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Non omnia apud priores meliora, sed nostra quoque ætas multa laudis & artium imitanda tulit posteris.
Den Entwurff der Teutschen Poesis / welchen er so wol anderen / als auch mir zu betrachten ůberschicket hat / achte ich von hoch-nützlicher Wichtigkeit: Und man ich Kraft unserer Gesellschaft bündlichen Vertrauens / und zwischen uns absonderlich geschlossenen Freundschaft / meine meinung davon frey heraus sagen sol / so bedünckt mich der Suchende habe im Teutschen numehr erfunden / wornach man vieleicht in anderen Sprachen vergeblich arbeiten wird. Ich wil erstlich sagen / Die gründliche und ungezweiffelte Maasforschung der Silben / durch welche unsere Ohren erst recht Poetisch / und solche / bishero unrichtige Richtere der Verse / Kunstverständig unterrichtet werden.
Die Frantzösischen / Italiäischen und Spanischen Poeten haben hierin noch zur zeit keine gewißheit /wie man auch aus jhren vornemsten Schriftten zubeobachten hat. Ronsart führet seinen verliebten Riesen (le Cyclope amoureux) also redend ein:
Tom. 4. / fol. 100.]
Contre (für: contre) le mal d' amour
que tout les maux excede
L' artifice (für: L' artifice) n' invente
un plus present remede etc.
Derogleichen ist fast in allen der berühmten Frantzosen Gedichten zu finden. So schreibet auch Saint Amant an Damon: f. 129.
Damon, ie languissois (für: languissois)
dans en sombre
(für: sombre) silence etc.
Malherbe und Colletet achten solche wieder jhre Aussprache lauffende misstimmung nicht als gefehlet und sagt hiervon Belleforest, Tom. VI. f. 77. on voit un nombre infiny' en France, lesquels sans avoir iamais gousté le mesure de vers, poetisant en leur langue, guidé du naturel. etc.
Die Italiäner sind hierinnen nicht achtsamer. Petracha setzet in dem 29. Senetto, f. 32.
S' io credesse per (credesse per) morte essere
scarco (essere scarco)
Per me si va nel eterno dolore (eterno) etc.
Die Spanier beobachten den Lang- und Kurtzlaut jhrer Wörter zwar genauer / vermissen aber doch mannichmahl die rechte Reimmaas / als Lope de Vega Carpio führet Anfriso f. 448. solcher gestalt singend ein:
Altos desseos de cantar etc. (für: altos)
Porque despues etc. | für: Porque |
Derogleichen ist bey Monte Major, Boscan, Polo, Garcilasso de la Vega, und fast in allen Spanischen Poeten zufinden.
Ich wil nicht sagen / daß so berühmte Leute gefehlet haben / sonderen vielmehr glauben / Sie haben nur die anzahl der Silben (wie auch bey uns Teutschen die alten Meister-Sänger) und nicht die rechte Wortzeit oder den langen und kurtzen Thon in acht genommen: Daß aber solches gar nicht gnug / noch der Kunst / eigenschafft und gründen der wahren Poesis gemäß /bedarf gar keines andeutens. Der Suchender hat sein Gesuch alhie wol und mit Glück in Teutscher Sprache gethan / und die richtige Anweisung der Wortzeit /das ist / die Kunstmessige Erkennung und Abmessung aller Silben (derer viel 100000. seyn können) durch gewisse Kunstregulen in dem ersten Buche dieser Verskunst uns vorgestellet.
In dem anderen Buche hat ein Teutscher fast mit Verwunderung wahrzunehmen / daß nicht allein ůber viertzig / gantz reine unterschiedene Reimarten in unserer Muttersprache zu finden / sonderen auch durch richtige Anführung deroselben künnen wir nach aller Lust / so wol die Reimarten als die Reimmaassen wechselen / mengen / verschwesteren und verbrüderen / und also / so wol an menge als Lieblichkeit allerhand Reimarten / nicht sage ich keiner anderen Sprache etwas zuvorgeben / sonderen behalten hierin offenbarlich / und durch Ausspruch der Sonnenklaren Warheit den Vortritt und die Oberstelle: Wie dann auch hierzu nicht wenig hilft das jenige / was der Suchender in dem dritten Buche von der vielfältigen /und bißhero unbewusten lustigen lieblichen Enderungen der Versen nach derer Reimschlüssen / Reimungen und Sätzen / hervorgebracht hat. Wohin nur ein Sinnreicher Geist seine Gedancken und Einfälle lenket / begegnet jhm alhie mit gnüglichkeit unsere Teutsche Sprache / beut das Geschmükke / und Gezierde da / aufs mannigfaltigste unsere Erfindungen einzukleiden. Ein Sprachverständiger urtheile recht / wie weit die anderen Sprachen hierin unserer hochgelobten Mutter-Sprache gleichen werden. Ich setze zum Exempel / daß die Frantzosen zwar einen Versuch gethan haben / unseren lieblich-fliessenden Dactilischen arten nachzuahmen / aber unglüklich / wie zu sehen aus jhrem gemeinen Liedlein
Bergere voyezcy la saison. etc.
Da sie doch sonsten sagen Bergere la saison.
Erheller demnach aus dieser des Suchenden neuergründeter Anführung / daß unsere Poesis viel weiter gerahten und zu gewisserem Stande gekommen / als vorerwehnter Sprachen befliessene / noch zur zeit in dem jhrigen es möcht haben: Ungeachtet jhnen von hochverstendigen Königen / Cardinälen Fürsten und Herren jederzeit die hülfliche Gnadenhand geboten worden; Welchen nemlich nicht unwissend / daß sie sterben müssen wie andere Menschen / Gott aber jhnen vor anderen Menschen die Mittel gegeben sich durch Gutthätigkeit gegen die Poeten unsterblich zumachen.
Denen mancherley Abwechselungen / Bindungen /von- und zusammen-setzungen der Reimarten ist nicht ein geringes Meisterstük zuzueignen: eine sondere Bewegung in unser Gemühte zu spielen / wie davon Aristoteles und Iules de la Mesnardiere f. 415. ein mehrers beweislich anführen / und also vom Euripide, Sophocle, Seneca, Francesco de Rojas, Manzini, vorbesagtem Mesnediere und anderen verstendig gebrauchet worden.
Der liebliche Versthon belüstiget unsere Ohren; die Bescheidenheit der Sache (von Aristotele Poet. cap. 25 Eukrinea genant) den Verstand: Daher Scaliger von seinem Poeten erfodert / benebenst der Klugheit unerwarteter einfälle / die nachdrükliche / eingrifige und Sinnbeherschende Sůßigkeit der Wörter: In dem nemlich tapfere Gedanken aus der Sache selbst geschöpfet / und nicht bey den Haaren / wie wir zureden pflegẽ / herbey gezogen / die Redart rein und scheinlich / ohne unzeitige Härtligkeit selbst fliessend in das Gedicht geleitet werden sollen.
Dieser Fehler ist sonderlich zu bemerken wan die Vernennung (Metaphora) nicht fortgesetzet wird /wie beim Horatio:
Die Augen unserer Zungen / bedünket mich sei wider den natürlichen verstand geredt / denn die Augẽ so wenig auf der Zungen / als auf den Versen nützen. So ist auch fast lächerlich / wan man eine betrübte und bestürtzte Person Kunstzierlich redend einfuhret /da doch die wahl der Wort bey solcher Person so wenig seyn kan / als der Gegenschein eines Bildniß /in einem trüben Wasser. Dieses aber und derogleichen Gehörte zu der Dichtkunst / davon zu ende des dritten Buches der Suchende alhier etwas vermeld; die Hofnung aber uns dennoch übrig bleibet / Teutschliebende gelahrte Gemühter werden auch hierin den Griechen / Lateinern / Spaniern und Franzosen / den Vortheil und Ruhm nicht lassen; sonderen / weil die Form der Verskunst / als der Grund dieses Gebeues /numehr wol angewiesen / mit rechter Meisterhand und Kunstgründiger Wolständlichkeit das volle Kunstgeben zu fernerem ende setzen. Uns hiemit beiderseits Göttlicher Obhut befehlend / verbleibt.
felicifl. ominis ergò & testanda
observantiæ f.
Abraham Marconnet.
Aus hertzlicher Liebe und Zuneigung ist
dieses seinem hoch geliebten vertrautem
Freunde zu ehren gesungen am 16.
Tage des Christmonats zu
Wedel an der Elbe
Von
M. Opitz.
Der wachsame Schiffer / wenn vor sein lauffend Haus
Gefährlich bestürmet der Wellen Grimm und Graus /
Und Luft und Fahrt verschlagen /
Vol ängstiges Zweifels / vol Irrthums / voller Noth /
Ergreift er die Mittel / heist senken stracks das Loht /
Und in die tieffe tragen;
Hier mercket er fleissig wie weit die Schnure naß /
Er urtheilet vom Grunde: drauf nimt er den Compaß /
Läßt die Natur selbst richten
Im1
künstlichem Wunder vergleichet Grund und Luft /
(So steigt er ins höchste straks aus der tiefstẽ Gruft /)
Darnach sein Schiff zu lichten /
Den Haven zu suchen: Die Segel lauffen wol /
Es fůgen die Winde / das Schiff geht wie es sol /
Die Sonn ist schön und heiter:
Er selber befriedigt nimt Cirkel und Papier /
Setzt Zieferen und Zeilen / beschreibts auch andern hier /
Und lehrt sie suchen weiter.
Herr Schöttel beschiffet das Teutsche Sprachen Meer /
Die Fahrten sind stürmig / die Strassen jrrig sehr /
Er kan sie richtig machen /
Es forschet und misset und bringt die Bahn hervor /
Itzt sucht Er im Grunde bald schwingt Er sich empor
Und findet hohe Sachen;
Er findet und bindet: Der Sprachkunst Pracht / Natur /
Hat Er uns erfunden / geleitet auch zur spuhr /
Itzt lehrt Er beides binden;
Er treibet sein Teutschland zum Haven aller Kunst /
Er füget jhn alles; viel grosser Leute Gunst /
Führt jhn mit vollen Winden;
Und sehet die Sonne der Teutschen Nimphen Pracht /
Was Glantzes und Ehren / Ihr Bild und Name macht /
Wer wird den Schein nicht kennen?
Ehr Teutschland / dis Liecht recht besih / was dir dabey
Dein Suchender findet und zeigt; du kanst nun frey
Den Weisenden jhn nennen.
Aus gebührender Freund und
Dienstschuldigkeit
beygestellet
Von
Samuel Hunden.
Artificiosum Naturæ miraculum pixis Nautica Baud.
Omnia nova, benevole lector, vadunt variâ famâ, & non rarò libellus exspectat funus aut vitam, non tam à merito, aut suo genio, quàm ab opinione hominum. Producimus iterum novam artis formam, ubi, quod speramus, ipsâ veritatis luce, linguæ Patriæ naturâ, & fulcro authoritatum nitimur. Defecata judicia & censuras Eruditorum non abnuimus, deprecamur tamen festinatas sententias eorum, quibus ideò perinde odium pravis & honestis, quia ipsorum opinioni alienum Eorum etiam, qui dum vetera aut externa extollunt, recentium Patriævè manent incuriosi. Si dicant, tenuem hîc nobis laborem; at forsan non in tenui, imò non tenuis ob materiæ pulcerrimæ necessitatem, nec in tenui igitur, ob vasta viarum & incognita recessuum: Quamvis non negem, satis eum tenuem ob ingenii tenuitatem. Nitimur tamen ad adtollendam inexhaustæ linguæ matricis Majestatem, ad asserendam ejusdem, tam frivolè & ridicule hactenus denegatam certitudinem, denique ad aperiendos acquirendarum ab eadem divitiarum fontes. Arbitramur in publicum impendi, quicquid ad veram nostræ linguæ culturam impenditur. Quicquid egregii linguæ nostræ accedit, reipublicæ accedit: Quicquid in illam confertur, idem in hanc. Hæc enim est, quæ crescit & assurgit Reipublicæ: Hæc est, quâ stante, quâ crescente & salvâ, effloruit & increvit Germaniæ tum libertas, tum majestas; quâ collapsa & tempta, simul vigor Patriæ virtutis atque libertatis acerrimæ gloria retrò sublabi incepit. Hæc nostra lingua nobis esto sedes quædam avitæ Virtutis, amabile pietatis theatrum, humanitatis Schola, gemma & dulce decus orbis Germanici. Nemo Eruditorum, aut qui seriem rerum gestarum cum mente aliqua penetravit, negabit, vel in omnibus imperiis auctu linguæ Patriæ, adolevisse res Patrias; illius lapsu, & has usque inclinatas. Europæ regna in exempla patent, de quibus copia dicendi nohis hoc loco concessa non est. Verum, quis ibit inficias, linguam Germanicam etiam ex ruinis eminere, & caput per rudera exigere? contortam eam & depravatam, contemptam & contusam, permixtam & servili contemtui habitam, Germana pectora jam dudum dolent, voto dudum resistunt, & voce & scripto juvant, & aliquid in magnam hanc parentem, pro ca conservanda, conferunt. Nec dedecet sanè, calido animo ad vires linguæ Patriæ asserendas propendisse, & quandam ingenii dotem, temporisvè furtum hûc contulisse, & eò tetricæ Minervæ particulam diei eripuisse. Ineptè prorsus & stultè nonnulli dicunt, ex usu discendam linguam nostram; quasi vero usus ille vulgaris, miser sanè & mille incertitudinibus fluctuans, idem sit cum linguæ cognitione verâ & analogicâ. Quod ædificiis fundamentum, navibus carina, arboribus radices, ipsi Reipublicæ leges, illud etiam est linguæ Matrici, certitudo ea, quæ fundamino Grammattico imprimis, tum etiam poetico & Rhetorico innititur. Inde oritur vera linguæ cognitio, quæ nunquam cum usu dissentit, sed est ipse usus, perfectus nimirum, verus & analogicus; ultetior putà & subtilior ex necessitate progressus, usûs necessitate & rati habitione suadente. Ita olim præparati animi Græcorum, ita præparati animi Latinorum, antequam artes & scientias sibi vernaculas fecerunt, aut facere posse, sperare potuerunt. Hæc fuit causa, quare Grammattici & Rhetores olim Romæ, Athenis & Constantinopoli in linguis vernaculis publicâ pensione constituti, imò in adipiscenda Comitiva Jure Consultis æqui parati sunt. Notum est, ante aliquot annos à Viris Eruditis linguæ Germanicæ robur tentatum: Scientiasque vernaculo ore audiri & doceri, & etiam in Academiis, incepisse eventu vero non usque adeo felici, neglectis nimirum, aut ignoratis, prætertisvè linguæ Germanicæ veris fundamentis. Auribus enim delicatis & parũ cognitione linguæ Germanicæ imbutis, monstrum apparet, & horrendum sonat vocabulum aliquod novum, ad artis sensum & ex fonte genuino desumptum: Cum tamen omnia plana, amabilia, veroque sensu penetrantia advenient ei, qui, visis linguæ fundamentis, id est, radicum verâ significatione intellecta, derivandi modis perspectis, multi variis, acutissimisque componendi artibus rectè perceptis, affert animum Genio, & significatui Teutisco faventem. Immensum illud scientiarum artificium reserari sine clave non poterit, clavis autem in linguis quænam est, præter veram fundamentorum notitiam? Risui autem & ludibrio se exponunt inepti illi, qui ex mensura misellæ & vulgaris cognitionis acerbè dijudicant linguam nostram, & egregium illud, magnumque artis opus, ad cæcæ ignorantiæ regulas conformant. Pergite ad Antyciras, & rectum mentis statum assumite vos osores: vos estis, qui supergredimini omnem mentem & prudentiam veterum Græcorum & Latinorum, illi sanè vera artis cultura linguam Patriam dignati sunt: vos arctatis ditissimam hanc linguam intra barbatum murmur & incertas formalitates, procul nimirum agentes, ut ab amore, ita à cognitione Vestræ linguæ. Utinam tempora Rudolphi, utinam tempora Maximiliani redifent, quibus amor, vigorque linguæ & simul salus Patriæ effloruit! Grata arridet Virtus per verba Germanica, sancta puritas iis inhabitat, simplex & intonans dignitas inest, clarescit inde acerrima Majorum libertas, nec possunt ea considerari sine tacito amore atque admiratione artificiosæ vetustatis, mirandæ brevitatis, purissimi roboris atque inhabitantis decoris. Existunt autem & florent quàm plurimi hodie, qui honori sibi ducunt, nescivisse & neglexisse linguæ nostræ & genium, & puritatem & fundamen: Exuentes sæpe cum amore linguæ patriæ, illam laudatam patriam mentem. Fatum autem, nisi fallor, clementius tande redibit; quicquid interim sit, aut erit, juvabit tamen, in recta artis via paulatim cum aliis præivisse, ad assequendum aliquando linguæ fastigium. Eat & allaboret simul, qui mente est tali; qui non, suas vias amet, jactetur in undoso mari & sua spicula jactet. Hæc tela, incassum volatica, nec sentio, nec, si sentiam, lædar. Qui publica 'aliqua fama sunt, aut utramque excipere debent aut nullam; satis autem, si melior præponderet. Sequentes anni erunt testes, & secutura ætas arbitra. Conscientia interim optimæ voluntatis tum felix, lectoremque ut judicium, non affectum, afferat, rogo. Et si modò aliquando per otium licuerit, exactiori opera fundamina linguæ Germanicæ, volente DEO, adstruemus. VVolferbyti XXVI. Januar. Anni 1645.
Die Authores und Poeten / welche in diesem Werklein angezogen / seind allemahl aus beygesetzten Namen zu sehen und zu erkennen: Weil aber diese neue Form der Verskunst / und so viel bißhero unbekante neue Reimarten / des Authoris Erklärung und behůlfliche Hand oftmahls erfodert haben / als sind die exempla, so der Author aus den seinigen hinbey gefůget / alle mahl mit diesem * unterzeichnet. Welches zu dienlicher Nachricht zuerinneren / gefellig gewesen; Der Leser wolle dasselbige / weil es nötig unvermeidlich war / übeler ausdeutung befreien / und mit sauberem Verstande eines oder anderes vergleichen und beurtheilen.
Teutschliebender Leser / die Wortschreibung / oder ortographia ist in diesem Büchlein / nach anweisung der unfehlbaren Einsilbigen Gründen unserer Muttersprache / beobachtet worden. Es ist sonsten mehr als bekant / daß man in Wortschreibung Teutscher Sprache / nicht allerdings einig / noch zur zeit / ist: Etzliche belieben den beliebten / Gesetzlosen / und nach eines jeden Einfällen geordneten Gebrauch; andere halten die aussprechliche Zusammensetzung der Silben für einen Grund / wornach die Schreibung / oder Beysammenfügung der Buchstaben zuordnen; Hinwieder andere / so wol auf die gantz-ungemeine Eigenschaft der Teutschen Sprache / als auf hochverstendige Achthabung der alten Griechen und Römer jhr absehen nehmend / halten fůr eine untriegliche Anleitung und Richtschnur / die grundfeste / richtige /durchgehende / Einsilbige Theilung aller Teutschen Wörter und Silben; Weil das gantze Kunstgeben der Teutschen Sprache auff Einsilbigen Stammen / Seulen und Stutzen beruhet. Dan alle Stammwörter sind Einsilbig / alle Haubtendungen der abgeleiteten sind Einsilbig / alle andere Endungen / was der Sprache nur jrgends zu- oder abgehen mag; sind Einsilbig; daß also eine wundersame Einsilbigkeit die gantze Sprache gründet / stammet / ordnet / pflantzet leitet / lehret und bereichet. Solche Einsilbige Wörter nun / und grundmessige ein silbige theilung derselben / müssen ja billich nicht zertheilet / verworren / verstümmelt /und unter sich zerstammet und zergliedert werden; Den eben aus dieser Unachtsamkeit enstehet die ungewisse / so mannigfaltige schreibung und theilung der Teutschen Wörter. Weil dan viel hochgelahrte / die numehr dem Vermögen und Gründen Teutscher Sprache / klüglich nachsinnen / diesen letzteren Schluß für richtig halten / als dem endlich die durchgehende Kraft und algemeine Beliebung verbleiben möchte /ist auch davon alhie nicht abgeschritten worden
Es wird gebeten / mit widrigem Urtheile / uns hierin zu frühezeitig nicht zu übereilen / sonderen vielmehr erst zuvernehmen / was vor grundmeßiger behaubtung dieser Richtigkeit / (welche durchgehend /lieblich / und eine Uhrsache sein kan / alle dem zweifelhaften Wesen und ungewisser Deuteley abzuhelfen) gelahrte Teutschliebende Männer in kurtzen öffentlich hervor geben und beweisen werden.
Die Zahl bedeutet das Blat.
Die VersKunst 1. ist eine Wissenschafft 2. recht und gewißmessiglich 3. die Verse oder Reime zu machen.
1. Das Wort Verßkunst / vermög der Teutschen Doppelung / zeiget an eine Kunstmessige gegründete Kundigkeit / die Verse oder Reime in Teutscher Sprache / nach Art der rechten Kunst / zu machen; Man kan auch wol und vernemlich Reimkunst sagen / welches Wort auch von anderen also beliebet und behalten worden. Dieweil aber das Reimen ein gar geringes / und in betracht deß überalbekanten Pöbelgebrauchs das allergeringschätzigste ist / So die Eigenschafft dieser Edelsten Kunst berühren mag / etc. Uber diß / weil in arte Poetica linguæ Germanicæ nicht allein von dem Reimen oder Reimung (denn dasselbe nur ein Stücklein ist / und ein sonderbares Capittel machet) wird gehandelt /sondern von der gantzen Poetischen Kunst / die dann hin und wieder nach aller menge / Lehr und erklärungen erfodert / ohn betracht deß Reimens / welches wie erwehnt / nur ein Hinterstücke deß Teutschen Verses ist: Als ist gefällig gewesen / das Wort Verskunst oder Verschkunst pro appellatione artis Poeticæ dißmal / und noch zur zeit / zugleich wir zu behalten. Vers ist zwar lateinisch / aber nunmehr / krafft des bekanten gebrauchs / Teutsches schlags und Stadtsrechts fähig geworden.
2. Nicht daß diese angedeutete Wissenschafft oder Anleitung / an sich einen Poeten machen / und demselben die Kunst einer öpflen künne; Denn ein Poetischer Geist ist von sich selbst von Sinnreichen anmuhtigen Einfällen / voll Fewers / Steiget unnachfölgig / keckes unternehmens / flügelt sich mit Göttlicher Vernunfft / übertrifft die Altags-Erfindungen / und übersteiget das / was nur erlernet wird: Sondern dieses wird nur allhie durch die Wissenschafft verstanden / wie ein munters geistreiches Gemüth /
3. Nach richtigen / durchgehenden / untrieglichen Gründen Teutscher Hauptsprache: Darin den / vermög der verwunderlichen Sprachnatur / eine sonderlich bewegliche anmutigkeit sich finden lässet / deren man bey jedem fehl- oder Abtritte / verlüstig wird. Wie dessen hie folgendes kurtze an- und beweisung verhoffentlich geschehen wird.
Die Verskunst wird nach dero Hauptstůcken abgetheilet in die Maaßforschung 2. und in die Reimfůgung 3.
Die Maaßforschung ist das erste Theil / und gleichsam der Anfang und Grund der Verskunst / welche jhre zwey Haubttheile / nemlich die Wortzeit 2. und Reimmaaß 3. richtig untersuchet und erforschet.
Gleich wie die Sprachkunst richtiger weise muß abgetheilet uñ eingeschlossen sein in die Wortforschung / und in die Wortfügung / ebener massen kan die Verschkunst unterschieden werden / in die Maasforschung und Reimfůgung.
Die Wortzeit ist die Länge oder die Kůrtze / welche in rechtmässigem Außspruche der Teutschen Wörter
Und solches erfordert nicht allein die Vollkommenheit einer Sprache / Sondern vornemlich die Poetische Art / weil dero liebliche Kunst Stimme nicht auß einem stets-gleichem / entweder langem oder kurtzem Gethöne / sonderen auß rechtmessiger künstlicher Durchwechselung des langen und kurtzen Thones entstehen muß / nicht anders wie eine liebliche Harmoni durch rechte Zusammenstimmung der niedrigen vnd hohen Gethönen sich finden lesset.
Die Wortzeit aber in Teutscher Sprache befind sich dreyerley / die längere / kůrtzere / mittlere wie solche auch bey den Griechen und Lateineren bekand sein.
Die kůrtzere Wortzeit ist der Laut des
∪ ∪ ∪ ∪
ge
er
liche
In diesen anhergesetzten unterschiedlichen Reimarten ist offenbarlich zumercken / daß die mit (2.) gezeichnete Silben müssen kürtzer / als die vor oder nachstehende außgesprochen werden.
Die längere Wortzeit / ist derselbe Laut in dem Worte / welcher mit einem Gedehne vnd mehrer oder längerer Zeit / als das vor- oder nachstehende Worttheil muß außgesprochen werden. als:
– – –
Mann
gur
Schaaf
– – – –
Hoff
eh
tren
rim
Also ist auch auß diesen Exempelweis anhergesetzten Reimarten zuersehen / daß die mit (–) gezeichnete Silben můssen mit mehrer Länge / als die vor / oder nachstehende außgesprochen werden.
Die mittlere Wortzeit ist derselbe Laut / welcher nicht mit sothaner märcklicher Kůrtze oder Länge außgesprochẽ wird; und derowegen nach befindung der vor-oder nachgehende Wortzeit kan bald lang / bald kurtz gesetzet werden / als: Befordeniß / Ermessigung / Anwesenheit / etc. hie kan wol sagen auff Jambisch:
∪ – ∪ –
Und thutbeforderniß
∪ – ∪ –
Nicht ohnermessigung
∪ – ∪ –
Harr auffanwesenheit
Auß diesen dreyen zum exempel anhergesetzten Wörtern Befoderniß / ermäßigung / Anwesenheit /
Es ist aber kein Wort
1
in Teutscher Hauptsprache welches nicht richtiger / grundmässiger / gewissester weise / eine / solcher ernanten Wortzeit oder Lautes in sich habe / und also geschickt zu gebundener Rede sey / oder werden künne. Dieses nun / nach rechten gründen zu beweisen / müssen wir die angeborne Eigenschafften / Kräfften und Vermögen Teutscher Sprache hervor suchen / und den Beweisthum also einrichten. Gleich wie jede Sprache / also wird auch unsere Muttersprache vollstendig abgetheilte in primitiva, derivata und composita in Stammwörter / abgeleitete und verdoppelte. Denn keine Wörter anders sein können / welche nicht zu einer obgenanter dreyer Haubtzahlen müssen gerechnet werden. Und wird unsere Teutsche Sprache fast genau / sonderlich und wol / vor anderen / also getheilte / und beruhet dero eigentliche gründliche Erkandniß / forderlichst und anfangs in nötiger unterscheidung der obgedachten Stammwörter / der abgeleiteten und der verdoppelten. Von welcher dann folgends / vnd zwar von jedem insonderheit meldung vnd anweisung geschehen soll /so viel unsers vorhabens davon nötig seyn wird / das ist / so viel betrifft / von der Wortzeit eines jeden teutschen Worts ordentlichen Bericht zu thun. Doch aber
Vide tamen Reg. 9, cap. 7. lib. 1. infrà.
Alle zufälige Letteren in Teutscher Sprache seynd kurtz / Oder: alle zufällige Endungen der Teutschen Wörtter seyn kurtz / Das ist: erforderen einen kurtzen Laut im außreden.
Omnes terminationes casuum, generum, temrum, modorum, etc. in lingua Germanica corripiuntur.
Was aber zufällige Letteren seyn / davon ist in der Sprach Kunst pag. 203. etwas vermeldet; Nemlich /welche in den Zahlendungen (casibus obliquis) abwandelungen (declinationibus) ånderungen (motionibus) Ergrösserungen (comparationibus) und Zeitwandelungen (conjunctionibus) gebrauchet werden /und dadurch man dieselbe alle unterscheiden kan /und sind folgende; e / er / es / em / en / et / est / ester /ete / etet / ere / erer / eren / este / estes / end / ende /ender / endes. So offt nun ein Teutsches Wort auff diese Endungs-Letteren außgehet / wie deren dann fast unzehlig viel Tausend seyn werden / als denn ist allezeit unfehlbarlich solche Endung kurtz / welches durchgehend algemein und wol zu märcken ist. Als:
∪ ∪ ∪ ∪
Groß / gröste
er
es
em
∪ ∪∪ ∪∪ ∪∪
grossen
erer
eres
ester
∪ ∪ ∪ ∪ ∪
Lieb / lieber
be
en
est
et
∪∪ ∪ ∪ ∪∪ ∪∪ ∪
liebete
betest
betet
beten
et
Und also in allen unzahlbahr anderen.
∪ ∪ ∪
Die welche
es
ens
∪ ∪ ∪
Sich Gottes
en
en
∪
zu rühmen
Die zufälligen endungen in Teutscher Sprache můssen sich allezeit / wie bekand / von einem e anheben. Nun aber geschiehet es offt / auch ohn abbruch des wollautes / daß gedachtes e / im falle es in seiner endungsform noch einen oder mehr Buchstaben bey sich hat / außgelassen / vnd also zwo Silben in eine gezogen werden / als: Liebst / fůr: liebest: Schöns /fůr: schönes: Häusren fůr Häuseren / seligs / fůr: Seliges / etc. Dabey denn zumärcken / daß alsdenn solche gebrochne endung jhre kurtze Wortzeit verliere / und sich nach dem Laute der Silben / an die es gegeworffen / zu richten habe. als:
So wündsch' ich mir zu guter letzt
∪ –
Einseeligs
Daß mich für alles Creutz ergetzt
Und krönet mich zum Himmels Erben. etc.
– ∪ – ∪
Olieblichs / seeligs
Wie trag ich doch so groß Verlangen
Nach dir allein / bey Gott zu seyn. etc.
Rist. 5. 10.
Also setzet man: Schöns / hört / liebt / strebt /
Diese sechs unabsonderliche Vorwörter Be / ent / er /ge / ver / zer / seynd allezeit kurtz / als:
∪ ∪ ∪ ∪
be
be
en
en
∪ ∪ ∪ ∪ ∪
er
er
ge
Ge
ve
∪ ∪ ∪
ve
ze
ze
etc. und also in allen sehr vielen andern / welches durchgehend und algemein.
Inseparabiles hæ præpositiones, be / ent / er / ge /ver / zer / semper & ubique in lingua Germanicâ corripiuntur.
∪
Laß dich die Lieben
∪
Nicht dieve
Als die / so leicht zufinden
Im faulen Sünden-Mist /
∪
Ach nein / diß unge
∪
Soll alle Weltve
Wir Christen wollen suchen
Ein besser Liebes-feur.
2.
Ach stelle deinen Willen /
Nach Gottes Willen an /
∪
Der deine Bitt'er
∪
Und dicher
Doch zeug es mit der that:
∪
Dein Fleisch müstube
Denn wirstu vollenbringen
∪
Was Gottbe
In allen zweysilbigen gedoppelten / wenn die letzte Silbe ein selbstendiges (substantivum) ist / alsdenn ist diese letzte Silbekurtz / ob schon viele mitlautende (consonantes) darin seyn / welches durchgehend und algemein ist. Als:
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Nohtwehr / Eckstein / Landstadt / Jahrmarckt /
– ∪ – ∪
Rahthauß / Nachtzeit / etc. Und nicht:
– ∪ – ∪ – ∪ – –
Nohtwehr / Eckstein / Landstat / Rahthauß /
etc. Und also in fast unzahlbar anderen.
In compositis Germanicis dißyllabis, quando utima syllaba est substantivum, tunc ea semper corripitur, & prior syllaba producitur.
– ∪
DieSchaarwacht
– ∪
Und dessenSchlachtschwert
– ∪
DieWindmühl
– ∪
Der dasWelt Volck
Op.
– ∪
UnserErbtheil
– ∪
Ein festerWohnplatz
Opitio, finden / daß etwa wegen Nohturfft der Verses in solchen zweysilbigen gedoppelten / die erste kurtz /und die andere Silbe lang / Wider die Natur deß Wortes / und wider den Inhalt gegebener Regul / gesetzet weren: Solches aber / wie es ohn gefehr einer Poetischen Noht-freyheit / oder vielmehr dem vergönstigtem Mißbrauche / zuzuschreiben / also kan es weder einige Regul machen / noch die gantz richtige durchgehende Regul im geringesten schwechen.
So offt aber die letzte Silbe in den gedoppelten ein beystendiges (adjectivum) ist / alsdenn ist sothanes adjectivum lang / und kan die erste Silbe kurtz gebrauchet werdẽ. Als:
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Frechmuht / Weltsinn / Sanfftmuht / Wegfahrt /
– ∪
Mannsucht etc. alhie ist die letzte Silbe annoch ein substantivum oder selbstendiges / und also / Krafft vorgehender Regul / kurtz / aber wenn man nun saget
∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
frechmutig / sanfftmutig / Wegfertig /
∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
Weltsinnig / Mannsüchtig / Arglistig /
∪ – ∪ ∪ – ∪
Weltkündig / Feldflüchtig
etc. alsdann muß die ernante Silbe / nemlich das adjectivum, lang werden / und kan man die vorderste Silbe also für eine kurtze gebrauchen.
In compositis Germanicis, quorum ultimum membrum, seu posterior pars est adjectivum, tunc illud adjectivum producitur, præcendes antem prima syllaba corripi potest.
– ∪ – ∪
Frechmuth
Hochfahrt
Kein gut Endente gebracht:
∪ – ∪
Hochfertig
∪ – ∪
Frechmutig
∪ –
Kriegsüchtig
∪ –
Friedselig sind nur die / so Gott von Hertzen lieben.*
∪ –
∪ –
Rol. furios.
NB. Anmerckung. I.
Wol aber ist in acht zu nehmen / daß / wann die zweysilbigen composita, welche in Teutscher Sprache lauter Trochæos machen / als:
– ∪ – ∪ – ∪
Windhund / Kunstwort / Zinßgut
etc. davon in dem dritten Lehrsatze kurtz zuvor ist erwehnung geschehen / wann dieselbe / sage ich / einige abfallende endung an sich nehmen / sie als dan die erste Silbe / kurtz und die mittelste Silbelang machen / und also jhre Wortzeit (propter adiectionem accidentalium literarum) gantz umkehren / als:
– ∪
Es hat dieser vierter Lehrsatz / nemlich / daß die erste Silb in solchen dreysilbigen compositis kurtz sey / auch stat in denselbigen gedoppelten dreysilbigen / da die letzten beyden Silben ein substantivum seyn / als
∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
Geldmittel / Hülfmittel / Buchführer / Sauffteuffel /
∪ – ∪
Stadtstürmer /
etc.
Composita trisyllaba, quando ultimæ duæ syllabæ ex substantivo constant, tunc prima syllaba compositi potest corripi.
∪ – ∪
SchaffetHůlffMittel
Es ist fast bräuchlich in Teutscher Sprache / daß ein Silblein / en / künne / als gleichsam zwo zufällige Letteren / zu hinten die Zuwörter auff / lich / gehenget und angesetzet werden welches Silblein allemahl kurtz ist / und also gemeiniglich einen Dactylum machet / also saget man: gůtlichen verhören: kaufflichen zuschlagen: Eidlichen beschweren: Außtrůcklichen bedingen Reifflichen erwegen: Füglichen gebrauchen: etc.
Dieses Silblein en / gehöret unlaugbar mit unter die zufälligẽ Letteren / welche ohn zweiffel allezeit nach rechtem Gebrauche můssen kurtz gesetzet seyn /davon zwar in dem ersten Lehrsatze ist gesaget worden: Es findet sich aber so wol beym Opitio, als anderen guten Poeten / daß die zufälligen Letteren unterweilen lang gesetzet seyn / welches dann nicht kan vermitten werden / wann man Dactylische Wörter zu Jambischen Reimarten gebrauchen wil. Aber es ist solches zu mårckem / vnd nicht leichtlich nach zuthun / sonderen vielmehr dahin zusehen / damit in einem Jambischen Reimgedichte lauter Jambi zu finden sein mögen. Wiewol doch der Unterscheid / welchen wir darunter von der Reimung gesetzt / nemlich daß dieselbe entweder rein oder unrein sey / auch alhie zubelieben / daß die Jambische Reimmaas entweder recht rein oder unrein sey: Die unreine Reimmaas / nemlich wann man eine kurtze Silbe lang setzet / sol billich so viel möglich vermitten werden / wo sie aber mit-unterläuffig zu finden / nicht als ein Lehrsatz oder Nachfolge / sonderen als eine Vergönstigung oder Ubersehung gehalten werden. Also findet sich in den Ps. Opitij / als:
∪ –
Von Seuglingen
Die zufälligen Endungs Letteren / davon im ersten Lehrsatze ist gesaget worden / behalten auch allemahl jhre angeborne kurtze Wortzeit / So offt sie bey verdoppelungen gebrauchet werden / welches auch allgemein und durchgehend als:
∪ ∪ ∪
Liebes
bes
cher
∪ ∪ ∪ ∪
Wasser
den
len
des
Angst / Und unzahlbar andere.
Quotiescunque terminationes casuum, generum etc. compositum aliquod ingredientur, toties etiam corripiuntur, juxta primæ Regulæ demonstrationem.
∪
O grosser Menschen
∪
O starcker Menschen
Alle zweysilbige abgeleitete / das ist / alle Wörter / so außgehen auff Bar / er / en / ern / ig / heit / icht / inn /isch / lich / ling / niß / sal / sam / schafft / thum / lein / ung / keit / hafft / Dieselbe sind in solcher jhrer Endung kurtz / Als:
∪ ∪ ∪ ∪ ∪
Ehrbar
er
en
ern
ig
∪ ∪ ∪ ∪ ∪
Klugheit
icht
inn
isch
ich
∪ ∪ ∪ ∪ ∪
neuling
nist
sat
am
afft
∪ ∪ ∪ ∪
jrrthum
ung
ein
afft
etc.
Omnia derivata dißyllaba semper ultimam id est terminationem derivandi, corripiunt, primum syllabam autem producunt.
∪
Wer ist wie du so mächtig
∪ ∪ ∪
So Heilig
lig
tig
So offt aber die zweysilbigen abgeleitete / jhre zuffällige Letteren an sich nehmen / als deñ wird die Haubtendung lang / welche zuvor kurtz war. als: ist
– ∪
lebhafft
frisch vnd starck. Oder
∪ – ∪
lebhaffte
Bilder wir etc. Bart. Die
– ∪
Krönung
zieret dich. Oder; Die
∪ – ∪
Krönungen
zieren dich. Und mit
∪ –
grunechtem
NB. Anmerckung. II.
Es ist aber wol zu beobachten / daß diese gesetzte vielnutzliche Regul nur alsdann statt hat / wann die abgeleiteten Wörter zweysilbig seyn / wie auß vorgesetzten Exempelen gnugsamlich abzunehmen: Wenn aber die abgeleiteten oder Derivata drey- oder viersilbig seyn / und die endnechste Silb / (penultima syllaba) im außreden kurtz felt / alsdenn hat die Haubtendung (ipsa terminatio derivationis) eine Mittelzeit /das ist kan / bald lang / bald kurtz gebrauchet werden; (davon druntẽ im fünfften Capittel mit mehrem) als:
– ∪ ∪ – ∪ ∪
Unmittelbar
er
– ∪ ∪ – ∪ ∪
bettelhafft
heit
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪
Königinn
isch
keit
doch bleiben die abgeleiteten / auff en / und eg / sich endigende allezeit in solcher Endung kurtz / ob schon
Das Wörtlein / ge / welches in allen Zeitwörteren (verbis) die vergangene Zeiten und leidende Deutung formirt / ist allezeit und überal kurtz. als:
∪ ∪ ∪
Ge
ge
ge
etc.
Vocula ge / quæ omnia præterita tempora & totum Passivum in lingua Germanica format, semper corripitur.
Die unendigen Zeitwörter (modi infinitivi verborum) kůnnen allezeit vor sich nehmen das Wörtleln Zu /wenn sie die Bedeutung ůberkommen / so den Gerundiis und Supinis zugeeignet wird / dabey denn zumercken / daß selbiges Wörtlein / zu / als denn allezeit kurtz müsse gesetzet werden / als:
∪ ∪ ∪ ∪
Zu
zu
zu
zu
∪
abzu
Vocula zu / infinitivo proposita, semper corripitur: Sed quando, zu / est præpositio, producitur vid. observ. seqq.
∪
Der Tag ward zugebracht mit diesem looßzu
∪ ∪
Die Waffen und Gewehrzu
zu
Denen Zeitwörteren / welche von / zu / angehen als zuziehen / contrahere, zu sprechen / zu reden / alloqui, etc. kan gleichwol vorernantes Wörtlein / zu /beygesetzt werden / alßdenn aber ist zu wissen / daß das vorderste / zu / die præpositio, oder das Vorwort also lang sey / das folgende zu / aber ist kurtz / Krafft dieses Lehrsatzes. als:
– ∪ – ∪ – ∪
Verheissetzuzu
zuzuziehen
Leib / Leben / Hertz und Muht.
– ∪
Allein Jhmzuzuwenden
Denn er wil uns ja senden
Sich selbst / das höchste Guht.
Wenn aber dieses / zu / wird gesetzet vor die gedoppelte / so von Be / ent / er / ge / ver / ver / sich anfangen / alsdann wird erwehntes Wörtlein / lang / auß ursach / weil diese 6. Vorwürter allzeit kurtz seyn /und vermög unserer Sprachnatur eine kurtze Silbe vor sich nehmen künnen in einen Worte: (denn wie es mit der doppelkürtze beschaffen / ist gesagt im fünfften Lehrsatze deß sechsten Capittels) als:
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
zubereiten zuentgehen / zuerschleichen / zugewinnen /
etc.
Das höchste Gut im Leben
– ∪
Dem Menschenzuge
Das Gott uns hat gegeben /
Ist Liebe nur genant;
Das höchste Guht ist Gott /
Dem solt du dich zukehren
– ∪
Allein jhnzuverehren
Und nicht deß Satans Rott.
Alle gedoppelte zweysilbige Wörter haben jhre längere Wortzeit in der vordersten Silben / Als:
– – – –
Scham
au
Rü
Ro
– – – – –
Vor
fehl
Zu
An
uhr
–
Ertz
etc.
– ∪
Bartas.
– ∪
– ∪
DerFeldmann
Es werden aber auch alhie außgenommen die Vorwörter / Be / ent / er / ge / ver / zer / welche allezeit kurtz / ob sie schon in den zweisilbigen gedoppelten erste Silben machen / davon gesagt im vorigen Capittel im anderen Lehrsatze. Also saget
∪ – – ∪ – ∪
berůhmt
berühmt / entsetzt
– ∪ ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
entsetzt / ergib / gefall / verzeuch / zerrinn. etc.
Nisi præpositiones, Be / ent / er / ge / ver / zer /primam syllabam faciunt, ea enim semper corripiuntur.
So offt aber die zweysilbigen gedoppelten durch annehmung der zufälligen Letteren entweder drey- oder mehrsilbig werden / als dann ist die andere / oder mittelste Silbe lang / welche doch in vorgehender Regel kurtz war.
Composita dissyllaba, quoties literas accidentales recipiunt, atque ita trisyllaba fiunt, toties ipsa derivationis terminatio, quæ alias corripitur, produci potest, & sic syllaba media existit longa.
– ∪
Gottloß
∪ – ∪
Gottlose
Alhie machet die entstehende zufällige Letter / E /daß die Wortzeit in dem Worte Gottlos verendert werde. Also auch:
– ∪
Sinnreich
∪ –
Sinnreicher
– ∪
Wollust
∪ – ∪
Wollüste
∪ –
Bartas.
– ∪
Alle eintzele Stamwörter / so offt sie jhre zufällige Letteren an sich nehmen / alsdenn sind sie / die Stamwörter / allemahl lang; die Endung aber / so durch die zufälligen Letteren entstehet / ist kurtz / davon zusehen der erste Lehrsatz im vorgehenden Capittel. Als:
– – – – – –
Häu
änn
Leib
änd
Lieb
hör
–
Schlag
etc.
Monosyllabica Vocabula, quoties literas accidentales recipiunt, id est, quoties quamcunque, terminationem generis, numeri, temporis etc. adsciscunt, toties vocabulum ipsum, seu literæ radicales producuntur.
– – – –
DieAug
müss
höh
ste
– –
Sichfleiss
geh
– – –
Dasall
Stund
feyr
–
Sie sind derSinn
–
Dabey dieLieb
–
Der Weg durch den sie sich kan in das Hertz
–
find
– –
Siewerd
Stirn
– –
DerWang
schön
Wenn aber von solchen Sta wörteren
Alle Zeitwörter werden in jhrer vergangenen Zeitlang / und bleiben also lang in allen vergangenen Zeiten und in der gantzen leidenden Deutung / als:
– – –
Gehör
lieb
ritt
etc.
NB. Anmerckung.
In Dactylischen oder langgekůrtzten Reimarten müchte diese Endung auch wol zu zeiten kurtz kůnnen gebrauchet werden / als:
Item
Der Langlaut ist und bleibt / in Teutscher Sprache allemahl lang: Der langlaut aber ist / wann der Laut in einer Länge mit
– – –
Bee
aa
ee
etc.
–
Bißweilenleert
Ihr wächsen Königreich / das sie mit klugen Sinnen
Sehr artlich aufgebaut / nimt auch zu rechter Zeit /
–
Den feisten Schaa
Opit.
–
Die Viertheil eines Bee
Diese Vorwörter / Gegen / Hinter / Halben / Nieder /Sonder / Uber / Unter / Wieder / Wider / Zwischen /sind ůberal in jhrer ersten Silben lang / als:
– – –
Ge
hin
hal
– – – –
Nie
u
un
Wie
– –
Wi
zwi
– ∪
Leg dich zwischen uns hienieder
– ∪
Morgen wollen wir dannwieder
– ∪
Wol auffstehnsonder
– ∪
Vber
etc.
NB. Anmärckung. I.
Das Vorwort Empor / wird alhie außgenommen /dann es hat seine längere Wortzeit in der letzten Silbe / als:
Diese Wörter aber / Hinauß / Hinauff / Hinein / Hinnab / Hindurch / Hinzu / haben jhre lange Wortzeit auff der letzten Silbe / oder: müssen die erste Silb kurtz / die letzte aber lang machen.
Vocabula, Hinauß / hinauff / etc. primam corripere & ultimam producere solent.
∪ – ∪ –
Hinweg Hinweg
Alle einsüßige Wörter haben in gebundener Rede 2. die Mittlere Wortzeit / das ist / kůnnen bey des kurtz und lang / doch mit vernünfftlichen Unterscheide 3. gebrauchet werden.
Omnia monosyllaba in versu Germanico ancipitis quantitatis esse possunt.
2. Es wird hie gesagt in gebundener Rede / weil wir von der Reimkunst / und nicht von der Redekunst handelen: Dann in einer ungebundenen tapfferen dringenden Rede wird man die starck klingenden Stammwörter / so auff etwas sonderliches deuten / mit sonderbahrem Trucke vnd haltendem Laute außsprechen müssen: In einem Teutschen Verse aber kan man das Stamm Wort / es habe einen so starcken Thon / und so viele Letteren / als es wolle / dennoch wol zu einem kurtzen Laute machen; Sonderlich wann ein fliessender Buchstab oder Selblautender in folgender Silbe daran stosset.
Welches überal von guten Teutschen Poeten ist
3. Mit vernünfftlichem Unterscheide wird vermeldt / gehet solches dahin / daß die Freyheit der Mittleren Wortzeit in obgedachten einsilbigen Wörteren / nicht also mißgebrauchet werde / daß man zu offt / ohn unterscheid / und ohn alles auffmercken deß beywohnenden klanges / solche einsilbige Wörter mit menge bey einander bringe / und die Wortzeit darin / nach zwang eines abmessens / deutele und dringe: Denn solches ist unangenehm und erwehnter Freyheit ungemeß.
& vice versa:
1.
& vice versa:
NB. Anmerckung.
Es wird von dieser algemeinen Regul außgenommen der einsilbige Langlaut / als: Beer / Meer /Schaaff / etc. davon im vorigen Capitel gesagt / denn solcher allemahl billich lang sein muß.
Die einsilbigen Geschlechtwörter / Ein / der / die /das / dem / den / haben zwar vielmehr die kürtzere als mittlere Wortzeit in sich / werden auch gemeiniglich und wolständlich also / nemlich / kurtz / gebrauchet: Noch dennoch aber befind sichs offtmahls / daß sie lang genommen und gesetzet werden /
Articuli monosyllabici plerunque curripiuntur interdum tamen etiam possunt produci.
Die Vornenwörter / Ich / Du / Er / Wir / etc. kůnnen auch kurtz und lang gebrauchet werden / doch scheinet es artlicher und zierlicher zufliessen / wenn sie kurtz gesetzet seyn.
Pronomina, Ich / Du / Er / Wir / Ihr / Sie / Das /Euch / Der / etc. & produci & corripi possunt, aptius tamen corripiuntur.
Von den Wörtlein / Und / Als / Auch / ist gleiches zuhalten / nemlich daß sie zwar kurtz und lang kůnnen gebrauchet werden / wiewol sie doch eigentlich nur die kurtze Wortzeit in sich haben möchten.
Und / als / auch ancipitis sunt quantitatis, communiter tamen corripiuntur.
NB. Anmerckung. II.
Die Lautwörter / das ist / dieselbigen Wörter / dadurch man einen Laut / oder Thon außspricht (wie denn diese sonderbare Art und Eigenschafft unsere Teutsche Sprache hat / daß man den Thon etwa eines falles / Schusses / Schlages / Sprunges / Stoffes /Klanges / Stimme oder eines jeden anderen thuns mit einem zustimmenden Lautworte außreden kan / vid. Sprachkunst pag. 518. und 645.) dieselbige nun künnen nach Art jhres Haubthons / nach dem sie geformet werden / entweder lang oder kurtz in Verschen angewandt und gesetzt werden.
Vocabula sonum, aut vocem, aut simile quid imitantia, quorum usus in lingua Germanicâ est notissimus, modò produci
modi corripi possunt, pro ut sonus requirit.
Die Haubtendungen der abgeleiteten seynd allezeit kurtz / so offt das abgeleitete Wort zweysilbig ist /davon droben im sechsten Lehrsatze deß dritten Capittels ist gesagt worden: So offt aber die abgeleiteten oder Derivata vielsilbig seyn / und die endnechste Silbe / (penultima syllaba) kurtz ist / so offt kan auch die Haubtendung entweder kurtz oder lang gesetzet werden. als:
– ∪ ∪ – ∪ ∪
Schläfferinn
nis
– ∪ ∪ – ∪ ∪
Kummerhafft
isch
Derivata, si penultimam corripiunt, tunc ultimam syllabam, id est, ipsam derivandi terminationem simul producere aut corripere possunt.
∪ –
Ein tieffer Abgrund hier ist der Vergänglichkeit
∪ –
Verfinstert mit sich bringt er die vergessenheit
Siegsp. der Zeit.
– ∪ ∪
SteteVergessenheit
– ∪ ∪
HabenVergenglichkeit
Mein Vermögen meine Sinnen
∪ –
Sind befreundt mit Eitelkeit
Künnen geistreich nichts beginnen /
∪ –
Wegen Hertzens Dunckelheit
Oder
∪ ∪
Eitelkeit
∪ ∪
Dunckelheit
– ∪ –
Die Tugend ist der Pfeil derAdelichen
Verwund und heilt zugleich mit Honigsüssen
Schmertzen. Herr Harsdorff.
–∪ ∪
Dieses istAdelich
Bleiben der Tugend ergeben.*
NB. Anmerckung.
So offt aber die end-nechste Silb / (penultima syllaba) in den vielsilbigen abgeleiteten nicht kurtz /sonderen vielmehr lang ist / als denn ist die Haubtendung allemahl kurtz / nach inhalt des sechsten Lehrsatzes im dritten Capittel / als:
– ∪ – ∪
Erlernung / Verseumung /
– ∪ – ∪
Erkentnis / Zerschlagung /
– ∪ – ∪
Bestallung / Bestendnis /
– ∪ – ∪
Gesellschaft / entzündlich. etc.
Folgende Vorwörter kůnnen mit unterscheide 2. beydes lang und kurtz gebrauchet werden / Ab / an / auff / auß / bey / dar / durch / ein / fehl / fort / fůr / gen /her / hin / los / mit / mis / nach / ob / samt / ům / un /vol / vor / weg / wol / zu.
Præpositiones hæ, ab / an / etc. ancipitis sunt usûs.
2. Doch wird alhie gesagt mit unterscheide / das ist / wann die Vorwörter werden von jhrem Zeitworte gesondert / als: Abspringen / ich springe ab / loßschiessen / er
– ∪ ∪
Schiesset los / lasset die Büchsen erklingen.
– ∪ ∪
Schießt bald los / lasset die Büchsen erklingen.
–
Der Herr ist freundlich dem / der hertzlichauff
jhn bauet;
–
Er ist der Seelen Trost, dienach
und schauet /
∪
Es ist ein köstlich dingin
–
Vertrauenauff
seyn.
Lich / ist ein sonderliches reiches Wörtlein / dadurch sehr viele Zuwörter geformet werden (vid. Sprachkunst pag. 514. seqq.) davon nun zu mercken / daß selbiges Wörtlein die Mittlere Wortzeit habe / das ist / künne lang und kurtz gesetzet werden / als:
– ∪ ∪
Gnädiglich wollest o Vater erhören. Und:
– ∪ –
Erhör o Vater gnädiglich.
–
Schlegt er jhm die grosse Güte
– ∪ –
Ewiglich
Wann aber in den vielsilbigen Zuwöteren die penultima syllaba, oder die end- nechste
∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
Bagänglich / Erbärmlich / Gesetzlich /
∪ – ∪ ∪ – ∪
Entzündlich / Zergänglich / etc.
Beten ist ein solches Liecht
Welches durch die Wolcken bricht
Wann ein Christ in tausend Plagen
∪ – ∪
Schiererbärmlich
Dieselben / so auß dreyen eintzelen Wörteren verdoppelt werden / scheinen in jeder Silbe die mittlere Wortzeit zuhaben / daß sie also nach belieben entweder kurtz oder lang möchten können gebrauchet werden.
Nomina ex tribus nominibus monosyllabicis composita, quamlibet syllabam vel producere, vel corripere possunt.
– ∪ –
DerLandhauptmann
Bißhero ist nun gehandelt worden von der Wortzeit / noch were übrig etwas anzuführen von dem Wortklange / oder Thone / so bey Außsprechung Teutscher Worte verspüret wird. Denn es ist ein sonderliches Kunststücke in Teutschen Worten / daß sie gleichfals mit der jnnersten Natur eine Verwantschafft und einen solchen Thon / Krafft und ansehen haben / wie die Eigenschafft der dinge / derer Andeutungen sie sind /solches auffs bequemlichste erforderen mag / davon an einem anderen orte etwas mehrers ist erwehnet worden. Der Wortklang ist entweder scharff / gelinde / oder ein Mittelklang. Der scharffe Wortklang ist /wañ daß Wort gleichsam mit einem brechendem Thone / und härtlichem scharffen schalle uns zu Ohren gehet / als: Donneren / Brummen / Prasseln /Brausen / Knallen / Knirschen / Schreyen / Heulen etc. Der gelinde Wortklang ist / wann das Wort sanfftiglich wird außgesprochen / und mit einem fliessenden / stillen / lieblichem geleute uns zu ohren kommet / als: Liebe / Sůsse / Güte / Wasser / Schöneste. etc. Der Mittelklang ist / wann in einem Worte /die erforderte Schärffe und märckliche Gelindigkeitetc. Und hierin bestehet keine geringe Anzeige eines Poetischen vermögens / daß der Wortklang also gestimmet / und die Worte in einem Reimgedichte also geordnet werden / das die poesis, als ein Nachklang der Natur jhre rechte Stimme / Thon / Zier und Anmuht habe.
Die Reimmaas ist ein zahlbarer Begriff 2. gewisser Silben / wordurch die Reimarten 3. unterschieden /und die Reime abgemessen 4. werden.
2. Das Wort Reimmaas deutet dem eusserlichen Laut nach / klärlich und vornemlich an / das dadurch ein Maas und Weise / womit die Reime recht abgemessen und getheilet werden / zuverstehen sey. Wird demnach die Reimmaas alhie genant ein Pedes, weil auch jhnen jhre Versche gewiß gängig müssen gleichsam daher lauffen / und so zureden / jhre gehörige Fuß-maas müssen wol in acht nehmen. Wir werdens ohn zweiffel in Teutscher Reimkunst nicht unvernemlich nennen können Reimmaas / weil dadurch / wie gesagt / die Reime werden gewißmessiger weise abgemessen / davon hernach völliger Bericht folget. Nach etzlicher Beliebung künne man es auch nennen Schritt oder Tritt.
3. Weil man alsbald bey anfänglicher anhörung oder lesung eines Reimes / den Unterscheid oder die Art desselben begreifft vnd weis auß vernehmung der Reimmaas; denn wie die erste und andere Reimmaas ist / also seynd in sothanem Reimgedichte auch die folgenden / gehet derowegen ein Reim langkurtzlich oder Trogaisch an / alsdenn ist der gantze Reim Trogaisch oder langkurtz / angesehen die Reimmaas nich / wie bey den Lateineren / als auch bey den Teutschen / zu wechselen und zu mengen seyn / nemlich in den reinen Haubt-Reimarten.
2. Die abmessung oder abtheilung des Reimes geschiehet nicht nach anzahl / und ordnung jeder Wörter / sonderen nach dem zahlbahrem begriffe gewisser Silben / nach anweisung der Reimmaas / dadurch also Kettenweis aneinander gefüget / und wegen solcher abmessenden Theilung dem Außspruche
∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
Kein Last–er ist–so groß–das Demuth nicht bedeckt /
Und kei-ner Tu-gend Lob–das Hoff–art nicht befleckt.
Herr Harsd.
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
Lasset vns weinen und Trauren vertreiben
Klagen und-zagen sol-heute ver-bleiben;
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –
Klagen und-zagen ver-jaget jtz-und
Heute seyd lustig und machet es kunt.
Cæsius.
Doch ist wol zumercken / daß es nich übel klingt /sonderen vielmehr / Vermöge der Haubt Regulen Teutscher Sprachkunst vergönstiget sey und lieblich laute / wenn gantze Langkurtze / und Langgekürtzte Reime (Trogaisch und Dactalisch) nur nach jeden eintzelen Wörteren die Reimmaas haben / oder dadurch abgemessen werden: Denn weil allen Nenn-und Zeitwörter / so offt sie jhre zuffällige Letteren künnen an sich nehmen (quoties casus obliquos, tempora, genera etc. variant) langkurtz oder langgekürtzt / das ist Trochæi oder Dactyli werden /Item weil alle zweysilbige composita gleichfals Trochæi seyn / als ist die über grosse vielheit sothaner Trogaischen und Dactylischen Wörter leichtsam daher zuermessen. Wol vnd gut klinget derowegen:
Wiewol die Griechen und Römer in abmessung und Regulmessiger Theilung jhrer Versche / fast viele pedes oder Reimmaassen haben / nicht allein von zweyen und dreyen / sondern von vier / fůnff und sechs Silben / welche aber doch meistentheiles vielmehr nur dem Nahmen / als sonderbarem Nutzen nach bekant seyn: So erscheinet dennoch / daß in Teutscher Sprache unnötig sey / jenen hierin nachzugehen / und eine solche vielheit der Reimmaassen auffzubringen. Die grůndliche Betrachtung Teutscher Wörter / die natůrliche Anmuht / Wolstand und Wollaut der Reimen / und der bißher beliebte gute Gebrauch Teutscher Poeten beweisen und lehren uns dieses / daß wir nemlich alle und jede Reimarten wol ordnen / verfertigen und abmessen kůnnen durch Hůlffe der sechs Reimmaassen / als da ist / die.
Die Langkurtze Reimmaas ist ein zweysilbiger Begriff / oder helt zwo zahlbare Silben in sich / davon die forderste lang / die letzere kurtz seyn muß / als:
Die kurtzlange Reimmaas ist ein zweysilbiger Begriff / oder helt in sich zwo Silben / davon die vorderste kurtz / und die letzere lang seyn muß. Als:
Die doppelkurtze Reimmaas ist ein zweysilbiger Begriff / oder helt in sich zwo silben / welche alle beyde kurtz seyn müssen / als:
∪ ∪ ∪ ∪ ∪ ∪
Liebete / Mässige / forderen.
In Teutscher Sprache möchten sich keine eintzele in terminationibus casuum, comparationum, generum, temporum. als:
Die doppellange Reimmaas ist ein zweysilbiger Begriff / oder helt in sich zwo Silben / welche alle beyde lang seyn müssen. Als:
Die langgekürtzte Reimmaas ist ein dreysilbiger Begriff / oder helt in sich drey Silben / davon die erste lang / die beyden letzteren aber kurtz seyn müssen /als:
Diese Reimmaas künne auch nach etzlicher Beliebung genennet werden Langkůrtzender dreysilbiger. Ist eine liebliche / sich wolfügende Reimmaas im Teutschen / dazu sonderlich die Teutschen Worte sich finden lassen / doch aber wenn sie ungezwungen / und von rechter Meisterhand hervor gesuchet werden.
Die gekůrtzlange Reimmaas ist ein dreysilbiger begriff / oder helt in sich drey Silben / davon die ersten beyden kurtz / die letzte aber lang seyn muß / als:
Oberwehnte und erklärte sechs Reimmaassen seynd zu abmessung und Ordnung Teutscher Wörter gnugsam / wie vor gemeldt: Dabey aber zumercken / daß etzliche gedoppelte Teutsche Wörter zufinden / auch sonst zu formen und auffzubringen
Es muß der Radix oder das Sta wort in diesen gedoppelten / als: Muht / fahrt / setz / lang / allezeit lang verbleiben / und kan mit nichten ohn abbruch des natürlichen Thons / und ohn Verletzung der fliessenden grundrichtigen Reimmessung kurtz außgesprochen / und deßwegen die folgende kurtze Silb /als / Ig / lich / lang gezogen werden. Gar unangenehm würde es lauten:
∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
Sey nur gelind mühtig und auch bereitwillig.
– ∪ – ∪
Alhie wird muhtig und willig so natürlicher Art langkurtz oder Trochæi seyn / zu kurtzlangen (Iambis) mit gewalt / und gantz unrecht gemacht. Also finden sich noch viel andere Wörter / als: Darstellungen / Erklärungen / Maasgebungen / etc. Welche auch zu teutschen Reimen wenig geschickt / und zwar zu Trogaischen und Jambischen Arten gar nicht tauglich seyn / zu Dactylischer oder langgekürtzter Art aber müchten diese so wol / als auch die vörigen / Bereitfertig / Gelindmühtig etc. Noch auff den nohtfall zun zeiten künnen angewandt und gebrauchet werden: Lautet derwegen unrecht:
∪ – ∪ – ∪ –
Du gibst Erklärungen.
Der Schad' ist jetz unwiederersetzlich etc.
Denn / En / und Lich / so sonst kurtz seyn / werden alhie lang zu sein gezwungen: In Dactylischem oder Langgekürtztem Verse aber möchte es etwas besser lauten / als:
Das andere Haubttheil der Teutschen Reimkunst begreifft in sich die Reimfůgung: Die Reimfůgung aber ist / welche lehret jede Reime und Reimarten / nach rechter Kunstmessiger Ordnung auff allerhand weise zufügen und zusammen zusetzen / Und begreifft die Reimfůgung in sich die Abmessung / die Reimung und die Reimarten.
Die Abmessung ist eine rechtmessige 2. Abtheilung des Reimes 2. oder Teutschen Verses / welche da geschiehet durch die Reimmassen.
2. Es wird in Teutscher Verskunst die Abmessung billig genennet eine rechtmessige abtheilung des Reimes / nemlich eine gleichrichtige / Kunstgründige und gewisse abtheilung / nicht weniger nach gewisser /richtiger Kunst zufassen und zuverstehen / als es ůblich und bekand in Grichischer und Lateinischer Sprache seyn mag.
Die alte Reimerey / und das uhralte Reimmachen der Teutschen / davon man noch eine und andere Nachricht und überbliebene Brocken / so ein / anderthalb / ja zwey tausend Jahr alt / behalten und auffzuweisen hat / solches ist meistentheils von unserer heutigen und richtigen Poesi weit entfernt / und rechter Kunst und gleichrichtigkeit unfähig; ist derowegen eine Unnoth / davon vieles auffzuglauben und auffzuführen: Denn weil es numehr ausser Gewonheit / ausser Kunst und vermögender Zierlichkeit der Sprache / als muß es auch billich / wie ein unnöhtiges / ausser Lehrsätzen und anmerckungen der Verskunst entsetzet seyn. Es ist aber dieses nicht zu leugnen / ob schon keine gründliche / richtige / Kunstmessige Wortordnung / Sonderen nur blößlich die beliebte grobe Reimung / oder vielmehr Reymerey / den alten Teutschen bekand gewesen / daß dennoch / ohne zweiffel auß dem kräfftigen / Sich anbietendem Vermögen
∪ – ∪ – ∪ – ∪
Diese Reime sind ohn tadel Jambisch oder Kurtzlange. Also singet Eck von Repkaw / in der Vorrede des alten Sachsenspiegels:
In diesen nun / und etwa derogleichen Teutschen Reimen / ist die Reimmaas recht zufinden; Wiewol doch dieselbe rechte Reimmaas / und alles andere / so zur rechten Reimkunst / und außhebung der Sprache gehöret / den Reimendẽ Alten ist unbräuchlich / wie erwehnt / und unbekant gewesen. Wir setzen demnach numehr das alte Tichten und Reimmacherey bey seite / und nach dem unserer / so uhralten / hochherrrlichen Haubtsprache der gnädige Glückstern zu diesen letzten Zeiten erschienen / die Kunstbahn darin von vielen Gelehrten und verstendigen Leuten eröffnet / und auff eine solche Ehrenstaffel der Gewißheit dieselbe erhoben ist / von welcher sie viel andere mit jhrem lieblichen / trotzenden und unvergleichlichem Vermögen überschauen und überthönen kan; Als erhehlen wir auch billich die rechte Zier / und die liebliche gewisse Art des Reimens / versuchend also / verhoffentlich nicht vergebens / auch in diesem / so hochgepriesenem / überlieblichem und Kunstvollem Stücke /nemlich der Poesis, auch diese unsere Sprache in eine Kunstform gebürlichen einzuschiiessen.
2. Was von der Reimung der Wörter / so unterweilen / Alstedius in Encyclop. lib. 26. cap. 3. seqq. Iul. scal. poet. lib. 2. c. 2. etc. oder wie sie die Frantzosen und Italiener auff genommen und beobachten /davon unter anderen / Claudius Fauchet, Ronsardus, Duretus, Torquatus Tassus etc. meldung nachrichtlichen thun; oder auch wie die Mönche vormals / so wol auff Teutsch / als nach der Teutschen art das Lateinische gelappet und gereimet / davon die alten Bücher voll seyn; oder auch / wie die uhralten Teutschen / die Barden / die Scalder und die Runen / das ist die alten Celtischen Poeten gereimet und abgemessen haben / davon Saxo Danicus, Olaus Magnus, Iohannes Magnus, und absonderlich D. Olaus V Vormius in seiner vor wenig Jahren außgefertigten Runica, oder Literatura Danica viele Sachen anführet / Solche und alle derogleichen Reimungen dienen nicht zu unserem Vorhaben / und gereichen nicht zu dessen nüztlichem Zwecke: Denn wir reden alhier von solcher Reimung / und der Reime abtheilung / so recht messig / Kunstgründig / lieblich / Steter gewißheit und auß den natürlichen Gründen und Quellen Teutscher Sprache erschöpffet und auffgebracht ist / und noch ferner Kunstrichtiglich zuerschöpffen und auffzubringen sey.
Die Abmessung muß bey uns geschehen nach unseren Teutschen 2. Reimmaassen / und hat hierin die Lateinische oder Griechsche art gar nicht stat / noch einigen rechten Gebrauch.
Unsere Sprache ist gantz jhr eigen / allerseits nach dero rechtem Ursprunge rein und abgesondert von frömden / davon an anderem Orte ein mehrers ist gesaget worden. Und ist es in diesem Stücke gleichfals damit also bewandt / daß nemlich die abtheilung der Teutschen Reime nur nach Teutscher art / Natur und Eigenschafft geschehen muß / wann sonsten der rechte Teutsche Geist und angeborne Lieblichkeit sol unverlohren und unzerzwungen bleiben. Es ist zwar von etzlichen versuchet worden / die Teutschen Reime nach maasse und art der Lateiner zu messen und zu ordnen / aber wie solches unseren Sprachgründen ein unbekantes ist / und Teutschen Ohren widerig und Unpoetisch lautet / also wird und ist solche nachfolgerey von wenigen / ja von keinem recht beliebet und angenommen worden.
Es sind zwar unsere Wörter / gezwungener weise /auch wol etzlicher massen nach der Lateinischer Art zuordnen / Wie auß diesem Rätzel welches Clajus setzet / so lauter Hexametri sein sollen / abzunehmen.
Ein Vogel | hoch schwe|bet der | nicht als | andere |
Derogleichen exempla seynd mehr beym Alstedio und Gesnero zufinden.
Also ist auch folgendes / zwar nach der Grichschen und Lateinischen abmessung zuverantworten / aber nicht wie erwehnt / nach Teutschen art recht auffzubringen.
Es seynd sonsten zwey Distica.
Ein Reim / oder Teutscher Vers / ist eine Kunstmessige Ordnung der Wörter / vermittelst erforderter gewisser Reimmassen / mit gehörigem Reimlaute sich schliessend.
Es ist in abmessung eines Teutschen Verses oder Reimes haubtsachlich in acht zunehmen I. Die Glieder (Reimglieder / Regiones) und II. die Abschnitte. (Cæsuræ.)
Die Glieder sind die theilbaren 2. Stücklein eines Verses / welche durch jede 3. Reimmaas getheilet und unter sich gesondert werden můssen.
2. Die Glieder oder Reimglieder sind also genant /weil dadurch jeder Reim / als ein Leib oder ein gantzes / Gliedweis getheilet und gesondert wird in seine ergäntzende Stücke oder Theile: Daß dahero im Reime mit nichten allein zuhinten die Reimung / sondern auch vornemlich die fůgliche und erforderte zusammenhengung der Glieder / oder Reimglieder muß betrachtet und in acht genommen seyn. Es werden aber 3. diese Glieder im Reime stets-gewisser weise unter sich gesondert und abgetheilet durch die Reimmaassen / also und dergestalt / daß eine jede Reimmaaß ein Glied abmisset: Wie vielsilbig darüm die Remmaassen seyn / von gleicher vielsilbigkeit müssen auch die Reimglieder seyn.
Es můssen aber die Glieder oder Reimglieder fein wolständlich aneinander hengen / und den Leib des Reimes naturmessig / und Kunstfest zusammen fůgen / damit kein Mißglied daran etwas verunziere und Tadelhafft machen möge.
Wie aber nun solches allerseits recht zuerkennen und zu beurtheilen / davon wird hin und wieder in diesem Buche an gehörenden örteren gebandelt: In gemein nur ist dieses alhie zuwissen daß die Zusammenfůgung der Reim Glieder nach Teutscher Eigenschafft nicht eben nötige und stetige Theilungen der Wörter erfordere / sonderen es können sich entweder die Reimglieder mit jedem Worte wol endigen / oder kůnnen lauter einsilbige in sich haben / oder auch sich fein zumitten der Wörter abschneiden und dieselbige theilen / als im folgenden / worin lauter einsilbige Wörter:
Op. Ps. 97.
Im folgenden aber machet jedes Wort eine Reimmaas / und bleiben also die Wörter durch die Abmessung unzertheilt / als:
Es ist dieses annoch zuerinnern / daß man die Abmessung / oder den Hinlauff der Reimglieder im außreden gar vernemlich müsse hören und gleichfliessend außreden können: Denn gemeiniglich eine Reimart in Teutscher Sprache hat jhre eintzige gewisse Reimmaas / nemlich von welcher Reimmaas ein Vers anfehet / von eben derselben muß der Vers und das gantze Gedichte abgemessen werden / denn in Teutscher Poesi nicht also / wie in anderen Sprachen die / pedes unter sich in einem Verse vermenget und durcheinander gesetzet werden. Also gehet der anfang Trogaisch oder Langkurtz an / als:
So müssen gleichfals alle folgende Zeilen oder Verse von eben dieser Reimmaas abgemessen werden / als:
Es ist aber wol zumercken / daß dasselbe / was alhie von ungeenderter Gleichheit der Reimmassen ist erwehnt /
Er ist aber dieses nicht von nöhten / daß allezeit mit dem Reimschlusse auch die gantze Meinung und Spruchrede vollendet werde / sonderen dieselbe kan gar wol biß in den folgenden Reimschluß zuweilen erstrecket werden: Machet derohalben ein jeder Reimschluß / auch nicht den Schluß in jeder Meinung / wie davon die exempla hin und wieder zu finden seyn.
In den Dactylischen und Anapestischen oder in den Langgekůrtzten und gekurtzlangen Versen stehet es zierlich / wann die Wörter durch die Reimmassen fein zertheilet und aneinander gehenget werden: Nicht aber lautet es so wol / wann jedes eintzeles Wort eine volle Reimmaas den gantzen Vers durch machet. Also stehen auch nicht / noch klingen wol die offtmahligen Einsilbigen Wörter in den Dactilischen Versen / weil dadurch der Dactylus etwas hart und gezwungen muß werden.
Darum lautet dieses auch nicht wol:
Also lautet das folgende / worin jedes Wort eine Reimmaas machet / vielleicht nicht / so gar wol / als:
Der Abschnitt oder die Cæsur ist ein Abzug oder Stilstand im mitten des Verses / wenn man bey lesung oder abmessung des Reimes / ein wenig stille helt /gleichsam Athem holet / und also die Reimglieder durch den Abschnitt zierlich voneinander zeucht / als wenn man sagt:
Alhie schneidet sich der Vers zu mitten bey Recht und Noht ab / und muß daselbst ein wenig inne gehalten / und mit nichten der Vers in einem Thone und Athem hingelesen werde.
Der Abschnit muß gebrauchet werden allein zu mitten des Reimes / und zwar nicht in allen und jeden Reimarten / sonderen nur in folgenden / nemlich:
I. In den Langkurtzen oder Trogaischen Reimarten / so acht- oder Neunsilbig seyn / muß sich der Abschnitt finden / und zwar alsbald nach dem ersten Gliede / als:
Alhie ist der Abschnit / geht / ist / Gott / Woselbst bey Lesung muß etwas stille gehalten und gleichsam geathemet werden.
II. In den Kurtzlangen oder Jambischen Reimarten / so zehen- oder eilff-silbig seyn / muß sich der Abschnit mit dem anderẽ Reimgliede abziehen. als:
Opit.
Rist 4. 6.
III. In den Langkurtzen oder Trogaischen Zehn-und Eilffsilbigen Reimarten muß sich der Abschnitt finden nach den beydē vordersten Reimgliederen / und also eine sonderliche Silb / nemlich die fůnffte machen / als:
IV. In den kurtzlangen oder Jambischen Reimarten so zwölff- und dreyzehensilbig seyn / muß sich der Abschnitt mit dem dritten Gliede abziehen / als:
V. In den Langkurtzen oder Trogaischen
VI. In den gar langen Versen / nemlich in den fůnffzehnsilbigen / so wol Jambischen / als Trogaischen / muß sich gleichfals zu mitten der Abschnitt finden / wie dasselbe folgendes zu ende des fůnfftten und sechsten Capittels zu sehen ist.
Es muß der Abschnitt allemahl entweder ein einsilbig Wort seyn / oder es muß sich ein mehr- oder vielsilbig Wort darinn / mit dem Abschnitte / endigen: als:
Es stehet aber gantz heßlich und mißlautet / wenn man zu mitten des Worts wil abschneiden und in nen halten / und also den gantzen Reim verstümpelen und Radebrechen / als:
Es ist aber zumercken / daß zu weilen wegen eines zierlichen sonderlichen Nachtrucks / Wenn entweder das ding vermengt wird / sich zusammen schleust /zusammen gehöret / etc. man alsdann den Abschnitt darnach und also forme / daß er sich gleichfals also einhenge und anschliesse / damit das ding desto lebhaffter vorgestellet werde.
Also sagt Herr Freinsheim recht und wol von dem schrecklichen Minen sprengen:
Alhie wird gleichfals nicht unrecht der Abschnitt ein mit folgendem Gliede in ein Wort gefasset /wegen des einfassenden Wortes und Dinges selbst.
Alhie wird der sonst nötige Abschnitt / nicht abgeschnitten / sondern henget sich in dem Worte Meiner an / daß also nicht unrecht angedeutet das feste unzertrenliche Vertrauen / und die wehrende Frolockung eines Christen wohin das schöne Lied zielet.
Es stehet aber gar nicht im Verse / wenn der Abschnitt sich mit dem Ende seines Verses Reime / solche Verse werden auch bey den Lateineren Knuttel-Verse genant / als:
Also nun ist auch die Reimung / so der Abschnitt mit dem ende machet / Knuttelhardisch und untauglich / als wenn H. Opitz dieses auch also erinnert:
Alhie machet die Reimung Licht-bricht: Sonst-Gunst / den gantzen Vers unanmuhtig und tadelhaft. Es klinget auch dieses übel und ist zuvermeiden /wenn nur der Abschnitt mit dem Ende des Verses eine Zustimmung deß Reimens oder verwanten Laut hat /also klinget nicht wol dieses:
Weil alhie Seim-ein / treib-leid sich halb reimet /als wird dadurch der Vers unlieblich: Denn es muß keine Reimung in Teutschen Versen / ohn die gebürende end-stehende sich finden. Doch ist hie nicht mitgemeinet die liebliche
Also klinget dieses wol und artlich:
Der Mittelstrich kan auch gebrauchet werden zum Abschnitte: das ist: dieselben Wörter welche durch den Mittelstrich getheilet werden / kůnnen ihre Theilung und Trennung im Abschnitte unterweilen leiden und also zum Abschnitte gebrauchet werden.
Es ist aber von dem Mittelstriche / und dessen außführliche Vermeldung zusehen die Sprachkunst lib. 2. cap 19. wo selbst viel davon gesagt. Also werden diese Wörter durch den Mittelstrich getheilet:
Item
Item:
Item:
Es kan auch der Hinterstrich im Abschnitte gebrauchet werden: das ist: Es können die Wörter / welche durch das Hinterstrichlein ein E wegwerffen / gar wol zum Abschnitte gebrauchet werden.
Rist. 4. 6.
Es hat aber der Hinterstrich den Nahmẽ in Teutscher Sprache daher / weil er nirgends / als zu hinten des Wortes und zwar oben gesetzet wird / als komm' / ich lieb. Von dessen / des Hinterstriches / rechtem Gebrauche zu mercken / und zwar:
I. Das Hinterstrichlein deutet ein außgelassenes E an / und muß alsden gebrauchet / und oben an zu hinten des Wortes gezeignet werden / wan das folgende Wort von einem Selblautenden sich anfähet / als:
II. Wann aber das folgende Wort sich von einem H anhebet / alsdann kan erwehntes Hinterstrichlein auch wol gebrauchet / oder aber außgelassen / und der Buchstab E gesetzet werden / als:
III. Die Wörter aber so auff den Doppellaut / je außgehen / als knie / nie / sie / wie / hie / die / schrie /etc. kůnnen vermittelst des Hinterstrichleins das E nicht weg werffen /
IV. Die Wörter gleichfals so auff den Langlaut ee außgehen kůnnen das letzere E nicht vonsich werffen /noch das Mittelstrichlein annehmen / als:
Item:
Op. Ps. 148.
V. Es kan auch dieses Hinterstrichlein zu hinten des gantzen Verses / Stelle und stat haben; aber alsdan muß der folgende Verß sich nothwendig von einem Selblautenden / oder von einem H anfangen /als:
VI. Es kan auch dieses Hinterstrichlein zu hinten eines gantzen Reimschlußes gebrauchet / und das E also außgelassen werden / alsdann aber muß der folgende Reimschluß von einem Selblautenden / oder H anfahen.
VII. Das Hinterstrichlein / weil es / wie
Man findet zwar solches bey guten Poeten etzliche mahl an solcher Stelle / aber dasselbe ist nur zumercken und gar nicht als eine gemeine Nachfolge anzunehmen / als:
VIII. An die Gebietungs weisen / (Modos Imperativos) weil dieselbe nach rechtet natůrlicher Form einsilbig / und die Teutschen Stamwörter seyn / bedarff es nicht einiges Hinterstrichlein anzuhengen / und das außgelassene E / so eigentlich dahin nicht gehöret /anzuzeigen.
Es ist auch bey den alten Meistersingeren für einen Fehler gehalten / wann die Wörter sind gleichsam halbiert / zusammen gezogen und die Mitlautere außgelassen worden: Und haben sie dieses schnurrende Reime genennet / als gborn / glibt / müssn. etc. für geboren / geliebet / müssen. Herr Harsdörffer in dem CLI. Gesprächspiele.
Die Reimung ist nicht minder / als sonst ein Haubtstůcke des Teutschen Verses / in rechte Obacht zunehmen: Denn ob wol die blosse Reimung an sich gar keine Kunst ist / noch einigen Vers allein machen kan; Noch dennoch muß dieselbe nicht allein jhre nothwendige Stelle / ja einen Haubtort in den Versen vertreten / sonderen es muß auch die Reimung den Außgang und gleichsam ein liebliches / sich wolschliessendes Ende den Teutschen Versen geben; Dann solches in Teutscher Sprache eine sonderliche angeborne Anmuhtigkeit und Bewegung in sich hat /und mit sich daher fůhret / wo sonst recht nach der Kunst mit der Reimung verfahren wird.
Es ist aber anfänglich zu wissen / daß zweyerley Art Reimwörter in Teutscher Sprache zufinden seyn /nemlich Einsilbige und Zweysilbige. Die Einsilbigen Reimwörter / etc. Und solche Einsilbige Reimung hat man dißhero / nur zur Nachfolge der Ausländer / genennet / einen Männlichen Reim / oder Männliche Reimung Rhythmum Masculinum: Welches den vielen nicht vernemlich gehörig / noch deutlich zu sein gedaucht; Dann ein Weiblicher Reim hergegen ist /welcher zweysilbig außgeredet wird / als: heben /geben. Hören-stören. Reiben-treiben etc. Warumb aber der Weiblicher zweysilbig / der Mannliche aber Einsilbig sey oder seyn solle / dessen weiß man keine sonderliche Uhrsache noch deutlichen Begriff. Wird derowegen recht nach Teutscher art und nach verständlicher / leichtvernehmlicher andeutung ein Reim getheilet in den Steigenden und Fallenden.
Ein Steigender Reim ist / wan in Einsilbigem Thone der Reim gleichsam auffsteigend sich endiget / als sehr-mehr. Hertzschmertz. Licht-nicht. etc. Woselbest man höret / daß sich alsbald mit endigung des
Ergebenheit Gottes:
Der fallende Reim ist / wann nach dem Reime allemahl eine noch anhengende Silbe etc. Alhie ist der Reimlaut / eib / welcher gereimet wird durch schreib /treib / bleib / doch also / das die anhengende Silbe en / dabey bleibe / mit-hingehe / und hinfallend außgeredet werde / deshalben dañ nicht unvernemlich solche zweysilbige Reimung Fallend kan genennet werden. Wie denn in Teutscher Verskunst die Benennung des Reimes also / nemlich steigend oder hinfallend billig sol genennet werden. Im folgenden ist allezeit der Reimfallend / ist auch ein Trogaisches Liedelein zenant
Unglůckstrifft.
Die Reimung nun an sich / bestehet eigentlich und recht darin / wann der Reimlaut vornan die Mittlaurere (consonantes) verändert. Als wann man sagt: Land / Hand / Tant / Brand / etc. Alhie ist der Reimlaut /das ist / derselbe Laut so muß gereimet werden / etc. Item: in Zu ist der Reimlaut U / wenn solcher nun durch verenderte Mitlautere gebrauchet wird / alsdenn reimet sich zu / du / Schu / ruh / thu / Kuh / etc. Also wenn man sagt schreib / ist hierin der Reimlaut eib /Krafft nun besagter Erweisung / wird darauß bleib /reib / treib / scheib / Weib / Leib / etc. Und also durch und durch. Dabey gar wol zu desto leichterer Ersinnung der reimenden Wörter / dieses zumercken ist / daß man den Reimlaut etwa vorsich schreibe /oder wol im sinne behalte / und hernach das A / B / C / von anfang biß zu ende durch dencke / und wol acht habe / was fůr Mitlautere da kůnnen solchem Reimlaute zuvorn beygefůget werden: Solcher massen wird nicht leichtlich einem ein anhero gehörendes Wort entgehen / oder ungeformet bleiben können / als zum Exempel. Man lasse Acht den Reimlaut sein / und besinne sich besagter massen / dan wird man ohne můhe finden Acht / Bracht / Dacht / Facht / Fracht / Jacht /Kracht / Lacht / Macht / Nacht / Pracht / Schacht /Schlacht / Sacht / Tracht / wacht. etc. Und also durch und durch / darauß folget / daß sich rallen /prallen / Mertzen / Schmertzẽ / rennen / trennen / gar wol reimen / weil sie ja unlaugbarlich den rechten Reimlaut enderen; dan anders ist rall / ein anders ist prall / ein anders ist Mertz / ein anders Schmertz / ein anders Reñ / ein anders Treñ etc. Dieweil die Reimung wie Her Buchner sagt / nicht so sehr bestehet auff gleichheit der Buchstaben / als auff dẽ Laute selbst / der allein die Regul der Reimung ist. Darum so offt der Reimlaut / wie schon erwehnt / kan geendert werden durch Vorsatz anderer Buchstaben / So offt muß auch die Reimung gut und untadelhaft seyn. Und dieses hat nicht allein in Einsilbigen Wörteren /das ist in Steigenden Reimen / davon gesagt / seine durchgehende untriegliche Richtigkeit / sonderen auch in den zweysilbigen Wörteren / das ist / in den Fallenden Reimẽ / wan nur der rechte Reimlaut wol uñ genau wird in acht genommen / als. Singen / alhie ist der Reimlaut (daß ist der Laut so sich reimen muß ing / solcher nun muß bloß allein / etc. und also in anderen ferner.
Es ist dieses auch nohtwendig zu mercken / Ob wol etzliche bißhero erinneret / daß viele Wörter / welche schon dem Buchstabe nach eine gantz gleiche Endung oder Reim-endung haben / dennoch aber nicht solten in Versen kůnnen gereimet werden; aldieweil sie etwa der Scherfe / Gelinde / oder Gethöne nach / nicht überal gleichlautend außgesprochen würden: Wie denn Opitz saget / daß sich nicht reimen künte ehren und nehren: Buchner aber / Glaßreime sich nicht mit naß: Cæsius meinet auch Nachreime sich nicht mit bach etc Aber sothaner Erinnerung von wolerwehnten Authoren ist bißhero noch nicht Lehrsatzweis erwiesen und bewehret worden; Nemlich / welche und wie viel Wörter / die dem Buchstabe und Reimlaute nach gleich seyn / im außreden solten ungleich und also zur Reimung unbequem seyn. Denn es scheinet fast ein gar unthünliches und vergebenes zu seyn / daß man richtig beweisen könne / welche und wie viel Wörter /wie auch / und an welchen örteren in Teutschlande /sothaner weise im außreden und geleute etwas ungleichlautend weren / zum eintzigen Exempel / wenn einer wissen wolte / wie Per Eta / wird jener E außsprechen / und das dieser ä ein ander hinwieder ee: also daß in diesem / solcher massen / ein lauter ungewisses und gar zu genaues demselben entstehen wolte / So dem nachzusinnen / und einigen Grund durchgehender gewißheit zulegen versuchen möchte. Und ob schon die Meißnere / oder vielmehr etzliche deroselben nach jhrer Meinung / etwa jhren gewissen Ausspruch hetten / wie ohn zweiffel nicht zu leugnen / kan doch solches den anderen Teutschen zu keinem nachtheile oder einiger Irrung gereichen. In anderen Sprachen auch ist die Außrede nicht überal ebenlautend und gleiches Thones / solches aber / wan man sonst im Grunde recht einig und der Sprachen mechtig ist /wird nicht sonderlich geachtet / noch einiges tadels bezüchtiget. Die Meinung ist gar grundbrüchig und hinfällig / welche hievon etzliche also haben / daß sie hoffen dürfen / den Thon der Teutschen Wörter nach jhrer eingebildeten oder angemasseten Ausrede zu rechtfertigen oder zuverdamnen. Nach dem Grunde ist dieses / was schon gesetzt / richtig und wahr / daß /so offt der Reimlaut durch die vordersten Letteren wird verendert / daß so ofte auch eine gute Teutsche Reimung entstehe: Darüm denn kan man gar wol reimen aß / Glaß / Graß / naß / Paß / faß / saß etc. Weil der Reimlaut aß richtig verändert wird. Item: Ach /Bach / dach / nach / krach / fach / schach / etc. Weil Ach gleichfals besagter massen geendert wird. Etwa eine vermeinete
Weñ der Laut gleich ist / ob schon die Buchstaben nicht gentzlich ůberein stimmen / So mögen sie doch ohn alles Bedencken gereimet werden sagt Herr Buchner recht / als: Blůhen-ziehen: Lebet-gräbet: Gethön /stehn / etc. Dabey nun zumercken / daß die Kleinlaute ä / \ / ů / solcher massen meistentheils gebrauchet werden / weil sich derē knenlicher geschöbelter Außspruch in solcher Reimweise mit ö / e / ie / eh / i / ih /vergesellen Ristii Himlischen Liederen:
Item: In Herrn Opitzen Psalmen
etc.
In den Gesängen vom Rasenden Rolande:
In dem neulich verteutschtem Bartas.
Auß vorerwehntem Grunde des Reimlautes kan man die Mißbräuche und Fehlere / so bey machung derer Reime einzuschleichen pflegen / leichtlich ekennen und vermeiden. Als wenn man Wörter / die an Buchstaben und Endungen gantz gleich / doch aber unterschiedlicher Bedeutung seyn / und in einem Verse anders / als im anderen werden / dennoch aber zur Reimung gebrauchen wolte / als:
In diesen nun und dergleichen ist die rechte Reimung falsch / oder vielmehr ist gantz keine Reimung daselbst / Krafft des gesetzten gewissen Grundes /daß der Reimlaut / der alhie ist eis / acht / ag nicht wird durch abgewechselten Vorsatz der mitlautenden Letteren verändert / sonderen es bleibet eben derselbe Thon / derowegen es keine Reimung kan genant
Herr Augustus Bůchner erinnert dieses gleichfals /und saget / daß unsere Poesis desto volkommener sein könte / wan man sich solcher und derogleichen Nachfolgerungen entschlagen wůrde.
Also bestehet auch in Fallenden Reimen dieses nicht /daß der mitlautende Buchstab zumitten des Reimlautes / in einen anderen / jhm verwanten mitlautenden Buchstab verendert werde / als in Breiten / allhie ist die hinfallende Reimlaut eiten / und das / t / ist der Mitlautende zumitten des Reimlautes: Dieses / t / nun / in eiten / kan man nicht reimen mit Leiden / weiden /etc. denn daselbst ist ein d zumitten des Reimlautes /und also das t verendert / welches deñ im ausreden einen austrůcklich-unterschiedenen
In Steigendem Reime aber ist es nicht unzulässig /daß der letzte mitlautende Buchstab verändert werde in einen anderen / der jhm also gleich lautet / oder aber verdoppelt werde / also reimet sich recht / Land-Tand / Noht-Tod / Bis-Riß / wilt-gilt / danck-gang wol-soll / etc. Ob schon die letzte Letter d in t / und s in ß / g in ck / l in ll etc. verendert wird / denn der Laut / So alhie Einsilbig und Steigend ist / kan im Außspruche / weil sich der alsbald endigt und abzeucht / keinen Unterscheid noch Enderung mercken / und wird derohalben die Reimung guht / als:
Gleichfals kan auch dieses nicht stat haben in den etc. Denn weil alhie zu mitten des Reimlautes zwo Letteren als nn / tt / mm / sich finden / im Mitt-Reimworte aber nur eine solcher Letteren zu mitten bleibet / als folget / daß die Reimung in etwas falsch werde. So reimet sich auch ferner nicht Bläter-retter: Trennen-dehnen / rasen-hassen / lassen-blasen / tappen-wapen / Wonne-lohne / Stossen-Rosen etc. Wiewol doch solche und derogleichen Reimungen in vornehmen Authoren zu finden seyn: Ist aber ein solches vielmehr nur zu mercken / als überal nachzuthun:
Ist demnach schließlich auß dem jenigen / was bißhero nebenst gebührlicher Erweisung angeführet worden / zuerinneren und Haubtsachlich zuwissen / daß der Reim oder vielmehr die Reimung sey entweder Rein oder Unrein: Ein reiner Reim ist wann der Reimlaut so wol nach der Schreibung / als nach der Ausrede richtig verbleibet / und nur durch die vorgesatzte Mitlautere verändert wird / als zũ Exempel: Siñ / woselbst der Reimlaut ist inn / wann man nun reimet Sinn / kinn / hin / Gewinn / Spinn / etc. Alsdann bleibet der Reimlaut allemahl richtig / so wol der Schreibung / als der Ausrede nach / und wird nur durch die vorstehende Mitlautere k / h / sp / w / etc. verendert. Also reimen sich rein diese: Ant / Hand / Land /Wand / Brand / Schand / Rand / Sand / fand / etc.
Item diese: Ein / mein / dein / sein / lein / kein / fein /Bein / Schein /
Ein unreiner Reim / oder eine unreine Reimung ist /wan der Reimlaut oder die Reimletteren nach der Schreibung nicht behalten werden / und doch dem Gehör gemeß kommen: oder aber / wan die Schreibung zwar gleich ist / die Ausrede aber ungleich eintrifft / und etwas mislautet / als zum Exempel: geht /woselbst der Reimlaut ist eht; Dieser Reimlaut eht nun / reimet sich mit weht / höht / seet / etc. Item / ehr / kan sich reimen mit wehr / leer / stör / gebär / etc. Item eben kan sich reimen mit heben / stäben / stöben / etc. Aber in diesem und derogleichen ist nicht eine Reine / sonderen eine unreine Reimung / weil unreiner weise / entweder dem Gehör oder der Schreibung nach / die Reimung sich findet: Welche unreine Reimung dann einem Poeten vergönnet und zulässig / so wol wegen mangel der Reinreimenden Wörter / als auch daß es gemeiner Werthabung vornehmer Poeten fähig / bißhero überal bräuchlich und auch dem Gehör nicht widerig ist. Doch aber daß man messiglich zuverfahren / und die Eigenschafften jeder Mundart zubeobachten sich befleissige.
Die Reimarten aber / (wie das Wort klar lautet) zeigen an / von welcher Art / Wesen und Eigenschaft die Reime seyn / wie sie deñ auch zu desto besserer Erkentniß in drey Haubtordnungen kůnnen abgetheilet und recht gesondert werdẽ: nemlich nach den
1. Nach den Reimmaassen werden in Teutscher Sprache die Reime abgetheilet in vier Geschlechte / nemlich in Langkurtze / Kurtzlange / Langgkurtzte / Gekůrtzlange.
(Die Meistergesänge / derer in Teutscher Sprache von alten Zeiten her nicht wenig verhanden / haben auch zwar jhre sonderliche Nahmen und Arten / wiewol doch sonst nichts gewissers darin / als nur die Reimerey oder das Reimen / ist in acht genommen worden; Derohalben dann auch die Meister Sänger ertzliche Kunstwörter / zu anweisung des Reimens /unter sich auffgebracht und gebrauchet haben: Dan das metrum nennen sie das Gebänd: Rhythmum masculinum, oder die Steigende Reimung / nennen sie das Stumpfe Reimwort; Fæminum Rhythmum oder die Fallende Reimung nennen sie / das klingende Reimwort: Wann eine Silbe zu viel oder zu wenig ist / nennen sie es den Schillerenden Reim: Nehmen sonst die Zahl der Silben / und den Laut der Reimung gar wol /die rechte Maas aber der Wörter und des Verses / gar nicht in acht.)
Folget derohalben das erste Reimgeschlecht / nach vorgesetzten vier Haupt-Ordnungẽ / nemlich die Langkurtzen Reime / das ist / dieselbigen Reime /welche durch und durch abgemessen werden / durch die Langkurtze Reimmaas – ∪: Dieses Reimgeschlecht nun / nemlich die Langkurtze oder Trogaische Reimart / begreifft in sich sechzehen unterschiedliche Arten / welche ordentlich also zuerkennen / daß sie
I. Bestehen künnen in zweysilbigen Verse / also daß jeder Vers / oder jede Zeile / nur durch eine Reimmaas vollendet wird / die Reimung aber ist allezeit Fallend / und heissen derowegen diese Reime.
Zweysilbig-Langkurtze.
als:
NB. Anmerckung.
Diese Zweysilbige Reimart wird schwerlich allein ein völliges Gedicht geben können / dieweil es nicht leichtfallen möchte / einen rechten vollen Sinn und Meinung zierlich dadurch und also kurtz auszudeuten: Wird derowegen diese art vielmehr zur Zwischensetzung gebrauchet / das ist / daß sie unter andere Reime in ein Reimgedicht gesetzet / dennoch aber darin für eine völlige Zeile und Landkurtzes Verslein gehalten werde. als im folgenden
Weihnacht-Liede.
II. Bestehen die Langkurtzen in Dreysilbigen Versen / also das jedes Verslein / oder jede Zeile durch eine Reimmaas abgemessen wird / aber noch eine Silb komt hinzu / und
Dreysilbig-Langkurtze.
– ∪ –
Diese Dreysilbige Reimart kan zuweilen allein ein völliges Gedicht machen / wie auß dem hergesetzten zusehen / oder kan zur zwischensetzung und Vermengung mit anderen angewandt werden / woselbst sie denn auch eine volle Zeil einnehmen / und ein Verslein vollenden muß als im folgenden Trogaischen Liede / woselbst allemahl die eine Reimung durch die Dreysilbig-Langkurtze Zeile gemachet wird.
Im folgenden / dessen anfang auß dem XCV. Gesprächspiele Herrn Harsdörffers anhero gesetzt / ist diese Dreysilbig-Langkurtze art noch etwas anders gesetzt / als.
III. Bestehen die Langkurtzen in Viersilbigen Versen / also das zwo Langkurtze Reimmaassen jedes Verslein abmessen / das ist jedes Verslein hat zwey Glieder oder vier Silben / die Reimung ist aber allezeit Fallend und heissen diese Reime:
Viersilbig-Langkurtze.
– ∪ – ∪
Diese Viersilbige Reimart / kan gleichfals entweder allein zu einem völligem Gedichte wol gebrauchet /oder auch zur Zwischensetzung unterweilen angewant werden. als
In folgender Ode /
Woselbst andere und Sechste Zeil
Viersilbig Langkurtz seyn.
Viersilbig-Langkurtz /
IV. Bestehen die Langkurtzen in fůnffsilbigen Versen / also daß jeder Vers oder Reimzeile zwo Reimmaassen / das ist zwey Glieder / samt noch einer Silben in sich hat / diese überbleibende fůnfte Silbe muß sich allezeit reimen / und ist die Reimung Steigend. Es heissen aber diese Reime
– ∪ – ∪ –
Diese Fůnfsilbige Reimart kan gleichfals entweder ein völliges Geticht wol und allein machen / oder auch kan sie zur zwischensetzung gebrauchet werden als:
Im folgenden / so der anfang ist des 81 Ps. Opitii /ist die 1 / 3 / 4 / 5 / Zeile Fünffsilbig Langkurtz:
Im folgenden / so der anfang ist des 99. Ps. des Opitii / seynd die 1 / 2 / 3 / 4 / 5 / und 6. Zeile Fünffsilbig / die beyden folgenden Verse aber allezeit Sechsilbig-Langkurtz. als:
V. Bestehen die Langkurtzen oder Trogaischen Versen in Sechssilbigen Versen; also daß jeder Vers oder Reimzeile drey Glieder / oder drey Reimmaassen in sich
Sechssilbig-Langkurtze
– ∪ – ∪ – ∪
Diese Sechssilbig-Langkurtze Art / kan gar wol entweder allein ein Reimgedichte vollenden / oder aber auch zu zwischensetzung mit angewant werden /als:
VI. Bestehen die Langkurtzen oder Trogaischen in Sieben Silbigen Versen / also daß jeder Vers oder jede Reimzeile drey Glieder oder Reimmaassen in sich helt / aber eine Silbe zuletzt als die Siebende ůberbleibe / welche sich auch allezeit muß reimen /
SiebenSilbig-Langkurtze
– ∪ – ∪ – ∪ –
als
VII. Bestehen die Langkurtzen oder Trogaischen in Achtsilbigen Versen / also daß jeder Vers oder jede Reimzeile vier Glieder oder vier Reimmassen in sich helt / und sich damit endiget: Die Reimung aber ist hierin allezeit fallend. Und heissen diese Reime
AchtSilbig-Langkurtze.
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪
NB. Anmerckung. II.
Es künnen aber diese Achtsilbig-Langkurtze auch also wol und mit einer sonderlichen neuen Art geordnet und gemachet werden daß alsbald nach dem ersten Gliede der Abschnitt (nemlich auff der dritten Silbe) sich finde / und hergegen nach dem dritten Gliede annoch eine Silbe (nemlich die achte und letzte) ůberig uñ allein bleibe / welche sich dan allezeit reimen muß / die Reimung auch muß Steigend werden. als
VIII. Bestehen die Langkurtzen oder Trogaischen in Neunsilbigen Versen / also daß jeder Vers oder jede Reimzeile vier Glieder oder Reimmaassen in sich helt / zu hinten aber noch eine / als die Neunde Silb an sich nimt / welche Silbe sich muß allezeit reimen /und ist die Reimung Steigend: Und heissen diese Reime
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
als:
Es kůnnen auch diese Neunsilbig-Langkurtze gar wol und schiklich auff eine neue Art also gemacht und geordnet werden / daß die letzte oder Neundte Silbe zum Abschnitte gebrauchet / und an stat der dritten Silbe / alsbald nach dem ersten Gliede gesetzet werde: Die Reimung aber bleibet alsdenn Fallend. als:
IX. Bestehen die Langkurtzen oder Trogaischen in Zehnsilbigen Versen / also daß jeder Vers oder jede Reimzeile entweder ohne abschnitt / sich in einer feinen Folge habe fůnff Glieder oder Reimmaassen / und sich also mit dem letzten Gliede die Reimung Fallend ende / und heissen diese Reime
Zehnsilbig-Langkurtze ohne Abschnitt.
als:
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
als:
Oder aber es werden diese Zehnsilbig-Langkurtze mit dem Abschnitte also geordnet / daß derselbe sich nach dem anderen Gliede an stat der fůnften Silbe finden lasse: Und die ůbrige Silbe sich zu hinten / an stat der zehnden anhengen / und sich allezeit Steigend reimen můsse: Diese Reime heissen
Zehnsilbig-Langkurtze mit dem Abschnitte.
als.
– ∪ – ∪ – | – ∪ – ∪ –
Item:
X. Bestehen die Langkurtzen oder Trogaischen in Eilffsilbigen Versen / also daß jeder Vers oder Reimzeile in sich habe fůnf Glieder oder Reimmaassen /doch daß nach dem anderen Gliede der Abschnitt sich allemahl finde: Die Reimung aber ist allezeit Fallend /und heissen diese Reime:
Eilffsilbig-Langkurtze.
als:
– ∪ – ∪ – | – ∪ – ∪ – ∪
Im folgenden sind allemahl die ersten beyden Zeilen Eilffsilbig-Langkurtz / als:
XI. Bestehen die Langkurtzen oder Trogaischen in Zwölfsilbigen Versen / also daß jeder Vers oder jede Reimzeile in sich habe fůnf Glieder / aber nach dem driten Gliede muß der Abschnit folgen / und die ůbrige Silbe sich zu hinten / an stat der zwölfften anhengen /
Zwölfsilbig-Langkurtze.
als:
– ∪ – ∪ – ∪ – | – ∪ – ∪ –
XII. Bestehen die Langkurtzen oder Trogaischen in Dreyzehnsilbigen Versen / also
Dreyzehnsilbig-Langkurtze.
als:
– ∪ – ∪ – ∪ – | – ∪ – ∪ – ∪
Herr Cæsius.
XIII. Bestehen auch die Langkurtzen oder Trogaischen in Funfzehn- und Vierzehnsilbigen Versen /also erstlich / daß beydes der Steigende und Fallende Vers in sich funfzehn Silben habe: alsdenn ist der Abschnitt nach dem dritten Gliede / oder auff der siebenden Silbe / nemlich in den Fallenden: die Steigenden aber haben keinen Abschnitt / sonderen an dessen stat ein gantzes Glied oder Langkurtze Reimmaas / daß dieselben also unanstössig und eilig dahin lauffen und davõ eilen. Und nennet man diese Reime
Funfzehnsilbig-Langkurtze ohn Abschnitt /
in den Steigenden / als:
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Funfzehnsilbig-Langkurtze mit dem Abschnitte
ist den Fallenden / als
– ∪ – ∪ – ∪ – | – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Es ist aber hie zu mercken / daß auch die Steigenden können den Abschnitt nach dem dritten Gliede /oder auf derselben Silben haben / und alsdan seynd sie von vierzehn Silben / und haben eine Silb geringer / heißen
Vierzehnsilbig-Langkurtz /
– ∪ – ∪ – ∪ – | – ∪ – ∪ – ∪ –
XIV. Bestehen endlich die Langkurtzen oder Trogaischen in Sechs- und Siebenzehn-Silbigen Versen /also daß jeder Vers oder jede Reimzeile můsse in sich halten achte Gliede oder Reimmaaßen / welche ohne Abschnitt auff einander daher folgen / und heißen die Reime
Sechzehnsilbig-Langkurtze / als:
– ∪ – ∪ – ∪ –∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Wann aber ůber solche achte Glieder oder Reimmaaßen annoch eine Silb zuhinten ůber bleibet / alsdan heißen solche Reime
SiebenzehnSilbig-Langkurtze / als:
– ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
Alhie folget nun ferner das andere Teutsche Reimgeschlecht nach vorgesetzten vier Haubtordnungen /nemlich die Kurtzlangen Reime / das ist / dieselbigen Reime / welche durch und durch abgemessen werden durch diese Kurtzlange Reimmaas ∪ –
Dieses Reimgeschlecht begreifft gleichfals / wie die vorhergehenden Langkurtzen / in sich Sechzehn unterschiedliche Arten. Davon nun in diesem Capittel ordentlich zu handelen / und seynd sie also recht und underschiedlich zuerkennen / daß Sie
I. Bestehen kůnnen in Zweysilbigen Versen / also das jedes Verslein / oder jede Reimzeile nur mit einem Gliede oder einer Reimmaas geendet werde /welche Reimung allezeit Steigend ist ist / und heissen diese Reime:
Als:
∪ –
NB. Anmerckung.
Diese Zweysilbige Kurtzlange Reimart / wird schwerlich allein ein völliges Gedicht machen und recht vollenden können / denn es etwas schwer fallen möchte einen vollen Sinn also wolständlich außzudeutẽ: Derowegen diese Art vielmehr nur gebrauchet wird zur zwischensetzung / das ist / daß sie unter andere Reime in ein Reimgedichte gesetzet / dennoch aber darin fůr eine völlige Reimzeile oder Kurtzlanges Verslein gehalten werden / als im folgenden /darin die erste und letzte Reimzeile Zweysilbig Kurtzlang seyn.
II. Bestehen die Kurtzlangen oder Jambischen in Dreysilbigen Versen / also daß jedes Verslein / oder jede Reimzeile in sich habe ein Glied oder eine Reimmaas / samt einer Silbe / so hinten angehenget wird /die Reimung aber ist allezeit Fallend: Und heissen diese Reime
als:
∪ – ∪
NB. Anmerckung.
Diese Dreysilbig-kurtzlange Reimart kan vieleicht zu einem völligem Gedichte allein gebrauchet / und also kurtz angewant werden: Aber gemeiniglich muß sie nur zur Zwischensetzung angenommen / das ist /unter andere Reime gesetzet werden / doch also daß sie daselbst fůr einen völligen Vers gelitten ist / und eine Reimzeile mache / als im folgenden / woselbst die 4 / 5 / und 6. Zeile Dreysilbig-Kurtzlang ist.
III. Bestehen die Kurtzlangen oder Jambischen in Viersilbigen Versen / also daß jedes Verslein oder jede Reimzeile zwey Glieder oder zwo Reimmaassen habe / die Reimung aber ist allezeit Steigend / und heissen diese Reime
Viersilbig-Kurtzlange
als:
∪ – ∪ –
Von mir weg seyn.*
Der kurtze Inhalt ůber alle Psalmen Davids im Herrn Vogelio, hebt sich allemahl mit zweyen Viersibig-Kurtzlangen Verslein an / darauff noch zwey Siebensilbig-Langkurtze folgen / als über den 6. Psalm.
Es kůnnen diese Viersilbig-Kurtzlange Reimen entweder ein Gedicht allein vollenden / oder aber künnen zur zwischensetzung auch gebrauchet werden / alsdenn sie eine volle Reimzeile machen / als im folgenden das 5. und 6. Verslein.
FünfSilbig-Kurtzlange
als:
∪ – ∪ – ∪
Item:
Herr Vogelius.
Herr Tscherning.
NB. Anmerckung.
Es kůnnen auch diese Fünffsilbig-Kurtzlange Reime entweder allein ein gantzes Gedicht vollenden /oder auch zur zwischensetzung / nach allem belieben /gebrauchet werden.
V. Bestehen die Kurtzlangen oder Jambischen in Sechssilbigen Versen / also daß jeder Vers oder jede Reimzeile sich mit dreyen Gliederen oder dreyen Reimmaassen endigen můsse: Die Reimung aber ist allezeit Steigend / und heissen diese Reime
Sechssilbig-Kurtzlange
als:
∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Diese Sechssilbig Kurtzlange Reimart / kan auch gar wol entweder allein ein Reimgedicht vollenden /oder aber auch zur zwischensetzung gebrauchet werden / wie im vorgesetztem Exempel zu sehen; also sind im folgenden die 2. und 3. Zeile allezeit Sechssilbig-Kurtzlang.
VI. Bestehen die Kurtzlangen / oder Jambischen Anacteonticum genus: Aber bey uns Teutschen heissen diese Reime
Siebensilbig Kurtzlange
als:
∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
Item:
VII. Bestehen die Kurtzlangen oder Jambischen in achtsilbigen Versen / also daß sich jeder Vers mit vier Gliederen schliessen muß / die Reimung aber ist allezeit Steigend: Und diese Art ist die allergebräuchlichste /
Achtsilbig-Kurtzlange
als:
∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
Item:
VIII. Bestehen die Kurtzlangen oder Jambischen in Neunsilbigen Versen / also daß jeder Vers in sich habe vier Glieder oder Reimmaassen / zuhinten aber eine Silbe / nemlich die neundte / annoch an sich nehme: Die Reimung ist allezeit Fallend / und heissen diese Reime
Neunsilbig-Kurtzlange.
Als:
∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
IX. Bestehen die Kurtzlangen oder Jambischen in Zehnsilbigen Versen / also daß jeder Vers sich schliesse und vollende mit fůnf Gliederen oder Reimmaassen: Doch muß das andere Glied / das ist die vierdte Silb / zugleich mit einem Abschnitte auffgehen / und daselbst im lesen etwas ingehalten werden: Die Reimung ist alhie allezeit Steigend / und heissen diese Reime bey den Frantzosen und sonsten Vers communs, bey uns nennet man sie
Zehnsilbig-Kurtzlange
als:
∪ – ∪ – | ∪ – ∪ – ∪ –
X. Bestehen die Kurtzlangen oder Jambischen in Eilffsilbigen / also daß jeder Vers in sich habe fůnf Glieder oder Reimmaassen / Es muß aber noch eine Silb / als die eilfte zu hinten angehenget werden / und ist die Reimung fallend: Der Abschnitt aber muß sich gleicher weise / wie die vorgehenden Zehnsilbigen /mit endigung des andern Gliedes finden lassen: Es heissen die Reime
Eilfsilbig-Kurtzlange
als:
∪ – ∪ – | ∪ – ∪ – ∪ – ∪
XI. Bestehen die Kurtzlangen oder Jambischen in Zwölfsilbigen Versen / Also daß jeder Vers sich mit sechs Gliederen muß schliessen und endigen: Zumitten aber / das ist / zu ende des dritten Gliedes muß der Abschnitt sich finden / und daselbst im lesen ein wenig in- oder stil gehalten werden. Die Reimung ist allezeit Steigend / und ist diese art zu reimen / samt der folgenden dieselbe/ welche man Alexandrinisch /nach unser Reimkunst aber Helden-art nennet / und fast ůberal gemein und bräuchlich worden ist. Es heissen diese Reime nach unsrem Teutschen
Zwölfsilbig-Kurtzlange
als:
∪ – ∪ – ∪ – | ∪ – ∪ – ∪ –
XII. Bestehen die Kurtzlangen oder Jambischen in Dreyzehnsilbigen Versen / also daß jeder Vers in sich helt sechs Glieder / zuhinten aber kommet eine Silb /als die dreyzehnde / annoch hinzu: Der Abschnitt muß sich mit dem ende des dritten Gliedes finden. Die Reimung ist allezeit Fallend / Und heissen diese Reime
Dreyzehnsilbig-Kurtzlange.
als:
∪ – ∪ – ∪ – | ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Herr Tscherning.
XIII. Bestehen auch die Jambischen oder Kurtzlangen in Funffzehn- und vierzehnsilbigen Versen / also daß der Abschnitt zu ende des vierdten Gliedes oder in der achten Silbe sich finden müsse: Und kůnnen so Cæsius, und heissen diese Reime derowegen
Funfzehn Silbig-Kurtzlange mit Fallender Endung /als:
∪ – ∪ – ∪ – ∪ – | ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Vierzehn Silbig-Kurtzlange mit Steigender Endung /als:
∪ – ∪ – ∪ – ∪ – | ∪ – ∪ – ∪ –
pedes jambicos, als dan heissen solche Reime
Sechszehnsilbig-Kurtzlange
als:
∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ –
Wann aber über solche acht Iambicos Pedes oder Kurtzlange Reimmaassen annoch eine Silbe zuhinten übrig bleibet / und also die Reimung Fallend wird /alsdan heissen solche Reime
Siebenzehnsilbig-Kurtzlange
als:
∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪ – ∪
Nach dem in vörigen Capittelen von den Langkurtzen und Kurtzlangen Reimarten ist gnugsam gesagt worden / als folget nach unserer gesetzten Hauptordnung ferner das dritte Teutsche Reimgeschlecht / nemlich die Langgekürtzten Reime / das ist / dieselbige Reime welche abgemessen werden durch diese Langgekůrtzte Reimmaas – ∪ ∪: Dieses Reimgeschlecht ist eines von den Lieblichsten in Teutscher Sprache / nicht ohn Ruhm und Nutz endlich hervor gesucht / und richtig /nach eingepflantzeten natürlichen Gründen und Lieb-leichlichem Vermögen Teutscher Haubtsprache / von vornehmen Poeten / doch anfenglich von Herrn Augusto Buchnero, aufgebracht und heraus geschmücket. Dieses Reimgeschlecht der Langgekürtzten oder Dactilischen Reime / hat in sich achte unterschiedliche Arten / davon ordentlich Vermeldung geschehen soll. Und ist derohalben / damit sie unterschiedlich erkant werden / zuwissen / daß diese Langgekürtzten Reime
I. Bestehen in Viersilbigen Versen / also daß ein jeder Vers / oder jede Reimzeile sich
Viersilbig-Langgekürtzte
als:
– ∪ ∪ –
NB. Anmerckung.
Es kůnnen diese Reime entweder allein ein Gedicht endigen und vollenden / oder sie künnen auch zur zwischensetzung schiklich und wol gebrauchet werdẽ / als im folgenden / darin wechselweis diese Viersilbig-Langgekürtzte zufinden / als:
Herr Clajus.
II. Bestehen die Langkurtzen oder Dactilischen in Fůnf Silbigen Versen / also daß jeder Vers oder jede Reimzeile in sich habe zwo Reimmaassen / nemlich zu erst die Langgekůrtzte / und folgends drauff die Langkurtze / welche sich allezeit Fallend reimen muß: Und heissen diese Reime
Fünf Silbig-Langgekůrtzte
als:
– ∪ ∪ – ∪
Schaffr.
NB. Anmerckung.
Diese Langgekürtzte Art / kan gleichfals entweder allein ein Reimgedicht vollenden / oder kan auch wol zur zwischensetzung fein angewent werden als im folgenden / so Herrn Buchneri ist / darinn die 1 / 2 / 4 /und 5. Zeil Langgekürtzt ist.
III. Bestehen die Langgekůrtzeten oder Dactilischen in Siebensilbigen Versen / also daß jeder Vers in sich habe zwo langgekůrtzete Reimmaassen / zu letzt aber noch eine Silbe / als die siebende / an sich nehme / welche sich allezeit Steigend reimen muß. Und heissen diese Reime
Sieben Silbig-Langgekürtzte
als:
– ∪ ∪ – ∪ ∪ –
NB. Anmerckung.
Diese Siebensilbig-Langgekürtzte Reimart kan gleichfals entweder allein ein Reimgedicht vollenden /oder kan zur zwischensetzung wol angewant werden /wie aus folgendem zuersehen / so jedes Verslein mit zweyen Siebensilbig-Langgekürtzten Reimzeilen schleusset.
IV. Bestehen die Langgekůrtzten oder Dactilischen in Achtsilbigen Versen / also daß jeder Vers in sich hat zwo Langgekůrtzte Reimmaassen / samt einer Langkurtzen Reimmaasse / welche denn allezeit ein Fallende Reimung machet / und heissen diese Reime:
Acht Silbig-Langgekürtze
als:
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
NB. Anmerckung.
Diese Achtsilbig-Langgekürtzte Art / kan auch gar fůglich nach des Tichters Beliebung zur zwischensetzung gebrauchet werden; als im folgenden ist die 1. und 2. Reimzeile Achtsilbig Langgekürtzt / die 5. und 6. aber ist Siebensilbig Langekurtz:
V. Bestehen die Langgekůrtzten oder Dactilischen Zehnsilbigen Versen / also daß jeder Vers in sich habe drey Langgekůrtzete Reimmaassen / samt einer Silbe / welche die Zehnde ist / und sich allemahl Steigend reimet. Und heissen diese Reime.
als:
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –
VI. Bestehen die Langgekürtzten oder Dactilischen in EilfSilbigen Versen / also daß jeder Vers in sich habe drey Langgekürtzte Reimmaassen und eine Langkurtze Reimmaas / welche zuhinten stehen / und die Reimung allemahl Fallend machet. Und heissen solche Reime
als:
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
Item:
H. Cæsius.
VII. Bestehen die Langgekůrtzten oder Dactilischen in Dreyzehnsilbigen Versen / also daß jeder Vers in sich habe vier Langgekůrtzte Reimmaassen /samt einer Silben / welche zuhinten stehet / und Steigend sich muß reimen / heissen derhalben solche Reime.
Dreyzehn Silbig-Langgekůrtzte.
als:
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –
VIII. Bestehen die Langgekůtzten oder Dactylischen in Vierzehnsilbigen Versen / also daß jeder Vers in sich halten muß vier Langgekůrtzte Reimmaasse / samt einer Langkurtzen Reimmaasse / welche zu hinten stehen /
Vierzehn Silbig-Langekürtzte
als:
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
Das vierdte und letzte Reimgeschlecht / nach vorerwehnter Haubtordnung / folget nun alhier / nemlich die Gekurtzlangen oder Anapestischen Reime / das ist / dieselbigen Reime / welche abgemessen werden durch diese gekurtztlange Reimmaas ∪ ∪ –: Diese Reime haben grosse Verwandtschaft / ja sind fast gleich mit den Langekůrtzten oder Dactilischen / künnen auch leichtlich die einen in die anderen verändert werden / wenn nemlich zu den Langgekürtzten nur eine Trochæus den anfang machet / darauf denn die Gekurtzlangen oder Anapesten folgen / als wenn man sagt Langgekurtz:
I. Bestehen die Gekurtzlangen oder Anapestischen in Fůnffsilbigen Versen / also daß jeder Vers oder jede Reimzeile vorn eine Doppellange Reimmaas (welche Zweysilbig) und drauf eine Gekurtzlange (welche Dreysilbig) in sich habe: Die Reimung aber ist allezeit Steigend / Und heissen diese Reime
Fůnfsilbig-Gekürtzlange
als:
∪ – ∪ ∪ –
NB. Anmerckung.
Dieses ist auch eines für alles bey jeder Gekurtzlangen Reimart zuerinneren / daß die vorderste Silbe beydes kan lang oder kurtz seyn / das ist / daß die erste oder vorderste Reimmaas in den Anapestischen sey entweder Doppellang / oder Kurtzlang / ein Trochæus oder Iambus: Zwar Doppellang müssen sie gemeiniglich / und laut vorgeschehener erwehnung sein / aber dieselben Wörterlein / so bey uns unfehlbar kurtz / als ge / er / be / ent / ver / zer / künnen auch ohn tadel zur ersten Silbe gebrauchet / und also ein Jambus daselbst beliebt werden / als:
NB. Anmerckung.
Diese Fünfsilbig-Gekurtzlange Reime / kůnnen entweder allein gar wol ein Gedicht vollenden und ausmachen / oder aber zur Zwischensetzung zierlich gebrauchet werden / als:
II. Bestehen die Gekurtzlangen oder Anapestischen in Sechssilbigen Versen / also daß jeder Vers oder Reimzeile vorn die Zweysilbige Reimmaas ∪
– hernach die Gekurtzlange ∪ ∪ – und endlich noch eine Silbe / als die sechste zu hinten habe: Die Reimung ist allezeit Fallend / und heissen diese Reime.
Sechssilbig-Gekurtzlange
als:
∪ – ∪ ∪ – ∪
III. Bestehen die Gekurtzlangen oder Anapestischen in Achtsilbigen Versen / also ∪ – / und darauf noch zwo folgende Gekurtzlange oder Anapesten in sich halten muß: Die Reimung aber ist Steigend / und heissen die Reime
Achtsilbig-Gekurtzlange
als:
∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –
IV. Bestehen die Gekůrtztlangen oder Anapestischen in Neunsilbigen Versen / also daß jeder Vers oder jede Reimzeile in sich habe vorn die Zweysilbige Reimmaas ∪ – / darauf folgen zwo Gekurtzlange oder Anapesten / zuhinten aber muß noch eine Silb /als die Neundte angehenget werden: Die Reimung ist Fallend / Und heissen diese Reime
als:
∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
V. Bestehen die Gekurtzlangen oder Anapestischen in Eilfsilbigen Versen / also daß jeder Vers in sich habe vorn die zwosilbige Reimmaas ∪ – / darauff folgen drey Langgekůrtzte oder Anapesten: Die Reimung ist Steigend / und heissen diese Reime
Eilfsilbig-Gekürtztlange
als:
∪ – ∪ ∪ | – ∪ ∪ | – ∪ ∪ | –
Item:
Herr Clajus.
VI. Bestehen die Gekurtzlangen oder Anapestischen in Zwölfsilbigen Versen / also daß jeder Vers in sich habe vorn die Zwosilbige Reimmaas ∪ – /darauf folgen drey Gekurtzlange oder Anapesten / zu hinten aber ist annoch die Silbe / die zwölfte: Die Reimung ist Fallend und heissen diese Reime
als:
∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
VII. Bestehen die Gekurtzlangen oder Anapestischen in Vierzehnsilbigen Versen / also daß jeder Vers oder jede Reimzeile in sich halte / vorn die Zwosilbige Reimmaas ∪ – worauf dann vier Gekurtzlange oder Anapesten folgen / und heissen diese Reime
Vierzehn Silbig – Gekurtzlange
als:
∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –
∪ – / worauf nacheinander vier Gekurtzlange oder Anapesten folgen / zu hinten aber annoch eine Silbe übrig bleiben muß / welche sich mit fallender Reimung endiget. Und heißen diese Reime
Fünfzehnsilbig-Gekurtzlang / als:
∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
Zumerken ist / das eine Reimart zuweilen gar leicht in die andere zuveränderen sey / als die Jambischen oder Kurtzlange Verse künnen entweder mit vorsetzung oder abwerfung einer eintzigen Silbe zu Trogaischen oder Langkurtzen gemacht werden / zum Exempel:
Ist also in den vorgehenden Capittelen richtige anweisung geschehen von den vier Haubtgeschlechten der Reime / nemlich von den Langkurtzen / Kurtzlangen /Langgekůrtzten und Gekůrtzlangen. Diese vier Haubtreimarten entstehen aus unverenderlichen angebornen Eigenschaften und natürlichen Gründen der Teutschen Wörter / wie auch dero mannicherley Zufälle bey Doppelungen / Ableitungen / Zeitwandelungen. etc. Haben eine rechte eintreffende natürliche Verwantschafft / und bringen
Das demnach außer vorermeldten vier Haubt-Reimarten / annoch unterschiedliche neue Reimartẽ zubefinden seyn / davon sol kurtze nachricht herbey gefüget werden. Es ist dieses eine liebliche Reimart / welche wechselweis / Langgekürtzte und Langkurtze Glieder (Dactylos und Trochæos) in sich helt / also daß allezeit auf eine Langgekůrtzte / eine Langkurtze Reimmaas folgen muß. Weil diese Reimart lustig und gleichsam hüpfweis dahin springet und hinwallet /künte man dieselbe (dann es ja in Teutscher Verskunst nötig / daß jedes seinen sonderbahren eigentlichen Namen habe) nennen die
Abwallende Reimart.
Welche da jmmer läuffig / und mit kurtzem und langem Schritte eines ůms ander abwallend wird / die vorstellung ist diese
Item:
Es ist auch die folgende Reimart vielleicht nicht unangenehm / darin jeder Vers mit einer Langgekurtzten Reimmaas oder Dactylo sich endiget / welche sonsten in den Langgekürtzten Haubt-Reimarten unbräuchlich ist: weil jede Zeil oder Vers mit zweien kurtzen Silben allezeit zu ende laufft / und sich also eilkürtzend zusammen zeucht / kan man sie mit deutlichem Namen heissen
Ein anders auf diese kurtzschliessende Art / so Herr Ristius ůbersandt:
Gleich wie die vorgehende Reimart sich jeder Zeil mit einer Langgekůrtzten Reimmaas oder Dactylo endiget / also hebet in folgender Reimart jeder Vers mit einer Langgekürtzten Reimmaas oder Dactilo sich an / dannenhero man dieselbige wegen der steten eiligen Anhebung nennen kan die
In folgender neuen Reimart müssen in jedem Verse zwo Langkurtze und zwo Kurtzlange ReimmaassenTrochæis oder Langkurtzen / allemahl antworten zwey Iambi oder Kurtzlange Reimmaassen: Weil dan die Trochæi und Iambi von natur einander zu wieder sein / und in jeder Zeile alhie die Gegenstelle halten /künne man nicht unvernemlich Sie nennen
Die gegentretende Reimart.
Es muß aber der Gegenstand in der Ausrede vermercket / und dem Anhöret kennlich werden. Die Vorstellung ist diese.
– ∪ – ∪ ∪ – ∪ –
– ∪ – ∪ ∪ – ∪ –
Das Genus Sapphicum kan gleichfals in Teutscher Sprache gar wol gebrauchet uñ angeno en werdẽ /doch ist es von etzlichen mit schlechtem Glükke versucht worden / Die rechte Vorstellung ist diese:
Diese Sapphische Art möchte etwa in Teutscher Sprache eine Lieblichkeit finden / wan sie mit lebendigen Stimmen / wie auch Opitz erwehnet / und in Musicalische Instrumente gesungen würde: Welches die Sappho / von der diese Verse den Nahmen überkommen / auch also wird verrichtet haben / daß sie gantz verzükket / mit uneingeflochtenen fliegenden Haaren und lieblichem Anblikke der verbuhleten Augen in jhre Zitter oder Laute / mit liebreitzender Anmuhtigkeit / diese Verse wird gesungen haben. Welches / so es mit etwa einer bewegenden Nachfolge im Teutschen sol untersuchet werden / in sonderheit wol wird müssen / so wol im Verse / als in der Music / das dritte Glied / der Dactylus / und das anhangende Adonische Verslein / in acht genommen / und zierlich und leicht-fliessend gesetzet sein.
Das Genus Heroicum der Lateiner kan man gleichfals mit Teutschen Worten vorstellen: wie auch das Genus Elegiacum, davon droben ist etwas angeführet worden; wie auch nit weniger das Genus Algaicum, gestaltsam etzliche exempla davon vorhanden sein / und leichtsam anzuführen weren / es ist aber der Wůrdigkeit nicht / und gar eine Unnoht. Unsere Sprache zwar ist füglich gnug / so wol zu diesen / als allen anderen / aber es dünket mich / daß die jenigen / welche sothane Lateinisirende genera aus angemaster neugierigkeit in Teutsche Worte zwingen / gar gleich sein: entweder denen / welche eine Fürstliche / allerseits mit ansehnlichem wolständlichem Schmukke und Zierde behengete Kleiderkammer vorbey gehen / und einen frömden lappgehässigen Bettlermantel ergreiffen; oder auch denen / welche keine beliebige Ergetzlichkeit in den Lustgarten und Schmaltzgruben des fruchtreichen schönen Egiptenlandes / sonderen vielmehr in dem Steinigten geschrundetem Arabia zusuchen pflegen. Sonsten aber haben wir im Teutschen an stat des generis Heroici die Heldenart; an stat des Elegiaci die wechselart / davon im folgenden Buche mit mehrem. Das Anacreonticum genus ist unsere Fůnfsilbig-Kurtzlange Reimart / Das Adonicum genus aber ist unsere Fůnfsilbig-Langgekůrtzte Reimart / davon in den vorgehenden Capitteln ist gesagt worden. Daß also weder Lateiner noch Grieche einigen Vorzug / sonderen vielmehr das nachtreten haben / in betracht der lieblichen Mannigfaltigkeit und Menge unserer Teutschen Reimarten / zu deßen behüfigem Beweise /
Es ermangelt auch ferner der Teutschẽ Sprache gar nicht / nach gewisser Maaße und zahlbarer Einschliessung gleichfals ferner allerhand vermengete Reimarten in grosser Menge aufzubringen: Doch haben wir eine volle Gnüglichkeit und mannigfaltige /Sich verenderende Fügligkeit / an den vier reinen Haubtreimarten / samt den neuen / bis anhero kürtzlich vorgestelleten. Es wird aber nichtes desto weniger unverbotten sein / die Teutsche Reimmassen annoch anderweit auf wolklingende weise / doch mit verstande / zumengen / und neue mehrere Reimarten zugebrauchen / wie dan derogleichen unterschiedlich vorhanden / als zur anzeige folgende:
Gleich wie aber die Teutschen Haubt Reimarten viel beweglicher / leichter und nach rechter Teutscher Art sein / also müssen jhnen diese und derogleichen neue Reimarten den vortritt nicht benehmen / noch gar zu oft oder überal hervorgesuchet werden: Es ist keine sonderliche Kunst / solche neue Arten zuordnen und etwas darin herzumachen / ob aber ein gleichwehrendes Lob daher zu erwarten / stehet zugefahr und Erfahrung desselben / der sich also dessen erkühnet.
Ein Reimschluß ist eine solche Schließung / oder begreifft solche schliessende Reime / welche gewißmässiglich etzliche Reimzeile / entweder wenig oder viel / Lang oder Kurtz in sich halten:
Hieraus nun entstehet die andere Haubtabtheilung der Reimarten / nemlich nach Ordnung der Reimschlüssen / und einrichtung der Reimzeilen / davon folgendes ordentlicher Bericht geschehen sol.
Wan jeder Reimschluß in vier Zeilen und zweien Reimen bestehet / davon der eine Reim Steigend / der andere aber Fallend ist / die Verse aber zwölf- und dreizehnsilbig Kurtzlang sein / alsdann nennen wir sie
Die Heldenart.
also:
Diese Verse werden sonst Alexandrinischen genennet / entweder von jhrem Erfinder / der ein Italiener sol gewesen sein / oder aber / weil des grossen Alexanders Thaten in solche Reimart sollen beschrieben sein. In Teutscher Verskunst werden diese Reime billig genant die Heldenart / weil sie bey uns an stat der Griechen und Römer Heroischen gebrauchet werden. Sonsten heisset man diese Art in gemein die Langen Verse / seind überall bräuchlich / erfoderen aber /wenn sie in jhre rechttapfere Zier sollen eingekleidet werden / den rechten Meister und Poeten. In der Anhaltischen Anleitung wird diese Heldenart also beschrieben
Es kan diese Heldenart entweder mit einer Fallenden /oder mit einer Steigenden Reimung angefangen werden: am bräuchlichsten aber ist es / daß die vorderste Reimung Fallend sey. Die Reimschlüssel künnen nach belieben des Tichters wiederholet /
Heldenart / sich anfahend mit Fallender Reimung:
Herr Tscherning.
Heldenart sich anfahend mit Steigender Reimung.
Wann der Reimschluß also wird geordnet / daß allezeit aufeinander / Zeilweis / die Fallenden und Steigenden Reime abgewechselt / oder ein üm den andren gesetzet
Wechsel Art also gesetzt:
Oder auch wol kürtzer / nach gemeiner art / (dan in den übrigen noch kürtzeren Versen verleurt die Wechselart jhrer Nahmen) also:
Es scheinet daß diese Wechselart vornemlich in traurigen / irrenden und verwirreten Sachen zugebrauchen sey / weil sich der Reim darin fast lang zurük zeugt /gleichsam sich verleurt / und das Gedicht ümbschweiffend und irrend machet: Denn man drey gantze lange Reimzeile herlesen muß / ehe man einen
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
Um Salomons Bette stehn sechzig gerüstet
Von allen den stärksten aus seinem Geschlecht /
Mit Rüstung versehen wie einem gelüstet /
Ein jeder führt Lantzē uñ Schwerter mit recht etc.
Herr Cæsius.
Es kan die Reimung / in dieser Wechselart / nach belieben Fallend oder Steigend gewechselt / oder auch wol jene / oder diese allein sein / davon allemahl Exempel herzuführen / wie auch bey anderen derogleichen / nicht nöhtig gewesen / weil jeder nach gethaner Anweisung ihm dieselbe erwehlen und formen kan: Unser Werklein würde auch dadurch gar zu weitläuftig und lang werden.
Wan jeder Reimschluß in vier Zeilen oder zweien Reimen bestehet / davon der eine Reim Fallend / der andere Steigend ist / die Verse aber Eilf- und Zehnsilbig seind / alsdan heissen sie Vers communus, in unser Teutschen Reimkunst die
Gemeine Art also geordnet:
Diese Reimart muß den Abschnitt zu ende des anderen Gliedes haben / davon droben gesagt worden: Die Anhaltische Einleitung beschreibt sie also:
Es kan auch entweder die Fallende oder Steigende
Es künnen auch diese Reime von gemeiner Art also geordnet werden / daß sie jhren Abschnitt nicht zu ende des anderen / sonderen des dritten Gliedes haben / also:
Es entstehet das Klinggedicht (oder die Klingreime /So ein Klinggedicht oder Sonnet vorstellen) aus sonderlicher Verschrenkung und gegenklingender Reimung der Reimschlüssen: Nemlich ein Klinggedicht /oder vielmehr Klingreime oder Sonnet heisset man /wan vierzehn Verse oder Reim zeilen also zusammen gesetzet werden / daß der erste / vierdte / fünfte und achte Vers eine Reim-endung haben; hergegen auch der ander / dritte / sechste / und Siebende Vers gleichfals mit einer Reimendung ausgehen. Es gilt aber gleich / und stehet zu des Dichters Beliebung / ob sich das Sonnet oder die Klingreime von Steigender oder Fallender Endung anheben. In den übrigen sechs Versen aber ist der Poet frey / und mag dieselben schrenken / setzen und miteinander reimen / wie er wil / und es jhm belieblich ist. Züm bräuchlichsten aber ist es / daß der Neundte und Zehnde Vers einen Reim machen / der 11. und 14. auch einen / und dan der 12. und 13. wider einen / und also wird das Sonnet richtig vollendet. In der Anhaltischen Einleitung zur Reimkunst wird das Sonnet also beschrieben:
Die Kling Reime künnen gleichfals / nach belieben des Poeten / entweder Langkurtz oder Kurtzlang; Langgekurtz oder Gekurtzlang / auch entweder rein oder unter sich vermenget sein: Imgleichen kan die Heldenart oder die gemeine Art dazu genommen werden / wie die Exempla überall befindlich sein. Wir wollen zur anzeige nur zwey anhero setzen: Folget derohalben
Kling Reime oder Sonnet
Von Kurtzlangen Versen nach der Heldenart.
Anderes Sonnet oder Klingreime /
von Langgekürtzten und Gekurtzlangen unter sich vermengeten Versen.
Wan ein Reimschluß also wird eingerichtet / daß er sich mit vier Versen oder Quadrains, vier versichte / oder vielmehr Vierzeilige Reime: Darin man nach belieben die Heldenart / oder die gemeine Art / wie auch die Kurtzlange oder Langkurtze Reimart zugebrauchen hat: Die Reimung gleichfals kan nach gefälligkeit zu erst / oder zumitten Fallend oder Steigend sein. Der Teutsche Tugenspiegel Herrn Freinsheims ist von solcher Viezeiligen Reimart durch und durch beschrieben. Folgen zur anzeige.
Vierzeilige Reime
Von Heldenart / mit Fallender Reimung.
Wird aber der Reimschluß also eingerichtet und geordnet / daß er sich mit sechs Versen oder Reimzeilen endige; Der erste und vierdte Vers sich reime / wie auch der andere und dritte / die letzten beiden aber als der fünfte und sechste Vers machen jhre eigene Reimung / alsdan nennet man Reime Sixains; Sechszeilige oder Sechsversichte: Sind überal mit den vorgehenden Vierzeiligen gleich / nur daß noch zwey Verse / als der fünfte und sechste hinzu kommen. Die Reimart / wie auch die anhebende Reimung ist alhie nach belieben zuerwehlen. Folget zur anzeige
Sechzeilige Reime
Von gemeiner Art:
Wan der Reimschluß aber also wird eingerichtet und geordnet / daß er sich mit acht Versen oder Reimzeilen endege: Die Reime aber also gesetzet werden /daß sich der erste / dritte und fünfte Vers reime / wie auch gleichfals der andere vierdte und sechste: Die übrigen zwey aber / als der siebende und achte Vers künnen sich / nach belieben / Steigend oder Fallend reimen / alsdan nennet man sie Achtzeilige oder Achtversichte / Huictains. Folgen zur anzeige
Achtzeilige Reime
Es ist dieses keine unanmuhtige Reimart / so man nennet Wiederkehr / in welcher die Verse durch und durch von einerlei Reimwörteren sein / also daß das gantze Gedichte sich muß reimen / oder nur eine Reimung ist. Es folgen aber die Reimwörter / so viel man derer haben und gebrauchen will / auf einander; Von dem letzten Reimworte aber kehret das Gedichte widder zurükke / wiederholet ordentlich und Staffel- und Zeilweis die ersten Reimwörter / also daß eben so viel Reimzeilen in dem Rüklauffe oder Wiederkehre des Gedichtes / und zwar nach ördentlicher Anzahl seyn můssen / als gewesen in dem ersten Ablauffe der Reimwörter. Die Wiederkehrung hebet sich derhalben allezeit zumitten des Gedichtes an / und hat gleiche anzahl Verse / so wol obenwerts als untenwerts zu rechnen. Die Wiederkehre auch künnen lang oder kurtz gemachet / und eine beliebige anzahl der Reimwörter darzu erwehlet werden: Doch müssen der reimenden Wörter zum wenigsten drey / und also von sechs Versen das Wiederkehr werden. Die Reimarten künnen hierzu nach beliebter Freiheit des Poeten gebrauchet werden.
Dieses aber ist sönderlich in acht zunehmen / daß die erste Meinung / erster Vorschlag / oder was man sonst als eine Frage / Erzehlung / etc. vorzubringen hat / nicht weiter gehe / biß auf die Wiederkehrung /das ist bis zu mitten des Gedichtes / so lange nemlich die ausgelesenen Reimwörter aufeinander folgen: So bald aber die Reimwörter wiederkehren und rükweis gleichsam wieder hinauf steigen / alsdan muß auch die Beantwortung und Gegenrede sich anfahen / und mit eben den Reimwörteren gleichsam gegensetzlich antworten; in der letzten Reimzeile aber einen sonderlichen Spruch oder nachtrükliche Meinung haben /folget zur anzeige ein
Wiederkehr von vier Reimwörteren
Widerkehr
Anderes
Wiederkehr auf eines guten Freundes
Hochzeit:
Künstlich aber scheinet es / wan aus einem Letterwechsel des Wiederkehr kan genommen oder sonst ein Kunst Stukke dabey gebrauchet werden. Zur anzeige wollen wir anhero setzen ein Wiederkehr / so auf den 10. Aprilis, als auf den hochfeierlichen Geburtstag des Durchl. Hochgeb. Fůrsten und Herrn /Herrn Augusti Hertzogen zu Braunschw. und Lüneb. etc. S.F. Gn. ist überreichet worden / da dan aus diesen Worten:
Der Zehnder Tag des jetzigen Monates Aprilis
per anagramma oder Letterwechsel komt ein voller Vers:
Widerkehr
Der Widertritt ist ein kurtzes Widerkehr / wan nemlich nur zwei Reimwörter Gegentritt halten und alsbald wiederkehren: Wan aber mehr / als zwey Reimwörter / gebrauchet werden / ist schon der Tritt aus /und wird ein gang / und also ein Widerkehr daraus. Folget zur anzeige ein
Anderer Wiedertritt.
Ein dreygeschrenkter Reim gehöret fast zur Wechselart / davon zuvor gesagt / nur daß die Reimung verdreifaltiget / und also dreymahl Wechselweis ümsetzet und verschrenket wird. Folgen zur anzeige
Dreigeschrenkte Reime
genant
Trotz durch Gedult.
Andere
Dreigeschrenkte Reime.
Ein endschallender Reim ist / wan derselbe entweder zu ende des Verses / oder jedes
Endschallende Reime.
Folgende endschallende Reime haben nur einmahl in jeden Verse den Endschall / welche Herr Harsdörfer /dem Lope de Vega nachahmend nicht unglüklich also gesetzet:
Ein rechtes Echo oder reiner Wiederhall ist / welcher also gegenschallend und wiederhallend antworten muß / daß keine Enderung der Letteren / vielweniger des Gethönes vermerket werde. Dan der Wiederhall oder Echo / als die natürliche Gegenprallung und das ebenlautende zurükschallen der Stimme / welche in den Gehöltzen / Bergen / Gründen / auch in ebenen örteren zuweilen angehöret wird / von der man sagt
H. Harsd.
Dieselbe ist nicht anders / als das letzte Wiedergethön der Stimme oder Wörter / und an sich von den Reimen gantz unterschieden: Derhalben ist es kein Echo wan man setzet: Ohren-hören. Muh-Kuh. etc. sonderen blosse Reime. Und ist demnach ein anders ein Reines Echo / und ein anders ein Reimendes Echo. Ein reines Echo ist / woselbst der gantz unveränderte Wiederhallantwortet / welches auch võ rechter natürlicher Anmuht und Lieblichkeit ist: Ein reimendes Echo ist / wan der Wiederschall vielmehr reimend als gleichthönend / und von den Reimen wenig oder gar nicht unterschieden ist. Folget zur anzeige ein
Reines Echo oder Wiederhall.
Zumerken ist / daß diese Wörter Narren-harren. Blüte-wüte. Paaren-haaren. Sinn-hin / und derogleichen gar wol in einem reinen Echo gelten und stehen können: Dan der Laut / Thon / Hall und Schall / wird vernemlich nicht geendert durch vorsetzung das H. oder W. Sonderen weil das Echo ein Wiedergeruff und Gegengethön ist / scheinet wegen des Nachklanges und Nachpralles / solche fliessende hauchung mit durchlauffen möchte. Mehrere exempla sind hin und wieder zufinden.
Die Ringel Reime seind / welche gleichen anfgang und gleichen ausgang haben / also daß sich der Reimschluß mit eben den Worten / mit welchen er sich anhebet / schließen muß: Und gleich wie in einem Umgange eines runden Kreisses oder Ringes / man eben zu dem anfange wiederkommet / also auch wandert das Reimgedichtlein / bis es zu ende gleichsam hinwieder seinen antrift. Folget zur anzeige
Es ist auch eine sonderlich Art der Ringel Reime /welche / in dreyzehn Versen bestehend / nur mit zweien Reimungen herumb lauft / widerholet aber jhren anfang eins zumitten / und eins zu ende / also den Reimring oder Kreis wieder zuschliessend. Zur anzeige
Es ist auch dieses noch eine neue Art Ringelreime /die sich also ringsüm schliessen müssen / daß die beiden ersten Verse in jedem Reimschlusse sich zu ende wiederfinden / und also das Gedicht einringen und bezirken. Zur anzeige folgen
Umgehende Ringelreime
Man kan die Ringelreime auch also ordnen / daß nicht eben die gantzen Zeilen / sondren nur die Reimung zu anfang und zu ende wiederhohlet werde / zur anzeige
In der Pegnitzischen Schäferey p. 37. sind die ümgehenden Ringel Reime noch auf eine andere Art geordnet / also daß ein Reimschluß den anderen mit gleicher Reimung antworten / und die Verse wie in einem tantze herum geführet werden / derohalben es auch daselbst Strefon nennet ein
Bilder Reime nennet man welche eine Gestalt oder abbildung eines dinges / als eines Eies / Seulen /Creutzes / Bechers / Hertzens / Flügels und derogleichen Formen und vorstellen / und also geordnet und eingeschlossen sein / daß die Reimarten nach erforderter Form des abzubildenden dinges gebrauchet /und unter sich nach gebührender Stelle vermenget werden. Folgen zur anzeige
Bilder Reime
Die Trittreime seynd / welche also eingerichtet und gefüget werden / daß die Meinung darin muß wechselweis ümtreten / oder darin trittweis die eine Meinung auf die andere also folgen / damit die folgende Meinung / oder die Wörter in dem Nachtritte ordentlich den Wörteren in dem Vortritte antworten / ünd also eine völlige Meinung zusammen gebracht werde. Es können diese Trittreime also gemacht werden / daß Sie etweder in zweien / oder in dreien / oder entlich auch in vier Abtritten bestehen; Weiter aber kan man nicht wol in solchen Reimen hinnaus treten / noch die trittweis zusammenhengende Meinung lenger hinaus bauen. Folgen zur anzeige
Trittreime.
Von zweien Tritten / der erste wird mit A / der ander mit B / gezeichnet.
Die doppelgängigen Reime seind / wan der Reim in jeder Strophe doppelgehet; die Strophe aber muß in sechs Versen oder Zeilen bestehen / also daß in der ersten / andern / vierdten und fünften Zeile /
Doppelgängige Reime.
Es stehet auch frei in diesen Doppelgängigen Reimen / die 3. und 6. Zeil jeder Strophen allein zu reimen /und auf die 3. und 6. in folgender Strophe nicht zu sehen / und also nun den rechten Doppel Reim (dahero sie auch den Nahmen haben) zubeobachten. Folget zur anzeige / an seinen hochwerthen und hochgeliebten Herrn Harsdörfern haltende solche
Je kürtzer Reimarten man zu diesen Versen erwehlet / je mehr Lieblichkeit sie haben möchten / weil sie alsdan die Vernehmung des Doppelganges deutlicher machen.
Es ist eine sonderliche / gantz bräuchliche Art der Lieder / welche jeden Reimschluß gleichschliessend enden / das ist / welche zu ausgang eines jeden Reimschlusses mit einem gleichen / allezeit wiederholetem Reime sich schliessen und endigen / daher man solche Gedichte nennet gleichschliessende Lieder: Die Reime aber / welche sich allemahl zu ende jedes Reimschlusses wieder finden / nennet man Endreime oder Absang. Es ist aber zuwissen daß die Endreime künnen /nach Beliebung / von jeder Reimart gemachet werden / und dürfen nicht eben mit den Versen im Haubtliede überein kommen: zu dem künnen die End Reime entweder Zweyversicht / Dreyversicht oder Vierversicht sein: Wiewol sie gemeiniglich nur Zweyversicht oder Zweizeilig seynd. Die Exempla sind beym Opitz /Harsdörffern / Risten / Vogelio und Cæsio zu finden /alles auszuschreiben fellet uns zu lang. Folget zur anzeige ein
Alhie ist die Endreimung Dunkelheit / Ewigkeit /dabey zuerinneren / daß es frey stehe / entweder gantze unverenderte Reimzeilen / oder nur die Endreimung zubehalten: Opitz hat in dem Liede / Wol dem der weit von hohen Dingen: Wie auch in den Zehnde von den Pierinnen etc. gantze zeilen unverendert zu Endreimen gebrauchet: Hiebey aber hat ein jeder nach beliebter Erfindung zuerfahren.
Eben wie die vorgehenden gleichschliessenden Lieder jeden Reimschluß mit gleicher Endreimung schliessen / also müssen hergegen die gleichsetzenden Lieder jeden Reimschluß mit einer gleichen Reimung / oder gleichen Reimzeilen anfahen: Werden genennet gleichsetzende / weil sie den Ansatz oder Anfang in jedem Reimschlusse gleich setzen und ordnen / wie zu sehen aus folgendem / woselbst Bauen-schauen in allen Strophen den Ansatz oder Anfang machen.
Gleichsetzendes Lied.
Ein Wechsellied ist / worin die gantzen Reimschlüsse wechselweis / oder eins üms ander gleichschliessend oder von gleicher Reimung seynd; Welches dan nicht unthůnlich / und nach erfoderung und art des dinges /so zu beschreiben und mit Reimen anzudeuten / nicht übelständlich noch unlieblich sein möchte. Folget zur Anzeige ein
Wechsellied.
Einen Vornlauff nennet man dieselbige Reime / in welchen die vordersten Letteren / wan sie zusammen gelesen werden / ein sonderlich Wort / oder Nahmen /oder Meinung machen / darauf das Gedicht / oder dessen Inhalt muß gerichtet und damit verwant sein. Es geschiehet aber der Vornlauf auf zweyerley weise; Erstlich / wan entweder nach Ordnung der Verse / der erste Buchstab einer jeden Zeil / von oben bis unten /wird zusammen gesetzet und gelesen; oder aber wan nur der vorderste Buchstab jedes Reimschlusses oder Strophen wird zusammen gelesen: Zum anderen geschiehet der Vornlauff / wan die anfänglichen Buchstaben aller Worter / so in dem Verse auf einander folgen / künnen zusammen gesetzet und gelesen werden. Es kan auch ein Vornlauff entweder oben- oder unterwerts / nach des Dichters Beliebung / sich anfangen. Folget zur anzeige
Anderes Vornlauff
Vornlauff
(† Das ist / die vordersten Letteren von diesen Thiernahmen. Es künnen die Vornläuffe nach belieben gelenget / verkürtzet / von oben / von unten / von vorn
Ein Vorn Reim ist / wan der Reim seine natürliche Hinterstelle verlesset / und sich allein zuvorn des Verses in jedem ersten Worte findet: Möchte aber keine sönderliche Lieblichkeit haben / weil der sonst unverenderliche natürliche Reimstand verlassen wird. Folget zur anzeige.
Zwischen Reime
Zwischen Reime
Ein Reim Reim ist / wan die Reinwörter wegen gar zu gleicher Reinwörter sich nicht reimen / sonderen werden lauter Reimlautungen ohne Reimung: In welchẽ als dan etwas künstliches sein möchte / wan das eine gleiche Reimwort ein æquivocum, oder gleichbenahmtes ist und sich zur Reimung fügen kan. Zur anzeige folgen
Ein Irr Reim oder Irr Gedicht ist / worin die Reimung jrrig lauffet / oder also herüm jrret / daß sie sich kaum ein- oder gar keinmahl antreffen und finden / wiewol doch die gehörige Anzahl der Reimwörter darin befindlich / aber verjrret und verreimet ist. Folge zur anzeige
Irrgedicht oder Irr Reime
Ein Wandel Reim ist / wan eintzele Reimzeilen ohne Reimung jmmer hinwandelen / derer Anzahl man nach beliebung erwehlen kan / welche aber von dem letzten Reimworte wieder anfangen / und die Reimung also ördentlich wieder hinauf wandelen kan. Ist mit dem Wiederkehre und Gegentritte eintreffend /doch hat der Wandel Reim viele unterschiedene Reimungen. Folget zur anzeige ein Wandelgedicht oder
Die Schiller Reime seind / wan allemahl in jedem Reimschlusse eine Reimziel oder Vers übrig ist / welcher sich mit keinem anderen reimet und also gleichsam allein ausstehet / keinen Reimgesellen antreffen kan / verlassen wird / die Wache versehen und also allein schilleren muß. In den Meister gesängen werden diese Reime auch also genandt / nemlich Schillerende oder Waisenwörter / welche ohne gehülfe Reimlos gelassen werden. Beim Virgilio ist es auch zubefinden / daß er etliche Verse unvollendet gelassen hat. Folgen zur anzeige
Schiller Reime:
Schiller Reime
Die hinkenden Reime seind / in welchen ein Theil oder Stück des Pedis, oder der Reimmaas / mangelt und ausgelassen wird / also daß / wan einer solche Reime herlißt und ausspricht / er an dem Orte / wo der Vers wegen des zerstummelten pedis hinket /einen Bruch und Stu elung anstossend entfindet /Cæsio, darin der 2/4 und 9. Vers einen Bruch leidet und hinkend sind.
Hinkende Reime.
Ein Letterwechsel oder anagramma ist / wan die Letteren in einem / oder mehr Wörteren ümgesetzet und verwechselt werden / also daß da heraus ein gantz anderes Wort / oder gantz andere meinung entstehen müsse. Von sonderlicher Kunst ist / wan der Letterwechsel einen gantzen Vers oder Reim vorbilden kan. Es můssen aber nicht leichtlich etzliche Buchstaben ausgelassen / oder hinzu gesetzet / oder verändert werden / doch wan die Meinung nachdenklich und anmuhtig wird / kan man auch alhier / einer kleiner übersehung wegen / ohn fehler verfahren. Die Letter H / weil dieselbe nur ein hauch / kan ohn tadel ausgelassen / wie auch das W in uu / oder zwey uu in w /wie auch kein c / und c in k zuweilen verändert werden. Die Verdoppelung der mitlautenden / tt / ll / mm / nn / ff etc. ob sie wol auß ursache / auf den Nothfall mit gultig ist / muß dennoch / so viel möglich / vermitten werden. Unsere Teutsche Wörter lassen auch in diesem Stükke keine anderen Sprache den Ruhm oder Vortheil / ungeachtet was etzliche davon (welche unsere fast urergründliche Sprache nach ihrer armseeligen Kundigkeit abmessen) anzüglich erwehnen wollen. Zur anzeige wollen wir etzliche Exempla herbey fůgen / die Erklärung Lobreime aber seind wegen der Vielheit und Länge übergangen / werden aber jhre bequemere Stelle wol antreffen.
Wan ein Letterwechsel mit angehengten Versen erkläret wird / alsdan muß er Buchstablich in die Reime mit gebracht und eingeschlossen sein / damit desto andeutlicher und ausführlicher die Meinung und Inhalt vernommen werde: Wie etwa zur anzeige im folgenden Letterwechsel und beygesetzten Reimen zusehen:
Sophie Elisabet Hertzogin zu Braunschweig und Lůneburch.
Durch Letterwechsel
Gantz voller Schöne / wie ein hůbpsch reiches Abbilt zur Tugend.
Die Sechstine nennet man / wan die Verse nach jhren Reimmaassen vnd Abschnitten zwar völlig und untadelhaft gemacht / aber gans ungereimet gesetzet / und zwar also geordnet sein / daß der erste Reimschluß in sechs Zeilẽ oder Versen bestehe / welche sich aber nicht reimen / sonderen das letzte Wort in dem letzten Verse / muß in dem folgenden Reimschlusse das erste bleiben / und das letzte Wort der ersten Versen in dem ersten Reimschlusse / muß in des anderen Reimschlusses anderem Verse das letzte werden / und also ordentlich immerfort: Dan allemahl muß das letzte Wort in jedem Reimschlusse / in dem ersten Verse des Cæsius. Wir setzen zur anzeige eine
Glükwünschend-Sechstine
So auf den hochfeyerlichen Geburts Tag
Des Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten und Herrn / Herrn Augusti / Heertzogen zu Braunschweig und Lůneburg etc. als S.F. Gn. denselben mit guter gewünschter Leibes-Gesundheit eben zum 66. mahle hinter sich gelegt / zum ersten mahle aber in dero Haubt Festung Wolfenbüttel denselben in gnaden begehen lassen / S.F. Gn. unterthenig überreichet worden. Dabey aber zu wissen daß aus dem Namen
Fůrst Augustus Heertzog zu Braunschweig unnd Lüneburgk. etce.
Durch Letterwechsel sich finde
Gewünscht Glük wird Er nach Verzug groß bawen /fest besitzen.
(Auß diesem Letterwechsel sind die Sechsstinischen Wörter genommen / nemlich Verzug / Glůk /bawen / besitzen / fest / gewůnscht / wie zu sehen) in folgender
Die Pindarische Ode nennet man / wan der ersten Strophen / oder dem ersten Reimschlusse (welchen man ordnen / längen und kürtzen kan nach belieben) folgen muß eine andere gantz gleiche Strofe oder Reimschluß: Die dritte Strofe / oder der dritte Reimschluß aber ist den beiden ersten / weder nach den Versen / noch Reimungen gleich / sonderen bleibet frey / und nach des Dichters gefallen einzurichten: Diese drey Reimschlüsse heissen sonst Strophe, antistrophe und Epodos, bey uns / Satz / Gegensatz und Nachklang. Es künnen aber diese Strofen ein / zwey oder mehrmahl wiederholet werden / müssen alsdan aber die wiederholeten mit den ersten / an Zeilen und Reimarten gleich werden. Etzliche exempla sind hiervon bey Teutschen Poeten zu finden / wir wollen zur anzeige anhero setzen eine
Welche Heertzogen Augusto etc. als S.F. Gn. dero Haubt Festung bezogen / ist überreichet worden.
Die Klappreime sind / wan sich der Anfang des Verses mit dem ende reimet / und hinwieder das ende mit dem anfange des folgenden Verses / daß also gleichsam die Wörter auf einander klappen / wan sie hergelesen oder angehöret werden Folget zur Anzeige ein
Anhangende Reime werden genant auch in den Meistergesängen / wan der folgende Vers eben mit der letzten Silbe oder letzen Worte des vorgehenden Reimes sich anfahet. Zur Anzeige folgen
Ein Reimwetzler / oder Reimschleiffer ist / wan die aufeinander folgende Reimwörter nicht allerdings Reimrichtig / oder zur rechten Reimung stimmig sein / sonderen wanderen mit einem zustimmenden Reimlaute jmmer hin / und zwar so lange / bis ein guter reiner Reim daraus gewetzet und geschlieffen wird / welcher sich zu ende finden muß. Nach gelegenheit der Materi kan dieses Reimgedicht nicht unfüglich gebrauchet werden. Folget zur anzeige ein
Einen Schlagreim nennet man denselben / welcher in einem eintzelen Worte bestehen kan / wan nemlich die gantze Reimzeil durch ein Wort vollendet wird /Zur anzeige folget ein
Schlagreim.
Ein Kunstfůndiges Reimgedichtlein ist / welches kurtz / sonderliches nachtrukes und Deines bewegenden ausgangs ist: Bestehet gemeiniglich Epigrammata, im Kunstfundige / weil allezeit zu ende eines solchen Reimgedichtleins sich ein Kunstgriflein / oder sonderlicher künstlicher Nachdruck muß finden / dadurch den gleichsam des Lesers Lust und genehmhabung angetroffen / erregt und gefunden wird. Es künnen diese Reime von allerhand arten nach belieben gemachet werden / erforderen aber jhren Meister. Folget zur geringen anzeige.
Kunstfůndiger Reim.
Item:
Die Stachelreime oder Spottverse sind / etc. eines / oder vieler / wird angezüpft / anzüglich abgebildet und mit sonderlichẽ Schimpfe also wird vorgestellet / daß im letzten Verse der letzte Stachel sich můsse gemeiniglich finden lassen: Ihre rechte art bestehet in einer spitzfündigen Kürtze / haben mit den Kunstfündigẽ zwar nahe verwantschaft / nur daß sie mehr Spott- und Stachelweis / und Schimpfspitziger gemachet sein. Folgen zur anzeige
Stachelreime oder Spottverse.
Item: Fůnfzehnsilbig Langkurtze.
Ein Rätzelreim ist ein Reimgedichtlein / darin eine dunkele Frage zuerrahten oder zuersinnen wird vorgestellet / und kan nach belieben auf allerhand art gesetzet und angebracht werden.
Ein Wortgrifflein ist auch zwar an sich ein Rätzelreim / gehet aber und deutet nur dahin / daß aus einem Worte / wan selbiges entweder wird rükweis gelesen /oder vorn / oder zumitten / oder zu ende verkürtzt /oder vermehrt / oder verschrenkt / gantz unterschiedliche Andeutungen und Meinungen entstehen und sich finden laßen können / welches aber doch mit anderen ümschreibenden Wörteren angezeiget und bedeutet wird. Also daß der Unterscheid eines Rätzel Reimes und Wörtgriffleins eigentlich darin bestehet / daß des Rätzelreimes dunkele Andeutung auf einen Sinn und volle Meinung; des Wortgriffleins Andeutung aber /auf ein Wort oder eine oder mehr Silben oder Letteren gerichtet sey: Folget zur anzeige
Rätzel Reim.
Die Fragreime sind / darin man fraget / und alsbald drauf antwortet / entweder in einer Zeile / oder in einer oder mehr folgenden. Je öfter und deutlicher man aber die Frage kan anbringen und nachdenklich beantworten / je besser es in dieser Reimart lauten möchte. Folget zur anzeige
Fragreim.
Frag Reim
Frag Reim
Ein Zahl Reim ist / darin eine gewisse Jahrzahl eingeschlossen und verfasset ist. Kan solche Zahl auff dreyerley weise aus Teutschen Wörtern fůglich gebracht werden; entweder daß man der Lateiner M / D / C / L / X / V / I / nach bekanter Zahl-deutung gelten lasse: Oder die Teutsche art gebrauche / daß nemlich A / E / I / O / U / W / S / gelten müsse 10. 1. 5. 100. 1000. 500. 50. davon etwas in der Sprachkunst p. 205. erwehnt wordẽ: Oder aber / dz nach art der Hebreer / in dem Teutschen jeder mitlautender Buchstab seine Ziefer andeute / davon Herr Harsdörfer in dem CXLVII. Gesprächspiele mit mehrem zuvernehmen ist.
Die Gespräch Reime seind / darin zwo / drey / vier oder mehr Personen / als welche Unterredung pflegen und sich nach beliebiger Erfindung besprechen /denen denn eine kurtze oder lange Rede / ein halber oder gantzer Reim / eine gantze oder getheilte Reimzeil / ein oder mehr Wörter / wie es sich fügen wil / zugeeignet werden. Es felt dieses Ortes zulang /alles mit Exempelen vorzustellen / es können dieselbe zum theil ersehen werden in den Hercinia / Arcadia /Gesprächspielen / Pegnitzischen Schäferey und anderen.
Die Oden / sind die Lieder/ Gesänge oder Gedichte /derer Anstellung / Ordnung / Einrichtung / und Verschrenkung schlechter dinges frey und nach beliebung zuerwehlen ist. Dan es künnen die Reimschlüsse in 4 / 5 / 6 / 7 / 8 / 9 / 10 und mehr Zeilen bestehen künnen auch dieselbe unter sich gemenget / die Kurtzlangen / Langkurtzen / Langgekürtzten und gekürtzlangen nach gefälligkeit erwehlet / verkürtzet /ůmgeordnet / bald allein und rein / bald verpaaret und vermenget eingerichtet werden / doch gleichwol daß man den neugierigen Mißbrauche nicht zuviel gleube / und eigenem Vermögen getraue / sonderen / vielmehr beyden gebräuchlichsten / reimen und von guten Poeten angenommen arten lieber verbleibe; denn nicht die erwehlte Reimart / sonderen die Kunst in denselben zeigt den Meister. Sonsten aber kan die Zahl der geordneten Teutschen Oden auch fast unzahlbar über etzliche Tausend seyn / in betracht der so vielfaltigen unterschiedenen / so wol kurtzen als langen Reimarten / (davon im anderen Buche gesagt worden) damit man nach gefälliger Freiheit anheben / mittelen und endigen kan.
Bishieher / woselbst das aufgestekte Ziel etwa von ferne wir erblikken / und den vorgenommenen Bau zum anfang eingefüget haben / seynd wir durch Göttliche Leitung gekommen; Es were aber alhie annoch ein grosses nötiges Nebengebäu aufzurichten / welches gebührlich anzufuhren / wegen mangel der zeit und ablegung Tragædien, Jammerklage / Trostschriften / Klaglieder und derogleichen. Zu denen Reimarten welche in Lusthändelen bestehen gehören die Brautlieder / Hochzeitgedichte /Reisewůnsche / Geburtlieder / Trunklieder / Freudenspiele oder Comœdien, Triumpflieder und derogleichen. Zu den Mittelhändelen gehöreten etwa die Sinnbilder oder Emblemata, Mittelspiele oder Tragico-Comedien / Rätzele etc. Zu denselben / welche in Lob und Lasterhändelen bestehen / gehörten die Danklieder / Lobpsalmen / Lobgedichte / Freudengejauchtze /Spottverse / Lasterschriften etc. Diese nun und derogleichen erforderte eine weieleuftige Ausführung und völligen Tractat / wenn man im etc. zuschertzen / und dergleichen / samt beygefügten nachfolgbaren Exempelen /daran es noch zur zeit in unserem Teutschen oft mangelen / und man dieselbe mit verlohrner Mühe suchen würde: Sonsten hat der hochberühmter Held Iulius Scaliger aufs aller subtileste / weitleuftigste und gründlichste Bericht gethan / wie in diesen erwehnten und allen anderen Stůkken der Poetischen Kunst /man sich recht verhalten und anweisen lassen künne: Woraus dan einer / der etwas uns Teutschen hiervon in der Muttersprache lehren wolte / die Nachrichtung in vielen entlehnen kan: Wiewol wir doch in einem und anderen / sonderlich in Freuden- und Traurspielen / nicht eben nach der Griechen und Lateiner Gesetzen / sonderen vielmehr nach unseren und itzigen Arten und Weisen solche Spiele zuverfertigen / uns einzurichten haben möchten: Davon vielleicht fernere Nachrichtung / weil eines und anderes Freudenspiel ins künftige möchte heraus gegeben werden / geschehen soll.
Also were dieses ortes Weitleuftiger auszuführen /der rechte Nahme eines Poeten / Seine Ankunft von Altersher / von seinem Zwekke und Ziele / wohin ein Sinnreicher Poet mit lust und nutz zukommen embsig sein soll / von seiner Rede / dero Eigenschaft und Anleitung dazu: Von seiner Erfindung / was recht einen Poeten mache / und derogleichen / welches