brillanter Vorschlag! So wird plötzlich Allen geholfen! Es lebe der Menschenfeind! Dem Herrn von Rübezahl wird es kolossalen Spass machen, wenn er bemerkt, wie er grade durch uns die beste Propaganda für seinen Stand als Menschenfeind machen kann.
Wir haben nur öfters scharf zu betonen, dass wir alle Menschen gerade durch einen »blinden« Menschenhass ganz dumm und beschränkt machen können, sodass sie vor »blinder« Wut nicht mehr die Katze von der Maus unterscheiden können – und so leicht zu regieren sind – wie das liebe Vieh.
Aber merken sie sich das, Herr von Schmalz: Hass und Dummheit wachsen nicht »immer« auf demselben Ast – es gibt Ausnahmen!
Ja: drei Ausnahmen gibt es! Der Herr von Rübezahl – Sie, Herr von Paschke – und meine Wenigkeit – diese drei sind auszunehmen.
Der Teufel soll Sie holen, meine Herren! Wenn Sie mich nicht auch als Ausnahme betrachten – so verrate ich Sie – oder ich schiesse Sie nieder. Ich hasse die Menschen auch, »ohne ein dummes Schaf zu sein.«
Verzeihen Sie, mein Fräulein, dass Herr von Schmalz sich verrechnet hat – aber ich kann wirklich nichts dafür.
Wir hatten doch gar keine Ahnung, dass grade »Sie« uns belauschen würden. Wer hätte denn so was gedacht!
Schwören Sie mir, meine Herren, dass Sie nichts ohne mein Mitwissen und ohne meine Mitwirkung unternehmen werden?
Es lebe die wütende Borniertheit der Menschen da oben! Von der Borniertheit kann man immer ganz famos leben.
Oh! Oh! Verzeihen Sie uns, Herr von Rübezahl! Wir sind ja mit der Bauart dieses Palastes nicht vertraut.
Herr von Schmalz, dieser Pseudopotentat, hat ganz alleine gezählt – er verrechnet sich immerzu – aber ich kann wirklich nichts dafür.
Ruhe da unten! Sie haben Ihre Rollen ganz vorzüglich gespielt. Sie wussten ganz genau, dass Sie Zuhörer hatten. Aber wenn Sie sich für klug hielten, so geben Sie sich einer Täuschung hin. Ihre Worte haben bei mir das Gegenteil Ihrer Absicht bewirkt. Jetzt hab ich genug vom Menschenhass. Ich danke Ihnen. Raxer, bring diese drei Menschen, die so famos den Menschenhass in ihre Geschäftskalkulationen zu ziehen verstehen, in die grossen Kristallsäle – damit sie da weiter nachdenken können – mal über was Andres – vielleicht zur Abwechslung mal – über die Bedeutung des besten Bedientenverstandes. Der Hausknecht und die Kammerjungfer haben schon von Geburt an einen ganz vortrefflichen Bedientenverstand, sie werden gern von ihrem Ueberschuss Herrn von Schmalz, der das Zählen noch nicht ordentlich versteht, abgeben. Raxer hat währenddem mehrmals an die Holztüre geklopft, die jetzt von innen von Zwergen geöffnet wird. Leben Sie wohl, meine Herrschaften.
Na ja – Du wolltest aber doch über meine Worte nachdenken – über meine Worte vom flach machenden Aposteltum.
Nachdenken! Ja – darüber kann ja auch Herr von Schmalz nachdenken. Warum soll ich denn darüber nachdenken? Ich habe über den Menschenhass nachzudenken – das geht vor. Ich habe darüber nachzudenken, wie es gekommen ist, dass ich auch zum Menschenhasser wurde.
Na – ob das so »einfach« hingesagt werden darf – das ist wohl wieder eine Sache für sich. So einfach kannst Du doch nicht durch Deine apostolische Tätigkeit geworden sein. Hammert sehr heftig. Das würde mich doch beinahe zum Rübezahlhasser machen.
Freuen? Worüber denn? Die Quiwi erscheint auf der unteren Galerie links und lehnt sich da über die Brüstung – so wie Rübezahl vorhin.
Grade freuen werde ich mich! Warum sollte ich mich über »Menschen« ärgern? Lieber Rüffel, wir wollen – uns nicht – mehr ärgern. Rübezahl will sich – auch nicht mehr ärgern. Er geht uns mit gutem Beispiel voran. Ich hörte schon, dass die drei Menschen – Rübezahls Hass nicht gesteigert – sondern vernichtet haben.
Freut mich ebenfalls! Das vom Aerger entschlüpfte mir so wider Willen. Ich fürchte, dass ich momentan der einzige bin, der sich ärgert. Ja – die Quiwi!
Dann bleibe nur oben. Höre nur: Du sagtest mir neulich, dass es oben auf der Erdrinde schon einzelne Menschen gäbe, deren Blick sich weitet.
Und nun will ich diese einzelnen Menschen auf der Erdrinde aufsuchen und in ihren Bemühungen unterstützen.
Arme Quiwi! Na – ich gehe, komme bald zurück. Es eilt – auch mit den armen Menschen. Wenn Raxer kommt – so wartet hier. Ab unten rechts.
Nein! Er will jetzt grade bei den Menschen bleiben – sein Hass ist urplötzlich in Mitleid verwandelt. Bei seinem Eigensinn ist Alles möglich. Ich hab ihm leider gesagt – sagen müssen – dass einzelne – Menschen – jetzt schon – einen weiteren Blick bekommen. Und diesen Einzelnen will er jetzt – förderlich – und nützlich sein. Jetzt, lieber Raxer, musst Du helfen – ein Andrer kanns nicht – Du musst ihm auch die Guten – so zeigen – dass er – sie nicht mehr – mag.
Das könnte doch Alles verderben. Er lässt sich nicht lenken, wenn er entschlossen ist. Sein Eigensinn – oh!
Dann will ich tun, was ich kann. Sie kommen nach vorn, Raxer setzt sich an den Tisch rechts vom Mittelgange, Quiwi an den Tisch links vom Mittelgange.
Dann sehen wir uns noch! Ab mit Rüffel und Raxer durch die Holztüre, die offen bleibt, während die Zwerge auf der unteren Galerie und ganz unten neben der Quiwi sich aufhalten, da sie denken, dass die Quiwi auch durch die Holztüre gehen wird.
Lasst die Tür offen. Ich – fürchte mich so. Fasst einen Zwerg an die Hand. Sprecht kein Wort! Lasst niemand heran! Lasst die Tür auf! Mit geschlossenen Augen. Die Einsamkeit ist zu gross. Bleibt bei mir. Steht ganz still. Horcht! Sie gehen hinauf – zu den Menschen – verkleidet. Aber da – da kommen die grossen Geister – sie kommen auf mich zu! Ich verstehe nicht, was sie wollenSchreiend. ganz allein! Die Geister – sie sind so gross – und ich bin allein – im Granit. Der Granit ist hart – und ganz kalt. Da – da – ein grässliches Gesicht – kommt näher! Eine Fee erscheint oben rechts auf der oberen Galerie und blickt hinunter – gleich nachher ist sie rechts auf der unteren Galerie und blickt da auch mit grossen Augen über die Brüstung. Bringt das entsetzte – Gesicht – fort! Nein – bleibt hier – dass ich nicht allein bin. Da – da – noch mehr Gesichter – ich hab Angst – Angst – schreckliche Angst. Ich fürchte mich. Bricht weinend auf der Bank zusammen – sie hat so lange gestanden. Ich fürchte mich – vor der furchtbar grossen – Einsamkeit Leise unheimlich. Ich fürchte mich vor dem Grossen – vor der furchtbaren Grösse – der grossen – furchtbar grossen – Welt. Zusammengekauert, ohne die Hand des einen Zwerges, der auf die Knie fällt, loszulassen. Ich fürchte mich. Heftig und mit schriller entstellter Stimme. Lasst die Tür auf!
Hier oben auf der Erde kann man, wenn man müde ist, sich nicht einmal hinsetzen, wo man will. Man kann es eigentlich den Menschen nicht übel nehmen, wenn sie zuweilen über die verblüffenden Unbequemlichkeiten des irdischen Daseins ungehalten werden.
Rübezahl denkt sich so ins Menschenleben hinein, dass er uns auch verblüffende Unbequemlichkeiten bereiten könnte.
Warten wir einen Augenblick. Verbergen wir uns. Mit Rüffel nach vorne rechts, während Rübezahl sich vorne links auf seine Flinte stützt.
Rübezahl, weisst Du auch, was unter den Menschen sehr oft aus denen wird, die Andern immer helfen wollen?
Nein – ich meine, ob Ihr einen Blick habt, der über alles Unglück und über alles Leiden hinwegblicken kann.
Das ist der naseweise Schornsteinfeger, mich nennt man den weisen – und ich habe wohl den Blick, von dem Ihr sprecht.
Ich denke, wenn ich Unglück sehe oder selber habe, an den alten Sensenmann. Der alte Herr, der kein Fleisch hat und zuletzt kommt, macht Alles wieder gut. Und das tröstet mich.
Sie mir helfen? Sie? Was wissen sie denn von dem, was nach dem Tode kommt? Komm, mein Sohn! Gib mir Deine Hand. Der junge Schornsteinfeger tut es. Der Herr will sich über uns lustig machen. Dazu suchen Sie sich nur einen Andern, mein lieber Herr! Ich brauche Sie nicht. Ab mit Sohn links.
He! Schornsteinfeger! Glaubst Du, Schallendes Gelächter aus der Ferne von links her – mit Echo.
Diese Dorfphilosophen darf man um alles in der Welt nicht merken lassen, dass man irgend etwas besser wissen könnte; jede Meinung, die sie nicht selber aussprechen, ist ihnen ein Greuel – sie glauben oft, dass sie das Denken Andrer für eine Kränkung ihrer Ehre halten müssten – – sie denken doch und das genügt doch.
Ein Beitrag zur Schulstubenpotentatenpsychologie. Ich sammle doch auch so was und kann doch auch mal von meinen Sachen reden.
Ach, wenn man nur nicht die gute Laune verliert. Er ist etwas angetrunken. Und deshalb seh ich immer in die Zukunft – ganz tief – in die Zukunft hinein. Dass mein Esel mal sterben würde, das hab ich immer vorausgesehen. Und wie viel ich noch mal trinken werde, das seh ich auch voraus. Mein Leben ist eine grosse Allee, in der rechts und links volle Biergläser statt der Bäume dastehen. Und ich muss all die vollen Gläser austrinken; es bleibt mir nichts Andres übrig. Aber das
Ich danke Ihnen, mein Herr! Ich sehe wieder in die Zukunft. Lebe wohl, mein liebes, gutes Tierchen. Streichelt des Esels Kopf und geht ab nach links.
Soweit ich sehen kann, sehe ich nur, dass überall
Schöne Erziehung! Man wird doch grade durch die Not des irdischen Lebens von den höheren Lebensinteressen abgelenkt – und nicht zu ihnen hingelenkt. Wer hat denn heute soviel Zeit ....
Also: die Menschen haben heute keine Zeit, an ein grösseres Leben zu denken? Man zwingt die Menschen, das Elend so ohne Weiteres nur auf der elenden Seite zu betrachten? Zwei andere Touristen erscheinen rechts. Man ist wirklich der Meinung, das jedes Elend nur die eine – die jämmerliche Seite besitzt? Aber meine Herren, jedes Ding hat doch zwei Seiten.
Setzen Sie sich, meine Herren! Benutzen wir den toten Esel als Fusswärmer! Er wirft den Esel mit dem Kopf nach vorn vor den Schlitten und setzt sich neben Rübezahl auf die grosse Leiter – doch so, dass Rübezahl der Lampenreihe zunächst sitzt. Der zweite Tourist setzt sich neben Raxer auf die kleine Leiter, der dritte Tourist auf den Schlitten neben den ersten Touristen.
Sehr drollige Frage! Na – ich führe schon seit vielen Jahren ein Leben, in dem ich immerzu den Tod sehe – überall. Und was ich tue, tu ich mit dem Messer am Halse. Und dem entsprechend bemerke ich überall nur Wutkrämpfe. Und so, wie's auf der Erde ist, ist es auch in der ganzen, unendlichen Welt.
Da haben Sies, Herr Rübezahl! Wir leben alle in den Armen des Todes, sollen wir da das Leben sehr hochschätzen?
Jawohl – denn es ist gleichgiltig, wie man lebt. Wesen, die immerzu mit Vernichtung bedroht werden, müssen naturgemäß auch zu Vernichtern werden.
Wut und Verzweiflung! Glauben Sie denn, dass das menschliche Leben nur deshalb so lächerliche und beängstigende Formen annimmt, um Sie und die Menschheit einfach zu Tode zu quälen?
Wir wollen nicht schimpfen. Hören Sie: nehmen Sie mal an, Sie befänden sich in Ihrer Haut sehr wohl – würden Sie da mal raus wollen? Würden Sie sich, wie man so sagt, um Gott und die Welt bekümmern? Nein! Sie würden bleiben, wo Sie sich wohl fühlen – in dem engen Kreise Ihrer kleinlichen Lebensverhältnisse. Und darum muss es Ihnen schlecht gehen in diesen kleinlichen Lebensverhältnissen, damit Sie rauskommen und grosse Lebensverhältnisse kennen lernen – in weiten, himmelgrossen Sternwelten – und in erhabenen Geisterwelten. Beide wären Ihnen verschlossen für ewig, wenns Ihnen ewig gut ginge in – Ihrer Haut.
Ja glauben Sie, dass die Todesangst nicht mit derselben Absicht wie alle anderen Uebel an Sie herantreten möchte? Sie sollen Ihren Blick von der Kleinlichkeit abkehren – Sie sollen weiter und grösser werden. Und dann! Was wissen Sie vom Tode? Sie können niemals beobachten, wie es ist, wenn Sie abends einschlafen – ist das nicht Zeichensprache genug? Glauben Sie, dass Sie empfinden werden, wie es ist, wenn Sie sterben? Sie sind rings von Wundern umgeben, und Ihr Leben ist so, dass es Sie blos immer wieder in andere grössere Kreise hinausdrängen soll. Ist das nicht so natürlich? Wenn plötzlich die Sterne des Himmels in irdischer Sprache, die Sie verstehen, zu reden begännen, dann würden Sie vor Staunen nicht zu atmen wagen. Aber – dass Sie schlafen können und träumen – ist das nicht ein noch viel grösseres Wunder? Wenn Sterne reden, so reden doch nur Lebewesen, die grösser sind als Sie. Wenn Sie aber schlafen und träumen – dann leben Sie plötzlich in Ihrem Leben noch gleich ein andres – ein noch viel grösseres Leben. Ist das nicht ein Ungeheuerliches für Sie? Ebenso gut
Herr Rübezahl, entschuldigen Sie nur – aber ich wollte nur fragen, ob Sie mir nicht noch eine gute Lehre mit auf den Weg geben könnten?
Ja, mein Sohn! Wenns Dir schlecht geht, so sieh Dir eine halbe Stunde ohne Unterlass den Himmel an – ohne auf die Erde runterzublicken. Dann wirds Dir immer gut gehen.
Du Schlingel, was machst Du hier? Was für Lehren hast Du hier anzunehmen? Bei mir bist Du in der Lehre.
Dummer Junge, nach Hause kommst Du. Bei überspannten Stadtleuten hast Du nichts zu suchen – die wollen sich blos über uns lustig machen.
Wenn man aber von ewigen Sorgen gequält wird und nicht weiss, wie mans machen soll – dann hat man doch keine Zeit ...
Mein lieber Freund, Sie können doch nicht verlangen, dass ich das, was ich sagte, wiederhole! Zieht den toten Esel zu sich, hebt seinen Kopf auf und streichelt ihn – auch im Folgenden.
Na – zwischen dem Leben in der Phantasie und dem Leben in der Wirklichkeit – ist doch noch ein grosser Unterschied.
Was Sie Wirklichkeit nennen, ist doch ebenfalls nur eine Konglomerat von Sinneseindrücken – wie die Phantasiewelt.
Ach, wir habens hier doch nicht mit Philosophemen – sondern mit burlesker Lebensweisheit zu tun. Herr Rübezahl meint so: Wenn ein Mensch bemerkt, dass ihm all sein Geld gestohlen worden ist, so muss sich dieser Bestohlene gleich trösten und sich sagen, dass das nur gestohlen wurde, um ihm, dem Bestohlenen, Gelegenheit zu geben, stille Betrachtungen über die Grossartigkeit der unendlichen Welt
Mein lieber, scheinbar nicht mehr lebendiger Freund! Du lebst für mich – ich seh es. Du sprichst zu mir – ich hör es. Du behauptest also, dass Du nicht berechtigt bist, ein grosses grosses Weltleben zu geniessen? Das behauptest Du? Aber Grauchen! Wie? Wie? Du behauptest, dass Du immer wieder blos grüne Weide, Disteln und Stroh beanspruchen darfst? Du lehnst alles Grosse Unbeschränkte Freie feierlich ab? Du sagst, Du möchtest keine Organe haben – für die überspannten Ideen der modernen Stadtmenschen? Aber Grauchen! Wenn Du so grob bist – hör ich nicht mehr auf Dich! Er lässt den Esel fallen und trinkt einen Kognak.
Aber Raxer, gib doch den drei Herren auch einen Kognak Es geschieht, die drei Touristen danken sehr höflich und trinken einander zu.
Ihr drei Menschen seid von der Unermesslichkeit der Welt überzeugt – einen weiten Blick habt Ihr schon – das ist nicht zu bestreiten. Aber Ihr denkt noch garnicht daran, die unermessliche Welt grossartig zu finden – und denkt auch garnicht daran, dass diese grossartige Welt es wert sein könnte, durch ein bischen Unglück und Unbequemlichkeit umkrustet zu sein – zum Schutze – damit nicht jeder Hansnarr so ohne weiteres an das Grosse rankann. Ihr wagt es, ganz einfach zu verzweifeln. Ihr wagt es.
Sie leben noch immer blos im Augenblick – und vergessen Alles so schnell wie die lieben Tiere auf der grünen Weide.
Das merkt man. Die drei Geister lachen, plötzlich aber steht Rübezahl auf und geht in die Mitte des Bühnenraumes – in die Mitte des Landweges.
Meine Herren, Sie begreifen also immer noch nicht, dass alles Unglück und alles Unbequeme nur ein Segen für Sie sein soll?
Raxer! Rüffel! Stellt Euch neben mich! Es geschieht und die Touristen kommen in den Vordergrund mit dem Rücken gegen das Publikum. Ihr drei Menschen, Ihr seid es garnicht wert, dass ich Euch helfe. Und die ganze Menschheit ist es nicht wert, dass ich mich um sie bekümmere!
Jetzt will ich Euch aber zeigen, wie erbärmlich Ihr seid! Kniet nieder! Wir werden Euch totschiessen. Die drei Geister legen die Flinten an und bleiben in dieser Stellung. Kniet nieder! Kein Wort! Die drei Menschen sinken zitternd rechts links und in der Mitte auf beide Kniee – mit dem Rücken gegen das Publikum. Wisst Ihr, wozu Ihr so oft eine furchtbare Traurigkeit empfindet, ohne zu wissen, wie's kam? Es sollte Die drei Menschen heben ängstlich die Arme auf. Ja – jetzt – sehen wir – dass Ihr Euch nicht aufraffen könnt! Aber ich – ich will Euch – nicht mehr helfen. Erde! Erde! Heilige Erde! Tu Dich auf! Sehr laut. Feuer! Flammen schlagen rings um die drei Geister aus dem Erdboden, und die drei Geister versinken sehr schnell. Die drei Menschen springen erschrocken auf, während die Flammen hoch emporlodern.
Die Zwerge ringsum auf dem Fussboden – liegend oder sitzend. Da hatten die alten Leute grosse Angst und wollten alle nicht sterben. Aber der starke Riese lachte. Und wie er lachte, mussten auch alle Kinder lachen. Und da fragte der starke Riese die Kinder, ob sie auch Angst vor dem Tode hätten. Aber die Kinder lachten und schüttelten mit dem Kopfe. Da waren die alten Leute empört über die Kinder. Doch der starke Riese sagte freundlich: die Kinder wissen nicht, wie das Sterben tut, darum haben sie keine Furcht vor dem Tode. Aber Ihr alten Leute wisst auch nicht, wie das Sterben tut, warum habt Ihr denn Furcht?
Rübezahl kommt! Die Zwerge stehen langsam auf und gehen zur Mitteltreppe, vor der sie unregelmässig Spalier bilden; die Quiwi macht das Buch zu.
Ja, Quiwi! Es gibt schon Menschen, deren Blick allmählich weiter wird – aber sehr grossartig ist nicht das Panorama, das vor ihnen auflebt.
Da drüben – auch hier – Sterne – lachende – die sprühen – Glanz – heissen Glanz durch alle – Geister – Welten. Ich fühls! Die Furcht – da unten – krümmt sich – zuckt – flammt auf – und zerfliesst – wie – plätschernde Quellen. Meine Furcht – zerfliesst so. Heissen Glanz – den sprühen – rings umher – die grossen – lachenden – Sterne. Ich fühls!
Die Zwerge an verschiedenen Stellen – bewegungslos. Die – bessern Menschen ahnen nicht blos die Grösse kosmischer Verhältnisse – sie sind sogar von der Unermesslichkeit des Grossen fest überzeugt – und dabei brechen sie doch bei jeder Kleinigkeit zusammen – wie arme Würmer. Von der Erkenntnis bis zu dem Leben, das der Erkenntnis entspricht, ist doch ein verflucht weiter Weg.
Ich glaube, die Menschen ahnen noch nicht einmal, dass sie eigentlich ebensolche Geister sind wie wir; die Menschen halten sich immer noch für weniger.
Das ist mir eigentlich recht sympathisch. In dem Sichkleinfühlen liegt so viel Empfangendes – Freundliches.
Was man Dir – aber nicht den Menschen nachsagen darf. Du willst nicht schaffen – Du willst nur aufnehmen und aufbewahren – das, was Andre hervorgebracht haben.
Raxer tut – was ich – will. Dafür danke – ich – ihm. Jetzt aber – müsst Ihr – eilen. Ich – muss – fort.
Nein! – Nein! – Die drei Menschen, die ich – durch Raxer hierher – bringen liess – müssen erst raus – raus aus diesem – Palast.
Dieser Schmalz will mich oben heiraten, der Paschke will mir oben die vornehmsten Liebhaber verschaffen – und die Betty will mir überall helfen – überall helfen – sodass sie mich beinah – an Rübezahl erinnert, der auch immer überall helfen will.
Ich wollte die Entwicklung des Menschengeschlechtes beschleunigen. Aber es ging nicht, weil ich den Herrn von Schmalz noch nicht kannte. Er hat mir erst klar gemacht, dass es den Menschen immer noch viel zu gut geht. Wenn die Menschen tatsächlich weiter kommen wollen, müssen sie noch viel mehr Jammer und Elend geniessen. Jammer und Elend sind die besten Freunde der Menschheit. Alle Grandiosität wuchs aus der Armseligkeit heraus. Hier. mein Schmalz, hast Du meinen Knotenstock! Regiere mit ihm im eben angeführten Sinne! Wenn Du diesen Zauberstab hoch hältst, wird er zum Szepter und zwingt allen Menschen den Kopf runter – bis zum Fussboden Gibt ihm den Stock. Zwerge, leitet den Herrn hinaus.
Paschke, komm näher! Hier hast Du ein langes Messer. Gibt es ihm. Wenn Du das scheuerst, werden die Menschen auf einander böse – selbst die ältesten Freundschaften kriegen einen unheilbaren Knax. Die Zwerge, die Herrn von Schmalz fortbrachten, kommen schon wieder eilig die Treppe hinunter. Somit bist auch Du mein Apostel. Du wirst den Menschen auch noch mehr Jammer und Elend bereiten. Jammer und Elend fördern die Entwicklung der Menschheit am allerbesten – besser als alle Kobolde und Märchenprinzen.
Seien Sie ganz still! Es geht hier wie im Märchen zu. Sie bekommen auch was! Hier – einen Fingerhut! Gibt ihn. Wenn Sie den drehen, wird Jeder, auf den Sie's gemünzt haben, in wahnsinniger Liebe zu Ihnen entbrennen. Sie werden, wenn Sie fleissig sind, den Menschen eine sehr grosse Portion Jammerbraten zubereiten – ich weiss es. Sie können den Fingerhut auch verleihen. Betty dreht den Fingerhut. Ach nein, meine Leibe! Der Fingerhut hat nur oben auf der Erdrinde Wirkungskraft.
Zwerge, bringt sie schnell fort, sonst glauben wir schliesslich noch, dass sie ihr apostolisches Amt da oben nicht gut verwalten könnte.
Rübezahl – was willst Du – jetzt – mit Deinem Palast – hier oben – in der Nähe der Menschen? In der Nähe der Menschen hast Du doch nichts mehr, was Dich halten könnte.
Ich verstehe schon – verstand wohl schon längst. Raxer, führe den Palast hinunter – in den Granit – wir wollen – tausend Jahre – unten – in Quiwis Nähe wohnen. Sie soll sich nicht – so einsam fühlen.
Rübezahl – ich kann Dir nicht – mehr deutlich machen – wie herrlich jetzt Alles in mir rauscht. Ich danke Dir – auch nicht – für Deine Freundlichkeit. Ich fühle nur den Dank – und sags nicht. Es taumelt in mir – und wogt – und etwas ist schon weit – weit über mir – ganz fern – hinter vielen vielen Schleiern.
Jetzt wirds herrlich. Rübezahl kümmert sich nicht mehr
Das geistige Potentatentum bleibt da oben bei Herrn von Schmalz. Ich gehe – neue Organe schaffen! Rübezahl – besuch mich bald. Quiwi! Du hast Alles grossartig durchgeführt. Jetzt wirds herrlich. Schnell hinten links ab.
Der Rüffel nimmt jetzt alles einfach – und dabei stellt er gelegentlich die Einfachheit als eine Art von höherer Niedrigkeit hin.
Er hat den Kopf – so voll. Lass ihn! An mich – denkt er – auch nicht mehr – nicht mal – Abschied – nahm er. Seine neuen Organe – die gehn – ihm – über Alles.
Als obs nicht auch – Schöpferträume gäbe Das Summen und Sausen wird für ein paar Augenblicke heftiger als sonst. die blos – aus dem Daseienden – ganz leicht – was Andres machen möchten! Ich schaffe nicht das Neue – wie Rüffel. Ich hänge mich an das, was ist – oder zu sein scheint – ich biege daran und drücke daran und ziehe daran – sodass es langsam anders wird.
Ich muss fort! Steht auf. Aber – wir Beide – tun – ein Aehnliches. Ich – nehme nur – das Ganze – in das ich als Stein – so tief – hineinrage – in mich auf – und – fühls.
Rübezahl dreht sich auf seinem Stuhle um und starrt der Quiwi nach – Raxer bleibt rechts und horcht nur. Es ist jetzt ganz still. Mächtige Wellen kommen heran – sie umrauschen mich – ziehen mich nieder – ich versinke. Ich fühle – Welten – die gross sind – so gross – so ohne Erbarmen – gross. Und ich – fürchte mich nicht mehr. Rübezahl! – biege! – drücke! – ziehe! Es ist sehr schwer. Der Stein lastet auf mir, als wollt er uns Alle zerdrücken! Aber ich fühle – schon – ganz anders! – alle Sternwelten – und alle Geisterwelten – ungezählte – ich fühle sie alle. Jetzt wird die Brust mir – frei – nicht mehr gepresst – jetzt jauchze ich – raus – hinaus – hinüber. Fest gehen alle Weltadern und die Weltsehnen – durch einander – und schlingen sich – mächtig – krallig – rauh um meinen Hals – dass ich – nicht mehr – reden kann.