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Diese neue Lehr- und Schreib-Art / deren ich / in gegenwärtigem Werk / gefolget / ist kein Zweiffel / daß sie vielen verwunderlich / ja! wol gar verwerfflich vorkommen wird. Ich ermahne aber / ja bitte / daß der jenige / welcher ihm / über diß Werck / das Richter-Ampt nehmen will / auch zugleich die nöthige Anmerckungen / eines gerechten Richters / anzunehmen /sich nicht wägere. Diese sind: nicht richten / ohne Verstand; nicht urtheilen / ohne erkündigter Warheit; nicht Recht oder Unrecht sprechen / wieder sein besser Wissen. Alles dreyes wird den Einwurff widerlegen / der die neue Lehr-Art bestreitet. Ist alles / was neu / und vor dem unerhört ist / zu verwerffen / so werden diese unsre Zeiten sich keiner Erfindung rühmen können; da ich doch schwerlich den Ausspruch
Wie der heutige Welt-Wandel mehr in der Laster-als Tugend-Bahn einher gehe / ist an der hellen Sonnen: Das aber ist am verderblichsten / daß die meisten / unter der Tugend-Decke / die Laster verbergen /und doch vor Tugend-gezierte wollen geehret seyn. Ein hoffärtiger Spanier
In dessen Ersinnung nun / hab ich mir / meines Erachtens / nicht übel gefallen lassen / weil ich sonderlich / mich selbsten / in diesem Krancken-Bett / offt erkennet / theils denen Kunst- und Tugend-begierigen zu dienen / theils meine hochgeliebte Mutter-Sprach zu beehren / dann mir selbsten zu helffen / gegenwärtiges Werck / der Tugend-
Es hat mir aber / zu solchem meinen Vornehmen /nicht wenig gedienet / diese gegenwärtige Geschichts-Beschreibung / die ich auf mein Vorhaben geschickt befunden / auch um desto lieber angenommen / weil mir wissend / wie die Gemüther dieser Zeit bewandt /daß sie gerne was neues lesen oder hören / sonderlich von solchen Sachen / die / mit selbster Erfahrung / bekräfftiget sind. Lebe demnach der gevesteten Hoffnung / es werde diese leßwürdige Geschicht / nicht bloß eine Historische Wissenschafft / sondern die Kunst- und Sitten-Lehr / dem fleissigen Leser entdecken. Dann dahin zielet alles / was in diesem Werck begriffen / so / daß ich keinen Scheu trage / dasselbe den Kunst- und Tugend-Wandel zu benahmen.
Daß du aber / Gunst-gewogener Leser! mein Vorhaben deutlicher verstehest / und dieser wolgemeinten Arbeit nützlicher Historischen Beschreibung / als der Sitten-Lehre / entwerffen / damit du desto fertiger / bey einem jeden Absatz / deine Lehr behalten könnest.
Die kürtzeste Verfassung ist / in der Abtheilung der 4. Bücher zu finden / welche den Allgemeinen Enthalt des gantzen Wercks fürtragen / als
Erkläret den Eingang Polyphili zu Macarien / das ist /eines Kunst-liebenden zu Kunst und Tugend; erweisend / durch wie viel ungebahnte Wege derselbe wandern müsse / so / daß er von manchem Unglücks-Dorn geritzet werde / ehe er die wahre Glücks-Rosen brechen könne.
Erkläret den Fortgang auf dieser Tugend-Bahn / der die Überwindung mancher Widerwertigkeit zum Begleiter erwählen / und sich keine befremdliche Ungedult muß verleiten lassen: sondern in seinem rühmlichen Vorsatz unverruckt verharren / biß er überwunden.
Erkläret den Nachgang / das ist / die Bekrönung / so auf diese Tugend-Eroberung erfolget: Nemlich unverfälschtes Glück / und der Schatz einer wahren Ehre: Deren keines / wie mächtig auch die Unglücks-Wellen wüten / kan ersäuffet noch vertilget werden.
Erkläret den Ausgang / welcher ist die süsse Freude /und verzuckerte Lieblichkeit der Tugend-Früchte / die wir in der Zufriedenheit und vergnügten Seelen-Ruh empfinden / auch durch keine Bestürmung zerstören lassen / sondern in aller widerstrebenden Unruh / den Sieg des Friedens / das ist / die Vergnügung unsers Verlangens / behalten.
Beschreibet die Ankunfft Polyphili in die Gegend der Insul Soletten: Lehret / wie der Mensch offt / ein Glück zu erlangen / dem Unglück unterworffen werde.
Beschreibet die Zusammenkunfft Polyphili und Philomathi: Lehret / wie uns offt / wider unser Verhoffen /der gütige Himmel zu guten Freunden verhelffe /deren Beförderung wir uns bedienen können: Durch welche auch Gott / als die Ihm gefällige Mittels-Personen / mit uns handele.
Beschreibet die Zeit-kürtzung und das Gespräch der beyden / welches ist von der Ruhe der Einsamkeit: Lehret neben der / wie wir / aus vortrefflicher Leute Reden / unsere Weißheit schöpffen müssen.
Beschreibet den Abschied Philomathi / mit Versprechung der Wiederkehr / welcher / durch den Vorwitz Polyphili / vergebens war / der ihn / Polyphilum / mit Lebens-Noth / weit von dannen geführt: Lehret / wie wir unser Glück offt selber muthwillig verschertzen.
Beschreibet das Unglück Philomathi / dessen Traum und Tod: Lehret / zu Seiten Polyphili / wie gemeiniglich / bey grossem Glück / gleiches Unglück erwachse; zu Seiten Philomathi / wie heimliche Mißhandlung / von dem Himmel / öffentlich gestraffet werde.
Beschreibet den Zustand Polyphili / in der verwildeten Einsamkeit / und wie er den Verlust der Insul Soletten hinwieder bereichert: Lehret / daß wir Tugend / mit Müh / gewinnen müssen.
Beschreibet die Wiederkunfft Polyphili auf Soletten /durch Hülff Talypsidami / der ihm den Tod Philomathi verkündet: Lehret / daß dennoch Kunst- und Tugend-liebenden das Glück beförderlich seyn / und sie / nach vieler Widerwertigkeit / endlich begnaden müsse.
Beschreibet den Zuspruch Polyphili / mit Talypsidamo / bey Macarien / und deren geführte Reden: Lehret / wie hoch die Tugend zu halten / und die Kunst zu lieben.
Beschreibet die Ersäuffung Polyphili / und die daher entstandene betrübte Klagen / der erschreckten Macarien / und was sie vor Nacht-Gesicht betrübet: Lehret an Polyphilo / die / der Kunst und Tugend ewig widerstrebende / Unglücks-Bestürmung / von deren bißweilen alle Hoffnung niedergeschlagen wird; an Macarien aber / die selbst nothleidende Tugend.
Beschreibet die Errettung Polyphili / durch Melopharmis geschehen / die ihn zu den versenckten Schloß geführt / und was sich allda ferner mit ihm begeben: Lehret / wie dennoch der gnädige Himmel / ein wachendes Auge habe / auf die Tugend-verliebte / und seine Hülff wol verberge / aber nicht entziehe.
Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Tugend-Tempel / und dessen Zierat: Lehret den Unterscheid /der warhafften und verderbten Kunst; desgleichen wie man zu jener gelangen / diese aber meiden solle; gibt Unterricht von der Tugend-Werbung / und wie dieselbe kröne.
Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Glücks-Tempel / und wie derselbe gebauet / und gezieret gewesen: Lehret die nahe Verwandnus / der Tugend-Kunst / mit dem Glück; bewähret die Ursachen / der Ungleichheit / unter den Menschen; berichtet von dem Glück / daß es nicht ein blinder
Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Liebes-Tempel / und wie derselbe gestaltet: Lehret die nöthige Verbündnus / der Tugend-Kunst / des Glücks / und der Liebe; Unterscheidet die falsche / von der warhafften / und zeiget beyder Ursprung.
Beschreibet / was sich ferner / in dem Liebes-Tempel / mit der Königin und Polyphilo / begeben: Beantwortet etzliche Liebes-Fragen / die ihre Lehr-Puncten selbsten zeigen.
Beschreibet die endliche Erfüllung / des Verlangens Polyphili / durch den Anblick derer Tafeln geschehen / auf welchen der Name der schönen Macarien geschrieben / und was sich weiter begeben: Lehret / daß endlich das Tugend-Verlangen nicht unvergnügt bleibe / solt es gleich heimlich / und etwas scheinbar geschehen.
Beschreibet die Erlösung Sophoxenien / mit welchem zugleich Kunst und Tugend versencket war: Lehret /wie dieselbe / durch Fleiß und Schweiß / erwachsen /hernach desto frölicher blühe / und ewige Freyheit gewinne.
Beschreibet das Gespräch Melopharmis mit Polyphilo / die ihm den Berg zeiget / hinter welchem die Insul Solette gelegen / die das Hertz Polyphili dermassen zu sich ziehet / daß er sein selber
Beschreibet / wie Polyphilus / mit der Königin / und deren Angehörigen / Tafel gehalten / und was sie von der Verbannung dieses Schlosses vor Gespräch erkieset: Lehret / daß Kunst und Tugend / nicht durch des Himmels / sondern der boßhafften Menschen Schuld /erdrucket liege.
Beschreibet den Ausspruch der beyden Weisen / Clyrarchae und Cosmaritis / von der Macht und Ohnmacht der Zauberer; welches Gespräch die Lehr-Puncten selber zeiget.
Beschreibet die Ehr-Bekrönung Polyphili / von der Königin / und derer gantzen Hof-Staat geschehen / die auf alle Kunst- und Tugend-Werbung unausbleiblich folget: Welches hier die Lehre selber ist.
Beschreibet die Zeit-Verbringung / der biß daher bekümmerten Macarien / und wie Polyphilus bey derselben ärgerlich verleumdet worden: Lehret den ersten Anstoß / welcher die Tugend-verliebte zu bestreiten pflegt / nemlich / Verleumdung.
Beschreibet die Berathung und Anschläg Polyphili /wie er sicher zu Macarien gelange / dazu
Beschreibet den Abzug Agapisti auf Soletten / und den Nach-Wunsch Polyphili / auch sein Gespräch /mit der Königin / von dem Frauen-Lob: Welches hie an Statt der Lehre stehen kan.
Beschreibet die Reise-Fahrt Agapisti / und in was Unglück er gerathen / als er Talypsidamum / von der Mörder Banden / zu erledigen suchte: Lehret den andern Anstoß / welcher die Tugend-liebende zu bestreiten pflegt / nemlich / die Verhindernus.
Beschreibet den Schrecken Polyphili / den er / über das unberitten-wiederkehrende Pferd Agapisti / eingenommen / und wie er zum Talypsidamo kommen: Ist eine Lehre von der blinden Glücks-Neigung / welche auch die Tugend-suchende nicht selten begleitet.
Beschreibet die Reden Talypsidami mit Polyphilo und der Königin / auch wie er Macarien gerühmet: Lehret / wie hoch die Tugend-Kunst zu erheben.
Beschreibet / wie Talypsidamus sich mit Polyphilo berathen / zur Macarien zu kommen / und was jener /nach seiner Heimkunfft / mit derselben
Beschreibet die Ankunfft Phormenae gen Sophoxenien / und die Schlitten-Fuhr Polyphili / welche so unglückselig / als verhinderlich war: Lehret den dritten und gemeinsten Anstoß der Tugend-verliebten / die Unglückseligkeit.
Beschreibet das elende Leben Agapisti / in der Wildnus / und wie wunderbar er gen Sophoxenien / zum Polyphilo / wiederkommen: Ist eine Lehr / von der Treu und Beständigkeit / auch deren reichen Belohnung.
Beschreibet die andere Fuhr Polyphili auf Soletten /welche ihn zu der lang-verlangten Macarien bringet /deren Gunst-Gewogenheit er gewinnet: Lehret die endliche Vergnügung und Zufriedenheit der Tugend-verlangenden.
Beschreibet / was sich mit Polyphilo und Macarien /über der Mahlzeit / begeben / und wie betrübt er den Abschied genommen / doch aber der Liebes-Früchte /in etwas / genossen: Lehret den Tugend-Genieß / als die lieblichste Frucht / versauerter Arbeit.
Beschreibet / wie Agapistus / dem ruckwendenden Polyphilo / entgegen gefahren / ihn zu empfangen /und wie Atychintida / durch die Liebs-Erzehlung der Phormenen / erzürnet / dem Agapisto Befehl ertheilet / Polyphilum von Macarien abzuwenden / auch wie sich Agapistus / in diesem / verhalten: Lehret den vierdten Anstoß der Tugend-liebenden / nemlich Mißgunst.
Beschreibet die Erinnerung Polyphili an die Reden seiner Macarien / und deren Bereimung / die ihre Lehr-Puncten selbsten erklären.
Beschreibet den ereyferten Grimm Polyphili / welchen die Erzehlung Agapisti / von dem / was er mit der Königin geredt / verursachet / und wie er darum von Melopharmis gestrafft / denselben / vor der Königin /verborgen hält: Lehret den fünfften Anstoß der Tugend-verliebten / die Widerwertigkeit: Gibt auch andere Zorn-Straffen.
Beschreibet den Gruß Polyphili / an Macarien / durch ein Brieflein geschehen / und die verwaigerte Antwort / die Agapistum / mit einem andern Gruß-Brief /an Macarien / begleitet / auf Soletten ziehet / dessen vergebliche Wiederkunfft Polyphilum erzürnet / der aber / wieder begütiget / den dritten Brief an Macarien abgehen heisset: Lehret / daß hohe Sachen / mit grosser Müh / zu gewinnen / und die Tugend / einen unermüdeten Fleiß / ja auch ein unerschrockenes Hertz / fordere.
Beschreibet die Beantwortung der Macarien / auf die Briefe Polyphili / und dessen Verwirrung / über die versteckte Wort / auch wie listig er dieselbe wieder beantwortet: Lehret / daß Tugend-Erwerbung / auch bißweilen / eine verführende List zulassen / wann die offne Warheit schädlich oder gefährlich scheinet.
Beschreibet die Verleitung Polyphili / zu der Liebe einer andern / Apatilevcheris genannt / und wie schändlich er sich von derselben bethören lassen: Lehret / wie die Tugend-gezierte am erschröcklichsten irren / wann sie Laster / unter dem Tugend-Schein /nehren / und sich unvorsichtig betriegen.
Beschreibet die unversehene Zusammenkunfft Polyphili mit Macarien / die Bereuung seines begangenen Fehlers / und dessen Verbesserung / zusambt der Unterredung dieser beyden / und wie er / ihr seine Gedicht zu übersenden / versprochen: Lehret / wie die Tugend-gezierte / ob sie gleich von einem Fehl übereilet werden / doch nicht in der Laster-Versenckung bleiben / sondern dieselbe zu einer grössern Krafft /Tugend zu gewinnen / gebrauchen / daher solche Verführungen / die jenige auch nicht so bald des Tugend-Ruhms beraubet / ob sie ein- oder mehrmal dawider handeln. Dann ein Fehl ist kein Fehl.
Beschreibet den Widerwillen / der erzürnten Macarien / welchen sie / nach erkundigter fremder Lieb /bey Polyphilo / so mächtig / in ihr / herrschen
Beschreibet die Zeit-gleiche Begrüssung / so zwischen Polyphilo und Macarien schrifftlich geschehen: Lehret die Tugend-Art / welche / in zweyen Gemüthern / einerley Würckung übet; und anders mehr /das in den Briefen / und deren Erklärung selbsten / erörtert wird.
Beschreibet die selbste Besuchung / der Macarien /von Polyphilo geschehen / und was sich darinnen begeben / auch wie sie / nach dem / einander zugeschrieben: Ist ein Beweiß / der unvergnüglichen Begierde /menschlichen Verlangens / welches von Tugend-Liebe entzündet ist.
Beschreibet / wie ein anderer / Namens Evsephilistus / um Macarien Gunst sich bemühet / und dieselbe / Polyphilo zu entziehen / gesuchet / auch mit was Bedienungen: Lehret den sechsten Anstoß der Tugend-verliebten / die Verfolgung.
Beschreibet fast einen verliebten Streit / in der Dicht-Kunst / zwischen Polyphilo und der gelehrten Macarien / auch wie sie ihm die Werbung Evsephilisti heimlich zu vernehmen gibt / und wie er dieselbe beantwortet: Lehret / daß je herrlicher die Tugend in uns blühet / je mächtiger
Beschreibet die fernere Bestreitung des Lieb-werbenden Evsephilisti / und wie die getreue Macarie solches Polyphilo offenbaret / oder zu offenbaren zu sich bittet / auch was sie sich berathen: Ist eine Probe wahrer Tugend / die mit glücket / mit unglücket. An Polyphilo aber finden wir den siebenden Anstoß der Tugend-verliebten / die Versuchung.
Beschreibet den Blut-Rath Polyphili / so er über Evsephilistum beschlossen / und wie er selbigen der Macarien entdecket / auch wie bestürtzt diese antwortet; Dann endlich / wie sich Polyphilus betrogen: Lehret die anfeindende Laster / in hohen Trübsalen / die mehrentheils / mit der vergifften Süsse / der Verzweiflung / zu locken pflegen.
Beschreibet den Gegen-Rath Agapisti / und wie Polyphilus streit-rüstig auf Soletten ziehet / aber von Macarien / mit der Wider-Rede / seiner nichtigen Einbildung / begütiget und erfreuet wird / in dem sie ihn vor allen / und ewig / erwählet: Lehret die endliche Vergnügung der Tugend / die so widerwertig auch das Glück spiele / dennoch ewig beglücket bleibet / und ohne Ende.
Aus diesem nun / wird dir / Gunst-gewogener Leser! allerkündig seyn / wohin meine Erfindungen / in dieser Tugend-Bahn / gerichtet. Daß aber der Weg bißweilen
Betreffend die Namen / die ich in der Geschichts-Erzehlung angezogen / sind dieselbe mehrentheils von den Griechen entliehen / und aus ihren Wörtern zusammen gesetzt / daß sie zugleich die Lehre bewähren / die ich in der Historischen Erzehlung suche. Es sind aber diese:
Eines jeden Bey-Name wird / geneigter Leser! das Amt benennen / so er führet / und wofür du ihn in dieser Tugend-Bahn bekennen sollest. Die Macarie ist selbsten die Kunst und Tugend / und also das gleichsam aufgesteckte Ziel / welches zu errennen / wir Menschen allesamt / durch den viel-liebenden Polyphilum gedeutet / uns angelegen seyn lassen / da wir dann viel Philomatos / die uns unterrichten / auch Pistimoros und Talypsidamos / die uns in der ersterbenden Kunst Hülff-Hände leisten / gebrauchen / die einen verwirrten Amichanum / oder / wie Polyphilus / eine unglückselige Atychinidam erlösen. Dafern wir aber durch eine viel-vermögende Melopharmis /verstehe die Beforderer und andere Kunst-Helffer /auf den
Weißheit-Sitz / durch
Ob nun dem allen so / soltu doch / lieb-geehrter Leser! dich keinen Zweifel verleiten lassen / als wäre die Geschicht erdichtet / lehren will / bin ich ein Sitten-Beschreiber /indem mir aber der Fleiß des Nutzens oblieget bin ich ein Geschichts-Erzehler; und wann ich zu belustigen suche / bekenne ich mich einen Poeten. Diese drey wohnen gemeiniglich / in dem schwesterlichen Band der Vereinigung beysammen / oder zum wenigsten in der Verfassung dieser meiner Lust-Besinnung.
der bekehrte Schäfer genannt / (welchen ich um seiner viel-herrlichern Erfindung wegen / billich den Schlüssel dieses ersten nenne / als in welchem der begierige Leser / den meinen allererst recht verstehen wird) seine Hülff-Hand ferner nicht entziehen / sondern auch denen darinn befindlichen Gedichten eine liebliche Kling-Art gönnen; welches mit aller Dienstlichkeit um ihn hinwieder zu verschulden; auch besagten andern Theil / diesem ersten / durch offenen Druck /ehistens folgen zu lassen / ich mich unsäumig erweisen werde.
Nun solt ich auch den Gebrauch der Heydnischen Wörter / die zu Zeiten mit eingeschlichen sind / entschuldigen / zu beglauben / daß ich ein Christ sey /der nicht mehr / dann eine einige Gottheit verehre /und auch jederzeit dessen Ehre / als das förderste Ziel / unserer Hirten-Gespielschafft / in allen meinen Ersinnungen führe: Aber weil ich das bey dem verständigen Leser vor unnöthig / bey dem Unverstängen ungültig halte / will ich dißmals mit den schönen Worten des Herrn Ferrante Pallavicino schliessen /daß der Gebrauch Heydnischer Wörter meinen Glauben nicht verdammen solle; sintemal ich auf ihre Art schreibe / und nach meiner Schuldigkeit glaube. Hiemit GOtt befohlen.
Beschreibet die Ankunft Polyphili / in die Gegend der Insul Soletten: Lehret / wie der Mensch offt / ein Glück zu erlangen / dem Unglück unterworffen werde.
Eben hatte die liebliche Frühlings-Luft / durch das Gold-strahlende Welt-Auge / die Mutter der Sterblichen wiederum erfreuet / und mit ihrer zerschmeltzenden Hitze / die Eiß-feste Mauren / derer in den Gründen fliessenden Wasser / erweichet; daß der lang-verhaltene Schiff-Raub aller Seiten wieder ersetzet: als der edle Schäffer Polyphilus / nach viel-erlidtener Unglücks-Bestürmung / durch die unbeständige Menschen-Freund- und Feindin / das Glück / mit wenigem Anlachen / in eine ergötzende Gegend versetzet / und dem wild-gefährlichen Meer entnommen / dem sicher-und ruhigem Erden-Schoß anvertrauet wurde. Die Freude der Sicherheit / welche gemeiniglich des überstandenen Unglücks Vergesserin zu
Kaum hatte er sich / wie gedacht / solcher Morpheischen Beherrschung ergeben / daß nicht alsobald der sonst Lügen-liebende Mahler der Nacht / durch seine Lust-schattigte Abbildung anderer gleichfalls erwünschter und annehmlicher Dinge / sein Gemüth /nunmehr von Betrachtung der Gegend befreyet / anderwerts / und auf solche Erwartung richtete / die viel schwerer in Gedancken zu ertragen / als im Werck zu erlangen war. Er führete ihn an den Ufer des Wassers gleiches Weges hinauf / zeigete dessen Bewandschafft / und wunderbaren Fall / der / weil er mehr zu steigen scheinte / allen und jeden / sonderlich aber vor dißmal diesem Fremden-Schäfer / sich über die Kunst der Natur / und göttlichen Allmacht höchlich zu verwundern / Ursach und Gelegenheit genug zur Hand gab. Wie dann auch Polyphilus dem allem / wiewol schlaffend / mit grosser Ergötzlichkeit lang zusahe /und die Herrlichkeit der Geschöpff und Ordnung des Himmels / mit tieffstem Nachsinnen bey sich überlegte. Da er aber voll solcher angenehmen Gedancken /das Liecht seiner weit-strahlenden Augen etwas schärffer / (so traumete ihm) entzündete: Ward er /wieder alles verhoffen / etzlicher hocherhabenen Gebäu / gegen dem Strom stehend / gewahr; kondte doch / weil / wie ihm dauchte / die schimrende
Wie es nun mehrentheils geschicht / daß die nichtige Traum-Freude / ihr Bildnüß / auf einen zerbrechlichen Grund setze: Also hatte auch Polyphilus den gäntzlichen Betrug für seinem Gesicht / da er selbige mit wachenden Augen besehen wolte / deswegen er dann voller Betrübnüs / über den Verlust / seines gehabten Gesichts / nicht gnug klagen könte: Seine genossene Traum-Freude aber / auch in der höchsten Betrübnüs / nicht gnug verwundern. Darumb sagte er unverhindert / er müsse bekennen / daß / ob schon das grosse Liecht der Sonnen / den / in der Lufft hangenden / künstlichen Erden-Bau / schon über die 23. mal mit ihren Gold-gläntzenden Stralen
Beschreibet die Zusammenkunfft Polyphili und Philomati: Lehret / wie uns offt / wieder unser Verhoffen / der gütige Himmel zu guten Freunden verhelffe / deren Beförderung wir uns bedienen können: Durch welche auch Gott / als die Ihm gefällige Mittels-Personen / mit uns handele.
Wer war froher / als eben Polyphilus? Ich meyne /sein vergnügtes Hertz hätte nicht unrecht ein Himmelreich voll Wonne können benahmet werden / so gar hatte die unerschöpffte Lust dasselbe eingenommen /alsbald er der erhabenen Kunstrühmlichen Insul ansichtig worden. Wie aber die Begierde Menschlichen Hertzens nimmer satt wird / sondern immer fort /mehr und mehr verlanget / also konte auch Polyphilus in dieser Zufriedenheit nicht ruhen / sondern nahm ihm vor / selbsten in die Insul zu kommen / umb desto besser sich darinnen zu besehen / und vielleicht etwas neues zu erlernen. Was ge
Polyphilus / der sich alsbald der Hoffnung freuete /er werde von diesem / in allem völligen Bericht erhalten / und nunmehr vernehmen / welcher Theil der Erden ihn aufgenommen / und welches Land seine Sicherheit beschantzet / legte so balden allen Scham auf die Seiten / fassete ein Hertz / und näherte mit höfflicher Freundlichkeit auf ihn zu / umb allergünstige Verzeihung bittende / daß er aus Unwissenheit dieser Ort-Bewandtschafft gezwungen / sich unterwinden dörffe / dessen Namens-Erkandtnüs / und was sonsten denckwürdiges allhier zu behalten / durch ein kurtzes Gespräch zu erforschen.
Philomathus (so bekandte der Antworter seinen Nahmen) nachdem er mit gleich-gebührender Reverentz sein Anbringen aufgenommen / war gar leicht zu erbitten / und hätte ihm nichts bequemers eben anjetzo zu handen kommen können / alldieweiln er ohne das / seine sorgfältige Betrübnüs in etwas zu erfrischen / sich dem Felde / und dessen immerblühenden Ergötzlichkeit ergeben / da sichs dann nicht übel
Polyphilus / durch sein unruhiges Verlangen gezwungen / vermochte sich nicht länger zu gedulten /sondern fieng ohne Verzug zum Philomato an / seine biß daher gefährlich-geführte Reiß allen Umbständen nach zu erzehlen / und wie er / wider Wunsch und Hoffen / vor wenig Stunden allhier angelander / auch durch die beschönte Gegend überwunden / an diesem Ufer ausgestiegen: Verlange also nicht mehr / als nur den Nahmen dieses Landes / Wassers / und der vor ihm liegenden Insul zu erlernen / damit er / nach dem / verstehen könne / an welchem Ort der Welt er lebe / und wie fern er von den Seinen entschieden.
Philomathus / ein bescheidener und höfflicher Mann / kont ihm nicht verüblen / daß er seiner begierigen Jugend den Zaum zu weit nachgelassen / und sich ihm vorzureden keinen Scheu getragen / bevor da diese Begierde / so viel er vernommen / einen löblichen und Tugend-erbaulichen Zweck vor sich hatte /welchen zu erreichen / Philomathus / Krafft seiner Geschicklichkeit / und guten Vermögens / Ihm / Polyphilo / wol behülfflich seyn köndte: Derowegen fieng er folgender Gestalt an zu ihm zu reden:
Tugend-begieriger Polyphile! Aus euren bißher geführten Worten hab ich sattsam vernommen / was massen ihr euren Schäfer-stock verlassen / und /
Nun bekenne ich ohne verhelen / daß / wie ich selbsten / in meiner damals noch blühenden Jugend /mir dergleichen Ziel gestecket / und / so viel Menschliches Vermögen zu läst / alles mein Sinnen und Beginnen dahin gerichtet; Auch durch des allwaltenden Himmels-Hülff endlich dahin kommen bin / daß ich /durch Müh und Fleiß / den beperleten Helicon erstiegen / und daselbsten von der gantzen Pindus-Schaar /mit der Tausendfaltigkeit ihrer himmlischen Wissenschafft / bin umzieret worden: Also auch allen denen /die mit gleichmächtiger Begierde entzündet / ihren Namen dem Diamantischen Register einverleiben wollen / zu allen Müglichkeiten / mit Rath und That /verpflichtet bin / auf daß sie / wie sie wünschen und begehren / sonder Abschlag / die felsichte Spitzen /der unergründlichen Weißheit / zu ersteigen / Macht und Gelegenheit haben.
Polyphilus / der diese verguldete Reden / mit
Dieses alles gefiel dem Philomatho so wohl / daß er nicht nur seiner Bitte ein völliges Genügen that /sondern auch mit Mund und Händen ihme treu-meynend versprach / alle Heimlichkeiten derselben Insul /(welches traun gegen einem Frembden ein Grosses Versprechen war) eigentlich und deutlich vorzulegen /so gar / daß / wann es seine Gelegenheit gestatten würde / sich eine weile in diesen Feldern aufzuhalten /sein Leben nicht ohne vergnügliche Freude / auch sein Verlangen voller beliebiger Erfüllung seyn und werden solte. Darum fieng er folgender Gestalt an:
Erkandter Polyphile! Euer Vatterland Brunfile /daß ihr mir allbereit genennet / ist vor dem eine Ernehrerin meiner Kunst-dürfftigen Musen / und meines jungen / etwas frey-begierigen Lebens / eine Nutzbringende Lehrerin gewesen: Deme diese gegenwärtige Insul / mit allen deren beseeligten Innwohnern so viel zu dancken hat / als sie täglich von mir Gutes und Gedeyliches überkommen. Finde mich dahero / ohne einige Widerrede / über mein Vermögen
So bin ich / fragte der Schäfer / in Thessalien / und in dem beschreyeten Thal Tempe? So ists / versetzte Philomathus / und da es euch nicht miß-fällig / mir zu folgen / will ich euch diese Lust-bare Gegend / so lang uns die Sonne ihr Liecht gönnen wird / durchführen / und was darinnen sonderlich zu bemercken / erklären. Polyphilus entdeckte sein Verlangen
Unter währender Rede gieng Philomathus mit dem Schäfer / langst dem Fluß hinab / da dann zu beyden Seiten / an dem Ufer / kleine Myrthen-Gehäge und Lorbeer-Häyne zu sehen waren / so denen beyden /wie anderen vorbeygehenden / mannigfaltigen kühlen Schatten ertheilten. Sonderlich aber / beschönte diesen vor-annehmlichen Ort / daß unter selbigen unterschiedlichen Schatten / unterschiedliche kleine Bächlein ronnen / derer Wässer nicht allein anmuthig zu trincken / sondern auch förderlichst der Gesundheit dienlich zu seyn / von Philomatho bekandt / dem Schäfer Polyphilo aber versucht wurden. Von hinnen verführte sie die Lust zu etzlichen so scheinenden grünen Zelten / und erinnerte Philomathus vor anderen / die vielerley Eyländlein wol zu beobachten / die beydes dem Fluß / und dem Tempe-Thal eine herrliche Verschönerung beybrachten. Die Bäume / so man da sahe / waren von der Wurtzel an / biß an die Gipffel mit Epheu
Das lassen wir die verfechten / sprach Polyphilus /die den Unterscheid des Geruchs lieben / von meinem wenigen Urtheil / soll das Opffer / mit den Blumen /gleichen Preiß erwarten. Wol dem; antwortet Philomathus / so will auch ich keinem einen Vorzug gunnen: Diß Wäldlein aber wird die
Diese / des Philomathi Erzehlung verleitete den
Polyphilus / voller Wunder / kondte dem sinnlichen Gespräch Philomathi nicht länger mit stillschweigen zuhören / vielweniger umhin / daß er nicht fragen solte / was Art Volcks dann allhier wohnete? Darauf Philomathus antwortete: Wundert euch nicht / Polyphile! Dann eben dem haben wir zu dancken / daß die vornehmste und durch alle Welt berühmte Künstler dieses Orts ernehret und vermehret werden. So werden auch / fragte Polyphilus / an diesem Ort viel vortreffliche Pindus-Ritter anzutreffen seyn / die täglich denen zwar Schweiß-verachteten
Polyphilus / dem dieses von einer Weibs-Person zu hören / unglaublich vorkam / fragte nicht ohne Ursach / was es dann für eine Beschaffenheit mit derselben hätte / und ob sie / an statt einer Göttin / von ihnen geehret werde? Philomatus antwortete: Wir sind allemahl / und von Natur zu wider dem Höllverdammlichen Laster der Abgötterey / doch / so fern sich in einem sterblichen Leib Göttliche Gaben befinden / wegen deren billich alles aus der Menschen-Zahl / in die Himmel-Zinnen erhöhet wird: Werden auch wir keinen Abscheu tragen / die jenige eine Göttin zu grüssen / die wir erkennen / daß mehr himmlisch als irrdisches an ihr hervor leuchte.
Hat einmal die Freud-verzehrende Betrübnüs / das Hertz Polyphili getroffen / so ists / in Warheit / durch diese Wort geschehen. Kan ich dann nicht / sprach er / in dieser frohen Blüth meines Gunst-geneigten Glücks auch diese Blumen brechen / so muß ich freylich erfahren / daß kein Glückes-Stand bey denen Sterblichen zu finden / der nicht aufs wenigste mit einem betrübenden Unfall beflecket sey. Doch drehet sich die Kugel des Glücks nicht anders / weiln / wann selbige ihre Gnaden-Stralen gar zu hoch werffen /oder zu bell wolte scheinen lassen / möchte das Glaß /ehe wirs verhoffen / und wieder unser Versehen / zerbrechen.
Darum will auch ich selbiges mir nicht besser wünschen / oder gnädiger begehren / als es Menschlichem Geschlecht / von dem mild-gütigem Himmel
Beschreibet die Zeit-Kürtzung und das Gespräch der beyden / welches ist von der Ruhe der Einsamkeit: Lehret / neben der / wie wir / aus vortrefflicher Leute Reden / unser Weißheit schöpffen müssen.
Mit diesen Worten muste sich der betrübte Polyphilus vor dieses mal trösten. Gleichwol aber / damit er solche gefasste Traurigkeit in etwas wenden möchte /fieng er zum Philomato ferner an / von der Einsamkeit zu reden / und ihn zu überweisen / wie er ihm selber so unrecht gethan / in dem er auch sich diesen Ketten gebunden ergeben / die / wie sie männiglich schädlich / also sonderlich ihm nicht zuträglich seyn würden. So sprach aber Polyphilus: Es wundert mich fast sehr / daß das Geschlecht der Menschen einige Einsamkeit zulässet / wie der Schöpffer selbst / dem Geschöpff / alsbald im Anfang / solche nicht gut oder nutzlich zu seyn bekräfftiget. So sehe ich aus den Ursachen / welche sonsten sonderlich diß Gefängnus verlangen / einen solchen Beweiß / der vielmehr wider sich selbsten streiten wird. Der Stiffter solcher Einsamkeit / ist in Warheit nichts anders / als die Betrübnüs. Diese hat freylich die Art / daß sie gern allein ist / damit sie ihren kümmerlichen Gedancken / freyen Paß lassen könne: Aber was folget endlich? Eine Melancholische Verzweifflung
Deme setz ich hinzu / daß sie gerad wider die Ordnung der Unsterblichen lauffe / welche die Gesellschafft der Menschen gestifftet / damit einer dem andern dienen und behülfflich seyn könne. Ja: sie laufft schnur-gerad wider die Natur selber / welche mehr nach Gesellschafft und Lust: als Leid und Einsamkeit strebet. Daher die Weltweisen den Menschen ein solches Thier nennen / das sich gern zu dem andern geselle. Und das diß alles übertrifft / habt ihr euch einer solchen Tugend ergeben / die wider alle Tugend streitet / und die schuldige Lieb des Nächsten ausleschet. Wie könnt ihr lieben / dem ihr nicht dienet? Wie könnt ihr dienen / von dem ihr ferne seyt? Sehet an die Wittwen und Wäisen / so lang sie einsam sind /wer ist / der ihnen aufhilfft? Und bleibt ihr in der Einsamkeit / wer besuchet Wittwen und Wäisen? Welches doch der nöthigste und schuldigste Dienst ist. Wolt ihr mehr hören? saget mir die Ursach: Warum euch der Himmel / vor
Gar zu kräfftig wolte Polyphilus seine Sache behaupten / deßwegen ihm zwar Philomathus eine Zeitlang /aber mit grossem Widerwillen zuhörete: Und weil er fürchtete / Polyphilus möchte seiner Gedult mißbrauchen / konte er ihm nicht mehr Freyheit / die Einsamkeit zu verringern / gestatten / sondern fiel ihm / mit diesen Worten / in die Rede:
Verzeihet mir / Polyphile! daß ich eure Red abreissen / und eurer freygelassenen Zungen einen Zaum anlegen muß. Wie dörfft ihr die Frucht-bringende Einsamkeit in meiner Gegenwart so vergeblich / und wider ihre Verdienst schänden? Was für nichtige und untüchtige Gründe führet ihr an / welche in Ewigkeit das nicht erweisen werden / was ihr zu behaupten gedencket. Werde ich euch nicht in allem sattsam widerleget / und alle euren Beweiß kräfftig umgestossen haben / wann ich allem dem / was ihr nach der Länge erzehlet / einig die Laster-führende Boßheit / der jetzt verderbten Welt entgegen setzen werde? Saget mir /trägt die Welt etwas anders bey ihren Rosen / dann Disteln: Ist was mehr an ihren Bäumen / als Rinden: Was beschleust
Ist wol etwas geredt / versetzte Philomathus / aber wie erkennet man die Frommen unter den Bösen / wie entscheidet man diese von jenen? Schlaget selber in euch / Polyphile! und besinnet den Wandel der Welt; Wie viel sind / die unter der Tugend-Decke unsere Augen mit schändlichen Lastern blenden? Wie viel finden sich / die / mit dem Mantel der Ehren bedeckt /ihren Schalck bergen? Wie viel preisen ihre Frömmigkeit nicht nur mit Worten / sondern auch so gar durch die Werck / und halten die Boßheit heimlich in ihrem Hertzen? Wer vermag den Grund
Viel sind deren zwar / die vorwerts lachen: Viel / die freundlich mit uns reden: viel / die uns tieffe Reverentz erweisen: viel / die miteinander essen / trincken / gehen / stehen / reiten / fahren / sitzen / liegen: Viel bieten einander ihre willige Dienst an: Viel küssen einander Hände und Füsse: Viel suchen einander heim / und klagen in der Noth ihr Leyden; zeugen im Glück ihre Freuden: Welches alles dann einen Schein der waaren Freundschafft führet: Wann wir aber das Hertz besehen / und ihre Werck
Euren Gründen nach / versetzte Polyphilus / ists freylich so: Aber wann ich der Sach gründlicher nachdencke / finde ich dennoch / daß meine Meynung nicht allerdings verwerfflich. Euer weitläufftiger Beweiß bestehet auf zween Gründen / nemlich / der Boßheit der Menschen / und der verführenden Gesellschafft: Wann aber dieser Schluß richtig ist / wer siehet nicht / Philomathe! daß wir / auf solche
Ehe wird die Insul Solette / gab Philomathus zur Antwort / mich nicht mehr ihren Bewohner grüssen; Ehe wird die Tugend-verliebte Göttin das Gefängnüs ihrer Traurigkeit auflösen / als ich den Bund und das Gelübd / welches ich in meinem Hertzen gethan / brechen und entfässeln will. Ihr seyt auch / fuhr er weiter fort / gantz unrecht daran / geliebter Polyphile! in dem ihr / was ich von mir geschlossen / wollet auf die ungezehlte Meng der Sterblichen ziehen. Ist dann ein anderer auch / wie ich / gesinnet? Ich meyne / so mancher Mensch / so mancher Sinn. Mir und euch dienet die Einsamkeit / ja allen Bewohnern dieser Insul /weil sie mit mir und euch / ihr Sinnen in den Schrancken / der Erlernung guter Sitten und Künste / lauffen lassen. Wann darum nichts wäre in allem / das mir ein einsames Leben beliebig machen könte / wäre das genug / weil ich / in solchem Stand / besser und mit unverhindertem Fleiß sinnen / dichten / dencken / und solchen Sachen nachgründen kan / die wegen anderer Unruh und Verhindernus / offtermals menschlichen Gedancken verborgen / und unsern Sinnen zu erreichen unmöglich sind. Wisset ihr nicht / Polyphile! daß die Einsamkeit von den Gelehrtesten und Weisesten jederzeit sey vor eine Lehrerin der Weißheit / vor
Als Philomathus so redte / fahe ihn Polyphilus /mit lachenden Geberden / an / und schüttelte den Kopff / anzudeuten / daß diß nicht geantwortet wäre auf seinen Einwurff: Dann / in die Rede zu fallen /verbot ihm seine geziemende Höfligkeit. Weil aber Philomathus noch unter dem Reden solches merckte /fieng er zum Polyphilo an: Was schüttelt ihr den Kopff / Polyphile! Als wann ich unrecht geredt? Die tägliche Erfahrung wird mich bey der Warheit schützen. Je freyer der Muht ist / je fröliger ist er auch in allem / das er sinnet und dichtet. Wo kan aber eine grössere Freyheit gefunden werden / als bey einem einsamen Leben; Ein einsames Leben aber erfordert auch einsame Oerter:
Sehet selbst / Polyphile! auch diesen Ort / und euren eigenen Wandel an / wie gefället euch die Einsamkeit so wol / die ihr doch so hart scheltet. Ich meyne / ihr folget den jenigen / die / wann sie ja in Kriegs-Läufften aufgefordert werden / dem Feinde getrost unter Augen ziehen / und sich ihres Manns nach Vermögen wehren: Nichts desto weniger aber auf den Frieden /als ein Kleinod dessen / und ein Vorbild des künfftigen Lebens / mit sehnlichem Verlangen hoffen. Doch kan und darff ich mich nicht unterstehen / von euren Gedancken und Vorsatz etwas gewisses zu benennen /wofern ich nicht den Namen führen will / daß ich /wie jener von dem Thun des Himmels fragte: also die Hertzens-Erwählung / so menschlichen Augen verborgen ist / kündigen wolte. Was aber meine Person anlanget / gesteh ich gern / daß ich nicht gleich sey jenem Wunder-Fisch / welcher sonst Abides genennet wird. Dieser lebet und nehret sich eine geraume Zeit im Wasser / nach Art der andern gemeinen Fisch: Wann er aber alt wird / steiget er aus dem Wasser /auf das trockne / und machet sich so ferne vom Ufer /daß er solches die Zeit seines Lebens nimmer siehet /nimmer suchet: wohnet auf der Erden / nehret sich
So seyt ihr gewiß / sprach Polyphilus schertzweiß /befreundet mit dem / von welchem ich unlängsten bey Dion im Hadriano gelesen / daß / nach dem er von den Regiments-Ehren entsetzet / in die wilde Felder vertrieben / und allda 7. Jahr lang verharret / nach seinem Tod / ihm dieses Innhalts eine Grab-Schrifft verfertigen lassen:
Aber / fuhr Polyphilus weiter fort / wem nutzet ihr in diesem euren Leben; werden auch andere zu euch heraus kommen / und Weißheit holen? Oder seyd ihr allein zu eurem Nutzen gebohren? Was frommet ihr euer Ehre und Nachruhm? Wird selbigen auch die Einöde erheben / oder werden ihn die unbezungte Felder besingen? Vielleicht folget ihr denen einsamen Schwanen / mit welchen (wann die Freyheit der Poeten / nicht etwa ein Gedicht / vor Warheit verkauffet) einsmals die Gesellschafft-liebende Schwalben
Dieser Schertz / wiewol er den Philomathum zum Lachen bewegte / mochte doch nicht so höflich vorgebracht seyn / daß er nicht deßwegen Polyphilum straffte / und zu vernehmen gab / wann man von ernstlichen Dingen rede / solle man anderer vergeblichen Unnötigkeiten vergessen: Wäre also sein Begehren / so er ferner einen Einwurff thun wolle / die Einsamkeit zu bestraffen / soll er die noch übrige kurtze Zeit nicht mit andern unnützem Geschwätz verderben.
Gar wol / sagte Philomathus / dann das ihr / Polyphile! gesagt / von der Vorsehung des Schöpffers / ist solches nicht überall gleichgültig / sondern nach Gelegenheit der Zeit und Ort zu ändern. Mit nichten /versetzte Polyphilus dawider / Gottes Schluß bleibet /wie er ist / daß er aber / durch den Widerwillen der Menschen / offt nicht vollbracht / sondern verhindert wird / das ist eben menschlicher Widerwille / der mehr zu schelten / als zu loben. Und daß wir dessen nicht mehr gedencken / was saget ihr von der Hertzens-Betrübnüs / welche eine Ursacherin ist der Einsamkeit / und endlich in eine Verzweifflung stürtzet? Philomathus antwortete: das sey ferne von unserer Göttin! Ja! sagte Polyphilus / so sey auch ferne von ihr die verführende
Das ist wunderlich geschlossen / fieng Philomathus an / und schicket sich nichts weniger auf unsre Göttin. Ihre Einsamkeit müsset ihr nicht so deuten / als wann sie von allen verlassen / sich zu keinem
Beschreibet den Abschied Philomathi / mit Versprechung der Wiederkehr / welcher / durch den Vorwitz Polyphili / vergebens wart / der ihn / Polyphilum / Lehret / wie wir unser Glück offt selber muthwillig verschertzen.
Philomathus hätte gern geantwortet / aber es begunten sich allgemählig die Strahlen der Sonnen hinter die Berge zu verstecken / und warff die einfallende Nacht ihren Schatten zusehens herein: Derentwegen Philomathus stillschweigen / die grünen Matten verlassen /wieder zu Hause kehren / und von dem Polyphilo Urlaub nehmen muste: doch mit dem Vorbehalten / daß /so bald der morgende Tag diesen Nacht-Teppich wiederum aufdecken würde / wolle er / um ihr angenehmes Gespräch zu vollführen / sich wiederum an diesem Ort antreffen lassen / und ihm / dem Polyphilo /nicht nur gnügliche Antwort / auf seine gethane Einwürff; sondern auch von dieser Insul / und deren Innwohnern / sonderlich aber von der Tugend-Göttin /mehrern Bericht ertheilen.
Polyphilus bedanckte sich garschön / nicht nur wegen der schon-erwiesenen Dienstfertigkeit: sondern auch des beschehenen Versprechens / mit Erbietung /daß er solchen erwünschten und verlangten Gefallen zum Pfand Gunst-geneigter Gewogenheit annehmen /auch mit aller seiner / zwar geringen / doch so willig-als schuldigen Dienst-Vermögenheit wieder ersetzen wolle. Und damit hiessen sie beyde einander wol ruhen. Philomathus suchte seine Insul: Polyphilus aber voller Verlangen / und begierig dasselbe / wovon er zu seiner Betrübnüs gehöret / zu erlangen / kondte nicht den geringsten Schlaff annehmen: Darum er sich / Zeit und Weil zu kürtzen /
Doch dennoch / ob die blosse Unmüglichkeit an der hellen Sonnen war / wolte gleichwol Polyphilus /durch seine erhitzte Begierde und Großmütigkeit des Hertzens / anheut erweisen / daß nichts so schwer und gewaltig sey / welches nicht von unnachlässigem
Philomathum hatte sein höfliches Versprechen zu ernandter Zeit wieder zu ruck bracht: aber Polyphilum hielt / theils seine Vermessenheit / theils der unnötige Vorwitz / gefangen. Und wie es gemeiniglich zu geschehen pflegt / wo gestern das wankende Glück / mit lachenden Geberden / gespielet / da ziehet es heut /mit voller Grimmigkeit den Gewinn heim: Also muste Polyphilus zum Spiel-Raub werden / und dem verbosten Neid / des widerwertigen Glücks / ein erbärmliches Schau-Spiel anstellen / mit seiner unglückhafften Schiffart. Dann bald ließ es ihm / als aus mitleidender Erbarmung / die verlangende Peneusische Wasserwogen / von dem erhöheten Fluß / in der ferne / sehen: hielt ihn aber dabey / daß er nichts dann die Augen /und diß zwar nur mit Betrübnüs / weiden kondte. Bald gebot es einem wolfügigem Westen / daß er ihn und seine Segel gar auf den ernanten Fluß führete / so gar / daß er / aber mit grossem Hertzenleid / der hefftig-begehrten Insul ansichtig wurde: hielt ihn doch dabey / daß er nicht erlangen kondte / was ihm seine Augen zu erlangen müglich / vorbildeten. Endlich kam er durch des falsch-gewogenen Glücks Regierung so weit / daß
Was thut aber die gütige Vorsehung des Himmels? Ob Polyphilus nicht wuste / wie ihm geschehen / und wo er hinkommen; bleibt er dennoch fest auf einem Schiff-Balcken / darauf er sein so scheinendes noch kurtzes Leben erhielt / auch aller andern Gedancken vergessend / einig sich dahin bearbeitete / wie er / selbiges folgend zu erhalten / ans Land gelangen möchte. Alle arbeit aber war umsonst / und mochte nichts helffen / daß er nicht / den gantzen folgenden Tag durch / (da ich leicht glaube / daß selbsten das Unglück die Sonne aufgestecket / und die Widerwertigkeit das Liecht leuchten lassen /) in Wasser- und Wellen-Gefahr schweben / und gleichsam ertödtet leben muste: biß er endlich durch die mitleydige Hand der Unsterblichen errettet / wieder zu Land kommen / und an einen zwar sichern Port anlendete / aber der bey weitem der Insul Soletten / und deren vermehrten Wald- Feld- und Berg-Freuden nicht zu vergleichen.
Wie schmertzhafft damals seinen Sinnen muß gewesen seyn / kan ein jeder leicht gedencken. Nun /dachte er / ist alles verlohren: nun sehe ich Philomathum nicht wieder: wie dann auch geschehen. Er hebte an / sein Unglück zu beklagen / seine Betrübnüs zu beweinen / seine Schmertzen zu beseufftzen; auch
Beschreibet das Unglück Philomathi / dessen Traum und Tod: Lehret / zu Seiten Polyphili / wie gemeiniglich / bey grossem Glück / gleiches Unglück erwachse; Zu Seiten Philomathi / wie heimliche Mißhandlung / von dem Himmel / öffentlich gestraffet werde.
Dieser ist / wie wir oben gehört / seinem Versprechen gehorsam / zu bestellter Zeit / und am besagten Ort erschienen / wol versehen und bereit / mit Polyphilo von allerhand denck- und redwürdigen Dingen sich zu besprechen / wann nicht das feindseelige Glück ihre Kugel gedrehet / und eine Hertz-drückende Traurigkeit / zu dessen Verhinderung / gesetzt hätte. Er erwartete des Polyphili inständig / und solches um desto mehr / weil ihm die Ursach seiner Abwesenheit nicht bekandt war. So mochte er auch nicht erfinden / was ihn von dannen weggeführet / oder wohin er sich gewendet. Bald hebte er seine scharff-stralende Augen gen Auf- bald gen Niedergang dieses Flusses / kondte aber sein Warten nicht
Leichtlich war nun dieses zwar widerleget / weil die Erfahrung selbst ein Widriges zeugete; doch dennoch vermochte diß trügliche Bild so viel / daß Philomathus von stund an heim / und von dannen eilete /aus Furcht / es möchte ihm sein Traum / ehe er sichs versehe / erfüllet werden. Wie aber das Glück gemeiniglich zu spielen pflegt / daß / wer seine Tropffen fliehet / müsse gar in seiner Tieffe ersauffen / so ists auch dem guten Philomatho ergangen. Dann so bald er sich in seinen Nachen setzet / und der Insul Soletten zueilet / wird er von so viel tausend widerwertigen Gedancken / die theils durch Furcht / theils durch Mißtrauen / ernehret und gemehret wurden / dergestalt umringet / daß zehen Gifft-verderbende Dolchen /durch Polyphili Faust geführet / ihn nicht so hart und hertzlich hätten verwunden können / oder sein Leben ermorden / als ers ihm selber / durch Kummer und beängstigte Verzweifflung
Damals / als Polyphilus von dem ungestümmen Meer so hefftig bedränget wurde / reisete ein fremder Ritter / Namens Pistimorus / an dem Ufer desselben vorbey / und hörete sein jämmerlich Klagen / auch /ohne Errettung / Hülff-schreyendes ächtzen / mit nicht geringer Betrübnis an: wurde auch unter andern sonderlich dieser Wort verständiget: Philomathe / Philomathe! was thust du? kan ichs dann / wegen meiner widerwilligen Abwesenheit nicht vergelten / so gebe dir der Himmel deinen Lohn. Solette / du schönste der Jusuln / verrichte an meiner statt / was ich nicht verrichten kan. Dieser / als Frembdling / wuste nicht /was das bedeuten solt / doch in Ansehung der vor Augen schwebenden Todes-Noht / kont er ihm kein andere Gedancken machen / als Philomathus habe diesem Nohtleidendem solch Bedrangnus zugerichtet /und fordere selbiger / mit diesen Worten / die Rach. Erinnert sich derowegen alsobald seiner Pflicht / die er dem ritterlichen Orden zu halten schuldig / (dann er Polyphilum auch vor einen Ritter hielt /) beschleust bey sich / auf Soletten zu zugehen / und den Tod / des nunmehr / von den Wellen / aus seinen Augen / weggerafften Ritters zu rächen / weil er ihn ja nicht von dem Untergang / ohne gleiche Lebens-Gefahr / erretten können. Was geschicht? Mord und Todschlag war die tägliche Speise seines Hertzens / und so lange /biß er gen Soletten gelangete / da er dann alsobald dem Philomatho nachfragte / und die Rach zu üben Gelegenheit suchte.
Nun erkenne ein jeder / was vor Gifft / das boßhafftige salviret / ihm entrissen / und also mit solchem Schrecken herein gefahren / der ihn noch / biß auf diese Stund /kräncke / auch wol gar ins Grab legen werde. Doch /fuhr er weiter fort / sind in diesem die Sagen der Gemeine auch nicht allerdings eins: weil andere wollen /entweder Polyphilus / habe dem Philomatho Geld entführet / oder dieser habe jenen / aus erheblicher schändlicher Ursach / verjaget
Dem Ritter fielen diese Wort / wie lauter Donner- Keil / ins Hertz; bevorab / wann er das klägliche Geschrey Polyphili / neben der Rach-Begier / die er der Insul heimgestellet / bey sich behertzigte. Und obwoln Polyphili Wort so gestalt waren / daß sie viel ehe vor Klag-Wort angesehen; als zur Rach kondten ausgeleget werden: (wie sie dann auch in Warheit nichts anders waren / als hertzliche Senfftzer / die er seinem vertrauten Philomatho zuschickte / und dessen unverhoffte Abwesenheit betraurte) mochte doch der blut-durstige Argwohn und mord-gierige Eyfer / welcher das Hertz dieses frembden Ritters schon längsten besessen / ihm nicht benommen / sondern durch solche Erzehlung immer mehr und mehr gestärcket werden: biß endlich das mord-geneigte Unglück Zeit und Gelegenheit genug an die Hand gab / solche Blut-triefende Gedancken / im Werck zu vollbringen. Wie dann die folgende Nacht / als offt ernannter Ritter sich zur Ruh begeben wolte / und in eine Kammer geführet wurde / welche von deren / darinnen Philomathus seinen Schlaf genommen / durch eine löcherichte baufällige Wand unterschieden war / allerdings geschehen. Dann / da es fast zu Mitternacht war / und Philomatus mit Pistimoro / zu ihrer beyder grossen Unglück / erwachte / fieng Philomathus / seiner Gewonheit nach /mit folgenden Worten / und
Wie aber auf böse That die Reu / und nach dieser der Plag-Teufel / des sich selbst verdammenden Gewissens / nicht ausbleibet; dieses aber / aus Forcht der verdienten Straf / aller Orten flüchtig gehet / und Menschen-Gesellschafft meydet: Also flohe auch Pistimorus / mit dem noch Blut-rauchenden Dolchen /so eilig er mochte / hinweg / und mit solchem Glück /daß / wann er die Strick des bösen Gewissens / mit gleichfertiger Behendigkeit / fliehen könte; als er den Menschen-Händen entgangen / er sich freylich für nicht unglücklich zu schätzen hätte: alldieweil keiner / derer Innwohner / den Thäter anders erfahren /als daß sie ihn verlohren / und nach dem nicht wieder um gesehen.
Was vor Schrecken und Entsetzen / denen Innwohnern dieser Insul / über solchen unverhofften Todes-Fall /
Beschreibet den Zustand Polyphili / in der verwilderten Einsamkeit / und wie er den Verlust der Insul Soletten hinwieder bereichert: Lehret / daß wir Tugend / mit Müh / gewinnen müssen.
So schlaffe nun Philomathus in seiner seeligen Ruh. Wir kommen wieder zum Polyphilo / welcher / nach dem er / wie oben gedacht / an dem damahls erlangten sichern Port ausgestiegen / die Zeit mit allerhand betrübten Gedancken zugebracht / sonderlich da ihm sein Hertz in einer steten Creutz-Presse gedrucket worden; meines Erachtens / weil der Tod Philomathi ihn unwissend gepeiniget.
Sein härtestes Anligen war / daß er nicht nach dem Namen der vortrefflichen weiblichen Vollkommenheit geforschet / davon ihm Philomathus so viel wunder-herrliche Ding erzehlet / und / daß sie vor eine Göttin /
Es war ein ungleicher Boden / an hoch-erhabenen Bergen / jähen Klippen / dicken Wäldern / hochgespitzten Eich-Bäumen / springenden Brunnen / Felsen-rinnenden Wassern / getiefften Berg-Hölen / und sumpffigten Morasten / so bereichert / daß Polyphilus leicht verstehen kundte / es sey allhier mehr eine unbewohnte Wildnüs / als ein Wohn-Hauß menschlicher Gesellschafft zu finden. Doch weil ihm dieser Anblick nicht übel gefiel / bevor weil er ein Liebhabber der begünten Wald-Freude war / setzte er sich an eine sonderlich-erhöhte Steinklippe / von dannen er über Wald und Feld schauen / und die Wunder Gottes wol behertzigen kondte.
Die Gelegenheit dieses Orts / und dann die jetzige Beschaffenheit seiner eigenen Person / vermochte
Diese und dergleichen Gedichte mehr / die er / von der Einsamkeit / in der Einsamkeit / verfertigte /machten ihm diesen wilden Ort so beliebt / daß er bey sich selbsten gedachte / möcht ich nur einige beliebte Gesellschafft antreffen / wolt ich diese Gegend so bald nicht gesegnen. Aber / was thut die Vorsehung des günstigen Himmels? Da Polyphilus noch weiter dichten will / und allererst / auf diesem Stein-felsichten Gipffel / seiner ruhigen Tag völliger geniessen /hebt er ohngefehr seine Augen / über den Wald / gen Mitternacht / und erblicket / zu seiner hertzlich-verlangten Erfreuung / sein vorgesetztes Ziel / die Insul Soletten / an dem klaren Peneus Strand. Befindet auch / wie er unverhindert / und zu Land / mit trucknem Fuß / an deren Gräntzen gelangen könne / und nunmehr das Götter-Bild der Vollkommenheiten /davon er ihm biß daher wol tausenderley Gedancken gemacht / selber persönlich sehen. Wer damals die Tausendfältigkeit seines erfreuten Hertzens / und das Lust-Spiel seiner Gedancken hätte aussprechen wollen / müste / in Warheit / mit mehr dann hundert Zungen von der Natur seyn bereichert gewesen / so gar war kein Sinn an ihm / der nicht lauter Süssigkeit würckete / lauter Zufriedenheit dichtete. Die stral-werffende Augen ergötzten sich allbereit in Hoffnung / das Tugend-beschönte Bild zu beschauen: die bißher verknüpffte Ohren hoffeten allbereit / durch die klugverständige Reden dieser Erd-Göttinnen / eröffnet / und von ihren Schloß erlediget zu werden. Die Hände freueten sich der Zeit / die sie so hoch erheben würde / daß sie in den Beschluß der Silber-weissen Arme /
Die Brünstigkeit seines Verlangens und entzündete Begierde / mochte ihm leicht an statt eines schnell-erhitzten Pferdes seyn / das den Wind überholend / seinen Reuter fort rieß / und an das Ziel brachte: Doch gleichwol / weil die Reuterey zu Fuß geschehen muste / und der Weg sehr ungebahnt / voller Dornsträuch und Klippen / auch die Himmel-reichende Berge zu ersteigen / den Schweiß ausjagten; daß die Glieder freywillig gestehen musten / sie könten den Begierden des Gemüths nicht gleich lauffen; muste Polyphilus auch wider seinen Willen die gezwungene Ruhe annehmen / und in einer Baum-Höle zu schlaffen niederligen.
Ohngefehr mochte er noch eine Tag-Reise biß zur Insul haben / so nahe hatte er sein Verlangen erfüllet /wann nicht Sylvanus / mit seinen muthwilligen
Dem allen aber sey wie ihm wolle / so hatte vor dieses mal Polyphilus / vor die Gnaden-Errettung /seines Tod-gefährlichen Lebens / der geneigten Himmels-Gunst Ursach genug zu dancken: genug auch über das überstandene Unglück sich zu betrüben / als welcher nun abermal / an seinem Fürnehmen / verhindert / in der irrigen Wildnüs verführet / etwa noch den jungen Löwen / so bald er erwacht / zur Speise / oder sonst den wilden Thieren zum Opfer; dieser Wüsten aber / mehr als gewiß / zum ewigen Tod-Gefangenen werden müsse. Was wird er doch gedencken
Diß waren gerad Polyphili Gedancken / so bald er erwachte / der schmertz-brechende Angst-Schweiß ergoß sich durch die zarte Glieder / ja / den gantzen Leib dergestalt / daß / wann er nit in der verschlossenen Gruben gelegen / er selber sein Haar vor bethauet / und seine Kleider / vom Platz-Regen gewässert oder durchnetzet geglaubet hätte: so gar erfüllte der kalte Perlen-Thau die Stirn / und was um und an ihm war. Ist auch dieses nicht zu verwundern! Dann / welcher die Todes-Angst besinnen wird / die ihm der Schlaf vorgemahlet; welcher sein ängstig Wimmern /und Schmertz-beschwerte Noth / nach dem Schlaf /behertzigen wird / wird eben leicht verstehen / daß der von allen verlaßne und überall geplagte Polyphilus /durch seine Blut-zwingende Hertzens-Angst / wol gar in seinem eigenen Schweiß-Bad ersauffen mögen. Doch / weiln gleichwol das Leben / als der unwitderbringliche Schatz / sehr lieb / also gar / daß wir aller Noth vergessen / werden wir nur dem Tod entrissen: Also machte sich auch Polyphilus behend auf / und suchte nichts mehr / als sein Leben / aus der augenblicklich-beförchtenden Todes-Gefahr
Aber wie? es muste doch waar seyn / daß das wanckende Glück / nicht nur im Wohl-stand / sondern auch in Widerwertigkeit sich leicht ändere / und den es zuvor mit herben Wermuth gekräncket / bald hernach wiederum mit verzuckerten Freuden-Brod erquicke. Dann / als Polyphilus sich ein wenig in dieser Gegend umsahe / befand er / der näheste bey der Insul Soletten zu seyn / und dem Berge / darunter er mit Philomatho geruhet / gleich entgegen.
Keine Betrübnüs kundte nunmehr sein Hertz /wegen der wallenden Freud / mehr bestreiten / bevorab wann er die wunder-reiche Führung des mehr als gnädigen Himmels bey sich überlegte. Hat auch /sprach er bey sich selbsten / mich ein Wind daher geführet / oder ist die Erde / unter mir Schlaffenden /weggeschlichen / oder hat mich ein wildes Thier /durch des Himmels Befehl / daher bracht: (welches ihm etwas glaublich vorkam / in dem er seinen Arm beschädiget befunden / durch einen Biß / der sich einem Löwen-Zahn nicht ungleichete) oder durch wessen Hülff und Geschwindigkeit / hab ich diß mein verlangtes Ziel erlanget? doch sey dem / wie ihm ist /ich dancke dem gütigen Himmel / daß er mich mit einiger Glück-Stralen wieder bescheinen / und meinem Wunsch ein endliches Erfüllen verleihen wollen.
Beschreibet die Wiederkunfft Polyphili auf Soletten /durch Talypsidami / der ihm den Tod Philomathi verkündet: Lehret / daß dennoch Kunst- und Tugend-lieben den das Glück beförderlich seyn / und sie / nach vieler Widerwertigkeit / endlich begnaden müsse.
Ob nun wol die damalige Lust des Polyphili sehr groß / und unbeschreiblich / so vermochte doch die Furcht / wegen des erlittenen Angst-Traums so viel /daß / wann er an Philomathum gedachte / sein Hertz allmählig zu sincken anfieng / und seine Freudigkeit zu verlassen. Darzu ihm der zugegen erhobne Berg nicht weniger Ursach gab / in dessen begrünten Thal /er die Stätte kennen kondte / allwo sie das herrliche Gespräch gehalten / und von dannen er / durch die ungestümme Wellen; am meisten aber / durch seinen selbst-eigenen Vorwitz / sey weggeworffen worden. Doch dorffte hie die vergebliche Hoffnung sich gleichwol unterstehen / den Klagen Polyphili einigen nichtigen Trost beyzulegen / als ob er ehistens desselben / was er damals versäumet / ohne Verhindernus /weiter geniessen würde. Dieses nun / sonderlich aber das Gesicht Philomathi / veranlassete ihn darzu / daß er mit voller Begierd / und hefftigem Riß / auf die Insul Soletten zueilete / in willens / seinen Freund Philomathum anzutreffen / der ihm Gelegenheit würcken würde / die Solettische Göttin / die er stetig / in seinen Sinnen / vor ein Wunder der Welt ehrete / mit Augen zu sehen / und mit ehrenfreundlicher Höfligkeit zu begrüssen.
Polyphilus / so bald er des Schiff-Patrons ansichtig worden / legte seine gebührende Reverentz / mit schuldigem Danck ab / erzehlete auch / auf Begehren / was ihm bißher widerfahren / und wie er nun zum andernmal daher komme / und ein besser Glück hoffe. Der Schiff Patron / welcher von Natur ein schertzhaffter / lustiger Mann war / als er sahe / daß Polyphilus in vielen seines gleichen wäre / fieng erstlich an / ihn um Bekandtschafft anzusprechen / und richtete / nach beyderseits erkundigten Namen / Vatterland und Vorhaben / einen Eyd-befestigten Freundschaffts-Bund mit ihm auf / versprechend / daß er ihn nicht nur zum Philomatho wieder führen / sondern auch zu der Glückseeligkeit verhelffen wolle / die er zu erlangen / so viel Lebens-Gefahr ausgestanden; nemlich den Tugend-Preiß dieser Insul / und aller weiblichen Gaben Vollkommenheit zu sehen / auch wol gar mit ihr zu sprechen: wann nur das Glück gnädiger
Da sie nun beyde ausgestiegen / und Talypsidamus / (so war der Name des Schiff-Patrons) seinen Befehl gebührender massen ergehen lassen / und alles aufs sicherste verordnet / nötigte er Polyphilum / mit ihm nacher Hause zu gehen / allda um ein und anders weiter zu berathen. Polyphilus entschuldigte sich zwar zu erst / mit Vorwendung der grossen Unhöfflichkeit / die er in diesem Fall begehen würde: aber es mochte seine Entschuldigung vor dieses mal nicht statt finden / besondern er muste / auf instehende Bitt / folgen / weil er wol wuste / daß grosser Herren Bitt / mehrentheils einem Befehl ähnlich seyn. Auch that ers um desto lieber / weil er nunmehr sein unvergnügtes Verlangen zu stillen gedachte. Beyde wurden sie von denen Hauß-Bewohnern aufs höflichste empfangen. Talypsidamus von seiner Liebsten / nach der Lieben Gebrauch: Polyphilus aber nach Landes-Art.
Das erste und beste / so Polyphilus verrichten kundte / war / daß er / so viel ihm zu Gesichte kam /die übertreffliche Schönheit der hochgeführten Gebäu; die Wunder der künstlichen Natur; die geraume Plätz und kostbare Tempel; die fest aufgeworffene Thämme / und was dergleichen mehr / aufs fleissigste und genäueste betrachtete: alles / was er mit Augen sahe /verursachte seinem Hertzen viel Nachdenckens
Das gefiel Talypsidamo nicht übel / derentwegen er ihn auf einen erhöhten Saal in das Ober-Hauß führete / allda mit ihm sicherer zu reden / wie er sein Vornehmen vollbringen könne: wolle auch / weil Philomathus ein verschlagener Kopff wäre / denselben hieher holen lassen / damit er sein Gutachten vernehmen / und zu seinem Besten anwenden könne.
Polyphilus gehet in den Saal: Talypsidamus befihlet / man soll Philomathum holen: wird aber von seiner Liebsten deßwegen höflich verlachet / welche
Dessen erschrack der Schiff-Patron über die massen / und nach dem er die Art seines Todes verstanden / beförchtet er nicht mehr / als die Ungedult Polyphili / welcher sich über seinen so guten Freund hertzlich betrüben würde. Beschloß derowegen alsobald /ihm solches zu verhelen / verbot auch den Seinigen /nichts davon zu gedencken / biß es mit guter Gelegenheit geschehen köndte.
Indessen Talypsidamus dieses alles verrichtet / und etwas lang verweilet / nimmt Polyphilus erwünschte Gelegenheit / der beschönten Augen-Lust der künstlichen Gemähle / damit dieser Saal gezieret war / sich zu gebrauchen. Und weil er / sonderlich unter den Ovidianischen Lieb-Gedichten / viel befunde / die sattsam erweisen kondten / daß der Pinsel in allem der Feder nachfolge: Hinwiederum die / bey manchem Conterfey / künstlich gesetzte Verse nicht minder erwiesen / wie auch die Feder dem Pinsel alles nachmache: gedacht er bey sich selbsten; wie hätt ich eigentlicher verstehen können / was die Kunstberühmte Mahlerey; ja auch / was die Himmelwürdige Poesis sey? und wie viel diese von jener entschieden / als eben bey diesem Mahl-Werck / da ich ohne Trug sehen kan / daß das edle Mahlen sey die schweigende Poesis; und diese hinwieder sey ein redendes Gemähl und Bild / das da lebe.
Unter so vielen denckwürdigen Stücken aber /deren keines nicht sonderbahrer höchst-fleissiger Betrachtung werth war / leuchtete doch / vor allen / das holdselige und wunder-würdige Bildnüs / deren /davon wir bißher so offt gedacht / und / um welche zu erlangen
Treu-verbundener Polyphile! die Pflicht / welche /theils mein abgelegter Eyd / theils meine Schuldigkeit / bey euch / und allen Kunst-werbenden Hertzen /erfordert / soll euch versichern / daß alle meine Vermögenheit / euch einig zu dienen / sich nicht wägern soll; und wolte ich von Hertzen wünschen / daß ich einige Gelegenheit schöpffen köndte / darinnen ich mein williges und dienstfertiges Hertz gegen Freunde
Polyphilus / dem diese Rede frembd vorkam / als die sich auf ihr Vorhaben gar nicht schicken wolte /konte sich länger nit enthalten; sondern fieng zum Talypsidamo solcher Gestalt an: Geehrter Herr! Die Ursach / welche mich durch so unzehlich viel Gefährlichkeit hat hieher geführet / ist eben das / daß ich auf Tugend bauen / und keinem leichtfallendem Glük
Dieses verlegte Talypsidamus mit folgender Rede: Kunst-verlangender Polyphile! ich sehe / daß ihr /wohin meine Rede zielet / nicht allerdings verstanden / wolt auch wünschen / daß ihrs nimmermehr verstehen solltet / weil das Verstehen bey euch ein hertzlich Betrüben verursachen wird. Nun / daß ich eurem Begehren ein sattsames Genügen thue / und euch endlich deren Sorg und Kümmernus / die euer Hertz so lang gefangen gehalten / entbinde / so wisset / Glück-bereichter Polyphile! daß dieses Bild / welches ihr billich von der Tugend selbst gebildet glaubet / sey eben diese unsere Tugend-Dame / die ihr die Solettische Göttin / wir aber Macarien nennen. Und daß ihr wisset / wie meine Gunst-Gewogenheit / euch in allen beförderlich zu seyn / sich sehr bemühe / so ist zwar nicht ohne / daß ich euch / sonder höchst-gefährliche Mühe / nicht zu ihr führen kan / weil sie ihr gantzes Thun der beliebten Einsamkeit ergeben /
Polyphilus / vor Freuden halb todt / neigte sich in tieffster Demut vor Talypsidamo / ergriff dessen Hände / küssete dieselbe hertzlich? weil er damals sein denckgeneigtes Gemüt nicht anders bezeugen konte; und preisete sich den / durch viel Unglück /Glückseligsten / und unzehlich Betrübnüs / Erfreutesten / auf dieser gantzen Welt; den Glückseligsten /als dem die unfehlbare Hoffnung sein endliches Verlangen erfüllen / und der / ach! der tausend-verlangten Macarien Glück-gesegneten Anblick verleihen werde: Den Erfreutesten aber / als welchen das Glück schon so hoch erhoben / daß er gewürdiget sey / mit dem in Verbündnüs sich einzulassen / der selbsten der Tugend Verwandter / und der Kunst-Göttin Bluts-Freund sich bekennete. Darum fiel er dem Schiff-Patron um den Hals / bat ihn flehentlich / sein Beförderer in dieser Tugend-Bahn zu seyn; legte auch die rechte Hand / als das Unterpfand des Glaubens / in seine lincke Seiten / unter das Hertz / und schwur ihm bey Treu und Glauben: hätte er einmal Philomathum geliebet / so solte er ihm vor viel tausend Philomathen stehen; Er allein solte seine Dienste beherrschen; Er allein solte sein Hertz in seiner Bothmässigkeit halten. So viel war Polyphilo an Kunst und Tugend gelegen.
Polyphilus / dem zwar der Tod Philomathi sehr zu Hertzen gieng / und sonderlich deßwegen / daß er auf so grausame Weise / und solcher Ursachen halber /fallen sollen / die er mit nichten vor Warheit erkennen
Das Wonhauß Macarie war etwas ferne / darum sich Polyphilus nidersetzte / und seine letzte
Beschreibet den Zuspruch Polyphili / mit Talypsidamo / bey Macarien / und deren geführte Reden: Lehret / wie hoch die Tugend zu halten / und die Kunst zu lieben.
Eben war das Gedicht verfertiget / als Polyphilus den Gegen-Gruß von Macarien hörte / und / daß sie ihrer Gegenwart Verlangen trüge / Macarien wirst du sehen.
Die Erlaubnus war da / an der Begierde fehlete auch nichts / beyde waren sie leicht zu erbitten / ihren Vorsatz völlig ins Werck zu richten. Sie giengen hin /und kamen an den Ort / da die Tugend ihr Zelt aufgeschlagen / und der Verstand seine Wohnung hatte. Der Schiff-Patron gieng vor: Polyphilus folgte nach: aber zu seinem Unglück.
Warest du denn / Tugend-suchender Polyphile! daher kommen / deine Freyheit / das edleste Kleinod menschlicher Glückseeligkeit / um Schöne / zu verkauffen? Ist das dein Ziel gewesen / daß du / an statt der verlangten Tugend-Stralen / durch die Stralen der lieb-winckenden Augen sollest in die Netz / der unauflößlichen Dienstbarkeit / geführet werden? Suchest du das / dadurch du den köstlichen Schatz aller deiner Wolfahrt verlierest? So hätte man damals billich zu dem / durch den ersten Anblick der Macarien / liebgebundenem Polyphilo / und mit Recht sagen können: Der Eingang zu Macarien / war der Eingang
Macarie nichts wissend von der so zeitig und unvermuthig erwachsenen Liebe / dachte auf nichts anders /als Kunst-Gespräch und Tugend-lehrende Sitten: Wie dann ihr deren keines / der gnädige Himmel / oder die mildreiche Natur versaget: Polyphilus im Gegentheil dichtete nichts anders / als was sein Hertz immer mehr und mehr quälete. Doch wuste er alle seine Reden so meisterlich zu führen / daß sie zwar innwendig eine heimliche Passion der Macarien leicht eröffnen könten / von aussen aber keinen Schein / ohn der auf Tugend und Verstand gehe / funckeln liessen.
Macarie / welche nicht allein reich an Tugend /sondern auch mächtig am Verstand war / merckte alsobald / wohin die Augen Polyphili spielten / wornach dem Hertzen verlangte / und wohin die Wort zielten: ließ sich doch gegen Polyphilo nichts mercken / entweder ihren Vorsatz der Einsamkeit zu behaupten / oder dem vor genug-geplagten Polyphilo seine Schmertzen zu vermehren. Daher fieng sie an (wie sie dann aller List voll war) bald von der Blindheit der Liebe; bald von der Zufriedenheit der Einsamen;
Macarie / die diese Entdeckung seiner gefassten Liebe alsobald verstund / hätte gern dem Polyphilo seinen Irrthum auch damals erwiesen / und zugegen gestraffet / wann sie nicht den anwesenden Talypsidamum geförchtet / daß er die Sache mercken möchte; derowegen / damit dem Polyphilo sein Blick nicht unbeantwortet bliebe / bevorab / weil er selber Gelegenheit an die Hand gab / in dem er / von der Einigkeit der Liebe mit der Tugend / redete / und solche behaupten wolte / fieng die Macarie folgender Gestalt an zu ihm zu reden:
Tugend-liebender Polyphile! wann ich eure Gründe / damit ihr bißher erwiesen / wie die Liebe sich mit der Tugend so wol stelle / nach euren Worten
Polyphilus hatte vor dieses mal seinen Bescheid /mit welchem er vor Lieb nehmen mochte. Talypsidamus aber / der auch nicht ungeschickt war / dachte den Reden etwas nach / und wäre bald auf den Grund kommen / wann nicht Macarie / die klügeste der Frauen / alsbald zu ihm angefangen: verstehet ihr / geehrter Herr Vetter! wohin die Wort zielen? Ohnlängsten hat sich eine meiner liebsten Freundinnen / eben an diesem Ort / mich der vorgesetzten Einsamkeit halber / zu straffen unterfangen / und als eines grossen Versehens beschuldiget / daß ich in dieser frühen Jugend / manchen Jüngling in solche Netz führen würde / die er aufzulösen / ohne mein Behülf / nicht vermöchte. Nun hab ich mich zwar alsobalden in dem entschuldigen können / daß ich an mir nicht finde /was einig Netz bereiten / oder einen solchen Fall würcken könte / weil nicht die Jugend; sondern die Schöne / solches allein vermag / die sich an mir so gar nicht finde. Weil sie aber diesem noch fernere Wider-Rede hielt / und mich auch mit dem Lob der Schönheit krönen wolte / ja! so gar ihre Wort mit Werck erweisen / und mir einen edlen Jüngling nennen / der schon offtermals / ohne mein Vermercken /
Beyde / Talypsidamus und Polyphilus / fiengen zugleich an / die Rede zu beantworten; Jener zwar aus Gebühr: Dieser aber aus Angst / die ihm sein Hertz brechen wolte. Er verstund gar bald / was das geredt sey / und wie er je länger je mehr mit Bescheidenheit abgewiesen / unter eines andern Namen den Abschlag annehmen müste. Doch dennoch / ob der Schmertz gedoppelt so groß gewesen / und das Verlangen / dieses alles zu beantworten / nicht mit Fesseln hätte können aufgehalten werden; muste er gleichwol in den Schrancken seiner Jugend gebührenden Schamhafftigkeit / dem ältern dißmal die Antwort überlassen. Viel leicht zu seinem Besten / weil sehr vermuthlich / daß der Mund / in solcher Hertzens-Bedrängnüs / mehr geredt / als der Sinn erwägen können; ja / in beyseyn Talypsidami / mehr verderbet / als genutzet. Fuhr demnach der Schiff-Patron folgender Gestalt fort: Tugend-völlige Macarie! in allem dem / was ihr geredt /kan ich nicht anders zeugen / als daß die entdeckte Warheit / euern Worten Glauben erwerbe. Und ist freylich dem Zweifel sehr unterworffen / ob die Liebe mit der Tugend einigen Bund halte / weil jene auf einer leicht-wanckenden Kugel bestehet. So habt ihr an euch selbsten nicht das geringste Unrecht erwiesen / indem ihr / aller Lieb entfernet / keinem / durch dergleichen betrügliche Thorheit / trauen wollet:
Wer die Gedancken der schönen Macarien erreichet / der wird auch die Unergründlichkeit der tausend-vermehrten Freuden Polyphili entdecken / in welchen er um so viel mehr vertieffet wurde / daß dieses alles ohngefähr und wieder sein Hoffen und Wissen geschehen. Deßwegen er Talypsidamum / wär es müglich gewesen / gern in den Himmel gehoben hätte / und diesen Dienst / mit einem ewigen Danck /verschuldet. Was thut aber Polyphilus? was antwortet Macarie: Jener / so bald er die erwünschte Gelegenheit ersiehet / bemühet sich dahin / wie er die Wort Talypsidami / in der That / bekräfftigen möge. Das beste / so er thun konte / war / weil Talypsidamus redete / daß er die Wort / so mit hertzlich-geholten Seufftzern / so mit lieblich-winckenden Blicken / so mit demütig-gebücktem Haupt / und andern Leibs-Bewegungen mehr / nach Art und Beschaffenheit der Sachen / begleitete: dadurch er dann völlig die Warheit zeugen / und den Reden Glauben verdienen kunte: auch wuste er das alles so meisterlich zu spielen / daß ihn offt Macarie mit Furcht ansahe / sich über ihn verwunderte / und seiner Vollkommenheit halber freuete.
Wäre die weibliche gebührende Schamhafftigkeit nit so mächtig gewesen / hätte / in Warheit / Macarie
Weil sich aber gleichwol die flammende Brunst nicht bergen ließ / sondern mit grossem Gewalt zu den zarten Wangen der Macarien außschlug / und dieselben mit Purpur bemahlte / so gar / daß sie selber beförchtete / es möchte es nicht allein Polyphilus /sondern auch der Schiff-Patron mercken / gedachte sie alsobald dem Argwohn vorzukommen / und die Liebes-Bewegung mit den Farben der Schamhafftigkeit anzustreichen / als wann diese / nicht jene / ihrer Scham-berötheten Wangen Ursacherin wäre. Beantwortete demnach die Red des Schiff-Patrons folgender Gestalt:
Geehrter Herr Vetter! die Röthe meiner Wangen wird / ausser meinem Bekantnus / zeugen / wie mich eure Wort beschämet. Absonderlich / da ihr kein Bedencken getragen / in Anwesenheit dieses edlen Jünglings / mich auf solche Art zu straffen / daß ich ungewiß bin / soll ich meinen Irrthum bessern / oder vertheidigen. Jenes solte mir freylich obliegen / von wegen eurer / dem ich zu folgen verpflichtet; nicht weniger auch dieses Polyphili / dessen um mich vielfältig-ausgestandene
Tugend-beschönte Macarie! was soll mir der Danck wegen unverdienter Ehr / welcher nicht mir /sondern ihrer Göttlichen Vollkommenheit gebühret. Wird sie mich nun wieder straffen? Nein / alleredelste Macarie! Unverdiente Ehr läst sich noch annehmen: aber unverdiente Straf zu dulten / schmertzet sehr. Hab ich unrecht geredt / indem ich sie eine Göttin der Sterblichen genennet / so bitte ich / erweise sie / welcher dann dieser Ruhm vor ihr gebühre? Hab ich übel gethan / daß ich sie den unbegreifflichen Schatz aller Tugenden bekennet / so gestehe sie mir ein Laster /das ihren Wandel beflecke. Hab ich gefehlet / da ich ihr himmlische Sitten erwiesen / so widerspreche sie mir die Himmel-bescherte Gaben / und behaupte / daß Kunst und Tugend; Höf- und Freundlichkeit / auf der Erden wachse. Wer / meynet sie / Macarie! wird den Sieg erhalten? Ich zwar / bekenne mich dessen unwürdig / und bin vergnügt / wann Macarie meinen / ihr ertheilten / Ruhm erkennen
Macarie / die sich indessen eines bessern besonnen / gab / wegen kürtze der Zeit / auch eine kurtze Antwort / weil sie ohne das mit Polyphilo aufgestanden waren / und wieder zu Hauß kehren wolten. Darum sprach sie: Was die Bitte meines Herrn Vettern belanget / ist mir selbe an statt eines Befehls /dem ich schuldigen Gehorsam leisten muß: doch so fern / daß eure Freundschafft / unter der Tugend-Decke nicht ein Laster verberge / oder ausser derselben etwas mehr begehre: da ich dieser Furcht entlediget /kan ich leicht gestatten / daß ihr / um ein gutes Gespräch zu halten /
Beschreibet die Ersäuffung Polyphili / und die daher entstandene betrübte Klagen / der erschreckten Macarien / und was sie vor Nacht-Gesicht betrübet: Lehret an Polyphilo / die der Kunst und Tugend ewig widerstrebende Unglücks-Bestürtzung / von deren bißweilen alle Hoffnung niedergeschlagen wird; an Macarien aber / die selbst nothleidende Tugend.
Aber / O des unglückseeligen Polyphili! wie unbeständig ist doch die Freude der Menschen / welche verdorret ehe sie erwachsen / und umgerissen wird /ehe sie gegründet. Der Lusthoffende Polyphilus gieng in steten Gedancken / wie er wieder zu Macarien kommen / und etwa sein betrübt Verlangen / durch ihre Freud-erweckende Gegenwart / stillen könte / da ihm das Unglück eben eine neue Gruben bereitete /und die Netz der Verhindernus ausspannete / seine Freuden zu fangen / und seine Hoffnung zu vernichten. Dann / so bald er mit Talypsidamo ins Haus trat /befand er sich / mit einer grossen Meng gewapneter Soldaten umringet / die
Talypsidamus / sich nichts böses beförchtend /trauete allem dem / und gedachte / Polyphilus würde sich bey Macarien / seiner Gefängnus halber entschuldigen lassen / beredete derowegen die Soldaten / daß sie / auf seinen Glauben / Polyphilum / so weit er begehrte / mit ihm hinaus liessen. Als nun Polyphilus einen gelegenen Ort ersehen / steht er still / und fängt folgender Gestalt an: Treu-geliebter und hertzvertrauter Freund! die Menge der Gutthaten / so ihr mir unverdient erwiesen / kräncket mich freylich jetzo / daß ichs nicht aller Seiten wieder ersetzen kan. Ich weiß doch wol / daß ich sterben muß / und ist ungewiß / ob ich euch / viel weniger Macarien / wieder sehe. Darum / so bitte ich euch / durch aller Götter Erhörung / ja! ich befehle euch / Krafft unsrer Eydverbundenen Pflicht / daß ihr / nach meinem unschuldigen Tod / den die Götter / durch ihre gerechte Rach erweisen werden / bey meiner / ach meiner! ja meiner hertzgeliebten Macarien / ein treuer Zeuge seyd meines Hertzens / welches sie / durch ihre Schönheit / Tugend
Talypsidamus voller Schrecken / wuste nicht / was er machen / wie er helffen / wo er rathen könte. Die erzürnte Soldaten drungen mit grosser Macht auf ihn zu / und forderten ihren Gefangenen: Der aber hub an sich zu verschweren und verfluchen / daß er unschuldig wäre an diesem Tod / und daß er nichts davon gewust. Verschaffte derowegen alsbald / daß ihrer etzliche zu Schiff sitzen / ihm nachsetzen / und den todten Cörper aus den Wellen hervor ziehen solten. Es mochte auch der Innwohner Grimm und Zorn nicht so groß seyn / daß sie nicht alsobald zum Mitleiden bewegt / ihre That bereueten: aber Talypsidamus beweinte seinen Polyphilum / und kunte sich nicht trösten.
Der Abschied / den er von ihm genommen / nötigte den Schiff-Patron / daß er zur Macarien gehen / und seine Pflicht beobachten muste. Diese / so bald sie erfuhr / was da geschehen / und wie sie Ursach wäre an dem allein; ja! daß er sie hertzlich geliebt / und dessen noch nichts genossen / fieng sie bitterlich an zu weinen. Es häufften die Zähren die Erinnerung seiner erlittenen Noht / es mehrete den Schmertzen die Erkantnus seiner Gedult / alles / was er geredt und gehandelt / vergrösserte die Angst Macarie / und ihres Hertzens Betrübnus. Deßwegen sie dann auch die Gesellschafft dieses Schiff-Patrons nicht länger begehrte / sondern ihn mit höflichen Worten / welche einige nötige Geschäffts-Verrichtung vorwandten / wieder heim eilen hieß. Es waren aber ihre Verrichtung nichts anders / dann bethränte Klagen / und klagbaffte Thränen / damit sie den unschuldigen Tod Polyphili /in ihrer Einsamkeit unverhindert / begleiten könte. Der Schiff-Patron merckte bald / wohin das Hertz der Macarien zielte / derohalben er auch ihr nicht länger verhinderlich / sondern vielmehr beförderlich zu seyn sich befleissete / indem er derselben die letzte Wort Polyphili / mit dem darinnen begriffenen letzten Willen anzeigete / auf Bitt und Befehl Polyphili selbst.
Der Schiff-Patron / der dieses alles mit Verdruß anhörte; dieweil er gedachte: es wäre das Hertz Macarie diesen Worten gleich: hielt vergebliche Wider-Rede /und bemühete sich sehr / diese übelgefasste Einbildung der Macarien zu benehmen / mit Vorwendung /daß alles / was Polyphilus gethan /
Endlich gehet Talypsidamus wieder fort / Macarie /die immer heimliche Sorge vor Polyphili ertödeten Cörper trug / fragte: ob der Cörper Polyphili gefunden / oder noch gesuchet werde? Und da sie von dem Letzten das Ja-Wort erhielt / sprach sie ferner: Nun denn / geliebter Herr Vetter! so thut euren Pflichten gemäß / weil ihr ihn so hertzlich geliebt / und seine Kunst und Tugend noch immerdar sehr vertheidiget /versehet ihn / wann er gefunden wird / mit einem ehrlichen Begräbnus. Mit diesem Versprechen scheidete er hinweg / und ließ Macarien allein.
Diese / nach dem sie die Thür verriegelt / und alle Eingäng verschlossen hatte / so gar / daß sie sich nun / allein zu seyn / versichern konte / fieng / mit höchstschmertzlichen Senfftzern / und heiß-quällenden Thränen / ihre Kümmernus / und die Widerwertigkeit des falschen Glücks / durch den unversehenen und schmäligen Tod Polyphili / hertzlich und schmertzlich an zu beklagen und zu beweinen / weil sie sich in der grössesten
So beklagte sie aber den Tod Polyphili: Ach! daß mich die Gunst des Himmels so hoch geliebet hätte /daß ich entweder gleiche Straffen mit ausgestanden /oder ja keine Gelegenheit irgend überkommen / Strafe zu verdienen! Bist du denn / ertödteter Polyphile! zu deinem und meinem Tod hieher
Als Macarie sich so schmertzlich ängstigte / über fiel sie eine krafftlose Ohnmacht / darinnen sie so lang verharrte / biß sie in einen angenehmen Schlaf gerieth / und im Traum den Polyphilum vor sich stehend befand / sie mit freundlichen Worten bittend /sie wolle ihm das Kleinod ihrer Tugend-geziemenden Gegen Gunst nicht länger verhalten: Darauf sie aber nicht ein Wort antwortete / sondern mit Stillschweigen / sein Begehren widersprach / und obwol Polyphilus noch ferner anhielt / mochte er doch nichts erhalten / biß er endlich / mit betrübten Hertzen und weinenden Augen / von ihr scheiden muste.
Bald darauf erschien ihr ein ander Bild / das auf sie zunahete / und eine Tafel überreichete / darauf der Name Polyphili in Wachs gedrucket war / welche Macarie annahm / und an die Sonnen setzte / biß das Wachs zerschmoltzen: worüber der / so die Tafel überreichet / mit einem Schwerdt erstochen.
Bald nach dem befand sie sich in einer Hölen /unter den wilden Thieren / deren jedes einen Theil vom Polyphilo im Rachen hielt / und daran nagte /konte doch selbiges nicht verschlingen: Derowegen sie / wider ihren Willen / den Raub fallen liessen /und mit grossem Ungestümm auf Macarien zudrungen / sie anfielen / und bald hin / bald her schleppeten / vermochten ihr doch nichts zu schaden.
Diesen Schrecken vermehrete ein ander Gesicht /weil sie in einem engen Schrancken zwey junge Ritter
Nach dem sahe sie ein Gesicht / das erschröcklich anzusehen war / voller Eyfer / mit aufgesperrtem Rachen / und Feur-wetzenden Zähnen / das sie doch nicht recht vernehmen konte / ob es einem Menschen /oder sonst einem Thier gleich sahe. Und als dieses verschwunden / wurde sie zweyer schwartz-bekleideten Jungfrauen gewahr / die stätig ihre Augen / so mit Thränen flossen / trückneten / bald auch / als aus Verzweifflung / die Hände ineinander schlugen / und sich kläglich geberdeten. Denen folgte ein kleiner Knab unbekleidet / welcher sich sonder-frölich stellete / und bald diesen / bald jenen anlachete: alle aber / die angelachet wurden / fiengen kläglich an zu weinen. Nach selbigen folgete eine gantze Schaar Lust-tantzender Göttinnen / die mit erhobener Stimm ihre Hertzens-froh besungen / und nichts unter liessen /was zur Vermehrung ihrer angefangenen Lust dienen mochte. Diese Schaar zog einen Gefangenen nach /mit Fesseln und Ketten so wol verwahret / daß er /ohne groß Geklapper und Geräusch / nicht vorbey gehen mochte. Sieben waren der Wächter und Kriegs-Knechte um ihn her. Und dieser war die Ursach ihres Freuden-Spiels. Sie setzten ihn auf einen erhabnen Thron / und verwahreten die Ketten aller Orten mit festen Schlössern / und kam ein jede der Göttinnen /und übete ihre Rache. Endlich trat auf der kleine
Macarie erwachte über den Schrecken / konte sich doch / wegen der starcken Ohnmacht / nicht erheben /bleibet demnach noch länger in der Ruhe. Indessen kommt die berühmte Zauberin Melopharmis / welche der Macarien sonderlich gewogen war / und dannenhero auch dem Polyphilo / als welche / durch ihre viel-vermögende Kunst / ihrer beyder Hertzens-Wunsch schon wuste. Diese gedachte der Macarien eine Freud wieder zu machen / und von der beschmertzten Angst zu erlösen / darum sie folgende Wort mit verständlichen Buchstaben auf den Tisch mahlete / dabey sie schlieff / auf daß / wann sie erwachte / dieselben alsbald ins Gesicht fassen könte. Die Wort aber waren diese: Betrübte Macarie! die Götter haben deine Seufftzer erhöret: dein Polyphilus ist nicht tod: deine Tugend hat ihn nicht gestürtzet; sondern erhalten. Du aber laß ihn geniessen dessen /das er um dich erlitten. Und ob du seiner noch so bald nicht ansichtig wirst / laß dich nichts bekümmern. Ehre seine Kunst in deinem Hertzen: liebe seine Liebe auch abwesend: vergiß nicht seiner letzten Wort: ich habe ihn an fremde Ort geführet / da er sich deiner wird würdig machen: und du wirst selber noch dir zu wider leben. So bald die Wort geschrieben waren /machet sich Melopharmis durch ihre
So bald mochte der Schlaf die Augen nicht erlassen haben / daß sie von dieser Schrifft nicht wieder gefüllet wurden. Die Erinnerung ihrer viel-deutenden Träume / der Schrecken über diese unerwartete Schrifft /und der Schmertzen / so sie noch immerdar gefangen hielt / verwirreten sie dermassen / daß sie selber nicht bey ihr gedencken konte / was sie deneken solte. So bald sie aber die erste Wort gelesen / und / wie die Götter ihre Senfftzer erhöret / vernommen / sagte sie alsobald: gewiß ist die Schaar der Unsterblichen hie zugegen gewesen: gewiß ist diß durch ihre eigene Hand geschrieben. Grosse Freude erquickte das Hertz / und die Begierde / was gewisses zu erfahren /verkürtzete die Schrifft dermassen / daß sie in unglaublicher Eil durchgelesen war. Es belustigte sie dieselbe auch so sehr / daß sie wiederum von vorne anfieng: aber die Schrifft verschwand für ihren Augen / welches sie noch mehr stärckete in ihrer Einbildung / daß dieses ein sonder-gnädiges Himmel-Geschicke seyn müsse. Nichts fiel ihr ungelegener / als daß sie nicht mit grösserm Nachsinnen die Wort gelesen / doch blieb ihr dieses in frischem Gedächtnüs /daß sie vernommen / Polyphilus lebe und liebe / dem sie auch allerdings mit einer Gegen Liebe begegnen solle. Welche Erinnerung sie in diese Wort heraus zu brechen bewogen.
Wie kan ich dir / günstiger Himmel! in dieser meiner sterblichen Schwachheit nach Verdienst und Gebühr dancksagen / daß du mich durch deine milde Beschützung / in meiner höchsten Bedrangnus / so
Dieses alles / was wir bißher von Macarien erzehlet und vernommen / war aus keinem andern Grund / als aus Mitleiden / gegen dem Polyphilo / geredt und gethan / als welcher / durch die falsch-gefasste Hoffnung / Tugend und Kunst bey Macarien zu erwerben /sein Leben einbüssen müssen: Wiewol die Gedancken Polyphili weiter giengen / der ihm wol gar einbilden dorffte / (wie er denn einen hohen Sinn führete / der ihm offt mehr durch das blinde Glück / als nach seinen Würden / oder Vermögen / sein Begehren gewährete /) mit Macarien in solche Verträulichkett zu kommen / daß ihrer beyder Hertz ein Wollen und ein Beginnen dichte / ja! daß man gar sagen müsse: Polyphilus und Macarie
Beschreibet die Errettung Polyphili / durch Melopharmis geschehen / die ihn zu dem versenckten Schloß geführt / und was sich allda ferner mit ihm begeben: Lehret / wie dennoch der gnädige Himmel ein wachendes Auge habe auf die Tugend-verliebte /und seine Hülff wol verberge / aber nicht entziehe.
Nun müssen wir wieder zum Polyphilo kommen / und besehen / wie es selbigem ergangen. Alle und jede hielten ihn vor todt / und konte die Tieffe des Wassers / und die brausende Wellen nichts anders zeugen / als daß sie Polyphilum verschlungen: welches über das bekräfftiget wurde / weil der ertränckte Polyphilus / oder dessen entseelter Cörper / nicht konte gefunden werden; daher sie alle schliessen wolten / er wäre von einem Meer-Thier verschlungen / oder an einem Anstoß im Wasser hangen bliebe. Aber wie weit ein anders und bessers hatte die Vorsehung des gütigen Himmels beschlossen. Es muste dannoch waar seyn / daß die ergrimmete Boßheit der Menschen / mit aller ihrer List und Gewalt / nicht erdrucken könne / was die Erhaltung der allgewaltigen Götter / durch ihre Begnädigung / erauicken will. Denn /da sich Polyphilus / sein Leben zu verderben / und sich aller Welt Schande zu entbinden / mit völliger Verzweifflung ins Wasser stürtzete / kam er auf den Weg / selbiges / mit desto
Melopharmis / davon wir allbereit oben gehöret /und deren Kunst-kündige Zauberey / war dem Polyphilo so geneigt / daß sie ihn unversehrt / und mit unglaublicher Behendigkeit / durch den Strom / bey etzlichen Feld-Weges weit / wegführete / biß er in die Tieffe versencket / an ein herrlich-schönes Schloß anstieß / in welchem die Innwohner / auch unter dem Wasser / ohne Furcht der Ersäuffung / leben / ja! ohne Verhinderung der Fluten / aus- und eingehen konten.
Polyphilus / der nicht wuste / wie ihm bißher geschehen / wegen des erschröcklichen Sausens und Brausens der Wellen / wurde von Hertzen froh / daß er einen solchen Ort erlanget / da er ohne Todes-Forcht Athem holen / und frische Lufft schöpffen dorffte. Ausser dem / daß er nicht wuste / wie er / unversehrt seines Leibs und Lebens / daher gerathen war / wunderte er sich noch so sehr / wie ein so herrlich Schloß in ein Wasser gebauet / und die Menschen / ohne Verletzung / daselbst leben könten.
Es war aber dieses Schloß vor dem / durch eben der Melopharmis Zauberey / von dem Meer verschlungen / und unter die Tieffe versencket worden / aus Ursach / weil dieser Melopharmis einiger noch unerwachsener Sohn / von diesem Schloß / durch Untreu eines alten Weibs / Cacogretis genannt / in das Meer gestürtzet worden. Diese blutschuldige That nun zu rächen / hatte sie nicht allein das alte Weib mit Gifft ertödtet / sondern auch diß köstlicherbaute Schloß /durch ihre Zauber-Kunst / versincken heissen / so lang / biß ein edler Jüngling / diese Unschuld bezahlte / und sie wieder einen Sohn bekommen hätte.
Sieben Thor muste er durchbrechen / biß er in den Vorhof gelangete. Die aufgeworffene Thämme / und hoch-geführte Wälle / mit den fest-verwahrten Mauern / Thürnen / und was sonst dem Feind zum Schrecken aufgeführet war / gab alles gnügliche Ursach /sich theils über die Kunst-reiche Erfindung / theils über die mehr als Menschliche Verrichtung / am meisten aber über die Güte des Himmels zu verwundern /welche den menschlichen Verstand so hoch begabet /daß er nicht mehr menschliches / sondern Göttliches gedencke und erfinde: Wie dann in Warheit diese Burg mit allem Recht eine Himmel-Veste hätte können benahmet werden. So war auch an der Zierde und Schöne kein Fehl / daß sie nicht einem jrrdischen Paradeiß hätte sollen gleich
Ohren und Augen hatten genug / daß sie sehen und hören konten / so viel artige Lust-Spiel erregte das himmlische Geflügel. Bald nahm eine ihren Flug mit geschwinder Behendigkeit durch das gestemmte Wasser / und fiel als ertruncken wieder hernieder / so bald es aber auf den Boden fiel / ward es alsbald wieder lebendig. Bald wanderten sie alle / so viel ihrer da zugegen waren / durch die ausgespante Lufft / hielten an einem Ort beysammen / und erhebten dermassen ihre verliebte Stimm / daß der widerhallende Echo / aller Orten / seine verschwatzte Zunge / in diesem Vorhof hören ließ. Bald setzte sich ein jede wieder auf die erhöhete Aeste / und sonderlich nahm die muntre Nachtigal ihren Ort auf der Linden ein / darunter Polyphilus ruhete: gerad aber gegen ihm / versteckte sich eine seufftzende Turtel-Taube in eine verdorrete Hecken /aus welcher sie doch bald wieder herfür kam / und sich auf einen andern dürren Zweig setzte / auch mit heiserer Stimm anfieng zu girren / weil sie ihre Buhlschafft verlohren.
Dieses verursachte Polyphilum / daß er / aber / ach mit Schmertzen! an seine Macarien gedachte / wünschete nicht mehr / als daß sie wissen möchte / daß
In diesen Gedancken saß Polyphilus wie lange / und sahe nach dem Unterscheid der Gedicht / bald die Turtel-Taube / bald die Nachtigal an / deren jene den Schmertzen mehrete / diese aber linderte: biß er endlich von Leid und Freud bestritten / folgendes Sonnet / auf die Gleichheit seines betrübten Zustandes /und der Turtel-Tauben klagen / verfertigte / dieses Inhalts:
Nun / sprach er bey sich selbsten / als er das Gedicht verfertiget / wolte ich / daß meine allerliebste Macarie diese Wort lesen solte / damit sie gewiß wissen könte / wo und wie ich lebte. Indessen er aber noch andere geheime Gespräch mehr erkiesete / siehet er ohngefehr einen jungen Knaben / durch den Hof / zum Wasser eilen / allwo er / seiner Gewonheit nach / mit sprützen / rinnen / und dergleichen Kinder-Beliebungen mehr / seine Zeit verderbte.
Polyphilus / der daher schliessen konte / daß noch mehr lebende Menschen vorhanden seyn würden /floh das Gesicht des Knabens / aus Forcht / er möchte durch ihn verrathen / von den Inwohnern wieder hinaus gestossen / und endlich ersäuffet werden: Zuvor /weil er wider Wissen und Willen der bestellten Wächter herein gangen. Aber es gieng dem Polyphilo / wie denen / die die Tropffen fliehen wollen / und in den Platz-Regen gerathen / dann da er von dieser Linden hinweg / unter etliche Feigen-Bäume sich verkriechen will / fällt er einer erbarn alten Matron in die Hände /welche eben damals Frucht von diesen Bäumen suchete.
Wie sehr Polyphilus erschrocken / kan männiglich leicht ermessen / doch weil er keinen bessern Rath damals erfinden konte / als seine Unschuld zu bezeugen / und / wie er daher gerathen / zu eröffnen / nähert er mit schuldiger Ehrerbietung auf die Matron zu /und weil er sahe / daß sie an Jahren und Verstand mit gutem Recht seine Mutter seyn und heissen könne /auch durch diesen Ehren-Titul viel zu erwerben sey /wol wuste / fieng er mit folgenden Worten an sie zu grüssen: Edle Matron / und meiner noch frühen Jugend / wolwürdige / vielgeehrte Mutter!
Mit diesen Worten bückte er sich auf die Erden /erwieß ihr seine schuldige Demut / und nahm daher Ursach ihre Hände zu küssen: welches alles dann /dem Polyphilo guten Willen erwecken / und die Gunst dieser verständigen Matron dergestalt erwerben
Geehrter Freund! freylich wundert mich nicht wenig / wie ihr an diesen verborgenen und gefährlichen Ort lebendig gelangen können. Haben dann die Wasser ihre sonst gewöhnliche Natur ausgezogen? Sind unsre Mauren und fest-geführte Wälle eingefallen? haben die Wach-haltende geschlaffen / oder sind sie unsehend worden? Jenes ist nicht glaublich; dieses sehen wir anders vor Augen / und das Letzte darff ich nicht hoffen. Wie seyd ihr dann zu uns herein kommen? Eurem Vorgeben nach / wisset ihr selber nicht wie / welches mir doch so grossen Zweifel macht /daß ichs vor unmüglich halte. Soltet ihr von der wollenden Vorsehung des allwaltenden Himmels daher geführet seyn / möchte freylich solches nicht umsonst geschehen: und hätten wir uns sämtliche dessen hertzlich zu erfreuen / wann unsre bedrangte Gefängnus /durch etwa euern Arm solte aufgelöset werden. Ich muß bekennen / daß dieses etwas neues und ungewohntes ist / ja! über die Vermögenheit menschlichen Beginnens. Auch ist / die die Zeit unsrer Verbannung / kein Lebendiger / ausser euch / zu uns kommen. Dörfft ihr derowegen nicht bitten / euch in unsre Freundschafft aufzunehmen / so fern ihr mir alle Umstände erzehlen und bekennen werdet / durch was Geleit ihr zu uns kommen. Versichert euch / daß ihr /von diesem gantzen Hause / allen Willen und Ehre zu erwarten habt.
Polyphilus / dem dieses willige Anerbieten nicht wenig Freude verursachete / bekandte allerdings frey heraus / wie er aus seinem Vatterland Brunsile / durch die Widerwertigkeit des Glücks / zu der Insul beförchtete / vermochte mich dahin / daß ich lieber mein Leben / als meine Ehre zu verlieren suchete. Deßwegen ich / ehe gewaltige Hand angeleget wurde /mich ins Wasser
Die Matron vor Freuden gantz entzücket / vermochte kaum die Zeit zu erwarten / daß Polyphilus ausgeredt / so voll ward sie des Verlangens ihrer Entbindung / da sie den Namen Macarien nennen hörte. Sie fiel Polyphilo um den Halß hertzete und küssete ihn / mit diesen Worten: so seyd ihr gewiß Polyphilus / unser Erretter! und indem machte sie ein solch Freuden-Geschrey / daß so viel deren verborgen lagen / alle / aus dem Schloß hervor / in diesen Hof kamen / um zu vernehmen / warum diese Matron so freudig sich behägte.
Polyphilus / gantz erstaunend / konte mit all seinen Sinnen nicht erreichen / wie es doch ewig komme /daß diese unbekandte seinen Namen wuste / ehe er selben offenbaret. Und wiewol ihm allerhand Gedancken beyfielen / wolte doch die Gelegenheit der Zeit nicht gestatten / daß er eyferiger und sinnlicher der Sachen nachdencken könte / weil er genug zu schaffen hatte / daß er einem jeden mit gleicher Reverentz und schuldigem Gruß begegnete. Das Knäblein / so noch immerfort bey dem Brunnen gespielet / war der erste /der auf die Matron zulief / und die Ursach ihrer freudigen Geberden forschete. Dieser war der Sohn Melopharmis / so vom Schloß ins Wasser gestürtzet
Es waren aber diese Tafeln von der Zauberin Melopharmis aus Ertz gemacht / und zugleich mit Versenckung des Schlosses / durch ihre viel-vermögende Kunst / in den Tempel versetzet / mit folgender Schrifft: Wann das Gelübd der Einsamkeit wird durch Polyphilum aufgehoben seyn / wird das Wasser wieder geben was es verschlungen; und wann die Mutter ihren Sohn überkommt / wird Macarie unter einem fremden Joch gefangen liegen.
So bald Polyphilus von einer Tafel höret / darauf der Name Macarien mit Polyphilo stunde / eilete er mit grossem Verlangen selbige zu sehen. Dann mehr wuste er noch nicht davon. Es erinnerte ihn aber die Matron / daß seinem Verlangen kein Genugen geschehen könne / er habe sich denn zuvor mit dem Himmel versöhnet / daß er würdig werde in diese Tempel zu gehen. Dann / sagte sie / der Tempel / darinnen diese beyde Tafeln verwahret sind / ist der dritte / und können wir zu dem nicht gelangen / wir gehen denn zuvor durch den ersten und andern / deren jeder von uns heilig gehalten wird.
Das alles aber / obs schon wol getroffen war / sagte die Matron doch nicht / als wann sies gewiß gewust /sondern / weil sie den Innhalt der Wort / so auf der Tafel bezeichnet stunden / durch die Erzehlung Polyphili erkläret / nunmehr leicht fassen konte; sich auch beförchten muste / wann Polyphilus von nicht-ziemender Liebe eingenommen / und sich / durch diese Tempel zu gehen / unterfienge / alle ihre Hoffnung zu stäuben würde; weiln kein solcher in den Tempel der Tugend gehen dörffte. Auch war das keine unnötige Furcht / weil gleichwol Polyphilus / durch die wunderthätige Hand der Gnad-reichenden
So es müglich wäre / daß alle Menschen jetzund Polyphilum hätten ansehen können / würden sie ein eigentliches Bild wahrer Reu / und ein Beyspiel eines erschrockenen Hertzens gesehen haben. So gar hatte der Wort-Donner dieser straffenden Matron / die Begierde Polyphili zerschmettert / daß er nur auf die Versöhnung / aber keiner Tafeln mehr gedachte. Dann so bald / als er von dem schuldigen Danck / vor die Wunder-gütige Errettung / hörete / so bald fiel ihm auch sein Versprechen bey / daß er
Die Scham / so ihr mir durch eure Erinnerung eingejaget; der Schrecken / welcher mich die Ungnade und den ergrimmten Zorn des vorgetreuen Himmels fürchten heifset; und welches das allermeiste ist / ja! das allerschröcklichste / meine übermachte unverantwortliche Boßheit / hat mich so zerschlagen / daß ich nicht weiß / was ich reden / wie ich mich verantworten soll. Mein verdienter Lohn wäre / daß mich der erzürnte Himmel mit einem Feuer-Stral auf dieser Stell verzehren ließ: und an euch / ihr anwesende Freunde und Freundinnen / hätte ich verdienet / durch euer Schwerdt hingerichtet zu werden / indent der jenige /von welchem ihr eure Errettung hoffet / euch in viel grössere Noth gesetzet hätte. Was soll ich thun? Soll ich an der Güte des Himmels verzweiffeln? so geniesset ihr nicht der Dienste / die euch der gnädige Himmel / durch meinen Arm / zu geniessen vergünstiget /ja! versprochen. Soll ich mich eurer
Diese Red Polyphili erweckte allen denen / so da zugegen waren / sonderlich aber Atychintidœ / so hieß die Matron / ein solches Nachdencken / daß sie noch einmal zu Polyphilo anfieng: Wir wollen nicht zweiffeln / bestürtzter Polyphile! daß die mild-gütige Götter eure Bekantnus angenommen / und euren Fehler gnädigst vergeben: so habt ihr auch an uns nicht zu zweiflen / weil auch wir Menschen sind / und stündlich / wegen unserer vielfältigen Mißhandlung /straffens würdig: doch gleichwol / weil ich aus dem Beschluß eurer Rede vernommen / wie ihr die Macarien mit so beschönten Worten verehret / daß dergleichen keinem Menschen / sondern allein denen / die in dem Himmel herschen / zukommt / kan ich nicht anders schliessen / als daß ihr solches aus dem Affect der Liebe / die ohne Tugend regieret / geredt. Zwar will ich nicht widersprechen / daß sie etwas sonderliches sey unter den Menschen / auch will ich gern gestehen / daß sie ein köstlicher Schatz voller herrlichen Tugenden / ja! ich will zugeben / daß sie ein Ausbund aller weiblichen Vollkommenheiten sey: und das zwar nach Gebühr / dieweil es das Ansehen hat / als solte auch ihre Hand nicht ferne von unser Errettung stehen; aber doch folget da lange nicht her / daß sie ein Götter-Kind / daß sie ein Ausbund himmlischer Vollkommenheiten / mit Recht und Verstand / könne genennet werden: sondern das folget / meinem Erachten nach / daß Polyphilus vor dißmal ohne Verstand
So viel ich durch die Erzehlung meiner Vor-Eltern bin verständiget worden / haben einsmals die Sterbliche wider den grossen Götter-Rath Klage geführt: wie sie ihre Gaben / so gar ungleich / ausgetheilet / und diesen zum Herrn / jenen aber zum Knecht gemacht; diesen zu hohen Ehren / jenen aber in tiefste Verachtung gesetzet; diesen mit reichen Gütern / jenen aber mit Hunger-quälender Armuth beschencket: da doch offt der geringe wol mehr verdiene / als der Mächtige; offt der Knecht würdiger / denn der Herr; der Arme verständiger / als der Reiche / oder / da ja zum wenigsten / einer so gut / als der ander. Dieser Klag nun zu begegnen / hat die Weißheit der Götter es also verordnet / daß männiglich seine Beschwernus andeuten /und ein Gewisses benennen solle / was er zu klagen hätte. Da hat sichs funden / daß der gantze Welt-Hauf sich in drey Theil entschieden / deren jeder wider den andern Klage geführet. Der erste war der jenige / welcher die Kunst und Tugend zum Führer hatte: Dieser wurde verklagt von dem andern / welcher dem Glücks-Führer folgete: Und dieses andere wiederum vom dritten / welcher der Liebe gehorsamen muste. Die Klagen waren diese: Die Glücks-Diener beschwehrten sich ihrer Unbeständigkeit / wie alles bey ihnen so eitel wäre: Da hingegen die Tugend-Werber alles beständigen Segens zu geniessen / der nicht vergehe. Die der Liebe dieneten / klagten über die Beständigkeit ihres Kummers und hertzlichen Betrübens: Da hingegen
Polyphilus / der sich über diese Erzehlung höchlich verwunderte / sahe doch bald / daß es ein Gedicht der Heyden / und keine Warheit sey. Dann es gar nicht glaublich / daß die Götter Tempel bauen / oder den Menschen in solchem Fall Gehör geben würden:
Diese Rede vermochte so viel bey der Matron und allen Umstehenden / daß sie ihn mit grossen Pomp und Herrlichkeit / wie es bey ihnen gebräuchlich war /zu den ersten Tempel hinein führeten / und was darinnen zu sehen war / eigentlich und deutlich erkläreten Weil man aber nicht ohne Opffer eingehen dorffte /wurde solches alsobald bereitet. Indessen / und weil andere Sachen mehr / den Eingang zu zieren / bestellet wurden / auch Polyphilus / dem fast sehr hungerte / ein wenig Speise zu sich nahm / gerieth ein alter Mann / Namens Parrisiastes / zu ihm / der ihm von allen Sachen / und des Schlosses Beschaffenheit gute Nachricht gab; und weil Polyphilus aus der Rede der Atychintidœ vernommen / daß diß herrliche Gebäu versencket worden / auch etwa / dem Zeugnus der Tafel nach / durch seinen Arm solt wieder errettet werden: forschete er von diesem Alten die Ursach /und wie es zugangen. Dieser gab zur
Als Polyphilus dieses nach der Länge angehöret /gedachte er / von der Tafel / ein mehrers und gewissers zu vernehmen / deßwegen er fragte / was denn auf den Tafeln geschrieben stünde? Und da ihm Parrisiastes antworten wolte / kam eben die Schaar deren /die ihn in den Tempel begleiten wolten / deßwegen sie beyde daran verhindert / aufstehen und forteilen musten.
Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Tugend-Tempel / und dessen Zierrath: Lehret den Unterscheid / der warhafften und verderbten Kunst; deßgleichen wie man zu jener gelangen / diese aber meiden solle; giebt Unterricht von der Tugend-Werbung / und wie dieselbe kröne.
Prächtig war alles / und aufs köstlichste angeordnet; Atychintida trug ihren Königlichen Schmuck / und wurde von vieren / mit schwartzen Sammet bekleideten / auf ihrem Thron daher getragen. Vor ihr giengen / die die Fackeln trugen / und zu vörderst führete ein ansehliger Mann / den gantzen Hof-Staat. Hinter dem Thron waren zween / mit rothem Sammet beleget / unter einem eben so herrlichen Himmel / welche sich zu dem Polyphilo näherten / und ihn in die Mitte fasseten / auch allein würdig preiseten / in des Königes Stätte zu sitzen; deine folgeten auf den Fuß zween andere mit blauem Sammet gezierte Männer / welche grosse
Was Polyphilus muß gedacht haben / möcht ich wol wissen: ohne Zweifel hat ihn nichts mehr gekümmert / als daß er dieser Königin / die er vor geringer angesehen / nicht Königliche Ehr erwiesen: Deßwegen er sich dann gegen seinen beyden Führern / aufs höflichste entschuldigte / und sein Versehen / mit der Unwissenheit / beschönte. Das Verlangen aber / was aus diesem noch endlich werden würde / war so groß /daß es sich kaum zäumen ließ. Auch wuste er sich darein nicht zu schicken / warum keiner deren / die ihn führeten / und vorher mit ihm geredt / als sie ihn in die Mitte fasseten / nun auf ein einig Wort nicht antworten wolten / sondern alles mit Wincken der Augen / und geneigtem Haupt bejaheten. Doch ward er dessen bald hernach verständiget. Dann da sie vor die Thür des ersten Tempels kamen / stieg der / so den Proceß führete / auf einen / neben dem Tempel /aufgeworffenen Thamm / und gebot / aus Königlichem Befehl / daß keiner seine Zunge lösen / oder einig Wort herfür bringen solle; ausser Polyphilum /und den / dem es die Königin befehle. Darauf stieg Atychintida von ihrem Thron / nahm Polyphilum bey der Hand / und führet ihn in den Tempel / Polyphilus aber entschuldigte sich / wegen seines
Als sie nun in den Tempel kamen / zeigete ihm die Königin allerhand schöne und künstliche Gemähl /die man mit grösserm Recht ein Wunder der Natur hätte nennen können / als eines Menschen Hände-Werck. Was die Augen sahen / das preisete das Hertz herrlich: Das Schöneste / so im Eingang zu sehen war / waren die / auf beyden Seiten völliger Grosse /aufgerichtete zwölff / aus Marmorstein künstlich-gearbeitete Bilder / deren jedes eine Tugend bedeutete /und auf einem Felsen gegründet / mit dem rechten Fuß das Laster zu Boden trat / welches in geringerer Grösse aus Erden gebrannt war. Polyphilus fragte die Königin / was diß bedeute; welche berichtete: Es zeigen diese Bildnus / daß / welcher Mensch / in diesem Tempel / um etwas wichtiges zu erhalten / gehen wolle / der müsse alle Schand-begierige Laster zu Boden geleget / und einig der Tugend sich ergeben haben: sonsten werde er / von dem Drachen / welcher zu nächst an der Thür stund / greulich und erschröcklich anzusehen / verschlungen.
Polyphilus erschrack / wegen dieser Wort / über die Massen sehr / weil er / wegen seiner Liebe gegen Macarien / nicht allerdings ein gut Gewissen hatte: Doch gieng er behertzt fort / und gedachte / was wird dir ein lebloses Bild thun / das mit Menschen-Händen gemachet ist. Weiler aber eben diß / wiewol mit besserer Bescheidenheit / auch der Königin trauete / und damit zu vernehmen gab / daß er nicht verstünde /
Kunst- und Tugend-verlangender Polyphile! Was ich von euch gehöret / ist mir alles Ursach zu wundern. Euer Zustand / euer Leben / euer Wandel / eure Gedancken / euer Wünschen und Wollen; mehr aber eure Tugend ist wundern werth. Das Glück aber / das euch / auch mitten in eurem Unglück / beseliget hat /kan nicht gnug gerühmet werden / darum ihrs besser mit Stillschweigen verehret / und dem gütigen Himmel / in eurem Hertzen / davor dancket. So viel mir meine Kunst vertrauet / sehe ich aus euren Augen /was ihr für Noht ausgestanden / und auch / was ihr vor Freud genossen; ja wol gar / was ihr vor Freud verlanget.
Die Kunst- und Tugend-Begierde hat euch freylich / aus eurem Vatterland / in die Fremde geführet: Das Unglück hat euch auch lange daran gehindert: doch hat endlich das günstige Glück euer Verlangen vergnüget / daß ihr zu der Vollkommenheit aller Tugenden / der edlen Macarien / kommen: aber wie habt ihr dieses Glücks mißbrauchet? Ich schweige jetzt /damit ich euch nicht beschäme; Euer Hertz aber wird reden / da ich schweige. Doch wisset / daß ihr durch eure Unbeständigkeit / die Götter erzürnet / daß sie euch von ihr gerissen / und / auf wunder bahre
Polyphilus sahe dieses alles / mit tieffen Nachsinnen / an / und setzte sich alsobald zum Exempel / wie er so übel gehandelt / indem er sich durch die Schönheit Macarie verführen lassen; sprach auch zum Coßmarite: Verständiger und geliebter Freund! Dieses /und was ihr vor / von meinen Sinnen und Beginnen /gesagt / machet / daß ich in mich schlagen / meinen Fehl bereuen / und mich in dieser Stund bessern muß. Dancke Gott und euch / daß ich auf den
Diese Red gefiel Coßmarites sehr wol / merckte doch alsobald wiederum die Unbeständigkeit Polyphili / und gedachte heimlich bey sich / wiewol der Macarien groß Unrecht geschehe / wolle er ihm doch nicht / in diesem Fall / Wider-Rede halten / ob er vielleicht / noch ferner und mehr / in seinem guten Vornehmen könte gestärcket / und von der verzehrenden Liebes-Brunst abgehalten werden. Deßwegen führete er ihn weiter mit sich / in die Mitte des Tempels /allwo Polyphilus einer grossen Meng Manns- und Weibs-Personen wahr nahm / die / gleich wann sie lebten / unter sich von geheimen Dingen rathschlagten. Es waren zwey Jüngling / die um einen Crantz lauffen wolten / deren jeder den Preiß begehrete. Beyde hatten sie ein Ziel; beyde auch einen Weg /ohne daß einer auf der Rechten / der ander auf der lincken Seiten seinen Lauf vollendete. Jener trat auf die Bahn / wurde aber alsobald im Eingang von einer höllischen Furien angefallen / welche zwey Feuer-speiende Hund an einer Ketten führete / und selbige auf ihn loß ließ. Dieser / welcher auch den Lauf angefangen / wurde von dreyen grimmigen Thieren / die Polyphilus nicht erkennen konte / was vor Art sie waren / wegen ihrer erschröcklichen Grausamkeit /verhindert. Beyde rissen sich aber endlich loß / und da sie ihren Fuß weiter setzten / wurdë sie von einer freundlichen / freudigen
Polyphilus sahe dieses alles mit grosser Verwunderung an / und verlangte nichts mehr / als die Deutung dessen zu erkundigen / deßwegen er dem Coßmarite mit sehnlicher Bitte und freundlichen Worten anlag /solche zu ertheilen. Welcher / wegen der Königin Befehl / seiner Bitte gar geschwind Folge leistete / und mit diesen Worten anfieng: Edler Polyphile! Das ihr hie sehet / und von mir begehret / ist ein köstlich Ding: aber auch überaus gefährlich / so gar / daß jenes mich wol reitzet / euch alles / nach der Länge /zu erklären; dieses aber mich abschröcket / weil mir euer Hepl und Glück vor alles gehet.
Polyphilus gantz erfreuet / versprach mit Mund und Händen / daß er fleissig aufmercken / und / so viel ihm müglich / folgen wolte / sonderlich / weil ihn die Furcht / eines so grossen Verlusts / zwinge die Hoffnung aber / eines noch viel grössern Nutzens / stärckete. Darauf fieng Coßmarites diß Geheimnus / auf folgende Art / an zu erklären.
Diese zwey Jüngling deuten das gantze menschliche
Lasset uns nun auch den Kunst-gierigen besehen /wer / meynet ihr seyn diese Henckers-Knechte / welche die Jugend plagen? Ich verstehe dadurch alle die /so sich / das Lehr-Amt zuführen / unterstehen / und doch selber nicht wissen / was sie andere lehren sollen. Dahero es dann kommet / daß wir Menschen mehr lernen / als daß wir geniessen können / damit wir etwas zu vergessen haben. Ihr werdet selber wissen / Polyphile! wie viel ihr unnötiges Dings lernen müssen. Sind solche Lehrer nicht billich denen Henckers-Buben zu vergleichen / indem sie die liebe Jugend an die Stricke des Verderbens knüpffen / und mit dem Seil der Unwissenheit erwürgen. Wol dern /der mit diesem Jüngling bey Zeiten ihren Banden sich entreisset / und sich Verständigere lehren lässet. Sehet ihr / Polyphilus! den Hauffen dieser betagten Männer? Glaubet ihr / daß sie viel von sich halten / und aller Wissenschafft sich kündig bekennen? So scheints von aussen: aber sehet ihr nicht / was diese mit dem Jüngling verführen? so viel deren zu gegen / so mannigfaltia ist auch ihre Kunst / und will ein jeder Meister an ihm werden. Der eine ist ein Wort-Erzwinger / der will ihm lehren / die Sylben messen / und in Reime schliessen Der andere ist ein Redner / und befiylt /daß er seine Rede mit Pomp und Pracht führen soll. Der dritte will einen Disputirer aus ihm machen. Der vierte einen Sänger.
Das will ich gestehen / daß wir bißweilen / ohne diese Mittel / unser Ampt schwerlicher versehen können. Aber das ist am härtesten zu straffen / daß dergleichen
Was hätte den Wunsch Polyphili besser befriedigen können / als dieser Unterricht? Darum er / so freudig /als vergnügt / dem Coßmariti Danck sagte / und / dieses alles in gute Obacht zu nehmen / versprach. Weil aber nicht weit von diesem / noch etwas mehr zu sehen war / bat er Coßmaritem / daß er ihn auch dorthin führen / und dasselbe erklären wolle. Und weil er bißhero bloß von der Untugend und verfälschten
Es hielt ihren Stral alsobald ein erhabner felsichter und unbewohnter Bühel auf / zu dessen Eingang eine enge Thür / und ungebahnter / jäh-gefährlicher / rauher Weg führete / welcher mehr eine Verhindernus zu nennen war; daß man entweder gar nicht / oder doch je schwerlich / und mit grosser Müh dahin gelangen konte. Hinter diesem scheinete ein Hügel herfür / welcher / an der Höhe / diesen Bühl weit übertraff / und noch gefährlicher anzusehen war; massen die enge Bahn / so da hinan führete / alle die / so sie betretten würden / herab zu stürtzen bedrohete. Menschlichen Augen scheinete das eine blosse Unmüglichkeit zu seyn / daß ein Fuß ohne Wancken / und ein Hertz ohne Zittern / so wol auf dem abwarts-gehenden Hügel / als eben diesem eng-geschlossenen Pfad stehen oder gehen könne. Auf demselben war noch überdas ein Lufft-erhöhtes / Wolcken-steigendes Felsen-Werck zu sehen / so hoch und erschröcklich / daß Polyphilus nicht wuste / solte ers vor ein Wunder der Natur rechnen / oder ein Meisterstück menschlicher Weißheit heissen / so gar war Sinn und Augen verblendet / daß / wenn er nicht / im zuruck-sehen / sich im Tempel befunden / er in Warheit davor gehalten /als stiegen die Sterbliche allhier gen Himmel. Wie ihn dann auch die Gefährligkeit des Weges / und so scheinende Unmüglichkeit / durch diesen Felsen / die Himmel-Oerter zu besteigen / fast in nicht geringe Betrübnus setzete / daß er zum Coßmarite anfieng:
Kaum hatte Coßmarites seine wenig Wort vollbracht / als Polyphilus / mitten auf dem rauhen Felsen / zweyer ansehligen und holdseligen Frauen gewahr wurde / von starcken Leibern / erwachsener Grösse / völliger Schöne / und anzusehen / als wären sie sonderlich in allem / von der Gunst des Glücks /bereichert / und mit ewigen Wohl-seyn versehen. Auch zeugete ihre Einigkeit und Gleichheit nicht wenig / daß sie mit dem Schwesterlichen Bund der Blut-Freundschafft einander verpflichtet. Und da Polyphilus auf ihre Geberden schauete / befand er / daß sie mit geschwinder Behendigkeit / und als die etwas sonderliches verlangeten / oder auch einem wincketen / die Hände ausschlugen / und ihre Freudigkeit bezeugeten. In diesem Zusehen setzeten sie ihren Fuß etwas förder / und ersahen hinter dem Felsen / ein kleines / doch / mit allerhand Lieblichkeiten / geziertes Wäldlein. Die Bäume / derer noch zarte Gipffel fort und fort einer den andern übersteigen wolte / und jener vor diesem sich höher düncken ließ / waren so wol mit Augen-erfreulicher Grüne bezogen / als auch von Schatten-reicher Dicke umgeben / daß ein jeder gar leicht einem Lust-bringenden Zelt konte verglichen / ja vor ein Wohn-Hause aller Ergötzung geschätzet werden.
Polyphilus kam alsobald auf die Gedancken / als wohneten hie die Göttinnen / und wäre diß die
Nach vollbrachtem Gesang / verlangte Polyphilus nichts mehr / als daß er diß Lust Hauß näher sehen könte. Deßwegen er / mit voller Hertzens Begierde /und freudigem Gang / dem Fuß Coßmaritis folgete /welcher je länger je näher zu der Grotten fortgieng. Da sie nun fast die Thür erreichet / und den Eingang suchen wolten / finden sie aussen vor derselben eine schöne und dabey erbare Matron / mittler Jahre / welche doch mehr zum Alter / als der Jugend geneiget. Das Scheinbarste / so sie zierete / und unter andern lobwürdigen Geberden hervor leuchtete / war die Beständigkeit ihres Gesichts / das sich durch keinen Anblick verändern ließ / und wurde selbige um so viel vermehret / weil sie in einer erbarn ungefärbten Kleidung / ohne bund-gewürckte und wild-verzierte Vergänglichkeiten / zu sehen.
Sie setzte ihren Fuß auf einen viereckichten Stein /der unbeweglich war / und wurden ihre beyde Seiten geschlossen / von zweyen andern Jungfrauen / die wegen
Als nun Polyphilus über diesem unverhofften Anblick nicht wenig bestürtzet / und voller Wunder war /vermehret seine Gedancken ein Jüngling / der / mit erhitztem Lauff / durch die Wiesen / auf diese Matron zueilet / und sich ihr vertrauet; von welcher er auch in das Grotten-Zelt gelassen / und / so viel Polyphilus von ferne verstehen konte / von denen / die darinnen künstlich spielten / mit grossem Jauchtzen / empfangen wurde. Darob Polyphilus fast erstaunet / gleichwol vermochte die erhitzte Begierde bey ihm so viel /daß er sich nicht scheuete / diesem Jüngling nachzufolgen / obschon der Eingang so eng / daß er ihn vor der Thür stehen / und den Zutritt nicht weiter fördern hieß. Deßwegen er seinen Augen desto grössere Freyheit zuließ / weil die Füß / mit den Stricken der Verhindernus / gebunden waren.
So bald er aber durch die Thür schauete / ward er eines grossen Hauffens gezierter und höflicher Weibs-Personen gewahr / die den eingelassenen Jüngling umfangen hielten / und aufs schönste und lieblichste beehreten. Eine jede wolte ihm einen besondern Schmück anlegen. Bald kam eine / die ihn mit Geschencken verehren; bald wieder eine / die ihn mit allerhand Ergötzlichkeit belustigen; bald eine / die ihn mit Ehren krönen; und endlich / wieder andere / die ihn bald mit diesen / bald jenen Freud und Lieblichkeiten beglücken wolten: und da er von allen endlich einen Theil angenommen / huben sie ihn sämtliche auf ihre Schultern / und trugen ihn mit jauchtzender Freudigkeit / zu einer andern erbarn und etwas wohl-betagten Matron / die im letztern Theil
Als diß Polyphilus nach der Länge angesehen /konte er sich nicht länger erhalten: sondern fragte Coßmaritem / mit angehängter Bitt / daß er ihm die Bedeutung dessen allen nicht verhelen wolle / daß ihm sein Hertz etwas neues und nutzliches zu erfahren verspreche. Coßmarites versetzte hingegen / daß eben diß die wahre Kunst und Tugend deute. Setzeten derowegen ihren Fuß etwas wieder zuruck / und fieng Coßmarites folgender Gestalt an: Kunst- und Tugend-begieriger Polyphile! Dieser Bergichte Felsen ist der Ort / da Kunst und Tugend wohnet / welche mit gleich-beschwerter Müh und Gefährlschkeit erlanget /als diese felsichte Höhe bestiegen wird. Daß er aber so unbewohnt / und mehr einer grauen Wildnus sich gleichet / als einer so herrlichen Wohnung / ist die enge Strasse / so da hinan führet / Ursacherin / die nicht viel betretten noch durchwandern können / oder vielmehr wollen. Viel werden verhindert durch die Himmel-reichende Höhe; verstehe / die eingebildete Unmüglichkeit; Viel durch die gefährliche Klippen /da sich nicht wenig an
In dem Coßmarites dieses redte / hub Polyphilus seine Augen gegen dem Felß / und da er in acht nahm / daß zu dem dritten und höchsten kein solcher Weg führete / als zu dem ersten und andern: fragte er /wie man dann dahin gelange / weil er keine Bahn ersehen könne / so dahin führe? Das ists eben / antwortete Coßmarites / daß ich zuvor gesagt / es könne keiner unter denen Sterblichen ohne Vorgang und Hülff der Mässigkeit und Gedult zu der rechten Weißheit und wahren Tugend gelangen: so bald sich aber eins dieselbe führen lässet / und ihnen Folge leisten will /steigen sie selber dem Hülff-bittenden entgegen / fassen ihn in die Mitte / und heben ihn zu sich auf den Felsen: allwo der Lustbare / gebahnte / ebene und sichere Weg ist / welchen wir insgemein die Tugend- Bahn nennen. Diesen zeigen sie ihm / und dessen Hertz und Sinnen-erfreuende Lieblichkeit: Heissen ihn auch etwas ruhen / verstärcken seine schwache Krafft / und versprechen ihm / daß er nunmehr mit einem frölichen Gruß die Weißheit küssen / und der unerschöpflichen Freude eines friedlichen Lebens geniessen solle. Die Zusage wird auch im Werck erfüllet / dann das will der Lust-Weg / welcher / durch die Wiesen / zu dem Grotten-Werck führet / darinnen die Tugenden und die wahre Glückseligkeit wohnet. Hie ist das Wohn-Hauß aller Freuden.
Was zeiget aber / fragte Polyphilus / diese Matron /die ihren Fuß auf den geeckten Stein setzet / und / wie es scheinet / der Thür hütet? Sind nicht diese / so sie begleiten / ihre Töchter? so ists / gab Coßmarites
Was für Gaben? fragte Polyphilus: dem Coßmarites antwortete: Friede des Gewissens / Ruhe des Gemüths / und Sattsamkeit des Verlangens. Dann so bald wir / fuhr er weiter fort / durch die Wissenschafft / zur Erkäntnüs der Warheit kommen / wird unser Verstand dermassen erleuchtet / daß wir gewiß wissen / es könne uns die Zeit unsers Lebens kein Unfall treffen / keine Unruh betrüben. Sicherheit / Vergnüglichkeit / Zufriedenheit ist an allen Orten. Und daß sie aussen vor der Thür stehet / hat nicht die Bedeutung / als wann sie den Eingang verwahre: Dann dieser stehet männiglich offen / weil keiner hieher gelanget / als der da hineinzugehen sich würdig gemacht; sondern daß sie die Ankommende / ehe sie völlig hinein gelassen werden / heilige / weyhe / und von allem Irrthum / den sie vorher in sich gesoffen /reinige / und also / gleichsam geschmückt / zum Zelt einlasse: allwo er von den frölichen Jungfrauen empfangen / und verehret wird: wie ihr dann / an diesem Jüngling / das Beyspiel / mit sehenden Augen / erfahren.
Wer sind aber diese? fieng Polyphilus an: darauf Coßmarites antwortete: Diese sind eben die völlige Weißheit / mit ihren Schwestern / denen übrigen Tugenden / welche ihn verehren / und zu der Crönung führen. Die Matron aber / welche / im letztern
Diese / welche indessen mit ihrem gantzen Comitat / der Göttin Pallas geopffert / trat zum Polyphilo /und ermahnete ihn / daß er der Göttin / welcher dieser Tempel heilig / wäre Danck schuldig / vor die Eröffnung solcher verborgenen Nutzbarkeiten; diesen nun solte er auf dem nächsten Altar / ehe er weiter geführet werde / bezahlen: deßwegen ihm dann / der Melopharmis kleiner Sohn ein Faß voll Rauchwerck darreichete / durch welches er seinen Danck aufopfferte: wiewol die unersättliche Begierde Polyphili mehr auf die Tafeln / so in dem andern Temrel
Nach verrichtetem Opffer / berieff die Königin Coßmaritem wieder / beneben obgedachtem seinem Geferten / welcher Clyrarcha genennet wurde / und redete mit ihnen heimlich: der Innhalt aber ihrer Rede war dieser: Es gab die Königin Befehl / daß / wie Coßmarites Polyphilum den Tempel der Kunst und Tugend durchgeführt / und was darinnen zu sehen /erklärt: so solte Clyrarcha ihm auch
Nach ertheiltem Befehl / fassete die Königin Polyphilum wieder bey der Hand / und wolte ihn in den andern Tempel führen: Da sie aber ihren Fuß von dem felsichten Gebürg gegen Nidergang lencketen / und Polyphilus seine Augen noch einst ruckwerts warff /ward er etzlicher zierlicher Gemähl und Sinnbilder /an denen Marmor-Seulen / darauf das Tempel-Dach ruhete / und an den Wänden aufgeführet waren / ansichtig / und da er / nach erbetener Erlaubnus / näher hinzu trat / fand er auf der rechten Seiten / gegen dem Mittag das Kunst-verdeckte Bildnus des Delphischen Apollo / welcher in Jünglings-Gestalt / auf einem Dreyfuß / mit einer / von 12. Edelgesteinen / gläntzenden Cron / gantz nackend / mit 4. Ohren / und gleich so viel Händen zusehen / welche eine Leyer gefasset hielten / die mit 4. Säiten bezogen / deren jede von einer Hand besonders gerühret wurde. Sein Haar gläntzete / wie die aufgeworffene Sonnen-Stralen /und sein Antlitz war entbrant vor Zorn / der Mund lief / als schäumete er vor Eyfer. Und da sich Polyphilus fast sehr über diese Figur verwunderte / also / daß er selbige mit tieffem Nachsinnen ansahe / trat die Königin zu ihm / mit diesen Worten: Ich glaube / Polyphile! ihr wollet heute von einem schwachen Werckzeug unterwiesen werden. Verstehet ihr nicht /was dieses Wunder-gebährende Gemähl in sich halte? Es ist der Künste-Gott Apollo /
Polyphilus / dem die Wangen durch diese Wort gleichsam befeuert wurden / verfälschte den Hochmuth dieser Königin mit einer Schertz-Rede: doch mochte er seinen Grimm nicht so starck bergen / vielweniger diese Schmach so gedultig ertragen / daß er
Gleichwol aber / damit die Ungedult Polyphili /den köstlichen Zierath des Tempels nicht verdeckte /war nechst bey gedachtem Bildnüs / die gantze Seite durch gezieret mit denen dem Apollo zugeeigneten neun Musen / deren jede in einem besondern Habit und auf andere Art gebildet / so gar / daß sich keine der andern gleichen / sondern eine jedwede von der andern wol unterschieden werden konte. Alles hie völlig auszudrucken / erfordert mehr Zeit / als uns vergönstiget: doch können wir das sagen; köstlich und künstlich war alles / dergestalt / daß wir zweiffeln / sollen wir in diesem Zierath ein Wunderwerck der Götter suchen / oder eine Kunst der Sterblichen preisen. Auf der lincken Seiten gegen Mitternacht /waren die sämptliche Tugenden / durch allerhand nachdenckliche Sinnbilder gemahlet / die großmächtige Tapfferkeit / durch den Schild des Laster-siegenden Herculis / darauf er selber auch gebildet. Die beliebte Mässigkeit / durch einen wilden Feigenbaum /welcher auch die unbändige Thier zäumen kan. Die begüterte Freygebigkeit / durch das Frucht-Horn. Die unverruckte Gedult / durch einen Amboß / darauf gehämmert wurde. Die getreue Liebe / durch den Salamander / welcher im Feuer lebet. Die belobte Beständigkeit / durch einen Falcken / welcher einen Demant-Ring umfasset. Die entdeckte Warheit / durch ein unbekleidetes Jungfräulein / welche in der
Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Glücks-Tempel / und wie derselbe gebauet / und gezieret gewesen: Lehret die nahe Verwandnus / der Tugend-Kunst / mit dem Glück; bewähret die Ursachen der Ungleichheit unter den Menschen; berichtet von dem Glück / daß es nicht ein blinder Zufall; nicht auch ein Sternen-Blick: sondern Gottes so gefälliger Wille und Ordnung sey.
Wir kommen aber wieder zu unserm Polyphilo. Dieser wurde / seinem sehnlichen Verlangen nach / von dannen in den Glücks-Tempel geführet. So bald er die Schwelle betretten / verführete die Mannichfaltigkeit der Dinge / so ihm von ferne ins Gesicht fielen / die Augen dermassen / daß das wundrende Gemüth seinen Füssen den Vortritt verwehrete. Er nahm ihm vor / alles viel eigentlicher / und mit guter Weil zu besehen: darum er stracks im Eingang stille stund /und das Gerüst besahe / so über der Thür inwendig aufgemacht war. Dieses zeigete den sonst bekanten Eunomium / zugenahmet
Viel beglückter Polyphile! der Reichthum eures Glücks ist so groß / daß er nicht leicht wird ergründet werden: Ihr aber mißbrauchet der Gütigkeit des gewogenen Himmels. Verzeihet mir / Polyphile! daß ich euch so anrede. Meine Pflicht leidets nicht anders. Ihr wisset / wie ein zerbrechliches Ding sey das Glück /und wie bald es erdrucke / den es gehoben. Darum ändert euren Wandel / wollt ihr nicht / daß sich euer Glück ändern soll. Wann ich Zweiffel trüge / ihr verstündet nicht / wohin ich ziele / wollt ich mich bemühen / mit grösserer Höflichkeit meine Rede zu entschuldigen: aber der Scham / welchen das beschuldigte Gewissen zeiget / lehret sattsam / daß ihr verstehet / wohin meine Rede gehe. So nehmet nun meine Lehre an zu eurem Nutzen / und lernet hin für o /nicht durch den falschen Wahn der Liebe das Glück zu verringern: sondern durch die beständige Treu dasselbe zu stärcken / auf daß es euch immer anlachen möge. Das nöthigste aber / so ihr zu behalten habt /ist die Liebe gegen Kunst und Tugend: die ihr in dem ersten Tempel erkannt / und zu gewinnen gelobet. Ohne diese kan kein Glück bestehen / und kein Zufall wol gerathen.
Kaum hatte Clyrarcha diese Rede vollendet / daß nicht also bald Polyphilus sich erinnerte / wie er eben diß noch vor kurtzer Zeit / an seinem eigenen Leib erfahren / deßwegen er dann des Clyrarcha Wort / mit einem einstimmenden Ja-Wort bekräfftigte. Als aber Clyrarcha auch daher anfieng zu erweisen / da offtermals durch einen Unglücks-Riß ein grosses Glück erhalten werde / fiel Polyphilus in die höchste Betrübnus. Denn da ward ihm sein gantzes Hertz voll der Gedancken von Macarien / und was er um sie erlitten; so gar / daß nicht viel
Clyrarcha merckete gar bald die Bewegnus Polyphili / und / wie er mitleidiges Hertzens war / bedaurete er seine Schmertzen / gedachte ihm auch wieder einen freudigen Muth zu machen / derohalben er ihn von der Verlängerung des Unglücks / und daher entspringenden Nutzen viel vorsagte / zu behaupten /daß je mehr die Unglücks-Zeiten verlängert / und die wiederkommende Glücks-Stunden verzögert würden /je mehr werde auch die Ankunfft des Verlangens erfreuet und begütert.
Unter dieser Rede aber giengen sie allgemach zum Tempel ein / da dann Polyphilus einer grossen Menge künstlich-aufgeführter Gerüst / Altär / Thrön / Sessel und Sitz gewahr wurde / die alle mit Herrlichkeit bekleidet / von gewissen Personen eingenommen und gefüllet waren. Und weil der Tempel / ungleich dem ersten / in zwey Theil unterschieden war / deren jener mit eisernen Schrancken verschlossen: Dieser aber gantz offen stunde / sahe er / auf dem befreyeten Plan / allerhand Arten der Menschen / grosse / kleine / gelehrte / ungelehrte / Gewaltige und Bettler /Alte und Junge / die er doch von fernen nicht anders /als aus dem Unterschied der Kleidung erkennen konte. Da er aber dem Ort näher kam / befand er etzliche unterschiedene Häuflein der Menschen / die theils weineten / theils lacheten. Ein jedweder Hauffen wurde von einem / der sich denen Unsterblichen nicht übel gleichete / bedecket. Und als Polyphilus dieses alles nach der Länge angesehen / fragte er endlich
Aber woher ist der Unterschied / fragte Polyphilus /was beweget die Götter / daß sie diesen mit Glück /jenen aber mit Unglück belegen / da wir doch alle Menschen sind? Sind wir Menschen / so sind wir ja gleich / woher komts dann / daß etzliche arm / etzliche weiß / etzliche gelehrt; andere alber / andere wie der verständig sind? Was ist die Ursach / daß es nicht einem Menschen gehet / wie dem andern / warum soll jener in Freuden / dieser aber in Trauren leben: warum einer in Sammet / der ander im groben Kittel einher gehen: warum einer mit niedlichen Speisen ernchret / ein anderer mit Wasser und Brod gesättiget werden? Oder / warum wird mancher zu den höchsten Ehren erhoben / mancher hingegen verachtet und vor nichts gehalten? Oder / warum hat mancher an allem einen Uberfluß / mancher aber allenthalben Mangel? Woher komts / daß ihrer viel / was sie wünschen / erhalten / was sie dencken / verrichten / was sie beschliessen / vollenden: da hingegen andern vielen all ihr Rathen und Thaten zu ruck / und nicht für sich gehet? Meines Erachtens kan man nicht anders schliessen / als daß dieses der Götter Schuld / und die Klag der Sterblichen nicht unrecht sey. Deme Clyrarcha unverhindert antwortete / daß dem nicht so sey /wie er rede / und die Götter ausser aller Schuld wären / auch bloß die Menschen / ihr eigen Glück und Unglück / Reichthum und Armut / Ehr und Schand /Ansehen und Verachtung / Kunst und Unwissenheit /Tugend und Laster erwähleten / und sich selbsten verführeten.
Wäre Clyrarcha nicht noch klüger gewesen / als Polyphilus / hätte er in Warheit stillschweigen müssen: gleichwol vermochte die Rede so viel / daß Clyrarcha den rechten Grund entdecken / und mit unverfälschter Warheit völlig heraus gehen muste / da er sprach: Geliebter Polyphile! Wann ich mich nicht vor einen Glücks-Verständigen grüssen ließ / möchte es gar leicht geschehen / daß ich eure Rede unbeantwortet fassen / und euch gewonnen geben müsste. Nun aber erfordert mein Amt ein anders / und mein besser Wissen gibt mir Befehl / euch aus diesem Irrthum zu führen. Mercket demnach / daß ihr sehr weit fehlet /indem ihr / aus der ungleichen Theilung der Güter denen gerechten Göttern einige Unbillichkeit beyzumessen / euch unterstehet. Zwar ists nicht ohne / daß /so fern wir die Austheilung an sich selber besehen /selbige denen Göttern billich zugeschrieben wird: aber daher einige Ungerechtigkeit zu schliessen / ist unrecht. Wisset / Poyphile! daß der Weißheit Rath im Himmel nichts ohne erhebliche Ursachen / ja nicht das geringste / vergeblich thue. Solten ihr die Ursach dieser Theilung der Güter wissen / würdet ihr euch nicht das geringste wundern lassen. Einmal ists gewiß / daß wir ein Geschöpff der Unsterblichen sind. Hat dann nicht der Schöpffer Macht mit uns zu thun /was ihm gefällt? Eben das ist endlich eine Ursach /warum Er diesen auf einen Käiserlichen Stul: jenen in einen Vieh-Stall setze; warum Er den an eine Königliche Tafel: einen andern hinter den Pflug hebe; warum Er manchen in ein reiches
Daß ihr aber den Einwurff gethan / warum es deme nach Wunsch / dem andern aber wider Willen gehe; warum der viel glücklicher in seiner Verrichtung / als jener / welcher doch nicht so verständig; warum mancher darzu gelange / wohin er nie gedacht; ein anderer hingegen darnach gerennet und geloffen / und doch nichts erlanget: hat wider seine sonderbare Ursach. Ists nicht so / wann ihr euer Werck allemal nach Wunsch und Begehren vollführetet / und eben durch die Mittel euer Ziel erlangetet / durch welche ihr dasselbe bestritten / würdet ihr nicht den Gewinn euch zuschreiben / und euren Anschlägen / eurer Klugheit /eurer Tapfferkeit den Preiß geben? Durch eure Macht wäre / zum Exempel / der Feind geschlagen; durch eure Spitzfindigkeit der Reichthum erworben; durch eure Kunst die Gunst erlanget; durch euer Ansehen die Ehre erhalten; durch eure Vorsichtigkeit das Gut erworben / und so fort an. Daß aber diß nicht geschehe / weiset eben die Weißheit der Götter durch ein gerades Widerspiel. Denn da machen sie andere mehr eben so künstlich, so starck / so mächtig / so ansehlig / so beredt / lassen sie eben den Weg gehen / eben die Mittel gebrauchen: und doch nichts wenigers / als eben das Ziel erreichen: an statt des Siegs einen Verlust; an statt des Reichthums / Armuth; an statt des Gutes / Schaden; an statt der Gunst / Ungunst; an statt der Ehre / Schande / und dergleichen. Aus welchem allen ihr sattsam schliessen möget / daß der Raht der allweisen
Diese Rede gefiel Polyphilo so wohl / daß er die Freudigkeit seines Hertzens / durch die gleichsam hupffende Geberden seiner Hände und Rede / genugsam zu vernehmen gab / indem er die Weißheit und Verstand Clyrarchæ / mit so gezierten Worten / erbebte / daß nicht viel fehle / würde er ihm auch die andern Sachen so mächtig erklären / wolle er seinen Dienst mit einem ewigen Danck versetzen. Gleichwol aber / fuhr Polyphilus weiter fort / habt ihr mir noch nicht allen Zweiffel benommen. Die Ungleichheit der Menschen habt ihr zwar erwiesen / daß ohne grossen Schaden und Mangel an allem / nicht anders seyn könne / und muß ich in diesem Fall billich die Weißheit der Götter preisen: aber werdet ihr mich auch dessen verständigen / und die Gerechtigkeit des Himmels in dem vertheidigen / daß eben dieser oder jener ein Bauer / dieser oder jener ein Herr seyn soll / will ich euch nach dem nicht mehr bemühen.
Sehen wir die Tausendfältigkeit der Sternen / so übertrifft je einer den andern; besehen wir die Planeten in ihrem Lauff / ließ sichs gleichfalls fragen; warum der Mond nicht gleich der Sonnen stehe? warum sein Silber-Blincken sich denen Gold-Stralen nicht gleiche? Es ließ sich eben auch fragen; warum eben die Venus so hell und klar: Saturnus hingegen bleyfarbig und dunckel? Warum eben Mars röhtlicht und flammend: Jupiter aber so hell und scheinbar gläntzete? Oder / so wir die blossen Sternen besehen /warum hat eben der / und kein anderer / bey der Sonnen sollen der nächste seyn? warum eben der / und kein anderer / den Mond begleiten? Oder / warum ist nicht der Abend Stern der Morgen-Stern; warum dieser hinwieder nicht so klar / schön und subtil / als andere; warum / dem Liecht und der Würckung nach /nicht gleich der Sonnen
Solten wir unsere Gedancken auch in die Wasser führen / würde die erste Frag seyn / warum ist diß ein Leviathen / warum ein grosser Wallsisch / und nicht ein Meer-Spinne / oder ein Krebs? warum haben eben diese / als Hecht / Karpffen / Grundel / und dergleichen / so hoch müssen gewürdiget seyn / daß sie / als lieblich und anmuthig anzuschauen / auf vornehmer Herren Tafel verordnet sind: andere hingegen einen Eckel und Abschen gebähren / so gar / daß man sie nicht berühren / will geschweigen kosten / oder zur Nahrung gebrauchen möge? Was schliessen wir nun? Eben das / was wir schon so offt geschlossen. Alles kommt von ihrem Schöpffer / der eins deßwegen so mächtig / so groß / so starck / so schön / so werth zu achten geordnet / damit die Ordnung hiedurch gezieret: und das andere / so schwach / so klein / so ohnmächtig / so widrig und ungestalt / damit auch diß die Ordnung helffe erfüllen / oder / zum wenigsten / das andere zieren.
Nach vollendeter Rede zog Clyrarcha einen Zettel hervor / darauf folgende Verse geschrieben / die er Polyphilo zu lesen gab.
Polyphilus / der wegen erlernter Weißheit sehr erfreuet ward / danckete dem Clyrarcha höflich / daß er ihn aus einem so grossen und sündlichen Fehler errettet / und die rechte Warheit eröffnet; versprach auch ingleichen / daß er hinfuro allen Neid und Mißgunst aus seinem Hertzen tilgen wolte / weil er sehe / daß eine unverantwortliche Sünde sey / wenn wir Menschen diesem ein Glück mißgönnen / welchem es von den Göttern gegönnet und gegeben werde; ja eben so viel sey / als wolten wir die Gerichte des Himmels meistern / den Schluß der Unsterblichen verwerffen /und die Güte der gnädigen. Götter bestraffen. Da aber Clyrarcha merckete / daß seine Lehr wol angewendet würde / und er grössern Danck zu erwarten / führete er Polyphilum bey der Hand / biß zu den verschlossenen Schrancken / allwo er sein Haupt entblössen / die Schuh auflösen und ablegen / auch einen besondern Habit anziehen / und sich bereiten muste / als der / in das Heyligthum / und zu den reinen Göttern / zu gehen / gesinnet. Und da er allerdings bereit / durch eine eröffnete Thür / mit Clyrarcha eingieng / muste er auf den Knien anbeten / und / aus Clyrarchæ Befehl / seinen Zutritt entschuldigen: Diß alles aber deutete / daß dieser Ort heilig sey / und über menschliche Würdigkeit. Nach vollendetem Gebete / richtete Clyrarcha sich und Polyphilum auf: und weil Polyphilo auferleget war / seine Augen nicht empor zu heben /biß ihn Clyrarcha erlauben würde / muste er / mit halb-verdecktem Gesicht / seinem Führer / durch den Chor / folgen / da er dann zu allerletzt / als seine Augen entdeckt wurden /
Clyrarcha winckete dem Polyphilo / daß er wo! acht geben solle: welcher dann so fleissig aufmerckete / daß keiner Erinnerung von nöthen gewesen. Endlich führete er ihn / mit verdecktem Angesicht / wieder zu ruck / und da sie ein wenig / zu der rechten Seiten / abgetretten / und Clyrarcha / dem Polyphilo / das Gesicht wieder aufdeckte / fielen ihm viel hell gläntzende Feuer-funcklende Stern in die Augen / daß er gleichsam verblendet nicht wissen konte / ob er in einem jrrdischen Tempel / oder unter der Gesellschafft der Götter im Himmel wäre. Da er aber durch gemählige Abwendung des Gesichts / seine Augen mit einem duncklern Anblick wiederum gestärcket / fasset er das vorige Bild wieder zu Gesicht / und befindet /daß es eine Adlers-Gestalt fürtrage / welcher in freyer Lufft schwebete / mit ausgespannten Flügeln; wiewol nicht ohne entliehene Hülff. Dann er von einem ziehenden Magnet so wunder-künstlich gehalten wurde /daß er / vielleicht nicht ohne sonderbahre Bedeutung /sich gegen Mitternacht wandte / und durch die suncklende Sterne den offnen Ort bestrahlte
Und da auch diß Gesicht seine Gnüge hatte / führete Clyrarcha den Polyphilum wieder / mit verdecktem Gesicht / auf eine erhöhete Bühn / allwo er nicht irrdische / sondern himmlische; nicht menschliche / sondern göttliche Geheimnus sahe / in solcher Herrlichkeit / daß sie menschlichen Sinnen zu erreichen / auch unser schwachen Zungen auszusprechen / eine blosse Unmüglichkeit seyn. Er war an dem Ort / da die Freude und Lieblichkeit selbsten ihr Zelt aufgeschlagen /und die Herrlichkeit ihren Sitz genommen hatte; seine Augen wurden gleichsam verblendet durch den verguldeten Anblick; sein Gehör ward / so zu reden / betaubet / durch die klingende Lieblichkeit: auch vermochte der lust-trieffende Balsam dieser
Es waren etzliche verguldete Bogen / deren je einer kleiner als der ander / künstlich und artlich aneinander gefüget / so / daß Polyphilus das Meisterstuck nicht ablernen konte. Der geraumeste stund vorn an /und folgte je ein Kleinerer dem Grösseren nach / biß sie endlich einen entfernten Ort beschlossen. Um die Bogen war ein Purpur geführet / inwendig aber so voller Sternlein / daß ihr helles Liecht / wann es auf das Gold und den Purpur fiel / einen solchen Glantz von sich gab / der mehr zu verwundern / als zu beschreiben. Näher / als auf sieben Schritt / dorffte Polyphilus diesem Heiligthum nicht kommen / deßwegen er dann von Clyrarcha so gestellet wurde /
Der Abtrit Polyphili verursachete den klingenden Säiten das Stillschweigen: gleich ob sie deßwegen sich betrübt niderlegten. Clyrarcha über diesem unverhofften Verlust erschrocken / wandte sich mit Polyphilo behende gegen den Bogen / und entdeckte das Gesicht Polyphili; dessen die Säiten gleichsam wieder erfreuet / mit einer erhobenen Stimm folgende Wort erklingen liessen:
Diesem Gesang höreten die beyde / Clyrarcha und Polyphilus / theils erfreuet / wegen der Lieblichkeit /theils / wegen des Innhalts / verwunderend zu / biß die Saiten ohne die singende Stimm / auf vorige Art wieder angestimmet wurden: welche dem Clyrarcha eine Anzeigung waren / daß nunmehr nichts weiter zu erwarten / deßwegen er Polyphilum wieder verdecket heraus führete. Und als sie nächst zu der Thür kamen / an den Ort / da sie sich / vor dem / geheiliget / muste Polyphilus / und mit ihm Clyrarcha /gleich wie vor / auf den Knien anbeten / und vor die Gaben dancken. Nach vollendetem Gebet / führete ihn Clyrarcha / ruckwerts zu den Schrancken hinaus / entdeckte sein Gesicht / fieng wieder an zu reden / nahm den Habit von ihm / und gebot / daß er seine Schuh
Ich schliesse aus euren Geberden / mein Polyphile! daß ihr / voller Wunder / denen Geheimnüssen / die euch / von der Gunst der gnädigen Götter / zu besehen / verwilliget worden / mit Fleiß nachdencket: und gefällt mir wol / lobe auch eure Begierde / wiewol sie / unmligliche Dinge zu gewinnen / vergebens arbeiten. Wisset aber / daß / was ihr gesehen und erfahren / nicht ein nichtiger Menschen-Tand; besondern Göttliche Geheimnussen seyn / welche wann ihr verstehen werdet / werdet ihr eben leicht und gewiß
Da Polyphilus das hörte / wurde sein Verlangen dermassen angeflammet / daß er den Clyrarcham / um der Götter willen / ersuchete / ihm solche Offenbahrung und herrliche Wissenschafft nicht zu verhelen: darauf er dann von Clyrarcha bey der Hand hinter den Schrancken hinauf geführet wurde / biß sie zu einer Tafel gelangeten / darauf alles das / was Polyphilus in den Schrancken gesehen / menschlichen Augen nach /künstlich und prächtig abgemahlet war. Als aber Polyphilus sein Gesicht dieser Tafel gleichen wolte /fehltete nicht viel / er hätte bitterlich weinen mögen /über die Unvermögenheit der Menschen; so überaus groß war der Unterschied / zwischen einem Gemähl /und der Sach selber. Nun / sprach er / sehe ich allererst / was wir Menschen sind, Vor dem hätte ich dieses Gemähl vor ein Meisterstuck und Kunst-Werck der arbeitsamen Natur gehalten / und mich mercklich darüber verwundert: jetzt aber sehe ich die Nichtigkeit der Menschen / welche / wann sie denen unsterblichen Göttern nachahmen wollen / sie eine lautere Thorheit begehen / und nichts als blosse Phantasey würcken.
Wie schreiben dann die Historien / fieng Polyphilus an / daß der dapffere Held von Pella / das Glück in seiner Macht und Gewalt gehabt? Darauf Clyrarcha antwortete / daß eben dessen Unwarheit / durch diß dritte Gesicht / entdecket werde. Dann / fuhr er fort /es haben die alte Heyden / welche aus Mangel der Göttlichen Offenbahrung / unsrer Wissenschafft sich nicht freuen können / das / was einem Menschen in dieser Welt Gutes oder Böses zufällt / das Glück genennet / und selbiges vor eine Göttin verehret / gerad auf solche Art / wie ihr sie in den Schrancken gebildet gefunden. Dieser haben sie die Herrschafft und Ober Herrlichkeit / über den gantzen Erd-Kräiß / beygemessen / auch in allen Ständen und Gewerben ihr allein die Botmässigkeit vertrauet /
Andere / wie weiland die Chaldeer / und noch heutiges Tags etliche Sternseher / die / ob sie nicht gar die Warheit erreichet / dennoch derselben näher kommen sind / haben des glücklichen und unglücklichen Fort- oder Ruckgangs Ursach / denen Sternen zugeschrieben; wie denn / noch diesen Tag / ihrer nicht wenig sind / die gewiß davor halten / so die Geburt des Menschen / in einem guten Zeichen oder Planeten / geschehe / müsse der Mensch die Länge seines Lebens / gleich mit der Länge seiner Glückseligkeit /abmessen: widriges Falls / so einer / in einem nicht so guten Zeichen
Gleichwol aber / fieng Polyphilus an / sind wir /aus etlicher nahmhaffter und glaubwürdiger Geschicht-Schreiber Zeugnus / gewiß / daß die Welt-berühmte Sternseher / offtermals aus denen Geburts-Zei chen / viel gewisse / so wol Glücks-als Unglücks-Fälle / zuvor gesehen und verkündet / die auf ernante Zeit / und mit solchen Umständen / wie sie berichtet /erfolget. Zum Exempel könte ich Käiser Augustum anführen / von dem der wohl-beglaubte Svetonius meldet / daß / der damalige berühmte Astrologus Theogenes / seine Geburts-Stund durchgesehen / und alsobald darauf / mit grosser Geschwindigkeit / aufgesprungen / und für ihm niedergefallen / als der / ob er schon / der Zeit / noch eine Privat-Person / dennoch /in kurtzen / zu den Käyserlichen Würden werde erhoben werden: Wie dann Augustus / nach dem der Ausgang seine Wahrsagung bekräfftiget / dieses für so bekannt annahm / daß er / sich auf sein Glück verlassend / seinen Geburts-Bericht männiglich sehen / und eine silberne Müntz / mit dem Zeichen des Steinbocks / darinnen er gebohren / schlagen lassen. Wie ihr / mein Clyrarcha! diese Histori selber wissen werdet.
Freylich wol / antwortete Clyrarcha / weiß ichs /und habs gelesen: aber / fuhr er weiter fort / meynet ihr / Polyphile! daß diß etwas gewisses / und an allen Orten / verursache: oder daß daher folge / man solle den Sternen-Blick / oder die himmlische Geburts-Zeichen / zu einer allregierenden Beherrscherin / oder wol gar Göttin / setzen. Meines Erachtens heisset das närrisch / oder / daß ich gelinder rede / kindisch
Clyrarcha wolte weiter fort reden / aber die Sonne /welche ihren Schein zu ruck holete / und die einfallende Nacht drohete / hieß ihn schliessen / und von dem Polyphilo den gebührlichen Danck annehmen:
Polyphilus / da er sich frey und allein befande: und diesen Tempel / gleich wie den ersten / mit künstlichen und nachdencklichen Bildnussen / umzieret ersahe / gedachte er / dem Unheil / das ihm in dem Tugend-Tempel begegnet / in dem Tempel des Glücks /auch mit besserm Glück / vorzukommen / damit er nicht widerum / von der Königin beschämet werde /wann er auch diese Bildnus / als den Zierrath des Tempels / besichtigen oder verwundern würde. Deßwegen riß er sich von ihnen weg / zu dem nächsten Ort / der ihm ein Bild zu Gesichte brachte / und da er nahe hinzu kam / befand er / daß allerhand liebliche und nützliche Historien / mit Muscheln und kleinen Steinlein / und zwar so künstlich / an der Wand / eingeleget waren / daß ers mehr vor einen Beweiß menschlicher Unmügligkeit / als Kunst und Weißheit bekennen muste.
Unter andern stund die Geschichte des Triumphirenden Sesostris / welcher sich / wie bekannt / auf einem Wagen / von 4. Königen / so er durch seine Macht und Glück überwunden / ziehen ließ / deren einer / ruckwerts auf das umlauffende Rad gesehen /und sich dabey der Ründe des Glücks getröstet / welches sie so hoch wieder erheben könne / als es sie gestürtzet / und diesen so tief stürtzen / als hoch es ihn erhoben. Die Erklärung wurde mit diesen Worten drunter bezeichnet:
Auch ist diese Geschicht nicht zu vergessen / welche die wunder-beglückte Errettung / dem Jupiter / durch seine Mutter Opis oder Rhea / geschehen / vorstellet. Dann / weil sein Vatter Saturnus / als er vom Oraculo vernommen / daß ihn einer seiner Söhne vom Reich verstossen werde / alle Kinder / so ihm gedachte Opis gebohren / bald nach der Geburt fraß; hat die List seines Weibs ihm einen Stein in Windeln gewickelt / an statt des Kindes zu fressen geben: ihren Sohn aber in die Insul Cretam denen Corybantern zu erziehen zugeschickt / der auch hernach Saturnum verstossen. Der Lehr-Punct war in folgenden Versen hinzu gesetzt:
Besser hinauf war die Geschicht zu sehen / wie die Nimfen Erato / Pemfredo / und Dino / dem Perseus Flügel und Tasche geliehen / durch derer Hülff / er der Medusen das Haupt abgeschlagen / und endlich die Andromeden / der stoltzen Cassiopeen Tochter /von dem grausamen Meer-Wunder erlöset: und diese Geschicht war mit solchen Worten unterschrieben:
An der andern Seite war zu sehen / wie die Syrinx /
Nächst diesem war die allen-bekante Histori des reichen Königs Midœ / welcher / als er vom Bacho erhalten / daß / was er wünsche / erfüllet würde / alles zu Gold werde / begehret / was er anrühre: Da er aber seinen Unverstand erkennet / daß er bald durch Hunger sterben werde / und deßwegen vom Bacho / seines Wunsches wiederum entnommen zu seyn / begehrte; auch den Befehl erhalten / er solle sich in dem Fluß bey Smyrna / Pactolus genannt / abwaschen / und / als er diesem gefolget / gedachten Fluß auch vergüldet; ja noch über das / den Hirten-Gott Pan / dem Göttlichen Apollini vorgesetzet / und also seine Thorheit in vielen erwiesen; habe ihm Apollo / aus ergrimten Zorn /Esel-Ohren an die Stirn gesetzet / dadurch seinen groben Unverstand zu zeichnen: Die Wort beschlossen das Bilder-Werck:
Als Polyphilus diese / und andere mehr / die wegen der Menge nicht zu erzehlen sind / fast über die Zeit ansahe; Die andere Anwesende aber nicht wusten /daß ihm die Königin solches gerne zuließ / als die lieber wolte / daß man in den Liebes-Tempel / bey
Es war der reiche Lydier König Croesus / sitzend auf einem Holtzhauffen / als solte er verbrannt werden / weil er / auf allen Seiten / von denen darzu bestellten
Atychintida / so bald sie Polyphilo dieses Bild gezeiget / fieng sie zu ihm an / ob ihm diese Geschicht kündig wäre; wo nicht / wolle sie ihm selbe hinterbringen. Polyphilus / der lieber / weiß nicht was / gethan hätte / muste dennoch dem Dünckel dieser Frauen etwas zu sehen / und / wiewol er alle Wissenschafft dessen hatte / sich dennoch unwissend bekennen: wiewol er lang im Zweiffel hieng / wie er antworten solte; doch / weil er wuste / daß man denen schwachen Weibs-Volck offtmals mehr / als sich gebühre / nachgeben müsse / und kein Gewinn oder Ehre sey / wann man an ihnen Ritter würde / verhelete er endlich die Warheit / mit dem Vorgeben / daß er nicht wisse / was das sey.
Wann ich die Ursach besinne / warum Polyphilus das gethan / finde ich gerad keine. Ists aus Höflichkeit geschehen / hätte er die Warheit je mit besserer Höflichkeit bekennen können. Hat er sich wollen einfältig dardurch stellen / was darff er dann mit seinem eigenen Wolgefallen zancken? Oder hat ers gethan / ihre Kunst-rühmende Einbildung zu stärcken / so ist wieder geschehen / was ihm selber gefallen. Doch sey dem wie ihm wolle / dißmal muste er sich von einem Weib lehren lassen. Dann so fieng Atychintida an:
Was Polyphilus dißmals gedachte / wird der leicht schliessen können / der mit Polyphilo / diese Geschicht wissend / selbige auch hie wiederholen muß: sein müglichster Fleiß war dahin gerichtet / daß er die Deutung nicht hören dörffte; darum er / nach vollendeter Erzehlung / als fiel es ihm jetzt erst bey / daß er vor dem die Geschicht gelesen / erwähnte. Atychintida merckte fast / was Polyphili Verdruß nicht bergen konte; schloß doch dahin / als verlange ihn so hefftig nach den Tafeln / im letzten Tempel / welche ihm den Namen Macarie zu erkennen geben würden: daher sie dann bewogen / weil / ohne das / das Liecht der Sonnen verdunckelt war / die Kertzen in dem Liebes-Tempel anzuzünden / damit sie / durch die finstere Nacht / an ihrem Werck / nicht verhindert würden. Der Befehl wurde aufs schleunigste verrichtet / indessen führete Atychintida mit Polyphilo andere / und zwar angenehmere Discursen / von seiner Macarien /zu deren er nun bald / mit solcher Geschicklichkeit /wieder gelangen werde / deren weder Apollo / noch der Himmel / etwas versage. Fragte auch / was es doch vor eine Beschaffenheit hätte mit Macarien / und wie sie von denen Sterblichen geehret werde; weil sie nicht anders schliessen könne / es müsse dieselbe etwas sonderliches unter den Menschen / oder wol gar Göttliches seyn / indem / um ihrent willen / der er zürnte Himmel / diesem Schloß wieder geneigt worden: welches alles Polyphilus so beantwortete / daß er nicht zu viel / auch nicht zu wenig geredt vermeynete; biß der durchdringende Glantz
Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Liebes-Tempel / und wie derselbe gestaltet: Lehret die nöthige Verbündnus / der Tugend-Kunst / des Glücks und der Liebe; unterscheidet die Falsche / von der Warhafften / und zeiget beyder Ursprung.
Polyphilus / dem sein Hertz in tausend Sprüngen gieng / wäre lieber unbegleitet / als mit einem Gesellen eingegangen / damit er nur geschwind die Tafeln gesehen: dann er ihm leicht einbilden kunte / man würde dieses zu letzt sparen / und ihm vorher von andern Dingen reden: aber er muste sich dißmal befehlen lassen / und im Gehorsam bleiben. Die Königin /welche wol wuste / daß die Liebes-Geheimnüs von niemand besser / als denen Weibs-Personen könten erkläret werden; auch über das / aus der Rede Polyphili von Macarien / schliessen wolte / als wäre er sonderlich denen Jungfräulichen Unterredungen gewogen: winckete einer herrlich bekleideten Damen /welche fast den letzten Ort in diesem Comitat ausfüllete / doch vor andern klug und verständig zu seyn schiene / und gesellete solche dem Polyphilo zu / daß sie ihn durch den Liebes-Tempel führe.
Polyphilus / und zugleich mit ihm die Dame /
Der Schluß war gemacht / keine Ausred wolte helffen / sie musten miteinander daran. Das erste / darum die Jungfer Polyphilum fragte / war von seiner Liebsten / bey der sie sich höchlich zu entschuldigen hätte / damit sie keinen Haß verdiene / dorfft ihm auch wol gar ansinnen / ihr den Namen seiner Liebsten zu eröffnen / und ob er sie hertzlich liebe? Welches aber Polyphilus so artig zu beantworten wuste /daß sie ihn zu frieden ließ / und leicht merckete / daß er einen Verdruß an dergleichen Reden hätte. Dann Polyphilus fieng an von der Beschaffenheit dieses dritten Tempels zu fragen: und als sie ihm einen grossen Umschweiff machte / und in viel Vergeblichkeiten
Alles das aber / was die Königin / und zugleich die Jungfer auf ihr Befehl / in Verlängerung der sonst unnützlichen Reden vornahmen / geschahe bloß darum /auf daß Polyphilus nicht zu früh in den Tempel gelangete / sondern die finstere Nacht mit hinein brächte; dann zu letzt erinnerte sich allererst die Königin / daß die Entbindung ihres Fluchs bey der Nacht künfftig und zu gewarten sey.
Jetzt gehen sie zum Tempel ein / welcher Circkelrund / und in zimlicher Höhe aufgeführet war. Rings umher stunden gefrorne Crystallen-Seulen / welche von der grün-bekleideten Erden / biß an die Decke reicheten / und mit ihren durchsichtigen Glantze /welcher sich denen angezündeten Liechtern gleichsam entgegen setzte / einen nicht geringen / sondern Wunderherrlichen Schein gaben / der das gantze Zimmer erleuchtete. Es war auch gleich denen vorigen Tempeln / über dem Eingang / die Herrschafft der Liebe gebildet / deren zwey andere Weibs-Personen zur Seiten gestellet / von derer ersten sie bedienet / von der andern bekrönet wurde.
Diese drey / fieng Polyphilus an / werden gewiß Tugend / Glück und Liebe bedeuten? Ja / anwortete Erothemitis / so war der Jungfer Name / aber ihr vergesset der Kunst / welches doch das vornehmste Stück ist in der Liebe: dagegen Polyphilus versetzte /daß nur ihrer drey wären: Ja / sagte Erothemitis / aber das Tugend-Bild bedeutet zugleich die Kunst / daher ihr sehet / daß sie in der Rechten ein verguldtes Buch / in der Lincken einen Maß-Stab hält. Ists euch /fuhr Erotbemitis weiter fort /
Diß höfliche Anbringen vermochte bey Polyphilo so viel / daß er nicht nur allen vorigen Widersinn fallen ließ / besondern fast gar die Freundlichkeit dieser Damen / und ihre demütige Sittsamkeit lieb gewann /doch nicht anders / als es das Gefängnus / mit welchem ihm seine gehertzte Macarie bestricket / zuließ: darum sprach er: Edle und Tugend-völlige Dame! auf welch Wort sie ihm alsobald Einrede hielt / sagend: nicht heiß ich Dame / sondern Erothemitis: Polyphilus aber fuhr fort: solt ich das Glück von ihrer erkanten Gunst zu hoffen / oder auch zu erwarten haben /würde ich mich schon vor den bekennen dörffen / welcher in dem Glücks-Tempel nicht allein die Glück-Fälle erlernet / sondern auch selbsten sey damit gesegnet worden: bitte derowegen / so ich anderst bitten darff / sie wolle mich / ihrer angebornen Freundlichkeit nach / ihres Berichts würdigen. Auf welche Wort Erothemitis folgendes versetzte: das thue ich / so willig als schuldig. Ihr seyd / edler Polyphile! den Tugend- und Glücks-Tempel durchgangen / wisset auch / was diese beyde Jungfrauen geben und nehmen / was ihre Verrichtungen seyn / und wie weit sich ihr Dienst erstrecke. Die Kunst nehret die Tugend /die Tugend nehret das Glück / das Glück führet die Liebe: jenes habt ihr gelernet: aber das Letzte ist noch übrig / daß ihrs wisset / und ohne diesem / ist jenes /als gestorben. Lernet demnach an dem / daß Kunst und Tugend der Liebe dienet
Nach diesem giengen sie weiter fort / und ersahen /bald im Eingang / eine nackete und unbekleidete Weibs-Person / die in der einen Hand einen Angel / in der andern einen Strick hielt / und auf dem Haupt mit einer Cron / von Lilien / gezieret war. Gegen dieser stund ein andere / mit röthlichen Wangen / lieblichen Augen / und Gold-gleichem Haar / bekleidet mit Scharlach / und allerhand köstlichen Steinen gezieret /ihren Krantz in der Hand führend / und mit der Lincken auf eine verschlossene Tulipan zeigend.
Ungefragt fieng Erothemitis an: Diese beyde / edler Polyphile! bedeuten die Schönheit; diese zwar / zeigend die nackende / die eusserliche: Diese aber / zeigend die bekleidete / die innerliche. Beyde / fieng sie weiter an / sind der Liebe Urheber / und kan ohne sie / kein Liebe entweder entstehen / oder auch dauren. Deßwegen sie von der Weißheit des Himmels / in den Eingang versetzet worden. Doch ist das Behaltens werth / daß / wie unter beyden ein grosser
Wollt ihr demnach / edler Polyphile! wissen und verstehen / was schön ist / so müst ihr die Augen der Vernunfft zu Raht nehmen / und ihr die unbändige
Kaum hatte Erothemitis diß Wort geredt / als Polyphilum seine Gedancken schon nach Macarien gezogen. Wie kan doch / dachte er heimlich bey sich selber / etwas besser auf mich und mein Macarien gesagt werden? Freylich / allerschönste Macarie! bist du innen und aussen schön. Dein Verstand würcket freudige Geberden / deine Tugend gebieret die Freundlichkeit / daher deine lieb-winckende Augen / deine scham-beröhtete Wangen / und dein lächlender Mund / in solcher Herrlichkeit / pranget. Was kan auch mich artiger treffen? der ich / so bald ich von deiner Tugend gehöret / freylich nur durch Tugend bin entzündet worden / und hernach durch deine erleuchtende Schöne gestärcket / in dem / daß ich die blinde Begierde meiner straff-würdigen Liebe / unter dem Gehorsam meiner Vernunfft hälte. Ach / daß du doch / allerliebstes Kind! hie zugegen wärest / daß diese Erothemitis an dir die Werck zeigen könte / wie sie mir jetzo die Kunst gewiesen: Aber das daren Polyphili Gedancken: die Reden lauteten
Indessen führete sie ihn weiter / da zunächst etliche Weibs-Personen nacheinander stunden / deren erste gestaltet / als eine Jungfrau / in der ersten Blüth ihrer mannbaren Jahre / mit aufgeheiterter Stirn / und röthlichten Wangen / bunt gekleidet / in der Hand habend ein Zettel / mit dieser Inschrifft: die Jugend. Dieser folgte eine andere Weibs-Person mit lebhafftem Angesicht / starcken Gliedmassen / umhüllet mit einem zarten Schleyer / und an der Gütel tragend / den Namen der Gesundheit. Nach dieser war zu sehen ein stoltzes Weib in Königlichen Kleidern / güldenen Ketten / allerhand kostbaren Edelgesteinen / Perlen /Cronen / und d. g. nächst einem vollen Geld-Kasten /die ihren Namen / mit den güldenen Buchstaben / in der Hand fassete: der Reichthum. Nach allem dem erschien ein Jüngling / mit einem Fucker in der Hand /auch mit Würffeln / Karten / Bretspiel / Lauten / Geigen und andern Musicalischen Instrumenten / die vor ihm auf dem Tisch lagen / wol versehen / und dieser war der Müssiggang. Zu letzt zeigete sich das Liebes-Kind / mit einem Bogen / Köcher und Pfeilen / und schertzte mit der Abbildung der Schönheit. Von diesen begehrte Polyphilus auch Bericht: welchen ihm Erothemitis / mit folgenden Worten / ertheilte.
Das ist / gedachte Polyphilus / ein artlicher Discurs / von einer Jungfer / und wünschte / dergleichen mehr zu hören; aus welchen Ursachen er dann ihre Rede mit diesen beantwortete: Verständige Jungfrau! so viel ich vernehme / seyd ihr denen Alten gewiß nicht gewogen? Nein / sprach sie / ein Polyphilus ist mir lieber / als tausend solcher. Darauf er mit lachendem Mund antwortete: wie aber / wann Polyphili Haut schon verkaufft wäre? Aber verzeihet mir /sprach er ferner / daß ich einige Frag thun darff: warum verwerffet ihr die Alten / aus solchen Ursachen / die doch in Warheit auch manche Jungfer und Jung-Gesellen / deren Jahr noch blühen / würden verwerfflich machen? Wie mancher tapfferer Liebs-Werber wird von dem Hochmuth einer stoltzen Damen verworffen? Wie viel abgeführte Damen / die nirgend schöner / als in ihrem eigenen Spiegel; nirgend beliebter / als in ihrem falschen Dünckel sind / werden hinwieder mit gleicher Müntz bezahlet? Vieler Kundschafft wird von vielen begehret / nicht Liebe zu suchen / welche bey dergleichen auch übel angeleget würde / sondern sich mit ihrer Verachtung nur zu erlustigen. Und solche / wie klug sie auch sind / mercken doch nicht / daß ihr solche Höflichkeit / mehr der Ergötzung / als Liebe wegen / erzeiget werde: Das bleibet gewiß / wie sie durch ihr tägliches Aufnehmen / und tägliches Verstossen andere schertzen / also werden sie wiederum geschertzet. Geschicht das nun an der grünenden Jugend / was wollen wir dem verdorrten Alter vor Ubel haben.
Polyphilus nahm alles wohl in acht / und da sie ferner giengen / daß sie gegen dem Liebes-Knaben stunden / sagte Erothemitis / daß / wer so weit gelange /schon bestricket liege / und von dem Knaben /
Polyphilus / dem ein jedwedes dieser Wort / gleich einem Donnerschlag / das Hertz rührete / indem ihm eben damit seine Hoffnung / die er auf Macarien gesetzt / und zugleich die Gedult / so er in dieser Verleitung tragen muste / erkläret wurde / nahm seine Tafel / stellet sich / als wolt er diß aufzeichnen / setzete aber folgende Beschreibung seiner Hoffnung und Gedult / zu seinem Trost.
Unter währender Verfertigung / oder vielmehr Nachahmung / dieses sonst bekandten Gedichts / giengen sie etzliche Schritt fort / und da sie sich zur rechten Seiten / gegen den Morgen stelleten / ersahen sie ein Kind / das entblöset / geflügelt / an Augen und Ohren verbunden / und mit Bogen und Pfeilen gewapnet /einen Feuer-Köcher in der Hand führete. Hinter selbigem vernahmen sie noch zwey andere Gesichter / zu beyden Seiten / wiewol sie diese / wegen der Weite /nicht erkennen konten. Da sie aber näher hinzu tratten / befanden sie / auf der Rechten / eine weiß-bekleidete Weibs-Person / welche in der Rechten hatte ein Siegel / und mit der Lincken auf einen Hund deutete / der zu ihren Füssen lag: Auf der andern Seiten ersahen sie einen Jüngling / mit entblöster Stirn /daran die Wort zu lesen:
Polyphilus mochte wol etwas erachten / wohin
Die verbundene Augen und Ohren zeigen theils die Verstockung der Sinnen; daß es wiederum bey manchem / mit jenem Poeten heisset:
Theils / daß die Liebe ein blinder Führer sey / und gar leicht in die Gruben stürtze / so ihr folgen / auch keine Hülff-Bitte erhöre noch errette: sondern sie den Schmertzen quälen lasse / welchen die brennende Kertzen / in ihnen angezündet. Und diß ist das verzehrende Gifft / die Verblendung der Sinne / die Verwirrung des Verstandes / die Zerrüttung des Gemüths / die Schul der Sünden / die Vergessenheit
Fast auf gleichem Schlag / versetzte Polyphilus /
Erothemitis hörete diesem eine Weile zu / und ließ ihr die Erzehlung nicht übel gefallen: doch merckete sie leicht / daß Polyphili Mund und Hertz nicht zusammen stimme / sondern in der höchsten Brunst der Liebe / dieselbe zu schelten suche / damit er nicht /durch deren Lob / oder Vertheidigung / vor verliebt angesehen werde. Deßwegen sie ihm auch diese Freyheit gerne zuließ / und seine Rede in allem billichte /ja so gar verstärckete / daß sie bejahete / es können die Laster einer verderbten Liebe nicht gnugsam gescholten werden / ob schon alle die Nahmen / damit wir sonsten das Böse zu benennen pflegen / auf einmal zusammen gehäuffet / und dieser geschändeten Lust aufgeleget würden. Darum / sprach sie ferner /ist das alles / obs etwas geredt / noch lang nicht gnug / was ihr auch geredt. Ich meines Theils könte hinzusetzen / daß sie sey eine Eitelkeit / die belustige; eine Belustigung / die entfliehe; eine Flucht / die betrübe; eine Betrübnuß / die erfreue; eine Freude / die verführe; eine Verführung / die verderbe; ein Verderben / das erquicke; eine Erquickung / die ertöde; ein Tod / der da lebe / und ein Leben / das immer sterbe. Andere / die noch weiter sinnen / haben sie schon
Polyphilus hörete dieser sinnlichen Rede eine gute Weil zu / und verwunderte sich über den Verstand Erothemitis / welche diese Benahmungen
Diese betreffend / versetzte Erothemitis / ist sie so hoch zu rühmen / als jene zu schänden: so hoch zu erheben / als jene zu stürtzen: so mächtig zu lieben / als jene zu hassen: ja / so eiferig und brünstig zu verlangen / als jene zu fliehen. Es wird aber auch selbige durch die Kindheit gedeutet / weil sie nicht nur die Jugend erfrischet / sondern so gar auch das Alter verjünget / und gleich denen holdselig-beliebten Kindern /bey männiglich angenehm machet. Die Blösse zeiget die natürliche Schönheit / welche keiner Bedeckung benöthiget / weil sie keinen Mangel zu verbergen: oder auch / daß unter den Verliebten / nichts heimlich soll gehalten werden / sondern einer dem andern /auch die allerinnerste Hertzens-Gedancken eröffnen. Die Flügel bemercken die hohen Gedancken / die sich offt über alle Himmel / ja / wol gar über tausenderley Unmüglichkeiten schwingen: Die Blindheit / einen solchen Sinn / der von allen andern abgewendet / der Geliebten sich allein traue / und durch keine fremde Schönheit / sich blenden lasse: Der Brand oder Feuer-Köcher entzündet die liebliche und löbliche Gedancken / welche auf nichts anderst gerichtet / als Verstand und Tugend. Der Waffen aber gebrauchet sich die Liebe
Was hätte Polyphilum mehr befriedigen können /als dieser Unterricht? mit Verwunderung sahe er die Erothemitis an / weil er solche Weißheit nicht in ihr gesuchet: hätte auch gern länger zugehöret / wann sie nicht der Zeit vor dißmal gehorsamen müssen / welche wider ihr Verhoffen dahin floß. Deßwegen dann Erothemitis selbst abbrechen / und folgend / aber mit kurtzen Worten / die zwey andere Bildnussen zu erklären folgender Art fortfahren muste: Wann wir nun /edler Polyphile! diß Kind / durch die rechtschaffene tugend-werbende Liebe / deuten / und durch unsre Begierde verlangen / wird solcher unser Gewinn / von der Treu und Beständigkeit aller Orten begleitet: welches diese Bildnussen anzeigen / durch welche zu der Rechten die Treu / zu der Lincken aber die Beständigkeit vorgezeiget wird. Dann die weisse Kleidung /deutet ein aufrichtiges Hertz; das Siegel / ist das Zeichen der Geheimnus und Verschwiegenheit; der Hund / welcher nach dem Zeugnus der Natur-kündiger / das getreueste Thier ist / die unverruckte Beharrlichkeit und treue Aufsicht. Der Jüngling aber zur Lincken bewähret die grünende Tugend / die er mit entblöster Stirn bekennet / und in einem eröffneten Hertzen zeiget / auch endlich durch den groben Kittel / in der That erweiset / wie die Inschrifften selber lehren / und ich nicht völliger anjetzo erklären kan /mit welchem Wort sie Abschied nahm / und nach empfangenem Gegen-Danck / sich wieder zu der Königin verfügte.
Beschreibet / was sich ferner / in dem Liebes-Tempel / mit der Königin und Polyphilo /begeben: beantwortet etzliche Liebes-Fragen / die ihre Lehr-Puncten selbsten zeigen.
Polyphilus / der nicht wuste / was er dabey gedenken solle / daß sie ihn schon verlasse / da er doch / vor seinen Augen / noch viel zu sehen hätte / vergaß bald alles dessen / und gedachte seinen Vortheil zu ersehen / der Tafeln / die von Macarien etwas neues melden würden / ansichtig zu werden: aber vergebens. Dann da er kaum auf den Weg getretten / der ihn dorthin geführet hätte / wurde er von der Königin zu ruck geruffen / und erinnert / daß er diesen Weg noch nicht gehen dörffe / er habe dann ein mehrers gesehen. Deßwegen sie ihn selber / was noch übrig / kürtzer zu zeigen / mit sich / in den untern Theil des Tempels führete.
Im Durchgehen / ward er an den Teppichen / damit dieser Tempel umhänget / etzlicher schöner Historien gewahr / die mit Gold und Perlen so künstlich gebildet waren / daß Polyphilus leicht ermessen konte / es müsten die liebhabende Göttinnen ihr Meisterstück daran verbracht haben. Unter andern vielen waren mercklich zu vernehmen die Liebes-Geschicht des schönen Jünglings Narcissi / welcher von fast allen Nimfen / wegen seiner Schöne; sonderlich aber der Echo geliebet / die / weil sie seiner nicht geniessen können / von grossen Schmertzen / in einen nichtigen Widerhall verwandelt: Er aber / durch seine eigene Liebe / die ihm die Schöne seines Venus so brünstig verlanget worden / daß /nachdem er noch in der Blüte seiner Jahre / auf der Jagt / von einem wilden Schwein zerrissen wurde / sie ihn nicht nur hertzlich und schmertzlich beweinet; sondern auch / ihr beklagtes Mitleiden zu bezeugen /in eine Purpur-Blum verwandelt / und ihm zu Ehren /jährliche Trauer-Fest halten lassen. Uber das war die Histori der schönen Helena zu sehen / allermassen wie sie Homerus beschrieben; dann die Verwandlungen und Liebes-Geschichte / wie sie / nach der Länge / vom Ovidio erzehlet werden: die allhier zu wiederholen mehr verdrüßlich / als annehmlich ist.
Endlich kamen sie / hinter einer Deck / in eine Höle / da anfangs nichts / denn ein lauters Wasser zu sehen war / welches sich gegen ihnen / wie ein Berg auflehnete / daß sie trucken hindurch giengen. Von dannen befunden sie sich in einer fast kühlen Grotte /allwo drey Bildnussen aufgehänget waren / die so schön / daß Polyphilus dergleichen nicht bald gesehen. Diese zeigte ihm die Königin / mit Vermelden /daß er von selbigen die Liebes-Kunst lernen werde. Daß / sprach sie / diese drey sind die / in aller Welt berühmteste / Liebhaberinnen gewesen / und haben männiglich / mit ihrer Kunst / verführet: dazu ihre schöne und wolgebildete Gestalt des gantzen Leibes /nicht wenig geholffen / indem sie / wie ihr sehet /nicht nur von schönem Angesicht sind / sondern auch einer herrlichen
Als Atychintida dieses erwähnte / streckte sie ihre Hand aus / nach der ersten Tafel / und zog hinter derselben ein aufgerolltes Papier herhor / darauf folgende Wort verfasset / die sie Polyphilo zu lesen gab:
I. Nicht ehe wird ein Weibes-Bild gewonnen / als wann man sie treulich meynt; viel um sie leidet; und bescheiden ist in seinem Reden.
II. Die Liebe erkaltet nicht eher / als wann der Liebhaber zu brünstig ist im Lieben; und die Liebhaberin zu unverschämt im Begehren.
III. Nichts mehr kümmert das Hertz eines Verliebten / als wann er nicht kan erlangen / was er begehret; und daß er förchtet / er verliere das jenige / was er geneust.
Indessen Polyphilus diß durchsah / zog die Königin /unter dem andern Bild / noch einen Zettel hervor /welchen Polyphilus dieses Innhalts befand:
I. Eine rechte Liebe wird erkennet / durch ein / bey dem Liebhaber / unruhiges Hertz; unvergnügtes Verlangen; immerfürchtende Hoffnung; Verachtung aller Gefahr und Hindernus; Leiden; Gedult; Verschwiegenheit; und endlich das betrübte Scheiden.
Da Polyphilus diß lase / fehlte nicht viel / seine Thränen hätten die Schrifft genetzet / weil er eben an Macarien gedachte / und deßwegen mit tieffen Seufftzern anfieng: Ach wol freylich! dann zu der Zeit verstummet / der Mund / und musten die Augen reden / durch der gehäufften Zähren Flut: das Hertz aber leiden / in der Pein der erhitzten Seufftzer. Inzwischen laß Polyphilus ferner:
II. Zwey auf einmal zu lieben / ist nichts unmügliches / eine in Augen; die ander im Hertzen.
Dessen hätte Polyphilus gerne eine deutlichere Erklärung gehabt: allein die Königin entschuldigte sich / daß es ein gefährlich Werck sey / welches sie nicht gern auf sich nehme. Doch so viel sie ihr zu behaupten getraue / glaube sie / daß man eine / wegen der äusserlichen Schönheit lieben könne; welches hie die Augen-Liebe genennet: eine andere aber / wegen der innerlichen / welche mit der Hertzens- Liebe geliebet werde.
III. Die dritte Frag: wie man eine Widersinnige gewinne?
Wurde beantwortet:
Daß sie mit Gedult zu erwarten; und nicht zu
Als auch dieses verlesen / reichete die Königin den dritten dar / dieses Innhalts: Flora solte errathen:
I. Womit die Bitterkeit der Liebe zu versüssen:
Sie rieth: Mit Hoffnung und Gedult.
II. Was das beste Mittel sey / wider den Anfall der Lieb:
Sie rieth: Die Gelegenheit meyden.
III. Wodurch die Liebe am sichersten ernehret / am reichlichsten vermehret / und am erträglichsten geehret werde:
Sie rieth: Wann man die gar zu grosse Gemeinschafft fliehet. Dann / je weniger das Auge geniesset / je mehr dem Hertzen verlanget; und doch ohne verzehrende Qual.
IV. Welches die stärckeste Liebe sey:
Sie rieth: Die auf der Gleichheit bestehet.
Darüber fieng Polyphilus an: alles glaub ich / und alles will ich billichen / aber diß letzte zu glauben /wird mich niemals ein Mensch überreden / viel weniger zu billichen. Ich sage vielmehr aus dem Grund /den mir Erothemitis gewiesen / daß die stärckeste Liebe auf der Ungleichheit bestehe. Dann die Jugend ist in ihrer Jugend unbedacht / und gebens die gemeinste Exempel / daß sie nicht so wol durch die innerliche Tugend-als äusserliche Gestalts-Schönheit zur Liebe bewogen werde: welches bey der Ungleich heit nicht zu beförchten. Dann ein Wittwer / zum Exempel / der eine Jungfrau liebet / wird / in Warheit /nicht so wol auf blosse Schönheit / als Tugend
Polyphilus hätte gern sein und seiner Macarien eigen Exempel angeführet / welches den grössesten Beweiß geben können / aber es wolte sich nicht schicken. Atychintida aber / die Königin / als sie Polyphilum so reden hörte / und merckte / daß er denen Witwen / vor den Jungfern / gewogen wäre / fieng sie an: So wollet ihr / Polyphile! gewiß behaupten / daß die Ehe und Liebe viel sicherer und bequemer mit denen Witwen / als Jungfräulichen Geschlecht / anzufangen und einzugehen / welches doch / wider aller Gelehrten und Weisen Spruch und Aussag / geredt wäre.
Und wann es / fieng Polyphilus an / wider der gantzen Welt Schluß lieffe / wäre mir doch leichter demselben zu widersprechen / und umzustossen / als die Warheit zu läugnen. Besehet selber / fuhr er fort /Holdseligste Königin! was Flecken der Liebe / so die Jugend führet / anhangen: und was vor Seulen die Neigung unterstützen / welche in der Ungleichheit der Liebenden / entweder der ältere zu dem Jüngern /
Nun müssen wir das auf eine Witwe / zum Exempel / ziehen / werden wir alles mit hellen Augen sehen. Diese / so fern sie von einem / der sich ihr nicht gleichet / das ist / von einem jüngern geliebet wird / hat sie ihren Liebhaber / nicht nur in die Liebe / sondern auch in die Furcht geführet. Denn ihr höhers Alter ist von dem jüngern billich zu ehren: ihre vollkommenere Tugend-Verrichtungen sind von der unvollkommenen Jugend gebührlich zu verwundern: ihr geübter Verstand / und besser erfahrne Hauß-Bestellung / auch / in vielen Glücks- und Unglücks-Ständen / schon probirte Klugheit und Frömmigkeit /ist schuldiger massen / von der noch unerfahrnen Jugend / hochzuhalten: ich rede aber von einer verständigen erbarn Matron / die nicht lebendig tod ist. Wie nun diß alles der Geliebten bey ihrem Liebenden ein Ansehen / theils dem Liebenden gegen der Geliebten eine Forcht gebieret; also wird die Liebe / oberzehlter massen / immer fort und fort gestärcket bey dem Liebenden: Die Geliebte aber / indem sie mercket / daß ihr die gebührende Ehr nicht geraubet / sondern durch ihre Tugend bedienet / durch ihren Verstand hoch und werth gehalten werde / muß / mit einer gleich-gültigen Gegen-Liebe / diese Liebe stärcken: mit Ehre / die sie dem Liebenden / als ihrem Haupt / schuldig ist: mit Furcht / daß die Bescheidenheit nicht in Widerwillen und Verdruß verwandelt werde: mit Liebe / als welchem sie ihr Hertz vertrauet. Und das ist dann eine rechtbrünstige Liebe. Uber das kommet noch hinzu das Vertrauen / welches keine geringe Entzündung würcket.
Atychintida hörte diesem Gespräch / nicht ohne sondere Belustigung zu / weil sie aber gantz Widersinnes war / gedachte sie / ihn zu fragen / und sprach: So folget / Polyphile! daß der Liebende der Geliebten Diener seyn müsse: da doch die Götter selbsten / eine widrige Ordnung gemacht. Der Dienst / fieng Polyphilus an / ist gar angenehm / und so beschaffen / daß er mehr einer Herrschafft gleiche. Zwar / fuhr er weiter fort / billige ich nicht / daß manche / durch die nichtige Liebe / sich so weit führen lassen / daß sie dienen / da sie herrschen sollten: gleichwol aber kan ich das auch nicht vor Unrecht erkennen / daß der /welcher mit höherm Verstand und herrlichern Tugenden bereichert ist / herrsche über den / der dessen Mangel trägt. Doch ist dieser Dienst nicht hinderlich der Oberherrlichkeit so ein Mann in seinem Hause haben soll / sondern viel mehr beförderlich. Er ist auch kein Dienst zu nennen: sondern eine Folge; und wird die Geliebte / Krafft ihrer Tugend / den Befehl und die Herrschafft so führen / daß sie mehr eine freundliche Erinnerung / als ein Befehl / zu nennen. Daher ich erst neulichst / nicht ohne freywilliges Gutheissen / folgendes Sonnet gelesen / so ein Tugend-verliebter / an dergleichen Geliebten / abgehen lassen / die ihn einen Herrn genennet:
Auf diß fieng die Königin an: das ist wol etwas geredt: aber gleichwol meyne ich / daß / so fern ein Liebhabender Jüngling selbst auch mit Verstand und Tugend begabet ist / es besser sey / eine in allen noch unerfahrne Jungfrau zu lieben / die er gleich einem Wachs / nach seinem Sinn und Willen / richten und ziehen kan: als eine Wittwe / deren gefasste Gewonheit / ihr entweder gar nicht abzubringen / oder ja mit gedoppelter Mühe. Gedoppelter / sage ich: indem sie nemlich einmal die ihm mißfällige Sitten / so sie bey ihrem vorigen Liebsten gewohnet / lassen: hernach aber sich gleichsam verneuen / und diese hingegen annehmen muß. Dann sehr schwerlich ists zu glauben und zu hoffen / daß der Sinn / des Gegenwärtigen /sich gleiche mit dem / was der erste gewolt. Muß also dieser entweder seine Sinnen ändern / und sich in der Liebsten Sinn schicken; welches mehr als ein Knechtisches Joch wäre: oder muß sich mit ihrer Veränderung plagen; welches allerhand Widerwertigkeit würcket: oder muß im steten Wider-Sinn leben / da lauter Unruh / aber kein Fried zu hoffen.
Polyphilus stellte sich / als wüste er nicht viel zu antworten / fieng aber bald darauf an; Verständige
Atychintida hielte dem allen starcke Widerrede /führete die beförchtende schädliche Zufälle an / und versetzte / daß / wann gleich alles / was Polyphilus von der Tugend erwiesen / in güldener Warheit bleibe / dennoch viel Ungemach bey einer Wittwe zu erwarten; dann einmal / so fern dieselbe gutes Vermögens / entweder von sich selbst / oder ihrem vorigen Liebsten / wäre so viel Hochmuth zu fürchten / als Pfenning in dem Kasten: wäre sie dann widriges Falls in das Register der Dürfftigen gezeichnet / dörffte man sich auch geringer Freude versichern. Zu deme noch das allergrösseste käme / die Menge der unerzogenen Kinder / so etwa vorhanden wären / diese verursachten Zanck / wegen der Zucht / Haß wegen der Eintheilung der Güter / Widerwillen wegen der abgeneigten Liebe / und so fort an. Daher endlich folgete /daß / so fern eine solche Widerwertigkeit entstünde /beyder Hertzen abgewendet / und an fremde Ort gelencket werde; theils sie / die ohne Zweiffel von ihrer erstgeführten glücklichen Ehe viel rühmen würde /und jenen diesem vorziehen; welches dann die Wurtzel ist der Uneinigkeit; theils auch er selbsten / wann er mercket / daß ihr Hertz noch mehr an dem Verstorbenen / als ihm hänge / werde er auch gleichsam mit verführet / daß er seine Sinnen anderwerts
Polyphilus / fast erhitzet / führete kurtze / aber strenge Wort / sprechend: wann ich so schliessen wolte / will ich bald erweisen / daß nicht nur keine Witwe / sondern gar kein Weibsbild / sie sey Jungfrau / oder was sie wolle / zu heyrathen. Dann ist sie reich / so will sie herrschen / ist sie arm / so wächst der Mangel; ist sie schön / wird sie verführet; ist sie heßlich / ist alle Freude todt. Aber das heisset nicht von einem verständigen Tugend-Paar geschlossen. Anlangend auch die Kinder / wird hoffentlich die Frucht nach dem Stamm gerathen / daß sie mehr erfreuen / als betrüben. So achtet auch ein Tugend-liebendes Hertz keinen Vortheil oder Reichthum: sondern ist zu frieden / wann er seine Geliebten / die ihm mit gebührender Ehr begegnen / und vor ihren Schutz annehmen und halten / mit seiner Hand nehre / und mit seinem Arm bewahre. Hat sie demnach / Holdselige Königin! in diesem Fall / gar unrecht geschlossen; dann Reichthum achtet ein Tugend-begieriger so viel /als nichts.
Atychintida erkennete den Fehler / fieng gleichwol wieder an / einen andern / und / ihrer Meynung nach /viel kräfftigern Beweiß anzuführen / aus dem / daß solche Personen / welche beyderseits / einer dem andern / die Ehre und Zierde der Jungfräulichen Keuschheit zubringen / auch einander fester und vergnüglicher lieben / als da solches eines theils fehle. Hingegen / versetzte Polyphilus / weiß ich bey der Wittwe /was ich habe / und daß ich nicht betrogen werde. Daher ich vielmehr / auf meiner Seiten / so schliessen wolte. Dann wofern ein zweifelhafter
Dieser Schertz Atychintidœ / weil er / in dem Hertzen Polyphili / einen lautern Ernst traff / vermochte ihm leicht die Röthe auszutreiben / ob er gleich / mit höflichem Gegen-Schertz / sein Gespräch / allein der Königin zu Ehren und Gefallen geführet / gar artlich bekräfftigen konte / als hätte ers vor das grösseste Unrecht bekennen müssen / wann er / in Beyseyn ihrer / der Wittwen Vorzug hätte sollen erdrücken lassen. Wie aber ein Schertz den andern reitzet / als fieng die Königin an: so seh ich wol / haben wir alle beyde ein anders geredt / ein anders gedacht / weil ein jeder wider sich selbst geredt / dem andern zu Gefallen. Welches Polyphilus so muste geschehen lassen und zugeben / damit er nicht schuldig würde / an der Liebe einer Wittwen / die doch heimlich solte gehalten werden.
Weil derowegen Polyphilus / nur mit Wincken /nicht mit Worten / ihren Schluß billichte / und also keine Ursach gab weiter zu reden / fieng sie an: Nun habt ihr / Polyphile! so viel gesehen / als menschlichen Augen allhier zu besichtigen / erlaubet / werdet auch mit meiner und der Meinigen bißher erzeigten Gunst vergnüget seyn: weil wir aber euch Polyphilum
Mit welchen Worten sie Polyphilum wieder ausführete / da sie eingangen waren / biß mitten in den Glücks-Tempel / allwo zwey grosse Seulen aufgerichtet / in deren Mitte ein Kasten / an zweyen eisernen Ketten / herab hieng / welcher das Schloß des Gefängnüsses behielt. Und als Polyphilus / gerad gegen über / eines Altars gewahr wurde / darauf sie opffern könten / sprach er zur Königin daß diß ein bequemer Ort wäre / zu dem Opffer / allda sie es vollbringen wolten: welchem dann die Königin einstimmete / und ihr Vorhaben mit grosser Andacht vollbrachte.
Beschreibet die endliche Erfüllung / des Verlangens Polyphili / durch den Anblick derer Tafeln geschehen / auf welchen der Name der schönen Macarien geschrieben / und was sich weiter begeben: Lehret / daß endlich das Tugend-Verlangen nicht unvergnügt bleibe /
Nach verrichtetem Opffer / führete die Königin Polyphilum zur lincken Seiten hinter ein Gerüst / und zeigete ihm die so langverlangte Tafeln / darauf der tausend schöne Name Macarie in Ertz gegraben war: so bald Polyphilus denselben erblickete / schlug ihn /weiß nicht / soll ich sagen / die unerschöpffte Freude /oder das schmertzliche Verlangen / gleich einem Donner-Keil / ins Hertz / daß er / sein selber vergessend /auf die Erden niderfiel und / als wolt er anbeten / sich geberdete. Er empfieng den Namen Macarie / mit so offt wiederholtem Kuß / daß endlich die Königin verursachet wurde / ihn zu erinnern / daß er die Ehre / so allein denen Unsterblichen gebühre / nicht einem Menschen beylege / und die Götter erzürne: aber es mochte alles nicht helffen / ob der Mund und die Augen gefangen gehalten würden / hatte doch das Hertz seinen freyen Paß / welches in der erhitzten Seufftzer-Glut dermassen brannte / daß der aufgehende Rauch alle Sinnen dämpffete / so gar war nichts empfindliches mehr an Polyphilo.
Da ihm aber die ausgesandte Boten seiner Gedancken / von Macarien wieder zu ruck kamen / und sein Hertz mit guter Hoffnung trösteten / ermunterte er sich wieder / und weil er allererst erkennete / was er gethan / überfiel ihm eine so furchtsame Schamhafftigkeit / daß er die Königin nicht ansehen dorffte: welche / da sie solches merckete / ihn selber anredete / und seines Verbrechens halber straffete. Nach dem / befahl sie ihm die Schrifft zu lesen / die wir oben
Ach! du beglückter / und doch dabey auch unglückseliger Polyphile! solt du denn von den Göttern nimmermehr / mit einer unbefleckten Freud / verehret werden? muß dann das Glück mich / mit weinenden Augen / anlachen? wie habt ihr mich / ihr unsterbliche Götter! auf einmal so hoch erhebet / und aber auch so tieff gestürtzet / daß ich nicht wissen kan / soll ich dancken oder klagen? Ach! du allerherrlichster Name Macarie! Macarie meine Lust / und meine Ergötzungen! wärest du nicht tieffer in mein Hertz gegraben /als dich dieses Ertz / O das beglückte
Das waren dißmals die Gedancken Polyphili / die er aber / wegen der anwesenden Königin / nicht gar deutlich / sondern mehrentheils halb-gebrochen / hervor bringen muste. Was geschicht? Eben da er die letzten Wort ausgesprochen / und weiter reden will /erklinget hinter ihm eine Stimme / wie ihm deuchte /vieler hochsingenden Göttinnen / die ihn mit solcher Verwunderung erschröcketen / daß er / mit grosser Behendigkeit / sich gegen dem Klang wendete / und aller Reden und Gedancken vergaß / sonderlich / da er den Namen Macarien klingen hörete. Es wurde aber folgendes Lied gesungen:
Mit was Tausendfältigkeit der Freuden / Polyphilus /durch diesen Gesang / sey überschwemmet worden /ist ehe zu gedencken / als auszusprechen. Darum wir uns nichts unmügliches unterfangen wollen. Die Königin aber / und andere Anwesende wurden so hoch bestürtzet / daß sie nicht wusten / was sie glauben solten / bevorab / da sie dergleichen / in diesem Tempel / nie befunden / und also nicht wusten / was es wäre / oder woher es rührete: aller Schluß gieng einmüthig dahin / daß die Unsterbliche den Himmel verlassen / und zu ihrer Erlösung / an diesen Ort / sich versamlet: welcher Wahn sie doch hefftig betrog /dann diß alles / die viel-vermögende Kunst / der Zauberin Melopharmis / zu Wege richtete. Polyphilus indessen verlangte nichts mehr / als die Erlösung des Gefängnusses / die auch ihn wieder an die Sonnen /und vielleicht zu seiner Macarien bringen würde.
Beschreibet die Erlösung Sophoxenien / mit welchem zugleich Kunst und Tugend versencket war: Lehret /wie dieselbe / durch Fleiß und Schweiß / erwachsen /hernach desto fröliger blühe / und ewige Freyheit gewinne.
Aber wie es gehet / daß uns offt das betrügliche Glück eine Freude erblicken lässt /
Wer zuvor das freud-hupffende Hertz Polyphili hätte völlig mercken können / der würde jetzt auch die wehklagende Sinnen ausdrucken. Die Augen waren geschlossen / als welche sich schämeten / daß das Hertz nicht einen Rath beschliessen könne. Die Ohren waren gleichsam verstopfft / als die nicht hören möchten / was andere vor unnütze Mittel vorschlugen. Der Mund war verstummet / als der nicht reden konte / weil das Hertz nichts vermochte zu ersinnen: das Haupt war geneigt / und hätte nicht viel gefehlt /Polyphilus wäre gar versuncken / so hart drucketen ihn die bald frölige / bald betrübende Zufälle / welche ihn / durch ihre widerwertige Bewegnussen / gar leicht hätten in Verzweifflung stürtzen sollen.
Was geschicht? da aller Rath und Hülff erloschen /kommt Melopharmis / aber unsichtbar / und führet Polyphilum in den Tempel hinauf / eben an den Ort /wo die Jungfrau ihn verlassen / und er von
Polyphilus voller Schrecken / wuste nicht / was er anfangen solte / weil er beförchtete / daß / so er das Kind erwürgen werde / um dessen Leben zu erhalten /gleichwol diß Schloß versencket worden / wie er vernommen hatte; auch sein Leben das Ende nehmen möchte: doch gedachte er hinwieder / ich will dem Befehl folgen / und sehen / was geschiehet. Gieng darauf zur Thür wieder hinaus / fragte nach dem Kind / und führete es bey der Hand in den Saal:
Er muste durch ein Thor / in eine finstere Höle gehen / die / wegen eines aufsteigenden Schweflichten Dampffs / fast erhitzet / zu beyden Seiten / ein Knallen und Brausen / gleichsam eines aufkochenden Wassers / vortrug / daß ihm kein geringe Furcht verursachete / bevor / weil er nicht wuste / was diß Gethöne wäre; da er aber ein wenig fortgieng / fiel ein Liecht
Polyphilus / der / neben seinen Beyschläffern / von dem erschröcklichen Knallen erwecket / und / durch die zugefallene Forcht / nicht wenig erschrecket ward / stund behende auf / suchte den Ausgang von der Höle / durch den Weg / der ihm den Eingang gezeiget. Und als er in dem schwermütigen Schrecken /gleichsam geflügelt / durchgieng / kam er durch den Liebes-Tempel / wiederum in den Saal / allwo er /von den Donner-Worten / unterrichtet / durch das Versöhn-Opffer / die Entbindung des Gefängnüsses erlernet-Alle / die mit ihm waren / folgeten ihm; und wurde ein jedes deren / am ersten aber Polyphilus /von Melopharmis / so da / mit ihrem Sohn / zugegen war / Glückwünschend empfangen: Polyphilus aber /durch die Hand Melopharmis / bekrönet / die ihm /zum Siegs-Preiß / seine verlangte Macarien versprach Die andern grüssete die Entbindung des Gefängnus /durch den Mund Melopharmis / welche / mit Eröffnung des Fensters / an dem Saal / einem jeden / das helle Sonnen-Liecht wieder zuerblicken / unverhinderte Gewalt gab.
Alles war da mit höchster Freud entzündet / so gar / daß die innerliche Bewegung / mit vollen Strömen
Wüste ich doch / alleredelste Matron! wie ich sie nach Würden preisen / und nach Gebühr verehren solte / wolt ich alle Müglichkeit / dero allergütigste Hülff mit gebührendem Danck zu krönen / versuchen: allein ich erkenne / daß himmlische Gaben / nicht mit menschlicher Vergeltung zu empfahen. Derentwegen /so lasset euch günstig gefallen / die Bereitschafft des geneigten Willens / vor dem zerbrechlichen Werck /anzunehmen. Erkennet auch daher / daß unsere Zunge stumm / und unsere Hand laß wird / euren Ruhm zu preisen / und eure Ehr zu bedienen / weil diese Werck nicht irrdisch / sondern durch der gnädigen Götter allwalltende Wunder so seyn geführet worden: daher wir freywillig bekennen / daß sie würdiger mit dem Hertzen / als welches mehr göttlich ist / verwundert / dann mit einiger eusserlicher Dancks-Bezeugung verringert werden. Gleichwol aber / weil wir Menschen / unter den Menschen / menschlich handeln müssen / und allein dem Himmel himmlische Ehr gebühret: so seyd vergnüget / alleredleste Melopharmis! mit dem / was ihr sehet / und wisset / das wir euch zur Erwiederung /des grossen Guts thun / und thun können. Euch nemlich wollen wir ehren / als unsre Helfferin; Euch wollen wir dienen / als unsrer Beherrscherin / und das versprechen wir sämtliche / mit einem einhelligen Ja.
Wie nun Melopharmis / durch ihre vielvermögende Kunst / auch nicht unklug war: also sahe sie bald /wohin die Wort Polyphili zielten / und was das Hertz verlangte / darum sie ohne weitläufftige Beantwortung / sein Begehren zu erfüllen / sich der Ehren zwar bedanckte / dieselbe aber alle zu ruck / und auf Polyphilum lehnete / als der allein würdig gewesen / diese Verbannung zu entbinden / deßwegen sie die Anwesende erinnerte / ihme / Polyphilo / gebührende Reverentz zu erweisen / und nach Verdienst zu bedienen.
Beschreibet das Gespräch Melopharmis mit Polyphilo / die ihm den Berg zeiget / hinter welchem die Insul Solette gelegen / die das Hertz Polyphili dermassen zu sich ziehet / daß er sein selber vergisst: Lehret / wie auch die Tugendgeübte / offtmals die Bezahlung so begierig fordern / daß sie mehr darüber verlieren / als erhalten.
Als das geschehen / wurde er von dem Saal / bey der Hand Melopharmis / in den obern Theil des Schlosses geführet / von dannen ihm die Gelegenheit des Orts /und ein herrlicher Anblick der Berge / Felder und Wälder / samt etzlichen aufsteigenden Kunst-Wassern / gezeiget wurde.
Atychintida indessen bestellete den Schmuck / und andere Geschenck / so Polyphilo solten verehret werden; gab auch Befehl / daß die Tafel bereitet würde /Speise zu nehmen: deßwegen sie alle / und ein jeder zu seiner Verrichtung gieng / Polyphilum aber mit Melopharmis allein liessen. Da sich nun diese beyde allein befunden / fieng Melopharmis an / alles / nach der Länge / dem erfreuten Polyphilo zu erzehlen / wie diß alles durch ihre Kunst verwaltet / und er / durch die sondere Neigung des Himmels / auf diese Art / sey erhalten worden. Nun aber sey es an dem / daß er seinen Wunsch erfüllen / und sein Verlangen erhalten solle / wann er nur selber / durch etwa freywilligem Vorwitz / seinen Weg nicht verfehlen / oder den Gewinn verlieren würde. Dann / sprach
Mit was hertzlichem Froh / Polyphilus diesem Gespräch muß zugehöret haben / kan der leicht ermessen / welcher mit ihm unter gleichem Joch gearbeitet /oder noch arbeiten wird. Tausend Freuden spielten in seinem Hertzen / und himmlische Zufriedenheit küssete das Verlangen. Auch fehlete nicht viel / er wäre über der ungehofften Freud erstummet / weil er kein Wort hervor bringen kunte / besondern / mit unverruckten Augen / die Berg-Spitze / und die darüber schwebende bläulichte Wolcken / bestrahlete / als wolte er dieselbe durchsehen. Und da er eine immerhelle entflammete Schöne / über dem Ort vernahm /allwo / nach Melopharmis Aussag / die Insul Solette der schönen Macarien den Sitz gönnete / dachte er bey sich in seinem Hertzen: Du bist ja freylich / allerschönste Macarie! selbst die Sonne / selbst die Sternen / selbsten der Glantz / der deine Nähe /
Diß beantwortete die Zauberin mit verneinen / und versetzte / daß er eine blosse Unmüglichkeit suche /darum er dißmal das Stück der Weißheit beobachten /und sich in die Zeit schicken müsse. Das weiß ich wol / sagte Polyphilus / daß sich in die Zeit schicken /sey ein Theil der grösten Weißheit / aber ich will in diesem Fall lieber die Thorheit wählen / mit Liebe und Vergnügung meiner Begierde / als in der Schwermütigkeit des ängstigen Verlangens / mit Weißheit leben.
Das ist wol recht / versetzte Melopharmis / ein offenbahrer Beweiß / daß die Gewalt der Liebe auch die Klügesten zu Narren / und die Tugendherrschende zu Laster-Dienern mache. Was redet ihr / Polyphile! wisset ihr auch / was ihr redt? wann ich nicht zuvor wüste / daß eure verdammliche Liebe / mehr auf die Wollust / als Tugend gegründet wäre / könte ich daher leicht schliessen / was eure
Polyphilus / dem diese Straff-Rede sehr zu Hertzen gieng / als welche er unverdient dulten muste / fieng mit hochgeführten Reden und betheurten Worten /sein besseres Hertz und Sinnen an zu entschuldigen /mit Vermelden / daß keine Liebe in ihm herrsche / die nicht auf Tugend gegründet; und keine Begierde bey ihm zu finden / die nicht jederzeit dem Verstand sich unterwerffe. Daß ich aber / fieng er ferner an / die Thorheit zu wählen / erkieset / mit Liebe / vor der Weißheit / ohne Liebe: hat keinen solchen Verstand /wie ihr deutet. Ich halte gäntzlich davor / daß selbsten die Weißheit / ohne Liebe / eine Thorheit sey / und die Thorheit / mit Liebe / eine vollkommene Weißheit. Ich verstehe aber eine solche Liebe / damit ich Macarien / die Schönste der Schönen / Liebe. Welche ihr / traun! mit dem grössesten Unrecht / verdammlich / und auf Wollust gegründet / schätzet / weil sie einig und allein / die Tugend /
Das alles zwar war künstlich genug verdrehet /doch mochte es nicht so viel ausrichten / daß Polyphilus / auf Beantwortung Melopharmis / nicht gestehen muste / er hätte sich dißmal die erhitzte Begierden zu weit verführen lassen: welches er dann / gebührender Bescheidenheit halber / nicht lang wägerte / sonderlich / weil er gedachte / Melopharmis würde ihm von allem weitern Bericht ertheilen / deßwegen er dißmal die Warheit / mit einer schmeichlenden Höflichkeit /überziehen / und / ihm zu grössern Nutzen / einen kleinen Schaden leiden muste. Auch Melopharmis /weil sie besser wuste / wohin sein Hertz ziele / und wie seine Begierden leicht ausser den Tugend-Schrancken schreiten würden / hielt ihm solchen Fehler gern zu gut / mit angehengter Warnung / daß er sich / nach dem / besser vorsehen / und dem Mund nicht gestatten solte zu reden / wann das Hertz nicht gleiche Ersinnungen führe.
Indessen fielen die Augen Polyphili / welche biß daher die Furcht der Schamhafftigkeit etwas verschlossen gehalten / wieder auf die Berges-Spitz / die ihn von seiner Macarien scheidete / und seinen Stral aufhielt / daß er die verborgene Insul nicht ersehen konte. Da er aber eben diß / mit einem hertzlichen Seufftzer heimlich beklagte / fieng Melopharmis / die seine Unruh alsobald merckete / an ihn zu trösten /mit Vermelden / wie die schöne Macarie / durch ihre Eröffnung schon wisse / daß Polyphilus noch lebe /und anjetzo / in vester Hoffnung / und täglicher Erwartung / sich seiner bald-künfftigen Gegenwart tröste; auch ihn / Polyphilum / so von Hertzen liebe /daß / wofern sie nicht / durch besondere glaubwürdige Eröffnung / von seinem Leben und Wohl-seyn / wäre verständiget worden / sie schon längsten ihre betrübte Seele dem Leibe entzogen / und ihn zu suchen ausgehen lassen.
Als Polyphilus das hörete / fieng er mit heller Stimm an: Ach! warum soll ich denn das Hertz / die liebe Seele / nicht alsobald sehen / daß ich sie völlig erfreue / und durch ihre Freude / auch die Wunden meiner Betrübnus verbinde? das hat seine sonderliche Ursachen / versetzte Melopharmis / die ihr vor dißmal nicht wissen dörffet. Seyd aber zu frieden mit dem gütigen Himmel / der euch über Verdienst begnädiget /und lebet in dem Vertrauen / daß ihr sie wieder sehen werdet.
Was solte der gute Polyphilus thun / er muste diese Erinnerung / als einen ernstlichen Befehl / verehren /und sich mit süsser Hoffnung künfftiger Befriedigung vergnügen: gleichwol aber / wie der Liebenden Gemüther von steter Unruh beherrschet /
Das gefiel Polyphilo nicht übel / und gedachte er alsobald / welcher Nam würdig seyn möchte / der Würdigsten auf der Erden zuzueignen. Es wolte aber /in dem zweiffelhafften Beginnen / ihm keiner so bald beyfallen / sonderlich weil die Furcht / es möchte ein ausgeziertes Wort den Verstand entdecken / und Macarien bekennen / der Würde widerstrebte / und diß Tugend-Bild geringer zu benahmen
Voll solcher Gedancken / nähert er sich wieder zu der Königin / welche eben einen Zettel / in der Hand /den Augen vorzeigte / darinnen folgendes Gedicht verfasset / welches ein unglückseliger Liebhaber /einer ihrer hochmüthigen Hof-Dienerin / die sich nicht wolte erbitten lassen / seine Betrübnus zu beklagen /aufgesetzt.
Die lächlenden Geberden der Königin / deren sie sich / unter dem Lesen / vernehmen ließ / verursachete Polyphilum zu forschen / warum sie doch so heimlich lache / es müsse gewiß was besonders darinnen seyn? worauf ihm die Königin das Papier darreichte / mit der Antwort / daß sie die Thorheit der Verliebten verlache.
Polyphylus / so bald er den ersten Vers erblickte /gedacht alsobald / es geschehe diß / aus besonderer Fügung / des so wollenden Himmels / bekandte sich dannenher schuldig / dieses Namens sich zu bedienen /
Die Deutung aber / des Namens Delitee / wolte dem furchtsamen Polyphilo fast ein Schrecken einjagen / daß er ihm die Gedancken machte / es werde / in diesem letzten Versen / der Untergang seiner Liebe /mit seinem höchsten Verderben / angekündet / und sey sie von dem vorsehenden Himmel Delitee genennet worden / daß / wie ihre Liebe allbereit erloschen; also auch seine flammende Brunst / durch die Kälte ihrer Widerwertigkeit / aber zugleich mit seinem Leben / erleschen würde. Wiewol die Erinnerung dessen / was Melopharmis versprochen / viel ein anders zeugete / und dieses ausleschen oder vertilgen auf die Schmertzen und Furcht seines Hertzens / in der brennenden Liebes-Pein deutete. Dessen er noch mehr versichert wurde / weil Atychintida Schertz-weiß anfieng: Diesem gehet es vielleicht nicht besser / als es euch ergangen / edler Polyphile! mit Macarien: dem Melopharmis antwortete: mit nichten / Polyphilus wird nicht vertilget werden / sondern seine Liebe wird feuriger brennen / wann Macarie die Glut der schmertzhafften Bekümmernus ausleschen wird. Darauf Polyphilus / als entrüstet / anfieng / weil ihm diese Wort erwünschte Gelegenheit zur Hand gaben: von was vor einer Macarien saget ihr / die mir meine Schmertzen leschen werde? Kan man auch Schmertzen tilgen / wo keine Schmertzen sind? Ich weiß nicht / was ich sagen soll. Zwar muß ich gestehen /daß ich / in dem
Kaum war das Wort ausgeredt / als Atychintida anfieng: Habt ihr denn auch / edler Polyphile! eine Deliteen: Ja / sprach er / eine Deliten; sie fragte weiter: die ihr hertzlich liebt? die ich hertzlich liebe: antwortete Polyphilus; und Atychintida: die ihr einig liebt? Ja! sprach wider Polyphilus / die ich einig liebe / und die ich biß daher / unter dem Namen der Tugend-gezierten Macarien / geehret. Wie wird dann / fragte die Königin ferner / die Weissagung / auf den Tafeln verfasset / erfüllet werden?
Beschreibet / wie Polyphilus / mit der Königin / und deren Angehörigen / Tafel gehalten / und was sie von der Verbauung dieses Schlosses / vor Gespräch erkieset: Lehret / daß Kunst und Tugend / nicht durch des Himmels / sondern der boßhafften Menschen Schuld erdrucket liege.
Atychintida wolte weiter reden / allein die Tafel war bereit / deßwegen sie abbrechen / und wieder hinab steigen musten. Polyphilus ließ seine Augen nochmal über den Berg gehen / und schickete der schönen Macarien einen hertzlichen Seufftzer. Indem er aber den Berg bey sich betrachtete / und dessen unermäßliche Höhe bewegte /
Atychintida hörete das alles / aber mit tauben Ohren an / weil ihr Hertz voll Verwunderung war /und sich nicht besinnen kunte / wo hin die Reden Polyphili zu deuten. Polyphilus hergegen freuete sich heimlich / daß er die Königin so artlich betrogen /und war bedacht / wie er ferner klüglich handele /weil er sahe / daß die Heimlichkeit hoch vonnöthen wäre / solte anderst das geschwätzige Gerücht / seine Macarien nicht bekandt machen.
Beyde giengen sie in tieffen Gedancken / biß zur Tafel / da alles aufs herlichste bereitet / und reichlich zugerichtet war. Polyphilus solte den obern Sitz nehmen / und den Königlichen Thron bekleiden; aber seine Bescheidenheit beugete vor dißmal das Recht /und muste / nach lang-verübter Höflichkeit / Atychintida ihren Sitz / unter einem Purpur-Himmel; Melopharmis aber nächst zu ihr / auf einem Sessel / mit rothem Scharlach bekleidet / nehmen: auf der andern Seiten dienete Polyphilus der Königin auf einem mit grünen Sammet verdecktem Stul; und
So bald aber mochte die Königin nicht Gelegenheit haben / daß sie ferner von Deliten fragte / als Polyphilus / von ihm selber / heimlich zu lachen anfieng /und / auf der Königin Begehren / versetzte: wie er sich nicht ohne Ursach verwundern müsse / daß ihm der Verfasser dieses Gedichts / seiner Liebsten Namen beraubet / das er in Warheit / solt er nur die Person wissen / nicht wol leiden würde / sondern einen Kampff anfangen. Und diß wuste er mit solcher Höflichkeit anzubringen / daß jedermänniglich seinen Schertz wol verstehen konte.
Die Königin aber war damit nicht zu frieden / sondern dorffte das völlige Werck zu forschen sich unterwinden / darauf doch Polyphilus nichts anders antwortete / als daß Liebes-Sachen geheime Sachen seyen / die die Zahl von dreyen / so wohl in dem Wissen / als in den Wercken hasse. Und weil Melopharmis sahe / daß gleichwol die Königin nicht ruhen wolte / und zu beförchten / Polyphilus könte sich nicht so leicht auf etwas bedencken / fieng sie ein ander Gespräch an / und gab Gelegenheit / von der Erledigung ihres Gefängnusses zu reden / mit Erinnern / daß rühmlicher wäre / anjetzo davon zu reden /und den Himmel dadurch zu preisen / als andere Unnötigkeiten zu forschen. Dessen Polyphilus nicht wenig erfreuet wurde.
Die Rede aber der Zauberin Melopharmis war diese: Welt-seeligste Königin! Es wissen E.M. wohl /in was harter Bedrangnus sie die Zeit gestecket / wel che mir mein Kind / durch die Boßheit der
Wiewohl nun Polyphilus bald merckte / daß Melopharmis dieses / zu ihrer geheimen Lust / und der Weisen zu spotten begehret; weil er nicht unwissend /daß diß alles durch kein Wunder des Himmels / viel weniger einige Begnädigung der Unsterblichen: sondern durch die trügliche Kunst der Zauberey geschehen; wägerte sich doch nicht / gab alsobald seinen Beyfall / weil er eben auch merckte / daß Melopharmis diß alles / zu seinem Besten geredt. Der Wille Polyphili war bey der Königin ein Befehl / dem zu schuldiger Danckbarkeit männiglich gehorsamen muste. Atychintida fieng selber alsobald an zu erzehlen / wie sie sich so gar nicht besinnen könne / durch was Mittel / und auf welche Art sie sey erlöset worden / so gar hätte der donnernde Blitz ihr Hertz erschrecket in der Höle / daß sie nicht bey ihr selbst geblieben. Polyphilus erinnerte / wie ihm ein Donnerschlag das Kind aus dem Arm gerissen / und wie alles mit erschrecklichem Krachen hergangen.
Wann ich meine unverständige Meinung darff hören lassen / pflichte ich allermassen dem Clyrarcha bey / dann keines Menschen Hand diese Werck vollführen / und selbsten die Natur dem allen nicht beystimmen kan. Solte wohl / fuhr sie ferner fort / eines Menschen Hand eine solche Burg versetzen / und in die tieffe Wasser versetzen / und unversehrt versetzen / und in einem Augenblick versetzen / als wir wissen / daß dieses Hauß versencket worden? solte wol eines Menschen Hand / den Grund abreissen / die Erde unter dem Wasser ausgraben / und ein so grosses Gebäu in der Lufft halten können? solte wohl eines Menschen Hand / die Wasser stemmen / ohne einen aufgeworffenen Thamm / über ein Hauß führen / ohne fallende Tropffen / und wieder ableiten /daß nichts schade? wer einen wenigen Verstand hat /wird auch das erkennen. Drum lasset uns die Wunder der gewaltigen Götter in diesem preisen / und nicht aufs neue Zorn verdienen / wann wir menschliche Ohnmacht / denen Göttlichen Kräfften vergleichen /und / der Natur mülich zu seyn / bejahen wollen / was gerad wider dieselbe streitet.
Coßmarites widersetzte sich diesem mit grossem
Melopharmis / als welche / auf solche Art / bald sollen verrathen werden / fieng / mit einem lautern Nein / die Rede an zu beantworten / und weil die zeitige Furcht ihr Hertz und böß Gewissen schröckete /winckete sie dem Polyphilo / er solte ihr beystehen /und sie schützen. Dieser / da er sahe / daß der Discurs männiglich wol gefiel / fieng er folgender Gestalt an: Ich habe / mit nicht geringer Belustigung / eurem Gegen-Streit eine Weile zugehöret / und wolte wünschen / daß mein Verstand sich so hoch erhebte / die Sache beyzulegen / aber die noch frühe Jugend entschuldiget ihre Unwissenheit. Daß ich aber / meiner Gewonheit nach / rede / damit ich lerne / und lehre /auf daß ich unterrichtet werde / will ich meine Meynung vor dißmal euch / Melopharmis! nicht weniger auch denen andern Anwesenden zu richten und zu
Anlangend die Erzehlung der Geschicht / halt ich davor / daß sie freylich wunderns werth sind / wann sie warhafftig sind: das aber stehet noch in grossem Zweifel. Sintemal keine grössere Unwarheit verkauffet wird / als von den Verwandlungen und Wunder-Wercken der Welt. Sehet an den Liebes-Poeten /was Wunder-Dinge erzehlet er in seinem Verwandlungs-Buch / und mit solchen Umständen / daß mancher ein Eyd auf die Warheit schweren solte? Wie weitläufftig beschreibet er den Riesen-Krieg / die die Berge zusammen getragen / den Himmel zu stürmen? wie scheinbar redet er von der Circe und Medea: Auch des Diomedis Gesellen / welche in Vögel verwandelt / lange Zeit hernach / um den Tempel Diomedis / geflogen: deßgleichen von der Gesellschafft Ulyssis / durch die Circe in wilde Thiere verwandelt; auch dem Gottlosen Lycaon / in einen Wolff; der Daphne / in einen Lorbeer-Baum; der Syringa / in ein Rohr; denen Heliaden / in Bäume; der Calisto / in einen Beeren; und
Gleichwol aber / weil annoch die tägliche Erfahrung vieler Wunder-Dinge gleiches bezeuget / können wirs auch nicht gäntzlich verneinen / bevorab da wir das Beyspiel vor unsern Augen haben. Melopharmis schreitet alsobald zu der gewaltigen Macht des Himmels; welches / wenn ich sagen darff / was ich dencke / auch gefehlet ist; und tritt in diesem Stuck Coßmarites näher zur Warheit / indem er der Boßheit der Menschen einen Theil dieser Verrichtungen zuschreibet. Dann daß die Unsterblichen wider sich selbst streiten solten / ist nicht glaublich; auch wird sich der Himmel nicht selber stürmen; vielweniger die Erde über sich erhöhen / und was dergleichen mehr. Folget demnach von sich selbst / daß diß ein Werck der bösen Geister / welche mehrentheils durch ihre Werckzeug / als dero Diener und Dienerinnen arbeiten / und uns theils warhafftige Verstellungen
Remora nennen / und von welchem der viel-belobte Aristoteles / in seinem andern Buch der Thier-Geschichte /deßgleichen Plinius / solche Dinge schreiben / die nicht nur von den Alten erzehlet und aufgeschrieben /sondern auch von ihnen selbsten / und andern / zu der Zeit / lebenden Menschen mehr / augenscheinlich wahrgenommen werden. Es soll nemlich dieser Echeneis / ein kleines Fischlein / etwa einen halben Schuh lang / einer grosser Schnecken nicht ungleich seyn. Doch dennoch / so er sich auch an die grösseste Schiff / die / mit gewaltigem Lauf / durch das Meer eilen / und sonsten von keiner Verhindernus könten aufgehalten werden / anhänge / bleibe selbiges in dem Augenblick ruhen / und könne weder durch die zwingende Winde / noch die treibende Wellen / vielweniger die ausgespannte Segel fortgeführet werden. Und ist das das allerwunderwürdigste / daß ein solche ungeheure Last / ein so mächtiger Flug / eine so geflügelte Geschwindigkeit / nicht durch Zuruckhalten /nicht auch durch Widerstreben: sondern einig und allein durch das Anhängen / eines so geringen Fischleins / kan aufgehalten werden. Wann die Exempel unglaublichen Dingen sonst Warheit erwerben / kan ich auch dieses mit dem Schaden Antonii bekräfftigen. Dann als dieser wider Augustum / bey der Stadt Actis / zu Wasser kriegete / und selbsten / auf dem Admiral-Schiff / um sein Heer herum eilete / und sie zum Streit anmahnete / hat dieser Fisch solch sein Schiff gehalten / daß Restitutus, meldet / welcher / womit er nur wollte / sich sinnloß machen konte / und gleich als ertödtet danieder legen / so gar / daß er nicht gefühlet / ob man ihn stosse oder pfropffe / auch einesmals / da man ihn mit Feuer versucht / ohne Empfindung sich weidlich brennen lassen: Auch hat man keinen Athem an ihm gespüret. Was wollen wir von der Himmels-Kugel Archimedis und Possidonii sagen / davon der Römische Redner / im ersten Buch seiner Tusculanischen Fragen / und andern / von der Götter-Natur berichtet / daß sie alle Bewegungen der himmlischen Circul / aufs eigentlichste und deutlichste vorgeleget? Wer solte wol gedencken / daß dieses ein Werck menschlicher Müglichkeit gewesen? wie es doch in Warheit gewesen. So schreibet Albertus von zweyen Knaben in Teutschland / vor deren einem alle verschlossene und verriegelte Thor und Thüren / zur lincken Seiten / freywillig aufgangen / so offt er über die Gassen / vor den Häussern hergeloffen: vor dem andern aber / zur rechten. Unter welches Wunder / eben der Erzehler / mit ausdrücklichen Worten setzet / daß diß nicht anderst / als der verborgenen Krafft und den verdeckten Wunder-Würckungen der Natur / die ihnen beyden / in ihrer Geburt mitgetheilet sey /könne beygemessen werden. Wiewol ich / in dem Fall / selber noch in grossem Zweiffel stehe / und mir nichts Gewisses zu bejahen oder zu verneinen unterfangen darff. Das aber zeuge ich frey / und habe mich deßwegen / in Erzehlung solcher Wunder-Dinge /gern etwas aufgehalten / daß ich erweisen möchte /
Nun kan ich mit dem Grund der Warheit schliessen: haben jene Menschen / durch natürliche Mittel /das und das verrichten können: warum nicht noch zu unsrer Zeit? haben die und die Thier solche Art und Krafft gehabt: warum nicht auch andere / die wir nicht erkennet? haben diese oder jene Geschöpffe / oder entseelte Cörper / so oder solche Würckungen in sich gehabt / warum nicht noch anjetzo? Ist aber das / wie es denn warhafftig ist / was wollen wir das neue Erkantnus desselben / ein Wunder oder Unmüglichkeit schätzen. Was meynet ihr wol / Melopharmis! wann uns die Krafft des Magnets nicht so bekandt wäre /sondern allererst heut erfunden / und von dem Erfinder zu etwas neues / uns unwissend / gebrauchet würde / was würden wir anderst / als ein unerhörtes Wunder / und verblendete Unmüglichkeit schliessen. Gleicher Gestalt steckt noch manche verborgene Krafft in den Kräutern und andern Gewächsen der Erden / damit die / so sie erkennen / viel wunderbare Ding verführen. Was höret man von der Spring-Wurtzel / die auch die vesteste Schlösser eröffnet? was von der Waffen-Salbe / die an dem gegenwärtigen unempfindlichem Gewehr / den Beschädigten abwesend heilet? Was von andern / die hie nach der Läng zu erzehlen / so verdrüßlich / als unnötig ist.
Melopharmis erschrack über diesen Worten / als schlüge sie ein Donner ins Hertz / darum sie auch verstummete: gleichwol sich so stellen konte / als wäre ihr die Frag zu schwer; Coßmarites aber hielt starcke Wider-Rede / und erwieß / daß auch die böse Geister nicht anderst / als durch natürliche Mittel schaden und helffen könten. Dann / sagte er / gleich wie die Hoch-Verständige und Wunder-Gelehrte ihre natürliche Wunder-Würckungen / nicht anderst / als durch ordentliche besondere Mittel / verrichten können: also die unverständige / so sie dergleichen Werck verrichten / werden sie / von den Kunst-verständigen Geisten / in dem allen / unterwiesen / wie sie durch das Kraut / zum Exempel / die Kranckheit; durch den Stein / die Blendung; durch das Thier / die Verführung; und wieder ein anders / durch ein anders / verrichten können. Archimedes kan mir solches / mit seiner Kunst / erweisen / welcher auch die schwerste Last / mit den geringsten Kräfften / bewegen konte. Als nun geschahe / daß der König Hieron solches nicht glauben wolte / und er seine Wissenschafft zu Werck richtete / hat er ein ungeheures Schiff / voller Last und Schwere / mit ruhiger Hand fort getrieben /aber durch Hülff eines vielseitigen Instruments /gleich als gieng es auf dem stillen Meer: gleich so verständiget / der Kunst-vermögende Geist / seine Werckzeug / aller deren Mittel /
Das / versetzte Polyphilus / will ich nicht läugnen /daß nicht auch diese sich solcher Mittel gebrauchen /und habe es nie geläugnet / so fern ich glaube / daß auch die Zauberer warhaffte Werck vorstellen / und die Augen nicht allemal mit angefärbter Nichtigkeit verblenden: aber das habe ich zeigen wollen / ob nicht auch die Verbannung dieses Schlosses / von der wir nun erlöset / eine blosse Blendung gewesen. Sehen wir die Mannigfaltigkeit der Geschichte an / muß ich von mir selbst bekennen / daß mein Sinn / in zweiffelhaffter Antwort / das Stillschweigen erwählet / und nichts gewisses schliessen mag. Viel ist durch Zauber-Kunst verrichtet worden / an deren Gewißheit man nicht zweiffeln können: Viel aber auch / ja das meiste / hat Augen und Ohren heßlich betrogen. Dorthin können gerechnet werden / die mancherley Bildnussen / aus Holtz / Eisen und anderer Materi verfertiget / die ohne äusserliche Hülff und Bewegung sich zu bewegen / fort zu gehen / ja auch zu reden / und /auf gegebene Frag / zu antworten unterstanden. Nicht weniger auch die Offenbahrungen heimlicher verdeckter Sachen / als da sind / die Erkundigung eines geheimen Diebstals / die Erfindung eines verborgenen Schatzes / und die Wissenschafft dessen / was über so viel Meilen geschehen ist. Hieher gehören auch die Weissagungen von künfftigen Dingen / der gewisse Schluß in zweiffelhafften Sachen / und die Beherschung des Glücks in Gefährlichkeit. Das alles aber /wie es durch keine natürliche Mittel / in Ungewißheit kan vollbracht werden: also auch / in Gewißheit nicht
Als Polyphilus so verständlich geredt / und alle Anwesende mit sonderlichem Eyfer aufmercketen /schlug Melopharmiz die Furchtans Hertz / die sich aber bald in einen Haß verkehrete / daß sie wunschete / sie hätte Polyphilum / vor die Errettung / ersäuffet: Deßwegen sie ihn auch mit schlechter Lieblichkeit anschauete / daß Polyphilus leicht verstehen möchte /es sey Zeit zu schweigen; darum er seine Rede endigte / mit den Worten / daß diß sein Bedencken sey /wiewol er sich gerne eines bessern unterrichten lasse. Darauf Melopharmis anfieng: und mit Recht / weil die Sach selber ein bessers zeuget / und die Rache der erzürneten Götter / wegen meines Sohnes / augen scheinlich erweiset / daß diese Versenckung keine Blendung / sondern ein Straff-Werck des ergrimmten Himmels gewesen. Deme Polyphilus nichts mehr entgegen setzen möchte / weil er gedachte / es mag gewesen seyn was es wolle / ich dancke dem / der mich beym Leben errettet / daß ich wieder zu Macarien kommen kan. Auch Atychintida / die nach der Weiber Art aus allem gar zu bald eine Sünde drehen konte /fieng an zu erweisen / daß die
Beschreibet den Ausspruch der beyden Weisen / Clyrarchä und Coßmarites / von der Macht und Ohn-Macht der Zauberer; welches Gespräch die Lehr-Puncten selber zeiget.
Nach vollbrachtem Gesang erinnerte sich die Königin hinwieder an Polyphili Reden / und weil dieselbe von der Vermögenheit der Zauberer einen Zweiffel verursachet / gab sie dem Clyrarcha Befehl / als der biß daher still geschwiegen / sein Bedencken zu eröffnen /wie hoch er meyne / daß sich solche Krafft erstrecke.
Clyrarcha erschrack zu erst gar sehr / daß er in so grosser Gefährlichkeit reden solle / weil er um das Thun Melopharmis wuste / und in ihrem Gesicht den Grimm der erzürnten Boßheit wahrgenommen:
Polyphilus merckte auf alle Wort mit scharffem Nachdencken / und befand viel / das er gern widersprochen hätte / allein die Boßheit Melopharmis hieß ihn still seyn. Als aber Atychintida ihn fragte / wie ihm das alles gefalle? muste er / aus Zwang der Höfligkeit / dem Clyrarcha / mit gleicher Einstimmung /begegnen / und seine Rede billigen / wie er zuvor Polyphili Reden gut geheissen: gleichwol führete er mit an / möchte ich nun auch hören / was dann der Zauber-Geist nicht vermöchte? welches Coßmarites am besten bewähren wird / als welcher mehr der Natur /dann der Zauberey geneigt ist. Die Rede erfreuete Coßmaritem / und zugleich auch die Königin / so gar / daß diese geschwinden Befehl gab / jener ohne Verzug gehorsamte / in diese Wort heraus zubrechen:
Durchleuchtigste Königin! und auch ihr / edler Polyphile! viel haben wir bißher vernommen / von der verzaubrenden Macht / und ist nicht ohne / daß sich dieselbe weit erstrecke: werden wir aber auch die Ohnmacht hören / wird sich jene mercklich verlieren; weil ich was auch andere sagen / dennoch gewiß bin /daß diese Kunst nichts / ohne entweder natürliche Mittel / oder nichtige Verblendungen / ausrichten kan. Daß ich aber auch die Ordnung Clyrarchæ halte / und erst erweise / was ihm ohne Mittel / hernach durch Mittel unmüglich: setz ich zu förderst / daß er keines Wegs / er sausse und brausse
Alle billichten diese Rede / ausser Melopharmis /die heimlich bey ihr gedachte / im Werck zu erweisen / was sie mit Worten nicht widersprechen dorffte: und weil ein jeder aufzustehen verlangte / erhebte sich Atychintida von ihrem Thron / und mit ihr alle / die zur Tafel sassen. Nach vollbrachter Dancksagung wurde Polyphilus in das Königliche Zimmer / durch die Königin und Melopharmis begleitet / gegen welche er sich mit solcher Freundlichkeit geberden konte / daß Atychintidæ Gnade immer mehr und mehr gestärcket / Melopharmis Gunst aber leicht wieder erworben wurde; wiewol nicht ohne starcken Verweiß und harter Bedrohung.
Beschreibet die Ehr-Bekrönung Polyphili / von der Königin / und derer gantzen Hof-Staat geschehen / die auf alle Kunst- und Tugend-Werbung /unaußbleiblich folget: welches hier die Lehre selber ist.
Da sie in das Zimmer gelangeten / wurde Polyphilus auf einen künstlich-erhabenen Thron gesetzet / von dessen Rechten / etzliche köstlich-bekleidete Sessel /einen Craiß schlossen / biß zur Lincken / darauf sich die andere Anwesende niederliessen. Atychintida aber beschloß die Rechten Polyphili; Melopharmis die Lincken. Und da Polyphilus mit Verlangen erwartete /was geschehen werde; wurde mit etzlichen Violinen folgender Thon erhoben / und die nachgesetzte Strophen / mit einer erhellenden Stimm abgesungen / die dem Polyphilo verkündigten / was künfftig wäre.
Nach geendigtem Säitenspiel / fieng Atychintida folgender Gestalt an: Alleredlester Polyphile! der schuldige Danck / damit wir allesamt euch verpflichtet
Nach dem wurde eine grosse Meng köstlicher Kleinodien und Edelgesteine herzu bracht / auch allerhand Arten der Ringe / güldene Ketten / und was sonsten zum Geschenck tüchtig erkandt wird / welches die Königin / mit diesen Worten / dem Polyphilo darreichte: und diese Wenigkeiten nehmet an zur Bezeugung verdienter Ehr / die wir nicht anderst / als mit dergleichen Gaben krönen können / und erweiset
Nach diesem wandt sie sich gegen Melopharmis /mit diesen Worten: Ihr aber / Melopharmis! um derent willen wir dieses alles leiden müssen / werdet vergnüget seyn mit dem / was Polyphili Hand wiedergeben / und werdet die erzürnte Götter vor uns bitten helffen / daß sie / durch eure Befriedigung / auch ihren Zorn ablegen / und uns hinführo in Gnaden ansehen mögen: so sollt ihr vergewissert leben / daß ihr nicht allein unter unserm Schutz sicher ruhen / sondern in höchster Gnad / neben mir und meinem Thron sitzen werdet / und mehr geniessen / als die verdammte Cacogretis hoffen dörffen. Zum Zeugnus dessen /nehmet auch ihr diß Geschenck von meiner Hand /und verwahret es zum Zeichen meiner Gnad und eurer Ehr: Bittet auch von mir / so ichs habe / soll es euch werden. Und euer Sohn / den ich / mit eurem Willen /auch meinen Sohn nennen kan / soll durch euch /seine Lebens-Mutter / meine Brust saugen / und meine Vorsorg schmäcken / so will ich eurer beiden pflegen.
Ehre genug vor einen Schäfer / und überflüssig vor eine Zauberin. Diese hatte / was sie gesuchet: Polyphilus aber beantwortete die Red der Königin
Atychintida antwortete / daß sie nicht gestatten wurde / weder die Abreise so zeitig zu fördern / noch die Geschenck hinter sich zu lassen; allein Polyphilus ließ sich nicht überreden / weil sein Hertz den Leib nach sich zog: biß Melopharmis / nach abgelegtem Danck / gegen der Königin / anfieng: Polyphilus wird schon bleiben müssen / wann wir ihn nicht lassen. Das Geschenck aber hat er billich zu Gottes Ehr geordnet / dahin es auch muß gewendet werden: Doch solt ihr / edler Polyphile! diesen Stein mit euch führen / dessen ihr möchtet benöthiget seyn / wann ihr zu Deliteen kommet / um etwas von eurem Siegs-Preiß mit zubringen. Das sagte sie zwar mit lachendem Munde: aber Polyphilus konte den lautern Ernst bald greiffen.
Nach dem nun dieses verrichtet / und die Königin ihren Schatz wieder in Verwahrung nahm / damit Melopharmis Rath / und Polyphili Wille erfüllet würde: wurden dem Polyphilo zu sondern Ehren / nachfolgende Gesetz mit Einstimmung vier hell-klingenden Lauten / und einer hochsingenden Menschen-Stimme /abgespielet / weil er noch auf dem Thron saß:
Nach vollendetem Gesang / giengen sie wieder heraus in den Saal / und verderbten die Zeit mit allerhand kurtzweiligen Gespräch: sonderlich muste die verborgene Macarie / unter dem Namen der Deliteen viel leiden. Von der wir nun auch etwas melden müssen / ehe wir mit Polyphilo weiter gehen.
Beschreibet die Zeit-Verbringung / der biß daher bekümmerten Macarien / und wie Polyphilus bey derselben ärgerlich verleumdet worden: Lehret den ersten
Anstoß / welcher die Tugend-Verliebte zu bestreiten pflegt / nemlich /
Diese schwebete zwischen Furcht und Hoffnung / und kämpffete immer fort mit der bestreitenden Liebe /weil sie das angenehme Joch der Einsamkeit / so sie gar vor ein Kleinod der Freyheit halten dorffte / mit der Liebes-Tyranney nicht verwechseln wolte. Bald gedachte sie an die spielende Augen Polyphili / bald an das seufftzende Hertz / und wieder bald an die zwingende Freundlichkeit / so sie in die Bestrickung geführet. Wann sie seine höfliche Bezeugungen bey sich überlegte / gedachte sie alsobald / er ist würdig /daß er geliebt werde. Erinnerte sich denn das schöne Hertz seiner heimlichen Pein / und wie viel er um sie erlitten / wurde sie in ihr selbst überzeuget / daß er ihre Liebe aus Schuldigkeit fordere: doch hielt mehrmaln das Gelübd der Einsamkeit ihren Willen starck zuruck / und die Forcht / so alle Liebe mit sich ziehet / verursachte ingleichen keine geringe Enthaltung. Jetzt betrachtete sie die Eigenschafft der Liebe / was sie aber darinnen fand / das verstärckete die Einsamkeit. Jetzt die Unbeständigkeit derselben / die auf einem zerbrechlichen Grund bestehe / und falle / wenn man sie am beständigsten achtet. Jetzt die Grausamkeit derselben / die zwar anfänglich süß locke / aber nachmals mit Bitterkeit speise. Und wann sie sahe /daß eitel Betrug / Pein / Widerwertigkeit / Elend /Verachtung / in der Liebe sey / hätten tausend Seufftzer Polyphili nicht so viel vermocht / daß sie die Einsamkeit gesegnet. Bald fielen ihr die Gedancken
Wann sie nun in solchen Gedancken / als in der leid-brennenden Liebes-Flammen / so gar entzündet war / daß das Hertz nicht Wort gnug bilden konte /
Wann sie nun mit dergleichen Klag-Worten / in der hefftigsten Brunst sich befand / vermochte doch ein eimger Gedancke / der die Widerwertigkeit der Liebe erzehlte / oder / von der beförchtenden Unbeständigkeit Polyphili / einen Einwurff that / so viel Zweiffel zu erwecken / daß sie von neuem alle Liebs-Bewe gung / als eine Bezauberung der Sinne / aus ihrem Hertzen verbannete. Sie dorffte wohl sagen / daß sie lieber sterben wolle / als eine solche Kranckheit erwählen / welche den gesunden Verstand raube. Sie dorffte wol fragen / wer sie zwingen werde / aus der Sicherheit sich muthwillig in Gefahr zu stürtzen / und ihr Vertrauen auf die blinde Liebes-Neigung zu setzen? Und wann sie an Polyphilum und seine Schmertzen gedachte / fiel ihr dabey ein / daß eben solche Beunruhigung gemeiniglich bey der blinden Jugend sich finde / die aber mit der Zeit / und reiffem Nach dencken leichtlich gestillet / und beherrschet
In diesen Gedancken konte sich die schmertzhaffte Macarie wie lange aufhalten / so gar / daß sie offt eine innerliche Süssigkeit bey ihr empfand / dadurch sie gleichsam Polyphilus / als gegenwärtig / umfassete /und aufs lieblichste hertzete: so war auch Polyphilo offt zu Sinne / wann er sonderlich an seine Macarien gedachte. Es ward aber gemeiniglich diese Süssigkeit / nach der Empfindung / zum Wermuth / in dem sie / mit tieffern Nachsinnen / ihr Beginnen bereuete; sonderlich / wann sie an die verfälschte Welt-Art gedachte / und wie es so gefährlich sey / einen Freund mit Liebe zu erwählen / da man offtermals mehr Feindschafft erwerbe / und Anlaß zu vielen Lastern überkomme; welches sie dann offtermals in solche kümmerliche Gedancken setzete / daß sie Zeit und Weil zu kürtzen / auch ihr von der Liebe befreyetes Leben zu bezeugen / vielleicht auch ihr Hertz / aus solche Art / in dem Vorsatz der Einsamkeit zu verwahren / etzliche schöne Gedicht verfertigte / von denen wir eins hieher setzen wollen / folgendes Innhalts:
Wie es nun gemeiniglich zu geschehen pflegt / daß wir dessen am wenigsten geniessen / was wir sehr verlangen: Gleich so gieng es der schönen Macarien /daß sie je länger je mehr in die Liebe versencket wurde: biß bald hernach das Unglück / Polyphili Freud zu verstören / wiederum zu wüten anfieng. Denn da das vielzüngige Gerücht / die Ersäuffung Polyphili / in die benachbarte Ort getragen / und unterschiedliche Bedencken von den Ursachen erwecket /haben deren nicht wenig / weiß nicht durch was Verständnus / den Tod Polyphili seiner allerliebsten Macarien zugeschrieben. Dessen dann nicht lang hernach das gantze Land voll worden / und das offenbahre Geschrey aller Orten erschollen / Macarie sey Ursach an dem Tod Polyphili. Das war die erste Abwendung. Diesem folgte ein anders / das noch
Nun begab sichs / daß einer aus denselben / Namens Pseudologus / in unvermutheter Begebenheit /mit Macarien Gesprach hielt / und unter andern von Polyphilo / dem Mörder Philomathi / solche Wort führete / die dem aufrichtigen Hertzen / der getreuen Macarien / nicht wenig Schrecken verursacheten. Denn die beste Tugend / so an Polyphilo zu rühmen /wäre Falschheit: sagte der falsche Pseudologus; und das köstlichste Werck / so ihn berühmt mache / sey Betrug. Und solches wuste er durch die verzweiffelte Ersäuffung so meisterlich zu erweisen / daß Macarie /auch wider ihren Willen / seinen Worten Glauben geben muste.
Was nun Macarie muß gedacht haben / kan ein jeder leicht schliessen. Weg mit Polyphilo; das war der erste Wunsch: Alle Liebe wurde aus ihrem Hertzen vertrieben / und der Haß wider Polyphilum wurtzelte so tieff / daß sie seiner gantz vergaß / und nichts mehr wünschete / als daß sie ihn nimmer sehe. So viel brachte der verlogene Pseudologus zu wegen. Wann sie aber die Manigfaltigkeit des umschweiffenden Geschwätzes betrachtete / hätte sie gar wünschen mögen / daß sie Polyphilum nie gesehen. Weil sie nicht wenig bekümmerte / daß sie ohne Ursach und Verdienst / solche Wort hören / und von ihr solte reden lassen. Alles halff darzu / daß die Liebe in Macarien vertrocknete. Wiewol sie hernach
Die übrige Zeit verbrachte Macarie / in ihrer erwählten Einsamkeit / mit Seufftzen und Beten. Forschete auch / nach Gelegenheit der Zeit / in den Wundern der Unsterblichen / und wie diese Welt / von dem allwaltenden Himmel / so weißlich regiert werde: überlegte dagegen die Boßheit der Menschen / bey sich / darzu dann Polyphili Beruff nicht wenig Beförderung gab: preisete sich auch seelig / daß sie von der grossen Gefahr / darein sie sich bald gestürtzet / so zeitig erlöset worden / und nahm ihr für / nunmehr sich / durch keine Verführung / von ihrem Vorsatz /abwenden zu lassen / sondern alle Lust nach Müglichkeit zu meiden / weil sie ohne das erkenne / daß alles ein falsches Wesen und vergängliches Werck sey / und die Betrübnus auf dem Fuß nach sich ziehe. Auch verstärckete diesen Vorsatz nicht wenig die Betrachtung der Eitelkeit / beneben welcher / aus folgendem schönen Gedicht / (das sie / gleich dem Vorgehenden / selbsten verfertiget /) wird zu erkennen seyn / wie weit sie ihre Gedancken von aller Liebes-Lust entwehnet / und auf Tugend ihre Begierde gegründet. So aber hat sie geschrieben:
Beschreibet die Berathung und Anschläg Polyphili /wie er sicher zu Macarien gelange / dazu ihm ein frembder Ritter / Namens Agapistus / bedienlich: Lehret / wie alles / durch klugen Rath / und Bemühung könne gewonnen werden.
Nun müssen wir wieder zum Polyphilo kommen /dem wir eine traurige Post bringen würden / so wir den Befehl hätten / was wir wissen / zu eröffnen. Dieser lebte / wegen der Zusag Melopharmis / in höchst-freudigem Verlangen; und wünschete nicht mehr / als die Zeit seiner Erfreuung zu sehen. Deßwegen waren ihm alle Lust-Spiel mehr verdrüßlich / als angenehm /biß die erwünschte Stund kam / da ihm Melopharmis Erlaubnus gab / seinen Abzug zu nehmen. Hie solten wir melden / was Polyphilus die Weil bey Hof gethan / und womit er die Zeit verbracht: aber seine eilige Fahrt auf Soletten heisset uns mit eilen / und dieses mit Stillschweigen vorbey gehen. Doch wollen wir das anhängen / daß er die meiste Zeit mit Dichten und Beschreibung seiner unglückseligen Liebe verderbet /darinnen er eine Linderung der Schmertzen suchte /aber eine schmertzhaffte Vermehrung fand. Wie aus diesen nachgesetzten Versen zu sehen / die er kurtz vor der Verkündigung Melopharmis / im
Nun ists an dem / daß Polyphilus / seinen Schmertzen zu verbinden / den Anblick der schönen Macarien suchet / und sich allbereit mit tausendfältiger Ergötzung / die ihm seine hoffende Sinnen vormahleten /erfrischet. Alles Dencken war einig dahin gerichtet /wie er sicher auf Soletten komme. Deßwegen er Melopharmis / von allem Bericht einzuholen / ersuchte /diese wiederbrachte ihm / daß er näher bey der Insul sey / dann er vermeyne / so gar / daß ihn ein schnelles Pferd / in wenig Stunden / dahin führen könne / und er noch heuterlangen / was er so lang zu erlangen verlanget.
Wer war erfreuter / als Polyphilus: Die Fülle seines Hertzens ergoß sich / auf wunder-viele Weiß /
Das sagte Melopharmis bloß / Polyphilum zu schröcken / damit er der Freudigkeit seines Gemüths nicht zu viel traue / und einen Fehl begehe / da die Vorsichtigkeit höchstnöthig. Aber Polyphilus / den die höchste Noth gar leicht einen geschwinden Rath ertheilen kunte / war fertig / dem Ubel vorzukommen / und sich seiner Freyheit / durch einen Gruß-Brief an Talypsidamum / zu versichern / als der ihm von allem gewisse Nachricht übersenden / und seine Reise mit einem sichern Geleit schützen würde. Der Anschlag gefiel der Melopharmis
Treu-verbundener Talypsidame!
Ich bin gewiß / daß euch / durch diese Zeilen / der Name Polyphili / in viel widrige Gedancken setzen wird / so gar / daß Furcht / Zweifel und Hoffnung /mit der zufälligen Freud / in eurem Hertzen / einander kräfftig bestreiten werden. Die Furcht wird erwecken die Einbildung einer mördlichen Rach / so ich / an denen Solettischen Inwohnern zu verüben / durch die Unschuld meiner erlittenen Noht / und ihre unbilliche Gewalt / Fug und Recht hätte; auch über das von dem geneigten Glück in so hoch beseeliget bin / daß ich /an statt des Verderbens / die Erhaltung grosser Ehr und Macht / beneben einem herrlichen Sieg / in Königlicher Hoheit / erworben / dessen ich mich nicht weniger / gegen der Solettischen an mir verübten Boßheit zu gebrauchen / Gelegenheit zur Hand nehmen könte. Doch wird diese Furcht / von dem das Herz viel lieber und sicherern Glauben gibt dem / was die Augen gesehen / als dem jenigen / was es / durch anderer Erzehlung / vernommen. Da ihr aber / Liebster und bester meiner Freunde! den theuren Schatz unserer Gewogenheit / und das geliebte Hertz eures Polyphili besinnen werdet / wie die mächtige Würckung eures Verlangens / eine bevestete Hoffnung; die Hoffnung aber eine selige Freud erwecken dadurch ihr / mit der verlangten Macarien / deren Tugend und Vollkommenheit / ich noch immer fort / ja je länger je mehr in meinem Hertzen ehre / meiner Zaghafftigkeit / durch ein sicheres Geleit / ein Hertz machen / und meinen Füssen / die ihren Lauf / mit brünstiger Begierde / auf euch zu richten / die freye Bahn eröffnen / daß ich ohne Verhinderung hin und wieder ziehen dörffe. Meine Macarie aber / ach! die edle und unschätzbare Macarie! die ich billich die meine nenne / weil ich ihre Tugend zu er wählen / und ihrem Verstand nachzuahmen / keine Macarie wird mir / Krafft ihrer angebohrnen Gütigkeit / den Zutritt und die Bedienung ihrer Hoheit / in der Tieffe meiner Demut nicht versagen / sondern mildiglich gestatten / daß der Tugendverliebte Polyphilus anjetzo geniesse / dessen ihn das feindselige Glück / vor dem / nicht theilhafftig machen wollen. Sie wird an das Versprechen ihrer Gewogenheit gedencken / und durch die damalige Erlaubnus / daß Polyphilus / als ein Tugend-Werber /sie ferner zu besuchen / bemächtiget wäre / meinem Zutritt den Weg nicht verschliessen / sonderlich / da sie versichert leben wird / daß ich ihre Tugend ewig ehren / und ihren Verstand mit einem immergrünenden Lob bekrönen will: in welcher angenehmen Bemühung ich dieselbe auch jetzo mit einem schönen und lieben Gruß / durch euren Mund verehre / und mein Verlangen / sie mit nechsten zu sehen / ankünden lasse. Werde ich nun diese Freyheit erhalten /wird nicht allein alle Rach / so zwar mein Hertz beschlossen hatte / durch die Sicherheit Polyphilus lebe / und euren Bericht mit nechsten erwarte / auch diß mit eigener Hand an euch geschrieben / damit zu erweisen / daß er / biß er sterbe / bleiben werde
Euer Eyd-Verbundener und
getreuer
Polyphilus.
Die Schrifft war verfertiget: wo aber ist der Uberträger? Die Heimlichkeit ist nicht jederman zu vertrauen / und wünschete sonderlich Polyphilus / daß weder Talypsidamus / noch Macarie / von dem allen ein mehrers verständiget würde / biß er selber gegenwärtig / den gantzen Handel vollkommen erklären könte. Der Ursachen er mit Melopharmis Rath pflegte / wem diese Schrifft zu überbringen unschädlich vertrauet würde.
Es begab sich aber / daß eben damals ein fremder Ritter / Namens Agapistus / dieselbe Strassen reisete /und auf Soletten seinen Fortzug nahm. Dieser hatte vorlängst viel wunderbahre Erzehlung / von dem Schloß / das Polyphilus erlöset / vernommen / deßwegen er verursachet / dasselbe durch gewissere Nachricht zu erforschen / und seine Einkehr in
Als nun / nach abgelegtem schuldigen Gruß und Danck / die Königin den fremden Ritter / mit einem Sitz verehrete / und ferner zu fragen anfieng / woher er käme / und wohin er gedächte / auch dagegen vernahm / wie er gen Soletten eilete / ward sie hoch erfreuet wegen Polyphili / der zum wenigsten Gelegenheit überkommen würde / die Macarien mit einem Gruß zu erfreuen / und den Danck zu übersenden / vor die mithelffende Hand / welche / samt Polyphilo
Dieser rathschlagte noch immer fort mit Melopharmis / konte aber nichts errathen. Und da sie die Königin / mit solcher Geschwindigkeit / auf sie zu eilen vernahmen / wurden sie dermassen erschräcket / daß Melopharmis derselben entgegen und zu Fussen fiel /mit der furchtsamen Stimme: Glück sey mit euch und uns / allerdurchleuchtigste Königin! und treffe kein Unfall unsre Freude! deßgleichen Polyphilus / der durch die ungewohnte Eilfertigkeit nicht weniger böses beförchtete / beugete sich / in aller Demut /gegen der Königin / bittende um die Eröffnung ihres Schreckens. Darauf die Königin anfieng: keines Schreckens / sondern einer grossen Freude / die euch /Polyphile! mit uns betrifft. Es ist ein fremder Ritter bey uns ankommen / der morgen auf Soletten gedencket / durch welchen wir bey Macarien / eurer Mithelfferin / den schuldigen Dank ablegen können.
Wie freudiglich Polyphilus erschrocken / kan jederman leicht schliessen; die Begierde mit dem Ritter zu reden / zog ihn der wiederkehrenden Königin / auf dem Fusse nach / deßgleichen auch Melopharmis /und da sie in das Zimmer kamen / bewegte der erste Anblick dieser beyder edlen Jüngling / deren jeder sich selbsten / in des andern Augen sehen konte / die Hertzen dermassen / daß / gleich wie Agapistus / also auch Polyphilus / mit hohem Vertrauen / und hertzbrünstiger Liebe entzündet ward / und ein jeder
Als sie aber durch vielfältiges Gespräch fast bekandt wurden / und Polyphilus das gantze Hertz Agapisti zu kennen meynete / fieng er mit diesen Worten an / ihn zu besprechen: Edler Ritter! die Aufrichtigkeit eures Gemüths / so ich aus euren vertrauten Reden / und sittsamer Bescheidenheit ohnschwer schliessen kan / beweget mich dermassen / daß ich nichts mehr / dann eure Freundschafft verlange /nichts hefftiger / als eure Gewogenheit / wünsche. Zwar darff ich mich nicht zehlen unter den Ritterlichen Orden / weil ich ein Schäfer / und meine Begierde nicht so wohl die Waffen / als Tugend liebet: doch dennoch / weil mich mein freyes Gemüth gleich so fertig in einen Sattel / als hinter das Pult hebet / allwo die
Diese Red entzündete das Hertz Agapisti mit einer solchen Freudigkeit daß er mit höchster Ehrerbietung / sich gegen Polyphilo neigte / und sich selig schätzte / daß ihn die Glück-gönnende Versehung der Unsterblichen / zu seinem bessern Nutzen / daher geführet. Dann / sprach er / edler Polyphile! euer Begehren / soll nicht minder von mir durch den willigen Gehorsam beehret werden / als rühmlich es ist. Und muß die Ungleichheit unsers Standes / das Band der Freundschafft / so ihr durch euren ersten Gruß / in meinem Hertzen / gebunden / so wenig lösen / als gewiß ich mit euch in gleichem Glück und Willen stehe. Seyd ihr ein Schäfer? ich auch. Liebet ihr Tugend? ich auch Suchet ihr Kunst und Geschicklichkeit? ich auch. Was eure Begierde erwählet / das verlanget mein Wunsch: und was euer Wunsch
Die Gedancken Polyphili waren sehr bemühet /dem klugen-Beginnen Agapisti nachzuforschen / und was sie erfunden / das stärckete immer mehr
Der gantze anwesende Hof-Comitat empfieng den fremden Ritter / nach Landes-Gebrauch / und da die gebührende Höflichkeiten vollbracht / wurden sie in der Ordnung / wie oben gedacht / zur Tafel gesetzt /ohne daß Agapistus den Sitz Melopharmis einnahm /und also gerad gegen Polyphilo über / der die lincke Seiten der Königin beschloß. Unter währendem Mahl fieng die Königin an / dem fremden Ritter / alles nach der Länge zu erzehlen / was Polyphilus verrichtet /und aus wie grosser Bedranguns er sie erlöset: welches sie mit so beschönten Worten ausdrücken konte /daß Agapistus leicht verstehen mochte / es geschehe diß / den Ruhm Polyphili zu mehren / und ihre schuldige Danckbarkeit zu erweisen. Polyphilus hingegen /dem diese Gelegenheit nicht erwünschter kommen können / fieng / mit höflicher Widerrede / sich vielmehr verpflichtet zu seyn / an zu bekennen / in dem er durch solche Hülff / ihm selbsten den grösten Nutzen erworben / da er durch die Tempel / von denen hoch-verständigen Kunst- und Sitten-Lehrern sey geführet worden: welches er gleichfals mit solchen Worten heraus streichen konte / daß Agapistus leicht verstehen
Drey Hertzen wurden auf einmal / und durch diß eine Wort / gleich als von einem Donner erschröcket. Die Königin wegen des fremden Ritters / den sie beförchtete / dem Polyphilo verhässig zu werden; Melopharmis wegen Polyphili / in dem sie das Feuer des Eyfers scheuete: Polyphilus aber / wegen der Königin / deren Verdacht er nicht entgehen würde / als wäre das geheime Gespräch / so er mit dem Ritter gehalten / bloß auf Macarien / und ihre Würden gerichtet gewesen. Deßwegen die Königin / deren Furcht die grösseste war / weil sie gleichwol eine heimliche Wissenschafft um die Liebe Polyphili hatte / folgender Gestalt anfieng: Edler Ritter! Es wundert mich / daß auch ihr / wie andere mehr / euch von dem nichtigen Geschwätz unverständiger Richter so bethören lasset /daß ihr die jenige eine Göttin heisset / an deren ihr doch das nicht finden werdet / was ihr suchet. Wisset ihr / was menschliche Schwachheit vermag / so werdet ihr ingleichen / eurem gesunden Verstand nach /schliessen / was diese / davon ihr redet /
Jetzt solte eins das erzürnte Hertz Polyphili abbilden / er müste gewiß eine Gluth voll Eyfers / und einen Feuer-Ofen voll erzürnter Hitze mahlen / so gar mochten die feurige Wangen / die blau-gefärbte Lefftzen / der eyfrende Mund / die brünstige Augen / und das erbitterte Hertz / nicht ruhen / daß es die Ehre seiner tausend-schönen Macarien / in seinem Beyseyn solte schänden lassen. Nein / sprach er / Königin / sie thut unrecht / in dem sie Agapistum von
Was hätte Atychintida darum geben / daß sie stillgeschwiegen? Nichts schmertzete sie mehr / als daß sie Zorn verdienet / da sie Gunst erwerben wollen /deßwegen sie auch / voller Betrübnus / nach dem ihrem Mund das Stillschweigen gebot. Melopharmis aber / die nicht wenig über den Gegen-Satz Polyphili erschrack / und eben auch wenig wuste / was sie dencken solte / fieng doch ungesäumt an / dem Polyphilo seinen Fehler zu zeigen / und die Königin zu schützen / in dem / daß sie alles das / die Solettische Göttin nit zu verachten / geredt / sondern aus tragender Furcht / es möchte / wie ihrer viel / Agapistus Tugend suchen / und Laster finden / weil sonderlich auch der Ruhm dieselbe ziere / daß ihre unvergleichliche Schönheit / alle die / so sie erblicken / in die Gefängnus der Liebe werffe / und ihrer Freyheit beraube. Ja freylich / fieng Atychintida an / habe ich in dem Verstand geredt / weil ich wol weiß / daß sie der Ausbund und der Kern aller Tugend: aber auch zugleich ein reicher Schatz vollkommener Schöne ist / der so bald gefället / als er die Augen gewinnet: Darum habe ich Agapistum / allda Tugend zu suchen
Polyphilus / dem sein gefasster Zorn dennoch nicht weichen wolte / fieng dagegen an: ob sich viel verlieben / hat doch diese Tugend-gezierte Göttin das Hertz / daß sie nicht wieder liebe. Doch dem sey / wie ihm wolle / ihr / Agapiste! habt freyen Willen zu thun / was ihr wollet. Mit welchen Worten Polyphilus aufstund / und mit gezwungener Freundlichkeit Urlaub nahm / in heimlichem Grimm aber auf sein Zimmer zueilete.
Melopharmis folgete ihm auf dem Fuß nach / und da sie allein waren / straffete sie den Zorn Polyphili mit solchen Worten / daß die Forcht alle Boßheit leicht verjagte / und er zufrieden seyn muste / daß ihm nur Melopharmis die Gelegenheit / seiner Macarien zu geniessen / nicht wiederwillig verderbte. Es trieb auch der schmertzhaffte Kummer die furchtsame Königin hernach / welche Polyphilo / mit höchster Betheurung ihrer Unschuld / den Zorn zu entnehmen /sich bemühete; wie dann geschahe / so bald sie die rechte Ursach / warum sie das geredt / entdeckete: ohne / daß Polyphilus versetzte / warum er auf Agapistum einen Eyser setzen solle / wegen dieser Göttin /die er doch nicht weiter liebe / als was er ihrer Tugend schuldig sey / daher eben der Zorn entstanden. Ja! fuhr er fort / wann er von meiner Deliteen etwas solches erwähnet / hätte michs zu einem Mißtrauen verführen sollen: allein dieser wegen lasset ihn ziehen /wohin ihm beliebet.
Das aber alles sagte Polyphilus / ihren Argwohn wegen Macarien zu verhüten / und sein Begehren / in Begrüssung Talypsidami / zu befördern:
Es schickte sich aber eben / daß Agapistus auch herzu kam / um zu vernehmen / was die Ursach wäre /daß Polyphilus so zeitig aufgestanden; dessen Gegenwart / die Königin / samt Melopharmis / den Abtritt zu nehmen verursachete.
Agapistus / dem die plötzliche Röte im Gesicht Polyphili einen Argwohn einiges Widerwillens erwecket / fieng mit freundlichen Geberden den Polyphilum an zu fragen / was ihm widriges vorkommen? welcher antwortete / daß er sich eben ereyfern müssen / über die Unbillichkeit der Königin / welche das / was sie nie gesehen oder erkennet / verachten dörffen. Glaubet mir / fieng er weiter an / treu-verbundener Agapiste! werdet ihr die Solettische Göttin sehen / so werdet ihr himmlische Würden / Göttliche Gaben / und die Vollkommenheit der Tugenden selber sehen /darum lasset euch den Weg nicht dauren: Kommet aber wieder zu uns / und bekräfftiget die Warheit meiner Wort / mit eurem Zeugnus / dessen ich gewiß bin / daß es nicht fehlen wird. Eins aber ist euch noth / daß ihr Gelegenheit überkommet / sie zu sehen / welches schwerlich geschehen wird / wo ihr nicht einen vertrauten Freund gewinnet / der euch den Zutritt eröffne. Nun daß ihr sehet / was die erste Frucht unsers Verbündnusses seyn sol / will ich euch an Talypsidamum / meinen Eyd-verdundenen Freund schicken / und für euch bitten / daß er euch / wie mir /die Gelegenheit erwerbe / die Göttin zu sehen. Ihr müsset aber meinen Dienst mit
Das alles gefiel Agapisto so wohl / daß er allem dem zu gehorsamen / mit Mund und Händen versprach / auch die Widerkehr auf folgenden Tag zusagte: bedanckte sich ingleichen / daß er ihn zu seinen treuen Botschaffter erwählet / und durch diß Mittel /des grossen Glücks theilhafftig mache / die von allen gepriesene Tugend-Göttin gegenwärtig zu grüssen /ihn versichrende / daß er alles nach seinem Begehren beobachten / und mit solcher Sorgfalt verrichten wolle / wie ers selbsten thun würde / wann er im Gegentheil sein / Agapisti / Vertrauen bedienen würde.
Klüglich war / in Warheit / alles diß angefangen /und hätte sichs nicht füglicher anstellen lassen / als daß dieser Seiten Verschwiegenheit / die Unwissenheit
Da sie nun beyde in diesen Gedancken bemühet waren / und aber keinen tüchtigen Rath erfinden konten / kam Melopharmis / und verkündigte Polyphilo heimlich / daß sie mit der Königin / wegen der Abreise Agapisti geredt / und sie dahin bewogen / daß sie /um Polyphilum zu befriedigen / Agapistum nicht nur gerne ziehen lassen / sondern gar ziehen heissen werde / und / mit einem ansehligen Geleit / biß auf Soletten führen / damit er desto gewisser widerkehre: wolte nun Polyphilus ihm den Brief trauen / könte die Abreise morgen / mit dem frühesten / geschehen; er soll aber alles wohl bestellen / daß nicht jrgend eine Schalckheit / unter der Treu / verhorgen liege.
Polyphilus dessen hoch erfreuet / antwortete / daß
Beschreibet den Abzug Agapisti auf Soletten / und den Nach-Wunsch Polyphili / auch sein Gespräch mit der Königin von dem Frauen-Lob: Welches hie an statt der Lehre stehen kan.
Der Gesang gefiel Polyphilo so wohl / daß er eben darüber entschlieff. Es war fast Mitternacht / da sich Polyphilus mit dem Ritter niederlegte / welcher / von der Reise ermüdet / alsbald einschlieff / Polyphilum aber die Sorge bewachen ließ. Der ihm schon tausend Gedancken machte / was Talypsidamus antworten /und was Macarie sagen werde / wann sie wieder vom Polyphilo höre.
Es war noch sehr frühe / da sich Agapistus aufmachte / daß er von der Königin / und andern / die ihm zugesprochen / nicht Urlaub nehmen konte / deßwegen er Polyphilo die Verrichtung auftrug / welcher ihn auch / mit der Zusage / wegreisen ließ / und eine glückliche Hin- und Wiederkunfft nachwünschete.
Nun reitet Agapistus auf Soletten zu: Polyphilus eilete auf die Höhe / und sahe ihm sehnlich nach / wiewol er lieber mit ihm geritten wäre. Ach! dachte er /du glückhaffter Agapistus! wiewol wirst du empfangen werden / wegen des Namens Polyphili? wie seelig bist du doch / der du das ohne grosse Müh erhalten kanst / das ich mit so unzehliger Gefahr noch nie erlangen können? Ach! wär ich doch
Unter dieser Klag-Rede verlohr Polyphilus Agapistum / welchen der Weg hinter einem Busch auf den Wald zuführete / daß er ihn nicht mehr sehen konte /und deßwegen anfieng: Nun / so begleite dich tausendfaches Glück / daß dich keine Irrwege verführen /und komm mit erwünschter Verrichtung wieder! Der Himmel sey dir gnädig / und unter dem Schutz der begleitenden Geisterlein müssest du sicher reisen! Ihr auch / ihr unsterbliche Götter! deren Gnad mir meinen Wunsch erfüllen wird / und das Verhängnus meiner Unseeligkeit / aus mitleidender Erbarmung / enden /gebet sicher Geleit dem jenigen / der meine Freud zu wählen / und meine Schmertzen zu lindern ausgereiset ist! Lasset ihn mit fröligem Muth mein Antlitz wieder sehen!
Indem Polyphilus dergleichen Seufftzer mehr hervor brachte / kam Melopharmis / und hörte sein kläglich Beginnen / gedachte derowegen ihn zu trösten /darum sie / durch ihre tausend-listige Kunst / folgendes Lied / in der Lufft / nahe bey Polyphilo / lieblich und verständlich singen ließ:
Polyphilus erschrack über die unverhoffte Begebenheit / merckte doch mit grossem Fleiß auf / was die Wort berichten würden / weil er ihm alsobald den
Das erste / so er in seinem Eingang / nach abgelegtem Gruß / erwähnte / war der Befehl Agapisti / welchen er / wegen der gebührenden Empfehlung / in den Schutz Gottes / nicht weniger auch schuldiger Dancksagung / vor erwiesene hohe Gnad / vor seiner Abreise / ihm / an seine statt / zu vollbringen / anvertrauet /beneben dem Entschluß der Entschuldigung /
Tugend-verständiger Polyphile! ich kan euch nicht bergen / daß mir gestriges Gespräch / zusamt dem Lobe / das ihr der Tugend-Göttin beygelegt / einen grossen Zweifel / und nicht geringes Nach dencken verursachet / sintemal ihr durch euer Zeugnus einem Weibs-Bild mehr zugeeignet / als die Weibliche Schwachheiten ertragen / und / eurer Rede nach / die weibliche Vollkommenheit / männliche Würden / weit übersteigen wird. Wann ich nun den Unterschied zwischen beyden Geschlechten behertzige / kan ich nicht finden / daß müglich sey / eine solche Tugend bey dem Geschlecht voller Mängel anzutreffen / die der völligen Mannschafft vorzuziehen sey: daß ihr demnach nicht anderst / als ohne Grund geredt. Verzeihet mir / Polyphile! daß ich euch dessen erinnen darff /und glaubet nicht / als sey es aus Widersinn oder Verachtung der viel-beschönten Macarien geredt /
Diß Begehren gefiel Polyphilo nicht übel / weil er dadurch Gelegenheit überkam / an seine Macarien zu gedencken / und deren Ruhm zu vermehren. Deßwegen er den Einwurff Atychintidœ mit solchen Worten widerlegte: Holdselige Königin! Ich lasse mich leicht überreden / daß mein gestriges Gespräch ihr einige Gedancken erwecket / und einen zweifelhafften Schluß verursachet / weil ich mich nicht gescheuet /den edlen Ritter Agapistum zu ermahnen / seinen Weg fortzusetzen / und die Tugend-Göttin / um Tugend zu erwerben / selbsten gegenwärtig / auch vielleicht nicht ohne hohe Verwunderung / zu grüssen und zu sehen. Es scheinet freylich / als wolle ich das Geschlecht voller Mangel der mannbaren Vollkommenheit vorsetzen: allein / wann wir Macarien ohne Mangel erkennen / wird sich der Schein verlieren. Zwar ists so / daß sie die Natur / in das Register der weiblichen Beschaffenheiten eingenahmet / aber so wir den Verstand erwegen / welcher über die Natur sich erhebet / werden wir augenscheinlich erkennen /daß weder weibliches noch männliches Vermögen; sondern allein die Himmel-bescherte Weißheit / in dem weiblichen Leibe / herrsche / deren sich keine /in dieser Sterblichkeit / zu gleichen erkühnen wird. So kan ich auch von andern ruhmwürdigen Damen / nicht ohne sondern Nachtheil der Ehre / so allein dem männlichen Blut gehöret / mit Warheit sagen / daß /ob sie sich schon der Macarien nicht in allen gleichen / dennoch in vielen auch nicht
Die Königin lachete deß / und versetzte dagegen /daß nicht folge / wann die Frucht schön sey / müsse sich der Stamm selbiger gleichen; weil auch / von einem faulen Baum / bißweilen ein Apffel falle / und ein verdorrter Ast / nicht selten schöne Frucht zeige. Wer wird sagen / sprach sie / daß sich die Dornen den Rosen gleichen / ob sie dieselbe schon tragen? Wer wird das Stroh den Körnern / der Blum den Stengel vorziehen?
Gleichwol widerlegte Polyphilus / kan die Blum nicht ohne dem Stengel / noch die Körner ohne das Stroh aufwachsen / und haben die Rosen ihre Schöne und Lieblichkeit den Dornen zu dancken. Auch / fuhr er weiter fort / müssen wir den Ruhm und Vorzug der Weiber / nicht einig in diesem / suchen / wir wollen auf ihre Verwaltungen sehen / daher ich leicht schliessen kan / daß durch der Weiber Hände die gantze Welt regieret werde. Worinnen bestehen die weltliche Regimenter? Meines Wissens ist derselben Grund /die Kunst des Haußhaltens / daß alles im erbaulichem Wesen gehalten werde. Das aber ist der Weiber Verrichtung. Ein gantzes Land behält in sich viel Städte /die Städte beschliessen viel Dörffer / die Dörffer bestehen aus vielen Haußhalten: Diese aber bestehen /nicht in der Männer / sondern der Weiber Händen. Ein wohlbestelltes Hauß gleichet sich nicht übel einer gäntzen Herrschafft / darinnen die Regentin das Scepter / die Kinder die Leibeigenschafft / und Knecht und Mägd gleichsam die Burgerliche Schuld und Rechte führen. Aus deren Beschluß entstehet nochmals ein Regiment: ohne
Die Königin wolte sich auch diesem widersetzen /mit Vorwenden / daß im Gegentheil mehr schädliche und unnütze Hauß-Regentinnen / als nützliche und löbliche anzutreffen: aber Polyphilus widerlegte sie gar leicht / in dem er zu verstehen gab / daß unter dem Männer-Weitzen auch viel unnützes / und mit ihrem Gewächs / öffter mehr Unkraut aufgehe / als gute Frucht: Zu dem rede er von solchen / die sich der ruhm-würdigen Macarien zu gleichen bemüheten. Und fieng er ferner an: Was wollen wir endlich von dem Verstand der Weiber sagen / welcher in Warheit nicht minder aller Unterrichtung und Belernung fähig / als bey den Männern? Ja! es scheinet / daß man ihnen das studieren nicht zulassen wolle / damit sie die Männer nicht übertreffen sollen / weil solches den Verstand erhöhet / dessen sie bereit gnugsam haben / wie dann hierdurch stillschweigend gestanden wird.
Nein / fieng Atychintida an / sondern weil sie von Natur nicht darzu geschickt und tüchtig sind. Mit nichten / versetzte Polyphilus / denn es gebens die Exempla / daß ihrer viel von der Natur gleichsam zum studieren gewidmet sind: wie dieses Madam des Roches / de Gournai / Juliana Moret / Jacobina d'Avignon / Giustina Freddi / Vittoria Colonna / Lucretia Boccalini / Angela Zacco / Michaele Tœrabotta / und andere / mit ihrem Exempel / bezeugen: sonderlich daß von Jacobina d' Avignon wunderhafftes gesagt wird / daß sie 14. Sprachen erlernet / und zu Lyon /im 14. Jahr ihres
Atychintida wunderte sich dessen: weil ihr aber das Frauen-Lob nicht übel gefiel / gedachte sie Polyphilo fernere Anlaß zu geben / sprechend: Wie sagen dann die Medici / daß das weibliche Geschlecht / weil es kalter und feuchter Natur ist / welche traun keine grosse Spitzfindigkeit erwirbt / sondern vielmehr stümpffet; selbiges auch nicht zu hohem Verstand oder hurtiger Wissenschafft gelangen könne: dem ich so fern beypflichte / als ich selbst erfahren / daß auch diese /so vor andern etwas sonderliches seyn wollen / zwar wohl ein wenig von gemeinen Dingen / mit solchen Schlüssen geredt / die sie täglich hören: allein / da es zum Treffen kommen / hat sich die Unvermögenheit /in höhern Dingen / selbst willig bekennet / daß sie selbsten gestehen müssen / sie können nicht mehr begreiffen / als was die Kräffte des Gedächtnus erleiden / weil sie der Kräffte des Verstandes sich / in solchen Sachen / nicht zu rühmen hätten.
Aber doch / versetzte die Königin hinwieder / ists sehr gefährlich mit der Weiber-Kunst / weil sie gemeiniglich mehr schadet / als nutzet / und gewiß ist /daß gelährteste Weiber / auch die klügeste Verderberinnen ihrer Zucht und Keuschheit seyn: Wann anderst in solchen Wercken / die Klugheit sich nicht mehr einer verderbten Thorheit gleichet. Das ist etwas / sagte Polyphilus / und hat das Laster schon vorlängst die Gemüther der jenigen beherrschet / die ihre erlernte Kunst / ohne Kunst gebrauchet / und den erworbenen Verstand unverständig geschändet /indem sie ihren Sinn mehr auf nichtige Schand-als erbare Nutzbarkeiten gerichtet. Daher erzehlet Epictetus / daß / zu seinen Zeiten / die Römischen Frauen /ihre meiste Zeit / mit des Platonis Schrifften / von der Gemeinschafft / zugebracht / weil in selben der gemeine Gebrauch; wie aller andern Sachen / also auch der Weiber / gelehret wird. Allein wann dieser Schluß gelten soll / kan ich gleiches / mit leichter Müh / auch von dem männlichen Geschlecht erweisen / und wird der leicht-verliebte Oyidus /
Darauf fieng Atychintida an: Was antwortet ihr aber darauf? daß zu beföchten / wann die weibliche Schwachheit durch Kunst verstärcket wird / werde auch ingleichen ihre List / damit sie das Männer-Volck betrügen / nichtweniger vergrössert / so gar /daß sie nach dem nicht beherrschet / nicht gezwungen / nicht begütiget / werden / und die klägliche Verwandelung angehet / daß Mann und Weib mit Rock und Hosen tauschen.
Polyphilus muste eben lachen / so wohl gefiel ihm der Einwurff: aber dennoch hielt er dem entgegen /daß dieses / gleich dem vorigen / nur ein Mißbrauch /und der bösen Weiber Art sey; auch dieser Schluß vielmehr behaubte / daß dieselbe in guten und nützlichen Dingen sollen unterwiesen werden / damit sie ihre ungezähmte Erfindungen nicht eher nach dem Bösen / als Guten lencken / oder auch in ihrer gefassten Thorheit verharren: zumalen aller Orten wahr ist und bleibet / daß die Kunst unsern Verstand läutert /und die Tugend das Hertz reiniget von aller bösen Lust und Begierde / daß / wo Verstand ist / alle weibliche Boßheit weichet / und wo Tugend wohnet / alle Untugenden vertrieben / und die weibliche Schwachheit selber männliche Kräffte gebiehret. Ja! wann ich sagen darff / was ich dencke / und was die Warheit zu bekennen erfordert / glaub ich vor gewiß / daß eben der Unverstand
In dem Polyphilus so redete / fiel ihm die Weltberühmte unvergleichliche Schurmännin bey / die er /als ein Wunder der Natur / in seinen Sinnen ehrete /darum er auch diesen seinen Ausspruch / mit selbiger / zu behaubten / in folgende Wort heraus brach: Was zeugen diese unsere Zeiten von der Belgischen Minerven / Jungfrau Anna Maria Schurmännin? die wir billich den gelährtesten und verständigsten Männern / wo nicht vorziehen / doch so gleich schätzen /daß wir zweiffeln müssen / ob solte die Gleichheit nicht mehr den Vorzug verdienen. Selbsten der Name erweiset / daß in ihr die weibliche Unvermögenheit mit männlichen Kräfften sey verwechselt worden /drum nennet sie sich recht Schur-männin: allen denen / die das gebährende Frauen-Lob nicht nach Würden krönen wollen / mit sich selbsten zu erweisen / wie sie ihren männlichen Verstand / in Unterdrückung des weiblichen Ruhms / selbsten / nicht ohne grossen Nachtheil ihrer Ehre / verderben: Klüglich hat sie / in Warheit / das Frauen-Lob behaubtet /in dem sie sich denen / die solches angefeindet / mit dem bekannten Sprichwort widersetzet
Vos etenim juvenes animos geniris muliebres: illa virago viri.
Welches sie angeführet / daß diese / deren Ursachen halber / entweder eine boßhaffte Mißgunst / oder vielmehr eine schändliche Furcht beschwere / in dem sie hören / und hören müssen / es übersteige die Wissenschafft der Weiber / die Männer-Kunst / und übertreffe der Jünger an Kunst und Geschicklichkeit den Meister.
Atychintida muste vor dißmal dem Polyphilo Beyfall geben / dann sie dem nicht widersprechen dorffte /was an der hellen Sonnen war. Da nun Polyphilus merckte / daß er gewonnen hätte / machte ihn die Begierde des Siegs / sein fast selbst vergessen / in dem er noch höher Lob zu verdienen / die Ehre / so ihn billicher allen Weibern vorsetzen solte / mit folgenden Worten / freywillig nachsetzte: Wann nicht selbsten das gantze menschliche Geschlecht / ja! vielmehr die Ordnung der unsterblichen Götter / einmütig bekennte / daß das Weibliche dem Männlichen / an den Gütern des Verstandes / nicht nur gleich geschätzt / sondern auch weit überlegen sey / würden die Gesetze nicht beglauben / daß jenes / in dem Zwölfften; dieses aber allererst in dem vierzehenden Jahre das Vogtbare Alter treffe. Sey demnach das der letzte Schluß / daß die Weiber denen Männern / an allem / bey weiten vorzuziehen / weil sie züchtiger / schamhaffter / mitleidiger / getreuer / liebreicher / gottseliger / demütiger und gedultiger sind; ja auch /
Wann dem allen so / sprach Atychintida / warum ehret man dann unsern Ruhm nicht auch in Schrifften? Das ist des Neides Schuld / versetzte Polyphilus / der sie zu der Knechtischen Hauß-Arbeit verstofsen darinnen sie gleichsam mit ihren Sinnen gefangen bleiben müssen / daß sie sich nicht höher schwingen / noch die himmlische Wissenschafften ersteigen können. Auch bauen sie ihnen das Gefängnus selber / wann sie sich so verstossen lassen: welchem sie zu wider / mit allem Recht sagen könten / was dorten der Löw / dem ein Löwen-Mörder vorgezeiget wurde / (so anderst ein Gedicht den Warheits-Glauben verdienet) soll geantwortet haben: Wann wir Löwen mahlen könten / solten mehr Männer von den Löwen getödtet / auf den Tafeln zu sehen seyn. Mit diesem hatte ihr Gespräch ein Ende; damm Polyphilus Urlaub nahm / und sich in sein Zimmer verfügte /allda er nidergesetzt / folgendes Gedicht / den weiblichen Würden zu Ehren verfertigte:
Beschreibet / die Reise-Fahrt Agapisti / und in was Unglück er gerathen / als er Talypsidamum / von der Mörder-Banden / zu erledigen suchte: Lehret den andern Anstoß / welcher die Tugend-liebende zu bestreiten pflegt / nemlich / die Verhindernus.
Nun müssen wir wieder zu Agapisto kommen / und sehen / wie es dem auf seiner Reiß ergangen. Diesen führete eiliger die Begierde / und das Verlangen Macarien zu sehen / als s ein flüchtiges Pferd fort. Und da er den Wald / mit
Die Wasser-rinnende Augen / die zerstreuete Haar /so sie nicht allein im höchsten Bedrangnus verwirret /sondern auch so gar ausgerauffet / daß sie einen grossen Zopff in ihren Händen trug; ja auch / die in einander geschlagene Hände selber / mit dem hertzlichen und schmertzlichen ächtzen / vermochte das mitleidige Hertz Agapisti dermassen zu erweichen / daß er /seines Verlangens vergessend / dem Pferd den Zaum anhielt / um zu vernehmen / was ihr gebreche. Diese fieng mit beweinten Worten an: Wer du auch bist /edler Ritter! so leiste die Pflicht deinem Schild und Waffen / und laß deine Lantzen die Erlösung bringen dem / der unschuldig unter den Mördern gefangen /durch jenen Wald geführet wird.
Agapistus sich seiner Schuld / die ihm diese Rüstung auflegte / erinnerend / wäre leicht zu erbitten gewest / wann nicht der Befehl Polyphili ihn mehr auf Soletten zu eilen vermahnet hätte. Darum er in zweiffelhaffter Entschliessung nach dem Namen dessen /den er zu erretten / gebeten wurde / fragte:
Die Wort des Ritters legten die Leid-klagende / mit Versinckung der Krafft / auf die Erden: aber das wachsame Hertz / und der erzwingende Schrecken /stieß im Niederfall / mit einem bekümmerten Seufftzer / den Namen Talypsidami / durch den Mund heraus / daß sie ihrer vergessend / gleich als mit sich selber redend / diß ihr letztes Wort / und zwar halb gebrochen / ausgoß: Ach Talypsidame! so must du sterben! Ach! so übet ihr gerechten Götter gebührende
Nun dencke eins / in was Schrecken und Forcht Agapistus gewesen / nicht viel fehlete / daß er gleiches erlitten / und die Schuld dieses unschuldigen Tods / durch sein eigen Schwerdt / an seinem Leben gerächet: Die Hertzens-Bekümmernus stürtzete ihn vom Pferd / und warff ihn auf die Verstorbene / die er hin und wider schüttelte; aber die Ohnmacht war so starck / daß er nichts / denn den Tod mercken konte. Gleichwol gab ihm die verharrende Wärm noch eine Hoffnung / darum er sie mit Balsam bestriche / konte aber nichts richten. Nun / gedachte er / bist du Mörder an dieser Seele / und an der Seele Talypsidami ingleichen. Ach Talypsidame! bist du ja Talypsidamus /dem ich den Brief überreichen soll? Wie werden die Ertödtete Brief annehmen? O Unglück! muß ich durch die Treu / so ich dir erweisen wollen / mein Polyphile! nun selbst an dir treuloß werden? Ach! warum habt ihr mir / ihr unsterbliche Götter! diese unglückhaffte Reise / zu meinem Verderben / aufgelegt? Was thu ich nun? Ach! ich Verzweiffelter! was thu ich nun? soll ich Talypsidamo nachsetzen? und diesen Tod /durch die Errettung seines Lebens / vergleichen? Ja /das soll ich thun. Ach! so verhindert den Fortzug der Rauber / ihr gewaltige Götter! daß ich antreffe / den ich suche / und verleihet / daß ich entweder / mit meinem Sieg / den Tod dieser Matron / an jener Mörder Leben / räche / oder durch den Verlust meines todt-schuldigen Lebens / das Leben erhalte / dem ichs zu erhalten schuldig bin.
Das Ende des Waldes beschloß der vorbey fliessende Peneus-Fluß / an dessen Ufer er die Mörder mit Talypsidamo antraff! die sich zu Schiff setzeten / und Talypsidamum allbereit in die Ketten gelegt hatten. Wie es aber gemeiniglich zu geschehen pflegt / daß die Wercke der Boßheit eine gewaltige Furcht nach sich ziehen; als traff auch diß die Mörder dermassen /daß die / so allbereit zu Schiff waren / die Grausamkeit des erhitzten und verfolgenden Agapisti beförchtend / vom Land stiessen / und zweyen von der verdamten Rott zu ruck / dem Agapisto zur Rach / überliessen / die er auch mit solchem Grimm verbrachte /daß er einen mit seiner Lantzen / vom Ufer / ins Wasser stürtzete / und ersäuffte / dem andern mit dem Schwerdt / durch das Haupt / biß auf die Brust / einen solchen Streich gab / daß er / halber zerspaltet / tod darmeder fiel.
Talypsidamus / dem seine harte Bedrangnus / nicht so sehr schmertzete / als daß er Agapisto die
Aber wie viel ein anders hatte die Widerwertigkeit des Glücks beschlossen! Untreu verlangte keine Rach / und spotteten sie vielmehr Talypsidami / als der nicht wüste / daß der erste Beding ihrer Gesellschafft wäre / wer sich erretten könne / der möge sein Bestes suchen / wie er wolle. Ja! fieng der andere an /(den ich glaube / daß selbst die Boßheit gebohren /und die Laster gesäuget haben /) wann ich mein Leben / durch seinen Tod / hätte erretten können /wolt ich ihn selber erwürget haben.
Da nun Talypsidamus sahe / daß er nichts richte /gab er mit den Händen und dem Haupt das Danck-Zeichen dem getreuen Agapisto: Agapistus hingegen schrie mit lauter Stimm: Polyphilus! Polyphilus! und zeigete den Brief / winckete ihm auch / wie er nach Soletten gewolt habe / und diesen Brief ihm zu bringen. Da solte eins die Tausendfältigkeit der Gedancken Talypsidami gesehen haben / die der Name Polyphili verursachete. Bald gedachte er / gewiß hat dieser Ritter dich an den Tod Polyphili erinnern wollen / um deßwillen du diese Naht / und ohne Zweifel auch den Tod erleiden must:
Was macht nun Agapistus? Auf Soletten zu reisen /ist vergeblich: Talypsidamum zu erlösen / unmüglich / wieder zu ruck zu gehen / verdächtig: unverrichteter Sachen zum Polyphilo wieder zu kommen /schändlich / bevor ab da er die einige Ursach ist / daß Talypsidamus nicht errettet worden / weil er der Bitte des Weibes nicht alsobald gehorchet: so bekümmert ihn nicht wenig die Furcht / des unschuldigen Todes /dieser Verstorbenen / mehr aber / daß er nicht wissen konte / wer sie wäre? Vielleicht / dachte er / ist sie gar Talypsidami Vertraute / daß ich Mann und Weib auf einmal erwürget: welche Furcht ihn desto hefftiger schröckete / je mehr sie sich der Warheit gleichete. Darum er endlich bey sich selbsten den Schluß machte / sich ins Wasser zu stürtzen
Aber nun erkenne ein jeder die Vorsehung des gütigen Himmels. Agapistus voller Verzweiflung / wendet sein Pferd / und führet dasselbe etzliche Schritt vom Ufer / dem Walde zu / befiehlet sich der gnädigen Hand der Götter / und rennet im vollen Streich /aber mit verbundenen Augen / (ohne Zweifel / daß er den Augenblick seines Todes nicht warnehme /) auf den Strom zu / Willens / sich mit dem Pferd zu ersäuffen: als eben die vertraute Talypsidami / so er nimmer / lebendig zu sehen / gehoffet / aus ihrer tödlichen Ohnmacht / wieder zu sich selbst kommen /und mit vollem Eyfer / dem Ritt Agapasti nachgefolget; die / so bald sie sein Vornehmen erkennete / mit erhobener Stimm anfieng zu schreyen / daß Agapistus bewogen wurde / das Pferd / mitten im Lauf / aufzuhalten / und zu sehen / wer sein begehre. Drey Schritt mochte er noch zum Wasser gehabt haben / da er sein Gesicht entdeckete. Die Furcht aber des bösen Gewissens / stessete ihn alsbald ans Hertz / daß er bereuete / was er / in verzweiffelter Gefahr / zu vollbringen /beschlossen hatte. Auch tröstete ihn / in seinem Leiden / der Anblick deren / die er vor ertödtet gehalten; wiewol ihn die Scham so sehr schröckete / daß er sich scheuete / sie kühnlich anzusehen / bloß darum / daß er nicht alsobald Hülff-reiche Hand geleistet / deßwegen er sich geschwind vom Pferd / zu ihren Füssen legte / und um aller-günstigste Verzeihung bat / seines vorigen Fehlers; denn er bekennen müsse / daß er dem unschuldigen Talypsidamo / den unverdienten Tod verursache: wann anderst das eine billiche Ursach zu grüssen / die nicht verwehret / was sie verwehren kan und soll.
Psychitrechis / so war des Weibes Name / achtete nicht der Bitte oder Entschuldigung: sondern fragte alsobald nach ihrem Talypsidamo / und da sie vernahm / wie er auf jenem Schiff fortgeführet würde /welches zur rechten Seiten / ein wenig vom Ufer / in die Höhe segelte / erdachte sie den eiligen Rath / Agapistus soll am Ufer hinauf reiten / zu sehen / was es vor ein Ende nehmen würde.
Der Anschlag gefiel nicht übel / sonderlich / da sie wider den Strom schiffeten / daß Agapisti flüchtiges Pferd sich immer fort der Schiffart gleich halten konte / auch war der beyliegende Wald sehr bequem /seine Begleitung / wider Wissen der Mörder / gantz heimlich und unvermerckt zu vollbringen. Was geschicht? Es muß doch wahr bleiben / daß die gnädige Götter ein wachendes Auge auf die Sterblichen haben / und denen / so sich ihrer Macht vertrauen /nach erlittenem Unglück / dennoch hinwider mächtige Hülff und starcken Trost bescheren. Dann als Agapistus in höchster Betrübnus an dem Ufer hinan reitet /seine Augen aber immerfort auf den Fluß / neben Talypsidamo / schiffen lässet / geschichts / daß sein Pferd an einem Stock stosset / und strauchelt / so gar /daß es sich / mit einem gefährlichen Fall / zur Erden neiget / und Agapistum ins Gras niederleget: aber zu sein / und Talypsidami / grossem Glück. Dann ungeacht er frisch und ohne Verletzung wiederum aufgestanden / ersiehet er an dem Ufer / eben da er sich wieder zu Pferd setzen will / einen kleinen Nachen angebunden / mit allem dem / wessen die Fahrt benötiget / wol versehen.
Agapistus / dem der unverhoffte Fund / gar leicht /ein Zeichen göttlicher Vorsehung seyn möchte /
Die Mörder / da sie Agapistum / mit Schwert und Waffen zu Schiff sahen / und auf sie zu eilen / wurden so voller Furcht / daß sie die Segel / mit grosser Behendigkeit / wandten / und gleich einem Pfeil / in unglaublicher Geschwindigkeit / widerkehreten / woher sie kommen / und mit dem Fluß / der Tiefe zufuhren. Agapistus setzete / mit gleichfertiger Ubereilung /nach / mochte sie aber nicht erlangen / weil er der Schiffarten ungewohnt / nicht wuste / wo der Vortheil zu treffen. Gleichwol vermochte seine Verfolgung so viel / daß er dem Talypsidamo das Leben rettete. Dann der Augenblick / da sie des Agapisti wahrgenommen / solte Talypsidamum / dem sie nunmehr alles genommen / was er mit sich führete / über Bord werffen: an welchem sie damals verhindert wurden /weil die Errettung ihres gefährlichen Lebens nicht zu ließ / ein unschuldiges Leben zu ertödten. Wie nun Talypsidamus muß erfreuet worden seyn / kan der leicht schliessen / der sein Leben liebet; und wurde die Freude um desto mächtiger / daß er Agapistum immer hefftiger arbeiten / und ihnen nach setzen sahe.
Psychitrechis stund am Ufer / und sahe dein traurigen Spiel mit Entsetzen zu / welches desto erschröcklicher zu sehen war / weil es doch endlich Leib und Leben kosten würde. Doch blieb sie an dem Ort in betrüglicher Hoffnung / sie werde die wieder sehen /welche gleich dem Blitz vor sie weg / und endlich gar
Psychitrechis / wiewol sie in neue Furcht dadurch gesetzt wurde / weil sie ihr leicht einbilden mochte /daß / wann das Pferd seinen Reuter nicht wieder mit sich bringe / die Bekannte dieses Ritters in grossen Schrecken gerathen wurden: ward doch die vorige Betrübnus so gehäufft / daß fast unmüglich war / ihrem Hertzen den Kummer zu vermehren: darum sie mit weinenden Augen / und seufftzenden Hertzen / den Zügel ablösete / und als eine betrübte Beute / mit sich nahm / auch widerkehrte an den Ort / da sie / mit Heulen und Klagen / ihres allerliebsten Talypsidami wartete. Den sie aber lange nicht erwarten konte.
Dann da die Mörder / in der Flucht / furchtsam fort eileten; Agapistus aber / in der Verfolgung / erbittert nachsetzte / und sie doch nicht erreichen konte /schütteten die erzürnten Götter / ihren gerechten Eyfer / über den Fluß / mit erschröcklichem Wetter /und wütenden Winden / aus / entweder ihre wunderbare Hülf denen Nohtleidenden zu erweisen / oder
Wie aber eine Widerwertigkeit die andere gebiehret; also war es nicht genug / daß Agapistus tödliche Furcht erlitten / sondern er muste dem Glük / auch nach diesem / ein Lust-Spiel werden / welches ihn so nahe zum Talypsidamo brachte / daß er ihm von Polyphilo den Gruß zuschreyete / aber in einem Augenblick / durch den Sturm und Wellen / dermassen wegführete / daß er weder die Mörder / noch den Gefangenen sehen konte. Es erfasste ihn ein widriger Wind / und führete sein Schifflein in einen andern Strom / auch so ferne / daß er nicht die geringste Hoffnung / Talypsidamum wieder zu sehen / schöpffen konte. So bald Agapistus entführet / legten sich die Winde / und ward der Fluß stille. Talypsidamus /der sich seines Erretters nicht mehr trösten
Sehet ihr dann nicht die drohende Straf der erzürnten Götter / die keinen unverdienten Tod an mich will verüben lassen. Kan euch meine klagende Stimme nicht erweichen / so errette mein armseliges Leben die donnernde Hand der Unsterblichen. Meynet ihr / dafern euch nach meinem Tod verlanget / und denselben wider Recht / und ohne mein Verbrechen / befördert /daß die gerechte Vergeltung des beleidigten Himmels / mein Leben / nicht / an eurem Tod / wieder suchen wird? Diese Wellen werden euch verschlingen /ehe ihr wieder zu Land kommet: Diese Wasser müssen euch ersäuffen / wie ihr meine Seele in meinem Blut ersäuffen werdet. Die Erfahrung / und der Schrecken / welchen euch das jetzt verstrichene Gewitter / vielleicht meiner Unschuld wegen / erreget /zeuget frey / daß ihr diese Ubelthat / nicht ohne Rach der gewaltigen Götter / vollbringen werdet. Sehet mich auch vor den an / der sich eben nicht zu sterben; sondern durch eure Hand zu sterben scheuet / die ihr vielleicht gerechte Rach / wegen der ermordeten Gesellschaffter / an mir zu üben / vermeynet / und meinem Ruhm / nach diesem Leben / eine Schande beyleget.
In dem Talypsidamus so redete / und ferner
Diese / nach dem sie den Wechsel vernahm / vergaß sie bald ihres Leids / und gedachte auf die Rach /so mit gültigem Recht an denen Strassen-Räubern und Mord-Kindern müsse vollbracht werden: allein das mitleidige Hertz Talypsidami vergaß aller Rach /wegen der Freud der Erlösung.
Ob nun Talypsidamus / wegen der ausgestandenen Gefahr / nicht wenig ermüdet worden / setzte er dennoch seine Reise fort / damit sein erlittenes Unglück /durch die Wiederkehr / nicht kündig würde. Weil er sich aber nicht mehr allein zu Land trauete / und Psychitrechis / seine Geliebte / zu Schiff nicht fahren konte; schickete er selbe wieder zu ruck / in Begleitung zweyer gerüsteten Diener / weil sie / ohne dem /nur das grosse Meer zu besehen / die gefährliche Reiß auf sich genommen: er aber setzte sich zu Schiff / mit dem Versprechen / daß er sie mit ehistem wieder sehen werde.
Vor dem Abzug / erinnerte er sie an Agapistum / so derselbe kommen werde / daß sie ihn nach Würden bedienen lasse / und biß zu seiner Widerkunfft aufhalte: da er aber nicht erscheinen solte / solle sie forschen / so viel müglich / von wannen er gewesen /und
Nun wollen wir Talypsidamum schiffen: Psychitrechin aber wieder zu ruck gehen lassen / deren jedes mit gutem Friede dahin gelanget / wohin sie begehrt / wann nicht die Leidtragende Furcht / beyden Hertzen / den Tod Agapisti / und dann den Schrecken seiner Bekandten / mit gar zu betrübter Einbildung /aufgebürdet / welche sie ohne Unterlaß / gleich einer heimlichen Gefahr / des Tages in Gedancken / des Nachts im Schlaf verstörete / und mit höchst-betrübter Traurigkeit belegte: vielleicht nicht ohne Ursach. Dann der viel-geplagte Agapistus / durch die Widerwertigkeit der gewaltigen Winde dermassen verführet wurde / daß er selbsten nicht wuste / wohin er kommen. Doch beglückte ihn endlich der begütigte Himmel / mit einer wenigen Sicherheit / daß er ans Land stieß / und sein Leben von der Gefahr des ersäuffenden Wassers befreyete. Aber / was sag ich / befreyete? die kümmerliche Nahrung / die ihm die bittere Wurtzeln / und das ungekochte Fleisch der wilden Thier darreichte / war dem Tod viel gleicher / dann dem Leben. Auch der nächtliche Schrecken / die Furcht vor den reissenden Thieren / die ewige Plag der peinlichen Geister / verursacheten ihm mehr den Tod zu wünschen / als das Leben ferner zu erhalten. Ja! es überfiel die Tausendfaltigkeit seiner Bedrangnus / das enthertzte Hertz dieses unseeligen
Beschreibet den Schrecken Polyphili / den er über das unberitten-widerkehrende Pferd Agapisti eingenommen / und wie er zum Talypsidamo kommen: Ist eine Lehre / von der blinden Glücks-Neigung / welche auch die Tugend-suchende nicht selten begleitet.
Dieser verlangte seinen Agapistum zu sehen / deßwegen er folgendes Tages / da er seine Widerkunfft hoffete / fast alle Stunde / auf die Zinne des Schlosses sich erhebte / doch aber sein Verlangen nicht erwarten kunte / daher er in tausend-fache widrige Gedancken gerieth / und bald an Agapisti Treue / bald an Talypsidami Gunst / bald wieder an Macarien Gnade zweiffelte. Und mit dieser Furcht kümmerte er sein Hertz /biß in den dritten Tag / da er / in seinem Zimmer / die Unglückseligkeit seiner Liebe wehmütig beklagte /auch die Götter um mitleidige Erbarmung anflehete /als einer der
Ach! aber unglückseliger Polyphile! welche Angst wird dein Hertz klemmen / wann du nicht Agapistum / sondern einen fremden das Pferd wirst herzu bringen sehen. Polyphilus hoffete Freude / aber so bald er den Reuter vernahm / ersäuffete die zufallende Furcht sein Gemüth / mit tausend Betrübnus / welche um desto häuffiger vermehret wurden / als er erfuhr /daß dieser Reuter nichts von dem Ritter wisse. Die erhitzte Begierde Polyphili konte nicht warten / biß er völlig zu ihm kam / da er schon gefragt hatte / was Agapistus mache? dann es bethörete ihn die Hoffnung / als hätte Agapistus ihm gefallen lassen / bey Talypsidamo zu bleiben / und deßwegen diesen Botschaffter zu ruck gesendet / daß er ihm die Nachfolge verkündigen solte. Aber die erhitzte Frag / überkam eine kalte Antwort / weil der vermeynte Botschaffter /keinen Agapistum gesehen zu haben / sich bekandte.
Wer bist du denn / sprach Polyphilus / und wie kommst du zu dem Pferd? Ich bin / versetzte der Antworter / ein Bauer / aus dem nächsten Dorfs / und habe in dem Wald / da ich Holtz gehauet / diß Pferd /ohne Reuter und Zügel angetroffen / kan nicht wissen / woher es kommen / oder wohin es gehöret / doch hab ich wol gesehen / daß es müsse von nichts schlechtes herkommen / deßwegen ich selbiges daher bringen wollen / zu vernehmen / ob es nicht daher gehöre?
Diß klägliche Beginnen Polyphili verursachete den anwesenden Diener / daß er der Melopharmis / die er wuste / daß sie ihm lieb war / diß eilig eröffnete / und ihn zu trösten / herunter zu kommen / ersuchete / welche ihn auch / mitten unter der Klag / antraff / und wiewohl sie sich hart hielt / dennoch durch die klägliche Geberden / des gar zu bitterlich weinenden Polyphili / dermassen bewogen worden / daß sie gleiche
Polyphilus konte leicht schliessen / daß diß ein
Alsbald Polyphilus hinein kam / steurete er sich auf das Ruhe-Bett / vor grosser Müdigkeit / und schloß die Augen / daß er den Schlaf sehe: aber die Angst ließ ihn nicht ruhen / deßwegen er Melopharmis anflehete / daß sie bey ihm bleibe / und mit ihm von Agapisto rede; dann in seinem Andencken gedachte er eine heimliche Erquickung zu finden. Selbst auch Polyphilus gab alsobald Gelegenheit an die Hand / wie ihr doch düncke / wohin der Brief an Talypsidamum müsse kommen seyn? Was man gedencken werde /dafern ein fremdes Auge denselben lesen / und ein unwissendes Hertz dessen allen werde verständiget seyn? darauf Melopharmis antwortete; daß sie so gewiß sey / daß Agapistus denselben in keine andere Gewalt kommen lassen / als gewiß ihm die Treue und Aufrichtigkeit desselben bekannt sey. Wann ich nur /sprach Polyphilus / gewiß wissen solte / wo ihn das Pferd abgesetzt / oder wo er das Pferd verlassen /könte man ihn suchen / ob er vielleicht unter die Mörder gerathen / die ihn so hart verwundet
Ein jeder erbot sich willig und schuldig / und wolte einer vor dem andern den Ruhm verdienen / daß er mit dem Fund Agapisti dem Polyphilo Freud erwecke. Daher setzten sich alle die junge Edelleut / so zu Hof waren / auf ihre Roß / und ritten je zwey / den Wald durch und durch / so ferne / daß sie biß auf die Gräntze / der Insul Soletten / gelangeten / aber nichts funden.
Da die nun etzliche Tage vergeblich gesuchet / traff endlich das Glück zweyen / deren einer Aphetus / der andere Gennadas benamet / daß sie an den Ort geriethen / allwo Agapistus / den einen Mörder ins Wasser gestossen / den andern aber / mit dem Schwerdt / erwürget: dessen Leichnam Talypsidamus / in seinem Blut / liegen lassen / und nicht verscharret / vielleicht / verdienten Lohn nach / denen Raben zur Speise. Aphetus war der erste / der ihn sahe / und so bald er dessen gewahr wurde / gedachte er / es wäre Agapistus / deßwegen er hochbetrübt an#eng: Ach! ich Unseeliger! soll ich mit dem grossen Unglück beglücket werden / Agapisti Tod Polyphilo zu verkünden? soll ich dich / edler Ritter! hie in
Aphetus schloß aus dem Ansehen der Kleidung die rechte Warheit / und muthmassete / daß dieser / welchen er für einen Mörder hielt / vom Agapisto / durch die Nohtwehr / sey erleget worden / nicht wissend /wie es ihm hernach ergangen. Vielleicht / stimmete Gennadas darzu / sind ihrer mehr gewesen / die hernach den edlen Ritter umbracht: dem Aphetus widerlegte / wann das geschehen / würden sie das Pferd nicht aus Handen gelassen haben / welches ihre grösseste Beute würde gewesen seyn.
Indem sie aber in solcher Ungewißheit kämpffeten /und ein jeder seine Meynung vor gültiger wolt gehalten haben: siehe! da kommt Talypsidamus / mit seinem Schiff / von der Höhe / wieder zu ruck gefahren /weil ihn das Verlangen / zu wissen / wie es um Agapistum stehe / nicht längern Verzug gestattete. Aphetus und Gennadas sehen der Schiffart zu / und tretten /um solche eigentlicher zu betrachten / näher zum Ufer / so gar / daß Talypsidamus sie von
Gennadas bat zu erst um günstige Verzeihung / daß er den Lauf des eilenden Schiffs / durch sein unhöfliches Begehren / hätte hindern dörffen: erwähnte dabey die Ursach / was ihn darzu verleitet / nemlich / sprach er / dieser ertödtete Cörper / den wir allhier angetroffen / unwissend / wer er ist / oder wie er zu Fall kommen. Zwar / fieng er ferner an / sind wir ausgeschickt von Polyphilo / unserem Erretter / Agapistum / seinen geliebten Freund / zu suchen / den er an Talypsidamum / einen Einwohner der Solettischen Insul / mit einer Schrifft / abgefertiget: an dessen Statt ein blosses Pferd / ohne Zügel / zu ruck kommen; aber Agapistum / den edlen Ritter dahinden gelassen / daß wir nicht wissen / wo er hinkommen / und wiees ihm gehe. Nun sind wir zu erst
Kaum konte Talypsidamus vor hertzlicher Freude erwarten / daß sich das Schiff anlendete / und wäre er / wann es müglich gewesen / alsobald auf das erste Wort / über das Wasser geflogen / so verlangte ihm mit den Fremden / die er auch vor Ritter ehrete / ferner Gespräch zu halten. Doch antwortete er kein Wort / sondern gab Befehl / das Schiff alsobald ans Ufer zu führen. Da er nun ausgetretten war / buckete er sich / in tieffer Demut / gegen die beyde / mit wiederholter Frag / ob er ihren Worten gewissen Glauben geben dörffe? Und da er das Ja-Wort / mit einer Betheurung / erhielt / fiel er ihnen beyden um den Halß /hertzete und küssete sie / als die Freunde / seines Freundes Polyphili. Diese erschracken über die Freundlichkeit / und die Thränen / so aus den Augen Talypsidami drungen / führeten sie in die höchste Verwunderung / daß sie nichts zu antworten wusten. Talypsidamus aber / der einen nach dem andern
Wer war fröher / als Aphetus und Gennadas; sie hätten gewünschet / daß sie zur Stund bey Polyphilo hätten seyn können / und die Herrlichkeit der erworbenen Freude eröffnen. Aller Verzug war ihnen zuwider / darum Talypsidamus sein Schiff heimfahren hieß / Aphetus aber sein Pferd / dem Talypsidamo darreichete / und sich hinter Gennadas aufsetzete: welches wiewohl Talypsidamus nicht annehmen wollte / dennoch endlich / um die Verhindernus zu hindern / das Verlangen nach Polyphilo / der sonst-geziemenden Höfflichkeit vorsetzete. Unter Wegens schlug sich sonderlich Gennadas / mit allerhand Gedancken /und kam nicht unbillich auf den Sinn / als wäre diß Talypsidamus; welches er daher schliessen wollte /daß er so fleissig nach demselben gefraget: dorffte sich aber nicht erkühnen / die Warheit
Unter währendem Gespräch / kamen sie biß zum Schloß. Gennadas schrie alsbald der Wacht zu: Agapistus lebet / die darob sehr erfreuet wurde: Talypsidamum aber führete Aphetus / biß vor das Zimmer /darinnen Polyphilus / mit schmertzlichen Worten /seine betrübte Zeit zubrachte: Und da Aphetus sehr eilete / die Freude zu verkünden / daß es das Ansehen hatte / als wolte er dem Gennadas vorkommen / traf diesen der Eyfer / daß er ihn mit erhobener Stimm /den Stillstand gebot / wolte er sein Freund seyn. Ein jeder wolte den Danck verdienen / und die Freude dem Polyphilo verkünden: Darum sie nach gebührender Anmeldung / beyde zugleich anfiengen: Freude dem Polyphilo / und unserm gantzen Hause! Agapistus lebet / und ist nicht todt.
Alles Leid Polyphili fiel auf einmal hin / und alle Klagen hatten ein Ende / so gar / daß Polyphilus vor grosser Begierde anfieng / ob dann Agapistus komme? dagegen Gennadas versetzte: Nein / edler Polyphile! er wird aber mit ehistem kommen. Polyphilus fuhr weiter fort: Habt ihr ihn gesehen? Oder woher seyd ihr seines Lebens kündig worden? Darauf Aphetus antwortete: Wir haben ihn zwar nicht gesehen; aber die Gewißheit haben wir von einem Schiffmann / der uns am Ufer begegnet / und nach erkundigtem unserm Werben / die gewisse Verstzrechung dermassen bevestiget / daß er selbsten mündlich
Polyphilum trieb die Begierde / den fremden Gast zu sehen / den er alsbald vor einen des Talypsidami Schiff-Bedienten hielt / zum Zimmer hinaus; und da er die Thür öffnete / fiel ihm die Gegenwart / des so verlangten Hertz-Vertrauten Talypsidami zugleich in die Augen und das Hertz / so gar / daß er sein selbsten vergessend / mit vollem Lauf auf ihn zueilete /und mit hertzlichem Froh empfieng. Die Unaussprechlichkeit der Freude schloß den Mund / und öffnete das Hertz / welches sich / durch die heisse Thränen-Bäche / so häuffig ergoß / daß die benetzte Wangen Polyphili / auch das Antlitz Talypsidami bewässerten / durch beyderseits Freud-erweckendes Hertzen und Umfangen. Sie lagen einander an der Brust / und die Arm umschrancketen die Leiber / welche sie so hart zusammen drucketen / daß es scheinte / als wolten sie aus zweyen eins machen. Beyde waren sie erstummet / und konte keins dem andern ein Wort zureden / so gar hatte sie die hertzliche und unvermuthete Freude entzucket. Der Kuß muste dißmal das Beste thun / und die tief-geholte Seufftzer musten die Gedancken des Hertzens erklären. Bald verliessen sie einander / als wolten sie reden: aber so bald die Augen Polyphili Talypsidamum bestralten / und Talypsidamus hinwieder
Wäre es doch müglich / die Tausendfaltigkeit / der Wunder-gebährenden Freud / dieser beyder vertrauten Freunde / ja mehr dann Freunde / auszusprechen / gewißlich würde diß gantze Buch die Beschreibung nicht fassen können / und meine Feder drüber stumpff werden. Wer sie in seinem Hertzen heimlich bey sich forschen will / der kan / etzlicher Massen / die Unergründlichkeit erkennen / wann er zu ruck gehet / und beyder Verlangen ansiehet / welches das Hertz Polyphili / mit der Begierde / Talypsidamum zu sehen; und wiederum diesen / gegen jenen entzündet. Denn so wird er leicht erkennen / daß diese Freud / sey die Erfüllung des schmertzlichen Begehrens / und zugleich eine Unterdrückung alles Kummers / aller Furcht / so gar / daß Polyphilus / samt Talypsidamo /nun die Freude selbsten ist.
Die Anwesende beyde von Adel konten sich über den unverhofften Fall / und allzugrosse Liebe / nicht gnug verwundern / daher sie auch bald diesen / bald jenen; ja sich selbsten untereinander ansahen. Sie wünscheten nicht mehr / als daß sie nur ein Wort hören möchten / wer der Fremde wäre: allein die Zunge lag in den Ketten der Vergnügung gefangen /und der Mund wuste nicht Wort gnug zu bilden / die die Unaussprechlichkeit dieser herrlichen Befriedigung erzehle. Da sie nun eine zimliche Weile einander umfangen hielten / und das Hertz allmählich zu ruhen
Aphetus war der erste / der den Namen Talypsidami nennen hörete / daher er verursachet wurde / weil nun gewiß war / daß diß Talypsidamus seyn müsse /die Melopharmis daher zu führen / damit auch die /der unerschöpfften Freud mit geniesse. Gennadas aber wolte diesen Dienst / mit der Königin Danck / ihm vergelten lassen; deßwegen jener zu Melopharmis; dieser aber zu Atychintida eilete / und die Gegenwart Talypsidami / mit allem dem / was sie gesehen und erfahren / verkündigten.
Da nun Polyphilus mit Talypsidamo allein war /fieng dieser an: Ach Polyphile! mein Freund! wie hat uns das Wunder-würckende Glück / durch so viel Unglück / erfreuen wollen? Meine Seele ist genesen /nun sie Polyphilum siehet / und mein Hertz ist voll alles Guten / nun ich dich / du mein ander Hertz! lebend weiß. Sag mir nun / mein Freund! was hat dein Leben erhalten? hast du dich ersäuffet / daß du lebest? O ihr wunderthätige Götter! wie habt ihr mich / durch eine vergebliche Furcht / in solchen Schrecken gesetzt? daß ich Polyphilum / den
Unter dieser Rede / trat Melopharmis herzu / deren Gegenwart / die geschlossene Hände Poliphili und Talypsidami trennete / und da sie / mit grosser Höflichkeit / den fremden Gast empfangen / und die Bezeugung ihrer Freude / mit vielen Worten / bekräfftiget / fieng Polyphilus mit erhabner Stimm an: Diß ist Talypsidamus / nach dem ich mich so hefftig gesehnet. Weil aber Melopharmis die ankommende Königin beförchtete / daß sie ihr Gespräch verhindern werde / und sie / nach dem / nicht so gute Gelegenheit / von Macarien zu reden / hoffen dörffte / fieng sie an: Liebste Freunde! verderbet die Zeit nicht / so euch der Himmel zu geheimen Sachen vergönnet / mit unnötigen Worten / die ihr auch / in anderer Beyseyn /wechseln könnet. Es wird unsre Gesellschafft durch die Gegenwart Atychintidœ bald zerstöret / und das Gespräch / darauf alle Freude Polyphili gegründet ist /verhindert werden. Darum lasset das die erste Frag seyn: Was machet die schöne Macarie? wie lebt sie? dencket sie ihres getreuen Polyphili? noch wie helffen wir dem Polyphilo wieder zu ihr? Und durch was Mittel kan seine Reise befördert werden? kan er auch /vor dem Grimm der Solettischen Inwohner / sicher hin und her kommen? dann diß ist Noth zu berathen.
Polyphilus stimmete der Rede / durch die gleichwinckende Augen / gar leichtlich bey: daß Talypsidamus auch seines Hertzens Begierde nicht übel vernehmen konte: deßwegen er / beyden zu Willen /
Die Ankunfft der Königin machte Talypsidamum so kurtz antworten / weil er die bedrangte Noth Polyphili erkennete / daß ihr nicht ehe abzuhelffen: wie dann auch Polyphilus / durch diese wenige Reden /mehr getröstet wurde / als wann ihm Melopharmis ein gantz Buch voll / von Hoffnung und Zufriedenheit /vorgeschrieben hätte. Sie stelleten sich nunmehr / die Königin zu empfangen / und nahm Talypsidamus Gelegenheit / nach Landes Art / derselben Hände zu küssen. Da er aber / mit vielen Worten / seine Ankunfft entschuldigen / und die Ursach / mit einer höflichen Demut versetzen wolte / so / daß die Königin ihr Verlangen nicht länger bergen konte / fiel sie ihm / mit diesen Worten / in die Rede: Edler Herr! eure Gegenwart / die uns billich an und vor sich selbst hoch erfreuet / ist uns gleichwol wegen des Verlangens Polyphili / nicht minder auch der Erkundigung / wie es dem edlen Ritter Agapisto ergangen / um desto mehr erfreuter / daß wir euch nicht als einen Unbekandten und Fremden; besondern gleich einem werthen und angenehmen Freund aufnehmen / auch wünschen / mit der Vermögenheit begütert zu seyn / daß wir euch / so viel wir schuldig / dienen und ehren können. Habt ihr demnach keine Ursach / weder einige Unhöflichkeit zu beschönen / noch um gnädige Vergebung / eurer Künheit / zu werben. Da ihr aber eurer ruhmwürdigen
Talypsidamus war so fertig / als willig: Polyphilus aber / der leicht sahe / daß sichs nicht schicken werde / wann die Königin so lang im Vorgemach stehen solle / hieß ihn noch eine Weile ruhen / und nötigte die Königin / mit gebührender Demut / sein Zimmer zu würdigen / und allda einen Sitz zu nehmen /um desto füglicher mit Talypsidamo zu sprechen /weil auch / ohne das / Talypsidamus / von der Reise /würde ermüdet seyn. Aber Atychintida antwortete: Mein Polyphile! ihr wisset wohl / daß ich euer Zimmer gern besuche / allein vor dißmal werde ich eurem Begehren nicht willfahren können / daß die Zeit / so uns zur Tafel fordert / allbereit vorhanden: so halt ich für gut / fieng Melopharmis an / daß wirs gar versparen / biß dahin / weil wir uns / die weil / mit dem Wort trösten können / daß wir gewiß sind / er lebe.
Beschreibet die Reden Talypsidami mit Polyphilo und der Königin / auch wie Macarien gerühmet: Lehret / wie hoch die Tugend-Kunst zu erheben.
Was hätte dem Polyphilo erwünschter kommen können / dann alsobald die Königin drein willigte / nahm er Gelegenheit / Talypsidamum zur Seite zu führen /mit Vorwenden / als wolle er ihm sein Zimmer sehen lassen / allda seiner Gelegenheit zu pflegen. So bald sie hinein kamen / fragte er wieder von Macarien: was sie auf die letzten Wort / so er ihr durch seinen Mund / nach dem damals vermeinten Tod / verstandigen lassen / geantwortet / und wie sie ihr solche gefallen lassen: ob sie auch annoch in der Meynung verharre / als solte Polyphilus tod seyn. Deme allen Talypsidamus / mehr aus der Liebe der Freundschafft /als der Warheit antwortete / so gar / daß ihm Polyphilus nichts gewissers / als die Gewogenheit der schönen Macarien einbildete / welche er sonderlich daher behaupten wolte / daß sie ihr seinen Tod nicht gewiß machen könte / daher eine Hoffnung zu schliessen /die die Gegenwart Polyphili / in dem Hertzen der Macarien / verlange.
Aber es gieng Polyphilo in diesem Schluß / wie es gemeiniglich den Verliebten zu gehen pfleget / die aus einem nichtigen Wort mehr erzwingen / als das Recht und die Warheit zulässet. Es vermochte aber diese Einbildung so viel bey ihm / daß er dem Talypsidamo mit hefftigem Flehen anlag / ihn Gelegenheit zu erwerben / daß er / ohne längere Verhindernuß / sein Verlangen erfüllen und die Liebe deren / die ihm sein Hertz gantz bestricket / durch seine Gegenwart / endlich gewinnen könne. So öffentlich
Talypsidamus wurde über die Wort erfreuet / und solches um desto mehr / weil er ihm nie nichts solches eingebildet / sondern das Verlangen Polyphili allemal / mit der Tugend / der vollkommenen Macarien /abgemessen: das er aber jetzt erfuhr / wie es sich weiter / und biß auf das Hertz erstrecke. Da verstund Talypsidamus allererst / was ihn für ein Schmertz quäle / und in was Angst / sein verliebtes Hertz brenne. Darum er / ihn zu trösten / von der Stund an / auf Mittel und Wege bedacht zu seyn / ihm / durch die Treue ihrer Freundschafft / versprach / wie er / ohne längern Verzug / seinen Wunsch erfüllen möchte. In dem kam Melopharmis und nötigte sie zur Tafel: deren sie folgeten / biß in den Saal / da sie von den Anwesenden / abermal höflich und aufs schönste empfangen wurden.
Die Königin nahm mit Polyphilo ihren gewohnten Sitz: Talypsidamus aber bekleidete die Stell Agapisti / nach welchen / die übrige / in ihrer richtigen Ordnung / die Tafel beschlossen. Die erste Rede war /dem Begehren Atychintidœ nach / von Agapisto / die Talypsidamus mit solchen Worten anfieng und redete: Durchleuchtigste Königin! mein schuldiger Gehorsam erinnert mich billich / an den gnädigen Befehl / dem sie mir / vor der Tafel / ertheilet / daß ich / so viel mir wissend / vom Agapisto gründlichen Bericht geben solle: Wann demnach solches schuldiger massen zu vollbringen / dero Gnaden nicht unbeliebig / oder zu wider lauffen wird / will ich meinen Gehorsam durch die völlige Eröffnung / zu deren Gebot stellen.
Die Mörder wurden / durch die unverhoffte Ankunfft / sehr erschröcket / ich aber mächtig erfreuet. Die schröckende Furcht schlug sie alsobald in die Flucht / daß sie sich wandten / und mit dem Fluß / in unglaublicher Geschwindigkeit / abwerts fuhren. Ich muste mitfahren / ihr Leben zu erretten / und meines zu verderben: der Ritter folgete gleich-erhitzt nach /konte sie doch nicht errennen: wiewol er mir so nahe kam / daß er mir den Gruß von Polyphilo zuschreyen konte. Aber / O Unglück! es entstund ein grausames Gewitter / welches einen Wind schickete / der das Schiff Agapisti anfassete / und mit erschröcklichem Wüten / auf den wanckenden Wellen fort führete / daß weder ich / noch die Mörder / ihn mehr sehen konten. Da nun die Winde sich legten / und ich mir nichts anders / als den gewissen Tod einbildete: siehe! da kommt mein Schiff / daß ich mir hatte folgen heissen /dessen Ankunfft mich errettet; meine Feinde aber gefangen gelegt: die ich auch noch dem Agapisto
Die Verwunderung / zusammt der anklebenden Furcht / erhebte sich damals dergestalt / in aller anwesenden Hertzen / daß die Freude nicht anderst / als unter dem Wachsthum der Dornen aufgehen / und auf dem Acker der Sorgen-vollen Besaamung wachsen konte. Aller Seiten verursachete der Trost Talypsidami Freude; die Erzehlung / Schrecken; die Ungewißheit / Forcht. Polyphilus aber / der seine Gedancken /mit der Versprechung / Macarien zu grüssen / nehrete / mochte leicht überredt seyn / daß er glaubete /was er gern glauben wolte / darum er alle
Atychintida / wie sie gewohnt war / männiglich die Wolthat zu erklären / welche die Danckbarkeit / so ihre Erlösung dem Polyphilo schuldig / gebührend rühmen muste / fieng hinwider zum Talypsidamo an: Edler Herr! eure Erzehlung / die uns nicht weniger Mitleiden in der Noth / als Erfreuung nach derselben erwecket / zwinget mich / daß ich gleiches an unserm hochgelobten Polyphilo bekennen muß / welchen /wie ihr selber gesehen / die Fluthen ersäuffet haben /und die Wellen bedecket / aber meines Erachtens darum / daß die leblosen Creaturen dessen Ehre retten / und Leben verlängerten / welchen die beseelte Menschen / ohne Schuld / in Schande setzen / und den Tod / unbillicher Weise auflegen wolten. Denn / so sind die gerechte Gericht der gerechten Götter. Wunderns ist das alles werth / und um desto mehr / weil /durch solche seine Errettung / auch unsere sich genahet / die wir / was wir sind / diesem Polyphilo / unserm Eretter / alles zu dancken haben / und auch ewig dancken wollen. Deßwegen will ich auch noch jetzo eben das / und allen / die zu uns kommen werden /solches erzehlen und rühmen / dafern ich weiß / daß es euch nicht mißfället anzuhören: und nach dem fieng sie an / alles / was wir bißher gehöret / und in solcher Ordnung / wie sichs mit Polyphilo begeben /zu erzehlen / und zwar mit so belobten Worten / daß die Schamhafftigkeit offtmals dem Polyphilo die Röthe austrieb. Zu letzt aber hieng sie an / was doch Talypsidamus / der nun beyderseits die Begebenheit /so wohl Polyphili / als Agapisti verstanden /
Was hätte Polyphilo angenehmer können gefraget werden / als welcher wuste / daß Talypsidamus / ein verständiger und beredter Mann / die Ehre der noch nie gnug gepriesenen Macarien / dergestalt ausbreiten werde / daß er sich heimlich darüber freuen würde: deßwegen auch eben das Begehren / durch Polyphili Beystimmung / an Talypsidamo wiederholet wurde. Dieser / wiewol er nichts liebers und angenehmers ihm zu verrichten / wünschen können / scheuete sich dennoch / aus beytragender Forcht / es möchten seine / ob schon sonst wol-geübte / Reden / an dem Himmel-würdigen Ruhm / der mehr Göttlichen / als Menschlichen Macarien / und deren hoch-geschätzten Zierde / versiegen / und ihre Krafft verlieren / weil er wol wuste / daß / dafern er sie menschlich gelobt /kaum der Anfang ihrer Würde werde berühret seyn: himmlische Gaben aber / mit menschlichen Worten gleichen / eben so unmüglich / als göttliche Herrlichkeit / mit jrrdischer Nichtigkeit abmessen. Gleichwol muste er dem Gebot Atychintidœ folgen / welches er auch dißfalls seine gefasste Forcht gar gerne beherrschen ließ / und folgender Gestalt anfieng:
Durchleuchtigste Königin! dafern ich nicht versichert wäre / daß E. M. Gnade sich würde befriedigen lassen mit dem / was meine Müglichkeit vermag / und mehr die Himmel-steigende Würde der unschätzbaren / ja! unvergleichlichen Macarien / aus
Die Königin / wegen des gar zu grossen Lobs fast unwillig / versetzte; ist sie denn kein Mensch / daß sie auch Gebrechen habe? Darauf Talypsidamus antwortete: Dem Leibe nach / ist sie freylich unter die Sterbliche zu zehlen / aber die Beschaffenheit desselben ist etwas sonderliches vor andern / und die Seele ist gantz himmlisch / weil sie nichts als himmlische Tugend wählet / und Göttlichen Verstand gewinnet. Ja! es zeigen sich eben diese etzlicher massen durch
Talypsidamus wolte weiter fort fahren / allein die gute Königin plagte der Mißgunst ein wenig / die
Polyphilus / dem sein Hertz vor Freuden im Leibe hupffete / wegen des herrlichen Lobs / das Talypsidamus seiner allerwürdigsten Macarien gegeben: weil er zuvor merckte / daß die Königin eine kleine Eyfersucht getroffen: führete denselben mit sich in sein Zimmer / daß er die nächtliche Ruhe bey ihm nehme /wiewol er ihn mehr der Unterredung halber / als des Schlafs wegen begehrte. Deßgleichen giengen auch die übrige ein jeder zu seiner Ruhe / ohne daß Melopharmis Polyphilum / und seinen Geferten begleitete.
Beschreibet / wie Talypsidamus sich mit Polyphilo berathen / zur Macarien zu kommen / und was jener /nach seiner Heimkunfft / mit derselben geredt / auch wie ihr Wider-Sinn sich in Liebe verwandelt: Lehret / ob die Tugend anfänglich schwer zu gewinnen / sey doch die endliche Ergebung freywillig / daher wir / mit Polyphilo / nicht ablassen sollen / dieselbe zu erringen.
Da sie nun alle drey allein versamlet / und unverhinderte Freyheit zu reden hatten / war die erste Frag Polyphili / ob Talypsidamus noch kein Mittel erdacht /wie er zu Macarien komme? legte auch zugleich einen schönen Danck ab / an statt Macarie / wegen des ertheilten Lobs / ihn versicherend / daß zu seiner Zeit /von ihm / sein Ruhm wieder soll gepriesen / diß aber /was er gethan / bey Macarien / zu seiner grossen Beförderung / rühmlich erzehlet werden. Talypsidamus erwähnte / wie ihm das Gespräch über der Tafel nicht zugelassen / daß er darauf bedacht gewesen / wie gern er auch gewolt: allein / es werde nicht viel rathens bedörffen / Polyphilus solle morgen mit ihm / alsdann er sie sehen / und seine Schmertzen verbinden könne.
Polyphilus war fertig / und glaube ich wohl / daß er noch den Abend lieber / als den andern Morgen fortgezogen wäre: allein die vorsichtige Melopharmis verwehrete ihm beydes. Dann / sprach sie /
Talypsidamo gefiel der Rath nicht übel / zumaln weil er wuste / daß das Hertz der einsamen Macarien gantz anderst war / als er Polyphilo vorgesagt / deßwegen er selbsten auch der Rede Melopharmis beystimmete / und es vor rathsamer erkante / daß seine Ankunfft der Macarien vorher entdecket würde. Der Inwohner Grimm aber belangend / fuhr Talypsidamus weiter fort / ist derselbe nicht füglicher zu zäumen /als wann Polyphilus sich stellte / gleich wäre er in der Königin Befehl ausgesandt / da er nicht vor Polyphilum / sondern als ein Königlicher Gesandter wird bedienet werden. Ja / sagte Melopharmis / das wird sich noch besser schicken / wann er mit blinder Botschafft an euch selbsten / als den Herrn der Insul / abgefertiget wird / da er aller Seiten sicher / und ohne Anstoß wird aus- und eingehen können.
Der Schluß ward gemacht / und beyderseits mit dem Wunsch / einer glücklichen Ruhe bestättiget /
Polyphilus war die gantze Nacht bey seiner Macarien / und wäre zu wünschen gewesen / daß er mit wachendem Auge die Freude genossen / so ihm das betrügliche Nacht-Bild vorgemahlet. So bald sich nun die Morgenröthe zeigete / war Talypsidamus früh auf / und eilete mit grossem Verlangen auf Soletten zu / nach dem er vom Polyphilo / neben dem gebührenden Abschied / nochmalige Unterrichtung erhalten / wie er bey Macarien reden solle. Es war aber der gantze Inhalt dessen / bloß auf dem Verlangen der Kunst und Tugend gegründet / dann von Liebe dorffte Polyphilus so viel sagen / als wenig er wuste / daß sie verlange.
Talypsidamus reitet indessen auf Soletten zu / dann ihm die Königin eins von den besten Pferden gegeben / das ihn unverzüglich fort trage. Polyphilus erstieg / nach seiner Gewonheit / die Zinne des Schlosses / und sahe ihm sehnlich nach / begleitete auch seinen Ritt mit dem hertzlichen Wunsch / daß ihm der gnädige Himmel geneigter seyn wolle / als dem unglückhafften Agapisto / damit er endlich / nach so lang-erdulteter Unglücks-Bestürmung / seinen
So bald Talypsidamus zu Hauß kam / war sein erstes Begehren / der Macarien zu verkünden / was diß daher wunderbahres sich begeben: deßwegen er /durch einen seiner Diener / um den Zuspruch / bey ihr anhalten ließ / welchen er auch mit leichter Müh erhielt. Als er nun dieselbe mündlich grüssete / und seinen unhöflichen Zutritt höflich entschuldigte / fieng er nach der Länge an alles / was biß daher mit Polyphilo geschehen / und auf solche Art an zu erzehlen / daß sie leicht mercken konte / Polyphili Hertz und Augen zielen einig und allein auf ihre Gewogenheit / sonderlich / wann sie der Erzehlung Talypsidami / so er aus der Königin Mund / den beyden Tafeln in dem Liebes-Tempel wiederholete / die Schrifft entgegen hielt /welche / ihrer Meynung nach / die Wunder-würckende Hand / der allmächtigen Götter / ihre damalige Betrübnus zu lindern / auf den Tisch gemahlet.
Die erlittene Noht Polyphili / die ohne fremden Beweiß / sein getreues Hertz entdeckete; dann die bewegliche Erzehlung der traurigen Begebenheiten / so um ihrentwillen auch der gantz fremde Agapistus ausgestanden / vermochte das Hertz der vor widersinnigen Macarien dermassen zu ändern / daß sie nicht nur leicht gestattete / sondern auch schmertzlich verlangte / den treuen Liebhaber hinwieder zu sehen. Es war die Begierde so groß / daß sie sich nicht bergen ließ /besondern ehe Talypsidamus von der Ankunfft Polyphili etwas meldete / mit diesen Worten ausbrach: So ist Polyphilus noch vorhanden?
Nun aber sehe ein jeder / was lieb-wanckende Gemüther sich auch in denen vermeinten weiblichen Vollkommenheiten / befinden. In Warheit! wer die Gedancken der einsamen Macarien / mit denen jetzt-verliebten Begierden überlegen wird / muß willig gestehen / daß sie / in diesem Fall / sich von der Zahl der weiblichen Unbeständigkeit nicht ausschliessen könne / welche mit dem beweglichen Schilff / das sich bald vor dem Ost- bald vor dem West- bald vor dem Sud- bald hinwieder vor dem Nord-Wind beuget und neiget / getreue Gesellschafft hält. Jetzt könte man recht und mit Warheit sagen / es sey / durch eine mächtige Zauberey / das Hertz / der sonst-beständigen Macarien / so weit verführet / daß die Erblickung des Gegenwärtigen / ja auch nur die Hoffnung des Zukünfftigen / eine flüchtige Vergessenheit alles dessen / was sie vor dem / in ihrem Sinn / hart und fest beschlossen / derselben wider Verhoffen geschencket. Wolte doch Macarie einsam bleiben: wolte sie doch nicht mehr an Polyphilum gedencken: wolte sie doch keinen mehr lieben: wie ist sie dann so leicht verkehrt? Oder / hat sie ihrer selber vergessen? Jetzt solte Atychintida zugegen seyn / würde sie gewißlich dem hochgeführten Lob dieser Tugend-Damen / das Laster der wanckenden Unbeständigkeit / vielleicht mit kräfftigern Beweiß / entgegensetzen
Aber / weg mit der Beschuldigung! die immerblühende Tugend / der beständigen Macarien / hat ihren Safft noch nicht verlohren / viel weniger ist sie ihres Geruchs entsetzet / so lang sie unentwurtzelt bleibt. Wird nicht auch ein tief-gewurtzelter Baum von dem Gewalt der Winde beweget; fällt nicht ingleichen auch offt eine safftige Blum / auf der Wiesen? Warum solte dann die mächtige Liebe Polyphili das Tugend-beständige Hertz der Macarien nicht bewegen; warum solte das seufftzende Verlangen / und die bittende Bemühung / nicht auch diese Tugend-Blum fallend /oder ja sinckend machen? Doch / was sag ich? Macarie / die Tugend-Herrschende / ist so ferne von der Unbeständigkeit / als diese von der Tugend. Solte das den Namen eines unbeständigen Gemüths verschulden / wann ich durch mächtigere / nützlichere / und mehr erhebliche Ursachen gezwungen / ein anders /oder wol gar ein wideriges / ausser dem erwähle / daß ich vor dem / ob wol auch mit reiffem Verstand / und gebührender Ersinnung / dennoch aber mit nicht so gnüglichem / vollkommenem und begeistertem Nachdencken / mir vorgenommen? Nein: es sind ja die letzte und folgende Gedancken vernünfftiger / dann die ersten: Wie offt gereuet uns morgen / was wir heut beschlossen? So muß man dem folgenden Tage seinen gebührenden Kuhm geben / daß er den Verstand
Beschreibet die Ankunfft Phormenä gen Sophoxenien / und die Schlitten-fuhr Polyphili /welche so unglückselig / als verhinderlich war: Lehret / den Dritten und gemeinsten Anstoß der Tugend-Verliebten / die Unglückseligkeit.
So lassen wir nun die schöne Macarie mit Talypsidamo in gleichem Verlangen ruhen / und vernehmen /was sich indessen mit Polyphilo begeben / und wie dieser seine Reise befördert. Der Raht Melopharmis /war dazumal
Es schickte sich aber eben / daß Phormena / eine Befreundte der Königin / von der Freude ihrer Erlösung Bericht erhalten / und selbiger mit zu geniessen /eben damals / als Talypsidamus abgereiset war /dahin kam / und die Königin grüssete. Die Freude / so aus beyder Gegenwart entstund / war sehr groß. Für allen aber danckete Phormena dem Polyphilo wegen der Königin / und gewan ihn fast lieb / theils seiner Schönheit halber / theils auch / wegen der grossen Ehr / die ihm seine glückliche Verrichtungen erworben. Polyphilus stellte sich hinwieder nicht unfreundlich / doch so viel die Treue / mit welcher ihn seine Liebe gegen Macarien verbunden / zuließ.
Allerhand Lust-Spiel und anmuthige Zeit Kürtzungen erdachte Melopharmis / samt der Königin / damit sie ihre geliebte Phormenam bedienen möchten. Nun begab sichs / daß dieselbe bey Atychintida / in ihrem Zimmer / allein war / daher die Königin Ursach bekam / mit Phormena / von Macarien zu reden / und zu erzehlen / was sich ihrentwegen / die Zeit / begeben und zugetragen. Am allerfleissigsten aber wiederholte sie das Lob / so ihr Talypsidamus beygelegt /und mit solchen Worten / daß Phormena / vor grosser Begierde / dieselbe zu sehen / allen Scham zuruck warff / und die Königin um Hülff und Beförderung ansprach / daß sie zu der Inful gelange Darauf Atychintidœ alsobald die Bitte Polyphili beyfiel / deren durch diß Mittel konte gedienet werden. Deßwegen sie Phormenam zur Ruh wieß / biß sie mit Polyphilo geredt / und erfahren
Eben aber kam Polyphilus / seine Bitt zu wiederholen / da ihn die Königin / mit diesen Worten / empfieng: Edler Polyphile! dafern ihr eure Reise auf Soletten / um Talypsidamum zu besuchen / anstellen wollet / will ich euch Phormenam / meine Befreundte /zur Begleiterin vertrauen / welche Verlangen trägt /die Tugend-gezierte Macarien zu sehen. Dessen sich Polyphilus / als einer begehrten Auftrag / schuldig bedanckte / mit Versprechen / daß er sie unbeleidiget hin und wieder bringen wolle. Nunmehr war keines Raths mehr Noht / wie er seine Reise sicher anstellen möchte / weil er Phormenam / an statt der Königin selber / führe. Der Schluß stund noch zu erwarten /durch was Gelegenheit sie Belieben trage / ihre Reise zu vollziehen. Es war aber eben die Erde mit tieffem Schnee bedecket / (so lang war Polyphilus von seiner Macarien entfernet /) daß die Schlitten-Fuhr am füglichsten und lustigsten zu seyn scheinete / zuvor / da die Insul nicht ferne von dem Schloß entlegen / so /daß es sich nicht übel einer erwählten Spatzier-Fuhr gleichen konte. Der Schluß ward gemacht / der Schlitten / auf Befehl Polyphili / mit seinem Zugehörigen bereitet / und Phormena zur Reise gerüstet. Polyphilus eilete auch auf sein Zimmer zu / daß er / wessen er möchte benöthiget seyn / allerdings zusammen ordnete; und wiewohl er keine Zeit-Versaumnus zuließ /mochte doch die mächtige Freud / die in ihm der hoffende Anblick seiner Macarien erweckete / das Hertz Polyphili dergestalt bezwingen / daß er / alle Geschäffte
Eben setzte er das Gedicht zu Papier / als ihm Melopharmis die Post brachte / daß der Schlitten bereit /und Phormena / in dem untern Saal / auf ihren Führer warte. Deßwegen sie ihn eilen hieß / Abschied nahm /und mit folgenden Worten / Glück zu seiner Reise wünschete: Freud-hoffender Polyphile! Euer Hertz /weiß ich / ist mehr bey Macarien / als euch selbsten. Nun so verleihe der gnädige Himmel / daß ihr sie /nach eurem Wunsch / antreffen und grüssen möget. Besinnet euch aber in allem / und mercket auf eure Wort / daß ihr die Gunst des leicht-erzürneten Hertzens nicht verderbet / in dem ihr dieselbe zu hefftig suchen wollet. Versichert euch / daß ihr angenehm / ja erwünscht kommen / und mit eurer Gegenwart / die Betrübnus / so die schöne Macarie / durch euer Abseyn erlitten / erfreulich verwechseln werdet. Mit diesem Schluß eilete Polyphilus zum Schlitten.
Die gebührende Hoflichkeit aber befahl ihm /
Ach aber / unglückseliger Polyphile! wie übel fährest du fort. Freylich war in deinem Hertzen die unverruckte Hoffnung / Macarien zu errennen: aber in dem Hertzen Melopharmis war der Eyfer noch nicht gar erloschen / der sich ihr verschworen hatte / ihren Schrecken / an dir / diese Stunde / zu rächen / den deine unbedachtsame Zunge / wegen der Erledigung /dieses Schlosses / bey der Tafel / ihr verursachet. Melopharmis zwar liebte Polyphilum hertzlich / und war in allen seinen Begehren behülfflich / aber Polyphilus hatte eine wenige Straffe verdienet / nicht so wohl zur Rache / als daß er hinführo / seiner freygelassenen Zunge / besser den Zaum legen / und seinen nichts-fürchtenden Geist fleissiger in der Zucht halten lerne. Kurtz davon zu reden: als Polyphilus sich auf den Schlitten hebte / und die Seile zur Hand fassete auch /der Gewonheit nach / mit denselben das Pferd anmahnete / ihn fort zu führen: Siehe! da erschrickt dasselbe von dem Schall des Geleuts / damit es umhänget war /dermassen / daß es / mit vollem Lauff und erhitztem Eyfer / durch das Thor / einen zimlichen Weg / von dem Schloß / ohne Aufhalten / wegstreichet: und wiewohl Polyphilus / mit aller Macht / anhielt / so gar /daß auch die Seile zerrissen / trieb dennoch die gewaltige Bezauberung Melopharmis / den Grimm des flüchligen Pferds so ergrimmet fort / daß Polyphilus
Die gantze Hofhaltung / und zum Schein auch Melopharmis / wurden sehr erschröckt / über das unverhoffte Unglück. Ein jeder lieff Polyphilo zu / ihn zu trösten. Und als die Königin das Blut vernahm / fieng sie wehmütig an zu klagen / beförchtende / es möchte der Schaden gefährlich / und seiner Vollkommenheit schädlich seyn. Daher sie alsobald den Wund-Artzt holen / und befehlen ließ / müglichsten Fleiß anzuwenden / daß Polyphilus wieder zu voriger Gesundheit gelange.
Was soll ich aber von Polyphilo selber sagen? dieser hätte vor Eyfer bersten mögen / nicht so wohl wegen seiner Beschädigung / als der Schand / die er ihm noch so groß einbildete / dann des Verlusts halber / daß er seine Macarien nicht sehe. Was solt er aber machen? die Gedult war der beste Trost / und die Hoffnung bessers Glücks / beseeligte den Schrecken des Unglücks. Melopharmis / die sich gantz unschuldig stellen kunte / war die nächste bey ihm / und als sie sahe / wie Polyphilus so hoch betrübet war / gereuete ihr die That so fern / daß sie ihm diese Widerwertigkeit / morgendes Tags / zu ändern und
Dieses Glück beseeligte sein Unglück annoch / daß er Phormenam / die er zu führen gesinnet war / nicht zu sich genommen / welche gar gewiß ihr Leben einbüssen müssen. Voller Eyfer und Bekümmernus /theils auch aus Scham / für denen Anwesenden / eilete Polyphilus in sein Zimmer / beklagende das allzugrosse Unglück / so seine gehoffte Freud / gleich einer Blumen / gefället / und den Vorsatz seiner Ergötzlichkeit / mit den Stricken der Verhindernus / allzuviel gebunden. Er gieng in demselben auf und nieder / und zeigete bald zornige / bald klägliche Geberden / das grösseste / so ihn druckte / war die Erianerung / der so viel erlittenen Noth / und wie ihm nie das Glück günstig gewesen / so offt er seine Macarien zu sehen begehret. Daher er schliessen wolte / daß vielleicht die widerstrebende Götter / durch eben diese vielfaltige Verhindernussen / ihm zeigen wollen / wie er entweder bey Macarien unangenehm / oder ja / zu seinem grössern Schaden / willkommen seyn würde. Gleichwol vermochte die erhitzte Gluth der Liebe so viel /daß nichts fehlete / er hätte / wieder aller Götter Willen / Macarien zu sehen erwählet: deßwegen er mit brünstiger Begierde diese Schmertzen Wort offt und offt hören ließ:
Atychintida / samt Melopharmis / war stätig bey ihm /und hatte gnug zu trösten: Polyphilus hingegen konte sich nicht gnug entschuldigen / wegen seines Verbrechens gegen der Phormena / die er gen Soletten führen wollen / nun aber / wider ihren Wunsch und Willen /ja / das noch viel mehr / erschrocken und bekümmert /zu Hauß lassen müsse; Doch beschönte er solchen seinen Fehler / theils mit der Unschuld / theils mit der Zusage / daß er / morgendes Tages / reichlich ersetzen wolle / was ihm anheut die Widerwertigkeit des verboßten Glücks / wider Verdienst und Billichkeit / entzogen.
Wo bleibet aber das Pferd mit dem Schlitten / wer holet selbiges wider nach Hauß? da solten wir billich erkennen / daß offtermals wir Menschen ein Unglück leiden / und ein Leid ertragen müssen / damit wir desto grösser erfreuet und beglücket werden. Dann /als das reissige Roß / wie gemeldt / am Pfal behangen blieben / kommet eben Agapistus (O der seeligen Ankunfft!) aus seiner Wildnus / nächst zu dem Schloß /nicht wissend / daß er so nahe sey / bey denen / die er so lang und schmertzlich gesuchet. Die Vielfaltigkeit seiner erlittenen Gefahr heisset uns hier etwas still stehen / und seinen Jammer erzehlen / welchen er die Zeit erlitten.
Beschreibet das elende Leben Agapisti / in der Wildnuß / und wie wunderbahr Sophoxenien /zum Polyphilo / wieder kommen: ist eine Lehr / von der Treu und Beständigkeit / auch deren reichen Belohnung.
Er war / wie wir oben gehört / in der erschröckenden Wildnuß / von allen verlassen / und wuste keinen Rath noch Trost. Seine ermüdete Seele speisete er mit Angst und Betrübnus; und die matte Glieder erhielt das ungekochte Fleisch der wilden Thiere / kümmerlich / dann er auch dessen keinen Uberfluß hatte. Weil er aber diese so schwere Last nicht länger ertragen konte / fasset er einsmals den Sinn / die Bedrangnus seines bekümmerten Lebens / mit dem Tod / zu enden / und dem Polyphilo / weil er ja seinen Leib nicht mehr stellen könne / doch den Geist zuzuschicken / der berichten werde / wie treulich er sich in seiner Botschafft verhalten. Als er nun / in diesen Gedancken / sehr bemühet / und den selbst-erwählten Tod nicht so bald / ohne verschulden / zu Werck richten kan / ersiehet er von ferne einen alten Greisen /übernatürlicher Länge / und schröcklich anzusehen /aus dem dick-finstern Wald / gemählich auf ihn zu gehen. Agapistus / über den unverhofften Anblick /nicht wenig erschrocken / stehet behend auf / als wolte er die Flucht nehmen / die ihm aber / von dem Alten verwehret wird / daß er keinen Fuß von der Stell setzen kan. Was geschicht? Agapistus erwartet /was geschehen werde / der Alte erweiset / was geschehen solle. Dann da er zu nächst beym Agapisto war /bietet er ihm die Hand / mit freundlichen Anlachen /und folgenden liebreichen Worten: Mein Sohn! es schröcke dich keine Forcht / Dusolt nicht sterben: aber Polyphilum must du verlassen / soll dich anderst nicht alles Glück verlassen. Du weist selbsten / und hasts schmertzlich gnug erfahren / wie bitter der Anfang eurer Freundschafft gewesen / so gar / daß sie /biß zum Ende / nicht wird versüsset werden: darum solt du dein besser gedencken / und dich mehr / denn einen Fremden lieben. Wirst du nun diß versprechen /und halten / so folge mir auf dem Wege / den ich dich führen will / daß du lebest.
Agapistius hätte sich selbsten lieber als bald erwürget / ehe er auch nur gesagt hätte / daß er Polyphilum verlassen wolle: will geschweigen / daß er einen sochen Schluß in seinem Hertzen machen / oder zu Werck richten solle. Er gedachte alsobald / sehe ich dich / verlangter Polyphile! durch des Glückes Neid /nicht wieder / und muß dich verlassen / wird doch dieser Ruhm der Nach-Welt kündig werden / daß ich mein Leben nicht verschonet / um einen getreuen Freund aufzugeben / und für rühmlicher gehalten /durch die Trennung der Seele von dem Leib / das Band der Liebe zu knüpffen / als durch dieses Eröffnung / jene Fessel zu bewahren. Darum beantwortete er die Rede des Alten also: So der Name eines Sohns vätterliche Gunst verdienet / und kindlichem Gehorsam fordert / darff ich mich / durch eure Anrede / euch meinen Vatter zu nennen / wohl erkühnen / wie ihr mich euren Sohn. Wolte auch wünschen / daß euer Vortrag so gestaltet wäre / daß die
Die Rede Agapisti / verursachete dem Alten / theils Wunder / theils Zorn. Wunder zwar / weil er eine solche Beständigkeit bey keinem Menschen gehoffet: Zorn aber / weil er eben die Tugend selber / in einem solchen Fall / des Lasters beschuldigte / welches dem Hertzen Agapisti / eine endliche Verzweifflung zu bringen / und ihn / ohne Verdienst / ins Verderben stürtzen würde. Daher er bewogen / etwas schärffer an ihn zu setzen / und mit viel unfreundlichern Worten die Verlassung Polyphili zu befehlen / wolle er anderst nicht den verbitterten Grimm / aller himmlischen und höllischen Götter / noch diese Stunde / kosten. Aber vergebens; wann gleich / die verfinsterte Höll selber / ihren Rachen gegen ihn aufgesperret /und der blitzende Himmel / durch seinen Donner / ihn hinunter zu stossen gedrohet / hätte er
Wie aber die gnädige Götter / noch immerdar ein wachendes Aug haben / auf die Gerechtigkeit: gleich so muste dieses / auch dem unschuldigen Agapisto /zum Trost / ja zur Hülf kommen. Denn da er in der höchsten Bedrangnus / dem gerechten Himmel / durch einen hertzlichen und ängstigen Seufftzer / seine Noth klagte / siehe! da kommet mit einem feurigen Strahl /eine Stimm aus der Wolcken / sprechend: Philomathe! ruhe! Darauf der Alte mit allen andern Geistern als bald verschwunden / und Agapistus allein gelassen worden.
Wer der Alte gewesen / ist unschwer zu schliessen /nemlich der Geist Philomathi / der die Rache an Polyphilo / wegen der Hut Melopharmis / nicht vollbringen können / darum er den Freund desselben angefasset. Das wuste aber Agapistus nicht / weil ihm Polyphilus nie erzehlet / was sich mit Philomatho zugetragen. Daher ihm allerhand Gedancken über diesem Namen entstunden / die ihm doch nichts gewisses bedeuten kunten. Die Freude des Friedens forderte den Danck / vor die Erlösung / welchen gebührend abzulegen / Agapistus auf seine Knie nieder fiel / und die Augen / gegen den Ort des
Nach vollendeter Rede / saß Agapistus fast schwerlich auf den Knien / als welche ihm / vor Müdigkeit /den Fall droheten. Gleichwol wolt er sich nicht erheben / sondern sahe den Himmel als erstummet an /ließ das Hertz inwendig reden / welches in voller Verzweifflung arbeitete. Da er aber kein Zeichen vom Himmel erwarten konte / welches sein Hertz verlangte / gibt ihm / ach! der verdammliche Mord-Geist / die verzweiffelte Gedancken in den Sinn / er solle den Göttern das Opffer / an seinem Leibe bezahlen / wie er versprochen / dessen sie in der Still erwarteten. Darum er behende aufstund / sein Schwerdt / dadurch er den Mörder gefället / in die Erden setzet / daß die Spitze seine Brust traff / und noch einmal: aber ach! wie kläglich? gen Himmel schauet / daß die Thränen die Wangen netzten / und endlich mit diesen Worten: O ihr Götter! seyd mir gnädig! sich mächtig auf das Schwert druckete / daß dasselbe in zwey Stuck zerbrach.
Als er nun / eine geraume Zeit / in der Ohnmacht gelegen / kommt er endlich weder zu Sinnen / fühlet nach der Wunden / befindet sich aber unversehrt. Und weil er aus allem / die gnädige Vorsehung der allwaltenden Götter / gar leicht erkennen konte / schlug er in sich / mit Schrecken / bereuete sein Vornehmen /fiel wieder auf seine Knie / und flehete die Götter an /daß sie ihm sein Verbrechen nicht sträfflich zu rechnen wolten. Unter dem Gebet / fielen ihm die verzuckerte Gedancken bey: vielleicht wollen die Götter dein Leben fristen / und habens dißmal erhalten / daß du wieder zu Polyphilo kommest; daher er sich freudiger geberdete / als vorhin (wie ihm dann allemal der Name Polyphili / eine kräfftige Verstärckung war / in allem Leid) und gleichsam einen innwendigen Trost und Zufriedenheit fühlete / die ihm diese Wort gen Himmel schicken hieß: habt ihr mich erhalten / O ihr gnädige Götter! daß ihr mich wieder zu Polyphilo führet: Ach! so führet mich / ihr barmhertzige! durch euren Arm / daß ich meine Seele erfreue / durch seinen Anblick. Ihr wisset ja / ihr Allwissende! wo Polyphilus ist: Ach! so führet mich dahin / daß ich auch wisse / wo meine Freude lebet. Ihr sehet ja / ihr Allsehende! wie sich mein Hertz
Hat einmal das Gebet viel vermocht / so hats / in Warheit! diß vermocht. Kaum waren die-Wort ausgesprochen / als Agapistus merckte / daß er aufgehoben wurde / und mit unglaublicher Geschwindigkeit / über den Wald weggeführet: wiewol nicht ohne Anstoß /sonderlich schnitten die rauhen Winde / und der erkältete Frost ihn zimlich ins Gesicht.
Von was er geführet worden / weiß ich nicht /konts auch Agapistus selber nicht mercken: doch ist vermuthlich / daß ihn die gewaltige Hand der Götter geführet / die er angeruffen. Er wurde nahe bey dem Schloß / auf einen ebenen Weg / im Walde / niedergesetzt / mit dem Befehl: gehe ferner! so bald er zur Erden kam / fiel er nieder anzubeten / und danckete dem / der ihn geführet / biß er durch das Geleut der Schellen erschrocken / sich eilig erhebte / zu sehen /was daher komme. Es wurde aber / wieder Verhoffen /gantz still / doch ließ Agapistus nicht ab / sondern folgete dem vorigen Hall / sonderlich / weil ihn der Weg dahin führete. Und da er etwas für sich kam /fand er das Pferd Polyphili mit dem Schlitten / der zerbrochen war. Agapistus erkannte alsobald dasselbe
So kommt nun Agapistus zu dem Schloß: tausend Segen begrüsseten den ersten Anblick / und mit vollen Freuden / eilete er auf das Thor zu. Eben
Freude und Verlangen / Agapistum zu sehen / erhebte Polyphilum von seinem Sitz / daß er / aller Betrübnus vergessend / ihm / mit erhitztem Gang / entgegen lief / und freudiglich empfieng. Da solte eins die Hertzlichkeit / der tausend versüßten Umhalsung /dieser beyder edlen Jünglinge / und mehr als getreuesten Freunde / beschauet haben. Agapistus bethränete die Wangen Polyphili / Polyphilus die Wangen Agapisti. Möchte doch nur Polyphilus alsbald wissen /wie es Agapisto ergangen / daß er die Tausendfältigkeit seiner Freude / mit der Bedaurung / des treuen Freundes Agapisti / in etwas verringern könte. Was soll ich viel sagen? Wenn ich gleich Hertzen und Küssen / Drücken und Umfangen daher setze / kan ich doch dennoch nicht innerliche Hertzens Bewegungen ausdrucken / die mit solcher Brunst in ihnen beyden feuerte / daß die äusserliche Bezeugungen der innerlichen Gluth mehr ein Vorspiel / als Abdruck zu nennen war. Ach Polyphile! fieng Agapistus an / verlangter Polyphile! wie hat mich das Unglück von dir ziehen heissen? Ach Agapiste! wie / versetzte Polyphilus / allerliebster Agapiste / wie lang hat dich das Unglück von mir gerissen? Sag doch / Agapiste! wie ist dirs gangen? die jämmerliche Gestalt zeiget nichts Gutes. Wie so / sprach Agapistus / seh ich so elend? Es fehlet
Melopharmis / samt der Königin / kamen alsobald Agapistum zu grüssen: und war alles in höchsten Freuden. Das Hertz Polyphili aber bedaurete das Unglück Agapisti / welches er um seinet Willen erlitten /verwunderte aber auch dabey / die Treue desselben /der sich / durch keine Noth / von ihm abwenden lassen: daher Polyphilus ihn noch so sehr liebete.
Wir wollen uns jetzt nicht aufhalten mit dem / was Agapistus mit Polyphilo / dann auch mit der Königin / und sonsten über Tafel / geredt / weil das meiste die Erzehlung war / seiner ausgestandenen Gefahr /die er so scheinbar vorlegen konte / daß sie alle zum Weinen und Mitleiden beweget wurden. Nach dem /und sonderlich über der Tafel / fieng die Königin mit Polyphilo an zu schertzen / wegen der Schlitten-Fuhr /deren Verhindernus / die Ankunfft Agapisti verursachet. Aber Polyphili Sinn war nicht zum Schertz gerichtet / als welcher bloß darauf bedacht war / wie er morgen glückhaffter fahre. Deßwegen er noch den Abend / ein ander Pferd wählete / und alles bestellete / daß er mit frühem Tage fortfahren könne.
Beschreibet die andere Fuhr Polyphili auf Soletten /welche ihn zu der langverlangten Macarien bringet /deren Gunst-Gewogenheit er gewinnet: Lehret die endliche Vergnügung und Zufriedenheit der Tugend-Verlangenden.
Es hatte Polyphilus eine mühselige Nacht / nicht wegen seiner Betrübnus / sondern der Schmertzen /die ihm der beschädigte Arm erregete. Und wurde der Schaden so gefährlich / daß er den Arm nicht beugen konte / daher er abermal beförchtete / er möchte an der Reise verhindert werden. Aber es hieß beym Polyphilo / der Liebsten wegen ein Glied gewaget. Der innerliche Schmertzen war hefftiger und mächtiger /dann der äusserliche: darum er jenen / vor diesen / zu verbinden / sich früh aufsetzte / Phormenam zu sich nahm / und / mit gutem Glück / auf Soletten gelangete. So bald er des Peneus-Flusses ansichtig wurde /und in das Schiff trat / welches Talypsidamus / schon den vorigen Tag / ihn einzuholen / am
Talypsidamus wartete allbereit bey der Bruck / da Polyphilus aussteigen muste / und empfieng sie beyde /mit grosser Höflichkeit / führete sie auch in den Saal /allda ihrer Gelegenheit zu pflegen. Im ersten Eintritt /sahe Polyphilus das Bild Macarien; mit was Erfreuung / kan männiglich gedencken. Hätte er die anwesende Phormenam nit gescheuet / weiß ich gewiß /daß er das entseelte Bild / mehr dann tausendmal gehertzet / weil es Macarien Bild war. Er gieng offt und offt zum Fenster / und sahe das Hauß Macarien an /weil er nicht ruhen konte / biß er sie sehe. Doch muste er seine Begierde / durch die Erwartung / zäumen /deßwegen er sich mit allerhand Gedichten tröstete /und seine Zeit kürtzete. Es ward aber Macarien angesagt / daß eine Gesandtin der Königin von Sophoxenien / sie zu begrüssen / ankommen: darum sie dieselbe / mit demütiger Bedienung / zu sich bat.
Nun wird Polyphili Wunsch erfüllet / nun gehet die Freude an / darauf er so lang vergebens gehoffet. Phormena geht vor / damit es einen Schein Königlicher Würde hatte; Polyphilus folget mit
Polyphilus erschrack über diese Wort / daß er kein Wort antworten konte: Macarie aber wurde beschämet / daß sie ihre Augen nicht aufhebte. Welches / als Talypsidamus vernahm / fieng er an: Eure Geberden /Tugend-völlige Macarie! und euer Schrecken / edler Polyphile! zeuget gnug / wie ihr gleiche Sinne führet /darum ich für gut ansehe / daß Macarie alleine sey /damit sie ihre Schamhafftigkeit wieder oblegen: Polyphilus aber bey ihr bleibe / damit er durch ihren Zuspruch / in seinem Schrecken getröstet werde. Ich will Phormenam mit
Artig kam der Schertz / auf den Wunsch Polyphili /der allbereit / durch die lieb-winckende Augen der lächlenden Macarien / verstanden / daß / so er allein bey ihr seyn würde / werde sein Vorhaben glücklich von statten gehen. Macarie aber / die diesen Schertz mit einem Gegen-Schertz versetzen muste / fieng an: so wolt ihr gewiß / geehrter Herr Vetter! mit einer schönen Frauen / allein wandern / und vermeynet / es sey Polyphilus / wie ihr / gesinnet? diß gefiel der Phormena so wohl / daß sie gleich schertzhafft anfieng: Edler Talypsidame! ist die Mißgunst auch bey denen Tugend-begüterten so groß? Aus dem allen aber / obs ein lauterer Schertz war / machte doch Talypsidamus einen Ernst / und dem Polyphilo eine Freud. Denn als Phormena kaum das Wort ausgeredt /sprang Talypsidamus / mit lachendem Mund / auf von seinem Stul / fassete Phormenam bey der Hand / und eilete der Thür zu / sprechende: Was die Mißgunst verwehren will / muß man desto eher befördern.
Polyphilus und Macarie wolten / gebührender Höflichkeit nach / mit folgen / allein Talypsidamus verwahrete die Thür / und hieß sie drinnen bleiben / versprach auch / Phormenam bald wieder zu bringen /die er zu seiner Liebsten Psychitrechin führete / welche allerhand lustige Gespräch ersinnete / damit sie die Zeit kürtzeten. Das alles that Talypsidamus dem Polyphilo zu Gefallen / daß er Gelegenheit überkomme / mit Macarien allein zu reden. Da nun Polyphilus dieselbe überkam / dachte er / jetzt ists Zeit / allen Scham abzulegen / und deine Hertzens-Gedancken zu öffnen.
Nach dem ich aber erfahren / daß ihre Hertz-zwingende Schönheit / mit der belobten Tugend / im gleichen Grad bestehe / habe ich mich / wider Verhoffen /vor den bekennen müssen / der sich seelig schätze /dafern er mit der Hoffnung / auch der geringsten Gegen-Gunst / beglücket würde. Wie mir nun solche in etwas erkläret wurde / durch die Erlaubnus / ihre Kunst- und Tugend-Schulsferner zu besuchen: als habe ich / schon damals / mich vor hoch-beglückt gehalten / daß ich von dem Himmel gewürdiget sey / in der angenehmen Brunst / gegen Macarien / mich zu bemühen. Es verbitterte aber die erwachsene Freud /mein damaliges Unglück / das mich durch die Fluthen von Macarien scheidete: weil mir der hochgepriesene Ruhm / dieser Göttin / ernsten Befehl gab / mein Leben / entweder mit Ehren / zu erhalten / oder zu verderben. Was mich nun biß daher für ein Schmertzen gedrucket / wird niemand glauben / er verstehe dann / die Brunst des Verlangens / nach dem / das unser Hertz gefangen hält. Doch bin ich zum öfftern getröstet / theils durch ihr Andencken / theils durch die Erinnerung / ihres so wunder-süssen Namens /von dem ich durch die Tafeln / in dem Tempel der Liebe (wie sie allbereit von Talypsidamo wird vernommen haben) bin verständiget worden / daß
Macarie / halb-gewonnen / hätte lieber gleichstimmige / als wider-sinnige Wort geführet / doch muste sie ihrer weiblich-gebührenden Zucht und Höflichkeit / vor dißmal / Folge leisten / und anders reden /als sie gedachte. Daher sie die Rede Polyphili auf solche Art beantwortete: Mein Polyphile! wann ich euer Hertz / diesen Worten und Geberden gleichen darff /hab ich mehr Ursach / über euch zu klagen / dann zu lieben. Gedencket doch der Künheit / die ihr begehet /da ihr das Gelübd / der ewigen Einsamkeit / bey mir geredt wisset / und gleichwol mich mit solcher Rede besprechen dörffet. Meynet ihr / daß ich meiner vergessen habe / daß ich nicht wisse / wer Macarie sey? Ist das das Ziel eures Verlangens / so habt ihr euch /in Warheit! sehr bethöret / wann ihr die geringste Gefahr / mich zu erlangen / ausgestanden. Zwar bin ich Danck schuldig / so fern ich vernehme / daß ihr meine wenige Tugend zu suchen / so viel erlitten / da aber die End-Ursach auf die Liebe fallen solte / würde sich der Danck / in eine Straff / und die Bemühung / in Haß verkehren: weil Liebe zu erwählen / von mir so ferne ist / als der Himmel von der Erden. Anlangend meine Schönheit
Wie hoch Polyphilus / über diese Antwort betrübet worden / kan männiglich daher leicht schliessen / daß Polyphilus das Hertz der Macarien / den Worten gleich hielt / darum weiß ich nicht / ob die mächtige Kümmernus oder die noch unerdämpffte Hoffnung /nachgesetzte Antwort / durch seinen Mund heraus gegossen / so bald Macarie das Wort erwähnte / er solle ihrer schonen. So sprach aber Polyphilus:
Muste doch Macarie sich erbitten lassen / wolte sie anderst das Laster der Unbarmhestzigkeit nicht üben. Darum sie die Wort Polyphili mit einem freundlichen Blick beantwortete / und nichts mehr widersetzte / als daß Polyphilus / mit der Zeit / sich schon besser bedencken werde.
Da hatte Polyphilus einen Trost / deßwegen er / so schön und höflich er kunte / sich zu ihr nahete / und seine lincke Hand in ihre Rechte / den rechten Arm aber / um ihren zarten Leib schlug / und die Vergnügung seines Verlangens / mit einem beseufftzeten Andruck bezeugete. Macarie / wie sie aller Freundlichkeit voll war / lächelte darüber heimlich / doch so /daß die Beröthung der Wangen / die inwendige Scham / alsbald entdeckte: welche dem Polyphilo Anlaß gab / zu fernerm liebreitzendem Schertz / so gar / daß er / aber mit grosser Höflichkeit / den Purpur ihrer Wangen berührte / und als die Liebhabende pflegen / aufs freundlichste spielete.
Nun solte eins die Freud-gebährende Ersinnungen des hundert-beglückten Polyphili erzehlen / er müste ein Himmelreich voller Herrlichkeit / und ein ewiges Wohl bewähren Ach! du seeliges Hertz! wie ruhest du sicher in den Gunst-winckenden Augen / deiner allerschönsten Macarien: Ach! ihr vergnügte
Was thut aber Polyphilus ferner mit Macarien? So solte der fragen / der nicht weiß / was verliebte Hertzen zu thun pflegen. Besser wäre gefraget: was hätte Polyphilus gerne gethan? darauf wir antworten könten: er hätte gern recht geliebet / und / die trockne Warheit zu bekennen / die Befriedigung seines Wunsches / mit einem Kuß versiegelt. Allein die Schamhafftigkeit / der gar zu züchtigen Macarien / verleitete das Hertz Polyphili zu einer Furcht / daß er nicht wagen dorffte / was er so hertzlich verlangte. Es gieng dem guten Polyphilo / wie es allen Verliebten ins gemein zu gehen pflegt / die auch in der höchsten Vergnügung dennoch unvergnügt bleiben. Der erste Schluß seiner Begierde verlangte bloß Macarien zu sehen / und als er das erlanget / folgte der Wunsch ihrer Gewogenheit / diesen empfieng die Freude ihrer Gunst: nun
Aber / war Polyphilus hitzig im Begehren / war Macarie desto kälter im gewähren / die / so bald sie merckete / daß die Brunst bey Polyphilo überhand nehmen wolte / fieng sie mit grossem Verstand an /seinen Fehler zu straffen / und ihn zu erinnern / daß er ihre Freundlichkeit / durch keine Liebe deuten solle /die ihr Hertz besiege / und den Vorsatz der Einsamkeit zerstöre: besondern / weil er Tugend liebe / und Kunst suche / ja vielmehr mit beyden allbereit so bereichert sey / daß er deßwegen zu lieben und zu ehren / wolle sie bekennen / daß sie seine Liebe wieder lieben / und sein Gedächtnus ehren müsse / wie er bezeuge / daß auch ihr Andencken / in seinem Hertzen / verwahret bleibe. Aber / sprach sie ferner / so ihr euch einige Einbildung einer solchen Gewogenheit machet / die euch vor meinen Liebsten erkenne / betrüget ihr euch gar sehr: weil ich ausser dem / der meine Seele / mit sich / gen Himmel genommen / und an deren statt sein Gedächtnus / meiner Einsamkeit zum Trost / mir hinterlassen / keinen mehr erwählen kan / noch will; sondern die Treue halten / dem ich sie zu halten / durch mein Versprechen / schuldig bin.
Das war ein Anstoß / welcher die Ruhe Polyphili verstörete / der keine solche Wort mehr von Macarien gehoffet hätte: als der ihm / der Liebenden Art nach /allbereit die eheliche Gunst und Treue / von Macarien / versprochen hatte. Darum er sich müglichsten Fleisses dahin bemühete / daß er die betrübte Einsamkeit derselben verhasset; die Freude aber / in Gesellschafft / beliebig mache. Fieng demnach
Allerschönstes Hertz! derselben Schluß / die Zeit ihres Lebens / in dem Gefängnus der betrübten Einsamkeit zu verschliessen / wird hoffentlich so steiff nicht verfasset seyn / daß er nicht zu reiffern Bedacht ausgestellet / und mit besser Besinnen / könne geendet werden. Sagt mir / Tugend-verständige Macarie! was veranlasset sie zu solchem Vorsatz? Ist es ein Mißfallen ob dem Welt-Wesen / so kan solches / in anderer Begebenheit / mit Wohlgefallen / erstattet werden. Ist es / die Sünde zu vermeiden / so wird sie in der Einsamkeit mehr versuchet werden / als sie in der Gesellschafft zu fürchten. Dann das glaube sie vor gewiß / daß sie nie weniger allein ist / als wenn sie allein ist. Oder / ist ihr Vorsatz / denen Unsterblichen zu dienen / so kan sie solches / unter dem Hauffen andächtiger Anbeter / mit viel hefftigern Geist / verrichten. Massen auch solches den Göttern angenehmer ist / als welche die Gesellschafft der Menschen / zu ihrer Ehr-Beförderung gestifftet. Ich will glauben / ihr Vorsatz sey wolgemeint / und sie sey entschlossen /sich denen Göttern aufzuopffern / und die Zeit ihres Lebens / mit deren Lob und Dienst / zuzubringen: welcheslich selber loben muß / als daß keiner mißsprechen kan: solte sie nicht aber gleiches auch in der Welt / und unter der Gesellschafft der Menschen leisten können / ja so gar auch mit grösserm Nutzen /und dem Himmel selbst wohlgefälligern Dienst / in dem sie auch andere zu gleichen Tugenden / mit Worten und guten Exempeln / ermahnen wird. Betreffend die Pflicht / damit sie sich denen Verstorbenen annoch verbunden meynet
Aus diesem Gespräch konte Macarie leicht schliessen / dafeen sie sich dem entgegen setzen werde /werde der Eyfer Polyphili noch hefftiger / und also ein Anfang werden eines neuen Streits / aber kein Ende seines Verlangens; deßwegen sie / voller List / mit diesem Schertz / seine Rede beantwortete: Edler Polyphile! ihr saget mir / was ihr wollet / werde ich doch meine Einsamkeit nicht ändern / es sey dann /
So vergeblich konte sich Polyphilus trösten / und mit einer nichtigen Hoffnung. Indeß kam Macarie wieder herein / die er mit sonderbahrer Freundlichkeit empfieng / wie auch Macarie / ingleichen nicht unfreundlich / den Danck versetzte. Als nun Polyphilus wieder anfangen wollte / seine Schmertzen zu erklären / und um die Eröffnung dieser verdeckten Rede zu bitten /daß er wisse / wessen Schönheit sie verführen werde /ihre Einsamkeit zu ändern / kamen eben Talypsidamus und Phormena herwieder / deren Gegenwart ihn der Antwort beraubte:
Beschreibet / was sich mit Polyphilo und Macarien /über der Mahlzeit / begeben / und wie betrübt / er den Abschied genommen / doch aber der Liebes-Früchte /in etwas / genossen: Lehret den Tugend-Genieß / als die lieblichste Frucht / versauerter Arbeit.
Es hatte Macarie Phormenam / Talypsidamum und Polyphilum zu sich gebeten / daß sie Abend-Mahlzeit mit ihr halten möchten / welche nunmehr bereitet war. Sie setzten sich zu Tisch / und wurde Phormena / als die Gesandte der Königin / der obern Stell gewürdiget / nächst deren Polyphilus den Sitz nehmen solte: allein er wolte lieber / um seine Ehr / Liebe kauffen /deßwegen er sich / mit sonderlicher Höflichkeit / in den Sitz Talypsidami / diesen aber in seinen erhebte /weil jener nächst bey Macarien war. Talypsidamus ließ auch gerne geschehen / was er wuste / daß Polyphilus / nicht ohne Ursach suche. Macarie war bemühet einen jedweden mit Speiß und Tranek zu bedienen: dem aber Polyphilus widerstrebte / als welcher schuldiger sey / dem Frauen-Zimmer aufzuwarten
Jetzt lerne ein jedweder Verliebter / an Polyphilo /wie er der Geliebten Gunst erlangen könne. Seine Bitte vermochte nicht so viel / als die stumme Hände /welche / weil sie nicht abliessen / besondern
Da solte eins die Freude Polyphili geschätzt haben. Aller Reichthum / der gantzen Welt / wäre wie nichts / gegen diesen Gewinn gewesen / so gar wurden alle seine Geberden freudiger / daß sich Phormena / wie sie hernach bekannt / nicht gnug wundern können / über die unverhoffte Veränderung / als die nicht wuste / auf welchen Grund dieselbe gebauet. Es blieb nicht allein bey dem / sondern es folgten der Zeichen so viel hernach / daß Polyphilus / seiner Gewonheit nach / wieder mehr begehrte / sonderlich / da er versichert war / daß sie ihn liebe. Was begehrt er dann? Folgendes Gedicht wirds bekennen / daß er in seinem Sinn der Macarien zur Antwort versetzte / da sie ihn zum Essen nöthigte / und öffters zutrincken wolte:
So dorffte Polyphilus dencken: aber nicht reden /
Wohin diese Wort zielten / konte Polyphilus bald mercken / darum er sich / mit folgender Antwort / bemühete / ihr diesen Irrthum zu benehmen / der sie / in der Liebe / ihres vorigen Liebsten / zu weit verführet. Darum sprach er: So meynet sie / Kunstverständige Macarie! sie werde / in jenem Leben / mehr lieben /den / daran ihr Hertz / in dieser Welt / gebunden war /als andere / die sie in dieser Sterblichkeit nicht geliebet? Nein / Macarie! sie irret weit / und glaubet das Widerspiel. Dann da sie die
Alle verwunderten sich / der Sinnlichkeit / dieser hoch-verständigen Macarien; Polyphilus aber entsatzte sich darob / weil er sich fast überwunden bekennen müssen / wann er nicht noch die Ausrede gefunden /daß wir / in himmlischen Dingen / unsrer Vernunfft ein Gebiß legen müssen / daher er ihren Einwurff /auf solche Art / widerlegte: Hochverständige Macarie! menschlicher Beschaffenheit nach zu reden / ists freylich so / wie sie zeuget: allein / das würcket die jrdische / nicht himmlische Liebe. In dieser Liebe / damit wir Menschen lieben / ist immer fort noch eine anklebende Unvollkommenheit / so entweder die Furcht /oder das Mißtrauen gebiehret / daher wir uns nicht so wol allen / als einem ergeben / und mit dem unser Hertz verbinden / daß wir eine Seele sind / die die Sterbliche
Männiglich merckete gar bald / wohin dieser Schluß gerichtet war / sonderlich Talypsidamus / der mit gleichem Schertz anfieng: So muß Macarie Polyphilum auch jetzo lieben / damit sie nach dem erfahren könne / ob der Schluß Polyphili richtig? Darüber sie sämtlich anfiengen zu lachen: Polyphilus
Talypsidamus war ein Liebhaber der Musie / deßwegen er zu dem Instrument eilete / welches / auf einem andern Tisch / gegen der Tafel über / stund /und allerhand anmuthige Gesänger spielte. Und weil Polyphilus leicht schliessen konte / es werde die Kunst-erfahrne Macarie / sich dessen erfreulicher Ergötzung / in ihrer betrübten Einsamkeit / gebrauchen /verlangte er / deren zarte Finger / wie künstlich sie die klingende Saiten erzwingen würden / zu sehen / allein er vermochte nichts erlangen. Da sie nun alle um den spielenden Talypsidamum herum stunden / und Polyphilus neben dem Instrument / auf den Tisch sahe /wird er eines Buchs gewahr / das er zur Hand nahm /und eröffnete. Er befand die Poetische Wälder / des teutschen Helden Opitii / mit denen Macarie ihre Zeit zu kürtzen pflegte. Und weil er / eben im Aufthun /das 24ste Gedicht im 4ten Buch erblickte / darinnen die Poetin / Veronica Gambara / ihres Liebsten Augen anredet / als sie ihn küsset / ward er dermassen betrübet / daß er / mit seufftzenden Worten / die Glückseligkeit desselben / durch sein verbittertes Unglück /beklagte. Ach! fieng er an / du glückseliger Adonis! (dann so hieß der Poetin Liebster) wie bist du / durch deine Liebste / biß an die Sternen erhoben / ich aber in die unterste Hölle verstossen
Als Polyphilus / wegen dieses Wunsches / sich etwas lang aufhielt / und in dem Buch / ferner suchete / auch Macarie / an seinen Augen / die inwendige Veränderung erkennete / trat sie hinzu / fragende /was Polyphilum so bestürtzt mache / und nach dem sie sein Anliegen vernommen / zwang sie die Liebe /zu einer Erbarmung / daß sie sich dem Willen Polyphill nicht entzogen hätte / möchte er nur selber das Hertz fassen / und seinen Wunsch zu Werck richten. Dann so verständig war Macarie wohl / daß sie wuste / ein Kuß könne viel erhalten / viel versöhnen und stillen / aber nichts schaden / darum sie auch deren Bäurischen Grobheit / mancher Weibs-Bilder /sich nicht theilhafftig machen wolte / denen man
Da er nun die Gelegenheit gewonnen / sein Vorhaben gäntzlich zu entdecken / wie er nicht ruhen noch leben könne / wofern er nicht wisse / daß er mit Macarien leben / und bey Macarien ruhen solle / auch
Das ist Einbildung / versetzte Macarie / und ein nichtiger Schertz. Nein / sagte Polyphilus / was andere zeugen / kan bey mir keine Einbildung seyn / und was ich selber erfahren / kan bey andern kein nichtiger Schertz heissen. Darauf Macarie hinwider antwortete: Das ist seine Höflichkeit / ich muß sehen / daß er nur zum Schertzen ist hieher kommen. Aber Polyphilus widerlegte: Wie könte mich meine Höflichkeit in solche Schmertzen versencken? wie könte der Schertz so ernstliche Wort / durch das ächtzende Verlangen meines Hertzens / führen? wie könte ich / ohne noth zwingende Ursach / in einem
Macarie bedanckte sich seiner Gunst / wiewohl sie noch immer bemühet war / auf allerhand Art und Weise seinen Vorsatz zu wenden / biß Talypsidamus und Phormena mit dem Ende ihres Geschwätzes /auch das Gespräch Polypbili mit Macarien endeten /und zu Hause gehen wolten: wie sie auch Abschied nahmen / und morgendes Tages / vor der Abreise /wieder zuzusprechen verhiessen. Phormena war die erste / deren folgte Talypsidamus / Polyphilus beschloß den Reihen / und nachdem er / mit gar sehnlichen / ja bethränten Worten / von Macarien abscheidete / konte sich das erbarmende Hertz
Wie Polyphilo muß zu Sinn gewesen seyn / kan ein jeder leicht gedencken. Nun bist du ja mein / allerschönste Macarie! das war der erste Schluß. Nun liebst du mich ja von Hertzen / allerliebste Macarie! das war der Nachsatz. Und nun bin ich versichert /daß du mir nichts mehr versagen wirst / allerwehrteste Macarie! das war der endliche Trost. Wir wollen Polyphilum selber fragen / wie mächtig die
Nun gehen die beyde / Macarie und Polyphilus / zur Ruhe / dieser zwar / in der Behausung Talypsidami /Macarie aber / in ihrem gewohnlichen Gemach. Was will Polyphilus? schlaffen. Was Macarie: ruhen. Wann sie könten. Freylich wohl! Solte Polyphilum Macarie ruhen: Macarie Polyphilum schlaffen lassen? das wäre wider die Eigenschafft und anklebende Seuch der Liebe. Nein Polyphilus muste erfahren /daß denen Liebenden die Nacht zum Tag / und der Tag zur Nacht werde / so gar kam kein Schlaf in seine Augen. Er sandte die Boten seiner Gedancken zu Macarien / und weil dieselbe / den Befehl Polyphili / für der Thür Macarie / durch offtmaliges Anklopffen und Erinnerung / sorglich verrichteten / konte auch diese /der nächtlichen Ruhe / nicht mächtig werden / indem
Es war noch sehr früh / als Polyphilus wieder zu Macarien kam / die ihn / nach abgelegtem Gruß / als balden fragte / wie er die Nacht geschlaffen? Darauf er antwortete: in der Gesellschafft meiner geliebten Macarien. Deme Macarie widersetzte: wie das seyn könne / da doch sie so weit entschieden gewesen? Das Polyphilus beantwortete: Wann sie gleich / verlangtes Hertz! nun noch so weit von mir gerissen / bin ich doch bey ihr / weil ich mich / nach dem edlesten Theil meiner Vollkommenheit / sehne / der bey ihr wohnet /und in ihrem Hertzen ruhet. So wohl! sprach Macarie / so hab ich / die Warheit zu bekennen / diese Nacht in eurer Gesellschafft gewachet: welche Wort /wie sie einen Kuß verdienet hatten / also wurden sie auch damit bezahlet.
Nicht unbillich solte sich eins wundern / wo Polyphilus so bald ein Hertz genommen / und wie bey Macarien so geschwinde die Liebe erwachsen? Nicht nur der Kuß wurde Polyphilo vergönnt / sondern er dorffte seine Macarien auch wol in seinen Schoß setzen. So viel vermochte der einige Kuß / den er gestern gewaget / daß er ihn billig vor den Stiffter ihrer Freundschafft zu achten. Viel liebliche und schöne Gespräch verführeten sie untereinander / allein so künstlich und freundlich Polyphilus seine Reden drehen mochte / kont er doch das Hertz der beständigen Macarien nicht erweichen / daß sie ihm die Versprechung
Doch was hilffts / und solte ihn auch der Himmel gedrücket haben / muste doch der Wille Phormenä geschehen / die wieder zur Königin eilete. Die Thränen /die Seufftzer / die Klag-Wort / und das Hertzerzwingende ächtzen Polyphili / solte eins gezehlet haben /und das theure Versprechen / seiner Treu und Beständigkeit aufgeschrieben / wir würden Gelegenheit gnug zu wundern überkommen / doch mochte das alles nichts helffen / es muste geschieden seyn. Macarie begleitete ihn / mit ihren Augen / so fern sie konte / aber ihre Seufftzer und Gedancken führeten ihn gar nach Hause / blieben auch / als die treue Geferten / stets um und bey ihm: Deßgleichen thaten auch die Gedancken Polyphili. Wie Polyphilus muß gefahren seyn /kan man leicht gedencken. Je weiter der Schlitten seinen Leib wegführete / je hefftiger sein Hertz wieder zuruck eilete / so gar / daß er nichts redete / nichts gedachte / als von seiner Macarien / die ihm Hertz und Sinne eingenommen.
Beschreibet / wie Agapistus / dem ruckwendenden Polyphilo / entgegen gefahren / ihn zu empfangen /und wie Atychintida / durch die Liebs-Erzehlung der Phormenä / erzürnet / dem Agapisto Befehl ertheilet /Polyphilum von Macarien abzuwenden / auch wie sich Agapistus / in diesem / verhalten? Lehret
Anstoß der Tugend-liebenden / nemlich Mißgunst.
So lassen wir nun Polyphilum in seinen bekümmerten Gedancken fahren / und eilen / vor ihm hin / zum Agapisto / zu sehen / was der machet. Er verbrachte seine Zeit / in der Gesellschafft der Königin / und Erwartung Polyphili. Alle Stund wurden ihm zu lang /weil er Polyphilum nicht sahe / doch vergönnete er ihm gern die Zeit seiner Verweilung / weil er wohl errathen konte / es würde Polyphilo wohl gehen. Er hatte auch von Atychintida / wiewol ungewiß / vernommen / daß Polyphilus Macarien liebe / und stärckete ihn nicht wenig / in dieser Einbildung / seine belobte und beliebte Reden / die er / nie ohne sondern Eyfer / von Macarien geführet. Diese Gedancken beredeten Agapistum / daß er ihm fürnahm / Polyphilo entgegen / und auf Soletten zuzueilen / damit er aus der Gegenwart Polyphili und Macarien erkenne / ob ihm Polyphilus seine Lieb verhälet. Setzete sich derohalben auch zu Schlitten / und nahm den Sohn Melopharmis mit sich / vorgebend / er wolle ein wenig spatzieren fahren. Die Königin war leicht überredt /weil sie ihr nicht einbildete / daß Agapistus auf Soletten zuzufahren entschlossen: Erinnerte doch / daß sich Agapistus wohl in acht nehme / damit er keinen Schaden leide / sonderlich / weil er das verfluchte Pferd (so waren der Königin Wort) wieder angeschirrt /welches so wohl Polyphilum / als eben Agapistum selbsten zu Fall gebracht. Aber Agapistus war etwas verwegen / und wolte heut erweisen / daß er wohl ein Pferd bendigen könne /
Den Kuß / damit sie einander zu empfangen gewohnet / verwehrete die Furcht / es möchten / wenn sie abstiegen / und sich hertzten / die Pferde durchgehen / bevor da das Roß Agapisti erschröcklich schnaubete / und mächtig wütete. Darum Agapistus /den Gruß / mit folgenden Worten erklingen ließ: Glück zu Polyphilo / und Freude seinen Gedancken! deme Polyphilus / die Antwort / mit einem Gegen-Gruß / versetzte. Und Agapistus: was macht Macarie: wie lebt Talypsidamus? Ist Psychitrechis noch gesund? Polyphilus: sie leben alle wol / und lassen Agapistum grüssen / tragen Verlangen / ihn mit nächsten zu sehen. Auch Talypsidamus und Psychitrechis /überschicken Agapisto den schuldigen Danck / vor seine beschehene Hülff und Errettung: wünschen / mit nächsten Gelegenheit zu haben / selbigen gegenwärtig abzulegen / und mit angenehmer Bedienung / zu erwidern. Sind auch sehr bekümmert / daß er / durch ihre Befreyung / in so schwere Bedrangnus gerathen /dafür sie sich ewig verpflichtet bekennen. Denn (das wir jetzt erinnern müssen) es hatte Polyphilus / so bald er zu Talypsidamo / und seiner vertrauten Psychitrechis kommen
Agapistus / nachdem er alles das von Polyphilo vernommen / bedanckte sich des guten Willens / und bekräfftigte den Wunsch / mit seinem Verlangen; das er aber dißmal nicht erfüllen konte / darum er wieder zu ruck / und mit Polyphilo / gen Sophoxenien / fahren muste. So bald sie dahin kommen / und abgestiegen waren / führete Polyphilus Phormenam / die Gesandtin / zur Atychintida / mit schuldigem Gehorsam /die sondere Gnad zu erwidern versprechende / die ihn zu den Führer Phormenœ erwählet. Die Königin konte der Zeit kaum erwarten / daß Polyphilus ausgeredt / alsbald sie anfieng / Polyphilum und Phormenam um Macarien zu fragen / deren Polyphilus antwortete / den Bericht wolle er der Phormena überlassen / die in allem / die Warheit bekennen werde: und damit nahm er Urlaub / und eilete zum Agapisto / der allbereit / in seinem Zimmer / Polyphilum erwartete.
Wir wollen aber erst melden / was Phormena mit der Königin geredt. Der Anfang ihrer Rede / war das Lob Macarie / und das Ende war Wunder. Sie erzehlete alles das / was sich begeben / und wie sie sich /über die Herrlichkeit Macarien / nicht gnug wundern könne. Sie berichtete die verständige Reden / die sie so wohl in weltlichen / als himmlischen Dingen geführet. Sie preisete ihre Höflichkeit und Zucht; auch die Wunder-schöne Sitten /
Diese Rede machte die Königin voller Eyfer / voller Mißgunst; dieses zwar wegen des Ruhms Macarien / jenes aber wegen Polyphili / den sie vielleicht selber gern geliebet hätte. Doch ließ sie sich gegen Phormenam nichtsmercken / beschloß aber / die Verhindernus dieser Liebe / dergestalt zu befördern / daß Polyphilus Macarien nicht mehr sehen solle. Ach! elender Polyphile! soll deine Freud so bald zerstöret /und deine Ruh so zeitig vernichtet werden? Soll Polyphilus Macarien nicht mehr sehen / so muß er sterben: was will Atychintida dann lieben? Solte sie nicht zu frieden seyn / daß er bey ihr wohne / und sich täglich mit ihm erlustigen könne? Aber das war der Neid /welcher solche Wurtzeln / in ihrem verboßtem Sinn /gewonnen / daß er nicht konte ausgerottet werden: wofern er sich nicht selber noch verzehren wird.
Nun wuste Agapistus / was Polyphilum nach Soletten gezogen / deßwegen er sich mit ihm freuete / und nichts mehr wünschete / als daß seinen Wunsch die Götter beseeligen / und durch keine Verhindernus / zu ruck halten wollen. Erbot sich auch willig in allem zu dienen / und dem Polyphilo in seinem Vornehmen /behülfflich zu seyn. Dessen sich Polyphilus bedanckte / und nichts mehr begehrte / als daß er stets mit ihm von Macarien reden wolle / dann er darinnen eine Linderung seiner Pein / und eine Versüssung seiner verbitterten Schmertzen suchete: allein er verstärckete vielmehr seine Noth / und erregte / durch solche betrügliche Freud / dem Hertzen / desto brünstiger Verlangen / das hernach nicht anderst / als in eine hefftige Passion konte verwandelt werden. Gleichwol erwählte er ihm die Erinnerung seiner Macarien / solte auch sein Hertz / vor Verlangen / bersten. Darum Agapistus allerhand Fragen ersinnete / allerhand Liebs-Geschicht erzehlte / und auf Macarien deutete / bloß Polyphilum / den der Schmertzen des grossen Verlusts /in die höchste Bekümmernus / versenckete / zu trösten. Sie blieben auch in dieser angenehmen Unterredung / biß die Königin Agapistum zu sich fordern
Diese / nachdem sie den Gruß Agapisti / mit gnädigem Danck / angenommen / fieng sie folgender Gestalt an: Edler Agapiste! die Aufrichtigkeit eures Gemüths / so ihr uns / in vielen / erwiesen / zwinget mich eurer Verschwiegenheit etwas zu vertrauen / daß ich keinem andern trauen darff. Ich weiß / daß ihr Polyphilum hertzlich liebt / und er ist werth / daß er geliebet werde / darum werdet ihr auch für se ne Wolthat sorgen. Ich vernehme / daß Polyphilus Macarien liebe / und um ihre Gunst zu bitten / diese Reise verrichtet / die er auch unschwer erhalten. Nun sehe ich /und erkenne / daß / wann Polyphilus in diesem Beginnen fort fähret / wird er sich / in diesen noch jungen Jahren / alles Glücks und künfftigen Ehr entziehen. Deßwegen bitte ich euch / durch die Liebe Polyphili /ihr wollet / Krafft dessen / daß ihr viel bey ihm vermöget / sein Glück befördern / und ihn warnen / vor dem künfftigen Unglück: widriges Falls ich gezwungen werde / weil ich schuldig bin / sein Bestes zu befördern / dasselbe mit Gewalt zu verwehren / was mein geneigtes Hertz / mit heimlichen Verbot / widerrathen wollen. Bemuhet euch / Agapiste! so viel ihr könnet / saget aber nicht / daß ich solches gebeten /oder vielmehr befohlen / sondern versuchet eure Kräffte / mit freundlicher Erinnerung / dafern solche auch etwas richten werden / sollet ihr an der reichen Vergeltung nicht zweiflen: besondern euch versichert halten / daß ich diesen Dienst / mit Königlicher Gnade / versetzen werde.
Agapistus konte kaum ein Wort antworten / so erschröckte ihn die Rede der Königin / denn er gedachte
Mit was ergrimmten Eyfer Atychintida diese Vertheidigung Polyphili anhörete / geben folgende Wort gnug zu erkennen / da sie anfieng: So habt ihr euch auch dem Polyphilo verschworen / sein Verderben zu befördern? Wie dörffet ihr euch unterstehen / die Treu / damit ihr euch ihm verbunden bekennet / so hoch gegen mir zu rühmen / die ich doch erfahre / daß sie mehr ein blosser Schein ist / und eine
Was solte Agapistus thun? Er sahe / daß er nichts richten würde / und wurde ihm die Versuchung zu schwer / darum er alsobald bey sich gedachte / er wolle es dem Polyphilo offenbahren / wie es ihm die Königin vertrauet; seyn die Gründe warhafftig / werde Polyphilus sich schon besser besinnen / sey es aber /aus falschem Hertzen / geredt / behalte er doch freyen Willen / zu folgen / oder zu widerstreben: deßwegen versprach er der Königin / weil die Sache so gestaltet wäre / wolle er freylich alles versuchen / was zu Verbesserung seines Vornehmens taugen würde. Bat auch um gnädige Verzeihung / daß er sich vorher so widerwillig erzeiget / weil solches die schuldige Pflicht / so ihn Polyphilo verbunden / erheischet. Nach dem redeten sie ferner von andern Begebenheiten / die wir hie nicht erzehlen wollen / sondern sehen / was indessen Polyphilus in seinem Zimmer gethan.
Beschreibet die Erinnerung Polyphili an die Reden seiner Macarien / und deren Bereimung / die ihre Lehr-Puncten selbsten erklären.
Kaum war dieses geendet / als sich sein Hertz / der Antwort erinnerte / da sie sprach: das ist seine Höfflichkeit / ich sehe / daß er / nur zum schertzen / ist hieher kommen: darüber er folgende Wort führete:
Der Schluß dieses vorigen machte dem folgenden den Anfang / weil ihm auch die Wort beyfielen / daß sie gesagt: Er müste mich dauren / wann er sich so verstecken solt: welches er mit solchen Worten widerlegte:
Kaum war auch dieses verfertiget / als er sich erinnerte / daß sie ihn um ein Leich-Oden ersuchet / wenn sie sterben werde: welche Bitte er folgender Gestalt verehrete:
Es verführete aber endlich sein Gemüth / von den Todes-Gedancken / der Vorsatz ihrer Einsamkeit /welchen sie so offtmals wiederholet / daß Polyphilus auch die Wort behalten / damit sie denselben bewähret / welche er ihm in folgende Reim-Schlüsse zu versetzen gefallen ließ / beneben dem / dabey folgenden /Gegen-Satz. Und weil sich die Reim Art / zu einem Gesang / nicht übel gleichete / ließ er / nachmals /vorgesetzte Sing-Weise / darzu verfertigen. So lautet aber beydes:
Beschreibet den ereyferten Grimm Polyphili /welchen die Erzehlung Agapisti / von dem / was er mit der Königin geredt / verursachet / und wie er darum von Melopharmis gestrafft / denselben / vor der Königin / verborgen hält: Lehret den fünfften Anstoß der Tugend-Verliebten / die Widerwertigkeit: gibt auch andere Zorn-Straffen.
Nun kommet Agapistus zum Polyphilo / von der Königin. Was wird Polyphilus sagen / wann er die angenehme Botschafft vernimmt. Was will die Königin /fragte er alsobald / daß sie Agapistum allein kommen heissen? Agapistus beförchtete sich der Antwort / und glaube ich noch einmal / er wäre lieber in seine Wildnus wieder geschiffet / als daß er den Grimm Polyphili sehen solle. Doch weil er sahe / daß er nicht ohne Nachtheil Polyphili könte verhälet werden / war er auf Art und Weise bedacht / wie er seine Reden so herum führen möchte / daß Polyphilus begütiget bleibe. Der Ursachen
Was die Königin mit mir geredt / habe ich Polyphilo so fern erzehlet / als ich weiß / daß es seine Freud nicht ertödten / und seinen Frieden nicht zerstören wird. Was aber das jenige betrifft / so ich erkannte /seinem Wunsch verhinderlich zu seyn / habe ich / seiner zu schonen / nicht erzehlen wollen. Wolte auch Gott! Edler Polyphile; wolte Gott! daß ich die Ruhe eures Verlangens damit nicht zerstören solte / ich wolte es in der Verschwiegenheit / meines Wissens /so verwahren / daß es mit der Vergessenheit versiegelt bliebe. Ich bin gewiß / daß / so ich das Wort werde ergehen lassen / daß die Königin euch den Zutritt zu Macarien verwehren will / ihr mit vollem Grimm auffahren / und eurer vergessen werdet.
Kaum war das Wort gesprochen / als es schon erfüllet war. Wer? fieng Polyphilus an / die Königin? was wil sie verwehren? den Zutritt zu Macarien? Und mir will sies verwehren? Ey daß die Königin sehe /wie ich ihrer Gnad nicht bedörffe / will ich noch heute wiederkehren / woher ich kommen bin. Ach! allerliebste Macarie! solte ich nicht zu dir gehen? wolt ich doch lieber König und Königin verfluchen. Gehet hin / Agapiste! sagt der Alten / daß ich nichts nach ihrer Gunst frage / morgen soll sie mich bey Macarien wissen. Hab ich nicht so viel um sie verdienet / daß sie mir ein Pferd gebe / kan ich zu Fuß gehen / und brauch ich nicht ihrer Hülffe. Ist das mein Danck / du undanckbares Weib! ist das die Versprechung deiner Hülff in allem? Du
Melopharmis ließ gerne Polyphilum etwas ereyfert werden / damit die gar zu grosse Brunst der Liebe /gegen Macarien / dadurch geleschet würde / und da er / vor Zorn / nicht mehr reden konte / fieng sie an: Erzürnter Polyphile! wie kan sich die Gluth eurer Liebe so bald in ein Feuer des Zorns verkehren / dadurch ihr offenbahr beweiset / daß die Liebende geneigter zum Streit als Frieden sind. Indem ich aber die Ursachen besinne / so die Königin bewogen / euren Begierden ein rühmliches Ziel zu setzen / kan ich euch / wegen des verdienten Zorns / nicht gar Ungestrafft ausgehen lassen. Erkennet selber / wie ihr euch eure erhitzte Liebe verführen lasset / indem ihr die höchste Gutthat dem Undanck gleichen / und einer Falschheit beschuldigen wollet / welches so sträfflich / als ungerecht wird erkannt werden. Atychintidoe Schluß gehet auf die Vermehrung eurer Ehre und Kunst / dadurch ihr noch künfftig zum grossen
Wie viel hat Polyphilus zu beantworten / wieviel zu verschmertzen? Was soll er thun? Die Gunst Melopharmis / war ihm gleichwohl ein grosser Trost / in seinem Leiden. Aber das zornige Hertz war noch nicht gar / gegen Atychintida / gestillet / darum er Melopharmis bat / sie möge ihn bey derselben entschuldigen / daß er nicht zur Tafel komme / dann ihm unmüglich sey / sie alsobald freundlich anzusehen. Agapistus könne indessen / die Antwort
Das versprach Melopharmis / doch mit der Erinnerung / daß er seinen Grimm legen / und sich trösten soll / mit den Gedancken / als hätte es der vorsehende Himmel / zu seiner bessern Befriedigung / also gefüget / mit dessen Schluß er vergnügt seyn solle.
Nach diesem / gehet Agapistus mit Melopharmis /zur Tafel / und als die Königin Polyphilum nicht stehet / fürchtet sie alsobald desselben Zorn / der ihr aber vom Agapisto / durch die Antwort Polyphili widerlegt / und von Melopharmis / mit der Ausrede /seiner üblen Befindung / benommen wurde. So bald Atychintida vernahm / daß er sich / wegen der Reise /nicht wohl befinde / fieng sie an / das ist die erste Frucht / die er von der Liebe Macarien brechen kan /es werden deren etwa mehr erwachsen. Welche bönische Wort Agapistum dermassen erzürnten / daß er ohne Ansehen ihrer Königlichen Würden / sie vor männiglich straffte / in dem sie dem guten Polyphilo Unrecht thue / weil er besser wisse / wie er mit Macarien stehe. Deßgleichen thut auch Melopharmis. Und Phormena / nach dem sie merckete / daß die Königin sich auf ihre Wort gründe / fieng sie an / dieselbe so zu verdrehen / daß Atychintida bald schweigen muste. Deßwegen sie andere Gespräch erwähleten / die angenehmer dann diese zu hören und zu beantworten.
Wir kommen aber wieder zum Polyphilo / der sich mit tausend Gedancken schlägt / in dem er bald nach Macarien seufftzet / bald auf die Königin fluchet.
In der höchsten Betrübnus / muste Polyphilus heimlich lachen / dann ihn nicht wenig erfreuete / daß er die Königin so eigentlich beschrieben: wiewohl er / in vielem / seinem Eyfer zu viel nachgegeben. Mehr als zehenmal / lase er das Gedicht durch / und tröstete sich mit demselben / als der Rache wider die Königin / wie sehr: biß Agapistus / von der Tafel wiederkehrend / ihn eben / mit lachendem Munde / ersiehet /und als der das Gedicht vernimmt / gleich sehr
Beschreibet den Gruß Polyphili / an Macarien /durch ein Brieflein geschehen / und die verwaigerte Antwort / die Agapistum / mit einem andern Gruß-Brief / an Macarien / begleitet / auf Soletten ziehet / dessen vergebliche Wiederkunfft Polyphilum erzürnet / der aber wieder begütiget / den dritten Brief / an
Macarien abgehen heisset:
Da nun etzliche Tage vorbey gestrichen / und sich das Verlangen Polyphili / nach Macarien / nicht länger halten ließ / fragt er Melopharmis um Raht / ob sie ihn nicht zu ihr helffen könne: welche berichtet / daß er sein Verderben fordere / weil es noch zur Zeit unmuglich / ohne seinen Nachtheil / zu geschehen. Doch wolle sie ihm den Rath geben / sein Verlangen zu beruhigen / und seine Schmertzen zu verbinden / daß er ein Brieflein an sie abfertige / darauf / so er Antwort erhalten werde / wie sie dann nicht zweifsele / könne er dieselbe / zum mächtigen Trost / in all seiner Widerwertigkeit behalten / als die er ihm / an statt der schönen Augen / und lebendigen Wort / einbilden könne. Der Anschlag gefiel Polyphilo nicht übel /deßwegen er sich niedersetzte / und folgenden Gruß an Macarien abgehen ließ:
Schönste und Liebste!
Wann ich / im gegenwärtigen Beginnen / mein Vertrauen / nicht mehr auf dero Höflichkeit / und meine /ihr allbereit entdeckte / Treu / als auf eigene Würde /setzen wolte; hätte ich länger Bedencken getragen /mit diesen / wie wenigen / also unwürdigen Worten /dero beliebten Einsamkeit zu verhindern
Eines / durch ihre Gnad / Lebenden;
durch ihre Ungnad aber / sterbenden Liebhabers.
Wie offt und lang künstelte der verwirrete Polyphilus an dieser Verfertigung / ehe er sie verfertigte? Alle Wort waren ihm zu schlecht / und alle Bewegung zu ungültig. Es gieng ihm eben / wie es erhitzten Gemüthern zu gehen pflegt / daß / da sie am spitzfindigsten reden oder schreiben wollen / müssen sie / über ein gestumpfft Gedächtnus / und verruckten Verstand / klagen: Da sie anderwerts / wann ihre Sinnen freyen Lauf behalten / noch so schön und herrlich schreiben können / obwohl nichts daran gelegen. Ach! wünschete Polyphilus / daß ich all meinen Verstand /so wenig oder viel dessen
Denn da er den verschlossenen Brief / durch Hülfse Melopharmis / der Macarien zugesand / und selbige /aus dem äusserlichen Glantz / den Innhalt dessen leicht ermessen konte / scheuete sie sich denselben zu eröffnen / vielmehr zu beantworten: Deßwegen sie ihn verschlossen niederleget / willens / so Polyphilus ihrer Gegenwart wieder geniessen werde / wieder zu geben / was ihr zu entbrechen nicht gebühre.
Hat einmal Macarie / ihren trefflichen Verstand im Werck erwiesen / so ists / in Warheit! hierinn geschehen: und wäre zu wünschen / daß alle Weibsbilder so vorsichtig wandelten: allein es gibt deren nicht viel /die sich Macarien gleichen. Das waren die Gedancken der verständigen Macarien ohne Zweifel wird diese Schrifft voller Liebes-Begierde stecken, die dich entzünden könte. Oder es wird eine
Die Entschliessung war aller gut: aber das solte eins noch fragen: wo die Liebe Macarien bleibe? Es solte eins dencken / weil sie / vor dem / Polyphilo / so offtmalige Zeichen einer erhitzten Brunst erwiesen /es hätten sie dieselbe gezwungen / das Brieflein begierig zu erbrechen. Oder ists ein falscher Schein gewesen / was sie in Gegenwart Polyphili gethan? Oder hat sie sich nach dem geändert. Diß letzte wird die Warheit treffen. Denn die ungleiche Reden / so die letzte Besuchung Polyphili und Phormenœ verursachet / auch der kümmerenden Macarien alsobald hinterbracht worden / bestritten ihr Hertz dermassen /daß sie wünschete / Polyphilus hätte Soletten nicht wieder gesehen. Und weil ihr der Ruhm
Was thut aber Polyphilus: Der erwartet / mit sehnlichem Verlangen / das jenige / was er doch nicht erwarten konte. So offt Melopharmis die Thür an seinem Gemach eröffnete / gedachte er / jetzt kommt eine Antwort von Macarien: aber vergebens. Auch tröstete ihn Agapistus immerfort / mit guter Hoffnung / die doch vergeblich war. Drey gantzer Wochen strichen dahin / und hatte Polyphilus gleichwol keine Antwort / darum er nicht anderst dencken konte / als Macarie müsse sich gewendet haben. Wiewohl ihm die Ersinnung der Ursachen offtermals den Hochmuth Macarien vorlegte / und den Verzug dieser Antwort /oder vielmehr die Verwaigerung / zur Verachtung seiner Unwürdigkeit deuten wolte. Wiederum fiel ihm bey der Vorsatz ihrer Einsamkeit / dem sie zu viel gehorsame. Doch war das alles / und ein jedes / daran ihn seine betrübte Sinnen erinnerten / Ursach genug /daß er glauben muste / Macarie hätte seiner vergessen / und wolle ihn gar verlassen. Deßwegen er / mit so beweglich en
Was wird dann endlich draus / soll Polyphilus alle Hoffnung / so er auf die Antwort Macarien gegründet / umwerffen / und alles Vertrauen ablegen?
Melopharmis billichte ingleichen den Anschlag Agapisti / allein zweyerley war Noth zu erinnern: Erstlich / die Furcht / daß die Königin / wann sie Agapistum auf Soletten gereiset wüste / würde alsbald der Argwohn ihr Hertz verführen / Polyphilus habe ihn abgesandt / an Macarien. Hernach war auch das zu bedencken / daß Macarie Agapistum nicht kenne von Angesicht / deßwegen es geschehen könne / daß sie ihn nicht vor Agapistum halte / auch nicht in allem traue / ob sie gleich wisse / daß Agapistus des Polyphili / mehr / als Brüderlicher Freund sey. Die Erinnerungen waren zwar nützlich und nöthig; bevor / weil Agapistus seine Gesandschafft heimlich und eilig verrichten wolte / deßwegen er vor dißmal das Auge Talypsidami / welcher sonst von dieser Person hätte zeugen können / zu fliehen gedachte / als der ihn nicht nur aufhalten / besondern auch
Dann auf das erste versetzte Agapistus / daß er seinen Weg auf Agmenpo / auch einer Insul an dem Peneus-Fluß / nehmen wolle / und von dannen auf Soletten / welches er gleichwol der Königin nicht bedeuten dörffe; Auf dieses versprach Polyphilus / den Agapistum / mit einer nochmaligen Schrifft / an Macarien /abzufertigen. Das alles gefiel Melopharmis sehr wol /sonderlich wegen Agapisti / der keinen bequemern Fund erdencken können / weiln Agmenpo / gerad gegen Soletten über / gleicher weite von dem Schloß lag; auch er / über das / daselbsten Befreunde hatte /die zu besuchen / den Abzug Agapisti / bey der Königin / leicht entschuldigen würden.
Es blieb bey dem Schluß; Melopharmis muste bey der Königin Erlaubnus einholen; Agapistus rüstete sich zur Reise / und Polyphilus verfertigte folgendes Brieflein / mehr aus Betrübnus / als Bedacht:
Wiewohl ich Zeithero / mit schmertzlichem Verlangen / einige Antwort / auf mein jüngst überschicktes Brieflein / erwartet: hab ich doch / biß daher / solcher hochbegehrten Glückseligkeit nicht geniessen können. Wann ich mir demnach leicht einbilden kan / es werde sie / ihre gebührende Scham / von diesem abgehalten haben / was das getreue Hertz / ehe zu vollbringen beschlossen: Agapistum / dessen Aufrichtigkeit / ich nicht durch Wort / sondern diese Gesandtschafft / bewähren will / mit diesem Brieflein /in solcher Eile / an sie abgefertiget / zwinget mich die nöthige Vorsorg / so ich billich trage / wegen der Furcht / die mir / biß daher / die Ursach ihres Stillschweigens / mit dem Mangel des Uberträgers / vorgelegt: deren zu wehren / ich selbsten Agapistum senden wollen / welchem alle Heimlichkeit so wol zu eröffnen und zu trauen / als wann ich selbsten zugegen wäre. Wird sie ihm demnach / verlangtes Hertz! nichts verhalten / sondern mit einem einigen Wort /da ich ja nicht mehr verdienen solte / ihrer Liebe und Gewogenheit mich / durch ihn / versichern / und in derselben so beständig verharren / als ich mich freywillig verschreibe /
Deroselben
Einig und ewig-getreuen
Polyphilum.
Ach aber! wie wurde das Hertz der schönen Macarien erschröckt / die Bescheidenheit gab ihr zwar Befehl / den Brief zu erbrechen / aber mit was Widerwillen sie denselben gelesen / gibt folgende Antwort
Was Agapistus gedacht / wie er erschrocken / ja! wohl gar ergrimmet / kan ich nicht sagen. Man wirds erkennen / wann man seine zweiffelhaffte Entschliessung ansiehet / und die wanckende Furcht / darinnen sein Hertz geängstet wurde. Er wuste nicht / wem er glauben solte: trauete er den Erzehlungen Polyphili /so konte er nicht anderst schliessen / als Macarie spotte seiner: solte er denn dem ernsthafften Gespräch der Macarien Glauben geben / müste er zugleich glauben / Polyphilus hätte ihn mit Unwarheit berichtet. Gleichwol gedachte er hinwieder / Polyphilus würde verständiger seyn / als daß er solche Brief schreiben solte / wann er nicht zuvor gewiß wäre / daß sie angenehm seyn würden: allein / er gedachte nicht dabey /daß Polyphilus aus Verführung der Liebes-Schmertzen geschrieben. Er wuste nicht / wie er antworten solte / ohne daß er die Schmertzen Polyphili bewährete / und wie diese Briefe keine andere Hände / als der schönen Macarien forderten / in deren Liebe Polyphilus beharren werde / biß ans Ende.
Agapistus wunderte sich über die verständige Antwort Macarien / und in Warheit! wäre er nicht Polyphili so gehertzter Freund gewesen / daß er sich der Untreu schämen müssen / hätte er selbsten Macarien /das allzuschöne Bild / lieben müssen: wie er auch hernach selber / dem Polyphilo / frey willig bekannte. Sie spielte mit ihren Augen so züchtig / daß er ihre Keuschheit / in seinem Hertzen / preisen muste; sie beröthete ihre Wangen / so offt sie das Wort der Liebe nennete / mit gleichsam solcher heimlichen Entsetzung / daß er / aus der furchtsamen Red / die innerliche Bewegung der Schamhafftigkeit / gantz offenbahr zu vernehmen hatte. Die gantze Gestalt und Beschaffenheit ihres zarten Gesichts / dann die höfliche Bewegung ihrer Glieder / zusamt den freundlichen Geberden / konte Agapistum / auf keine andere Gedancken führen / dann diese / du bist ja freylich
Nun wundert mich nicht mehr / warum dich Polyphilus so hertzlich liebe / weil du gebohren bist /durch deine Schönheit / und den Glantz deiner Tugenden / aller Hertzen zu gewinnen. Es betrübet mich nur / daß eine so unerweichende Härtigkeit deine Tugend begleitet / die sich mehr der widersetzlichen Halßstarrigkeit / als der Beständigkeit / meines Erachtens / gleichet. Ach! was soll ich dann Polyphilo für einen Trost mitbringen / soll ich eben die unglückhaffte Botschafft verrichten / die feine Seele tödten wird. Will sie dann / liebreiche Macarie! ihrer Barmhertzigkeit so gar vergessen / und Polyphilum den besten / ihrer und meiner Freunde / so gantz hülffloß lassen? Das war der Gegen-Satz Agapisti auf die Rede Macarien: deme sie aber wieder versetzte: Dafern Polyphilus eine solche Bitte / oder vielmehr Begehrn / an mich ergehen lässet / daß meinem Vorsatz der Einsamkeit nicht zuwider / auch mir müglich zu thun ist / soll er an meiner Folge und Gewehrung nicht zweiffeln. Da ich auch wüste / daß es nicht blosse Höflichkeit wäre / damit er in seinem Brieflein /nur ein einig Wort begehret / ihn meiner Gewogenheit / durch euch / zu versichern / wolt ich euch bitten / die Mühe anzunehmen / ihm einen schönen Gruß / von Macarien / zu verkünden / auch dabey meiner Gewogenheit / so weit selbige eine Ehrenvergönnte Freundschafft zulässet / versichern: aber eine Liebe von mir zu begehren / wird er / Krafft seines bessern Verstands / sich nicht erkühnen / wird auch mir / dieselbe zu versprechen / eine grosse Vermessenheit seyn / als die ich in einer solchen Bedingung lebe /
Wann der Briefe tausend wären / antwortete Agapistus / würde ich mirs vor eine grosse Ehre bekennen /wann ich in dem Dienst Macarien mich bemühen dörffte; allein dieses grossen Unglücks überhebe mich dißmal die Höflichkeit deren / der ich / in andern Fällen / schuldig zu gehorsamen bin / dann ich mit diesem Brief Polyphilum ertödten würde. Auch bitte ich /bey der Gnade Macarien / sie wolle des Lebens Polyphili zu schonen / diese unselige Schrifft / wo nicht entbrechen / und beantworten / doch verschlossen bey ihr ruhen lassen / und dem / darüber sterbenden Polyphilo / nicht zuruck schicken: will sie anderst nicht die allzufrühe Zeitung / seines schmertzhafften Todes / mit Leid / erfahren. Ich will sehen / dafern ja Polyphilus keine Gnad mehr erlangen kan / daß ich ihn / von der Lieb Macarien abwende / oder sonsten befriedige. Das könt ihr thun / versetzte Macarie /eurer Bitte will ich noch dißmal folgen; und damit schied er von ihr.
Was wird nun Polyphilus sagen / wann er vom Agapisto / die widerwillige Antwort Macarien / vernimmt? Sein Hertz wird vor Trauren / in seinem ermüdetem Leibe / verschmachten / und seine Seele /aller Freude / in Ewigkeit absterben. Ja! so wäre es allerdings ergangen / wann nicht Agapistus ein so kluger Bote gewesen / der seine Reden / mehr nach
Agapistus trauete dem Wort Polyphili / und fieng an / ihm alles zu erzehlen / doch so / daß er sich erst bemühete / das Hertz Polyphili von Macarien abzuwenden / deßwegen er ihn erinnerte / er solle die Großmütigkeit seines Hertzens anheut / in Verachtung deren / die ihn mit gefärbter Gunst / mehr zu schimpffen als zu beehren suche / zu seinem bessern Ruhm / erweisen / und seine Freyheit / die er billich von der ersten Erkantnus an / biß daher / in seinem Sinn / vor den herrlichsten Schatz seiner Glückseligkeit verehret / nicht um solche nichtige Bezahlung verkauffen: sondern gedencken / daß rühmlicher /auch der Tugend / die sich nicht unterdrucken
Das alles aber / obs theils Agapistus / wider besser Wissen / theils wider die Warheit / und den bessern Laut der Wort Macarie / redete / that ers dennoch /bloß Polyphilum von Macarien abzuwenden / weil er derselben Reden / alle vor Warheit und Ernst angesehen / darinnen er aber weit fehlete. Was antwortete nun Polyphilus? Ich weiß nicht / soll ich sagen / die vollkommene Kunst und gelehrte Zunge / oder der Schrecken / oder der erzürnte Grimm seines eyfrenden Hertzens / stieß nachgesetzte Wort / in gebundener Rede / aber mit solcher Grausamkeit / zu seinem Munde heraus / daß sich Agapistus darüber entsetzte /und auf gelindere Wort gedachte / ihn wieder zu befriedigen. Ich gebe dißmal dem Zorn den
Jetzt sehe eins das erzürnte Hertz Polyphili an / und frage / wo ist die Liebe blieben? Haben wir kein Exempel / daß der Zorn / der nächste Geferte sey / bey der Liebe / so haben wirs am Polyphilo. Aber wie ists müglich / daß die erhitzte Gluth / der feurigen Liene /in eine solche Zorn-Brunst ausschlage; die liebreiche Freundschafft / in eine so verhässige Feindschafft? Ist dann die Gluth der Liebe und des Zorns eins? So scheints fast wahr zu seyn. Und müssen wir hie lernen / daß kein hefftiger Grimm zu erdencken sey / als wann die beste Freunde / uneins werden / denn da schlögt / immer fort / die glimmende Erinnerung /aller deren Gutthaten / und erzeigten Freundlichkeit /in eine helle Lohe aus / die so starck und erhitzt drennet / daß sie nimmer zu leschen.
Melopharmis sahe den gantzen Handel stillschweigend an / weil sie aber der schmertzhafften Bewegung Polyphili nicht länger zusehen konte: suchte sie Polyphilum zu trösten / mit dem Rath / (weil sie in gleichen Gedancken stund / wegen der Vorsichtigkeit Macarien /) Polyphilus solle Gelegenheit suchen / selber zu ihr zu kommen / alsdann er seiner Sachen könne gewiß werden. Diese Wort trösteten Polyphilum mehr / als tausend andere / die auf Hoffnung und Gedult möchten gestellet seyn / so gar / daß er alles Leids vergessend / nur darauf bedacht war / wie er /wider Wissen der Königin / auf Soletten gelange. Er dachte hin und her / konte aber nichts erdencken; biß etliche Wochen hernach / weil sich sonst keine Gelegenheit ereignete / Agapistus das beste that / der einen Brieff / von seinen Befreunden / zu Agmenpo überkommen / daß er eilig daselbst erscheinen sollte. Es war nunmehr wieder um die Zeit / daß sich Felder und Wälder aufs neue begrünten / welches die lustigste Zeit des Jahrs ist / daher Polyphilus Ursach nahm /dem Agapisto auf Agmenpo das Geleit zu geben / um ein wenig die erstorbene Glieder / so gleichsam durch den Winter vergraben
Es begleite / wer wolle / sie ritten miteinander / und da sie hinkamen / zu den Befremden Agapisti / wurden sie beyde / sonderlich Polyphilus / weil er fremd war / aufs schönste empfangen / und Gast-frey bedienet / so gar / daß ereinen wenigen Verzug annehmen muste / wie sehr ihn auch nach Macarien verlangte. Doch verrichtete Agapistus seine Geschäffte / so schleunig er mochte / und eilete / nach abgelegter Dancksagung / mit Polyphilo / von seinen Freunden /auf Macarien zu. So bald Polyphilus sein Pferd erstiegen / freuete sich schon das Hertz / wegen der nun künfftigen Beschauung / seiner so langverlangten Macarien / deßwegen auch / selbsten das Pferd / hurtiger und kühner springen muste / daß er damals ritte. Es war eben das hinwieder / welches ihn / vor dem / von dem Schlitten geworffen / und solte eins wohl gedencken / Polyphilus hätte bey demselben kein Glück haben sollen. Denn da er auf Soletten kam / war Macarie nicht da / der erste Ritt war zum Talypsidamo /durch dessen Schiff er eingeholet wurde / und nachdem er vernahm / wie vor einer kleinen Weile Macarie ans Ufer gefahren / sich mit einen frölichen Spat zier-Gang zu ergötzen / ließ er sich auch gleich übersetzen / und nachdem er dem Schiffmann Gebot geben / allda zu verharren / ritte er / mit vollem Sporen-Streich / den Weg hinan / welchen Macarie solt gesuchet haben. Agapistus etzte ihm / mit gleicher Hitze / nach: beyde aber funten
Aber dißmal hatte ihm das Sonnen-Liecht / die Gegenwart Macarien / nicht gegönnet / weil diese zu lang ausblieb / jene aber ihre Strahlen zuruck zog /und die nächtliche Finsternus drohete. Daher Polyphilus gezwungen / dem Talypsidamo einen Gruß an Macarien zu befehlen / welchen er auch gehorsamlich abzulegen versprach. Und weil Polyphilus unverrichteter Sache wieder fortreiten musie / kan eins leicht gedencken / mit was Betrübnus er geritten. Ich sage: unverrichteter Sache; dann
Was halff aber Tichten und Sinnen / da das Werck nicht tröstete? Der Verlust seiner Macarien / so ihm der Verzug drohete / führete ihn zum andernmahl auf Soletten: aber mit gleichem Unglück / denn damals war Macarie / gar an einen andern Ort / verreiset: da er aber zum drittenmal vergeblich ritte / (welche Reisen weitläufftiger zu beschreiben
Talypsidamus war immerfort ein getreuer Besucher Polyphili / so offt er gen Soletten gelangete / der ihn aber allezeit / mit vergeblichem Trost / abspeisete. Da sie nun wieder zu Pferde waren / (dann Agapistus war dißmal wieder bey ihm) fieng Talypsidamus an / wie er einen Klöpper habe / der dem Polyphilo nicht übel anstehen würde / dafern es ihm beliebe solchen zu sehen / stehe er zu seinen Diensten. Polyphilus bedanckte sich dessen vor dißmal / versprach aber /daher Ursach zu nehmen / wann ihm die Zeit bessern Raum gestatte / nochmaln zuzusprechen / und damit machten sie sich wieder auf Sophoxenien zu. So bald Polyphilus in sein Zimmer kam / setzte er sich / seine dreyfache vergebliche Reiß mit Reimen zu beklagen /und mit einem Trauer-Liedlein zu besingen / folgendes Thons:
Eben war das Gedicht verfertiget / als die Königin Polyphilum holen ließ / um zu vernehmen / wo er mit Agapisto hingeritten wäre: weil sie wider ihr Urlaub abgeschieden. Deren Polyphilus antwortete / daß sie durch den Wald spatzieret / auf das nächste Dorff /allda sie vernommen / daß ein schönes Roß zu verkauffen sey / welches sie besehen wollen / hätten aber den Verkauffer verfehlet. Die Königin glaubte das alsbalden / und vermeldet / wie sie gesinnet / eins zu erkauffen / dafern sie was gutes antreffen könte. Dessen Polyphilus erfreuet / alsbald verspricht / seinen Diener / morgendes Tages / abzuschicken / und das Pferd der Königin vorzureiten: welches sie bewilliget. Indessen Polyphilus noch andere Gespräch mit der Königin wählet / kommt Agapistus uber vorgesetztes Lied / welches Polyphilus auf dem Tisch liegen lassen / und setzte ihm / zu einem vergeblichen Trost /und nichtiger Freude / diesen Gegen-Satz:
Der Schertz gefiel Polyphilo sehr wohl / so gar / daß ers zu einem guten Zeichen deutete: mehr aber erfreuete ihn / daß er die Königin / zu seinem Nutzen /mit Warheit betrogen hatte / dann er gedachte: jetzt kan ich meinem Diener / der mir in allem getreu ist /einen Brief auf Soletten / an Macarien mitgeben / den ich so stellen will / daß sie mir entweder antworten muß / oder / durch verwaigerte Antwort / ihren Widerwillen öffentlich bekennen.
Wie der Rath beschlossen / so gieng das Werck von statten / Polyphilus verfertigte nachgesetzten Brief / und schickete Servetum (so hieß der Diener) unwissend der Königin / zusamt Melopharmis und Agapisto / damit auf Soletten zu / gab ihm auch von allem Bericht / daß er nicht fehlen konte. Der Brief lautete also:
Kunst- und Tugendreiche Macarie!
Mit was Betrübnus ich gestern / ohne ihr Besprechen / durchgeritten; und mit was Schmertzen / ich jüngsthin / von Agapisto / dem Getreuesten meiner Getreuen / die schimpffliche Verachtung / meiner wohlgemeinten Schrifft vernommen: kan sie selber leicht erachten / wofern sie einmal so unglück
Beschreibet die Beantwortung der Macarien / auf die Briefe Polyphili / und dessen Verwirrung / über die versteckte Wort / auch wie listig er dieselbe wieder beantwortet: Lehret / daß Tugend-Erwerbung / auch bißweilen / eine verführende List zulassen / wann die offne Warheit schädlich oder gefährlich scheinet.
Drey Briefe auf einmal zu beantworten / ist fast schwer: schwerer aber die Entschliessung / ob sie zu beantworten seyn. Den Gegen-Rath bewähret die Einsamkeit / zusamt der tragenden Furcht / es möchte sie ihre Hand binden: Die Ja-Wahl erzwinget gleichsam /im Gegentheil /
Ob ich wohl wenig Ursachen gehabt / eure überschickte Brieflein zu erbrechen / in Betrachtung / daß derselben Uberschrifft / allein die Hände seiner Liebsten gefordert / mir aber selbige beyzulegen / die grösseste Vermessenheit wäre: so hab ich mich doch /durch diesen letzten bewogen / endlich solche zu öffnen unterwunden / und mit diesen wenigen Zeilen / zu beantworten erkühnet. Aus derselben Inhalt nun /habe ich euer / ohne Noth / verunruhigtes Gemüth /mit gleichmässiger Verwirrung / verstanden / oder vielmehr gelesen / weil ich eure Bewegung / und derselben Ursachen / mit meiner schwachen Vernunfft / nicht erreichen kan. Dann / edler Polyphile! mit welchem Recht / nennet ihr mich eure Allerliebste / euren Schatz / eure Polyphile! würdet ihr nicht das grösseste Unrecht an Polyphile! bey mir nicht zu fürchten / welche mir alleine gebühret / sondern ich ehre euren Verstand und Verdienst /wie sie es würdig sind: aber einen Liebsten zu erwählen / ausser dem jenigen / dessen Asche allbereit sanft ruhet / sein Gedächtnus aber / so beständig / in meinem Hertzen / lebet / als die Seele der himmlischen Freude geniesset / würde nicht allein allen meinen Gedancken / welche jederzeit dem Grab näher / alsdem Braut-Bett gewesen / sondern auch meinem Vorsatz /der steten Einsamkeit / allerdings entgegen lauffen /und einem Laster am allergleichesten seyn. Derowegen bitte ich euch sehr hoch und freundlich / ihr wollet eure Gedancken auf einen vollkommenern und glückseligern Ort richten / mir aber diese einsame Ruhe / neben eurer Freundschafft / erlauben / auch meiner künfftig / mit solchen Brieflein / die seiner Liebsten höchstnachtheilig / und zu allerhand müssigen und gefährlichen Reden Ursach geben / verschonen: dann widriges Falls / wo ihr in eurem Vornehmen verharren / und meinen Vorsatz
beständige Freundin:
Macarie.
Was wird Polyphilus in diesem Brief zu erst verwundern / was wird er rühmen / die Zierlichkeit der Rede /oder die künstliche Verfassung? Wer / biß daher /nicht glauben wollen / daß in Macarien mehr als weibliche Kunst und Klugheit / ja! männlicher und übermännlicher Verstand sey / der nehme die Prob von dieser Schrifft. Wir wollen aber sehen / was Polyphilus thut. Eben war er mit der Königin im Vorhof /als Servetus das Pferd brachte / welches Polyphilus vorreiten ließ: weil es ihr aber nicht gefallen wolte /ertheilte sie Befehl / dasselbe zu füttern / und wiederum fort zu schicken. Indessen hatte Servetus dem Polyphilo ein Zeichen gegeben / als hätte er heimlich mit ihm zu reden / deßwegen er die Königin in ihr Zimmer begleitete / und eilig widerkehrte / um zu vernehmen / was Macarie gesagt habe. Servetus richtete den anbefohlenen Gruß aus / und überreichte den Brief.
Nun solte eines die Freud-jauchzende Geberden /und das springende Hertz Polyphili ansehen / würde
Nun lieset Polyphilus den Brief durch. Wunder /Schrecken / Freude / Betrübnus / Hoffnung / Verlangen / Trost und Bestürtzung / überfällt Polyphilum /in solcher Menge / daß er bald zur Erden sincket. Wunder verursachete die verständige Schrifft; Schrecken / der Abschlag; Freude / die begehrte Freundschafft; Hoffnung / die zweiffelhaffte Erklärung; Verlangen / die Ungewißheit der Liebe; Trost / die Versprechung beständiger Gewogenheit; Bestürtzung
Freylich muste er zu frieden seyn / und wäre zu wünschen gewest / daß nicht noch verkehrtere Betrübung /
Damit fassete er den Brieff wieder an / und laß ihn
Der Anschlag war gut / und gefiel Polyphilo / zusammt Agapisto sehr wohl: wie er auch hinzu setzte: wann Polyphilus klagen wolte / daß sie ihn
Beständige Freundin!
Derselben höchst-verständige Erinnerung / hab ich /schuldiger Gebühr nach / und zwar nicht ohne besondere Vergnügung alles meines Verlangens / angenommen: weiln ich allerdings zufrieden / und frohes Hertzens seyn kan / indem ich dessen vergewissert lebe /daß mich dennoch die Tugend-bereichte Macarie /vor einen verlangten Freund halten will! weiln ja die vorgesetzte stete Einsamkeit / ihre Gedancken noch immer will zu Grabe schicken: daher ich billich ihre grosse Treu und Beständigkeit / auch gegen die verstorbene / zu rühmen und zu verwundern habe / die werth ist / daß sie von vielen / zu einer endlichen Belohnung gleicher Treue / begehret werde. Ich / meines theils / muß bekennen / daß ich gefehlet / indem ich mich nicht gescheuet / ihre beliebte Einsamkeit / mit meiner
beständiger Freund:
Polyphilus.
Klug war das alles angefangen: aber Macarie war noch klüger. Denn so bald sie den Brief
Beschreibet die Verleitung Polyphili / zu der Liebe einer andern / Apatilevcheris genannt / und wie schändlich er sich von derselben bethören lassen: Lehret / wie die Tugend-gezierte am erschröcklichsten irren / wann sie Laster / unter dem Tugend-Schein / nehren / und sich unvorsichtig betrügen.
Nun wollen wir Macarien eine Weile ruhen lassen /und sehen / was sich sonsten ferner mit Polyphilo begeben. Es schickte sich / daß Atychintida / nöthiger Geschäffte halber / an einen fremden Ort / Naömens Monteno verreisen muste / deßwegen sie Polyphilum zum Geferten ansprach / welches er auch nicht abschlagen dorffte. Zu dem kam es nicht ungelegen /sonderlich jetzo / da es wegen Macarien unruhige Gedancken erlitte / die er mit der Reise-Lust vertreiben könte: wie dann allerdings / aber anderst / als Polyphilus gedachte / geschahe.
Dann anlangend die Beschaffenheit des Orts /mochte ihm selbige wenig Ergötzung bringen / weil es ein bergicht und felsicht Land / mehr einer Wildnuß gleich war / als einer Wohnung so lob und liebwürdiger Besitzer / wie er nach dem antraff. Dann
Die Liebe bey Apatilevcheris war verstärcket /durch das Lob / so die Königin Polyphilo beylegte /und die besondere Ehre / damit sie seine Würde noch grösser machte: bey Polyphilo aber entzündeten die funcklende Augen der wunder-freundlichen Apatilevcheris / das Hertz dergestalt / daß er seine Liebe
Mitler Zeit / wurde die Tafel gedecket / und nachdem sie gesetzt wurden / traff Polyphilum das Glück oder vielmehr Unglück / daß er neben Apatilevcheris zu sitzen kam. Alsbald gedachte er an seine Macarien / so sie auch noch seyn zu nennen / und wie er so viel Mühe / diese Glückseligkeit bey ihr zu erhalten /anwenden müssen / da ihm diese ungesucht zu handen kam. Er kont nicht anderst schliessen / als daß die sonderbahre Fügung des so wollenden Himmels / das alles wolte: aber der Schluß war unrichtig / dann so hatte es Apatilevcheris geordnet.
Da sie nun zur Tafel sassen / bediente Polyphilus /die neue Liebste / aufs höflichste und freundlichste: diese hinwieder Polyphilum. Aber du treuloser Polyphile! wo bleibet das Gedächtnuß deiner Macarien /die dich zwar heimlich / aber hertzlich liebet? Apatilevcheris hats in sich gesoffen / und an dessen statt /ihren Nahmen / in dein Hertz gemahlet. Freylich so: dann die listige Apatilevcheris / auch so gar ihr Bildnus / in der Kammer / da Polyphilus nach geendigtem Liebes-Schertz / seine Ruhe nahm / gegen dem Bett aufgehänget / daß er solches stets vor Augen hatte /auch um deß willen / (wie Polyphilus leicht ermässen konte /) die gantze Nacht / ein brennendes Liecht /nächst zu dem Bild stellete / Polyphili Hertz an ihre Liebe zu erinnern.
Artig kan sich Polyphilus entschuldigen / wanns nur Macarie glauben wolte: allein / hat Polyphilus eine beredte Zunge / so hat Macarie ein verständiger Hertz / das sich nicht so leicht bereden lassen. Wir werden aber davon hernach hören / wann wir beschreiben / wie diß Macarie erfahren. Jetzt gehen wir mit Polyphilo wieder zu Apatilevcheris / die allbereit / in dem Zimmer / da er sich anlegen solte / wartete / und nach Entbietung / eines frölichern Morgens /als sie eine Nacht gehabt / ihn mit einem Kuß empfieng: Polyphilus that dergleichen: Die übrige
Daß wir aber wieder zur Macarien kommen /
Beschreibet die unversehene Zusammenkunfft Polyphili mit Macarien / die Bereuung seines begangenen Fehlers / und dessen Verbesserung /zusambt der Unterredung dieser beyden / und wie er /ihr seine Gedicht zu übersenden / versprochen: Lehret / wie die Tugend-gezierte / ob sie gleich von einem Fehlübereilet werden / doch nicht in der Laster-Versenckung bleiben / sondern dieselbe zu einer grössern Krafft / Tugend zu gewinnen /gebrauchen / daher solche Verführungen / die jenige auch nicht
Nun kommen wir wieder zur Macarien / diese / je öffter sie das letzte Brieflein Polyphili durchsahe / je mehr wurde sie / in ihrer Freundschafft / gegen Polyphilo gestärcket / dergestalt / daß sie ihn stets / in ihren Sinnen und Gedancken / behielt / auch nichts mehr verlangte / als ihn wieder zu sehen. Es begab sich aber / daß sie um etzlicher nöthiger Geschäffte halber / auf eines ihrer Land-Güter verreisete / so auch an dem Peneus-Strande gelegen / und schön erbauet / auch mit erfreuender Lieblichkeit / und grünender Garten-Lust wohl umzieret war: daher sie verursachet wurde / ein geraume Zeit allda zu verweilen /und in diesen beliebten Feldern / der Lust-blühenden Sommer-Frucht zu geniessen. Was geschicht? Polyphilus / der nunmehr seiner Macarien fast vergessen /und mehrentheils seine Bemühungen auf Apatilevcheris gerichtet / kommt in Erfahrung / durch seinen Freund Agapistum / (der ihm / ingleichen / mehr zu der Liebe Apatilevcheris / als Macarien / rathen dorffte) daß jene / an dem Ort seye / wo Macarie sich aufhielt. Es kam aber der Irthum von einem Weibe her /die / von dannen / gen Sophoxenien kommen war /und einen Gruß an Phormenam brachte / von Macarien / deren Agapistus begegnet / und sie gefraget /aber entweder / aus bößlichem Betrug / oder sonst einem Fehl / unrechten Bericht erhalten.
So bald nun Polyphilus / von der Gegenwart seiner hertzlich-geliebten Apatilevcheris / höret / wie
Wie aber? Treuloser und Pflicht-vergessener Polyphile! Darffst du dich wohl unterstehen / deren Aufrichtigkeit zu beschauen / die du / mit dem Gifft deiner Falschheit / biß daher ertödtet? Meynest du wohl /daß du werth seyest / unter die Augen Macarien zu tretten / welche du / nicht ohne Zittern / ansehen /noch / mit freyem Hertzen / wirst verehren können? Würdiger wärest du / und deiner Ubelthat verdienter Lohn / daß sie dich / mit Füssen / von ihr hinaus stossen / und ohne Gnad / gantz verstossen seyn lasse. Wie wirst du / du falsches Hertz! sie anreden / die Warheit darffst du nicht bekennen / vor Furcht: nicht verbergen / vor dem / sich selbst verklagenden /
Doch was wollen wir Polyphilum noch mehr beschwehren? Die Angst seines Hertzens war so groß /und die Verdamnus des Gewissens / so erschröcklich / daß wir billiger / ein gebührend Mitleiden / mit seinem Jammer / haben. Eben kam er / mit seinem Pferd / unter einen begrünten Eichbaum / als ihn die Angst dermassen ans Hertz stieß / daß er vom Pferd herab sincken / und die Erde zum Lager annehmen muste. Er fiel aus einer Ohnmacht / in die ander / und konte sich nicht trösten. Offt hub er an kläglich mit Macarien zu reden / aber die Thränen verschlossen den Mund: offt hub er an zorniglich / und mit einem Eyfer / auf Apatilevcheris zu schelten / aber die Angst druckete das Hertz / daß er sie nicht mehr nennen mochte. Sein Pferd weidete / mit aufgelösetem Zügel /im Graß: Er aber waltzete sich darinnen hin und wieder. Niemals hat Polyphilus grössere Schmertzen empfunden / als anjetzo. Wo er sich hinwandte / hatte er keinen Freund. Die Götter waren erzürnt / daß er wieder Tugend geliebt: denen Menschen war er verhasset / wegen der schändlichen Untreu: alle Creaturen entsetzten sich gleichsam / über seiner Boßheit /und die Erde klagte / daß sie eine so Sünden-schwere Last und unnützes Pfund tragen solle.
Was machet nun der / von allen verlassene / Polyphilus? Was bedrangte Hertzen zu machen pflegen.
Eben da Polyphilus so schmertzlich sich behegte /kam die Dienerin der Macarien eilends zu ruck / den Polyphilum einzuholen. Denn / nach dem sie Macarien seine Gegenwart angesagt / aber dabey vermeldet / wie er alsobald wieder zuruck geritten / da er vernommen / daß sie zugegen sey / fürchtete Macarie seinen Haß / und gab geschwinden Befehl / ihm nachzusetzen und zu ersuchen / daß er sie nicht unbesprochen verliesse. Polyphilus / als er der Dienerin wahrnahm / stund behende auf / und gieng ihr entgegen /empfieng auch den Gruß Macarien / zusammt der Einladung / welche er gehorsamlich annahm / und der Dienerin folgte.
Die ersten Gedancken waren / was er Macarien vorbringen wolle / wie er daher komme / und was er verlange? hernach / ob er die Untreu bekennen und abbitten / oder verhälen müsse? welchem aber beyderseits / mit gutem Rath / abgeholffen wurde. Dieses verhälete er / und jenes bekannte er nicht. Er grüssete Macarien / nicht wie er sonst pflegte / sondern wie die Höflichkeit / einer gemeinen Freundschafft
In diesen Gedancken / sahe er die allerkeuscheste Macarien zum öfftern an / welche ihn hinwieder / so
Darauf fragte Macarie: Was verlangt ihr dann? Polyphile! meine Freundschafft? die hab ich euch gegeben. Meine Liebe? die hab ich euch / mit vielen Zeichen / bewähret. Meine Gesellschafft? die hab ich euch nie versagt. Und solt ich wissen / daß euer Hertz mehr begehrte / es solte nicht gewäigert seyn / dafern es euch und mir / nicht mehr schädlich / dann zuträglich. Das war ein Wort / das Polyphilus / schon lang /gern gehöret hätte / darum sprach er: Ach! schönste Macarie! Was ich mehr begehre / ist die besondere Liebe / so keinen / ausser den einiggeliebten / bey sich leidet: ehe mein Hertz nicht dessen versichert ist /kan ich in keiner Zufriedenheit ruhen. Was solte Macarie machen / sie sahe / daß sie nichts richte; sondern Polyphilus nur immer hefftiger anhielt / deßwegen sie ihm auch endlich diß versprach /
Was solte Polyphilus antworten? Das theure
Da solte eins eine heilige Brunst / der beyden Tugend-Verliebten / gesehen haben / und derselben / die geschändete Liebe der Apatilevcheris / die auf blosse Thorheit gegründet war / entgegen setzen / würde er jenen Schatten / vor dieser Sonne / jene Finsternuß /vor diesem Liecht / kaum haben sehen können. Die Tugend verbandt sich / mit der Tugend / Weißheit mit Weißheit / und Kunst mit Kunst / daß das Hertz Polyphili gantz himmlisch wurde / welches / vor dem /nicht unrecht / höllisch hätte können benahmet werden. Viel liebkosende Gespräch verführeten sie untereinander / welche zu bezeichnen / die Meng derselben Verbot gibt. Das wollen wir noch erinnern / was Macarie erinnerte.
Es fielen ihr / unter andern / die Wort Polyphili bey / so er / in dem dritten Brief / an sie geschrieben /und berichtet / wie er die Zeit seiner Verstossung / mit nichts / dann traurig-betrübten Gedichten / zubringe /die sie leicht ermessen konte / daß sie von ihr reden werden. Weil nun Macarie / nicht allein eine Liebhaberin
Es hatte Polyphilus dieselbe zusammen / in ein Buch getragen / neben vielen andern / die wir / wegen der Meng / hie nicht her setzen können: und weil das Zorn-Gedicht / so wir am 542. Blat aufgezeichnet /gleich mit in dem Buch verfasset: selbsten auch das jenige / welches er der Apatilevcheris zu Ehren verfertiget: trug er anfangs Scheu / ihr Begehren einzuwillen / weil er diese Gedichte / ohne Verletzung der andern / nicht heraus reissen konte / und aber besorgte /sie möchten Macarien zum Wider willen bewegen: deßwegen er nicht ohne Schrecken / ja sagte. Gleichwol / weil der Bitte der hertzgeliebten Macarien /auch das Leben nicht zu versagen war / versprach er /allerdings ihrem Willen zu gehorsamen / doch mit der Erinnerung / daß sie sich / durch ein Gedicht / welches die Unbedachtsamkeit seiner Ungedult / sträflich heraus geworffen / da ihm Agapistus die Verachtung seiner Liebe und Treue / angesagt / nicht erzürne /auch viel weniger gedencke / daß solches der Warheit gleich stimme / weil er sich selbsten schon / der Unwarheit beschuldet / und mit besserm Verstand / widersprochen / was er / in erzürnter Thorheit / fälschlich bejahet. Das versprach ihm Macarie alles / mit billiger Zufriedenheit / anzunehmen / ihn versicherende / daß nichts so kräfftig seyn würde / welches ihr Hertz von seiner Liebe abwenden / oder ihre Freundschafft trennen könne.
Es begleitete Macarie ihren Polyphilum / biß durch den Garten / und weil sie / im durchgehen / die bund-gefärbte Blumen erblickte / die sie erinnerten / die schöne Hände Polyphili zu verehren / brach sie deren etzliche / und gab sie Polyphilo / als ein angenehmes Garten-Geschenck / welcher dieselbe / als mächtige Trösterinnen / in seiner Einsamkeit / mit schuldigem Danck / annahm / und ihrer dabey zu gedencken / versprach. Endlich kamen sie für die Garten-Thür
Es war diß nicht die Thür / da er eingangen war /besondern nächst dabey / ein verborgener Gang / da ihn kein sterbliches Aug beschauen konte / sondern gantz frey und sicher aus- und eingehen ließ / deßwegen ihm Macarie / die Wiederkunfft hiedurch zu befördern / Befehl that / die er auch fleissig beobachtete. Er muste durch etliche Thüren gehen / die ihn in einen langen Gang führeten / der ihn / wie ferne von dem Haus der Macarien / verleitete / und da er auf freye Weg kam / suchte er den Eichbaum wieder / darunter er sein Pferd verlassen; welches er aber nicht fand /weil es indessen heimgeloffen / und den Polyphilum zu Fuß folgen heissen / das er gerne that.
Wie ist aber Polyphilus gangen? In freudigen Springen / und solte eins freylich / die wunderbahre Schickung / des gnädigen Himmels / verwundern. Polyphilus gehet aus / Apatilevcheris zu suchen / und findet Macarien: die er ihm in Ewigkeit nicht eingebildet hätte. Ja / er findet die Liebe Macarien / und das noch wunderbahrer ist / mit seinem Widerwillen /die er / vor dem / mit so viel bitten und flehen / nicht erhalten kunte. Er suchet die Gunst / die er verfluchet / und findet die Freundschaft / an der er verzweiffelt. So kan eins leicht dencken / wie er muß erfreuet worden seyn. Das erste / so er verrichtete / war die Vermehrung der Gedichte / die sein Buch würdiger machen möchten / denen schönen
Daß er nur die eine liebe / beweiset er aus des Ovidii Lateinischen: Cui placeo, protinus illa placet; im folgenden Sonnet:
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Als er aus dem Garten scheiden solte / bat er selbigen / die Macarien öffters an Polyphilum zu erinnern /auch mit diesem Sonnet:
***
Den Maulbeer-Baum / darunter er von ihr scheidete /redet wieder ein anders Sonnet / auf solche Art / an:
Nach diesen / und vielen andern mehr / setzte er / zu letzt einen solchen Befehl und Erinnerung / an das Buch selber:
Beschreibet den Widerwillen der erzurnten Macarien / welchen sie / nach erkundigter fremder Lieb / bey Polyphilo / so mächtig / in ihr / herschen ließ / daß sie alle Liebe aus ihrem Hertzen verbannete: wiewohl sie / durch Zwang und Flehen /wieder versöhnet ward: Lehret die Straffen / so dem Verbrechen folgen / damit ein unbestrafftes Ubel nicht Gelegenheit zu fernerer Mißhandlung gebe.
So bald die Gedichte verfertiget / und dem Buch einverleibet waren / sandte es Polyphilus / den schönen Händen Macarien zu.
Polyphilus hatte indessen / dem Agapisto / sonderlich aber der Melopharmis alles erzehlet / was sich mit ihm / und Macarien begeben: die alle sehr erfreuet
Nach dem Gedicht setzte er / in ungebundener Rede /wie er nicht ruhen / noch leben könne / biß er ihrer Gegenwart geniesse / und mündlich / die Versicherung ihrer unverruckten Liebe / vernehme; bitte also /ihre Gewogenheit solle ihm / wegen des nichtigen Verdrusses / den Zutritt / durch den verborgenen Gang / nicht verschliessen / sondern / mit ihrem erwünschtem Anblick / wiederum erfreuen / wie sie ihn / durch den Widerwillen / betrübet.
Nun gehet Polyphilus / mit Melopharmis / auf Macarien zu / und da sie zu den Eichbaum gelangeten /und Melopharmis vernahm / daß er unter diesem /seine schmertzliche Klage geführet / sprach sie: So sollet ihr auch / unter diesem / eure hertzliche Freud annemen und überkommen. Ferner / fuhr sie fort /weichet ein wenig von diesem Ort / und sehet von ferne / was da geschehen wird. Polyphilus folgete dem Befehl / und legte sich unter die Sträuche nieder / zu sehen / wie ihm Melopharmis helffen würde / die unter dem Eichbaum verharrete. Da er sich nun kaum geleget hatte / buckte sich Melopharmis zur Erden /als wann sie denen Geistern / aus der Höle / ruffen wolte: bald erhub sie ihr Gesicht wieder gen Himmel /aber mit einem grimmigen Anblick: Nach dem stund sie still / als in tieffen Ersinnungen / und bald darauf wandt sie sich gegen dem Ort / da Macarie wohnte /und fieng / mit klingender Stimm / also an zu ruffen:
Ferner knüpffte sie 3. Haarlocken / so sie von dem Haupt der Macarien / durch ihre Kunst / listiglich geraubet / um 3. bund aber ungleich-gefärbte Vogel-Federn / mit diesen Worten:
Nach dem nun dieses alles nidergebrennet war / griff sie auf die Erde / hebte die Aschen auf / warff sie dreymal über den Kopff hinter sich / und hub / wie vorher / an mit verbrochenen Worten zu murmeln: sie aber sahe nicht zu ruck. Alsbald erhub sich ein erschröcklich Gewitter / das aber bald aufhörete / und die helle Sonne / wie vor / leuchten ließ.
Polyphilus kam / voller Schrecken / zu Melopharmis / und kunte kein Wort herfür bringen / weil er dermassen zitterte / daß er den Blättern der Aespen /so nicht weit von dannen stunden / nichts bevor gab. Darum Melopharmis anhebte: Jetzt gehet hin zu Macarien / und versichert euch / daß sie liebet. Aber Thorheit! Hätte Polyphilus seine Antwort nicht so scharff gesetzet / und mit betheurten Worten geführet / hätte sich das Tugend-liebende Hertz / der allerzüchtigsten Macarien / lang zu keiner Liebe verzaubern lassen. Doch glaubte Polyphilus den Worten Melopharmis / und gieng hin. Eben aber / da
Polyphilus suchte den verborgenen Gang / welcher allbereit eröffnet stund / und seiner Zukunfft wartete. Er gieng durch die Thüren hinein / die er aber alle hinter sich verschloß / biß er zu der letzten kam / die ihm seine allerliebste Macarien zu sehen gab. Alsbald fieng er an / sich hoch zu entschuldigen / und das leicht-erbitterte Hertz / bey ihrer Güte und Gedult / zu verklagen. Aber Macarie fieng an zu lachen / und deutete das alles / was sie gethan / zum Schertz / wiewol es scheinbarer ist / sie habe die Beständigkeit Polyphili damit versuchen wollen. Das freundliche Hertz /der gar zu schönen Macarien / ließ nicht zu / daß Polyphilus mehr klagte / weil sie immer fort mit ihm schertzete / und sagte: Ihr liebet doch Apatilevcherin ein wenig! wem solten die schwartzgefärbten Augen nicht gefallen? Wer solte nicht gern den Purpur-rothen Mund küssen? Der
Viel angenehme und erfreuliche Gespräch verführeten sie miteinander / sonderlich fieng Macarie an /warum er den Frauen / und nicht vielmehr den lieb-verdienenden Jungfrauen / gewogen / da diese nicht so gefährlich / auch nicht so sündlich zu lieben / als jene? Dagegen Polyphilus einwandte / daß er / die Zeit seines Lebens / keine Jungfer geliebet / auch nicht lieben könne / weil er gleichsam von Natur / ein feindliches Hertz / gegen denselben führe / nicht wissend / aus was Ursachen. Er schliesse aber dahin / es müsse ein sonderbarer Sinn / in ihm / herrschen / der sich mehr gegen dem Weiblichen / als Jungfräulichen Stand / neige / und jene / vor diesen / lieben heisse. In dem er auch nicht fehlte. Unter währenden Gespräch /klagte Polyphilus / die all zu grosse Hitze / welche ich nicht weiß / ob sie die erhitzte Sonnen-Strahlen / oder die feurige Gluth seines verliebten Hertzens verursachete: Da hingegen Macarie die Kälte besprach /so offt der Wind / durch das Zimmer wehete: dessen sich Polyphilus sehr wunderte. Macarie aber / die ihn / in so grosser Hitze / am besten kühlen konte /reichete einen Zettel dar / darauf die Beschreibung der Liebe / in folgenden Reim-Schlüssen / verfasset:
Polyphilus solte die Gluth / seiner Liebe / damit kühlen: aber sie wurde mehr erhitzet / deßwegen er / in ihrer Umfahung / die Zeit vollends zubrachte / und der Zucht-gebührenden Tugend-Liebe freyen Paß ließ. Diese leschete die Gluth Polyphili / mit dem Zucker-Safft der dersüsseten Lippen Macarien / und kühlete das befeurete Verlangen / an den erkalteten Wangen /mit solcher Freudigkeit / daß ihn die Zufriedenheit selber / in den Schoß / seiner Allerschönsten und Liebsten / niederlegte / und so vergnügt seyn
Nun müssen wir sehen / was die beyde / in ihrer betrübten Einsamkeit / gethan. Anlangend Polyphilum / kürtzete er die Zeit / mit dem Gedächtnus seiner Macarien / welches er nehrete / mit allerhand lustigen Gedichten / deren wir etzliche / dem beliebenden Leser zu Gefallen / hieher setzen wollen. Vor allen andern beschrieb er / so bald er heim kam / die Reden Macarien / und was sich unter ihnen beyden begeben. Auch ihre Beschreibung / der Liebe / versetzte er / mit einem solchen Gegen-Satz:
Nach diesem gedachte er an die Frage / so sie ihm zu beantworten geben / warum er keine Jungfern lieben könne / die er mit folgenden Worten belegte:
Das war Polyphili Arbeit: Macarie war bemühet / in seinem Buch / das sie noch immer fort bey sich behalten / die Gedichte aufs fleissigste durchzugehen / auch etzliche darinnen zu widersprechen / etzlichen nachzusingen / auch sonst vor sich weiter zu dichten / die wir aber noch nicht hören wollen: sondern was sich diesem vorzukommen bemühet / auch zu erst daher setzen.
Beschreibet die zeitliche Begrüssung / so zwischen Polyphilo und Macarien schrifftlich geschehen: Lehret die Tugend-Art / welche / in zweyen Gemütern / einerley Würckung übet; und anders mehr / das in den Briefen und deren Erklärung selbsten erörtert wird.
Es ist aber billich zu verwundern / daß Macarie und Polyphilus / zugleich auf eine Zeit / einander zuschreiben entschlossen wurden
Das Gedächtnus meiner Zusage / welche ich / bey unserm Abschied / hinterlassen / hat mich angetrieben /denselben / durch dieses kleine Briefflein zu besuchen / und mich seines Wohlergehens zu versichern /nicht zweiflende / er werde solches / nach seiner gewöhnlichen Freundlichkeit / günstig aufnehmen / und ihme / wo nicht angenehm / doch erträglich seyn lassen. Insonderheit / weil mich hierzu veranlasset / sein künstlich-poetisches Buch / dessen Ergötzlichkeit /ich / nun eine geraume Zeit hero / erfreulich genossen: selbiges aber / bey dieser Gelegenheit / neben schuldiger Martem, so hoch / als den Schäfer Adonen geliebt: Diese Begebnus aber /ist mehr in Polyphile! auch setzen würde / thät ich nicht mehr /als was seine Verdienste / und mein / in diesem Gerichte / unpartheyisches Urtheil erforderte. Dannenhero ich desto weniger die jenige neide / welche geschickter / als ich / ist / solches Kleinod zu gewinnen. Es sind auch meine Gedichte gantz nicht der Meinung / seine Liebste zu beleidigen / oder ihme seine Freyheit zu rauben / sondern sie stellen allein die Gedancken vor / welche mir / in meiner Einsamkeit Gesellschafft leisten / und dafern ich versichert würde /daß sie / zu Sophoxenien keine verdrüßliche Gäste seyn möchten / müsten sie sich / mit nächsten / dahin abzureisen / fertig halten. Diesesmal bitte ich / Edler Polyphile! Ihr wollet die Künheit dieses Briefleins vergeben / in eurer vorigen Freundschaft verharren /und durch eure annehmliche Gedicht / öffters erfreuen / eure
beständige Freundin:
Macarien.
Ob mich wohl keine Nothwendigkeit der Geschäffte /so wichtig und mächtig die auch sind / abhalten oder verhindern solte / so offt ich Gelegenheit überkomme / meinen Fleiß und Dienst / in ihrem Befehl zu erweisen: hab ich doch / biß daher / und anjetzo / wieder meinen Willen / der Zeit ihren Lauf lassen / und sie / ohne schrifftliche Besuchung / in meinem Hertzen / stillschweigend ehren müssen. Daß aber mein Stillschweigen mich nicht etwa / der Vergessenheit halber / oder sonst eines erkalteten Hertzens / bey ihr anklage: habe ich mit diesen / so wahren / als wenigen Worten / verpflichtet befunden / ihr zu bezeugen /wie ich sie / die meine einige Freude / ja mein Verlangen ist / auch abwesend / in meinem Andencken behalte / und durch keine fremde Bewegung verliere / ja! daß alles / was ich ersinne / einig ihre Gunst / mit ewiger Beständigkeit /
Dero
treu-beständigen
Polyphilum.
Was werden doch die beyde Verliebte dencken / wann sie / durch so wunder-würckende Schickung / zugleich erfreuet werden? So nemlich ist eine gttreue Liebe beschaffen / daß kein Theil / dem andern / an Treu und Aufrichtigkeit / weichen will. Wir wollen Polyphilum zu erst besehen / und vernehmen / mit was Freude er den Gruß gelesen. Diese ist unerdencklich. Er hertzte das gehertzte Brieflein mehrmals /dann Buchstaben darinnen zu lesen waren. Er rühmete die Beständigkeit ihrer Treu / und verwunderte den Schatz ihrer Weißheit / zusamt dem herrlichen Reichthum ihres gelehrten Mundes / der / je mehr er die Gaben der zierlichen Reden / und verstandigen Schlüsse heraus gab / je weniger er irgend einen Mangel spürte. Das Ende der ersten Uberlesung / forderte den Anfang der Wiederholung / und weil er / in seiner bekümmerten Hoffnung / keinen bessern Trost erfinden mochte / erhub er sich von Sophexenien / in ein kleines begrüntes Lust-Wäldlein / nahm den Brief mit sich / setzte sich unter eine Eichen / da er sonst den Göttlichen
Du bist ja freylich wohl ein liebes und schönes Brieflein! lieb / wegen der Lieben; schön / wegen der gezierten und verständigen Wort. Dein Anfang zeiget alsbald Liebe / indem er rühmet / das Gedächtnus der Zusage / so meine allerliebste Macarie / bey ihrem Abschiede / mir hinterlassen. Solt ich daher nicht die Gewißheit ihrer Liebe schliessen? Falsche Liebe pflegt viel zu versprechen / und wenig zu halten: aber die Liebe / meiner Geliebten und wieder-liebenden Macarien / erweiset ihre Wort im Werck. Ach Macarie! du vollkommener Schatz aller Tugenden / wie kan sich deine Würde / durch thätige Krafft / so mächtig erweisen? Liebe ist die Königin aller Tugenden / dann wo diese erleschet / da finden wir eitel widerstrebende Laster / und verhässige Widerwertigkeiten: so must du / Tugend-Königin! deine Treue / am ersten / durch diese bewähren. Ja! so must du / Tugend-herrschende Macarie! deine Gewalt / in der Herrlichkeit der Liebe / erweisen / die alle andere Tugenden nach sich ziehet. Ach! unschätzbare Macarie! wer wird sich dir gleichen / in einem solchen Wandel / darinnen kein Sterblicher / ohne Anstoß / durchgehen kan? Du zehlest mich zwar unter die Heydnische Götter / vielleicht weil ich sonsten deiner Liebe unwerth würde geachtet seyn: aber du verwirffst mich wieder unter die Sterbliche / in dem du zweiffelst / ob ich dein Besprechen
Das waren die Gedancken Polyphili / damit er ihm selber den Brief erklärt. Die Ergötzlichkeit des Lustbringenden Lust-Wädleins / halff nicht wenig zu der Vermehrung seiner Freude / die endlich in eine Begierde ausschlug / Macarien zu sehen / daß er gedachte: ach! möcht ich doch / allerliebstes Kind! dich nur schen / wolt ich mich gerne zu frieden geben: Ich begehrte nichts mehr / als / durch deine Gegenwart / die Herrlichkeit deines Glantzes zu verwundern / wie ich den Pracht deiner Tugend und Weißheit / in diesem Beief / ausgedrücket sehe. Diese Begierde verursachte ihn / daß er / in dem er den Wald durchgieng / und wieder nach Hauß gedachte / folgendes Sonnet verfertigte:
Eben gieng er mit dem Ende des Sonnets zum Wald aus / da er Sophoxenien ersahe / und weil die Begierde / seine Geliebte zu sehen / immer hefftiger wurde /eilete er / mit geschwindern Tritt / nach Hause / gleich als wolte er sein Begehren vollbringen: unter währendem Gang aber / redete er seine Begierde / mit solchen Worten an:
Beschreibet die selbste Besuchung der Macarien /von Polyphilo geschehen / Beweiß / der unvergnüglichen Begierde / menschlichen Verlangens / welches von Tugend-Liebe entzündet ist.
Diese Gedancken führeten ihn biß zum Thor / da er Servetum / seinen Diener / ihm entgegen lauffen sahe / zu verkündigen / daß Agapistus und die andere junge von Adel / Urlaub überkommen / gen Soletten zu reiten / weil die Sonne einen so schönen Tag zeigete / deßwegen sie ihn zum Führer begehrten / wann er verlange mitzureiten. Aber das hätte man nicht fragen dörffen; laß mir mein Pferd satteln; das war die erste Antwort / und nahm er ihm kaum die Weile / daß er sich ritterlich anlegte. Sie setzten sich zu Pferde / und kamen / in unglaublicher Geschwindigkeit / wohin sie wolten / und weil sichs nicht schickete / daß sie / in so grosser Meng / Talypsidamo zusprachen / auch die Gesellschafft nicht gern theileten / kehreten sie bey einem fremden Wirth ein / welcher gerad / gegen der Behausung Macarien über / wohnete / in solcher Nähe / daß Polyphilus Macarien / durchs Fenster /sehen und erkennen konte.
Die Begierde / so Polyphilum mehr auf Soletten trug / als sein Pferd / lässet nicht zu / daß wir sagen /was er / bey dieser unvermutheten Gelegenheit / Macarien zu sehen / muß gedacht haben: sein Hertz war voller Freuden / die aber / nach dem / bald verbittert wurden. Dann ob gleich Polyphilus vorher dachte / er hätte genug / wann er nur seine Augen / in ihrer Gegenwart / weiden könte / erfuhr er
So bald Macarie in ihr Zimmer kam / eröffnete sie ein Fenster desselben / durch welches sie Polyphilum / Polyphilus sie hinwieder grüssete. Die verliebte Blicke / so sie hin und wieder schickten / solte eins gezehlet haben / hätte er eben gnug zu thun gehabt: mehr aber der / welcher die Seufftzer Polyphili aufzeichnen sollen. Er lag an dem Fenster / und verruckte seine Augen nicht / von der Bestrahlung Macarien /ließ sich auch nichts hindern / wiewohl ihm die Gesellschafft allerhand Kurtzweil anbot: biß Agapistus /der das Gefängnus seiner Sinnen sahe / einen / ausser den andern / heimlich erinnerte / daß er Polyphilo ein Glaß / in Gesundheit seiner Liebsten / zubringen solte. Und wie Agapistus sehr schertzhafft war / ließ er ein hohes und schönes Glaß bringen / und brachte alsobald / auf das erste / die Gesundheit Macarien /Polyphilo zu / doch den andern unvermerckt. Auf andere Art war Polyphilus nicht zu gewinnen / und glaube ich / er wäre / ohne einigen Trunck / wieder weg geritten / wann er nicht die Gesundheit seiner Macarien / allem ihrem Zwang und Bedienung vorgezogen: Deßwegen er die beyden Gläser annahm / und nachgesetzte Wort / nicht ohne wohlgefälligem Schertz /denen Anwesenden zu vernehmen gab:
Alle fiengen sie an darüber zu lachen. Ein anderer aber nahm daher Gelegenheit / Gesundheit der Seinen zu trincken / deme so viel folgten / daß sie sämtliche wohl berauschet wurden / ohne Polyphilum / der seine Zeit mehr / in dem Gedächtnus der Macarien / als mit Trincken zubrachte: biß die ankommende Abend-röthe / sie wieder scheiden hieß. Sie sassen alle zu Pferd / da Polyphilus noch am Fenster lag / welcher /damit er von Macarien desto unvermerckter und bequemer Abschied nehmen kunte / hieß er sein Pferd für die Thür führen / allda aufzusitzen: Deßgleichen that auch Agapistus. Die andern waren / im Hinter-Hof / zu Pferd gestiegen.
Polyphilus machte seine Sach gar zu verdeckt / daß auch Macarie den letzten Blick nicht merckte: wiewol sein Roß / der Schönsten und Liebsten zu Ehren / sich mit dreyen Lufft-Sprüngen / gegen ihr Fenster erhebte / damit den letzten Gruß Polyphili zu bewähren: Das ich aber nicht weiß / hats Macarie gemerckt oder nicht. So lang Polyphilus wuste / daß ihn Macarie sehen könne / so lang erhebte er sich / vor andern /mit seinem Pferd / so begierig / daß ihn offtermals Agapistus warnete / und seiner zu schonen bat: aber die Liebe gegen Macarien war mächtiger; ja sie verdienre das / in dem sie Polyphilum mit ihren Augen begleitete / so weit sie konte.
Das Verbrechen / so mich bey ihrem Argwohn anklagen wird / zwinget mich / mit gegenwärtigen Zeilen /meine Schuld zu entschuldigen / und meinen Fehl zu beschönen. Zwar muß ich gestehen / daß ich nicht ein geringes begangen / in dem ich mich / durch gute Gesellschafft / an den Ort führen lassen / allwo sich meine Augen / durch den Anblick deren / welche sie so sehr verlangen / wohl gesättiget: aber dem Hertzen / durch den verhinderten Zutritt / noch tieffere Wunden eingeschlagen / bevorab / da ich / vielleicht nicht in unnöthiger Furcht lebe / es möchte / mein Kind! mich in solchen Verdacht fassen / als hätte ich den Zuspruch aufgehalten / entweder ein widriges Hertz / oder ja zum wenigsten / dessen entfesselte Freyheit zu erweisen / in dem Sophoxenien begrüssen / werde ich mich vor den Unglückseligsten / in der Liebe / bekennen müssen. Die Hoffnung laß ich mich trösten / daß sie nicht trügen werde / und verbleibe
Beschreibet / wie ein anderer / Nahmens Evsephilistus / um Macarien Gunst sich bemühet /und dieselbe / Polyphilo
Lehret den sechsten Anstoß der Tugend-Verliebten / die Verfolgung.
Das war Polyphili Brief und Verrichtung. Was thut aber indessen Macarie: Diese / nach dem sie den ersten Brief Polyphili erhalten / verwunderte sie dessen Beständigkeit und getreue Liebe / ja! sie verehrete dieselbe / mit etzlichen Gedichten / und preisete die Vollkommenheit Polyphili / mit so gezierten Worten /daß sie selber eine heimliche Freude und Ergötzung darob empfieng. Aber ach! der nichtigen Freud! die /ehe sie gebohren / wieder verderben muß / und mitten in ihrem Wachsthum / verdorren. Kaum hatte Polyphilus das Hertz der schönen Macarien gewonnen /und ihre Einsamkeit besieget / als ein anderer die Beute davon tragen wolte. Kaum hatte auch Macarie ihre Betrübnus / mit der Liebe Polyphili / befreyet /da sie von einem Fremden / durch unbegehrte Fessel /hinwieder solt gebunden werden. Was wird nun Polyphilus sagen? Er wird bekennen müssen / daß er solches an Macarien verschuldet / mit der Liebe / da er Apatilevcherin mit geliebet. Wie wird sich Macarie trösten? Sie wird ihr Verbrechen anklagen / welches sie freywillig / aus der befreyten Ruhe / in die unruhige Dienstbarkeit versetzet. Beyde fühlen sie den ersten Anstoß / der Widerwertigkeit / welchen Macarie ihrer Liebe selbsten verkündet. Dann es war ein Einwohner der Insul Soletten / welcher sich düncken ließ / etwas vor andern zu seyn. Dieser kam in Erfahrung / daß Polyphilus (von dem er so
Noch zur Zeit gedachte Macarie an keine Liebe /die Evsephilistus / (so hieß der neue Werber) gegen sie tragen werde. Dann ihm die leidtragende Furcht /solche zu eröffnen auch dißmal noch nicht gestattet. Aber was geschicht? Wie das Unglück allemahl mehr Beförderung hat / als das Glück: so wurde Macarie von ihren Befreunden gebeten / mit ihnen eine Spatzier-Fuhr zu thun / weil gar ein lieblicher Tag war: ohne Zweifel aus Anstifften Evsephilisti. Dann dieser war ein Begleiter ihrer Fahrt. Da sie nun an begehrten Ort ausstiegen / und sich
Allein es gieng der gar zu sichern Macarien / wie es in Fällen / da man sich zu viel auf eigene Kräffte verlässt / zu gehen pflegt. Dann nach dem sie Evsephilistum befriediget / kamen solcher Werbungen /von seinen Befreunden / noch mehr / daß sie sahe /wie diese Fuhr eben deßwegen angestellet / mit Ernst an sie zu setzen / darüber dann die verliebte Macarie /in solche Bestürtzung gerieth / daß sie sich kaum trösten konte / bevor / wann sie an ihren Polyphilum gedachte. Dann das sahe Macarie schon vor Augen / daß sie / dafern sie nicht freywillig lieben wolle / zu der Liebe Evsephilisti werde gezwungen werden: einmal durch den Befehl deren / die sie zu befehlen hatten: hernach deren beförchtenden Haß / so gewiß erfolgen werde / auf der andern Seiten / dafern sie sich halßstarrig widersetzte: doch tröstete sie ihre Tugend und Verstand / welche mit der List Polyphili vereiniget /diesen Begierden schon widerstehen würden / deßwegen sie alles mit Höflichkeit und dem Gelübd der Einsamkeit abwandte.
Beschreibet fast einen verliebten Streit / in der Dicht-Kunst / zwischen Polyphilo und der gelehrten Macarien / auch wie sie ihm die Werbung Evsephilisti heimlich zu vernehmen gibt / und wie erLehret / daß je herrlicher die Tugend in uns blühet / je mächtiger erzeige sich die Widerwertigkeit / die / mit einer gefassten Gedult / zu überwinden.
Klüglich handelte Macarie in allem: noch klüglicher aber in dem / daß sie solche Bewerbungen / Polyphilo nicht alsobald hinterbrachte / dessen erhitzter Grimm sich nicht begütigen lassen / er hätte dann den Unverstand mit seiner Schärffe erleget. Doch / weil sie auch nicht alles verhälen könte / anhängte sie dieselbe /aber in grosser Ungewißheit / der Antwort seiner beyden Brieflein / die sie / so bald sie heimkehrete / mit solchen Worten / ihm zuschickte:
Daß derselbe nicht allein jüngsten / bey so vielfältigen Geschäfften / sondern auch diesesmal / an meine Wenigkeit gedencken / und mich mit einem Brieflein ehren wollen / hab ich vielmehr seiner Höflichkeit /als meinem Verdienst / beyzumessen / und erkenne mich deßwegen hoch verpflichtet. Viel höher aber darum / daß er in seiner Liebe / gegen mich / so unverruckt verharret / und keine fremde Bewegung / in seinen Gedancken / herrschen lässet / wünschende /daß es dem Himmel gefallen wolle / mir zu erlauben /solche Beständigkeit / mit schuldiger Gegen-Gewogenheit /
beständigen Freundin
Macarien.
Das war eine Antwort: aber zugleich eine Aufforderung zu neuer Schuld; die wir noch eine Weile unbezahlet lassen wollen / und die Gedichte anhören / die sie / mit dem Brief / Polyphilo überschickte. Diese werden zeugen / was Macarie / in ihrer Einsamkeit /vor Zeit-Verbringung gehabt / indem sie nemlich / mit fleissigem Aufmercken; die Gedichte / in dem Buch Polyphili / durchgelesen / und befunden / daß er in einem Liedlein ihre Einsamkeit zu hart bestraffet: welches wir schon oben gehöret / und auf das 508. Blat versetzet: hat sie selbigem / mit solcher Nachahmung / widersprochen:
Die Ubersendung dieses Nachsatzes / bewegte sein Hertz / mit einer solchen Empfindung / die ihn von der Bestürtzung / welche der Brief erwecket / gantz abführete / und mit lachendem Munde / folgende Wort zu führen verursachete:
Ob er nun in dieser Hoffnung / nicht vergeblichen Trost suchete / weil er ein anders Hertz bey Macarien / aus dem Brief / auch denen übrigen Gedichten /leicht ermessen konte: dachte er dennoch / es gebühre entweder / seiner Ehr / oder Liebe / diesem Nach-Satz / einen Gegen-Satz zu widerstellen / der die Einsamkeit
Nach dem blätterte er weiter in den Gedichten / und fand ein Sonnet / welches sie dem Maulbeer-Baum /darunter sie geliebet / und darüber schon Polyphilus seine Gedancken gehabt / zu Ehren / und zum willigen Danck / aufgesetzt / dieses Innhalts:
Fast beschämte Polyphilum diese künstliche Verfassung / deren seine Arbeit / bey weitem nicht zu gleichen war: Doch frenete er sich hinwieder / daß ihm die gütige Vorsehung / der gnädigen Götter / eine solche Liebe erwählet und gegeben / die ihm / in allem /eine mächtige Helfferin seyn könne. Den Verstand aber / der aller-verständigsten Macarien / die er nunmehr jener Belgischen Minerven / davon er / mit der Königin / Gespräch gehalten / nach Verdienst / gleichen konte / verwunderte er / in seinem Hertzen. Beydes aber / die Freude samt der Verwunderung / mehrete die Gewißheit ihrer Liebe / die dem Polyphilo /durch folgendes Garten-Gedicht / welches sie eben damals / mit verfertiget und überschicket / mit seiner höchsten Befriedigung / entdecket wurde:
Es waren auch diesen Gedichten die jenige beygefüget / welche wir allbereit am 335. und 339sten Blat angeführet: Deren letztes Polyphilus / nicht ohne Ruhm der gezierten Worte / und darein versteckten Weißheit: Das erste aber / weil es die Einsamkeit zu hoch rühmen wolte / fast mit einem Widerwillen laß: wie dieses der Gegen-Satz / in folgenden Reim-Zeilen verfasset / sattsam anzeiget:
Polyphilus merckte wohl / daß er etwas zu hefftig geredt / darum er seine Künheit mit folgendem Sonnet entschuldigte:
Nun wollen wir wieder zum Brief kommen / und sehen / wie dieser Polyphilo gefallen. Alles anderen aber zu geschweigen / werden wir genug / mit der Erklärung / zu thun haben / die Polyphilum / in einen so zweiffelhafften Zustand / führete / als einmal Macarie hätte klagen mögen. Woher rühret doch / dachte er /der Zweiffel? Hat sie etwa meine Liebe vor Schertz und Freundschafft angesehen? Was für eine Verleumdung hat dann abermal meine Treue verfälscht / und meine Beständigkeit unrichtig beschuldet? Dann Polyphili wenigste Gedancken waren / daß sich einer unterstehen werde / Macarien
Die Kürtze der Zeit / und Vielfältigkeit der Geschäffte / die mir sonderlich der Königin Befehl / welcher keinen Verzug oder Aufschub leidet / anjetzo verursachet / zwinget mich / wider mich selbsten zu leben /und das zu erwählen / was ich mehr verlassen / oder verwerffen solte / indem ich ihr beliebtes Brieflein nicht eher beantwortet / oder noch / mit mehren Worten / beantworten kan. Sie wird aber / Allerliebste! die Schuld nicht mir beymessen / sondern die Entschuldigung vor gültig erkennen: wofern sie mir nicht Gelegenheit zur Hand geben will / mit entdeckter Warheit zu klagen / daß ich nicht wisse / wie ich antworten solle / und deßwegen auch nicht antworten können. Dann wie soll ich den zweiffelhafften Zustand erklären / in dem sie sich so verwirret schreibet / daß er die übrigen Verse / welche doch / in Warheit! gleich-angenehm und verlanget gewesen / mit Gewalt zu ruck gehalten? Wie soll ichs deuten / daß
Beschreibet die fernere Bestreitung / des Lieb-werbenden Evsephilisti / wie die getreue Macarie solches Polyphilo offenbaret / oder / zu offenbahren / zu sich bittet / auch was sie sich berathen: Ist eine Probe wahrer Tugend / die mit glücket / mit unglücket. An Polyphilo aber finden wir den siebenden Anstoß der Tugend-Verliebten / die Versuchung.
Mit was Bestürtzung / die betrübte Macarie / diß Brieflein durchlesen / ist daher unschwer zu ermessen / daß diese Verwirrung / wider ihren Wunsch und Hoffen / je mehr und mehr ihre Schrancken überschritten / daß es das Ansehen hatte / als wolle Evsephilistus / mit Gewalt rauben / was er / mit Willen /nicht erlangen konte.
Da war Noth zu rathen / und Zeit zu helffen. Wie sich Evsephilistus in seiner fernern Werbung verhalten / auch wie offt er zugesprochen / und was er in solcher Besuchung mit Macarien geredt / oder wie er geschertzet / wollen wir daher nicht setzen / weil es eine lautere Einfalt und frommer Unverstand war /den er sattsam erwiese / in dem er ihre Unterredungen / gemeiniglich / mit dem Grund / verwahrete: Wir wollen einander nichts vor Ubel haben / sondern fein verträulich miteinander umgehen. Ja Bauer! so solt du mit den Dirnen / die deines gleichen sind: nicht aber mit einer solchen Tugend / Damen / und
Sein erwünschtes Brieflein / auf welches ich / mit so sehnlichen Verlangen / gewartet / hab ich gestern wohl erhalten / und aus demselben verstanden / in was unruhige Gedancken / ihn mein letztes Schreiben gesetzet: welches ich um so viel leichter glaube / je mehr ich solche Verdrüßlichkeit selbsten empfinde; hätte ihn auch solches Kummers gern überheben wollen / wann nicht die unumgängliche Noht / (welche alle Fehler zu entschuldigen pfleget) mich / dieses zu eröffnen / gezwungen hätte. Bitte demnach nochmaln / er wolle sich diese kurtze Reise nicht dauren lassen / und mich morgendes Tages besuchen: durch was vor Gelegenheit / stell ich ihm frey; halte doch /daß es am sichersten und geheimsten allein / und als im vorbey reiten / geschehe. Ich könt ihn zwar dieser Mühwaltung / durch schrifftliche Erklärung / befreyen: weiln ich aber kaum meinen Mund / viel weniger der Feder traue / und gleichwol die Sache / keinen fernern Verzug / leiden will: als erwarte ich eurer Gegenwart / mit so grosser Ungedult / daß ich die Sonne der Faulheit /
Eurer beständigen Freundin:
Macarien.
Was wird nun Polyphilus sagen / wann er diesen Brief überkommt? O der unglückseligen Stunde / die ihm / von Macarien / eine solche Botschafft / bringen soll. Wie? wünschet Macarie / ihrer Freundschafft /schon ein fröliges Ende / die kaum einen Anfang gewonnen? Ach! Polyphile! wie wirst du dich so elendiglich gehegen? Wie unsäglichen Schmertzen wird deine geängstigte Seele außstehen müssen? Ach! daß du an den Winden fahren / und in der Lufft fliehen köntest / daß du / den Augenblick / bey deiner Macarien wärest / um zu vernehmen / was dich von ihr scheiden werde. Ist dann dein Unglück / zugleich mit deiner Liebe / gepflantzet / daß es gleich mit ihr aufgehet? Oder wollen dir die Unsterbliche nie einen glück-reinen Blick gönnen? Wie bist du denn allein unter den Sterblichen / der keine Freud ohne Leid /und mitten in seiner höchsten Glückseligkeit / die allerunglückseligste Verbitterung / schmecken müsse? Wie lang wird sich deine erschrockene Seele / in den ertödteten Gliedern / noch regen? Wie lang wirst du /dich selbsten zu quälen / noch
Es war schon finstere Nacht / und die Thor verschlossen / da er die schmertzhaffte Post überkam: Gleichwol fieng er an / ohne Zweifel / aus hochbetrübtem Hertzen / das gemeiniglich / seinen Irrthum /denen Unerschrockenen / zu belachen gibt: Servete! sattle das Pferd / ich muß reiten. Servetus / auch Agapistus und der Sohn Melopharmis / sahen ihn / fast mit einem Gelächter / an / und erinnerten ihn der Nacht / auch der verschlossenen Thore. Doch / wie Servetus willig war / auch aus der Veränderung seines Herrn vernahm / daß es was wichtiges seyn müsse /folgte dem Befehl. Inzwischen entzog die zufallende Ohnmacht die Kräßte Polyphili / daß er zur Seiten wiche / und
Etwas wurde wohl Polyphilus / durch diese Wort /getröstet: aber so nichtig sie waren / so wenig konte auch sein Hertz einige gewisse Freude darauf bauen. Doch was solt er machen / er muste dißmal die Gedult annehmen / ob sie gleich noch so bitter in ungewisser Hoffnung und zweiffelhaffter Forcht zu ertragen war. Die Mannigfaltigkeit der Gedancken / die sein Hertz und Glieder fast sehr ermüdet hatten / zwungen ihn endlich zur Ruhe. Aber wie solte der ruhen / der in der höchsten Unruh gefangen ligt? Die Augen nahmen zwar den Schlaf an / aber das Hertz erschreckte ein solch Bild / das den Augen nicht verdrüßlicher hätte vorkommen können. Dann er befand sich zu Pferd in einem Walde / allwo seine
Aber mir nicht / sagte Polyphilus darauf / dann ehe wolt ich mich selber dem Greiffen vorwerffen / und fressen lassen / ehe dann er meine Liebste verzehren solte. Es gedachte Polyphilus dem allen immer schärffer nach / hielt es doch vor Phantasey / weil er sich nichts solches zu beförchten glaubte; biß die Morgen-Röthe anbrach / da er fort reisen wolte / und zuvor den Brief seiner Macarien / nachmaln durchsahe. Da stosste ihn / die Erinnerung des Nacht-Bildes / ans Hertz / daß er in den Schrecken gerieth / es werbe ein anderer um Macarien: welche Angst / weil sie mit der Warheit je mehr und mehr verstärcket wurde / das Hertz Polyphili in solche Bestürtzung führete / daß er der Zeit kaum erwarten konte / die ihm seine Macarie zu sehen / und zu sprechen geben würde.
Viel Verhinderungen kamen / so hier / so dort /darzu / die sein Verlangen aufhielten / deren wir aber / damit wir nicht / gleiche Strafe / mit Polyphilo /leiden / jetzo verschweigen wollen / und bloß melden / was die erste Wort gewesen / damit Polyphilus sein Verlangen begrüsset. Die lauteten also: Was für
Diese Wort / wie sie verworffen sind / also wurden sie auch von Polyphilo herfür gebracht / und mit unaufhörlichen Küssen und Drücken begleitet / die dann das Hertz der Macarien so bewegten / daß sie bey sich beschloß / Polyphilum zu lieben / und wann die gantze Welt ihr widerstrebte. Durch welche Wort / weil der Mund / den Schluß des Hertzens / öffnete / Polyphilus fast verneuert wurde / und eine andere Besinnung / in sich / herrschen ließ / die bedacht war / wie sie diesem Unheil listiglich vorkommen könte. Er konte aber nichts berathen / bevor er nicht wuste / wer der Greif wäre / so ihm seine Macarien geraubet: Vielleicht / sprach er / soll ich ihn / wie diesen erwürgen. Darzu er so fertig / als willig war.
Polyphilus / mit tausend Gedancken begleitet / reitet wieder auf Sophoxenien zu: Macarie / mit noch so viel Kümmernus / erfüllet / bleibet in ihrer betrübten Einsamkeit / und erwartet allda / ohne Erwarten / der allzufrühen Ankunfft / des verhassten Evsephilisti: welcher / so bald er vernommen / daß Polyphilus bey Macarien gewesen / sich wohl von einem Eyfer dörffte erzürnen lassen / der Macarien fragte / was er da gethan / und mit ihr geredt? Ja wohl gar; ob sie mit ihm in Verbündnus der ehelichen Lieb stehe? Ach! hätte Macarie diese Grobheit / mit einem lautern Ja /beantwortet / was wolte der Unverstand entgegen gesetzet haben? Aber die
Das ist / in Warheit! Wunders werth / und eine Prob noch so grosser Einfalt / daß er den Widerwillen Macarien nicht merckte. Etwa hat er ihm eine Lieb von Macarien eingebildet / wie sich jener Frosch dem Elephanten gleichete. Oder es hat ihn der Wahn verführet / Macarie müsse sich seelig preisen / daß sie so einen vornehmen Liebhaber überkommen / da sie / so lang es währet / oder wolt ich sagen: Die Zeit ihres Lebens (denn so muß man reden / wann man freyen will) im hohen Glücks- und Ehren-Stand leben / und an allem volle Gnüge / ja! noch 14. Metzen drüber /haben könne. Dann so zeugen die Reden / die ihm auch nicht einmal einen Zweifel machten / an ihrer Gewogenheit. Dannenhero redete er schon / mit gar zu bunter Höflichkeit / von dem Braut-Bett / von der Hochzeit / und von weiß nicht was: daß Macarie ihre Augen niederschlug / und sich schämete / daß sie sonst in allen Zierlichkeiten / aber in der bunten Höflichkeit nicht erfahren wäre: Dann sonst ist kein Zweifel / sie würde die Vorschläge beantwortet haben.
Beschreibet den Blut-Rath Polyphili / so er über Evsephilistum beschlossen / und wie er selbigen der Macarien entdecket / auch wie bestürtzt diese antwortet; dann endlich / wie sich Polyphilus betrogen: Lehret die anfeindende Laster / in hohen Trübsalen / die mehrentheils / mit der vergifften Süsse / der Verzweiflung / zu locken pflegen.
Wir wollen aber / unser Zeit / nicht mit ihm / verderben / sondern wieder zum Polyphilo kommen / und sehen / was der vor Rath erfunden. Alsbald er zum Agapisto kam / eröffnete er ihm / aber unter dem Pfand der Verschwiegenheit / was ihm Macarie vertrauet: welcher / wegen der Rede / so Macarie mit ihm vom Polyphilo gehalten / noch immerdar einen Zweiffel / an ihre Beständigkeit / setzte / und sonderlich in dieser Begebenheit / da er vermeyne / Macarie wolle ihn / mit Höflichkeit / und als gezwungen / abweisen /weil aus allen Reden zu schliessen / daß sie Evsephilistum mehr liebe / dann ihn / und was sie ihm mehr erweise / sey eine verfälschte Befriedigung seines Begehrens. Diese Rede setzte Polyphilum in solche Bestürtzung / daß er nicht wuste / was er dencken solte. Wurde gezwungen / Melopharmis / die seine endliche Zuflucht war / in aller Noth / um Rath zu fragen /welche / nach erkundigter Sache / keine bessere Erlösung ausdencken konte / als daß Polyphilus
Was thut aber der Leid-tragende Agapistus? Er sinnet hin und wieder / kan aber nichts fügliches ersinnen / biß er endlich den Rath Melopharmis / vor gut erkannt / dafern er nur klüglich vollbracht werde. Drum sprach er: Mein weniges Bedencken ist das /wie wir Macarien ausser Schrecken und
In was Schmertzen / mein geängstetes Hertz / sich befinde / zeugen genugsam diese gebrochene Wort / die mit tausend Seuftzern / aus dem / von heisser Pein brennenden / Grund heraus quillen. Und weil ich keine Stunde / ohne ihr Andencken / vollbringen kan /auch keinen Schlaf / viel minder einige Freude und Wohl-seyn / bey mir / empfinde; es sey dann / daß ich entweder ihre Gegenwart mir betrüglich vorstelle /oder sonst meinen Gedancken die willige Freyheit gönne / auf die Erlösung unsers / ach! wie grossenPolyphilus ein Schwerdt tragen / das sich nicht freuete /wann ihm der angenehme Befehl ertheilet würde /seine Liebste zu retten? Mord und Tod soll entweder mich in Evsephilisti; oder ihn / in meine Stelle setzen: Dann das Leben ist uns nur schädlich. Ich weiß /Hertz-vertraute! daß sie sich hierüber betrüben wird /und erschrecken: Doch nein / liebet sie getreu / wird sie das ehe fördern / als hindern. Da sie aber ihrem rühmlichen Namen / den sie allezeit vor alles geschätzt / dieses zu wider zu seyn glaubet / so bleibe sie beständig / und lasse sich / weder durch Macht /noch List / verleiten / dann ich ihr verspreche / daß /wann sie will / und mir lieb-gebührend beystehet /mein geringer Verstand allbereit einen solchen Rath erdacht / der uns aufs nächste erlösen wird: der gütige Himmel gebe ein solches Werck / als die Hoffnung verspricht. Solte derowegen der Unwürdige / sich ferner / die jenige zu bestreiten / unterwinden / deren er schuldiger zu dienen wäre / und glückselig genug /wann er von ihr / mit Höflichkeit / unterwiesen würde / wie er sein unverschämtes Beginnen hindern solle; solte der / sag ich / seine grobe Künheit weiter zu üben / nicht unterlassen / habe ich auch dem ein Gebiß einzulegen beschlossen / doch so / daß es
getreuen
Polyphilum.
In was Verwirrung Macarie / durch diß Brieflein / geführet / können wir nicht besser / als aus ihrer eigenen Antwort vernehmen / die wir daher setzen wollen. Das müssen wir aber zuvor bemercken / daß Polyphilus / der getreuen Macarien / nicht wenig Unrecht gethan / in dem er ihr Hertz / in dem Argwohn einiger Falschheit / oder Liebe gegen Evsephilistum / behielt: das vielmehr Tag und Nacht darauf bedacht war / ein Mittel zu ersinnen / wie sie sich von jenem befreyen könne. Die Antwort aber war diese:
Ihr könnet leicht schliessen / daß ich euer verlangtes Brieflein be gierig erbrochen
Eure beständige Freundin
Macarie.
Jetzt wird ja Polyphilus zu frieden seyn / weil er so theure Versprechungen überkommen; nun weiß er ja /daß Macarie sein ist / und sein seyn will / dafern sie nur beyde einen Rath erdencken können / der ihr Verlangen beseeliget: und daran fehlets Polyphilo auch nicht. Aber / O du unglückseliger / in dem höchsten Glück / und in der grösten Freude / Höchst-betrübter Polyphile! du köntest dich freylich den seeligsten /durch die gunst-geneigte Gewogenheit / so wohl des viel-gütigen Himmels / als deiner Treu-liebenden Macarien / grüssen / wann nicht deine Glücks-Fahne / so offt sie sich außbreitet / das Creutz der Widerwertigkeit zeigete. Kaum hatte Polyphilus / mit den erfreulichen Worten / seine Traurigkeit in etwas gemindert /als Melopharmis / mit so erhitztem Gang / auf ihn zulief / daß ihr
Solte wohl ein Donner / so mächtig er auch seinen Strahl führen könte / das / was er anfasset / in so viel Stück zertrümmern / als die Freude Polyphili zerschmettert / mit Schrecken / dahin fiel. O falsche Macarie! das war das erste Wort; Untreue Macarie! Macarie! du Prob alles Betrugs! aller Verführung! Ach! Agapiste! du bester meiner Freunde! Warum hab ich dir nicht gefolget? Warum hab ich dir nicht geglaubet? O Lasterhaffte Betrügerin und betrügliche Laster-Seele / die den Leib Macarien regieret! Ach Melopharmis! getreue Melopharmis! sehet doch / leset doch / was die verlogene Hand an mich geschrieben. Wo ist ein grösserer Betrug / als der Weibliche! Ach! du beständiges Hertz Polyphili / solt du mit solcher Untreu belohnet / oder vielmehr verworffen werden? Rehmet doch hin Melopharmis diesen Brief / und erschrecket über das Lasterhaffte Beginnen deren / die wir vor eine Tugend-Göttin geehret.
Melopharmis durchsahe die Schrifft / und da sie fast zum Ende kam / sprach Polyphilus: Das ist der Betrug / daß ich Soletten meiden soll / damit ich nicht erfahre / wie sie mit bösen Tücken umgehet. Aber wart Greiff / ich will dir biß auf den Felsen folgen /du solt meine Klinge fühlen. Ja / sprach Melopharmis / thut das Polyphile / aber handelt mit
Beschreibet den Gegen-Rath Agapisti / und wie Polyphilus streit-rüstig auf Soletten ziehet / aber von Macarien / mit der Wider-Rede seiner nichtigen Einbildung / begütiget und erfreuet wird / in dem sie ihn vor allen und ewig erwählet: Lehret die endliche Vergnügung der Tugend / die / so widerwertig auch das Glück spiele / dennoch ewig beglücket bleibet /und ohne Ende.
Agapistus hörte diesen Rath / mit zittrendem Hertzen / an / und suchte Polyphilum mehr zu begütigen /als der sich höher düncken solle / dann daß er sein Schwert zucke gegen dem / der ihm nicht Widerstand thun könne / auch seinen Tugend-Wandel nicht beflecken / durch die Er werbung eines Lasterhafften Weibsbildes. Aber es war bey Polyphilo aller Schand und Tugend vergessen
Da nun gedachter Agapistus merckte / daß alles vergebens war / dachte er auf andere Art zu helffen /und fiel ihm eben zum grossen Glück bey / daß er anfieng: Wann ihr dann / Polyphile! dieses aus Liebe gegen Macarien thut / so lasset euch diese letzte Bitt noch / um derentwillen / begütigen / und höret meinen Rath / der euch nicht mißfallen wird. Ich glaube nicht / daß diß Geschrey wahrhafftig ist / sondern eine Lufft-Rede. So folget der Erinnerung Melopharmis: und kommt zuvor / mit Sanfftmuth / zu Macarien / um zu vernehmen / wie die Warheit stehe. Besinnet euch aber dabey / daß ihr sie / mit eurer unverhofften Gegenwart / nicht erschrecket / noch der eyferigen Bitte /in diesem Brieflein verfasset / ungehorsamlich widerstrebet: sondern entschuldiget eure Ankunfft zuvor /mit einem Brieflein / welches ihr vor euch hinschicken könnet; hernach nehmet fremde Kleidung an / daß ihr nicht erkannt werdet / und richtet euren Weg dahin / daß ihr / mit spätem Abend / in die Insul kommet / damit ihr / ohne Wissen einiges Menschen / sie sprechen möget: Auf solche Art / könnt ihr eurer Forcht / und ihrem guten Gerücht helffen. Nach dem /als nun der Bescheid lauten wird / könnet ihr euch versehen / den Greiffen zu fangn / oder zu erwürgen.
Polyphilus that allerdings / wie Agapistus sagte /und nahm Gennadam / einen aus dem Adel / von Hof / der ein frisches Hertz hatte / zu sich; Dann Agapistum dorffte er nicht mit / gen Soletten führen / weil er dort bekannt war / und Polyphilus an
Nun erkenne ein jeder / was vor Thorheit die Liebe begleite / und wie wir Menschen / von einem Laster in das ander / geführet werden. Wer hätte / vor dem /einen solchen Blut-Rath bey Polyphilo suchen sollen? Aber das hieß die Verzweifflung / das gebot die Vergessenheit sein selbsten. Der Rath ist geschlossen /und wurde der Anfang der Erfüllung / mit folgendem Brief an Macarien / gemacht:
Weil ich nicht gestatten kan / noch will / daß sie der Greiff raube; ich aber in glaubwürdige Erfahrung bracht worden / ob solte morgen die Werbung und Versprechung / durch gebührende Mittel / geschehen; als bin ich entschlossen / mit einem zwar unbekanten / aber doch getreuen Freund / noch heut / in später Nacht / sie zu besuchen / entweder
getreu-beständiger
Polyphilus.
So bald der Brief verfertiget und verschlossen / wurde er Talypsidamo zugeschickt / mit der Erinnerung /daß Polyphilus heute bey Macarien seyn werde in fremder Bekleidung / aus Ursach / die
Nunmehr war es eben Zeit / daß er fortreisete / so lasst uns erst seine Kleidung besehen. Sein Antlitz verstellete ein schwartzes Haar / und den Leib bedeckte ein langer Rock / mit geschürtzten Hosen. Die Seiten bewahrete das Schwert / welches dem Evsephilisto den Tod drohete. Seine Arm waren umwunden mit Banden / deßgleichen der Leib / indem die Seele /mit Gifft und Grimm gebunden lag. An dem Halß gieng ein gespitzter Flor herunter / biß über die Brust / und die Füsse waren / mit dem Leibe / in gleicher Verkleidung / alles solcher Art / daß mans an Polyphilo nie gesehen / und also eben wenig erkennen konte.
So fähret er nun auf Soletten zu / Blut zu holen. Denn das waren seine Reise-Gedancken / der erste Anblick Evsephilisti / soll der Pulver-Blitz; der erste Gruß / der Kugel-Donner; und die Reverentz
Talypsidamus erschrack über die hefftige Bewegung / der halb-grimmigen / Halb-betrübten Macarien / und tröstete sie / daß er von niemand würde erkannt werden / auch in einem gantz fremden Gast-Hof einkehren / da man ihn nie gesehen. Als Talypsidamus noch so redet / kommt Gennadas / die Ankunfft Polyphili zu verkünden. Was vermag die mächtige Liebe nicht? Da Macarie hörete / Polyphilum so nahe zu seyn / vergaß sie alles Leids / und wünschte ihn nur zu sehen.
Wir wollen uns nicht aufhalten / in Beschreibung aller deren Umstände / die sich so lächerlich / als kurtzweilig begeben / in dem er den Wirth / da er eingekehrt / um Macarien fragte / und die Antwort überkam / daß sie in Liebe lebe / mit einem von Sophoxenien / Namens Polyphilum; dessen Person er / dem Polyphilo selbst / von Haupt biß zu Fuß / beschreiben muste / auch seine Tugenden und Mißfälligkeiten
Polyphilus wuste nicht / was er dencken / was er glauben / was er antworten solte; so bestritte der Zweifel alle seine Sinne / daß er fast einfältig fragte: So wird Macarie morgen Evsephilisto nicht versprochen / nicht vertrauet? Das Macarie nicht mehr mit Worten bekräfftigen / sondern in dem Werck / zu erweisen suchte. Deßwegen sie ihn anfassete / und den endlichen Schluß / so wol ihrer Liebe / als dieser Beschreibung des ersten Theils / mit einem Kuß versiegelte / und mit der Hand gelobte / daß / ausser Polyphilum / keiner ihrer Liebe geniessen / viel weniger ihr Liebster heissen solte. Darum ihr / Polyphile! sprach Macarie / zu frieden seyn / und die Zeit unserer fernern Ehe-Vergnügung benefien / und alles nach eurem Gefallen anstellen möget / dann ich bin Eure /und ihr seyd Mein. Nun dörfft ihr öffentlich lieben.
Polyphilus / im höchsten Grad der Freude / hertzte
So nehme nun Polyphilus seine Macarien / und lebe mit derselben / in solchem Segen / wie ihrer beyder Tugend verdienen. Geniessen auch so grosses Glücks / als viel sie Unglück erlitten / und werden /nach so langwürigem Regen / von den gnädigen Göttern / nun mit einem immerwährenden Sonnenschein /das ist / Glück und Ehre / bestrahlet. Sie leben in Friede / und geniessen ihrer Lust / in Ruhe. Das wollen wir ihnen zwar hie wünschen / wird aber nach vieler Unglücks-Bestürmung (davon der andere Theil ein mehrers berichten wird /) erfüllet werden. Andere aber mercken / an dem Exempel Polyphili / Kunst und Tugend zu erringen / und lassen sich / durch die rauhe Wege / nicht hindern / noch von der begleitenden Widerwertigkeit / abschrecken / sonderen / siegen mit Polyphilo / werden sie auch mit ihm gekrönet werden. Und welcher das erlittene Unglück Polyphili
So löblich / billig / und nützlich es ist / wann kluge /geschickte und erfahrne Manns-Personen / ihre herrliche Gaben / in schönen Büchern ans Liecht stellen /und durch zierliche Beschreibung der Wissenschaften und Tugenden ihre gelehrte Frömmigkeit der offenen Welt zu lesen geben / so vermessen und sträfflich scheinet es hingegen / wann Weibliche Hände / die (weiß nicht / soll ich sagen von Natur / oder aus einer unbilligen Gewonheit) zu öffentlichen Schrifften in gemein untauglich gehalten / und mehr der Erlernung / als Unterrichtung der E. Hoch-Fürstl. Durchl. hohem und gerechten Urtheil. Weil mich aber / der Gehorsam gegen unsrem Schäfer-gelübde / auch in so scheinbares Verbrechen gewickelt / habe ich / solches zu entschuldigen / und von einer schnellen Verdammung zu befreyen / gegenwärtige / zwar kühne / doch unterthänigste Zuschrift erwehlet: nicht etwan einiger Ungerechtigkeit / unter E. Hoch-Fürstl. Durchl. theurwürdigstem Namen /die Sicherheit Durchleuchtigsten Heldin / keine Gefahr der Niederlage. Weil nun / ein kühnes Beginnen / eines grossen Schutzes vonnöten hat / als hat sich auch meine übel-aufgeputzte Macarie / nicht anderst / als unter E. Hoch-Fürstl. Durchl. mächtiger Beschirmung / vor das angesicht der tadelsüchtigen Welt wagen wollen. Nächst deme / Durchleuchtigste Prinzessin / habe ich E. Hoch-Fürstl. Durchl. mein einfältiges Zuruf-Gedicht bey dero höchst-verlangten Ankunft und Hoch-Fürstl. Heimführung /aufgenommen / zu dem Saum dero Rockes legen sollen. Was Dorilis damals über Verdienst genossen /dessen suchet die dankbare Macarie / hiermit ein unterthänigstes Preis-Andenken zu stiften: der unterthänigsten Hoffnung / es werden E. Hoch-Fürstl. Durchl. wie den Glückwunsch / also auch die Danksagung / ihrer gnädigen Augen würdigen. Ein Weg /der einmal sicher betretten worden / machet auch das andere mal eine glückliche Reise hoffen. Und wo solte die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie billiger Herberge suchen / als bey E. Hoch-Fürstl.
Durchl. die da / so zu sagen / ein Meer sind / darein alle Flüße und Bäche der Tugend und Weißheit zusammen geflossen. Macarien Hirtenstab / suchet hohen Obschutz unter
E. Hoch-Fürstl. Durchleuchtigkeit /
als meiner gnädigsten Fürstin und Frauen
Obwol die Edle und schöne Tugend / wegen ihrer Vollkommenheit und Würde / billig / von allen Menschen der Welt / solte geehret / geliebet und bedienet werden / so sihet man doch öfters / wie die törichte Sterbliche / dieses Göttliche Kind verjagen / die Thür ihres Hertzens vor derselben zuschließen / und an ihrer stat / den schänd- und schädlichen Lastern / als ihren ärgsten Todfeinden / herberge geben: daß also die verlassene Tugend gezwungen wird / zuweiln ihre gewönliche Ehrwürdige Kleidung auszuziehen / und in einem bunten und frölichen Rock zu erscheinen /damit sie / in so fremdem Habit / von den verblendten Seelen eingelassen werden / und dieselben / als ihre eigentliche Wohnung
Polyphilus kehret von Soletten wieder nach Sophoxenien / besinget die Treue seiner Macarie. Talypsidamus lässt ihn zu einem Gastmal nach Soletten ersuchen: Das ihm von Atychintida widerrahten wird. Sein Schreiben deßwegen an Macarien / und seine Klage. Der Macarie Gedancken hierüber.
Es hatte das Gold-gläntzende Wolken-Liecht / mit seinen durchdringenden Stralen / nunmehr seine Pfeil-geschwinde Reise wieder zu rück genommen / und dem Hitz-ermattenden Sommer das Ende / dem Frucht-bringenden Herbst aber den Anfang gesesetzet. Des Ackermanns Hoffnung schiene mehrentheils
In einer Löwenhaut war er daselbst ausgezogen /und in einem Lammsfell kehrte er wieder dahin. Feindseeligkeit hatte er gesuchet / aber Liebe gefunden. Welcher angenehmer Wechsel ihm dann dermassen vergnügte / daß er sich selbst vor den Seeligsten unter der Sonnen / und seinen Sieg für unvergleichlich schätzen dürffte. Ach / beglückter Polyphilus! (sagte er wider sich selbst /) welche Zunge wird die Hoheit deines Glücks ausreden / oder die Herrlichkeit deines Siegs genüglich erzehlen können? Alle Gefahr ist nunmehr überwunden / Eusephilistus verjaget / Macarie gewonnen und deiner vielfältigen Kriege erwünschte Beute worden. Es muß der prächtigste Uberwinder deinem Siege weichen / hätte er auch die vesteste Schlösser und gewaltigste Städte erobert /und könte tausend Gefangene im Triumfe führen: Weil doch seine
Aber / sieghaffter Polyphilus! wie viel Bestreitungen hat deine Liebe überwunden / biß sie den verlangten Preis erlanget? Wie manche tunkle Wolcken hat dein Verlangen benebelt / ehe sich das fröliche Angesicht der Sonnen wieder gezeiget? Und was vor stürmende Winde haben deine Begierden verfolget / ehe sie den erwünschten Port erreichet? In Warheit / die Unbeständigkeit des wankenden Glückes / pfleget sich am allerkräfftigsten in der Liebe zu zeigen / und die Verliebten / wie einen Ballen / bald auf / bald nieder zu werffen. Welcher Liebhaber kan sich rühmen /daß er allezeit ergötzet / und niemals betrübet worden? Solte ich die Zufälle meiner Liebe erzehlen /müste ich gewißlich bekennen / daß sie mir mehr Wermut als Hönig zu kosten gegeben. Aber euere Freundlichkeit / allerschönste Macarie! ist kräfftig gnug / auch die vergallteste Bitterkeit zu versüssen /und das angenehme Küssen eures holdseeligsten Mundes / ist würdig / deßwegen die peinlichsten Schmertzen zu dulten. Ach allergetreuste Macarie! eure Beständigkeit ist weit grösser / als ich habe glauben oder hoffen können. Wie ungerecht habe ich doch eure Tugend in Zweiffel gezogen! wie unbillich habe ich euch wegen Wanckelmut angeklaget! welche Straffe wird meine Vermessenheit aussöhnen? Ach vergebet / allersanfftmütigste Macarie! nach eurer angebornen Güte / die Lästerung / welche der ergrimte Eyfer / aus meinem unbedachtsamen
Mit diesen Worten ergriffe er die Feder / und setzte / seiner Macarie zu Ehren / folgendes Lied.
Nachdem das Gedicht verfertigt / wolte er solches /neben einem Gruß-Brieffein / an seine Macarie senden. Weil aber der Uberbringer noch mangelte / muste er es / biß auf bequeme Gelegenheit / beyseits legen. Also nahme er ihm indessen vor / den Anfang und Fortgang seiner Liebe / auch deren Glück- und Unglücks-Fälle / einem besonderen Buch einzuverleiben / damit er also die. Zeit mit seiner Macarien Gedächtnus zubringen / und ihre Abwesenheit desto gedultiger ertragen möchte.
Als er nun etliche Tage / in solcher verliebten Arbeit zugebracht / und noch in dieser beliebten Bemühung begriffen war / kam des Talypsidamus Diener /und berichtete ihn / neben einem schönen Gruß von Macarien / wie sein Herr gesonnen sey / seiner jährlichen Gewonheit nach / künfftigen Morgen ein Gast-Mahl anzustellen / und die Vornehmsten der Insul Soletten darzu einzuladen: liesse demnach den Polyphilus dienstlich bitten / seiner geringen Wohnung / (zuvorderst aber dieser geehrten Gesellschafft) seine Gegenwart zu gönnen; er hoffe / durch diese Gelegenheit / allem heimlichen Haß ein Ende zu machen / und ihn mit den Solettischen Inwohnern völlig auszusöhnen. Ob nun Polyphilus / auf diese Botschaft / in zweiffelhaffte Gedancken gerahten / stehet leicht zu vermuten. Aussenzubleiben war beschwerlich / wegen der Liebe
Dann als Polyphilus den Diener zu speisen befohlen / verfügte er sich zu der Königin / erzehlte derselben des Talypsidamus ansinnen / und bate höflich /ihme zu erlauben / daß er dieser Frölichkeit beywohnen möchte. Die Königin / welche eine heimliche Liebe zu Polyphilo / und einen stillen Eiffer gegen Macarien truge / wolte dieses Vornehmen mit List hintertreiben / und antwortete gar freundlich: Mein Polyphilus! Ich zwar will diese Reise nicht verbieten /würde es auch mit keinem recht thun können / sondern viel lieber euere Freude befördern. Allein / ich bitte / erinnert euch doch / in was Gefahr ihr euch ohne noht begebet. Der Solettischen Inwohner Grimm ist euch mehr als bekant; und wie wenig eine rechtmässige Entschuldigung bey ihnen gelte / hättet ihr mit Verlust eures Lebens empfunden / wo nicht die Güte des Himmels einen wunderbaren Weg zur Errettung gefunden hätte. Talypsidamus zwar meinet es /wie ich hoffe / aufrichtig / und ist in diesem Beginnen zu loben. Aber wie offt zerschlägt das mächtige Glück auch die allerklügste Erfindungen? Wie leichtlich kan dieser wolgemeinte Raht mißlingen / und in eine grausame Blutstürtzung oder langwütige Gefängnis ausschlagen. Benehmet mich
Allerliebstes Kind! Ich lebete zwar der festen Hoffnung / es werde die Gewogenheit des Gunst-färtigen Glücks mir / durch bevorstehende Gasterey / Gelegenheit erwerben / entweder mein lieb-brünstiges Verlangen / durch dero gegenwertige Begrüssung zu befriedigen / oder sonsten die Bitterkeit der vielleicht nicht so gar unnötigen Furcht / so bey mir eingeschlichen ist / durch die selbste Erkundig ng zu versüssen: da vielleicht aus bewuster Person reden / und gegenwärtiger Bezeigung
biß in den Tod treu-verbundenen
Polyphilus.
Polyphilus aber / gieng verwirret in seinem Zimmer auf und ab / sein Verhängnus beklagende / das ihme einen Weg zu Macarien gezeiget / und doch selbigen nicht betretten liesse. Ist es auch recht / (sagte er) daß du der Königin gehorchest / und deiner Liebe widerstrebest? Törichter Polyphilus! wem bistu höher verbunden? soll Atychintiden Hochmut mehr gelten / als deiner Macarie Freundlichkeit? Pfuy der Schande! Wie / wann sie durch dein Aussenbleiben erzürnet /den Eusephilistus an deiner statt wehlete? Würde sie dir auch unrecht thun? Und wie könt er gelegener als anjetzo ernden / was ich mit so grosser Mühe gesäet /und der Gunst geniessen / welche mir das neidische Glück versaget? O du verfluchtes Weib! muß dann dein unbesonnener Eiffer eine Ursach meines Verderbens werden? Eben aber / als er noch so klagte /wurde er durch Serveten zu der Königin beruffen; die seinen Widerwillen bald
Diese kriegte / nach des Polyphilus Abschied / mit mancherley Gedanken. Bald gereuete ihr das geschwinde Versprechen / welches sie dem Polyphilo gethan / und bedachte / was vor Ungelegenheit daraus kommen könte. Bald schreckte sie des Eusephilistus Liebe / die sie je mehr und mehr wachsen sahe. Sonderlich aber erweckte ihr des Talypsidamus Gasterey neue Sorge / in dem sie befürchten muste / es möchte Polyphilus / von dem sie kein Aussenbleiben vermutete / mit Eusephilisto / der sich ihrer Aufwartung ungescheut annehmen würde / zu streiten kommen / und also den Gästen ein blutiges Schau-Essen auftragen. Wie sie dann deßwegen ihr vornahm / dieser Malzeit nicht beyzuwohnen / und ihr Abseyn mit einer angemasten Unpäßlichkeit zu entschuldigen.
Als sie noch in solchen Gedanken begriffen war /kame des Talypsidamus Diener / und brachte des Polyphilus Brief / mit dem Gedicht und geschriebenen Buch. Macarie / so bald sie den Botten ersehen / fragte behend: wie gehts dem Polyphilo: wird er zur Malzeit kommen oder nicht? Er ist es zwar (antwortete der Diener) willens gewest / geehrte Macarie! allein /die Ankunfft etlicher fremden Gäste zu Sophoxenien /hat seinen Vorsatz unterbrochen / daß er sich also mit ihrer Bedienung entschuldigen muß. Macarie / die bald merkte / daß dieses eine fremde Ausrede / erschrack / und
Aber nach dessen Abschied erbrache sie den Brief /in Hoffnung / gewissere Nachricht zu erhalten / wie auch geschahe. Dann / als sie sahe / daß Atychintida diese Reise verhintert / und leicht errahten kunte / daß Eifer und Liebe die Ursach war / sagte sie mit lachendem Munde: So muß uns dann / liebster Polyphilus! einerley Unglück quälen / und unsere Liebe immer eine fremde Liebe hintern? O törichtes Beginnen / von so einer klugen Königin! Weiß sie dann nicht / daß die Liebe eine Tochter des freyen Willens ist? Gezwungene Liebe ist keine Liebe / sondern äusserliche Falschheit / und innerliche Feindschafft. So ist auch /die verliebten hintern / eine vergebliche Arbeit: und kan der listige Cupido / mit seinen verbundenen Augen mehr Gelegenheit ersehen / als zehen andere /mit offnem Gesicht verbieten können. Aber bleibet nur / Polyphilus! bey eurer Königin / und überlasset mir den Eusephilistus / welcher gleichwol noch liebwürdiger ist / als Atychintida. Und das ist vielleicht die Ursach / daß euer Brieflein mit so vieler Bitte und Erinnerung angefüllet ist. Ach nein! Polyphilus! Die Furcht ist bey euch viel grösser / als die Gefahr. Ich begehre dieser Frölichkeit / ohne euch / nicht zu geniessen. Etwan hat der Himmel selbst diese Verhinterung befördert / dadurch grosses Unglück zu verhüten. Ich will der Königin eure Gegenwart gern gönnen / weil ich doch weiß / daß mit genötigten Hunden übel jagen ist / und indessen meine Gedanken in eure Schrifften führen.
Polyphilus führet seine Klage / im Wald / und unterredet sich mit dem Gegenschall / empfähet Macarien Antwort-Schreiben / und lässt darüber Freud-Worte schiessen. Sein Streit-Gespräche mit der Atychintida / von Macarie / und Schutz-Rede ihres Lobes. Seine Abreis-Entschliessung.
Polyphilus hatte / seine Einsamkeit zu kürtzen / und der noch übrigen Herbst-Lust zu geniessen / einen Spatzirgang erwchlet / und als er in demselben sahe /wie der neue Blumenstürmer den Feldern ihr grünes Kleid auszuziehen / und den Bäumen nicht allein ihre Früchte / sondern auch ihre Blätter abzuschütteln begunte: erinnerte er sich alsobald / wie er mit ihnen in gleichem Unglück lebte / weil er seiner Macarien /wie diese ihrer Zier / beraubet seyn muste. Ach! sagte er / schönste Macarie! wann wird mich das Glück so hoch würdigen / Eurer liebsten Gegenwart hinwieder zu geniessen? Ist es auch müglich / daß ich euer Abseyn länger mit gedultigem Hertzen ertrage? Diese entkleidete Felder / und entblöste Bäume / haben doch Hoffnung / sich / so bald der graue Winter vorbey /aufs neue auszuputzen: Aber wann habe ich Hoffnung / durch eure stäte Beywohnung gezieret zu wer den? Ihr habt zwar / mich einig zu lieben / verheissen: aber wer weiß / ob nicht meine Abwesenheit / als die ärgste Feindin der Liebe / solches
Kaum hatte Polyphilus diß Wort geendiget / als er von fern einen Knaben auf sich zu eilen sahe / und bald erkennte / daß es Servetus war. Er gieng ihme entgegen / und fragte um die Ursach seiner eilenden Ankunfft. Dieser zeigete ihm den Brief von Macarien. Polyphilus / der die Hand geschwind erkante / als er den Brief ersehen / ward sehr erfreuet / und als er Serveten beurlaubet / sagte er: Du edle Nymfe / hast doch noch recht / daß ich heute von meiner Liebsten Schreiben erhalte.
Mein Kind!
Wie die Kräffte eures Verstands sich in allen Stücken herrlich erweisen / also bemühen sie sich sonderlich / durch die überschickte Liebes-Beschreibung sich verwunderlich zu machen. Dann je mehr ich eure kluge Erfindungen lese / je mehr ich mich in sie verliebe: also / daß ich billich mein Unglück zu beklagen hätte / wann ich / durch euren Verlust / auch dieser verhofften Ergötzung / die ich allezeit vor das gröste Kleinod gehalten / beraubt seyn solte. Dann ob gleich die einfältige und mangelhaffte Macarie / bey weiten so hohen Ruhm nicht verdienet / als ihr eure Höflichkeit beyleget / so ist sie dennoch eine Probe gewesen /daran sich euere subtile Vernunfft dergleichen Stärcke gebrauchet / daß ihr bey solchen Jahren keine zu vergleichen stehet. Derowegen ich ihr billich den Sieg überlasse / und wie euere Seele die meine beherschet /also auch von deroselben edelsten Theil / überwunden zu seyn / vor meine gröste Ehre schätze. Indessen nehmet freundlich auf den schuldigen Dank / welchen ich eurer schönen Hand / und verliebten Feder / vor ihre vielfältige Bemühungen / überreiche / biß ich von dem gütigen
Mein Kind!
Seine gantz ergebne
Macarie.
Polypbilus! als er den Brief durchlesen / erstaunete fast vor Verwunderung und Freude. Freude machte ihme die Beständigkeit seiner Macarien / und das herrliche Lob / welches sie ihm ertheilet: Verwunderung aber / die Klugheit dieses Briesteins. Er satzte sich unter einen Baum / und lase ihn zum andern /zum dritten mahl. Endlich sagte er: Du zierliches Brieflein! bist ja recht ein aufrichtiger Zeuge / meiner Macarien unschätzbarer Würde / und aus deinen wenigen Tropfen / ist der Brunnen ihrer Weißheit unschwer zu ermessen. Ach kluge Macarie! niemals bin ich dem Glück höher verpflichtet worden / als an dem Tage / da ich eure schöne Augen zum ersten mahl gesehen. Ihr erhebet euren eignen Verstand / wann ihr meinen Verstand rühmet. Und ob gleich dieser eures Lobs nicht würdig / so erkenne ich doch daraus eure
Aber schönste Macarie! warum handelt ihr so ungerecht wider euch selbsten / und nennet euch einfältig und mangelhafft? Warum mangelhafft / und nicht vielmehr vollkommen und Ruhm-verdienend? Ist nicht eure Tugend ehrens / eure Wissenschafft rühmens / euer Verstand verwunderens / und eure Schön heit liebens würdig? Aber dieses würket die edle Demut / die Kron und Zier aller Tugenden. Diese hat vorlängst deine schöne Seele so herrlich bekräntzet /ja so gar ümwunden / daß sie sich auch in der höchsten Würde nicht loß wickeln kan. Was ists dann Wunder / daß deren Befehl deinem Munde die Höflichkeit auspresset / welche allzudemütig meine Seele der deinen zur Beherscherin erwehlet. Ach du einfältige Seele! soltest du herschen / wo du schuldig bist zu gehorchen? Nein / nein Macarie! meine unwürdige Seele wird euerer Vollkommenheit willig das Scepter küssen / und sich seelig schätzen / wann sie in eurer Beywohnung nur dienen darff. Was meinet sie aber /kluge Macarie! durch das Werck selbsten / damit sie mir danken will? Vielleicht eine gleichmässige Liebes-Beschreibung? Ach Himmel! dörfft ich das wünschen und hoffen! oder die Freundlichkeit bey unserer künfftigen Zusammenkunfft? Ja / liebste Macarie! Um diese will ich mit euch den Himmel ersuchen / und indessen glauben / daß die Tugend euch lehre / was die Treue erfordere.
Mit diesen Worten stunde er auf / und wolte wieder nach Haus gehen: erinnerte sich doch seiner Schuld /und schnitte / dem Gegenschall zu Ehren / in die Rinde des Baums / folgendes.
Als diß verfertigt / eilete Polyphilus nach seiner Wohnung; und weil es eben Zeit zu speisen war / verfügte er sich zur Tafel. Die Königin / deren der Solettische Bot das Hertz drückte / finge unter anderm Gespräche sehr behutsam an zu fragen: Was dessen Anbringen gewesen / und wie es zu Soletten stehe? Polyphilus /der sich hier nicht bergen durffte / sagte: man hätte ihm Briefe von Talypsidamus gebracht. Der wird vielleicht (begegnete ihm Atychintida) übel zu sprechen seyn / wegen eures neulichen Aussenbleibens? Mir ist leid / daß ich durch meine etwan untüchtige Vorsorge / euch solcher angenehmen Gesellschafft beraubet /in dem ihr zugleich von der Begrüssung eurer schönen und geliebten Macarie abgehalten worden. Was ich / (versetzte Polyphilus) an Macarien liebe / ist Tugend; und was ich an ihr rühme / ist Weißheit: haben
Polyphilus hatte kaum das ende dieser Rede erwartet / als er voller Grimms der Königin fast verweißlich unterfuhre: E. M. werden ihren Diener nicht der Parteiligkeit beschuldigen können / wann ich Macarien über die gemeine Menschen erhebe; weil ich darinn nicht so wohl ein verliebtes / als gerechtes Urtheil sehen lasse / das einem jeden seine verdiente Ehre nicht abspricht. Der Macarie Person habe ich niemahl der Sterblichkeit entzogen: ihre Wissenschafft aber ist in Warheit ungemein / und ihre Tugend gautz himmlisch. Oder ist an ihrem Verstande nichts besonders / warum finden wir ihn dann nicht bey allen? Und ist ihre Tugend menschlich / wie daß wir sie dann nicht bey mehrern Menschen antreffen? Was sind die Götter / welche die Menschen verehret haben / und theils noch verehren / anders gewesen /als Menschen / die durch ihre Tugenden sich über andere Menschen erhaben. In warheit / welcher bey Macarien Kunst und Tugend / als Göttlich / in einem sterblichen Leibe verehret / kan weder der Ungerechtigkeit / noch der Thorheit beschuldiget werden. Die Königin / deren auch der Name Macarie verdrießlich war / gab mit zimlich erhitzten Gebärden diese
Als Polyphilus dieses wieder beantworten wolte /fiel ihm Cosmarites in die Rede / mit dieser Entscheidung: Durchleuchtigste Königin! die Meynung Polyphili gehet / so viel ich vernehme / gantz nicht dahin /der schönen Macarie Göttliche Ehre zu erweisen /vielweniger solches / als rechtmässig zu behaupten /sondern er bemühet sich allein / selbige / als etwas sonderliches unter den Sterblichen / vorzustellen. Welches Beginnen / sofern nicht zu tadeln / als lang es in den schranken der Vorsichtigkeit bleibet / und nicht in eine sträffliche Beleidigung der Gottheit ausschlägt / wie E. M. vernünfftig erinnert. Dann daß Weißheit und Tugend Göttlich / ist gantz gewiß; daß auch solche die Menschen der Göttlichen Eigenschafften ähnlich machen / ist nicht zu zweiffeln. Daraus aber folget keineswegs / daß wir die Menschen / um solcher Gaben willen / als Götter verehren sollen: weil sie doch Menschen bleiben / und diese Güter /als ein blosses Geschenk / von der Gottheit geniessen / und also vielmehr der Geber / dann der Besitzer hierin zu verehren. Macarie auch / in welcher / aller Zeugnus nach / so viel herrliche Tugenden leuchten /würde solche sündliche Verehrung nimmermehr gut heissen / weil dadurch das Band aller Tugenden / die edle Demut verletzet / und sie einer greulichen Ungerechtigkeit würde schuldig erkennet
Ich bin (sagte die Königin / die sich indessen ein wenig erholet) niemals willens gewesen / dieses zu bestreiten / sondern ich ergötzte mich in solchem Gespräche allein an des Polyphili Eysser / den er in Beehrung seiner Macarien sehen lässet / womit er zugleich die Hefftigkeit seiner Liebe / die er doch sonsten so verborgen halten will / erweiset. Ob ich / (widersprache Polyphilus) die Macarie schelte oder rühme / so bleibet sie doch die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie / und meine Vertheidigung ist mehr billig / als verliebt. So muß man auch / die Zeit zu kürtzen / bißweilen eine Streit-Frage auf die bahn bringen. Indessen wolle E. M. holdseligste Königin! meiner kühnen Widerredung gnädigst vergeben: Ich thue es nicht / dero Klugheit zu widersprechen / sondern meiner Unwissenheit Unterricht zu suchen / den ich auch von Cosmarites jetzt erhalten / deßwegen ihm auch schuldigen Dank zu sagen habe. Hiemit erhuben sie sich von der Tafel / und verfügten sich /nach beederseits Anwünschung eines sanfften Schlaffs / ein jedes nach seinem Gemach. Den Polyphilus aber ließ der Unmut / wegen der Königin boßhaffter Mißgunst /
Weil Melopharmis solches mutmaßte / kam sie mit frühem morgen / neben dem Agapistus / in sein Zimmer / und fragte / nach abgelegtem Morgen-Gruß /wie er diese Nacht über geruhet? Polyphilus antwortete: Wie die jenige zu ruhen pflegen / welche Unmut und Verdruß ohne Aufhören bestreitet. Diß kunte ich wohl denken / (sagte hierauf Melopharmis) und habe ich deßwegen den Agapistus / euren liebsten Freund gebetten / euch mit mir zu besuchen / und in dieser Widerwärtigkeit zu trösten. Nicht nur zu trösten /(versetzte Polyphilus) sondern auch mir zu helffen. Ach kluge Melopharmis! und getreuster Agapistus! Ersinnet doch / bitte ich / ein vernünfftiges Mittel /mich aus diesem Gefängnus zu erlösen / und zu meiner Macarie zu bringen. Ich lebe in solcher Verwirrung / daß ich mir selbst nicht zu rahten weiß. Länger aber bey dieser ungerechten Königin zu verharren /fället mir unerträglich / weil ich doch förchten muß /daß mich einst ungefehr mein billiger Eiffer in ihre äusserste Ungnade stürtzen möchte.
Ohne ist es nicht / (begegnete ihme Melopharmis /) die Gunst vornehmer Leute / vergleichet sich denen Kräutern / welche / wann man sie gelind anrühret /lieblich riechen; wann man sie aber starck reibet /häßlich zu stinken pflegen. Wie die Münzen ihres Herren Bildnus / also muß man in seinen Handlungen solcher Leute Willen führen / will man anderst nicht /wie eine ungültige Münze verschlagen werden. Und weil euch solches / wegen der Liebe zu Macarien /welche die Königin nicht unbeeiffert
Ob ich wohl weiß / (liesse sich hierauf Agapistus vernehmen) daß ihr / geehrte Melopharmis / und liebster Polyphilus! viel zu klug seyt / als daß ihr von meiner Wenigkeit Hülffe erwarten soltet: so will ich doch / (weil der Kummer gemeinlich die Augen so verblendet / daß man auch die beste Mittel nicht ersihet) eurem Befehl gehorsamen / und meine einfältige Gedanken eröffnen. Die Königin / so viel ich sehe /wird wegen ihrer verborgenen Liebe / des Polyphilus gäntzlichen Abzug nimmermehr erlauben / vielweniger gestatten / daß Macarie / als das Liecht / welches ihren Schein verdunkelt / nach Sophoxenien komme. Auch die Solettischen Inwohner / als welche sämtlich dem Eusephilisto gewogen / werden eure Vermählung mit Macarie / nach allen Kräfften hindern. Will also vonnöten seyn / eurem Verlangen und dieser Vereinigung einen verborgenen Weg zu suchen. Meines theils hielte ich vor das beste / daß ihr eine Reise in euer Vatterland Brunsile vornehmet / einen Sitz zu suchen / alda ihr mit Macarie / die ihr alsdann der Solettischen Insul heimlich
Melopharmis ließ ihr bald diesen Anschlag belieben / und sagte: Ich will auch Gelegenheit suchen /der Atychintida solchen zu eröffnen. Und damit sie destoweniger an eurer Widerkunfft zweifle / will ich meinen Sohn in eurer Gesellschafft lassen / der gewissen Hoffnung / ihr werdet ihn auf dieser Reise vor allem Unfall beschützen / und mit Notturfft / wie euch selbsten / versorgen. Polyphilus / welcher über diesem Vorschlag aufs neue anfieng zu leben / danckte ihnen beeden vor ihren getreuen Raht und Beystand / mit weinenden Augen / und flehentlicher Bitte / dieses Vornehmen zu befördern: mit angehengtem Versprechen / daß er nicht allein auf dieser Reise den Sohn aller Gefahr befreyen / sondern auch ihre Freundschafft lebenslang rühmen / und nach allen Kräfften belohnen wolle. Also nam Melopharmis Abschied /mit der Zusage / daß sie / so bald sie die Königin zu diesem Anbringen bequem gefunden / Polyphilum zu ihr bitten lassen wolle. Agapistus aber / erinnerte den Polyphilus / diesen Vorschlag seiner Macarie durch ein Brieflein zu eröffnen / und ihre Einwilligung zu suchen. Welchem er alsobald nachkam / und folgendes verfärtigte.
Wie mein Hertz einig in ihrem Schoß ruhet / und alles mein Beginnen sich ihrer Gunst vertrauet / also finde ich mich schuldig / ihr nicht allein meine Betrübnis / sondern auch die erfreuliche Hoffnung zu entdecken / welche in mir der getreue Raht Agapistens erwecket / daß ich nemlich in mein Vatterland Brunsile einen Ort / der ihrer Gegenwart würdig / und unserer Wohnung nicht ungelegen / suchen sol. Derowegen nehme sie / liebstes Hertz! die gute Hoffnung zum Trost / biß die letzte Erfüllung / welche mein unruhiges Suchen nicht verlängern / sondern nach Müglichkeit befördern wird / eine erwünschte Freude gebähre / die das vorgesetzte erlangte Ziel mit freundlichem Anlachen küsse. Ich bin entschlossen / nach wenig Tagen / mit einer vertrauten Gesellschafft /diese Reise anzutretten. Solte ich wissen / daß mein Kind durch ihre Gedanken meine Begleiterin seyn /und meinem Vornehmen durch einen treuen Wunsch beystimmen wolte / würde ich nicht nur alles viel freudiger verrichten / sondern ihr auch meine Sinne /als die Verkürzer ihrer traurigen Einsamkeit / hinwieder zu schicken: daß / weil ich augenblicklich an sie gedencke / sie keine Zeit vorbey liessen / da sie nit den Namen Polyphilus meiner allerschönsten Macarie ins Hertz mahleten. Sie erkenne aber anbey / mein Kind! wie ich nichts unterlasse / was sie in stete Glückseligkeit / und mich in ihre Gewogenheit
beständigsten
Polyphilus.
Diesen Brief gab er dem Servetus / mit Befehl / solchen der Macarie einzuhändigen / und / wo müglich /eine schrifftliche Antwort wieder zu bringen. Dieser nahm den Befehl freudig an / eilete mit dem Brief nach Soletten / und kame mit einbrechender Nacht zur Macarie: welche über seiner spaten Ankunfft erschrocken / geschwind fragte / ob es wohl stünde? So viel mir wissend / (gab Servetus zur Antwort) ist keine Gefahr zu fürchten. Damit überreichte er des Polyphilus Brief /
Mein Polyphilus!
Wie ich die Beständigkeit und Aufrichtigkeit eurer Liebe billich rühme / also bin ich hingegen verpflichtet / euch vor so vielfältige Mühe und Ungelegenheit /die ihr meiner Wenigkeit halben erdultet / schuldigen Dank zu sagen. Weil ich auch aus euren Brieflein verstanden / wie ihr / auf Einrahten und Beförderung vieler vornehmer Freunde / gesonnen seyet / eine Reise in euer Vatterland anzutretten: als habe ich Ursach /hierzu einen Glücks-Wunsch zu übersenden. Dafern ihr meiner Vorbitte einige Krafft beymesset / will ich versuchen / was dieselbe zu würken vermöge. Ich wünsche demnach hierzu alles das Gedeyen / welches ihr von der Gütigkeit des Himmels hoffen und wünschen könnet: daß / wie ihr diese Reise / nach eurer beywohnenden Vernunfft / unschädlich
Eure / biß in den Tod ergebne
Macarie.
Mit diesen kehrte Servetus des andern Morgens wieder zum Polyphilus: der eben von Melopharmis zu der Königin gefordert ward / um bey ihr die Zeit mit kurtzweiligen Gesprächen zu verbringen. Melopharmis fragte endlich Polyphilum / ob ihme sein Vatterland Brunsile / oder diese Landschafft annehmlicher sey zu bewohnen? Polyphilus antwortete: Ob ich wohl / wegen der Liebe zu dem Vatterland / welche die Natur allen Menschen in den sinn gegraben / billich die Lufft ehre / welche ich am ersten geschöpffet; so erfordert doch die Schuld der Dankbarkeit / diese herrliche Wohnung / in welcher mir die Vorsehung des Himmels / zum zweyten mahl das Leben erhalten / so lang
Da ihr solches willens seyt / (sagte Melopharmis /) warum nehmet ihr dann nicht die Reise bey gegenwärtigem bequemen Wetter vor / ehe der unfreundliche Winter den Reisenden / mit der Sonne / zugleich alle Ergetzlichkeit raubet? Die rechte Warheit zu bekennen / geehrte Melopharmis / (antwortete Polyphilus) die angenehme Gesellschafft / welcher ich hier geniesse / hat meinem Verlangen so süsse Fessel angeschlagen / daß ich mich loßzuwürken mir nicht getraue. Die Gesellschafft (versetzte Melopharmis) könnet ihr ja mitnehmen / theils im Gemüte / theils mit dem Leibe. Ich weiß / Agapistus schläget euch diesen Spazir-Ritt nicht ab. Und ich selbst will euch meinen Sohn zum Gefärten geben: damit er allmählich lerne /daß die Erde in allen Ländern / auch seines gleichen nähre. Polyphilus sahe hierauf die Königin an / und sagte: Wann E. M. Einwilligung / Durchleuchtigste
Sie waren noch im Erzehlen begriffen / als Servetus von Soletten zu rücke kam / und der Macarie Brief dem Polyphilus überreichte: welcher ihn so bald erbrache / und / als er darinn die Glückwünschung zu seiner Reise vernahme / von Freuden so eingenommen ward / daß er gedachte / aller Gefahr trotz zu bieten /und das Glück beständig zu seinen diensten zu haben. Er kleidete
Er neigte sich mit tiefster Ehrerbietung / und sagte: Durchleuchtigste Königin! nach dem E.M. mir vor etlichen Tagen / gnädigst erlaubet / eine Spatzir-Reise vorzunemen / und mit dieser wehrten Gesellschafft /mein geliebtes Vatterland zu besuchen / oder vielmehr zu gesegnen / als habe ich hiemit schuldigen Abschied nehmen wollen / mit Unterthänigen Dank / vor so vielfältige Gnad-Wolthaten / welche ich nun eine geraume Zeit / von dero Mildigkeit / wider Verdienst genossen / demütig bittende / in solcher Gütigkeit zu verharren / und nicht nur dero gehorsamstem Diener in seinem Abwesen / Gnad-gewogen zu verbleiben /sondern auch ihn bey seiner ehesten Widerkunfft / mit Gnaden anzusehen. Mein Polyphilus! (antwortete Atychintida) was ihr bey uns genossen / habt ihr mit unser Erlösung überflüssig verdienet / und daher
Hierauf wendete er sich zu Melopharmis / und dankte selbiger vor ihre Hülffe / mit dienstlicher Bitte / ihme ferner günstig zu verbleiben / und sein Glück befördern zu helffen. Diese hingegen / wünschte ihm Glück / und befahl ihme ihren Sohn / solchen als seine eigne Seele zu bewahren: welches er auch versprache / und so fort allen übrigen die Hand bote. Deßgleichen als auch Agapistus und der Sohn Melopharmis gethan / dieser aber vor andern von seiner Mutter mit vielen Threnen gesegnet wurde / satzten sie sich zu Pferd / und wurden von den Augen der Königin und Melopharmis / so lang begleitet / biß ein kleines Gebüsche sie ihrem Gesicht entnommen: Daher sie / mit wehmütiger Betrübnus / zurücke kehren / und sie der gnädigen Vorsorge des Himmels befehlen musten.
Des Polyphilus Reiß-Gespräche mit seiner Gesellschafft. Sie werden als Mörder angesprochen /in gefängliche Hafft geführet und verhöret: Da Polyphilus den Richter anschnarchend / von ihnen abgesondert und härter verhaftet Agapistus vermahnet ihn / durch ein Schreiben / zur Gedult: Seine gewürige Antwort. Seine Klage / über seine Unglückseligkeit.
Also ritte nun Polyphilus mit seiner Gesellschafft frölich fort / und dünkte sich ausser aller Gefahr seyn. Sie vertrieben die zeit / mit allerhand kurtzweiligen Gesprächen / und ergetzten sich sonderlich damit /daß sie die Königin so artig betrogen. Agapistus fragte endlich: Was macht dann Macarie: wird sie auf dieser Reise keine Gefärtin abgeben? Eine unnötige Frage! (widerredte Polyphilus /) wie solte die jenige nicht zugegen seyn / um deren Liebe willen wir diesen Weg reisen. Ihr wisset ja / Agapistus! daß ich vielmehr mein selber / als ihrer Gunst / vergessen werde. Es sind aber zwey widerwertige Dinge / (gegenredete Agapistus) lieben und reisen. Der Liebe Eigenschafft ist / vielmehr sich der geliebten Person nähern / als von ihr entfernen / und kan die Flamme der Liebe nicht eher ausgeleschet werden / als durch den Wind der Abwesenheit. Bey unbeständigen Gemütern / (versetzte Polyphilus) mag dieses wohl zu fürchten seyn /aber nicht bey meiner Macarie / derer Freundlichkeit mir nicht allein diese Reise erlaubet / sondern auch ihre Gewogenheit zu einer steten Begleiterin versprochen. So weiß sie auch / daß meine Abwesenheit nicht lang währet. Dann ich vergleiche mich in diesem Vornehmen den jenigen Thieren / welche etwas zu rück weichen / damit sie hernach desto einen stärkern Lauf verrichten können: Also entziehe ich
Aber ach! betrogner Polyphilus! wie viel dornichte Wege hat deine Liebe noch zu lauffen / ehe sie dieses Ziel erreichet? Weist du nicht / daß das Glück mit eben denen Flügeln / die es zu uns führen / auch wieder davon fleucht? Es führet / in deiner Liebe / rechte Schlangen-Manier / die nach einer Seiten den Kopff zu richten / und nach der andern zu schiessen pflegen. Ach armer Polyphilus! wie ein starkes Gewitter wird nach diesem heissen Sonnenschein aufsteigen / und deine Zufriedenheit mit seinen Donner-Keilen zerschmettern! Daß ich dich doch dürffte zurück ruffen /und vor deinem Unfall warnen! Aber leider! die Sicherheit / als eine Heroldin der Straffe / hat deine Sinne so verblendet / daß du meinen Worten nicht glauben würdest. Derowegen so erfahre / was ich die nicht vorsagen dörffen. Ich will dein herein-brechendes Unglück / doch nicht ohne Mitleiden / ferner beschreiben.
Als nun die Gesellschafft in ihrer Frölichkeit also etzliche Tage gereiset / und einen zimlichen Weg zurück gelegt hatte / ritte Polyphilus in dem Andenken seiner Macarie / und ließ ihm ihr letztes Brieflein /welches er wohl 100 mahl durchlesen / den liebsten Begleiter seyn. Indem kame ihnen ein Hauffen gerüsteter Männer entgegen / die einen Schäfer bey sich führten. Der Melopharmis Sohn war der erste / der ihrer warnahm / und sagte mit erschrocknem Gemüte: Ach Polyphilus! was wollen diese? Vielleicht ist ein Unglück vorhanden. Aber Polyphilus antwortete: Mein Tycheno!
Die Reisende waren durch diesen unversehenen Uberfall dermassen erschrecket / das Tycheno mehr einem Todten als Lebendigen ähnlich sahe / Agapistus ingleichen gantz bestürtzt / und Polyphilus so ergrimt war / daß ihn der Zorn kein Wort reden ließe. Er wurde durch den Vornehmsten von der Rotte gefraget / wer sie wären / und wohin sie wolten? Also hätte man fragen sollen / (gegen-redete Polyphilus) ehe man uns so mörderischer Weise angefallen. Ich frage viel billiger: Wer seyt ihr / daß ihr reisende Personen wider alle Billigkeit / berauben dörffet? Diese kühne Antwort bewegte jenen / daß er den bey sich habenden Schäfer heimlich wegen des Polyphili befragte. Als nun selbiger bejahete / dieser wäre gewiß einer von den Mördern /
Hierauf zwungen sie unsere Reisende mit Gewalt /ihnen nach selbigem Herrnsitze zu folgen: und kunte weder des Tycheno Flehen / noch des Agapistus Bitten / noch des Polyphilus Trotzen / ihrem Frefel widerstehen. Also wurden sie dahin geführet / und in ein Zimmer zusammen verschlossen. Dergestalt fielen diese Armseelige plötzlich aus der Freyheit / in die ärgste Dienstbarkeit / und aus der Freud in die höchste Betrübnus. Wie ihnen dabey zu muht gewesen /stehet unschwer zu erachten. Was solten aber unsere arme Gefangne machen? Ihr bästes Gewehr ware die Gedult: welche doch Polyphilus so gar nicht zu gebrauchen wuste / daß er viel lieber wehrloß seyn wolte. Agapistus fragte den Hüter: ob er nicht wüste /aus was Ursache man sie gefangen hielte? Dieser berichtete / daß vor wenig Tagen / etliche Schäfer selbiger Gegend / von Mördern überfallen / und biß auf einen einigen erschlagen worden / welcher entronnen /und es dem Schutzherrn angezeigt: Der ihme dann so bald Leute zugegeben / die Mörder zu verkundschafften. Weil nun selbiger Schäfer / Polyphilum für einen von den Mördern bekennte / als wären sie sämtlich /die Warheit ihnen abzufragen / zur Haft gebracht worden.
Agapistus erschracke hefftig über dieser Erzehlung / und berichtete solches dem Polyphilus: Der sich wegen so ungerechten Anklage noch mehr erzürnte. Und ob ihn wohl Agapistus bate / vorsichtig zu verfahren / und sein Unglück durch Widerstrebung nicht weiter zu reitzen / kunte er doch wenig erhalten: weil er viel lieber sterben / als solche Unbilligkeit ohne Vertheidigung seiner Unschuld und Ehren dulten wolte. Wie sie diese Nacht über geschläffen / oder vielmehr gewachet / ist leichter zu gedenken / als zu beschreiben. Des andern Tages wurden sie vor den Herrn selbiges Orts geführet / der sie wegen besagter Mordthat scharff befragte. Ob sie nun wohl mit vielen Einwendungen beglaubten / daß sie gantz unschuldig wären / und von diesem Mord nichts wüsten / reisende Leute wären / die in nötigen Geschäfften nach der Landschafft Brunsile gedächten / und durch diese unbillige Anhaltung an ihrem Vorhaben gehintert würden: Erhielten sie doch damit nichts mehrers / als daß sie der Richter nur desto härter bedrohete / vorgebend / dafern sie ihre Ubelthat / deren sie durch den Schäfer gnugsam überzeugt / nicht gutwillig bekennen würden / daß er strengere Mittel ergreiffen / und die Bekantnus mit gewalt aus ihnen zwingen wolte.
Diese ungerechte Verfahrung / reizte den Polyphilus / daß er den Richter hönisch fragte: In welchem Recht er diese Gerichts-Ordnung gelernet / daß er unschuldigen Leuten / ohne gnügliche Uberzeugung /peinliche Fragen anbiete. Der Richter / welcher mehr hoffärtig als weise war / sagte hierauf: Er solte mit solchen Worten innhalten / oder er wolte ihm mit einer andern Antwort begegnen.
Wer unterwindet sich nun / den erbärmlichen Zustand unserer gefangenen Reiß-Gesellschafft / und sonderlich des unseeligen Polyphilus / zur gnüge zu beschreiben? Der erhitzte Eyffer über diese Unbilligkeit verwirrte sein Gemüte dermassen / daß er sich seiner Sinne kaum halb gebrauchen kunte. Er zweifelte / welches am meinsten zu beklagen / die Absonderung von seiner Macarie / das Elend seiner Gefängnus / oder die Strafe / die er noch zu gewarten hätte: Und wuste er nicht / ob er dem mißlungenen Raht Agapistens / der Ungerechtigkeit des Richters / oder seinem eignen unseligen Verhängnus / dieses Unglük beymessen solte.
Freundlich geliebter Polyphilus.
Ich kan leicht mutmassen / mit was Ungedult ihr diese ungerechte Gefängnus empfinden werdet / und trage mit euch solches Mitleiden / wie einem treu-verbundenen Freund gebühret. Und weil mir alle mündliche Unterredung gantz verbotten gleichwol kein ander Mittel / uns aus dieser Gefahr zu reissen / übrig / als Gedult und Demut: Demnach habe ich / durch dieses Brieflein / euch / solche zu ergreiffen / und die Hartsinnigkeit zu verlassen
Eures biß ins Sterben getreuen Freunds
und Dieners /
Agapistus.
Diesen Brief ließe Agapistus / durch den Hüter / dem Polyphylus zustellen: der dadurch in seinen unruhigen Gedanken / einen kleinen Trost empfinge.
Treu-liebender Agapistus!
Nicht nur die aufrichtige Freundschaft / mit welcher ihr meine Errettung so sorgfältig zu befördern suchet / sondern auch die vernünfftige Ursachen / welche euer angenehmes Brieflein / mich besserer Gedult zu befleissen / anführet / fordern von mir eine schuldige Folge. Und ob es wohl einem freyen und Tugend-liebenden Gemüt schwer wird / bey offenbarer Unschuld / einen ungerechten Verfolger um Gnade zu bitten: so achte ich doch / um der Liebe willen meiner Macarie / die schändlichste That vor die rühmlichste /und die schwerste vor die leichteste. Weil ich auch /
Euren gehorsamen
Polyphilus.
Als diese beyde Schreiben dem Agapistus eingehändiget worden / erfreute er sich über des Polyphili Begütigung nicht wenig / und bate den Hüter / der Macarie Brief nach Soletten zuschicken / ihme aber Gelegenheit zu erwerben / mit dem Landherrn zu sprechen /weil er hoffte / seine Unschuld also zu erweisen / daß sie der Gefängnus befreyet würden. Der Hüter versprache / den Brief zu bestellen / das übrige aber /weil es nicht in seiner Gewalt stunde / nach Gelegenheit zu befördern. Agapistus verhiesse ihm dafür eine gute Verehrung / und tröstete den Sohn Melopharmis / mit der Hoffnung / in kurtzen wieder frey zu werden / und ihren vorgenommenen Weg frölich förtzusetzen.
Polyphilus indessen / nachdem er den Zorn / als eine kurtze Unsinnigkeit / überwunden / empfunde /gleich als aus dem Traum erwachet / von neuem die Schmertzen der Liebe. Er beklagte diese Ungerechtigkeit / und wie seiner gewohnten Freyheit so gar zuwider / verschlossen zu seyn: wie er dann
Ach! Ich Elender! (sagte er) wie schnell hat sich doch meine Zufriedenheit verkehret! und wie unverhofft hat mich das Unglück überfallen! Wer in seinem Wohlstand sicher ist / und den freundlichen Augen des Glükes trauet / der sehe an mir ein Beyspiel seiner Unbeständigkeit. Niemals hat es seine betrügliche Tücke klärer zu erkennen gegeben / als in meinem arbeitseligen Lieben. Wie ein gescheitertes Schiff / ein Spiel der Wellen ist: also hat auch das neidige Glük /durch Aufnehmung und Verstossung mit mir gespielet. Dieses einige unterhält mich / daß ich leide / um der allerwürdigsten Macarie willen / welche mich so ungefälscht liebet. Und so lang auch solche Liebe vest bleibet / hoffe ich alle Streiche des Unglüks auszuschlagen / und in der grösten Widerwärtigkeit zu siegen.
Polyphylus wird / als ein Mörder / vermähret. Der Melopharmis Unruhe / wegen der Gefahr ihres Sohns. Der Königin Beratschlagung hierüber. Der Melopharmis hartes Schreiben an den Polyphilus /und böser Raht wider seine Liebe. Macarie singet /und tröstet sich mit ihres Polyphilus Andenken; empfähet ein Schreiben von ihm / und wird von der Königin / durch Phormena / vor seiner Freundschaft gewarnet. Ihre vernünftige Antwort / darauf folgende Klage / und Schreiben an den Polyphilus / darinn sie ihm ihre Gemeinschaft aufkündet.
In dieser Zuversicht lebte Polyphilus / biß das Glük eine neue Bestürmung wider seine Beständigkeit vornahm / und ihn gar nahe zur Aufgab nötigte. Dann es hatte inzwischen / das vielzüngige Gerüchte / die Zeitung von des Polyphilus Gefängnüs / mit so verhassten Umständen nach Sophoxenien gebracht / daß die Königin darüber nicht wenig bestürtzt / Melopharmis / aber fast aller Sinnen beraubt wurde. Weil man dieser vorgebracht / daß Polyphilus / wegen einer längst-begangnen Mordthat / samt dem Agapistus und ihrem Sohn / auf den Hals gefangen läge / gab sie ihre mütterliche Liebe / mit jämmerlichen
Atychintida wolte sie trösten / und sagte: Gebet euch zu frieden / Melopharmis! durch klagen wird das Unglük nicht geringert. Lasset uns vielmehr auf ein gutes Mittel denken / wie euer Sohn errettet werde. Ach! worauf soll ich denken? fragte Melopharmis: Das beste Mittel wird seyn / daß ich selbsten hin reise / und diesen Mörder wegen meines Sohns anklage: damit also selbiger errettet / er aber seine verdiente Strafe empfahe. Ich kan doch nicht hier bleiben /und die Gefahr meines liebsten Kindes dulten.
Der Königin wolte dieser Raht nicht gefallen / liesse demnach die beyde Weisen vor sich fordern / legte ihnen diese Zeitung / samt dem Anschlag Melopharmis vor / und begehrte ihr Bedenken. Cosmarites liesse sich also vernehmen: Durchleuchtigste
Die Königin liesse ihr diesen Raht belieben / und fertigte so bald einen von Adel ab / der vom Agapistus die rechte Ursach dieser Gefängnus erforschen /und damit eilends zurücke kommen solte. Melopharmis aber / kunte hierdurch ihren Zorn nicht stillen. Und weil sie sich der Königin nit widersetzen dürffte / gab sie / unwissend ihrer / dem Abgeordneten diesen Brief mit / an den Polyphilus lautend.
Undankbarer Polyphilus.
So nenne ich euch billig / wann ich die Wolthaten /welche ihr von mir genossen / und hingegen
Melopharmis.
Nun hatte sich ja Melopharmis / an dem armen Polyphilus gnug gerächet / und solte sich billich zu frieden geben. Aber was ist ärger / was ist unersättlicher / als die Rache eines erzürnten boßhafftigen Weibes? Sie hatte nicht genug / daß sie seine Ehre geschändet /und ihn bey der Königin verhasst gemacht: sondern sie suchte ihn auch des jenigen zu berauben / welches ihme auf dieser Welt das liebste war. Sie beredete Atychintida / daß sie die Phormena nach Soletten schicken solte / um / die Gefängnus Polyphili der Macarie zu verkünden / und sie vor seiner fernern Freundschaft zu warnen. In dieses Begehren willigte die Königin um so viel leichter / weil sie dadurch eine heimliche Rache an Macarie zu üben / und ihre Liebe aufzuheben / gedachte. Wie sie dann der Phormena
Was hat aber indessen Macarie gethan? Diese hatte sich / nach des Polyphilus Abreise / in Gedult und Hoffnung nach seiner Widerkunfft gesehnet / und indessen ihre Zeit mit Lesung gelehrter Schrifften verkürtzet. Einsmahls fasste sie ihre Lauten / und sang darein / nachgesetztes Lied.
Sie hätte weiter gesungen / wann sie nicht der Brief /welchen Polyphilus durch Agapistum bestellen lassen / hätte abgefordert. So bald sie selbigen empfangen / legte sie die Laute nieder / und hoffte durch ihn getröstet zu werden. Aber weit gefehlt! Als sie ihn erbrochen / wurde sie dieser Worte verständigt.
Wie mich ihr Befehl in einem stäten Gehorsam bleiben heisset / also muß ich auch dißmals demselben folgen / und mit gegenwärtigen Zeilen nach ihrer Gesundheit fragen. Es
Ihr Allergetreuster
Polyphilus.
Ob nun Macarie über diesem Brief erschrocken / stehet nicht zu zweiffeln. Sie wuste nicht / was sie
So bald sie den Sitz genommen / thäte Phormena ihr Anbringen / mit diesen Worten: Tugend-gezierte Macarie! Unsre gnädigste Königin lässet sie / neben einem gnädigen Gruß / berichten / wie sie scheinbare Zeitung erhalten / daß ihr liebster Polyphilus auf dieser Reise / nach seinem Vatterland / wegen eines längst-begangenen Mords / mit seiner Gesellschafft in eine strenge Gefängnis gerahten sey. Ob er nun an dieser Mordthat schuldig / lässet Atychintida durch einen reitenden Boten erkundigen. Weil sie aber indessen grosses Mitleiden trägt / daß ihr / schönste Macarie / als eine so kluge Weibs-Person / den Ruhm eurer Tugenden / durch dieses beschreiten Menschen Liebe vertunkelt / als hat sie mich abgesandt / euch in diesem Unglük zu trösten / und vor seiner ferneren Freundschafft zu warnen.
Macarie hörte diesem hönischen Anbringen mit grosser Gedult zu. Und ob sie wohl der gifftige Haß der Königin sehr kränkte / hielte sie doch / wie schwer
O eine Antwort / allen Verleumdungen entgegen zu setzen! Lernet hier von der klugen Macarien / ihr Törichten! die ihr / falschem Geschwätze so leichten und sichern Glauben zu geben / gewohnet seyt. Spiegelt euch auch an der untreuen
Sie gelangte noch selbigen Abend nach Sophoxenien / und erzehlete der Köaigm und Melopharmis ihre unselige Verrichtung: die sich über der Macarie Klugheit entsetzten / und hätte sonderlich Atychintida wünschen mögen / daß sie ihre Erinnerung wieder zu rück nehmen können / weil sie damit wenig Ehre erjaget / und den Schimpf / welchen sie Macarie aufzubürden gedachte / selbst tragen muste. Doch muste sie es geschehen lassen / biß sie hörte / was der Ausgesandte für Kundschafft von Polyphilus brächte. Macarie aber / als sie von der Begleitung Phormenen wieder zurücke kam / ward mit tausenderley Widerwärtigkeit umgeben. Sie zoge ihr die Verletzung ihres guten Namen so empfindlich zu Gemüt / daß sie aller Liebe gegen Polyphilus vergaße / und wünschte / ihn nie gesehen zu haben.
Ach! Macarie! (sagte sie) unbesonnene Maarie! wo ist nun das Gerücht deiner Klugheit /
O der Unsinnigkeit! aber also pflegt es zu gehn /wann man seinen eignen Kräfften zu viel trauet / die Gelegenheit zur Sünde liebet / und den Lastern eine Maß zu suchen gedenket. Ach Polyphilus! Polyphilus! deine Schönheit und Höflichkeit / und deine freundliche Bitte / hat meine Beständigkeit überwunden / und mein Glük zu Boden gerissen. Warum habe ich deine Gegenwart nicht geflohen?
Doch was nutzet das Eisen wieder in die Wunden zu stossen / als daß man sie damit verunreinige? Klagen ist bey einer Sache / die nicht zu ändern / nur ein Zeuge der Schwachheit. Vielmehr will ich mich mit einer hertzhafften Entschliessung waffnen / und sehen / ob ich durch diese letzte That meine vorige Fehler austilgen könne; denn ich kan nicht leben / und wissen / daß man meiner Unbesonnenheit gedenke. Ich will das Band mit gewalt zerreissen / daß sich sonst nicht will füglich trennen lassen / und dem Polyphilus meine Gegenwart allerdings verbieten / biß ich sehe / wie es mit seinem Glük ablauffen will: damit also den schwätzigen Zungen der Lauf gehemmet / und die Ursach zu meiner Verleumdung aufgehoben werde. Meine Zusage wird dadurch nicht gebrochen / weil ich keinen andern
Daß ihr so sorgfältig nach meiner Gesundheit fraget /habe ich billig zu rühmen: wie ich nicht weniger gerne gehöret / daß eure unglükliche Gefängnus nicht so gefährlich / als man vorgibt. Aber nichts destoweniger bat es solche Früchte hinterlassen / daß man billig den Baum verflucht: in deme zu Sophoxenien das Gerücht erschollen / wie ihr / wegen eines längst-begangenen Mords / auf den Hals gefangen liget. Ob ich nun solche Zeitung mit Verdruß angehöret / könnet ihr unschwer ermessen: sonderlich / weil ich deßwegen / von der Königin / eine hönische Warnung vor eurer Liebe anhören müssen. Ich werde demnach gezwungen / die Widerwärtigkeiten / welche ich wegen unser Freundschafft albereit überstanden / die auch je länger je grösser werden / (wie ich bey unsrer ersten Zusammenkunfft gar recht geweissaget) mit gewalt aufzuheben / und dem treuen Himmel mein künfftige Handlungen lediglich heimzustellen. In ein fremdes Land mit euch zu ziehen / stehet
Polyphilus bekommt beyde Briefe / erzürnet und betrübt sich darüber. Sein Antwort-Schreiben an Macarie / und seine Klage über sein Unglük. Vom Agapistus besucht und getröstet / erinnert er sich /daß er diese Straffen mit hochmütiger Hinlegung seines Schäferstands verschuldet. Agapistus trachtet /aber vergebens / ihn loß zu bitten.
Was wird nun unser hart-geplagter Polyphilus gedenken / wann er diesen Brief liset? Wäre es auch wunder / wann wir seinen erbärmlichen Zustand betrachten / daß er den grausamsten Tod seinem elenden Leben vorgezogen hätte? Biß daher hatte er seine zweiffelhaffte Hoffnung in einer gezwungnen Gedult unterhalten / und seiner Erledigung augenblicklich /wiewohl vergeblich / erwartet. Er verfluchte die Ungerechtigkeit / welche ihn an seinem Vorhaben hinterte. Er hätte offt zu sterben erwehlet / wann ihn das Gedächtnus seiner Macarie nicht erhalten hätte. Endlich kamen der Anstösse so viel / daß er fast verzweiflend / eine tolle Künheit / sich zu verderben / vornehmen wolte.
Agapistus schikte ihm den Brief der Melopharmis /welchen der Bot von Sophoxenien mitgebracht / und vermeinte ihn damit zu erfreuen: wurde aber damit sehr betrogen. Als Polyphilus solchen eröffnet / entsetzte er sich dermassen über der
Ist denn (sagte er) der Himmel gar nimmermehr auszusöhnen? Müssen dann alle Ungewitter auf einmakäuf mich zu stürmen? hören dann meine Wunden nicht auf zu bluten / biß sich die geängstige Seele mit ausgiesset? Ach Polyphilus! du armseliger Polyphilus! nun dich Macarie verlässet / so bist du recht verlassen. Nun sie von dir
Ob ich wohl den Untergang meines Glüks / nicht so zeitlich gehofft hätt / so muß ich doch / leider! mit Schmertzen erfahren / wie von allen seiten die widerwärtige Wellen sich regen / also / daß freylich die Gedult bey mir anitzo die Oberstelle behalten muß: bevor ab / da die jenige / auf derer Beständigkeit alle mein Trost gegründet war / weichen / und ihrem Befehl so unverantwortlich viel zuschreiben will / daß sie mich wieder alle Müglichkeit ihrer vergessen heisset. Soll dann / ein einiger trüber Wind / den gantzen Bau meiner Vergnügung umstossen? so wird die Tugend selbsten zur Untugend werden. Und was soll ich mehr sagen?
Ihr ewig-getreuer
Polyphilus.
Ist das / Liebste! (last mich doch euch diesen Namen geben / ob ich schon die That bey euch nicht finde) die Standhafftigkeit / die ihr mir so offt versprochen? Ist dieses das Mitleiden / welches ihr mit unsrer Trennung gehabt? Dörfet ihr das Unglück eures liebsten Polyphilus (wie ihr mich falsch genennet) und dessen unbillige Gefängnus also betrauren /daß ihr euch zu seinen Feinden schlaget / und seinen Untergang befördern helffet? Ach unbarmhertzige Macarie! wie hefftig wird euch diese meine Verstossung noch kränken / und wie sehr werdet ihr beklagen / daß ihr dem jenigen das Leben geraubet /dessen einiger Wunsch ist / so lang er selbiges erhält /euch nach allen Kräfften zu dienen. Niemals habe ich euer Gebot überschritten / und wolte auch diesen letzten Befehl / ob er noch so grausam ist / gern vollziehen: möchte nur der erzürnte Himmel / den schwachen Faden / daran meine verschmachtete Seele noch hanget / vollends entzwey reissen / und mit meinem Leben / zugleich euch meiner Liebe befreyen? Aber /ich sehe / daß der Tod vor den jenigen am meisten zu fliehen pfleget / bey welchen das gröste Elend wohnet. Dieser verzweiffelte Schluß bleibet mir noch übrig / daß ich alle Gesellschafft der Menschen verlassen / und eine ungeheure Wüsten zur Wohnung erwählen will. Dann wann ich die wilden Thier nicht erzürne / so beleidigen sie mich auch nicht: Die Menschen aber / ob ich ihnen gleich mit aller Unterthänigkeit diene / unterlassen doch nicht / mich ohne unterlaß zu verfolgen. Alsdann wird meine Macarie sehen /daß
Indeme trat Agapistus hinein / deine der Hüter /wiewohl heimlich / diese Freyheit um Geld verkauffet / und wolte / wegen der Botschaft von Sophoxenien / mit ihme Unterredung halten. Polyphilus / so bald er ihn ersehen / fiel ihme mit jämmerlichen Geberden um den Hals / und schrye mit kläglicher Stimme: Ach Agapistus! getreuer Agapistus! bejammert doch / bitte ich / den Untergang eures Polyphilus. Auch die Hoffnung / welche sonst die allerunglückseligsten zu begleiten pfleget / hat mich verlassen / und mir bleibet nichts übrig / als eine endliche Verzweiflung. Er wolte weiter reden / aber die überhäuffte Threnen hielten seine Zunge gefangen / und liessen ihn nichts mehr hervor bringen. Agapistus / über dieser Bezeugung gantz verstarret / fragte mit erschrocknen Worten: hilff Gott / Polyphilus! was vor ein Zufall macht euch also reden? ist vielleicht ein neues Unglück vorhanden / und denkt uns der Himmel weiter / als mit dieser unseeligen Gefängnus / zu quälen?
Hierauf überreichte ihm Polyphilus / der Macarie und Melopharmis Schreiben / und sagte: Leset / mein Freund! den Grund meines Verderbens / / und urtheilet alsdann / ob ich nicht unrecht
Nicht so / Polyphilus / nicht so! versetzte Agapistus. Man soll an keiner Cur verzweiffeln / so lange sich der Kranke des Athems rühmet. Es ist unnötig /euch zu erinnern / daß uns keine Widerwärtigkeit ungefehr begegne: weil ihr in dem Tempel des Glückes gnugsam unterrichtet worden / wie alles das jenige /was wir Glück oder Unglück nennen / von keinem blinden Zufall / sondern von der unwandelbaren / allweisen und gerechten Verordnung des unsterblichen Schöpffers herrühre; Dessen wunderbarer Regirung wir uns billig in Demut unterwerffen / in Betrachtung / daß wir sie doch mit unsrem Widerwillen nicht zu ändern vermögen.
Das ist Einbildung / (antwortete Agapistus) die euch eure verwirrte Vernunfft vorhält. Worinn bestehet dann eigentlich euer Unglück / Polyphilus! was habt ihr so grosses verlohren? Ich weiß nicht / (sprach Polyphilus) ob ihr mich mit dieser Frage schertzet /oder wie ich selbige deuten soll. Ihr fraget / was ich verlohren: Viel billiger soltet ihr fragen / was ich noch übrig behalten / weilich alles verlohren. Bedenket doch nur / Agapistus! meine vorige Glückseeligkeit / da ich der Königin im Schoß gefessen / und als ihr Erretter verehret wurde; da mich Melopharmis /wie ihr Kind / versorgte; da mich Macarie / als ihre eigne Seele / geliebet. Erwäget hingegen / daß ich nunmehr / nicht allein diese alle mir ungünstig / und theils zu Anklägern habe: sondern auch über das / als ein vermeinter Mörder und Strassenräuber / elendiglich gefangen lige / und täglich ein ungerechtes Urtheil wider mich erwarten muß. Haltet ihr dann dieses alles vor Einbildung? oder fraget ihr noch / was ich verlohren? Freylich frage ich noch: antwortete Agapistus. Dann alles / was ihr biß daher erzehlet / sind fremde und unbeständige Güter / welche uns das Glück nur darum verliehen / damit
Das lässet sich hören! gabe Polyphilus zur Antwort. Aber ihr wisset / Agapistus! daß die Gesetze viel leichter vorgeschrieben als gehalten werden. Muß doch ein Stein letzlich zerspringen / wann er die Gewalt des Hammers gar zu offt fühlet: wie solte dann mein Gemüt bey so vielen Schlägen unbeweglich seyn. Ich habe freylich vermeinet / alles Unglück so wenig zu achten / als ein Felß in der See die Gewalt der Wellen: Allein / nun Macarie wanket / die mein Hertz in ihrer Brust träget / hat selbiges notwendig auch wanken müssen. Hier ist Vorsichtigkeit vonnöten: sagte Agapistus. Ihr habt in dem Liebes Tempel gesehen / wie die Liebe / wann sie nicht auf dem unbeweglichen Grunde der Tugend ruhet / nicht allein unbesonnen / sondern auch verderblich sey. So habt ihr auch die Macarie / nach eurem Vorgeben / bloß wegen der Tugend geliebet. So lang nun dieselbe diesen Ruhm behält / ist es löblich / daß ihr
Das ist wahr! (versetzte Polyphilus) und habe ich daher desto mehr Ursach / wider diesen Ungerechten zu zürnen / der mich wider alles Recht gefangen hält /und dadurch einen Anfang meines Unglücks gemacht hat. Wann ich das geringste verwürket / so möchte ich mich eher zu frieden geben: aber nun machet meine gäntzliche Unschuld / mich ja billich ungedultig. Die Unschuld (antwortete Agapistus) soll euch vielmehr trösten / als ungedultig machen. Dann / was ist schöner / als ein unverdientes Leiden / welches keine Strafe der Laster / sondern eine Probe der Tugend ist: dadurch nicht allein die aufrichtigen Freunde / so ausser der Noht nicht zu erkennen / sondern auch unsre Sanftmut / Gedult und Beständigkeit offenbaret werden. Zu dem sind wir auch nicht allerdings unschuldig. Ob wir schon keine grobe Laster verübet / können wir uns doch der gemeinen Fehler nicht entbrechen. Da wir auch gleich gegenwärtige Gefängnüs nicht verdienet / so mögen wir es doch wohl auf andere Weise bey dem gerechten Himmel verschuldet haben.
Diese Worte schlugen dem Polyphilus / gleich wie ein Donner ins Hertz. Denn er erinnerte sich alsobald seiner Sünde / daß er / aus Hochmut / seinen Schäferstand verlassen / und durch Kunst und Tugend groß zu werden / sich dieser und anderer Gefahr freywillig unterworffen hatte. Derowegen liese er einen tieffen Senfzer / und sagte: Hiermit / Agapistus! habt ihr die Scheibe getroffen / und die Quelle gefunden / aus welcher alles mein Unglück fliesset. Freylich bin ich nicht unschuldig / sondern muß gestehen / daß ich aus blosser Hoffart und Ehrgeitz / meinen Schäfer-Stab von mir geworffen / und durch Kuast und Tugend Ehr zu suchen / ausgezogen bin: da ich doch lauter Widerwärtigkeit gefunden / und an statt der ruhigen Freyheit / welche ich in meinem vorigen Stand genossen /diese elende Gefängnus dulten muß. Ja / ja! du gerechter Himmel! ich bekenne / daß deine Strafe billich / und noch viel geringer sey / als ich verdienet habe. Du verübest an mir das Recht der gleichen Vergeltung. Denn an Schäfern habe ich mich verschuldet / und um der Schäfere willen / muß ich diese Strafe dulten. Nun will ich nicht mehr nach der Ursache meines Unglücks fragen / sondern vielmehr dieselbe auszusöhnen und abzubitten bedacht seyn. Aber allergetreuester Agapistus!
Agapistus über dieser Veränderung höchst erfreuet / sagte: Es ist unnötig / Polyphilus! daß ihr um das jenige bittet / worzu mich die Pflicht meiner Freundschafft schuldig verbindet. Eben deßwegen habe ich von meinem Hüter die Freyheit / euch zu besuchen / erkaufft / daß ich euch von der Königin /welche die Ursach unsrer Gefängnus durch einen jungen von Adel erkundigen lässet / erzehlen / und wegen unsrer Erledigung ratschlagen möchte. Nun ich aber diese Briefe gelesen / dünket mich am nötigsten seyn / daß ihr an Macarie und Melopharmis schreibet / und sie eines bessern unterrichtet. An Macarie (gab Polyphilus zur Antwort) habe ich allbereit geschrieben: An Melopharmis aber zu schreiben / trage ich bedenken / weil der Brief / welchen sie mir geschikt / so Ehrverletzlich ist / daß ich ihn keiner Antwort würdigen kan. Nach eurem belieben! sagte Agapistus. Ich will indessen der Königin / unsern Zustand / durch ihren Gesandten / zu wissen machen /und um Mittel zu unserer Erledigung bitten / im übrigen aber bemühet
Mit diesem Vorsatz / nahme er vom Polyphilus Abschied / und kehrte wieder nach dem Zimmer / woselbst er den Boten verlassen: welchem er dann alle Umstände ihres unverhofften Unglücks / und wie unschuldig sie in diese Gefängnus gerahten / richtig erzehlte / mit Bitte / er möchte doch daran seyn / daß Atychintida / durch ein offenbares Zeugnus ihres Wolverhaltens / bey dem Landherrn ihre Erlösung suche. Der Melopharmis aber thäte er verweißlich zu wissen / wie sie / durch ihren verächtlichen Brief / bey Polyphilo / gar nahe einen verzweiffelten Tod solte verursachet haben. Weil dann selbiger / gleich ihnen /an dieser Gefängnus gantz unschuldig / ihr Sohn auch / wie er vor Augen sehe / gesund und ausser aller Gefahr sey: so solte sie sich doch bemühen / den Polyphilus wieder zu begütigen / und ihre Freyheit nach allen Kräfften zu befördern. Diese Botschafft name der Gesandte auf sich / und reisete damit wieder nach Sophoxenien.
Agapistus aber erhielte bald nach diesem / durch Hülffe seines Hüters / eine Verhör bey dem Landherrn / und bate denselben gar demütig / daß er doch ihren Ankläger genauer vernehmen / auch weil ja nimmermehr einige Mordthat auf sie zu beweisen wäre /ihre Gefängnus aufheben / und die vorgenommene Reise nicht länger hintern wolte. Er bekame von ihm zur Antwort: Wie daß / wann sie schon an diesem Mord nicht schuldig / er doch / wegen des Polyphilus Trotz und Frefel / gnugsame Ursache hätte / sie gefangen zu halten. Weil auch selbiger vor den Mörder erkennet wäre / als könte
Dieser hönische Schluß gienge dem Agapistus so zu Hertzen / daß er ohne einig weiters Bitten / sich wieder in sein Gemach verfügte / und der Hülffe von Sophoxenien erwartete. Er war aber über den Landherrn so sehr ergrimmt / daß er den Polyphilus in der Ungedult fast abzulösen begunte. Als dieser solches durch den Servetus erfahren / konte er nicht anders /als auf gleiche Wunden / gleiches Pflaster legen. Darum er ihm / seine Ungedult ihm zu verweisen /folgende Zeilen zuschickte.
Macarie wanket / zwischen Freyheit und Liebe /spaziret ins Feld / und entschliesset sich vor die letzere. Ihre Baum-Schrifft hiervon / und das Gespräche hierüber mit dem Eusephilistus / der darzu gekommen. Sie bekommt das Schreiben des Polyphilus / ängstet sich darüber / und tröstet ihn mit einem Antwort-Brieflein. Agapistus beruhigt inzwischen sein Gemüte / und entschleust sich / der bekehrte Schäfer zu werden.
Nun wollen wir unserem Gefangnen noch eine kleine weile die Gedult befehlen / biß wir sehen / was Macarie vorgenommen. Dieselbige empfande / nach dem sie an den Polyphilus geschrieben / einen stetigen Streit in ihrem Gemüte / zwischen Zorn und Gunst /zwischen Tugend und Liebe / und war ungewiß / welchem von diesen beyden sie sich gefangen geben solte. Dann ob gleich die Vernunfft der Tugend beystunde / und ihre Stärcke vermehrte: so unterstunde sich doch das Gedächtnus / der Liebe so heimlich die Pforten zu öffnen / und den Willen so subtil auf ihre Seiten zu bringen / daß der Sieg immer zweifelhafft stunde /
In solchem Vorsatze verfügte sie sich / als einst der Himmel der Erde einen viel angenehmern Tag geschenket / als bey damals-angehender Winter-Zeit zu hoffen war / auf das Feld: der Lieblichkeit des Wetters / von welchem man keine Beharrlichkeit fordern kunte / zu geniessen / und nach so lang verkerkerter Einsamkeit / frische Lufft zu schöpffen. Sie gienge /nach ihrer Gewonheit / von niemand als ihren Gedanken begleitet: betrachtende / bey den tod-färbigen falben Feldern und kahlen Bäumen / die Unbeständigkeit der Natur / und aller derer Dinge / welche ihr unterworffen sind. Diese Felder / (sagte sie bey ihr selbst) die vor wenig Monaten gleichsam mit den schönsten Tapeten belegt waren / scheinen nun erstorben; und die Bäume / die mit ihren grünen Haaren /den Hirten Schatten / und dem Geflügel Wohnung gegeben / stehen entlaubet. Auch der Himmel / welcher heute fast wider die Ordnung der Zeit / sich so schön aufgekläret / mag wohl morgen mit schwartzen Wolken verhangen / und voller Schneeflocken zu sehen seyn. Und dieses ist der Wechsel der Natur / den sie ohn unterlaß in allen Sachen treibet / und dadurch eines
Und warum kommet dann auch mir (fuhre sie fort) so entsetzlich vor / daß ich / wegen der Liebe zum Polyphilus / einige Widerwärtigkeit dulten muß? welche Rose wird ohne Dornen / und welche Liebe wird ohne Schmertzen gefunden? Nicht allein die Liebe / sondern auch alles andere / träget einen verborgnen Unlust bey sich / und ist nichts so angenehm / daß nicht einen heimlichen Verdruß mit sich führet. So gar auch die Einsamkeit selbsten / welche ich doch seithero /als eine Besiegerin der Furcht und Hoffnung / verehret / kan dem Namen der Eitelkeit und des Elendes nicht entfliehen: sondern muß bald an aufrichtiger Freundschafft / bald an notwendiger Beschützung /Mangel leiden. Es hat ja die edle Liebe / welche vor der Zeit gewesen / und nach der Zeit seyn wird / Natur und Welt erschaffen / und alles / was gewesen / was ist / und was kommet / wird durch ihre Krafft unterhalten. Diese / wann sie nicht eine unkeusche Brunst törichter und lasterhaffter Gemüter / sondern eine reine Entzündung der Hertzen ist / welche sich auf die Vernunfft gründet / und von der Tugend begleitet wird / mag so dann billig eine heilige Bewegung und himmlische Eigenschafft genennet werden. Und ob man gleich / bey solcher / gleich wie auch bey andern Tugenden
Eben hatte sie diese Arbeit verfärtigt / und wolte weiter gehen / als sie von fern jemand reden hörte. Nachdem sie sich umgesehen / befande sie / daß es Eusephilistus / mit noch zwey andern von Soletten wäre: welche gleichfalls / dem Wetter zu gefallen / einen Spazirgang erwehlet hatten. Macarie / wie sehr sie über dieser Ankunfft erschrocken / muste doch / weil sie seinen Augen nicht mehr entweichen kunte / ihm entgegen gehen: solches thäte sie um so viel geschwinder / weil sie dadurch verhoffte / den Eusephilistus von dem Baum und ihrem Gedichte abzuleiten. Aber dieses war vergebens: weil Eusephilistus sie /nach Art der Verliebten / viel eher / und also noch im Einschneiden / ersehen hatte. Eilete er demnach stark auf sie zu / und als er sie freundlich empfangen / sagte er: So glükseelig / schönste Macarie! als ich ietzt bin / zu werden / hätte ich mir heute nicht zutrauen dörffen. So haben wir beyde (versetzte Macarie) dem gütigen Himmel vor einen anmutigen Tag zu danken. Ich danke demselben / (antwortete Eusephilistus) nicht nur vor den erwünschten Tag / sondern auch
Allzuwahr! gedachte Macarie / sagte aber wieder ihm: Meine Gedanken können wohl so lang zu rücke stehen / biß ich müsige Zeit habe / ihnen Gehör zu geben / und sind so notwendig nicht / daß sie mich von eines Freundes Gespräch abhalten solten. Aber wohl so heimlich / (widerredte Eusephilistus) daß man sie nicht offenbaren wird / es sey dann / daß jener Baum aus der Schul schwatze. Macarie / als sie sahe / daß sie verrahten war / gab zur Antwort: Wann sie heimlich wären / würde ich sie keinem Baum vertrauen / der sie jederman vorzeiget. Und weil ich sie öffentlich geschrieben / als werde ich keinen das Lesen verbieten. So bedanke ich mich dann / vor die günstige Erlaubnus! versetzte Eusephilistus / und gieng damit / wie ungern es auch Macarie sahe / zu dem Baume / und sagte / nachdem er die Verse gelesen: Das ist eine freye Bekäntnus / kluge Macarie! Aber wer ist der Glückseelige / welcher sie in seinem Liebes-Band führet? Macarie fieng an zu lachen / und sagte: das weiß ich selbsten nicht! Es ist diese Arbeit nicht mein / sondern ein fremdes Gedicht / welches ich jüngst ungefehr gelesen / und theils zu erfahren /ob ich es völlig behalten / theils auch die Zeit zu vertreiben / allhier eingeschnitten habe.
Wann gleich dieses wäre / (begegnete ihr Eusephilistus) wie ich ihr dann alles gern zu gefallen glaube: so erscheinet doch / daß sie hieran Belieben getragen /weil sie es so färtig behalten / und desselben Innhalt Beyfall gibet. Dem gantzen Inhalt /
Ich erwähle / (antwortete Eusephilistus) keine Liebste / sie gleiche dann der Macarie. Und weil ich eine solche nirgend finde / wird sich entweder Macarie über mich erbarmen / oder ich werde ewig ohne Liebste bleiben. Beedes ist unnötig! (sagte Macarie hinwieder) er ergreiffe das dritte / und erwähle eine vollkommenere / als Macarie ist. Die begehre ich nicht / (begegnete ihr Eusephilistus) und würde sie auch nicht antreffen. Demnach lebe ich der Hoffnung /sie werde / mit diesem rauhen Winter / ihr hartes Gemüt ablegen / und künfftigen Früling / da sich alles zu paaren pfleget / auch meine Liebe glückseelig machen. Ich stelle es dahin: (war Macarien letzte Rede) noch zur Zeit aber habe ich es nicht im Willen. Mit diesen gelangten sie vor ihre Behausung / dahin sie Eusephilistus
Hierauf verfügte sich Macarie auf ihr Zimmer / und fande daselbst den Boten mit des Polyphilus Brief /auf sie warten. Nachdem sie den Brief erbrochen / und über dessen Innhalt nicht wenig erschrocken war /fragte sie den Boten / um des Polyphilus Zustand? Als nun derselbe alle Umstände erzehlte / und wie er / mit jedermans Zeugnus / so gar unschuldig in diese Gefängnus gerahten / fragte sie ferner: wie hat er sich dann / auf meinen Brief / angestellt? Er ist / (antwortete der Bote) nachdem er selbigen durchlesen / in eine so starcke Ohnmacht gefallen / daß man ihn lang vor tod gehalten; und nachdem er mit grosser Mühe /wieder zu recht gebracht worden / hat er eine jämmerliche Klage geführet. Macarie / die dieser Erzehlung mit erschrocknem Gemüte zugehöret / hieße den Boten sich folgenden Morgen bey ihr wieder anmelden / da sie ihm eine Antwort mitgeben wolte. Der Bot bate / daß sie einen Brief schreiben wolte / der ihn frölicher machte / als der erste: welches sie ihm versprache / und ihn damit von sich ließe.
Hierauf überlase sie noch etlichmal das Schreiben /und wurde theils von Liebe / und Mitleiden / theils auch aus Zorn über seine hefftige Anklage / so verwirret / daß sie keine Speise zu ihr nehmen konte /auch nicht wuste / was sie antworten solte. Ich sehe wohl / (sagte sie) daß mein heutiger Vorsatz
Ob ich wohl billich Bedenken trage / euch mit meinen verhassten Briefen zu beunruhigen / in Ansehung /daß dieselbe / nach eurer Auslegung / nichts dann gleißnerische Larven / gefärbte Worte / und entlehnete Freundlichkeit in sich halten: so hat mir doch /theils eure Bitte / welcher ich auch bey eurem Haß nichts versagen kan / theils aber meine nötige Verantwortung / mir dieses Brieflein abgedrungen. Saget mir demnach / mein Polyphilus! womit habe ich euch beleidigt? worinnen habe ich meine Zusage gebrochen? welche Missethat soll der Himmel an mir straffen? Leget mir mein Unrecht vor / und stellet mir mein Verbrechen unter Augen: so soll der Höchste die Strafe / zu welcher ihr mich verdammet / unverzüglich vollziehen; oder ich werde Gelegenheit haben / meinen Fehler zu entschuldigen / oder wann er sich nicht entschuldigen lässet / abzubitten. Haltet ihr mich aller der angestrichnen Falschheit / boßhaften Untreu / und sträfflichen Betrübung / wie ihr mich anklaget / schuldig: Warum unterlasset ihr dann nicht / ein so lasterhafftes Weibsbild ferner zu lieben? Und warum wollet ihr den Namen der Tugend mit ihr verlieren? Sprechet ihr mich aber von solchen Ubelthaten frey / so verübet ihr ja Tyranney / und gebrauchet euch gegen mir einer unverdienten Grausamkeit. Welches ist dann nun meine Sünde? Nehmet ihr meine nötige Vorsorge so empfindlich
Eure gantz ergebne
Macarie.
Polyphilus hatte inzwischen / auf des Agapistus Erinnerung / und selbst Erkäntnus seines Irrtums / eine gantz andere Art zu leben zu führen angefangen. Dann da er vormahls den Zorn / die Ungedult / Rachgier und Verzweiflung / sich regiren lassen / begunte er anjetzo der Sanfftmut / Freundlichkeit und Zufriedenheit Gehör zu geben / und wuste nicht / wie er dem Himmel gnugsam danken solte / daß er sein Gemüt von diesen aufrührischen Begierden befreyet /und in eine friedsame Sicherheit gesetzt hatte. Wie habe ich (sagte er) bißher in einer gefärlichen Torheit geschwebet / und wie hat die Mutter aller Laster / die höllische Hoffart / meine Sinne verblendet / daß ich das waare Gut eines ruhigen und vergnügten Gemüts verlassen / und hingegen dem betrüglichen Schatten der Ehre und Hoheit nachgetracheet! da doch die Staffeln / auf welchen man zu den Wolken der Herrlichkeit steiget / so gebrechlich / daß ihrer wol zehen den Hals brechen / ehe einer die Spitze erreichet. Und da gleich das Glück einem so geneigt wäre / und / an statt der zerbrochnen Sprössel / seine eigene Hände unterstützte: so wird doch derselbe erst auf den höchsten Hügeln erfahren / daß nicht allein stürmende Winde und allerhand schädliche Lüffte / sondern auch Blitze und Donnerschläge seine hoffärtige Begierden verfolgen / und durch ihre
Polyphilus empfähet der Macarie Schreiben / und forschet / durch ein anders / nach ihrer Treue. Er wird vom Agapistus und Tycheno besuchet: Denen er sein Vorhaben entdecket / und das Schäfer-Leben so preislich vorstellet / daß sie / mit ihme in diesen Stand zu tretten / sich verloben.
Dergestalt kürtzte Polyphilus die Zeit / in seinem Gefängnüs / biß er von dem Boten / der Macarie Brief /und mit demselben nicht eine geringe Erquickung / erhielte: wiewohl der Zweifel / welchen er / wegen des vorigen Briefs / in ihre Treu und Beständigkeit gesetzt / noch immer sein Gemüt plagte / und durch diese Antwort nicht gedämpfet / sondern vielmehr ernehret wurde. Dann ob ihn gleich die Freundlichkeit /mit der sie ihr erstes Schreiben auszusöhnen gesuchet / tröstete / so erweckte doch / die Vergessenheit ihrer Zusage / einen neuen Argwahn: daß er also nicht wuste / was er hoffen oder fürchten solte. Er überlegte den Brief die Länge und die Quäre / und kunte doch nicht finden / was er suchte. Wie bin ich doch so übel daran! sagte er mit einem tieffen Seufftzer. Wann ich einen Zweiffel abgeschnitten / so wachsen / wie bey jener erdichteten Wasser-Schlange / unzehlige andere wieder hervor / und machen mir die Uberwindung schwerer. Aus etlichen Worten kan ich anders nichts schliessen / als Liebe und Beständigkeit.
Tugend-gezierte Macarie!
Ob mich wohl das Unglück meiner Verschliessung billig abhalten solte / mit gegenwertiger Erinnerung /dero befreyte Frölichkeit zu verhintern: so hat mich doch / die tragende Sorge ihrer Vergessenheit / wider Willen gezwungen / die ungebundene Freyheit meines Gemütes / durch diese Zeilen / ihr vorzulegen. Dann so gar achte ich dessen allen nicht / daß ich unverschuldet die Gesellschafft der Menschen meiden muß / daß ich vielmehr eine Verlängerung dieser ruhigen Einsamkeit verlange: Zumal sie mir die verlangte Gelegenheit schenket / meiner unglückseeligen Liebe unverhintert nachzusinnen. Betreffend ihr letztes Schreiben / ist mir selbiges so angenehm gewesen /daß es mir vielmehr den vorgehenden unseeligen Brief / als diesen / in tausend Stücke zu zerreissen befohlen. Wiewohl ich auch jenes mir nicht gebieten kan: Angesehen derselbe / gleich andern / durch die schöne Hände verfärtigt worden / welche mein Hertz ihr verbunden / und meine Freyheit gefangen
Ihr gantz eigner
Polyphilus.
Nachdem dieser abgefärtigt / wendete er sich gegen Agapistus / und sagte: Was machen wir dann / mein Freund! und wer erlöset uns endlich aus dieser Gefängnus? das weiß ich fürwar nicht! (begegnete ihm Agapistus) es sey dann / daß die Königin und Melopharmis Mittel zu unsrer / und ihres Sohns Freyheit erfinden. Nun / das wollen wir erwarten / (antwortete Polyphilus /) und indessen frölich seyn in guter Hoffnung: damit wir die Freyheit unsrer Gemüter / auch mitten in der
Was ist doch glückseeliger / als ein Schäfer? der ein stilles und schön-beblümtes Feld / dem unmüsigen Getümmel der Städte / und einen schattenreichen Wald / denen hohen Gebäuden und Dächern der Sorgen vorziehet? der keiner Ehre nachtrachtet / als die aus der Tugend entspringet; keine Ergetzlichkeit suchet / ausser / die die Freude des Feldlebens gebieret /und ein vergnügtes Gemüt / vor der gantzen Welt Reichtum erwählet? Der
Hingegen führet der mundere Schäfer seine Herde /so bald die Pferde der Sonnen ihre Reise angetretten /zu Felde / lässet sie auf der grüngedeckten Tafel speisen / und singet ein fröliches Morgen-Lied mit der freyen Lerche in die wette. Daselbst suchet er seine Wissenschafft / nicht aus scharffsinnigen und spitzfindigen Büchern / oder mit listigen Stats-griffen und verbottnen Künsten / sondern aus dem grossen Buch der Natur / dem ordentlichen Lauf des Himmels / und der wunderbaren Regirung des Erdbodens / zu verstärken: biß ihn der natürliche Hunger / welchen die Wollüstige selten erwarten / zur Malzeit beruffet. Diesen be friedigt er mit zwar geringen / doch gesunden Speisen / und löschet seinen Durst in einem Crystallklaren Brunnen / weit sicherer / als bey einem grossen und herrlichen Banket: da sich offt / an einer Gesundheit / ihrer viele krank trinken / ihre menschliche Eigenschafft in die hitzige und gemischte Weine vergraben
An statt / daß ein Ehr-begieriger oder Geldsüchtiger / der seinen Kopff mit tausenderley Anschlägen anfüllet / und / welcher / unter solchen / seinem vorgesetzten Zweck am nächsten komme / in der Wahl verarmet / mit vielem Nachsinnen umgeben ist / und sich nirgend sicher weiß: leget sich der vergnügte Schäfer / bey irgend einem rauschenden Bächlein /unter der Decke des blauen Himmels / gautz unbesorgt schlaffen / und lässet ihme / von der Unschuld aller Orten bewachet / nichts als von Freyheit träumen. Es sey dann / daß die listige Liebe / den Augen seines Gemüts / die jenige Schäferin vorstellet / welche / wegen ihrer Schönheit und Tugend / würdig ist /einen Theil seiner Gedanken zu beherrschen: deren er auch / so bald er von solcher süssen Verzuckung erwachet / ein Gedicht zu Ehren anstimmet / auch sie zu suchen / und ihrer Freundlichkeit zu geniessen / ausgehet. O ihr glückseelige Schäfer! wie leicht könnet ihr euer Verlangen / in den zarten Armen eurer Geliebten / stillen / und eure Liebes-Brunst / mit ihrem holdseeligen Munde löschen. Ihr dürffet nicht / gleich mir armseligen / aus einem Unglück / in das andere fallen / und von Furcht und Zweifel umgetrieben / je mehr und mehr irre gehen. Ihr könnet ungescheut von eurer vergnügten Liebe singen: da ich / tief verkerkert / mich nach meiner Macarie vergeblich sehnen muß. Sehet / Agapistus! in solchen und dergleichen Ubungen / pfleget ein Schäfer seine Schafe zu weiden / biß sich das Auge der Welt beginnet zu schliessen: da er
Sonsten / beneidet er niemand / und wird von niemand geneidet. Er weiß von keinem Krieg / als / welchen die grimmige Wölffe wider seine unschuldige Herde führen. Er ist in der Kleidung erbar / in Essen und Trincken mässig / und wohl zu frieden mit dem /was ihme der gütige Himmel in seinem eignen Hause bescheret. Er ist frey von aller Begierde / so mehrerm Glück nachtrachtet / und fremdes Gut an sich zu ziehen gedenket. Und ob er gleich das ungestümme Meer nicht durchfahren / noch aus andern Ländern die Laster geholet; Ob er gleich kein Gold aus Spanien /keine Seide noch Gewürtz aus Italien / und keine fremde Trachten und falsche Höflichkeiten aus Frankreich heimgebracht: so ist er doch darum weder vor unvernünfftig noch vor ungeschickt zu halten / und weiß er wol / die Tugend von dem Lastern zu unterscheiden / und das Gute vor den Bösen zu erwählen. Seelig ist der Mensch / welcher keine Hoheit hoffet /und keinen Abgang der Tugenden hat! der andern unbekant ist / sich selbst aber wohl und recht erkennet! Ausser welcher Ubung / alles unser Vorhaben unnütz und eitel / und viel tauglicher ist / allerhand Laster einzuführen / als bey der Tugend zu verharren.
Was bedünkt euch nun / Agapistus? halte ich nicht billig den Schäferstand vor glückseelig? oder thue ich unrecht / wann ich mir vornehme / darinnen zu leben? Ich muß bekennen / (gab Agapistus zur Antwort /) daß der herrliche Ruhm / welchen ihr diesem Stand beyleget / kräfftig gnug sey / solches Leben angenehm zu machen. Und wie sich das
Dergestalt verlobten sich diese Gefangene / zu dem Schäferstand / und erwählten vor den Degen / die Hirten-Tasche: bezeugten also / die Verkehrung menschlicher Sinne / und wie man in der Noht pflege die Demut zu wählen / den Himmel zu suchen und also seine Gedult zu verstärken. Wer hätte bey ihrem Abzug von Sophoxenien denken sollen / daß diese prächtige Ritter / wie sie damals ausgereiset / als einfältige Schäfer / oder doch in dem Vorsatz solche zu werden / wieder zurück kommen solten? allein das Unglück lehret die Menschen gantz andere Gedanken führen / und ihre Glückseeligkeit an denen Orten suchen / welche sie vorhin ihrer Gegenwart unwürdig geschätzet.
Der Gesandte kommt nach Sophoxenien wieder zurücke / und berichtet von der Gefangenen Unschuld. Atychintida denkt auf ihre Befreyung / und thut eine Rede von der Unnotturfft und Schädlichkeit des Reisens in fremde Länder. Sie lässt an den Landherrn / bey dem sie verhafftet / einen Brief abgehen: und Melopharmis erdichtet eine Weissagung / diese Erlösung zu befördern. Polyphilus / als er den Boten sihet / hoffet seine Freyheit / und danket dem Himmel.
Inzwischen also diese zukünfftige Schäfer ihr Gelübde beschlossen / war der Gesandte von Sophoxenien /wieder nach Hause gelanget. Melopharmis / welche sich indessen mit Weinen und Wehklagen über ihres Sohns Gefängnis / so ausgemergelt / daß sie Farbe und Gestalt / die sie vorhin wegen hohen Alters kaum noch halb besaße / allerdings verlohren / lief augenblicklich an das Fenster / von welchem sie die Straße / daher der ausgeschickte wieder kommen solte / ausnehmen kunte. Als sie ihn nun eines Tags erblicket / eilte sie / mit grosser Begierde / herunter ihm entgegen / und fragte / wie es ihrem Sohn ergehe? Wohl! (versetzte der Edelmann) er ist gesund und frölich / und mangelt ihm nichts / als die Freyheit / welche er
Melopharmis / die über ihres Sohns Gesundheit erfreuet / mehr aber über des Polyphili Zorn betrübet worden / bate den Gesandten / der Königin nichts von ihrem Brief zu eröffnen / und versprache die Mittel zu seiner Erledigung auszusinnen. Nachdem er ihr solches zugesagt / meldete sie ihn bey Atychintida an /die hiesse ihn vor sich kommen / und vernahme auf ihr Begehren folgende Nachricht. Durchleuchtigste Königin! ich habe / dero gnädigstem Befehl gemeß /von dem gefangenen Agapistus / die Ursache seiner und seiner Gefärten / sonderlich des Polyphilus / Verschliessung erkundiget. Sie lassen E.M. unterthänig berichten / wie sie mitten auf dem Weg / von einer streiffenden Rotte / welche etliche Schäfer-Mörder zu verkundschafften ausgesandt waren / ohne alle gegebne Ursache plötzlich überfallen / und ungeacht alles Widerstands / Entschuldigens und Bittens / vor Mörder beschüldiget / auf selbiges Schloß gefangen geleget / und des andern Morgens von dem Herrn
Es ist gut / (antwortete hierauf Atychintida) daß wir uns in dieser Sache nicht übereilet / sondern des Cosmarite Vorschlag gefolget haben. Und nun gebet euch zu frieden / Melopharmis! Ich wil dieser Sache wohl Raht schaffen / und euch euren Sohn ehist wieder in die Arme liefern. Lasset nur ihr / Chlierarcha! noch diesen Abend ein Schreiben an diesen Landherrn verfärtigen: so kan ich morgen mit dem frühsten / einen Boten damit ablauffen lassen. Chlierarcha erbote sich / solches gehorsamlich zu verrichten: und Melopharmis bedankte sich vor die gute Vertröstung und versprochne Hülffe.
Hierauf verfügten sie sich zur Tafel / bey welcher sich Atychintida / über ihre Gewonheit / frölich erzeigte: vielleicht weil sie hoffete / ihres Polyphilus Gegenwart bald wieder zu geniessen. Melopharmis hingegen / kunte ihr unruhiges Gemüte und verwirrte Anschläge / wie gern sie auch wolte / nicht
Wann wir aber (begegnete ihr Chlierarcha /) alle dieses Sinnes wären / in was vor einen Zustand selten wir letzlich gerahten? Dann wann niemand in fremde Länder reisen wolte / so könte sie auch niemand ferner beschreiben: und das jenige / was allbereit beschrieben ist / würde entweder vertunkelt und verlohren / oder doch von den Nachkömlingen vor lauter Gedicht und Märlein gehalten werden. Wir würden auch / ohne das Reisen / nicht allein viel nützliche notwendige und annehmliche Dinge / welche die Natur andern Ländern mitgetheilet / sondern auch /viel Künste und Wissenschafften / die in fremden Sprachen beschrieben / oder in selbigen Landen erlernet werden / entbehren
Mein Clierarcha! (antwortete Atychintida) wann dieses alles unverneinlich wäre / so würde folgen /daß nicht allein unsre geehrte Alten / welche gemeinlich in ihrem Lande geblieben / sondern auch viel heut zu Tag blühende Königreiche / die gleichfals andern Ländern wenig nachfragen / armselige / unverständige / und solche Leute / die ohne Gesetz und Ordnung / zu Krieg- und Friedens-Zeit untauglich / gewesen / und noch wären. Allein / die gerechte Gesetze /heilsame Ordnungen / löbliche Sitten / und sieghaffte Kriege / durch welche die jenige Länder / die / ohne ausländische Hülffe / von ihrem eignen Verstande regiret / und von ihrer eignen Dapfferkeit beschützet werden / zeigen das Gegentheil. Wir selbst müssen bekennen / daß wir die vornehmste Künste und Wissenschafften / welcher wir uns berühmen / unsern klugen Vorfahren zu danken haben / die so tugendhafft geschrieben / und so hertzhafft gestritten.
Es hat ja auch die Natur / unsre menschliche Eigenschafften / nicht in unterschiedliche Länder versteckt
Die fremde Güter betreffend / muß ich zwar bekennen / daß wir viel bequemliche Sachen von den Ausländern geniessen / welche theils nützlich / theils lieblich / der wenigste Theil aber notwendig sind: Denn der gütige Himmel ein jedes Land mit solchen Gaben beschenket / daß es seine Innwohner / ob gleich nicht nach eines jeden lüstrender Willkühr / ernehren und bekleiden kan. Der Uberfluß fordert ein grosses: aber die Notturfft ist mit geringen vergnügt. Man darff weder Hunger noch Durst leiden / ob man gleich nicht die Speise mit Gewürtze / und den Wein mit Zucker /angenehm machet. So kan man auch / ohne das Blut der Purpur-Schnecken / und ohne den Glantz der schönen Perlen / sich wohl bekleiden. Es werden die jenige Sachen / welche uns aus fremden Ländern zukommen / mehr
Auch der Nutze / den die Regimenter von den Reisen haben / bestehet mehrentheils in der Einbildung. Dann / betrachtet nur / Chlierarcha! die gewönliche Reisen unserer heutigen Jünglinge / welche gemeinlich / mit grossen Unkosten / und mit Verschwendung ihrer Eltern sauer-erworbener Güter / etliche Städte und Länder mit Kalbs-Augen ansehen und durchziehen / nachmals mit fremden Wörtern und Gebärden /in einem bossirlichen Kleide / wieder nach Hause kommen / den Kopff empor tragen / als wolten sie durch die Wolken brechen / und nichts als Eitelkeit zu erzehlen wissen / so sie gesehen / gehöret / und erfahren: weil sie die Zeit meist mit spielen / fluchen /sauffen und buhlen / sträfflich verderbet / und mit den vielfältigen Wechselgeldern nichts / als einen ungesunden Leibe / und eine lasterhaffte Seele gekaufft.
Es ist in warheit eine lautere Torheit / in andere Länder reisen / und seines Vatterlands vergessen: Fremde Ordnungen suchen / und seine eigne verlieren; Ausländische Gesetze halten / und die Einheimische brechen. Die jenige Gemein ist glückseelig / wo keine hochtrabende / sondern friedfertige Leute wohnen; wo nicht viel Handtirungen / sondern viel tugendhaffte gefunden werden; wo man fremder Gesetze nicht achtet / die Einheimische aber vest und unverbrüchlich hält; wo man die Frommen schützet / die Bösen straffet; seine Nachbarn liebet / und keinen Krieg ohne Noht vornimmt; im fall man aber je diesen nicht verhüten kan / sich von der Hertzhafftigkeit waffnen /und von der Gerechtigkeit
Cosmarite name hierauf das Wort / und sagte: Gnädigste Königin! das jenige / was E. M. von den unnützlichen Reisen eingewendet / ist nur all zu wahr /und mehr zu beklagen als zu ändern: Aber doch kan der Mißbrauch den rechten Gebrauch nicht aufheben. Es ist nicht zu laugnen / daß durch das nötige Reisen / einem Land viel Nutze geschafft werde. Dann /ob gleich die Regimenter / auch ohne die Reisen /könten erhalten werden / so stehet keineswegs zu zweiffeln / daß einer / der wol gereist / und kein blosser Mauren-schauer gewesen / sondern die Sitten /Manier / Rechte und Gewonheiten fremder Nationen erlernet / bey weit-entlegnen Völkern / wie eine Biene / in fernen Feldern / unter den Blumen / Hönig gesamlet / und so wohl mit Thoren als Weisen umgegangen / einer Gemein viel besser anstehe / als der jenige / so allezeit hinter dem Ofen geblieben / und nie aus seiner Mutter Schoß kommen ist. Zwar / wer keine Gelegenheit hat zu reisen / kan wol ohne dasselbe ein kluger Mann werden. Welchem aber das Glück so güntig ist / daß er fremde Länder besehen kan / der soll es nicht ausschlagen.
Weil Chlierarcha / das Schreiben zu verfärtigen /nach seiner Wonung eilete / als wurde hiermit dieses Gespräche abgerissen / die Tafel aufgehoben / und die Königin nach ihrem Zimmer begleitet. Inzwischen nun Chlierarcha den Brief verfassete / hatte Melopharmis / welche nicht wuste / wie sie den Polyphilus versöhnen solte / vielerley Anschläge
Diese Schrifft übergab Melopharmis dem Boten /welchen die Königin zu Polyphilus senden wolte / mit Befehl / selbige / so bald er in das Land käme / an die Thür des Tempels zu hefften / und
Edler Herr!
Nachdem wir / nicht ohne Mißfallen / verstanden /wie eure Soldaten unsern Erretter Polyphilum / neben andern unsern getreuen Bedienten / welche auf der Reise nach Brunsile begriffen gewesen / ohne alle gegebne Ursach / mitten auf dem Wege / als öffentliche Mörder und Strassenrauber / angefallen / und mit Gewalt zu Gefängnis geführet / und seither in Hafft gehalten: als haben wir vor nötig erachtet / euch durch diesen Brief zu berichten / und zu versichern / daß diese unschuldige Gefangene keine Mörder und Ubelthäter / sondern ehrliche Personen sind / die in unsern Geschäfften gereiset / und niemand etwas zu leid gethan haben. Wir leben der gäntzlichen Zuversicht /daß ihr diesem unsern wahren Zeugnis Glauben zustellen / die Unserige nicht ferner anhalten / noch ihre in unsern Diensten vorgenommene Reise verhintern werdtt / sondern sie also fort ledig geben / und wieder auf freyen Fuß zu stellen werdet.
Atychintide.
Wiewol dieser Brief der Königin anfangs etwas zu gelind vorkame / so ließe sie doch / auf des Chlierarcha Zureden / daß man erstlich den gütlichen Weg gehen / und mit Höflichkeit verfahren müsse / ihr denselben gefallen / und den Boten alsobald damit ablauffen. So bald dieser im Land angekommen / häfftete er den Zettel der Melopharmis heimlich an den Tempel / und gienge so fort nach dem Gefängnus des Polyphilus: bey welchem eben Agapistus und Tycheno / die ihn zu besuchen angekommen waren / sich befanden. Die Zeit wolte nun diesen dreyen schier zu lang werden / und die Hoffnung der Hülfe begunte zu sinken. Doch trösteten sie sich selbst / so gut sie vermochten: und wuste sonderlich / der schertzhaffte Agapistus / bißweilen ein Gelächter zu stifften. Wie er dann auch dißmals / als er durch das Fenster die Erde mit Schnee bedecket sahe / und wohl wuste / daß Polyphilus das Schlittenfahren liebte / mit ernsthafften Geberden sagte: Was macht ihr / Polyphilus! bey so gutem Schlitten-Wetter / hinter den Wänden? Geschwind / Servetus bespanne den Schlitten! Vielleicht wird auch Macarie / mit uns dieser Lust geniessen. Polyphilus / wie sehr ihn dieser Schertz seines Unglückes erinnerte /
Diese Erinnerung / beantwortete Polyphilus mit einem tiefen Seufzer: als eben der Sophoxenische Bot ankam / und diesen Gefangnen von der Königin und Melopharmis / einen gnädigen und schönen Gruß brachte; mit angehengter Erzehlung alles des jenigen /was er / aus dieser beyden Befehl / zu ihrer Erledigung / allbereit verrichtet / und noch zu verrichten hätte. Uber dieser Zeitung / empfunde diese Gesellschafft eine unbeschreibliche Freude / und den Boten reichlich beschenkend / baten sie ihn / daß er sein Gewerbe beschleunigen wolte. Diesem nachzukommen /suchte er alsobald Gelegenheit und Gehör bey dem Landherrn: konte aber solche selbigen Abend nicht erhalten / und muste des andern Tages erwarten. Polyphilus war in seiner Hoffnung schon erlöset / und vergaße des Schimpfs von Melopharmis / weil sie nun seine Freyheit beförderte. Er tröstete sich auch allbereit mit der Einbildung / seine Macarie ehist wieder zu sehen / und dankte dem versöhnten Himmel / vor die angefangene Hülfe / mit folgenden Reim Zeilen.
Die Schäfer / des Landherrn Unterthanen / der Melopharmis erdichteter und offentlich-angeschlagener Weissagung gläubend /bereden ihn / daß er die Gefangnen ledig gibet. Macarie klaget über ihr Verhängnis / redet von ihrem Lautenspiel / empfähet des Polyphilus Schreiben /und beantwortet dasselde. Dessen Freude / als er diese
Dem Agapistus kam ihre Erlösung noch zweiffelhafft vor / weil ihm die Halsstarrigkeit des Landherrn wohl bewust war: Welche seine Meynung ihn auch nicht betrogen. Dann / als der Bot / des andern Tages /seine Werbung abgeleget / und der Königin Brief überlieffert / gab ihme der Landherr zur Antwort: Er müste sich etwas gedulten / biß er diese Sache vornehmen / die warheit untersuchen / und sodann der Königin eine Antwort ertheilen könte. Als der Bot mit diesem Bericht wieder zum Polyphilus kame / fiele dieser in neue Betrübnus / fürchtend / daß dieses ein Hof-Bescheid seye / und die Sache / nach heutiger Manier / in die lange Bank gespielet werden möchte. Es würkte aber indessen / der Melopharmis Anschlag / viel kräfftiger; in dem ein Schäfer selbiger Gegend / diesen Zettel ersehen / und weil er die Schrifft nicht verstanden / solches dem Marcellio / als ihrem damaligen Vorsteher / angezeigt. Dieser / als er den Innhalt der Schrifft / mit Zuziehung eines gelehrten Priesters erlernet / und es vor eine Göttliche Warnung hielte / ließ die gantze Gemeine der Schäfer /über die er die Aufsicht hatte / versamlen / und legte ihnen diese Wunder Begebnis vor: mit Befehl / daß ein jeder / das jenige / was ihm von dieser Sache bekant / offenbaren / und wie diesem Unheil vorzukommen / sein Bedenken geben solte. Lysias / einer von den vornemsten und verständigsten Schäfern / ließe sich hierauf vernehmen: Es würde diese Schrifft ohne Zweifel / die vier Reisende
Lysias aber / welchem die Härtigkeit ihres Oberherrn bekant war / hielte vor rahtsamer / daß die gantze Gesellschafft aller Schäfer und Schäferinnen / diese Bitte zugleich anbringen solte: damit er / durch die Menge / die er heimlich fürchten müste / bewogen /desto eher einwilligen möchte. Als dieser Ratschlag von allen beliebet ward / giengen sie sämtlich auf das Schloß / vor den Herrn des Landes / und brachte Marcellio den Handel an / mit diesen Worten: Gnädiger Herr! E. Gd. werden sich nicht wundern / daß wir in solcher Menge vor ihr erscheinen / wann sie vernehmen das Göttliche Wunder / welches wir in einer ungewönlichen Schrifft / deren Erklärung E. Gd. wir hiemit vorlegen / an der Thür unsers Tempels gefunden. Uns befihlet diese himmlische Offenbarung / die jenige Reisende / welche als vermeinte Mörder unserer Mit-Schäfer gefangen ligen / weil sie solcher Missethat unschuldig / loß zu bitten / oder widrigs falls /Göttliche Rache und unsern gäntzlichen Untergang zu erwarten. Diesemnach bitten wir E. Gd. unterthänig und demütig / diesen unschuldig
Mit was Ungedult und Zorn diese Bitte der Schäfer aufgenommen worden / ist nicht zu beschreiben. Er brannte vom innerlichen Grimm / daß er seine Rache gegen den Polyphilus verhintert sahe. Und fürwar / es hätte / weder der Atychintide Brief / noch der angedrohete Zorn des Himmels / noch das Verderben seines Landes / seine Boßheit hintertrieben: wann nicht die Furcht der Aufruhr seiner Unterthanen / die in solcher Menge zugegen waren / ihn gezwungen hätte /vor dißmal die Löwenhaut mit einem Fuchsbalg zu bedecken / und ihrer Bitte etwas nachzugeben. Doch suchte er allerhand Ausflüchte / und zweifelte bald an dem Berlauf dieser Geschicht / welchen sie doch einmütig bezeugten / bald an deren warhaffter Erklärung. Endlich / als er nicht weiter kunte / versuchte er /diese Fürbittende / gleich dem Sophoxenischen Boten / mit List abzuweisen / und sagte: Sie solten sich zu frieden geben / er wolte sich der Sache erkundigen / und alsdann ihrem Begehren ein Genügen thun.
Wie aber die Schäfer mit dieser Antwort nicht vergnügt seyn wolten / sondern einwendeten / daß diese Schrifft eine eilende Erlösung der Gefangnen fordere /und vor derselben kein Glück noch Wolfart zu hoffen sey: muste er endlich sich darin ergeben
Es kam eben ein Bote von Soletten ihnen entgegen / welcher dem Polyphilus einen Brief von Macarien einhändigte. Diese lebte / nachdem sie an den Polyphilus den vorigen Brief geschrieben / voll Betrübnus / wegen seiner Gefängnus / und verbrachte die meinste Malzeiten ohne Speise / und die meinsten Nächte ohne Schlaffen. Aller Freude war bey ihr so gäntzlich vergessen / daß sie trauriger zu seyn schiene / als der Gefangne selber. Ach! (sagte sie) unseeliger Polyphilus! warum habt ihr doch meiner ersten Warnung nicht gefolget / und die arbeitselige Liebe gegen Macarie verlassen? so würdet ihr jetzo glückseeliger zu nennen seyn. Wollet ihr dann lieber mit mir in Widerwärtigkeit / als ohne mich / im Wolstande / leben? Verändert doch noch eure Liebe / und verlasset mich / und zugleich das Unglück / welches mit mir geboren
Meine Laute / die Verkürtzerin meiner Einsamkeit /scheinet / gleich mir / erstorben zu seyn / oder gibt nur einen kläglichen Thon von sich. Wäre sie so mächtig / als jene viel-vermögende Leyr des Orfeus /oder hätte ich so süsse griffe gelernet / als selbiger Künstler / der dadurch sein Ehgemal aus der schwartzen Höllen wieder geholet: so glaubet mir / Polyphilus! ich wolte sie diese Stunde ergreiffen / und damit eure Gefängnus öffnen. Aber nun ist sie in meinen Händen ein stummes Holtz / und liget / wegen meiner Traurigkeit / ganz entseitet.
Mit diesen und dergleichen Gedanken vertriebe / oder vielmehr verderbte Macarie ihre Zeit / biß sie die Antwort des Polyphilus / und damit eine kleine Linderung erhielte. Und ob ihr wol sein Brief / wegen seiner Schärffe anfänglich gar fremd vorkame / also daß sie nicht willens war zu antworten: bezwang sie doch letzlich die Liebe / ein Brieflein zu schreiben / und ihre endliche Meynung darinn zu eröffnen; welches sie auch / so gut es die Eile gestattete / mit diesen Worten verrichtet.
Mein Schatz!
Ich habe sein angenehmes Brieflein wohl erhalten /und daraus / eines theils seine unbillige Verschliessung mitleidig verstanden / anders theils aber gelesen / wie er sich noch immer bemühet / sein Recht gegen mich zu behaupten / mir List und Betrug aufzubürden / und also (weil die Tugend weder Betrug noch List leidet) mich eines lasterhafften Gemüts zu überführen: welche Worte er zwar mit Schrecken gelesen / aber gantz behertzt geschrieben. Ermesset aber auch / das lasterhaffte Beginnen / damit ihr meine Seele gedenket zu tödten. Vermeinet man nun dieses mit der angemasten Vergessenheit meiner Zusage zu behaubten / so hat es zwar einen Schein / aber keinen Grund. Dann ob ich gleich nach meiner Verheissung gefraget / zu
Eurer beständigen
Macarie.
Diesen Brief / welchen Macarie durch den Uberbringer zu rück sendete / ward dem Polyphilus / wie allbereit erwehnet / eben eingehändigt / als er aus dem Gefängnus gienge. Dahero seine Freude nicht wenig vermehret wurde / als er selbigen gelesen / und seiner Macarie Aufrichtigkeit dadurch versichert worden. Er überreichte ihn dem Agapistus / und sagte: Hier sehet / mein Freund! wie sich das Glück / nach so langer Verfolgung / bey mir zuschmeichelt / und mich so lieblich küsset / daß ich / aller Schläge vergessend /seine Freundlichkeit dennoch rühmen muß / sonderlich / wann ich erwege / daß es / durch seinen Widerwillen / nur meine Beständigkeit geprüfet / und seine Errettung angenehmer gemacht. Es kan doch / eine unbillige Schmach den Namens-Ruhm nicht verletzen / und ein unverdientes Leiden die Tugend nicht beflecken: sondern es ist vielmehr eine Artzney des Gemüts / dadurch die Unreinigkeit der Laster ausgefeget / und die verlorne Tugend wieder eingeführet wird. Die Großmütigkeit lässet sich von keinem Unglück überwinden / und bleibet in allen Zufällen sieghafft. Das lautet viel anderst / (sagte Agapistus) als die Klage bey meiner ersten Besuchung / da ihr noch verschlossen waret. Der Himmel erhalte uns allezeit
Polyphilus beratschlaget mit Agapisto / was sie vornehmen sollen: und werden sie einig / nach Sophoxenien umzukehren / das Gelübde des Schäferstandes zu vollziehen / und solches Vorhaben der Königin mit einer erdichteten Ursache vorzutragen. Ihr Schertz-Gespräche / über der Abend-Malzeit. Polyphilus erzehlt seinen schweren Traum / und wird geredwechselt / was von Träumen zu halten sey?
Ein erfahrner Schiffmann / der köstliche Güter über See zu holen gedenket / ob er gleich den Wind nicht in seiner Gewalt hat / auch gar ungewiß ist / wie derselbige wehen wird / begibt sich dennoch gar behertzt
Er hatte nunmehr seine Freyheit wieder erhalten /und stunden ihm alle Strassen offen. Derowegen fragte er den Agapistus: welches das beste wäre / ob sie ihre Reise nach Brunsile fortsetzen / oder wieder zu rück auf Sophoxenien reiten solten? Agapistus beliebte das erste / und riehte / er solte den Sophoxenischen Boten nach Hause schicken / und der Königin und Melopharmis ihre Erledigung wißlich machen lassen /auch wie sie ihre Reise / von welcher sie schon den halben Weg zu rück geleget / fortsetzen wolten. Aber dem Polyphilus wolte dieser Vorschlag nicht gefallen / theils wegen des Gelübds / mit welchem er sich /in dem Gefängnus / dem Schäferstande verpflichtet /dessen Verletzung
Nichts gewisses! begegnete ihm Polyphilus. Doch dünket mich am bequemsten seyn / daß wir diesem Beginnen einen Göttlichen Befehl / welchem sich niemand widersetzen darff / zum Grunde legen. Wir wollen vorwenden / daß wir / nach erlangter Freyheit /einen heiligen Einsiedler / welcher sich in einem Wald hierum aufhalte / wegen unsrer Reise / zu Raht gezogen: der uns dann ernstlich befohlen
Unter solchem Gespräch / wurden sie von der Nacht überfallen / welche noch dazumal mehr Stunden / als der Tag / beherschete. Sie konten also mit grosser Mühe einen Flecken erreichen / dessen Wirt sie diese Nacht beherbergte. Sie waren allerseits müde von der Reise / und funden auch eine schlechte Malzeit. Agapistus konte seine Schwänke nicht lassen /fieng über Essen an / und sagte: Wir haben gleichwol eine schlechte Höflichkeit
Damit stunden sie auf von der Malzeit / und
So bin ich dann / (versetzte Polyphilus) dißmal der Unglückseeligste: denn ich habe einen Traum gehabt /dessen Erfüllung ich nicht wünsche. Was war es dann? fragte Agapistus. Mir traumte / (war des Polyphilus Antwort) als wäre ich / in einem Wald / von vielen Mördern umringet worden / welche mich ausgezogen / und mit ihren Schwertern so sehr verwundet / daß ich nichts mehr erwartete / als von ihren Händen zu sterben. In solchen Aengsten / sahe ich Macarie auf mich zu eilen / welche / mich zu erretten /den Mördern in die Schwerter fiel / und sich mit denselben dermassen verletzte / daß ich voll Furcht und Schrecken aufschrye / und die Mörder bate / ihrer zu verschonen. Uber dieser Bitte bin ich erwachet: weiß also nicht / ob sie errettet / oder ermordet worden. Das
Man muß unter Träumen einen Unterschied machen (versetzte Polyphilus) deren etliche natürlich /und nach der Beschaffenheit des Menschen / entweder frölich / oder traurig sind / welche gemeinlich vor Mitternacht / und so lang die Speise im Magen kochet / zufallen: etliche aber / sonderlich die gegen Morgen / sind über die Natur / und kündigen uns unser Glück und Unglück an / entweder zur Furcht /oder zur Warnung. So wenig nun auf jene / welche uns theils unsre natürliche Zuneigung / theils auch die Sachen / so sich selbigen Tag über zugetragen / wiewol gantz verwirret / vorstellen / zu halten / so wenig sind hingegen diese / die uns unser Zukünfftiges offenbaren / zu verachten. Dann es bezeuget die Erfahrung / daß uns offtermals die Warnung eines Traums /wann man derselben vorsichtiglich nachkommet / von grossem Unglück befreyet. So weisen auch die Exempel / wie solche Träume zugetroffen. Der Andromache / Hectors Gemalin / traumte / wie ihr Herr des folgenden Tages im Streit umkommen: Deßhalben
Wieviel hundert aber / (sagte Agapistus) vergehen mit dem Schlaf / und bleiben unerfüllet / können aber doch einen / der darauf achtet / in Furcht und Nachteil setzen! Jenem Römischen General Cecina träumte /als er wider die Teutschen zu Felde lag / er sehe aus dem Morast hervor steigen / den mit Blut besudelten Varum / (welcher vorher mit den Teutschen gar unglücklich getroffen) der ihm winkte / und bey der Hand nach sich ziehen wolte / dem er aber die Hand entzogen. Hätte nun dieser dapfere Feldherr nicht beobachten wollen / daß ein
Ich / meines theils (fuhr er fort) möchte wünschen /daß mein Traum ein blosser Schatten wäre / der nichts nach sich ziehet. Allein / ich glaube es schwerlich /sondern fürchte immer / es werde sich entweder zu Sophoxenien / oder zu Soletten eine neue Widerwertigkeit regen / und meine Vergnügung verletzen. Wann ihr dieses fürchtet / (sagte Agapistus) so wollen wir Serveten mit dem Boten voraus schiken / und /was es daselbst vor eine Beschaffenheit habe / erkundigen lassen / damit wir hiernach unsern Fortzug anstellen können. Wohl! (sagte Polyphilus) wann ihr es vor gut ansehet / so wollen wir sie alsbald abfertigen. Damit rufften sie dem Servetus / welchen Polyphilus zur Seite führte / daß es Tycheno / nicht alles hören
Des Polyphylus und seiner Reis Gefärten Gespräch /in der Herberge / von Gespänstern; nachmals auf dem Weg / von der Liebe und Buhlerey / und von den Beer-Wölfen. Sie verreiten sich / in solchem Gespräche.
Polyphilus und seine Gefärten / ritten allmählich hernach / und kürtzten ihren Weg mit allerhand Gesprächen: biß sie / um den Mittag / ihre Rosse zu füttern /und selbsten Speise zu nehmen / in einem Wirtshause abstiegen. Agapistus / welcher sich auf dieser Reise schertzweis den Hofmeister nennte / gienge bald in den Stall / zu sehen / ob die Pferde versorget wären /und von dar in die Küchen / die Malzeit zu bestellen. Daselbst traffe er eine viel schönere und freundlichere Wirtin an / als in einem Dorff zu vermuten war. Er machte / nach seiner Gewonheit / alsobald mit ihr Freundschafft / und ließe ihm ihre Weise nicht übel gefallen.
Uber eine kleine Weile kam der Wirt / welcher nicht zu Haus gewesen / seine Gäste zu empfangen. Diesen fragte Polyphilus / was doch dieses / so gegen dem Wirtshaus über lage / (damit auf ein altes und verwildtes Gebäu zeigend / welches allem Ansehen nach unbewohnt stunde) für ein Ort wäre / und wem es zustünde? Der Wirt gab zur Antwort: Es wäre ein Schloß / vornehmen Edelleuten zuständig / welches vor Jahren gar herrlich und vest gewesen / dieser Zeit aber / wegen eines Gespensts / gantz unbewohnt wäre / und wüste er / da er doch ein alter Mann wäre /sich nicht zu erinnern / daß es jemals bewohnt gewesen. Als nun Polyphilus darüber wunderte / sagte Agapistus / der nun auch zu ihnen gekommen war: Er könne sich in dergleichen Gespenster nicht richten /weil es ja gewiß / daß weder der verblichene Cörper aus der Erden / noch die Seele / von dem Ort / da sie nach ihrem Abschied lebet / wieder kommen könne; halte er es also vor lauter Gauckeleyen / welche nur die Furchtsame zu schrecken pflegen / und zweifle er gar sehr / ob sie einem Behertzten / der sie verachtet /schaden können. Das ist eure Manier / (sprach Tycheno) daß ihr alles widersprechet. Wann nur einmal ein Gespenst käme / und eurem Zweifel ein Ende machte: Ich möchte gern sehen / ob ihr euch so behertzt gegen demselben / als gegen uns / anstellen
Daß gewiß Gespenster seyn / und sich sehen lassen / (versetzte Polyphilus) wird niemand zweiffeln /dann die Exempel weisen es allzuklar. Was es aber mit denselben eigentlich vor eine Beschaffenheit habe / davon sind die Meinungen so unterschiedlich /als die Begebenheiten. Denn ob gleich / wie Agapistus will / weder der entseelte Cörper noch der ausgefahrne Geist von seiner Wohnung / nach der Natur und Vernunfft / zu rücke kommen kan: so ist doch solches der Verhängnus des Höchsten / und der List und Kunst des Satans nicht unmüglich. Es bezeugen die Geschichten / daß dieser Tausendkünstler / die Leichname der Verstorbenen / nicht allein offt sehen lassen / sondern auch gar eine Zeitlang / als beseelete herum geführt / und alle Geschäffte der Lebendigen verrichten lassen.
Ein Edelman in Frankreich hatte sein Weib / wegen Eiffersucht / in der Nacht erdrosselt. Weil er nun sich dieser Mordthat halben fürchtete / ersuchte er einen Zauberer um Raht: welcher ihm versprochen / seines Weibs Gestalt / etliche Tage / im Hauß hin und her gehen zu machen; Er aber solte indessen / allem Argwahn vorzubauen / auf eine Reise sich begeben / daß also ihr Tod in seinem Abwesen offenbar würde. Diesen Vorschlag richtete er zu Werk / und fande man den Leichnam der Frauen / so stinkend und erfault in des Edelmanns Haus / daß viel wähnten / er hätte ihr /wegen der bösen Ehe / die sie führten / so starken Gifft beygebracht.
Mein Herr erinnert mich dessen / (sagte hierauf der Wirt) was mir unlängst unser Todtengräber erzehlt /wie er nemlich / ungefähr vor einem Jahr / eine ledige Weibs-Person begraben. Als er aber / etliche Monat hernach / einem andern ein Grab machen sollen / und wider vermuten auf die vorige Stelle gekommen /habe er den Sarg / welcher etwas offen geschienen /vollends aufgemacht / und darinn weder Leichnam /noch Grabtuch / sondern ein blosses Holtz gefunden. Vielleicht ist sie hernach wieder kommen / (sagte Polyphilus) und hat unterdessen eine andere Verrichtung gehabt. Dergleichen
Jenem Laconier erschien auf einem Grab ein Gespenst / in weisser Gestalt / wie man bey uns / die in Sterbläufften heulende Klagmutter beschreibet: dessen er im geringsten nicht erschracke / sondern seinen Spieß erwischte / und damit auf das Gespenst (welches er vor irgend einen Geist der Verstorbenen hielte) zurannte. Als aber die Gestalt darauf verschwande / schrye er: Wo fleuchst du hin / du
Gleichwol (fiele ihm Agapistus in die Rede) müssen sie den unverzagten ausweichen. Mir hat meiner guten Freunde einer erzehlet / daß er einsmals auf sei nen Reisen / in einer vornehmen Stadt / in einem Hause zu wohnen gekommen / darinn es / wie er nachmals erfahren / nicht rein gewesen. Als er nun /eines Abends an dem Tisch gesessen / und geschrieben / habe sich vor der Stuben / ein greuliches Gepolter erhoben / welchem er eine Zeitlang / und nicht ohne Schrecken zugehöret. Als es aber je länger je grösser worden / habe er seinen Lackeyen / (der ein Holländer war / welche Nation gemeinlich nichts von Gespenstern hält /) befohlen / zu zusehen / was doch dieses Unweisen bedeute? Dieser habe es etlich mal gethan / aber nichts sehen können; Und weil dennoch das Gepolter nicht nachlassen wollen / habe der Diener endlich das Pistol von der Wand genommen / sey hinaus gelauffen / und das Gespenst mit diesen Worten angeredet: Bist du Mensch / so sag! bist du Teufel: hol mich Teufel / ich schieß!
Als sie hierüber sämtlich anfiengen zu lachen / kam die Wirtin in die Stuben / und brachte die Speise. Agapistus sagte: Wann alle Gespenster so gestalt wären / als diese / so wolte er sich nicht
Indem / brachte die Frau noch ein Gerüchte. Agapistus trank ihr ein Glaß Wein zu / und sagte: Ihr Diener / schöne Frau Wirtin! Sie aber antwortete gar bescheiden: Die selbst dienen / wie ich / bedürffen keiner Diener. Und damit gienge sie zur Thür hinaus. Polyphilus / welcher dieser Antwort heimlich lachte /fragte den Wirt / wie viel es auf der Uhr sey? und als er vername / daß es allbereit weit über Mittag wäre /machten sie Ende von der Malzeit / befriedigten den Wirt / und ritten wieder ihres Wegs. Polyphilus fragte Agapisten
Aber ohne schertz / (sagte Polyphilus) wie ist es müglich / daß ihr allen Weibsbildern Lieb und Gunst erzeigen könnet? Nicht allen / (antwortete Agapistus) sondern nur denen / die es verdienen. Ich liebe / was liebens würdig / ich treffe dasselbe gleich an / wo ich wolle / und begehre mich nicht so vest an eine zu verbinden / wie ihr / daß ich alle andere ihrentwegen verachten solte. Das ist recht! begegnete ihm Polyphilus. Eine beständige
Ich leide es gern / (sagte Polyphilus) in Hoffnung /durch ihre Gegenwart wieder ergötzet zu werden. Aber sehet / dort kommet uns ein Wolf entgegen: welcher mich / wann ich allein / und ohne Pferd wäre /wenig erfreuen würde. Ja fürwar / (thäte Tycheno hinzu) und er sihet uns fein behertzt an: vielleicht ists kein rechter Wolf / weil er also still stehet / und nicht erschrickt? Wer solte es dann seyn? (fragte Agapistus) vielleicht unser Wirt / der sich / wegen meines Küssens / zu rächen suchte? Daß wäre nichts unmügliches! (versetzte
Polyphilus lachte hierüber / und sagte: nein! vor so einfältig sehe ich meinen Agapistus nicht an. Gleichwol ist bekant / daß es dergleichen Leute gibt / die sich zu Wölffen machen können. Man sagt wohl davon / (antwortete Agapistus) aber soll es auch gewiß seyn? In den Mitternächtigen Ländern / (widerredte Polyphilus) sollen sich die Leute / in der Christnacht / zu Wölffen machen / und grossen Schaden thun / andere anfallen / zerreissen / und so gar der jungen Kinder nicht verschonen. Dem Groß-Fürsten in Reussen ist ein solcher Mensch vorgebracht wor den / von welchem man vorgeben / daß er / zu gewisser Zeit des Jahrs / in einen Wolf verwandelt werde /und den Leuten überaus grossen Schaden thue. Der Fürst fragte ihn / ob es wahr sey / und befahle ihm /als er solches bejahet / eine Probe zu geben. Hierauf ist er abgetretten / und hat in einem abgesonderten Ort seine Zauberey gebrauchet / also daß er / wie er wieder vor den Fürsten kame / mit feurigen Augen / wie ein grausamer Wolf / erschienen: da ihn dann zween hierzu bestellte Hunde zerreissen musten / ehe er zu seiner Vernunfft und menschlichen Gestalt wieder kommen können.
Recht so! (sagte Agapistus) weil er nicht als ein Mensch leben wollen / ist er billig / als ein wildes Thier / zerrissen worden. Aber auf was Weise mag solches zugehen? Daß solche Verwandlung (antwortete
Aber / wie wann wir / über diesem Wolffs-Gespräch / unsers Wegs verfehlten / und eine unrechte Strasse ritten? Das kan leicht geschehen / (sagte Agapistus) und fürwar / ich glaube selbst nicht / daß wir zuvor diesen Weg gereiset. Es käme uns wol übel zu statten / sonderlich weil sich der Abend herzu nahet. Was war es nötig / (versetzte Tycheno) daß man den Boten weggeschicket? wie leicht könten wir jetzund in neue Gefahr kommen? Ja / ja! (antwortete Agapistus) ich fürchte wol / ihr werdet diese Nacht im Wald schlaffen müssen. Man hat mich (sagte Tycheno) wohl eher verlachet / und ist darüber in Unglück kommen. Nein / nein! (begegnete ihm Polyphilus) dort sehe ich ein Schloß / da wollen wir auf zu reiten: es wird doch ein Dorff dabey seyn / darin wir herbergen können.
Die Reisende gelangen zu einem Schlosse: dessen Adelicher Besitzer sie bewirtet. Polyphilus erzehlet ihm / auf sein Ansuchen / wie es ihm zu Soletten /und bey Erlösung des Schlosses Sophoxenien /ergangen. Ihr Gespräche / von dieser Verzauberung.
Unsere Reisende ritten eine gute Weile / biß sie nahe zu dem ersehenen Schloß kamen / und befanden / daß es gantz allein stunde. Die Sonne hatte sich / theils wegen eines dicken Schnee-Gewölcks / theils auch wegen der verloffnen Tags-Zeit / verborgen: Daher sie ihnen / weiter zu reisen / nicht getraueten. Indem sie also in tieffen Gedanken schwebten / wurde Polyphilus eines Knabens gewar / welcher / nahe am Schloß /seine Zeit mit Schlittenfahren kürtzte. Auf diesen ritten sie zu / und fragten um Nachricht / ob nicht dort herum ein Dorff läge? Nein! (sagte der Jung) unter zweyen Stundenkönnet ihr keines erreichen. Dieser Antwort erschracken sie nicht wenig / und wusten nicht / was sie vornehmen solten: Dann sie so weit nicht mehr reisen kunten. Agapistus fragte ferner /wem dann dieses Schloß zugehörig wäre? der Kn ab antwortete: Meinem Vatter! Indem sie über dieser Antwort sämtlich lachten / ersahe sie des Kindes Vatter / von einem Fenster des Schlosses / ein sehr höflicher und kluger vom Adel. Dieser / weil er leicht mutmassen kunte / daß dieses fremde
Mein Herr! (sagte hierauf Polyphilus) seine unverhoffte Freundlichkeit / ist kräfftig gnug / unsre Furchtsamkeit / in fernerer Nachfrage / kühn zu machen. Wir sind fremde Leute / welche / über dem Gespräche / die rechte Straße vorloren / und hier ein Dorff zu erlangen gehoffet: weil wir uns aber betrogen sehen /haben wir das Söhnlein gefraget / wie weit wir noch nach einem zu reiten hätten? ist uns aber von ihm ein sehr langes Ziel gestecket worden. Ja! (sagte der Edelmann) hierinn hat er wohl die Warheit gesagt: sie werden heut schwerlich mehr ein Dorff ereilen. So sehnet sich auch die Sonne allbereit nach ihrer Schlafkammer / und beginnet auch sonsten böß Wetter zu werden. Die Herren lassen sich gefallen / ihren Diener / diesen Abend / mit ihrer Gesellschafft zu ergetzen / und in meiner geringen Wohnung zu übernachten. Die Reisende bedankten sich wegen dieser freundlichen Einladung / und sagten / sie würden es /als Unbekante / nicht wagen dürffen / eine solche Beschwerung zu verursachen. Das ist keine Beschwerung / (versetzte der von Adel) worum ich selbst freundlich bitte: sie belieben nur / herein zu kommen. Damit gieng er in den Hof / dem Knecht zu ruffen /daß er ihre Rosse abzäumte. Als sie nun ihm nachgefolget / und abgestiegen waren / kam er wieder /
Polyphilus entschuldigte sich / daß sie / in diesem kühnen Beginnen / mehr der Noht / und der Nacht /als der Höflichkeit / gehorchen müsten. Mein Herr! (begegnete ihm der Edelmann) ich sehe / daß er der Höflichkeit nur allzuviel nachgibt. Meine wenige Aufwartung verdienet keine so hohe Entschuldigung. Ich bitte nur / vollends herauf zu spaziren / mit gemeiner Kost und schlechter Bewirtung vergnügt zu seyn / und mehr den geneigten Willen / als das ungültige Werk anzusehen. Unter solchen Reden / führte er sie den Schnecken hinauf / nach dem Wohn-Zimmer. Sie fanden alles im Schloß wohl und zierlich gebanet / jedoch mehr nach Notturfft und Bequemlichkeit /als zum Pracht. Das erste / so ihnen aus dem Zimmer entgegen kam / und sie bewillkomte / war Julietta /des Mussards (also hiesse der Edelmann) Tochter: eine Jungfer von mittelmässiger Schönheit / aber sehr höflich und freundlich. Dieser befahle der Vatter vor dißmal die Wirtschafft / weil seine Liebste krank zu Bett lage. Er bate indessen seine Gäste / ihre Gewehr abzulegen / und ihme zu vergeben / daß er nach dem Ort fragte / wohin ihre Reise gerichtet wäre. Mein Herr wolle (antwortete Polyphilus) nach Belieben seinen Dienern befehlen! Wir sind / nach einer strengen und unbilligen Gefängnis / nun ein par Tage geritten /und gedenken auf das Schloß Sophoxenien.
So wol! (sagte Mussard) die Herren werden aber ohne Zweifel wissen / was sich unlängst mit der Erlösung selbiges Schlosses begeben; oder reisen
Ich suche keine Verpflichtung / (antwortete Polyphilus) sondern wäre zu frieden / wann ich mit diesem Bericht / den geringsten Theil seiner Freundlichkeit und Gunst erwiedern konte. Und / damit ich den Grund dieser Seltenheit mit berühre / so wisse mein Herr zuförderst / daß ich / in meinem Vatterlande Brunsile / einen Theil meiner ersten Jahre / in dem ruhigen Schäfer-Orden zugebracht; nachmals aber /weiß nicht / soll ich sagen / aus unvorsichtiger Begierde zur Wissenschafft / oder aus Jugendlichem Ehrgeitz / den Hirtenstab von mir geworffen / und in fremden Ländern Kunst und Tugend zu erlernen /mich der zornigen See anvertrauet. Kaum aber hatten meine Augen die Sicherheit des Landes gesegnet / da begunte das neidische Glück / sein Mißfallen über meinem Vorsatz zu bezeigen / Wind und Wellen wider mich aufzumahnen: welche das schwache Haus unserer Wonung / mit schröcklichen Stürmen unter ihre Gewalt brachten / und es / nach eignem Belieben / bald mit sich an die Decke der schwartzen Wolken / bald wieder in den tobenden Abgrund rissen /biß es endlich von dem Streit ermüdet / an einem Felsen gescheitert. Ich sahe auf einem stück des zerbrochnen Mastbaums / dem Tod recht unter Augen /wurd aber doch wieder alles verhoffen / erhalten / und halb-todt / in der Gegend der Insul. Soletten / ans Land geworffen.
Hier hätte ich nun billich ruhen / und der Güte des Himmels meine Fehler abbitten sollen. Aber was ist unruhiger / was ist kühner / als die unbedachtsame
Ich fande aber in derselben keine Sicherheit / sondern nur grössere Gefahr / auf mich warten. Dann weil kurtz vorher der besagte Philomatus / von einem unbekandten Ritter / ermordet worden / ward ich /wegen allerhand verführischer Mutmassungen / von den Innwohnern vor selbigen Mörder gehalten / da mich eine Rotte Soldaten / vor dem Hause Talypsidami / gefänglich annemen wolten.
Ob ich / nach dem ich also mich wieder errettet sahe / über dieser Begebenheit in Freude und Bestürzung gerahten / stehet leicht zu ermessen: sonderlich /da ich durch einen unsichtbaren Gewalt / wider den Willen der Sophoxenischen Wächter / welche mir den Eingang verwehren wolten / in den Vorhof des Schlosses geführt wurde. Ich fande darinn mehr Lust und Zierlichkeit / als ich jemals gesehen / vielweniger unter dem Wasser vermutet hätte. Ich war ungewiß /wohin ich die Augen am ersten wenden solte / und zweiffelte / ob ich dieses alles warhafftig sähe / oder ob ich durch den Tod an den Ort gelanget / wo die tugendhafften Seelen / nach diesem Leben / ihre Belohnung suchen. Bald aber
Ich redete die Matron (dann ich wuste damals noch nicht / daß sie eine Königin wäre /) mit tiefster Demut an / und entschuldigte meinen Zutritt / so gut ich konte. Sie aber / von Verwunderung gantz bestürtzet /weil sie / seit ihrer Verbannung / keinen Menschen /ausser ihren Leuten gesehen / fragte mich gar freundlich / auf was Weise ich wäre zu ihnen gelanget? Nachdem ich alles / was ich bißher erzehlet / nach der Länge eröffnet / sagte sie / voller Freuden: So seyt ihr gewiß Polyphilus / unser Erretter! Damit rieffe sie /mit einem grossen Geschrey / ihren Bedienten / und verkündigte ihnen / als sie ungesäumt erschienen /daß nunmehr die Zeit ihrer Erlösung vorhanden / in dem der versöhnte Himmel / den jenigen / von welchem die Tafeln in dem Tempel der Liebe zeugten /mit einer wunderbaren Gewalt / zu unserer Errettung /unversehrt / durch die Wellen geführet. Sie sagte darneben / daß sie ihrem Befehl ferner gehorchen / und diese Erlösung / durch unzeitiges Reden / nicht verhintern solten. Als nun diese sämtlich / über solcher Zeitung
Nachdem ich dieses / so gut es die Eile und mein verwirrtes Gemüt zuliessen / mit einem demütigen Gebet verrichtet / auch etwas von Speise zu mir genommen / und noch mit einem alten Mann / welcher mir alle Gelegenheit des Schlosses und der Verfluchung eröffnete / sprach hielte: kam sie / in einem Königlichen Habit / und in prächtiger Begleitung aller ihrer Bedienten / welche ihr in einer schönen Ordnung folgten / und diesen Tycheno / als die Ursache ihrer Verbannung / nachführten. Ich entsetzte mich über diesem herrlichen Aufzug / sonderlich /weil ich sie bißher nicht wie eine Königin bedienet: weßwegen ich auch gegen den Nachfolgenden mich zu entschuldigen suchte / aber nur mit Winken und Neigen beantwortet wurde.
Wie wir nun also vor die Pforte des Tempels der Tugend gekommen / und durch einen Herold nochmals ein Stillschweigen geboten worden / führte die Königin mich bey der Hand in den Tempel / welchen ich so zierlich und köstlich erbauet sahe / daß ich zweiffelte / ob es ein Werk menschlicher Hände wäre. Sie zeigte mir darinn allerhand Bilder / und ihre Bedeutung. Als sie aber merkte / daß ich völligern Bericht verlangte / rieffe sie dem Cosmarite und Chlierarcha / beyden Vorstehern der Tempel / und befahle jenem / in den Tempel der Tugend / diesem aber in den Tempel des Glückes /
Als auch diese ihren Dienst zu meiner höchsten Vergnügung abgelegt / und die Nacht / welche zu dieser Erlösung notwendig erfordert ward / allmählich herbey kam / verfügte sich Atychintide selber zu mir /und führte vielerley. Gespräche / biß die Stunde der Befreyung herbey gekommen: da sie mir / mitten in dem Glückes-Tempel / zwischen zweyen Seulen /einen / an eisernen Ketten herab hangenden Kasten zeigte / welcher das Schloß der Gefängnis verwahrte. Auf diesem opferte sie / mit höchster Andacht / und flehete den Himmel / daß er das gefährliche Werk ihrer Befreyung beglücken wolle. Nach diesem zeigte sie mir / hinter einem Gerüste / die beyde Tafeln / in welchen die Hoffnung ihrer Erledigung / mit diesen Worten verzeichnet stunde: Wann das Gelübde der Einsamkeit / durch Polyphilum aufgehoben ist / so
Wiewol nun sie daher eine Hoffnung zu glückseeliger Verrichtung schöpfften / so war doch das Mittel /welches die Erlösung befördern solte / noch verborgen. Und als sie bald dieses / bald jenes / so theils gefährlich / theils ungültig schiene / vorschlugen / und aller Raht erligen wolte: ward ich / durch eine verborgene Krafft / etwas höher in den Tempel geführet /allwo ich / hinter einer Seulen / einer schwartzen Tafel / mit etlichen verworffnen Worten / warname. Die Königin / welche mir mit den zweyen Weisen folgte / liefe eilend hinzu / selbige zu lesen / konten aber nichtes verstehen. Ich aber lase folgendes: Polyphilus! suche das Schloß zur Linken / und die Schrifft zur Rechten! alsdann wirst du wissen / was dir verborgen ist. Hierauf wurde ich / zur Rechten einer ehrnen Pforte / und zur Linken eines Kästleins in der Mauer gewar: darinn ich / als ich es eröffnet / einen Schlüssel fande / und damit durch die Pforte in einen herrlichen Saal eingieng / woselbst ich / unter einem eröffneten Crystallinen Fenster / ein sehr künstliches Kästlein ersahe. Als ich selbiges mit dem erlangten Schlüssel eröffnet / erhielte ich den Zettel / von welchem die
Dieser Befehl erregte in mir einen neuen Zweifel /ob ich ihn nach dem Wort-Verstande / welcher des Knabens Opfferung forderte / verrichten solte? Doch wolte ichs versuchen / und gienge hin / den Tycheno zu holen: welcher sich vor dem Ort seines Unglücks sehr entsetzte. Aber ich stellete ihn zu frieden / und trate mit ihm an das eröffnete Fenster / rieffe mit heller Stimme / seiner Mutter Melopharmis / daß sie ihren Sohn erretten / und uns erlösen wolte. Hierauf ward ich / mit einem grossen Donnerschlag / dieser Worte verständigt: Opffere auf dem grossen Altar /und eile! Ich / voll Furcht und Schrecken / nam den Knaben bey der Hand / und fragte nach dem grossen Altar; und als ich solchen / in dem Liebes-Tempel /samt aller Zugehör zum Opfer fande / saumte ich nicht länger das Werk zu vollenden: der Hoffnung /daß der Himmel nichts schädliches / vielweniger sündliches / befehlen würde. Demnach stellte ich alle Anwesende um den Altar / sezte den Knaben auf denselben / und als ich / mit nochmaligem tieffen Seufzen und Gebet / vor die Erhaltung dieses Kinds / und um die Erlösung der Verbannten / den Himmel angeruffen hatte / fassete ich / mit Zittern und Entsetzen / das Messer / willens / das Kind damit zu erwürgen. Es wurde mir aber unter grausamen Donner und Blitzen /der Knabe aus den Armen gerissen / und der Altar mit Feuer verzehret: also
Als wir endlich wieder zu uns selbst kamen / sahen wir uns aller Gefahr entnommen / und mit dem frölichen Sonnen-Liecht wieder beschenket. Wir stunden behende auf / und giengen / dieser Erlösung gewisser zu werden / wieder in den vorigen Saal: alda wir den Tycheno / mit seiner Mutter Melopharmis / auf uns wartend fanden. Diese empffnge uns freundlich /glückwünschte zu der erlaugten Befreyung / und führte uns zu der Königin: bey deren sie auch noch in vertraulichster Kundschafft lebet / und biß auf diese Stunde ihrer Gnade geniesset. Dieses ist nun / mein Herr! der Verlauf der Geschichte / so er von seinem Diener zu vernehmen begehret: welchen ich gern kürtzer gefasst hätte / wann es nicht so viel bedenkliche Umstände verhintert. Solte ich ihn damit / welches doch schwerlich zu hoffen / in seinem Verlangen vergnügt haben / würde ich mich billich für glückseelig schätzen.
Gewißlich / mein Herr! (antwortete Mussard) er hat mir / mit Erzehlung dieser wunderbaren Begebenheit /ein solches Gefallen erwiesen / daß ich mich willig als seinen Schuldner darstelle. Aber / (fuhr er fort zu fragen) was hält der Herr davon? solte dieses Werk /bloß von Göttlicher Rache und Erbarmung herrühren? oder stecken etwan auch einige zauberische Kräffte darunter verborgen? Polyphilus zuckte die Achsel /und sagte: hierinnen bekenne ich meine Unwissenheit / und bin zufrieden / daß ich durch diese Errettung / in welcher
Mussard / sahe hierauf den Polyphilus nach der seite an / und fragte von Tycheno ferner / wie es dann eigentlich mit der Versinkung beschaffen gewesen /und was das Schloß gesündiget / das dieser Fluch betroffen? Meine damals kindische Jahre / (antwortete Tycheno) werden wohl nicht alles
Wie haben sie aber / (fragte der vom Adel) indessen gelebet? wie andre Menschen: (gab Tycheno zur Antwort) ohne / daß wir weder den Himmel / vielweniger die Sonne / sondern / an dessen stat / ein aufgehängtes Wasser gesehen: auch vor den Fenstern keine Felder / sondern eine Mauer von Wasser / welche das gantze Schloß umringet / wargenommen. Unterdessen haben alle Hofbediente ihre Verrichtungen getrieben. Die Königin aber / hat
Des Edelmanns und seiner Tochter höfliches Tisch-Gespräche mit seinen Gästen: deme / auf sein Begehren / Agapistus von der Macarie Vollkommenheit / und Polyphilus von der Atychintida Verstand und Zustand / erzehlet. Diesem träumet selbige Nacht / von seiner Macarie: worüber er / als er aufgestanden / ein Lied verfasset.
Tycheno wolte weiter reden: aber Julietta / des Edelmanns Tochter / bate den Vatter / er möchte doch zu Tische kommen / weil die Speisen allbereit vorhanden wären. Demnach ermahnte Mussard seine Gäste /Wasser zu nehmen / und seine geringe Kost zu versuchen / nachdem sie ihn mit so vielen Wundern gespeiset. Er bate benebens / mit einer schlechten Malzeit sich heute zu gedulten
Hierauf setzten sie sich sämtlich zu Tische / und kam Julietta gerad neben Polyphilus zu sitzen: welcher seine Höflichkeit / in ihrer Bedienung / sehen ließe / und dadurch bey dem Vatter Ruhm / und bey der Jungfer Gunst erlangte. Der Edelmann war / mit Vorschneiden und Zutrinken / sehr bemühet / seine Gäste zu bewirten. So erwiese sich auch Julietta / im Vorlegen und Zusprechen / sonderlich gegen den Polyphilus / sehr freundlich / und entschuldigte sich /weil sie ihn nicht zum Essen nötigen könte / daß ihm diese ungeschmacke. Speisen keinen Lust zu erwecken vermöchten. Polyphilus /
Julietta wolte antworten / aber der Vatter kame ihr vor / und sagte: Mein Herr stelle sich nicht so gar fremd! Ich weiß / wann die schöne Macarie zugegen wäre / sie würde diese Klage vor unnötig erklären. Mein Herr beliebet mit seinem Diener zu schertzen: (begegnete ihm Polyphilus) die Würdigkeit der allervollkommensten Macarie / ist viel grösser / als daß sie von meiner Wenigkeit solte bedienet werden. Ey doch! (antwortete Mussard) die Tafeln in dem Tempel / werden nicht vergeblich aufgehänget seyn. Selbige Tafeln / (sagte Polyphilus) sind gar schwer zu versiehen / weil sie einen doppelten Verstand führen; und halte ich davor / daß durch die Einsamkeit / welche ich aufheben solte / die Erlösung des Sch-osses / welches in wehrender Verbannung / mit seinen Inwohnern / von aller Gesellschafft der Menschen entfernet gewesen /
Davor wird sie ihn auch nicht halten: widerredete Mussard. Aber was hat es dann gleichwol vor eine Bewandnus mit ihr? Ich habe unterschiedlich ihre hohe Beschaffenheiten rühmen hören / bin auch offt Willens gewesen / selbsten hin zu reisen / und dieser Dame Hoheit zu erkundigen: allein die unruhige Haußhaltung / die ich führe / so wohl auch das beschwerliche Alter / welches sich bey mir einfinden will / haben mein Vorhaben verhintert. Nun aber gibet mir das Glück die Mittel / auch ohne Hinreisen mein unruhiges Verlangen / durch der Herren warhafftige Nachricht / zu vergnügen. Ich möchte wünschen /(sagte Polyphilus) daß meine Kräffte zuließen / die Begierde meines Herrn in dieser Frage zu sättigen: ich sorge aber / mit meiner unberedten Zunge / der allerwürdigsten Macarie mehr Lob zu entziehen / als beyzulegen. Weil ich auch wenig mit ihrer Beywohnung beglückt gewesen / und vorhin in das Geschrey gerahten / als ob ich ihre Gewogenheit suchte / (welches von mir nicht allein unvernünfftig / sondern auch
Ich bekenne demnach meinem Herrn / (fuhre er fort) daß / als ich auf meiner Reise gehöret / wie die Insul Soletten einen gar seltenen Schatz weiblicher Vollkommenheit verwahre / habe ich alsobald Verlangen getragen / dieses Englische Bild zu sehen / und durch ihre kluge Unterredung etwas zu erlernen / oder doch zum wenigsten den Ruhm / welchem die eitle Jugend allzeit nachtrachtet / mit nach Hause zu bringen / daß ich die jenige selbst angesprochen / welche das Gerücht aller Orten zu erheben suchet. In diesen Gedanken / reisete ich nach Soletten. Damit ich aber von der wunderbaren Erlösung des Schlosses Sophoxenien / davon auch die Welt bereits voll ist / zugleich gewisse Nachricht erhielte / nahm ich meinen Weg dorthin: da ich / so wohl von der Königin / als vom Polyphilus / und von dem ganzen Hof / gar gnädig und freundlich empfangen / und wohl bewirtet wurde. Nachdem ich aber alles erkundigt / und der Königin mein Vorhaben / die Macarie zu besuchen /eröffnet: wurde mir solches von ihr stark widerrahten / mit
Dieser Befehl aber / welcher / entweder aus Neid gegen den Ruhm der Macarie / oder aus Gewogenheit gegen dem Polyphilus / den sie hierdurch von ihr abzuwenden suchte / hergeflossen / diente meiner unruhigen Begierde für einen Blaßbalg / selbige nochmehr anzufeuren: wie dann die verbottene Speise allzeit für süsser gehalten wird. Demnach unterließe ich nicht /sonderlich weil ich vom Polyphilus gestärket wurde /meine Reise fortzusetzen. Ich wurde aber / auf derselben / durch ein unvermutetes Unglück / in einen so verzweiffelten Zustand gebracht / daß ich lange Zeit gantz verirret / gleich einem unvernünfftigen Wild- Viehe / im Wald herum lieffe / und endlich / unverrichteter Sache / wieder nach Sophoxenien kame. Wiewol mir nun Atychintide dieses / als eine Strafe meiner Halsstarrigkeit / aufrupfte / so kunte sie doch damit mein Verlangen nicht dämpffen / sondern ich wagte es noch einmal / und zwar viel glücklicher /weder zuvor: weil ich nicht allein die Macarie zu sehen bekame / sondern auch ihres angenehmen Gesprächs gewürdigt worden.
Da muß ich nun bekennen / daß ich mehr gefunden / als gesuchet; mehr gesehen / als vernommen; und mehr erfahren / als geglaubet habe: daß ich also /ihre Würdigkeit nach gnüge zu beschreiben / meine Unvermögenheit freywillig bekennen muß; Ein Römischer Cicero / oder Griechischer Demosthenes
Diß Lob ist herrlich / (versetzte Mussard) und gibet wohl zu erkennen / daß der Herr bey den Liechtern der Wolredenheit / welcher er zu vorhin erwehnet / in die Schule gegangen: und glaube ich / daß kaum ein Apelles / oder Protogenes / eine Weibs-Person so vollkommen mahlen solte / als der Herr diese lebendig vorgestellet. Agapistus gabe hierauf
So solten billig (sagte der Edelmann) alle Weibsbilder / ein Exempel der Nachfolge / von der hochgeschätzten Macarie nehmen / und die Eltern eine Lehre / daß sie nicht also / ohn Unterscheid / ihre Töchter aller Unterweisung entziehen / und mit ihnen in die Küchen und Haußhaltung eilen / sondern die jenigen / welcher Gemüte von Natur mit Geschicklichkeit begabet / zur Unterrichtung halten solten / damit sie nicht / in einer gezwungenen Unwissenheit verderben / und den Namen der Einfalt ohne Schuld trägen müssen. Ich schätze den Mann glückseelig / welcher der Liebe Macarie gewürdigt ist: solte er auch sonst aller Güter beraubt leben / und von keiner andern Zufriedenheit wissen. Freylich wird er glückseelig / (antwortete Agapistus) aber schwerlich zu finden seyn: Dann Macarie hält steif über dem Gelübde der Einsamkeit / und will von keiner Liebe wissen noch hören. Es wird aber Polyphilus / (sagte Mussard) nach dem Innhalt der Tafeln / solch Gelübde wohl aufzulösen wissen.
Hiemit ergriffe er ein Glaß / und tranke dem Polyphilus zu / auf Gesundheit der so hochgerühmten Macarie. Es hatte sich aber derselbe diesem Gespräche mit Willen entzogen / und indessen mit seiner Beysitzerin Unterredung gehalten; jedoch zugleich seine Ohren auf die Schildwacht
Der Herr wird ohne Zweifel (sagte der Edelmann) sich bald wieder mit der Gesellschafft Macarien ergötzen / weil sie vielleicht öffters bey der Königin zu Sophoxenien zukehret. Nein zwar! (versetzte Polyphilus) Macarie verharret in der Einsamkeit / macht also nicht Beruf von Gesellschafft: zumal sie im Witwenstande begriffen. Wie ist es dann / (fragte der Edelmann ferner) mit dieser Königin beschaffen? was führet sie vor einen Staat? und welches Land ist ihrer Botmässigkeit unterworffen? Die wenige Wissenschafft / (antwortete Polyphilus) die ich hiervon erlanget / und damit meinem Herrn gern dienen will / komt mir von dem Parrisiastes / einem alten und verständigen Hof-Bedienten / der bey dem verstorbenen König nicht allein wohl gelitten war / sondern auch in so vertraulicher Gnade stunde / daß ihm derselbe alle seine Heimlichkeiten geoffenbaret. Dieser erzehlte mir in geheim / wie Atychintiden verblichener Gemahl /ein sehr kluger und vorsichtiger
Diese geschraubte Weissagung / hat der König dahin gedeutet / er müsse sein Königreich eine zeitlang verlassen / und in der Einsamkeit leben / in welcher er einen Erben erzeugen würde. Dieses nun zu befördern / hat er die Regirung seinem Bruder / mit dieser Bedingung / abgetretten / daß er das Land / so lang er selbst ohne Kinder bleiben / beherschen: Dafern er aber einen Erben bekommen würde / solches wieder zu übergeben gehalten seyn solte. Er aber hat sich auf das Schloß Sophoxenien begeben / welches von einem seiner Vorfahren / zu samt den Tempeln /mit grossen Unkosten erbauet worden: Vorgebend /daß er der Regirung müde / seine übrige Jahre in Ruhe verschließen wolte. Als er aber kaum etliche Monat / in dieser Hoffnung eines Sohnes / gelebet /hat ihn eine geschwinde Krankheit ins Grab geleget: Der Königin aber / ist kurtz nach seinem Absterben /ihre Traurigkeit zu erleichtern / der Tycheno / von seiner
Auf diese Weise / ist Atychintide von ihrem Königreich abgekommen / und lebet nun in dem einsamen Witwenstande; erweiset sich auch / mehr eine Vorsteherin der Tugend / eine Pflegerin des Glückes / und eine Ernehrerin der Liebe / als eine regirende Königin: wie sie dann solchen Namen nicht gern dultet / da er ihr doch um so viel billiger gegeben wird / je löblicher es ist / sich seiner Hoheit / wegen der Tugend /selber äussern. Sie ist auch vielmehr bemühet / die Wissenschafft / Kunst und Tugend zu erlangen / auch solche / durch verständige und gelehrte Leute / der Jugend einzupflantzen / als Städte und Länder zu beherschen. Und ob sie wol / wie Parrisiastes bezeuget /einen unglaublichen Schatz von Gold / Edelgesteinen / und allem dem / was die Welt hoch zu halten pfleget / besitzet / angesehen ihr Herr alle seine Güter mit sich genommen: so hat sie doch gelernet / solche gegen der Weißheit gering zu schätzen / und verwendet ihren Reichtum / mehr zur Freygebigkeit gegen Freunde und Notdürfftige / als zum Pracht und Hochmut: daher sie den Ruhm einer woltätigen und demütigen Prinzessin mit gutem Recht verdienet. Uber das / ist sie überaus vernünfftig und tugendhafft / und stellet sich zu einem lebendigen Ebenbilde der Sitten-Lehr / welche ihre Tempel vorstellen: daß also die Mißgunst selber / an dem Leben dieser Königin /nichts wird zu tadeln finden.
Agapistus thäte hinzu: Es wäre nun auch Zeit / dieser Unruhe ein Ende zu machen / und sie allerseits der Nacht-Ruhe zu überlassen. Polyphilus bestätigte solches / und stunden sie damit von der Malzeit auf. Der Edelmann bate sehr inständig / noch ein wenig zu verharren / und sagte: er wüste gewiß / daß sie mit hungrigen Mägen zu Bette giengen / weil sie nicht allein wenig Speisen gehabt / sondern auch / dieselben zu geniessen / durch seine vorwitzige Fragen wären abgehalten worden. Wer bey vollen Schüsseln (widerredte Agapistus) Hunger leidet / hat niemand als sich selbsten anzuklagen. Mein Herr vergebe uns / daß wir / mit so vieler Ungelegenheit / diesen Abend verlängert. Im geringsten nicht! (begegnete ihm der Edelmann)
Unter diesem Gespräche / schwätzte Polyphilus mit Julietta / dankte vor ihre Bewirtung / und sagte: er preise seinen glückseeligen Irrtum / der ihn von der rechten Straße verleitet / und einen so angenehmen Irrweg geführet / dadurch er die Ehre ihrer holdseeligen Gegenwart erlanget. Julietta / welche auch nicht einfältig war / gab zur Antwort: Es scheinet / mein Herr irre heut allerwegen / nicht allein in seiner Reise / sondern auch in diesen Worten / die viel billiger vor die Tugend-gezierte Macarie / als vor meine Wenigkeit gehören; massen sie / so wohl wegen ihrer vortrefflichen Gaben / als wegen der Liebe Polyphili /vor glückseelig zu schätzen ist. Ach! schöne Jungfer! (versetzte Polyphilus) wer bey Macarien mehr liebet /als Kunst und Tugend / wird nicht allein eine vergebliche Arbeit verrichten / sondern auch eitel Undank zu Lohn bekommen: thut sie mir derowegen zu viel /wann sie meinet / daß ich / ausser Tugend und Wissenschafft / einige Liebe bey ihr suche. Wer wolte aber nicht / (fuhre Julietta fort) wegen eines so köstlichen Schatzes / auch den herrlichen Schrein / welcher ihn verwahret / lieben / der ja nicht weniger / als der Schatz selber gläntzet? Das würde wohl billig / von dem Schrein / erlangen könte.
Die Jungfer wolte wieder antworten: allein / weil Agapistus und Tycheno bey dem Vatter allbereit Abschied genommen / muste Polyphilus dergleichen thun / und dißmal sein Geschpräch einstellen. Nachdem sie nun allerseits einen sanften Schlaf angewünschet / wurden sie durch den Diener zu ihrer Schlafkammer geführet / von Julietten aber einen zimlichen Weg begleitet: da sie nochmal gar freundlich gute Nacht gaben / und sich in die Kammer verfügten. Polyphilus dankte daselbst dem Agapistus / wegen des Ruhms / welchen er der Macarie beygeleget / und sagte: Er wisse / wann sie zu gegen gewesen / sie würde mit einem Gedichte sich selber bedanken. Das ist unnötig / (sagte Agapistus) weil ich darinn nicht mehr gethan / als was ihre Würde und meine Pflicht erfordert. Ihre Gegenwart aber / wäre heute nicht zu wünschen gewesen: weil sie vielleicht / wegen eurer Freundlichkeit gegen Julietta / einen kleinen Eiffer würde empfunden haben.
O der kalten Freundlichkeit! (antwortet Polyphilus) die meine Macarie im geringsten nicht verletzet. Wer weiß / (versetzte Agapistus) ob sie auch so kalt ist? meines Erachtens / ist Hitze genug dabey gewesen. Ja! (sagte Polyphilus) wann ich in eurer Haut steckte /und alle Weibsbilder / wie ihr / lieben könte / würde mir diese Zunders gnug gewesen seyn. Aber ihr wisset / daß ich gantz anderst gesinnet bin. So werdet ihr auch einen Unterschied machen / unter Liebe und Höflichkeit:
Mussard zeiget / am Morgen / seinen Gästen etliche Gemähle / (deren eines / von der langsamen / aber beständigen / Liebe redet /) und seine Kunstkammer. Ihr Gespräche / beym Früstück / von den Tyrannen; und Mussards vernünfftige Rede / von Unbeständigkeit des Hofglücks / und Gefärlichkeit der Hof-Dienste.
Polyphilus / nachdem er dieses verfasset / gienge ans Fenster / zu erkundigen / was sie vor Wetter haben würden: da er dann bald warnahm / daß der silberfarbe Winter-Regen / nicht allein der Erde ein weisses Hemd angezogen / sondern auch die gantze Lufft erfüllte / und ihre Reise
Damit befahle er Julietten / daß sie ein Früstück solte bereiten lassen: Er aber führte seine Gäste im Haus herüm / und zeigte ihnen allerhand Gemähle / so wohl von neuen als alten Künstlern verfertigt. Polyphilus betrachtete vor andern / ein Sinnbild / und zwar so lang / daß er endlich vom Mussard gefragt wurde / was ihme an dieser Tafel gefalle / die Arbeit oder die Erfindung? Ich weiß nicht / (versetzte Polyphilus) was ich aus diesem Thier / daß einer Katzen nicht ungleich sihet / machen soll. Es ist (berichtete der Edelmann) das Americanische Thierlein Ha oder Haut / welches etliche Faulheit nennen / von wegen seines sehr
Ich habe es (fuhr er fort) etlicher Ursachen wegen /hieher setzen lassen / unter andern auch den Lauf der Liebe vorzubilden / als welche billig langsam und mit guten Bedacht soll geführet werden / weßwegen die Alten den Liebhabern Schneckenfüsse zugeeignet: und habe ich noch keinen / in seiner Verehlichung /die Langsamkeit / gar viele aber die Ubereilung / beklagen hören / welche auch nie schädlicher ist / als in diesem Bande / das nur der Tod aufzulösen vermag. Und gleich wie dieses Thier so jämmerliche Augen hat / daß so wohl Menschen als Thiere / so bald sie deren ansichtig werden / zu Mitleiden / und Erbarmung gegen dasselbe beweget werden: also sind auch die jenige / welche in den Schranken der Liebe lauffen / so vielem Unglück unterworffen / und führen ein so elendes Leben / daß sie billig Mitleiden verdienen.
Es hat aber dieses Thierlein / in seinen zwar geringen Füßlein / solche Krafft und Stärke / daß es alle die Sachen oder Thiere / die es ergreiffet / dermassen vest hält / daß man sie nicht ledig machen kan. Hiemit lehret es / (welches auch die Uberschrifft / zwar langsam / aber veste / andeutet /) daß ein Verliebter das jenige / was er mit gutem Vorbedacht erwählet /und mit vieler Mühe erlanget / hernach desto fäster halten solle. Dann was liederlich erworben / ist gemeiniglich auch von liederlichem Wehrt / und wird wieder liederlich verlassen:
Was hätte den Polyphilus mehr vergnügen können /als diese warhaffte Fürbildung seiner arbeitseeligen Liebe: Freylich / Allerschönste Macarie! (gedachte er bey sich) habe ich langsam eure Gunst erlanget / und noch langsamer kan ich derselben geniessen. Ach! was Unglück hat meine Liebe allbereit überstanden! und wie viel billiger verdiene ich Mitleiden / als die traurige Augen dieses langsamen Thierleins! doch tröstet mich der hohe Wehrt eurer Trefflichkeit / welcher viel grösser / als meine Arbeit / und der allerschwersten Bemühung wol würdig ist. Ich werde / nach der Lehre dieses Sinnbilds / euch zwar langsam aber vest erhalten / und aller meiner Bemühungen wieder ergötzet werden.
Inzwischen Polyphilus mit diesen Gedanken sich unterredte / belustigste sich Agapistus mit einem andern Gemähl / welches einen verguldten Zepter /Degen und Schäferstab / auf einem Tisch ligend vorzeigte / mit dieser Obschrifft: Allezeit schätzbar. Er erkannte alsbald / daß durch das Gold / die Tugend /welche in allem Unglück / wie dieses edle Metall mitten in der Glut / rein erfunden wird / müsse verstanden werden; und daß diese güldene Tugend / sowol den schlechten Hirtenstab / als den Königlichen Zepter und sieghafften Degen ziere / und / nach der Beyschrifft / Allezeit schätzbar sey. Wiederum betrachteten sie / einen geblößten Jüngling / welcher auf einem stück von einem gescheiterten Schiffe sitzend / mitten in der See (in welcher das zerbrochene Schiff /
Diß / (sagte Polyphilus) bedeutet ohne Zweifel die Kunst / welche uns / wann wir gantz entblösset / auch von Menschen und Glück verlassen scheinen / dannoch schützet: die kein Strassenrauber abnehmen /kein Schiffbruch versenken / kein Feuer verzehren /und kein Neider verletzen kan; die so lang / als wir selber / bleibet / und uns keinen Mangel leiden lässet.
Sie hätten mehr Gemälde betrachtet: aber Mussard eröffnete seine Kunst-Kammer / und zeigte ihnen daselbst allerhand seltene Schrifften / künstliche Uhren /und alte Müntzen / wie auch viel Gewehre / wie sie von unterschiedlichen Völkern gebraucht werden. Hiermit hielte er sie so lang auf / biß die Jungfer an zeigte / daß es Zeit zur Malzeit wäre. Hierüber erschracken sie / und fragten: ob es dann schon Mittag wäre? Ach nein! (antwortete Julietta) es ist nur ein schlechtes Früstück / dabey man den Mittag erwarten kan. Also folgten sie dem Edelmann / der sie die Kost zu versuchen ermahnte. Sie baten um Vergebung / so vieler gemachten Ungelegenheit / und sagte Polyphilus: Sie wären wol vor der Jungfer beschamt / daß sie zu solcher Unruhe Ursach gegeben / und wüsten sich mit nichts / als ihres Herrn Vatters Befehl zu entschuldigen. Wann ich / (versetzte der Edelmann)
Ich erinnere mich / (sagte Mussard) daß sie gestern derselben erwehnet: und / da ich nicht vorhin gnug Unhöflichkeit / mit vielen beschwerlichen Fragen /begangen / dörffte ich bald auch wegen dieser Gefängnus üm Bericht bitten. Diese wenige Beschwerung / mein Herr! (antwortete Agapistus) wann anderst eine schuldige Willfahrung diesen Namen führen soll / ist ungleich geringer / weder die jenige Unruhe / welche unsre kühne Einkehr verursachet. Wir sind verbunden / auch hierinn zu dienen. Hierauf er zehlte er alles / was sich / mit ihrer Abreise / Gefängnus / und Erledigung / biß daher zugetragen; worüber sich Mussard sehr verwunderte / und nicht ohne Bewegung sagte: Es ist gut / daß dieser Ungerechte nicht in einem höhern Gewalt herrschet / sonst dörfften wir einen Römischen Nero / oder Moscowitischen Basilowitz / an ihm erleben. Polyphilus sagte: Er habe viel von dieses Groß-Fürsten grausamen Thaten erzehlen hören / und müsse derselbe ein unbarmhertziger Wüterich gewesen seyn?
Freylich / (versetzte Mussard) ist er der allerschrecklichsten Tyrannen einer gewesen / welche jemals den Erdboden beschweret: also daß er billig der andere Nero genennet wird. Dann auser dem Mutter-Mord / wiewol dieser auch seinen eignen Sohn erstochen / werden die Unthaten Neronis /
Er soll aber / (sagte Polyphilus) einen geschwinden Verstand / und gute Gedächtnus gehabt haben: ist also Wunder / daß er / bey solchen Gaben / in so schändliche Laster gerahten. Wie die Frommen / (begegnete ihm der Edelmann) ihren Verstand zu Vermehrung und Fortpflantzung der Tugenden anwenden / also mißbrauchen hingegen die Bösen solche edle Gaben / zu Bedeckung oder Vollziehung
Ach! mein Herr (versetzte der Edelmann) nicht allein bey diesem unsinnigen Groß-fürsten / sondern auch bey klugen / und / dem Ansehen nach / gar gütigen Fürsten / sind die Hof-Dienste / so gefährlich /daß ich keinem / der sonst ein ehrliches Auskommen hat / dazu rahten wolte. Ich hab / in meiner Jugend /einem sehr frommen und freundlichen Fürsten gedienet / bin auch von demselben / über mein Verdienst /erhaben und begnadet worden. Aber nachdem ich betrachtet / daß die Sonne / welche mich begläntzte /dem Unbestand unterworffen / und der prächtige Stul / welcher mich damals truge / auf so gebrechlichen Füßen ruhete: habe ich denselben gutwillig verlassen / damit ich nicht mit ihm stürtzen möchte / die Hof-Gnade / nicht ohne Verwunderung und Mißfallen meines so gewognen
Ich hätte aber vermeinet / (sagte Agapistus) wann ein Hof-Bedienter seinem Prinzen redlich und vernünfftig diente / die Gerechtigkeit beförderte / und sich sonst in seinen Schranken zu halten wüste / es könte ihm sein Glück nicht so bald umgestürtzet werden. Dann es bezeuget die Erfahrung / daß die meinsten durch ihre Hoffart gefället / und ihr Unfall mehr ihren eignen Lastern / als der Unbeständigkeit des Glückes / zuzuschreiben. Ich will nicht laugnen / (begegnete ihm Mussard) das ihrer viele der Gnade der Fürsten / die sie gemeinlich / mehr durch Heucheley /als treue Dienste erlanget / boßhafftig mißbrauchen /und zu Beneidung der höhern / Unterdruckung der Untern / Bereicherung ihrer selbst / und Verderbung des Landes / anwenden: daher ihr Fall eine Bestraffung / und kein Unglück zu nennen ist. Es kan aber auch einer / der sein Glück auf lauter Tugenden gründet / auch mit Klugheit und Vorsicht bewachet / vor dem Fall nicht sicher seyn. Dann die Hof-Gunst ist viel unbeständiger / als daß sie ihr von unserm Wohlverhalten solte Fessel anlegen / und zu stäter Dienstbarkeit sich
Ich gebe gern zu / (sagte Polyphilus /) daß die Großen bey Hof vieler Gefahr unterworffen sind / und auf eitel scharffen Spitzen gehen / die sie leicht verwunden können: angesehen der Neid dem Glük auf dem Fuß nachzufolgen pfleget / und die allerlöblichste Thaten mit seinem Geiffer zu beschmitzen suchet. Demnach thut der / so zu Hof leben muß / am sichersten / wann er sich den hohen Klippen / welche von allen Winden angefochten werden / entziehet / im mittelmässigen Glück ruhet / und sein Ehrenbild auf den festen Stein eines guten Verdienstes setzet: damit es nicht so leichtlich beweget / und von allerhand Zufällen umgerissen werden möge. Wer sich (gabe Mussard zur Antwort /) einmal auf das unruhige Meer der Hof-Dienste gewaget / und die Segel seines Glücks /nach dem
Mein Herr wird etwan einwenden / man solte sich solcher gefährlicher Erhöhung selbst äusern / und die angebottene Ehre von sich ableinen. Aber / wer ist von der selbstliebe so gar befreyet / daß er die Gelegenheit / wann sie dergestalt sich ihme bey den Haaren zeiget / nicht ergreiffe? in Betrachtung / daß sie im Nacken kahl / und die Potentaten eben so leicht über die Verachtung ihrer Gnade / als über der ungestümmen Forderung / erzürnet werden. Wer besteiget nicht das Roß / welches ihme von dem Glück selber vorgeritten wird? Es ist ja viel ergetzlicher / befehlen / als gehorchen; viel rühmlicher / herschen / als beherschet werden; und viel herrlicher / Gnade ausgeben / als üm Gnade bitten. So wird auch die Gefährlichkeit der hohen Berge / gemeinlich erst nach dem Fall / und im Thal des Unglücks / erkennet. Oder / da gleich ein gar vernünfftiger die beständige Unbeständigkeit des Glückes / auch mitten im Glücke / betrachtet / hat er doch keine Gelegenheit / sich aus demselben zu wickeln / und kan
Der vortreffliche Seneca / hätte dem Käyserlichen Hof gern gute Nacht gegeben / und war bereit / nicht allein seine Ehren-Aemter und Ansehen / sondern auch sein grosses Gut / und Vermögen / dem Käiser einzuhändigen: aber er kunte es nicht erhalten / und wurde von dem tollen Nero gezwungen / zu sterben; zwar mit der Gnade / daß er ihm selbst die Art des Todes erwählen mochte. Und ob gleich nicht alle Fürsten so tyrannisch / wie dieser / so wohnt ihnen doch mehrernteils hoher Muth und hitzige Begierde bey: welche billig ein jeder / wie ein brennendes Feuer /fürchtet. Wann ich einen erwachsenen Sohn hätte /wolte ich ihm lieber rahten / sein Glück im Krieg / als an grosser Herren Höfen zu suchen. Dann ob gleich auch dieser voll Gefahr ist / so kan man sich doch leichter gegen einem öffentlichen / als heimlichen Feind verteidigen: und sind die entblöste Klingen und gezuckte Pistoln bey weitem nicht so gefärlich / als die tieffe Reverenzen und höfliche Complimenten. Wiewol heut zu Tag / die balsamirte Dienste mehr /als die blutige / belohnet werden. Würde er dann gezwungen / an Höfen zu leben / und zu einigem Ansehen erhaben: so möchte er seinen endlichen Fall vor gantz gewiß halten / und denselben mit einem freyen und beherzten Gemüt erwarten / und seine Sicherheit mehr dem geneigten Glück / als seiner Klugheit und Vorsichtigkeit / zuschreiben; auch viel mehr bemühet seyn / die Gnade des Himmels / weder seines Fürsten / und den Ruhm eines unverletzten Gewissens /als der eitlen Ehre und Herrlichkeit zu erhalten.
Die Reisende werden von dem Edlen Mussard begleitet. Ihr Gespräche / von Duellen und Balgerey; und des Polyphylus / mit Julietten / auf dem Schlitten. Sie besuchen den Harpin / einen andern Edelman / auf seinem Schloße. Ihr Schertz Gespräche mit demselben. Agapistus und Tycheno spielen auf der Laute / darein Polyphilus / diesem neu-erbauten Schloß zu Ehren / ein Lied dichtet: welches von Julietten gesungen wird. Ihr Tisch-Gespräche vom Geitz / und von der Verschwenderey.
Nach genommenem höflichen Abschied / und dienstlicher Bedankung vor die erwiesene Ehre und gute Bewirtung / sassen unsere Reisende sämtlich zu Pferde: da Mussard die Juliette auf den Schlitten name / und /nachdem er seine Hertzliebste gesegnet / in ihrer Gesellschafft mit fortfuhre. Er hatte aber nicht lang gefahren / da beklagte er sich gegen Polyphilus / der neben dem Schlitten her ritte / daß sein Arm / von dem stäten Anhalten der Seile / fast müde werden wolte / und ihm diß orts gar geringe Dienste leisten könte. Polyphilus fragte: ob er sich nicht möchte belieben lassen / mit ihm einen Tausch zu treffen / und eine zeitlang zu reiten? Mussard name es zu Dank an / übergabe
Ehe sie aber fortfuhren / fragte Polyphilus den Edelmann / was ihm an dem Arme mangele? Ach! (sagte Mussard) das ist noch eine schmerzliche Frucht der unvorsichtigen Jugend. Ich habe / in einem Duell /einen Schuß im Arm bekommen / so unglückseelig /daß jederman / auch der Barbirer selbst / vermeinet /er würde erlahmen. Welche Zeitung mich dennoch nicht so sehr erschreckte / als die Verwundung meines Gegners / der in die Seite geschossen / und für todt hinweg getragen worden. Er wurde zwar gleich mir /glücklich geheilet: ich aber habe / wegen der höllischen Angst / in welcher ich vor seiner Genesung geschwebet / fast keinen Schmertzen empfunden; weiß auch / auser einer wenigen Empfindung bey unbeständigem Wetter / keinen Unterschied gegen dem andern / als daß er bald ermüdet. Ich habe (sagte Polyphilus) hier auch dergleichen / wiewol ohne Ermüdung: damit zeigte er eine grosse Narbe / vornen am Arm. Das muß gefärlich gewesen seyn! (sagte Mussard) und vielleicht ists auch in einem Zwey-Kampf geschehen? Er wird sich verblutet haben. Freylich! (erwiederte Polyphilus) und als ich das Blut gesehen /bin ich noch viel erhitzter auf meinen Widerpart (dann er hatte mich wieder recht verwundet) loß gegangen / biß der Arm mit mir gesunken / und ich mit dem Tod zu ringen angefangen: da man dann kümmerlich das Blut gestillet / und mir das Leben errettet.
Das thut die Jugend! sagte Mussard. Sind
Also kamen sie von einander / und fuhre Polyphilus fort / biß er einen guten Weg voraus gekommen: da er dann still hielte / und seine Gefärtin fragte / was sie /bey einem so verdrießlichen Führer / für Gedanken habe? Ihre Antwort war: Sie bejammere sein Unglück / welches ihn von seiner Liebsten
Ja ja! (widerredte Julietta) zu Soletten ist schon ein mehrers zu finden. Ach! schöne Jungfer / (begegnete ihr Polyphilus /) sie schimpfe doch ihren Diener nicht mit Soletten / welche Insul ich vielleicht nicht mehr sehen werde. Ich baue mir keine solche Schlösser in die Lusst / und weiß gar wohl / daß ich viel zu unglückseelig / als daß ich von einiger Dame Liebe hoffen solte. Mich wundert /
Eben wolte die Jungfer antworten / als die andern geritten kamen / und Agapistus ihnen zurieffe: So /so / Polyphilus! ich sehe wohl / das Schlittenfahren schläget ihm besser zu / weder das Reiten. Das könnet ihr leicht denken! versetzte Polyphilus. Ihr habt mich lang im Gefängnus mit dem Schlittenfahren verspottet: aber heute gibt mir das Glück Gelegenheit /euer wieder zu spotten. Wohl! (sagte Agapistus) aber die Herrlichkeit
Dieser sagte: Er hätte nun die lang verheissene Besuchung / in Begleitung dieser Herren / endlich ablegen wollen. Ich erfreue mich hertzlich / (antwortete der junge von Adel) daß ich das Glück habe / meinem geehrten Herrn Vettern in meiner Behausung auf zu dienen / und bitte dienstlich / sie wollen sich belieben lassen / eilends abzusteigen / und herauf zu spaziren. Wir folgen! (erwiderte Mussard) der Vetter weise uns nur den Weg. Also führte er sie in den Hof / da Polyphilus mit Julietta schon warteten / und sie eben fragte / wie der von Adel hiesse? Harpin heist er: (sagte die Jungfer) und ist eines guten Geschlechts / auch in unserm Hause / unter meines Vatters Pflegschafft / erzogen. Weil er aber wenig Mittel von seinem Vater gehabt / als ist er dem Krieg nachgezogen / in welchem er die Stelle eines Rittmeisters erworben. Als aber ihm unlängst ein alter Vetter gestorben / der ihm / nicht allein dieses Schloß / sondern
Also möchte ichs mir auch wünschen: sagte Polyphilus / als eben die andern ankamen; da er dann seinen Abschied nehmen / und mit seinen Gefärten fortreiten wolte. Aber Harpin / der allbereit von Mussard seinen Namen und Zustand erfahren / bate inständig /daß er doch ihme die Ehre seiner Freundschafft nicht versagen / noch die freundliche Gesellschafft zerreissen wolte. Als er sich mit der eilsamen Reise entschuldigte / sagte Mussard selber: Ey so lasse er sich doch erbitten! es wird ja ohne das nacht: wie weit werden sie heute noch reisen? Der Herr beglücke mich / noch diesen Abend / mit seinem Gespräche: Morgen frü will ich selbst seine Reise befördern. Polyphilus erwiederte: Sie hätten die vorige Künheit noch nicht genug entschuldiget / und würden nun eine Unhöflichkeit mit der andern häuffen. Doch wolte er sich seinem Befehl nicht widersetzen / und sich lieber der Grobheit / als des Ungehorsams schuldig machen. Ich finde keine Grobheit / (sagte Mussard) in so schönen Worten. Die Herren kommen nur mit herauf / und helffen mir besehen / was mein Vetter gebauet.
Also führte sie Harpin / einen sehr zierlichen Schnecken hinauf / erstlich in das Zimmer / welches er bewohnte. Nachdem sie sich in demselben ein wenig erholet / auch ihre Gewehr abgeleget / wiese er ihnen alle Gelegenheit des Hauses / die künstliche
Sie lachten sämtlich hierüber / und Mussard sagte: hätte ich / wie er einsmals begehrte / ihme meine Tochter verheuratet / so würde der Vetter auch wenig von ihm ererbet haben. Das will ich wohl glauben /(versetzte Harpin) und sage ich / wegen des Abschlags / schönen Dank: wiewol es auch Schade gewest / wann die Jungfer in so ein lebendiges Grab wäre gelegt worden. Weil ihr aber solchergestalt seine Güter vermeint gewesen / würde mein geehrter Herr Vetter wohl thun / wann er meine wenige Person mit ihrer Verlobung beglückte / so könte sie solche / auch ohne einen alten Mann / besitzen. Wer weiß / was geschicht? (widerredte Mussard) Schertz muß man mit Schertz
Mit diesem Gespräche / gelangten sie wieder in das Zimmer / da sie zu erst gewesen / und daselbst Julietten / in Gesellschafft des Harpins Mutter / und einer Haus-Jungfer / hinterlassen. Massard / ersahe daselbst eine Laute / und fragte seinen Vettern / ob er darauf spielte? Ich spiele nicht darauf /
Damit griffe er zur Lauten / spielte ein paar Stücke / und überreichte sie dem Tycheno: welcher sich zwar entschuldigte / doch / auf freundliches Anhalten / auch etliche Stücke hören ließe. Damit aber Agapistus an Polyphilo / der dieses Handels heimlich lachte / sich rächen möchte / sagte er: Wann ein Lied darein gesungen würde / solte es wol besser lauten /welches Polyphilus bald verfärtigen könte. Ach ja! (sagte Mussard) da will ich ihn gar schön um bitten. Ich / wann ich ein Poet wäre / hätte schon ein Lied gedichtet / von der Verneurung dieses Schlosses. Was konte hier Polyphilus anders thun / als daß er Papier und Feder begehrte / und dem rach-süchtigen Agapistus mit einem Blicke dankend / den Mussard zu vergnügen / folgende Zeilen setzete.
Als dieses verfärtigt war / überreichte es Polyphilus Julietten / und bate / diesem schlechten Liede ihre schöne Stimme zu leihen. Wiewol nun dieselbe sich schr wägerte / muste sie doch auf ihres Vatters Befehl endlich einwilligen. Also fange sie das Lied / in des Agapistus Laute / mit gar holdseeliger Stimme / und ergetzte damit ihren Vatter / und den Harpin dermassen / daß sie es nicht genug hören kunten. Wohl fein /(sagte Mussard zum Polyphilus)
Mussard sprachete hierauf mit dem Polyphilus /und sagte: Ich ergetze mich noch mit des Herrn Beschreibung / die er vom Geitz geführet.
Hat aber der Vetter (fragte Mussard lachend) den Rost abwaschen / und des Gelds geniessen können? O ja! (versetzte Harpin) auf diese Weise habe ich das Geld säubern gelernet: welches nach solchem Bad so sehr verlanget / daß es mit Gewalt heraus dringet /und alle Rigel entzwey stossen will. Sie lachten alle über diesen Schwank; doch sagte Mussard: Der Vetter sehe sich gleichwol vor! die
Mit diesem und dergleichen kurtzweiligem Gespräche / verbrachten sie die Malzeit: biß die schon halb-verfloßne Nacht / den Aufbruch ursachend / einen jeden / nach allerseits Anwünschung eines sanften Schlaffs / zur Ruhe legte. Polyphilus fühlte bey sich etwas Ungedult / daß er so lang von seiner Macarie muste entfernet seyn / und bald durch Gewalt und Boßheit / bald durch List und Freundlichkeit / von ihrer Besuchung abgehalten wurde: deßwegen er ihm stark vornahme / mit frühem Morgen auf zu seyn /und sich nichtes mehr hintern zu lassen / welches er auch so ämsig zu Werck richtete / daß er den Agapistus und Tycheno / wie ungern sie auch daran kamen /auftriebe / also daß sie sämtlich mit anbrechendem Tag angekleidet und reißfärtig waren. Wie nun Harpin sehr bate / nur ein kleines Früstück zu erwarten /wolte sich doch Polyphilus nicht bereden lassen / sondern erinnerte den Mussard seiner gestrigen Zusage /mit Bitte / ihn derselben anjetzo geniessen zu lassen. Selbiger zog die Schultern und sagte: Ich muß bekennen / mein Herr! daß ich seine Reise zu befördern versprochen: wünsche ihm demnach / zu derselben /
Die Reisende reiten mit frühem Tag wieder fort / und erfahren vom Servetus / der ihnen begegnet / neue Zeitung von Macarie. Diese wird von der Adalgis besucht / und vor des Polyphilus
Polyphilus. Die Königin lässt ihr / durch die Phormena / dessen Wieder befreyung ankünden: und wird sie / von dieser / in der Liebe zum Polyphilus / gestärket.
Kaum waren unsre Reisende eine Stunde / und zwar /theils wegen des kurtzen Schlaffs / theils wegen verliebter Gedanken / in der stille geritten / da sahen sie den Servetus ihnen entgegen kommen; da dann Polyphilus sobald auf ihn zu eilte / und fragte / wie es zu Sophoxenien stehe? Allgut! (gabe Servetus zur Antwort) die Königin und Melopharmis / sind über ihrer Erledigung sehr erfreuet / und erwarten mit Verlangen ihrer Widerkunfft. Was hat man dann vor Zeitung von Macarie: (fragte Polyphilus ferner) ist nichts Neues vorhanden? Nichts! (versetzte Servetns) auser daß die Königin / aus Raht der Melopharmis / heute die Phormenam zu ihr abgesendet. Das ist neues genug! (sagte Polyphilus) aber was wird ihre Verrichtung seyn? Das hab ich nicht erfahren können / (sagte Servetus) wie sehr ich mich auch darüm bemühet. Was meinet aber ihr / (sagte Polyphilus zum Agapistus) daß in dieser Sache zu thun sey? Das beste ist / (begegnete ihm Agapistus) wir senden den Servetus zur Phormena nach Soletten / und lassen sie wissen / daß wir / auf dem Wege nach Sophoxenien /
Der Raht ist gut! (sagte Polyphilus) eilet ihr nur /Servetus! solchem nachzukommen / vielleicht kommet auch Macarie / in Begleitung der Phormena / uns entgegen. Freylich (erwiederte Agapistus) wird Polyphilus noch heute die Macarie sehen: reitet nur zu /Servetus! ehe ihr den Markt versäumet; wir haben doch auch heut / um ihret willen / das Bette verlassen müssen. Sie verdienet wol ein mehrers! (war des Polyphilus Widerrede) verrichtet ihr / was euch befohlen /Servetus! ich will mit dem Agapistus wohl zu recht kommen. Also nahm Servetus Abschied / und eilte nach Soletten. Sie aber folgten allmählich nach / und zwar Polyphilus / in so verirrten Gedanken / daß er so wohl bey der Mittags-Malzeit / als auf dem Weg /mehr dichtete / als redte: welches Agapistus warnehmend / ihn nicht verstören wolte. Auch wir wollen ihn in seinen Gedanken dahin reiten / und dieselben ungeantet lassen / weil sie ohne das / wegen der Menge /nicht wohl zu beschreiben sind: und unterdessen sehen / was zu Soletten vorlauffet.
Daselbst enthielte sich / eine betagte und vernünfftige Matron / welche / wegen ihrer Jahre und willfährigen Freundlichkeit / von Macarie jederzeit vor eine Mutter geehret worden. Diese hatte so viel ungleiches von Polyphilus Leben und Gefängnus (dessen Ruf nun auch dahin gekommen war) vernommen / daß sie / aus Freundschafft / nicht unterlassen kunte / die Macarie vor ihrem
Warum stellet sie sich so unwissend? sagte Adalgis. Wäre diese Sache so ungewiß / als sie vorgibt /so dürffte ich mich noch erkühnen / einen Stein der Warnung ihr in den Weg zu werffen. Weil sie sich aber der Liebe schon allerdings ergeben / als werden vielleicht meine Worte / nicht allein vor tanben Ohren erschallen / sondern auch / wo nicht Zorn und Widerwillen / doch Reu und Furcht erwecken: Daher ich lieber schweigen / und zu solcher Freundschafft Glück wünschen will. Macarie! welche diese Worte mit Schrecken angehöret / ließe sich doch nichts merken /sondern sagte hinwiederum: Meine geehrte Frau Mutter! (daß ich mich dieses Namens / wegen ihrer Freundlichkeit und Wolmeinung gebrauche) ihre Rede kommet mir sehr entsetzlich vor / weil ich nicht weiß / wohin sie damit zielet. Der Himmel wolle mir ja nimmermehr eine solche Torheit gestatten / daß ich eine unbesonnene Liebe erwählen / und mich weder vernünfftigen Raht / noch wolgemeinte Warnung /davon solte
Weil ich diese Rede / (antwortete Adalgis) vor rechte Warheit halte / kluge Macarie! als gebe ich ihr hierauf zu wissen / wie daß Polyphilus / der sie liebet / und ihre Gegen-Liebe verlanget / von dem Gerüchte aller Orten / sehr verhasst herum getragen wird: weil er nicht allein / den Mord Phylomathi noch nicht von sich abgeleinet / und / an statt gerichtlicher Verantwortung / gantz verzweiffelt (welches nicht ein geringes Merkmahl ist eines verzagten und überzeugten Gemütes) sich in den Fluß gestürtzet / sondern auch / aufs neue / wegen einer Mordthat gefangen liget. Uber das / ist sein Geschlecht und geführter Wandel ganz unbekant / und wird / die Erlösung von Sophoxenien / bey allen Verständigen / nicht in geringem Argwahn der Zauberey gehalten. Ist dannenhero sehr gefährlich / sich mit ihm in Freundschafft einzulassen. Ob ich nun wohl weiß / daß sie selbsten viel vernünfftiger und vorsichtiger ist / als daß sie wissend- und vorsetzlich / sich einem so verrufften Menschen vertrauen solte: Jedoch / weil der Dampff der Liebe gemeiniglich das Liecht des Verstandes vernebelt / auch nicht jederman so kühn ist / eine so verdrießliche Zeitung vor ihre Ohren zu bringen: als habe ich / in
So bedenke sie dann diese Sache wol / liebste Macarie! dann alles Thun dieses menschlichen Lebens /ist unbeständig und dem Wechsel unterworffen: aber der Ehestand bleibet stehen / oder stürzet uns / in seinem Untergang / auch mit zu Boder. Ist derowegen billig / daß man offt erwäge / was nur einmal kan beschlossen werden. Und wann sie ja Lust zu heuraten hat / warum erwählet sie nicht den Eusephilistus: der sie so aufrichtig liebet / und dessen gutes Geschlecht /Vermögen / und Gemüte ihr allerdings bekant ist? Ein fremder Freyer betreugt / oder wird betrogen: und ist nichts gefärlichers / als in dieser Handlung / daran unsere gantze zeitliche Wolfart hanget / dem blossen Ansehen oder Worten glauben. Sie ist ja / schöne Macarie! die Zier der Insul Soletten / und der Ruhm aller hiesigen Inwohner / wird auch von denselben / ihrem Verdienst nach / geehret und bedienet: Warum wolte sie dann ihre Ehre mit eines andern Schande beflecken / ihre so gewogne Freunde verlassen / und in einem unbekanten Lande Herberg suchen? Ich bitte nochmals / wo es seyn kan / mit dem Versprechen inn zu halten / und meiner treu-gemeinten Warnung statt zu geben.
Macarie / hatte diese Rede mit nicht geringer Bestürtzung vernommen / und gabe folgendes zur Antwort: Gewogne Frau Mutter! ich rühme billig die Aufrichtigkeit ihrer Freundschafft / die mir so unverfälscht entdecket / was mir gefährlich zu seyn scheinet. Ich verspreche auch / solchem schuldige Folge zu leisten / und mich viel eher mit dem
Diese Rede / wie sie von Macarie gar bescheiden vorgebracht wurde / also erweckte sie in Adalgis gantz andere Gedanken / daß sie solche billigte / und sagte: Ihre sittsame Antwort / Tugend-gezierte Macarie! ist freylich viel vernünfftiger / als die Anklage der gemeinen Menschen / die nur nach dem äuserlichen Ansehen / welches sehr betrüglich ist / urtheilen. Nun zweifle ich nicht / sie werde in diesem Beginnen /mehr der Klugheit und Tugend / als der verblendten Liebe folgen; und bitte / mir meine unnötige Vorsorge zu vergeben / mit dem Versprechen / daß ich hinwiederum ihr Vorhaben nach aller Müglichkeit befördern wolle.
Macarie / bedankte sich für den freundlichen Willen / und schiede Adalgis von dannen / die Macarie in tausenderley Gedanken hinterlassend / wie doch ihre Liebe noch ablauffen würde. Was habe ich doch / (gedachte sie) endlich zu hoffen / oder zu fürchten? Soll ich den Polyphilus / wider aller Menschen Raht und Willen / lieben? das ist gefärlich. Soll ich die Insul Soletten / welche mich eine geraume Zeit glückseelig versorget / verlassen / und in einem fremden Land Herberge suchen? das ist bedenklich. Soll ich den Eusephilistus / dessen Liebe ich / mit Frolocken dieser gantzen Insul / geniessen könte / verwerffen? und den verhassten Polyphilus / zu meinem Verderben / erwählen? Wer wird dann künfftig mitleiden mit meinem Unglück haben? Adalgis hat freylich recht geredet. Dann was mangelt dem Eusephilistus: daß ich lieber mit Polyphilus im Elend / als mit ihme im Wolstand
Ach Himmel! (rieffe sie ferner) zeige mir doch einen Weg / dieser Gefärlichkeit zu entrinnen / und das sicherste zu erwählen. Doch was mache ich? habe ich nicht einmal versprochen / den Polyphilus vor Eusephilistus zu lieben? worzu dienet dann dieses vergebliche Wehlen? Ich habe ja gelernet / das Glücke /wegen der Tugend / zu verachten: Warum wird mir dann die Ubung so schwer? und / wie darff ich mich auch erkühnen / eine Vergleichung zwischen diesen beeden anzustellen? oder in welchem stück / setze ich Eusephilisten dem Polyphilus an die seite? Nein! nein! liebster Polyphilus! Ihr allein seit würdig / des Ruhms eines vollkommenen Liebhabers. Ihr allein sollet meiner Gunst geniessen / und solte ich noch so viel deßwegen ausstehen. Darff ich nicht öffentlich lieben / so liebe ich heimlich. Wer weiß / wie es noch ablauffet? das Spiel ist noch nicht zu Ende. Das Glück küsset öffters / nach den Schlägen. So ist auch das Unglück der Unbeständigkeit unterworffen / und wird von der Gedult / ohne Waffen und Gegenwehr /überwunden.
Eben hatte sie diese Zeilen zu Papier gesetzet / als ihre Dienerin ihr ankündigte / wie Phormena sie zu besuchen angekommen: worüber sie in Hoffnung / einige Nachricht von ihrem Polyphilus zu erhalten /nicht wenig erfreuet wurde. Sie stunde behend auf /legte das Papier / damit es Phormena nicht warnehmen möchte / auf eine seite / und wolte ihr entgegen gehen: die aber eben in das Zimmer eintrate / und einen gnädigen Gruß von der Königin ablegte. Macarie name solches mit tieffem Dank an / und fragte: durch welche Gelegenheit / sie dißmal mit ihrer Gegenwart beglückt würde? oder aus was Ursach sie in dieser einsamen Insul angekommen? Sie zu besuchen / (versetzte Phormena) auch auf Befehl der Königin und Melopharmis / ihr zu verkünden / daß nunmehr Polyphilus / seiner unschuldigen Gefängnus befreyet / und auf der Heimreise begriffen / auch seine eheste Ankunfft / durch einen Boten / allbereit wissen
Diese Bitte (gab Macarie zur Antwort) kommet ganz unnötig / weil ich vielleicht den Polyphilus nimmer wieder sehen werde / auch wegen der Gefahr und Unruhe / darein mich seine Freundschafft gestürtzet /nach seiner Besuchung gantz kein Verlangen trage. Uber dieser verächtlichen Rede zereifferte sich Phormena dergestalt / daß sie mit zimlicher Bewegung antwortete: Ich weiß nicht / soll ich diese Antwort /einem Haß gegen dem Polyphilus / oder einem Argwahn gegen mir / zuschreiben? Ist es meinetwegen /so lebe sie versichert / daß ich dem Polyphilus mit gebürlicher und aufrichtiger
Solten aber ihre Worte / geehrte Macarie! (sagte sie ferner) aus Verachtung gegen dem Polyphilus herrühren / so ist sie gewißlich eine Tyrannin / so wohl gegen ihme / als gegen ihr selber / weil sie ihn vorsetzlich in Verzweiflung stürtzet / und sich selbsten damit des allerwürdigsten Liebhabers beraubet. Sie bedenke doch / Macarie! wie hoch er sie ehret / wie getren er sie liebet / wie viel er ihrentwegen leidet /und wie wenig sie seines gleichen findet. Kan sie seine Schönheit und Höflichkeit / seine Geschicklichkeit und Tugend / seine Liebe und Beständigkeit / und die Gedult / mit welcher er alle ihre Grausamkeit und Verachtung / eine so lange Zeit / vertragen / nicht zur Gegen-Liebe und Mitleiden bewegen / so ist sie warhaftig wilder dann ein Tyger / und unbeweglicher als ein Felse / wird auch solche Unbarmhertzigkeit mit spater Reue büssen. Sie vergebe mir / schönste Macarie! die Hefftigkeit dieser Worte / und erwäge mehr die Gerechtigkeit / welche sie führen / als die Künheit / die sie begleitet. Sie lasse nit / unter den vielen Tugenden / so in ihrem Gemüte wohnen / die schändliche Undankbarkeit nicht einschleichen; sondern gebe vielmehr
Wer ist nun übler daran / als Macarie? die in einem Tag auf so ungleiche Art / gestraffet wird / und sonsten mehr des Ruhms / als der Strafe gewohnt gewesen. Es ist doch wahr / daß ein verliebtes Gemüte jedermans Spott oder Verachtung seyn / und offt so ungleichen Raht anhören muß / daß es mehr in Verwirrung / als in Sicherheit geleitet wird. Wäre es auch Wunder gewesen / wann sie sich über diese unbestellte Hofmeisterin erzürnet / und ihr eine schimpfliche Antwort ertheilet hätte? Aber Macarie ist viel zu gedultig / die Phormena zu beleidigen; und viel zu verliebt / sich an der Beschützerin ihres Polyphilus zu rächen: deren Straffe ihr so angenehm war / daß sie auch einen Trost darinn fande. Geehrte Phormena! (gabe sie ihr zur Antwort) Ihre behertzte Rede / ist ein beglaubter Zeuge / daß sie dem Polyphilus sehr geneigt sey. Und ob ich wohl viel dagegen sagen könte /so wäre ich doch willig / ihr zu folgen / wann nur andere nicht so stark dagegen redten. Sie zwar heisset mich den Polyphilus lieben / und meinet / daß ich im Gegentheil unbillig und tyrannisch handle. Aber /noch heute / ist eine verständige Matron bey mir gewesen / und hat durch allerhand Ursachen mich bereden wollen / daß ich mit solcher Liebe unvernünftig /gefärlich / und schädlich verfahren würde. Welchen Weg werde ich dann nun / ohne Laster / betretten? Bleibe ich nicht viel sicherer in der Einsamkeit stehen / als daß
Wann nicht die jenige / (gab Phormena hinwiederum zur Antwort) welche ihr die Liebe des Polyphilus gefärlich und schädlich vormahlen / mehr aus Feindschaft / und unwahrem Geschrey / als aus Aufrichtigkeit und Wolwissen redeten / so würde sie billig in Zweiffel gesetzet. Allein sie weiß / geehrte Macarie! wie der unschuldige Polyphilus / von den Inwohnern dieser Insul / jederzeit wider Verdienst / gehasset und verfolget worden. Sie hat auch sein tugendhaftes Gemüt aus so vielen Umständen erlernet / und wird leichtlich schließen / was warhaftig / oder aus Affecten geredt sey. Aber was führen sie dann vor Ursachen ihrer Verwarnung? Und aus welchem Grunde schätzen sie die Freundschaft des Polyphilus so gefärlich? Sie geben vor / (sagte Macarie) daß er ein fremder / dessen Geschlecht und Leben unbekant / der auch schon zum andern mahl / wegen eines Mords /gefangen lige / und durch die Erlösung des Schlosses Sophoxenien / viel mehr verdächtig / als berühmt worden. Daher ich viel sicherer / den Eusephilistus in einem bekanten Lande / als diesen auf ein Unbekantes / erwählen solte. Ich dachte wohl / (versetzte Phormena) diß würde das Ziel seyn / darauf die vorhergehende Pfeile gerichtet waren / nämlich die Verstossung des Polyphilus / und die Erwählung des Eusephilistus. Die andere Beschuldigungen / haben keiner Widerlegung vonnöten / weil sie / kluge Macarie! selbsten weiß / daß Polyphilus aller solcher Auflagen unschuldig. Demnach wird sie dergleichen partheiliche
Talypsidamus komt / mit dem Servetus / der die Melopharmis abfordert / zur Macarie; welche jener das Geleit gibet / in Hoffnung / den Polyphilus auf der Strassen zu finden. Dieser erwartet der Melopharmis im Walde / und bekomt seine Macarie nicht zu sehen / die ihm doch so nahe gewesen. Sein Klage hierüber. Seine und seiner Reiß-Gefärten Wieder-Ankunfft in Sophexenien.
Macarie wolte der Phormena wieder antworten /wurde aber / durch des Servetus und Talypsidamus Ankunfft / verhintert; welche beede / so unverhofft hinein traten / daß sie etwas erschrocken fragte: Was bedeutet diese geschwinde Besuchung / geehrter Herr Vetter? Alles guts! gabe Talypsidamus zur Antwort. Ich bin dem Servetus ungefehr begegnet / und weil ich von ihm erfahren / daß Polyphilus erledigt / und Phormena bey Macarie sey / habe ich / diese zu erfreuen /und jene zu bedienen / mit hieher kommen wollen. Daran hat er wohl gethan / (sagte Macarie) und soll von mir schönen Dank haben. Er lasse ihm aber belieben / ein wenig bey uns zu sitzen / und des Servetus Botschaft zu vernehmen. Sie wird
Damit stunde sie auf / und bate die Macarie um Vergebung / wegen ihrer kühnen Erinnerung: welche sich hingegen vor ihre Aufrichtigkeit bedankte / und neben einem gehorsamen Befehl und schönen Gruß an die Königin / an Melopharmis / und den Polyphilus /zu bevorstehender Reise Glück wünschte. Wollen wir dann nicht (fragte Talypsidamus) bey so schönem Wetter / die Phormena etwas begleiten? Ich bin es zwar willens gewesen / (sagte Macarie) habe es aber allein nicht wagen wollen / und werde in seiner Gesellschaft gern mitgehen. Es ist zwar unnötig / (sagte Phormena) daß sie sich meinetwegen bemühen sollen. Wann es ihnen aber also gefället / so wollen wir den Servetus voraus schicken / und mein Pferd / das ich an dem Ufer bey einem Jungen gelassen / biß an den Ort / da sich der Weg auf Sophoxenien scheidet /bringen lassen. Wol! sagte Macarie / als in der Hoffnung / ihren Polyphilus zu sehen / über diesen Vorschlag hoch erfreuet) sie bestelle es / so gut es seyn kan.
Also sandten sie den Servetus / das Pferd vor zu führen / sie aber spazirten allmählich hernach / und als sie / durch Hülffe des Talypsidamus / übergefahren / giengen sie eine zeitlang unter mancherley
Macarie kehrte nun wieder nach Soletten / und gienge / nachdem sie den Talypsidamus vor seiner Wohnung gesegnet / gar traurig in ihre Behausung /alda sie ihre betrogne Hoffnung mit diesen Zeilen beklagte.
Dergestalt sehnete sich Macarie nach ihrem Polyphilus / welcher / noch bey früher Tagzeit / mit seinen Gefärten / auf der Solettischen Strassen angekommen / und nach seiner Liebsten sich umzusehen / etlichmal hin und her geritten war. Weil er sie aber nicht ersehen kunte / und gleichwol / wegen allerhand Ursachen / ihm nicht näher zu der Insul trauete / banden sie sämtlich ihre Rosse an die Bäume / und spazirten Agapistus und Tycheno in den Wald / Polyphilus aber legte sich / theils aus Müdigkeit / dann sie waren stark geritten / theils auch aus betrübtem Verlangen / auf eine Wiesen nider / allda der Phormena /und vielleicht auch der Macarie / zu erwarten. Die nun wärmere Sonne hatte den Schnee von den Feldern hinweg gelecket / und begunte an den blau-gewölbten Bogen / der Welt aufs neue zu schmeicheln / auch mit ihren Stralen den Polyphilus zu erwärmen.
Er nahme hiervon Ursach / sich seines Unglücks zu erinnern: Ach! sagte er / du glückseeliger Erdboden! wie einen grossen Vortheil hast du mir abgelauffen. Dann ob gleich deine Buhlschaft / die Sonne / ein Zeitlang mit dir gezürnet / und dir den Rücken gekehret / so kommet sie doch nun selbst wieder / und suchet sich mit vielen lieblichen Blicken bey dir auszusöhnen. Aber / wann wird der Winter meines Unglücks geendet / und das kalte Eis des Hasses / und der Verfolgungen einmal geschmeltzet werden. Ach! daß doch auch meine Sonne dieser ihrer Vorgeherin folgete / und mich / nach so langer Trübsal / einmal wieder bescheinete! Daß doch
Diß waren damals des Polyphilus Gedanken / biß er endlich die Phormena auf sich zu reiten sahe: weßwegen er aufsprange / und ihr eilends entgegen gienge. Er hatte sie kaum willkomm geheissen / da sagte sie: Was liget ihr hier / Polyphilus? Also hätte ich /wann ich ihr wäre / dißmal nicht gefanlentzet / sondern wäre / Macarie zu grüssen / noch einen kleinen Weg gegangen. Polyphilus über dieser Rede erschrocken / hielte sie aber doch vor schertz / und sagte: Ja wol! wie weit hätte ich gehen müssen. Nein fürwahr! (gab Phormena zur Antwort) sie hat uns / neben dem Talypsidamus / biß an den Scheid-Weg begleitet /und ist / kaum einen Büchsenschuß von hier / wieder umgekehret. Ach Himmel! (sagte hierauf Polyphilus) wie bin ich dann so schändlich geblendet! Ach! du ungetreues Glück / wilt du dann nimmermehr aufhören / mich zu verfolgen? Wie offt bin ich schon dieser so hoch-verlangten nahe gewesen / und du hast mich wieder zu rücke geführet / daß ich selbst vor meiner Freude geflohen. Was meinet ihr / Phormena?
Aber saget mir / geehrte Phormena! weßwegen ihr dißmal die Macarie gesehen? Die eigentliche Ursache / (gab Phormena zur Antwort) wann ich sie offenhertzig bekennen soll / und von so vertrauten Freunden die Verschwiegenheit hoffen
Das stehet gar schön / (sagte hier auf Polyphilus) wann man das / was die boßhafftige Rache / und die übereilte mütterliche Liebe / welche zwar leichter als jene zu entschuldigen / verbrochen / also widerruffen muß. Aber wie hat sich Macarie / in dieser Versuchung / erwiesen? Viel klüger / als ich jemals glauben können: (antwortete Phormena) daher auch die Königin über ihrer Antwort erstaunet / und gezwungen bekennen müssen / daß der vortrefflichsten Macarien bey dem weiblichen Geschlecht keine zu vergleichen sey. Sie hat aber hierbey auch einen Argwahn in meine Aufrichtigkeit gesetzet / also daß ich große Mühe gehabt / mich aus diesem Verdacht zu bringen.
Hierzu hat sie (sagte Polyphilus / den der Ruhm seiner Macarie sehr ergetzet) wegen eurer
Also nahmen sie von der Phormena Abschied / und ritten mit dem Servetus nach dem Schloße. Unterwegs / bedachte Polyphilus seine Versäumnus / daß er / fast einer Stunde lang / auf der Wiesen gelegen /und seine Liebste / die sich / ihn zu sehen / so weit bemühet / ungetröstet zu rück gehen lassen. Was für ein wunderbares Verhängnus / (sagte er bey sich selber) muß in unserer Liebe / die doch nichts als Tugend verlanget / regiren? Was vor ein Gestirn / muß doch also ihren Fortgang verhintern? Oder / da ja alles durch die gerechte Vorsehung des Himmels getrieben wird / was vor Ursache hat derselbe / uns auf so mancherley Art zu quälen? Wie viel tausend leben in vergnügter Liebe / die nicht halb so viel Unglück /als wir / erlitten: und uns wird keine Ergötzung verstattet. Solte doch die Gedult selber / in so vielfältiger Widerwärtigkeit
Dieses verfärtigte Polyphilus in seinen Gedanken /welche ihm Agapistus mit Willen frey ließe: biß sie bey dem Schloß so unvermutet ankamen / daß sie /sonder Warnchmung einiges Menschen / in den Vorhof einritten. Daselbst ersahe sie der Edelman / den die Königin zu ihnen ins Gefängnus geschicket hatte /und sagte es eilends der Atychintide / welche mit Melopharmis in ihrem Zimmer der Phormena Wiederkunft erwartete. Melopharmis voll Freuden / stunde alsbald auf / und lieffe ihrem Sohn entgegen / der indessen mit seinen Gefärten abgestiegen war. Sie fiele ihm um den Hals / und bezeigte mit tausend Thränen ihre mütterliche Zuneigung: Worauf sie auch den Polyphilus und Agapistus willkomm hieße / von denen sie hinwieder höflich empfangen wurde. Die
Polyphilus / nachdem er mit dem Agapistus in der Atychintide Zimmer getreten / begunte sie / nach abgelegter Ehrerbietung / also anzureden: Durchleuchtigste Königin! wann das überstandene Unglück meiner Gefängnus nicht / mehr eine unbillige Tyranney /als eine verdiente Strafe wäre / solte ich mich billich schämen / mit solchen Lastern vor E. Maj. gerechten Augen zu erscheinen. Allein meine offenbare Unschuld heisset mich behertzt herzu tretten / in der Hoffnung / daß der Reichtum ihrer Gnade / durch ein unverschuldtes Leiden nicht erschöpfet seyn / sondern durch die Tugend des Mitleidens vermehret / ihren unterthänigen Diener vorig-genossener gnädiger Gewogenheit würdigen werde. Es wurde bey der Königin / so wohl durch des Polyphilus Gegenwart / als durch seine Rede / ihre törichte Liebe von neuem entzündet. Daher sie ihn mit halb-verliebten und beschämten Augen ansahe / und etlichmal die Farb veränderte / endlich aber aufs freundlichst ihn also beantwortete: Gebet euch zu frieden / Polyphilus! ich bin eurer Tugend
Als indem auch die Melopharmis mit dem Tycheno ins Zimmer trate / gienge sie ihm entgegen / und sagte: Seit willkommen / mein Sohn! von der harten Reise. Kommet ihr mir doch gar lebhafft vor! was meinet ihr / Melopharmis? mich dünket / er sey indessen grösser und schöner worden? Was wäre es Wunder / Gnädige Frau! (antwortet Melopharmis) weil auch ein Zweig nach dem Messer wächset / und / das Holtz durch den Hobel schöner wird. So müste man /(sagte Atychintide) nach eurer Meynung / auch vom Unglück zunehmen? Aber ihr selbst zeiget das Gegentheil: weil ihr / von bißheriger Betrübnus / nicht stärker worden seyt. Demnach scheinet es / der Landherr müsse sie so herrlich traetirt haben. Ach nein! (sagte Tycheno) mich verlanget nicht mehr nach seiner Küchen. Die Königin fieng an zu lachen / und sagte: warum / mein Sohn! hat er euch dann nicht wohl gehalten? Ja / Gnädigste Königin! (versetzte dieser) nur gar zu wol / sonst würden wir ihm längst entronnen seyn. Sihe da! (erwiderte Atychintide) seyt ihr auf dieser Reise so klug worden / so ist sie nicht vergeblich gewesen.
Unter diesen Worten kam ein Edel-Knab / und berichtete die Ankunft der Phormena: worüber
Wer weiß / (begegnete ihr Polyphilus) ob sie nicht eine liebere Gesellschaft verlassen / als sie hier gefunden? Vor ihn / (sagte Phormena) dürffte sie wol lieber gewesen seyn / aber vor mich schwerlich. Wie so? (fragte Atychintide sehr erschrocken und furchtsam /daß sie ihre Botschaft verrahten möchte) was habt ihr dann für Gesellschaft verlassen / die Polyphilus belieben solte? Meine Baasen / (versetzte Phormena) die er / als Jungfern / ohne Zweifel vielmehr / weder ich /lieben wird. Auf diese Antwort / gab sich die Königin wieder zu frieden. Polyphilus aber sagte / wie sie das glauben könne / da sie doch wisse / daß er keine Jungfer / sondern nur die Witwen liebe? Die Königin liebkoste ihr selbst / mit dieser Erklärung / sagte aber dennoch: Sie könne dieses schwerlich glauben / es
Weil es Zeit zu speisen war / als gabe die Königin diese kurze Antwort: Was man vergessen hat / mein Polyphilus! dessen kan man sich bald wieder erinnern. Damit setzte sie sich zur Tafel / die andern ihr folgen heissend. Unter wärender Malzeit fielen unterschiedliche Gespräche / und muste insonderheit Agapistus / die gantze Handlung ihres Gefängnis / und wie wunderbarlich sie erlediget worden / erzählen: Da dann die Weisen des Richters Ungerechtigkeit bewunderten. Die Königin fragte: Wie sie ihre Zeit im Gefängnis zugebracht hätten? Elend genug / (gab Agapistus zu Antwort) und zwischen Furcht und Hoffnung: Daher ich zu thun hatte / den Polyphilus zu trösten /und dem Tycheno in Gedult zu erhalten. Seyd dann ihr allein so standhafftig geblieben? Fragte Atychintide ferner. Ich ware auch / Gnädigste Königin! (versetzte er) im leidlichsten Zustande / und weder eines Mords beschuldigt / wie Polyphilus / noch des Unglücks so ungewohnt / als Tycheno. Ich habe auch öffters mehr Hertzhafftigkeit sehen lassen / als ich empfunden / und aus einem geängstigten Hertzen /mit frölichem Mund geredet. Das ist schwer / (sagte Atychintide) und muß ich mich in dieser Kunst sehr ungeschickt bekennen. Doch was lehret die Noht nicht / die von vielen
Polyphilus er suchet die Macarie / durch ein Schreiben / ihm eine Besuchung zu erlauben: die ihm solches durch ein Antwort-Schreiben / bewilliget. Ihre. Klage / und Gemüts-Verwirrung. Der Atychintide Gespräche / mit dem Polyphilus: welcher sich krank stellet / und heimlich nach Soletten reitet.
Polyphilus und Agapistus verließen den Tycheno bey seiner Mutter / und giengen gleichfalls mit einander nach ihrem Schlaf-Gemach. Sie hatten dasselbe kaum erreichet / da sagte Polyphilus / was mache ich nun /mein Freund! daß ich zu Macarie komme? mich wegen der Verleumdung zu entschuldigen / und ihr mein Schäfer-Gelübde zu eröffnen? dann hier werde ich nicht lang dauren / weil ich sehe / daß die Königin in ihrer vorigen Torheit fortfähret. Ihr habt ja gesehen / Agapistus! was sie mir diesen Abend vor Blicke verliehen. Pfuy der Laster! die ein solches Alter beflecken! Agapistus lachte / und sagte: Er habe solches wol wargenommen / und wolte ihm selbst nicht rahten / lang da zu bleiben / weil doch seine Gegenwart nur ihre Liebe vermehren würde.
Aller liebstes Hertz!
Nachdem der versöhnte Himmel / sich meiner wieder erbarmet / und mich nach unbilliger Verschliessung /nunmehr in die Freyheit und nach Sophoxenien wieder kehren lassen / befinde ich / daß die gefärliche Nachreden / so ich von Phormena mir Unmut vernommen / zusamt der daher rührenden Furcht / auch andere wichtige Angelegenheiten / welche diesem Papier nicht zu vertrauen / unsere Zusammenkunfft notwendig erfordern: die mich in meiner Angst trösten / und sie / Allerliebste! in ihrem Zweiffel / (vielleicht auch vergeblicher Furcht) aufrichten möchte. Zwar habe ich gestern die nichtige Hoffnung mich bethören / ja verführen lassen / daß ich der widerkehrenden Phormena entgegen geritten / vermeinend / euch / mein Kind anzutreffen: allein / die wiedrige Zeit und das verhasste Unglück / haben meinen verdunkelten Augen den Schein ihres Verlangens entnommen / und dagegen tausend Betrübnis dem Herzen gegeben.
Polyphilus.
Diesen Brief gabe er dem Servetus / mit Befehl / selbigen des andern Tages der Macarie zu überbringen /und / so bald es müglich / mit einer Antwort zurücke zu kommen. Hierauf begabe er sich mit dem Agapistus zu Ruhe. Wiewol er / auch aus Furcht / Macarie möchte ihme die Besuchung versagen / und dem Verleumden gläuben / wenig schlaffen kunte. Daher er /folgenden Morgens / mehr verdüstert / als munter /wieder aufstunde / und selbigen Tag mit der Atychintide verdrießlicher Gesellschafft zubringend / auf der Macarie Antwort begierigst wartete.
Es war aber Servetus sehr früh / und noch im dunkeln / der Morgenröte zuvor kommend / abgelauffen /also daß er mit früher Tagzeit zu Soletten ankame /und die Macarie an einem künstlichen Gewirke arbeitend fande. Er grüste sie demütig / und überreichte ihr / neben einem schönen Gruß / den Brief seines Herrn: welchen sie / nach freundlichem
Mein Polyphilus!
Ob es wol unnötig scheinet / wegen etlicher ungegründten Reden sich zu betrüben / so muß ich doch erfahren / daß euch solche nicht wenig bewegen / so gar / daß ihr deßwegen mir euren Boten sendet: da ich doch ans euren offtmaligen Reden geschlossen / daß ihr euch
Seine gantzergebene Freundin /
Macarie.
So bald Servetus dieses Brieffein erhalten / eilete er damit auf Sophoxenien / die Macarie in zweifelhafften Gedanken und Anschlägen hinterlassend. Dann /wann sie ihres Liebsten Brief durchlase / und seiner so sehnlichen Bitte nachdachte / wurde sie von Liebe und Verlangen so eingenommen / daß sie seiner Ankunft kaum erwarten kunte. Sie klagte die Sonne an /daß sie ihr zu langsam lieffe / und glaubte / daß dieser Tag länger / als sonst zehen wäre. So bald sie sich aber wieder erinnerte / in wieviel Betrübnus sie diese Liebe allbereit gestürzet
Ach Liebe! Liebe! (sagte sie ferner) in was vor Unglück hastu mich schon verleitet? was Hertzenleid habe ich allbereit deinetwegen gefühlet? und wie viel Schmertzen habe ich von der Stunde an empfunden /da ich den Polyphilus zu meinem Verderben gesehen? Warum habe ich dich doch so lang geheget / und begehre dich auch noch jetzt nicht zu verlassen? Ein Kranker suchet doch Artzney / und ein Verwundter das Heil-Pflaster: Aber ich / fliehe die Abwesenheit /als die beste Arzney vor die Liebe / und suche / das Eisen aufs neue in die fast-geheilte Liebes-Wunden zustossen. Ach Macarie! renne doch nicht so muthwillig in dein Verderben! Diß ist der Tag / da du dich / entweder aller dieser Last / welche dich drücket / entladen / auch in die vorige Freyheit und ruhige Einsamkeit dich setzen / oder noch tieffer in die Dienstbarkeit der Liebe versenken kanst. Derowegen ermuntere dein Gemüte / welches durch die Liebe / zu allen
Solche und dergleichen Worte / führte damals Macarie. Aber / ach! wie nichtig sind die Gedanken der Verliebten / und wie vergeblich ihre Anschläge! Ein einiger Blick vom Polyphilus / wird kräfftig genug seyn / allen diesen Vorsatz zu Boden zu reissen. Wir werden sehen / wie sie sich in seiner Gegenwart anstellet / der nun nicht lang mehr aussen bleiben wird. Dann es war inzwischen Servetus in der Sophoxenischen Gegend angekommen / da eben die Königin /nach der Malzeit / mit dem Polyphilus sich an ein Fenster gesteuret hatte / und ihm auf unterschiedliche Art ihre Gewogenheit entdeckte: die er aber alle / sich gantz einfällig und unwissend stellend / abgeleinet.
Mein Polyphilus! (sagte sie) wie freudig stehet nun meine Wonung / nachdem sie den jenigen wieder erlauget / welcher sie vormals aus den Wellen gerissen /und dem Liecht des Himmels wieder gegeben. Ich selbst / die ich / seit eurer unglücklichen Gefängnus /fast erstorben war / empfinde in eurer Gegenwart ein neues Leben. Ach! daß es
Wiewol diese Erbietungen / dem Polyphilus lauter Spieße und Nägel in seinem Hertzen waren / so muste er sich doch anderst stellen / und ihrer Torheit etwas nachgeben. Durchleuchtigste Königin! (sagte er) ich muß freylich bekennen / daß dero gnädige Vorsorge und Gewogenheit gegen E. M. Diener viel grösser sey / als mein Verdienst / und daß ich selbige nicht anderst / als mit tiefstem Dank / zu erwiedern vermöge. Ich verpflichte mich aber auf ewig zu gehorsamsten Diensten / und wünsche hierzu vermögsam erfunden zu werden. Ach mein Polyphilus! (versetzte die Königin) ihr habt noch wenig guten Willen empfangen: ich bin aber bereit / künfftig zu ersetzen / was bißher versäumt worden.
In solchem Gespräche / sahe Polyphilus den Servetus gegen dem Schloß daher kommen: dessen Botschafft er unverlängt zu vernehmen verlangte. Er leitete aber die Atychintide vom Fenster ab / damit sie dessen nicht warnehmen / oder nach seiner Verrichtung fragen möchte. Hiernächst bemühete er sich auf unterschiedliche Weise / von ihr loß zu kommen. Als sie aber immer wieder anfienge zu reden / ward er betrübt und ungedultig / daß er ganz erblassete / und keine Antwort mehr von sich gabe; wodurch die Königin bewogen wurde / zu fragen: ob ihm etwas mangele / daß er sich so
Indem sich dieser ein wenig bedachte / kame Melopharmis ins Zimmer / und fragte / auf Befehl der Königin / wie sich Polyphilus befinde? Gar wol! (versetzte er mit Lachen) wann ich nur auch Mittel wüste / heute zu Macarie zu kommen / um welcher willen ich allein mich krank angestellet. Habt ihr dann Erlaubnus / (fragte Melopharmis) sie zu besuchen? Freylich! antwortete Polyphilus / ihr zugleich den Brief zeigend: und bate er folgends um aller ihrer Freundschafft willen / die sie ihm so offt und sonderlich im Gefängnus versprechen lassen / ihme hierinn hülfliche Hand zu bieten. Hierüm dürffet ihr nicht bitten / (versetzte Melopharmis) weil ich euch zu viel höhern Dingen verbunden bin. Lasset nur Serveten das Pferd voraus führen / und folget ihr fein still hernach / biß ihr zu ihm kommet: so will ich indessen die Atychintide aufhalten / daß sie euch nicht sihet / und bey
Also wünschte ihm Melopharmis Glück zur Reise /mit Bitte / die Macarie zu grüßen / und verfügte sich hierauf wieder zur Königin. Sie berichtete dieselbe /wie daß Polyphilus / nach ihrer Meinung / noch etwas von dem Schrecken und Zorn der Gefängnus empfinde: weßwegen sie ihm Artzney eingegeben / die ihn hoffentlich bald wieder zu recht bringen würde. Atychintide erschrack so sehr über dieser Zeitung / daß sie weder essen noch schlaffen kunte / und Melopharmis gnug zu thun hatte / sie wieder aufzurichten und abzuhalten / daß sie nicht / noch selbigen Abend / ihn zu besuchen gienge. Polyphilus hingegen / hatte alsbald den Servetus mit dem Roß voran geschicket /sich darauf angekleidet / und nach genommenem freundlichen Abschied von Agapistus (welcher ihm tausend Glück bey Macarie wünschte) ganz heimlich sich auf den Weg begeben. Als er wieder zum Servetus gekommen / saß er gleich zu Pferd / und ritte nach der Insul Soletten / mit Freude und Verlangen angefüllet. Unterwegs ergetzte er sich mit der Macarie Brief / den er etlichmal durchlase / und den Servetus öffters fragte / wie sich Macarie erwiesen / und ob er auch ein angenehmer Gast seyn werde? So
Als er nun endlich der Insul genahet / ließe er /damit er nicht erkant würde / sein Pferd durch den Servetus im Wirtshause vor dem Ufer einstellen / und nachmals sich mit ihm übersetzen: da er in einem unbekanten Gasthof die Herberg name. Er hieße den Wirt eine Malzeit zurichten / und fragte ihn / in welcher Gegend Galesio wohne / bey dem er eine Besuchung abzulegen hätte. Als nun der Wirt ihm hiervon Bericht gegeben / befahl er dem Servetus / in dessen Gegenwart / dahin zu gehen / und seine Besuchung anzumelden: der dann / abgeredter massen / zur Macarie gienge / und des Polyphilus Gegenwart ansagte. Nachdem er zur Antwort empfangen / daß sie seiner erwarten wolle / und solches den Polyphilus berichtet / machte der sich alsbald auf / und gienge nach Macarien Wonung
Polyphilus! zu Macarien kommend / wird erstlich hart von ihr angelassen / aber nachmals durch ihre Freundlichkeit ergetzet. Ihr Gespräche. Macarie billigt und bewilligt sein Vorhaben / in den Schäferstand zu tretten. Sein Gespräche / von ihrer beyder Vermälung / mit seinem Wirte. Seine Reimen, über einen Traum von ihr. Seine Klage / und Gespräche mit dem Gegenhall / auf der Ruckreise.
Nachdem Polyphilus an die Thür vor Macarien Wonung gelanget / wurde er von ihrer Dienerin / die auf ihn zu warten bestellet war / gar stille eingelassen /und vor der Macarie Leib-Zimmer begleitet / aus welchem sie ihm entgegen kam / und ihn mehr höflich als verliebt empfinge: wiewol ihr Hertz / von dem ersten Ansehen / eine nicht geringe Bewegung empfande. Er bate um Vergebung / daß er sie zu ungelegner Zeit /und bey dunkler Nacht / besuchen dörfen. Worauf Macarie antwortete: Er hat sich nicht zu entschuldigen / geehrter Polyphilus! weil ich diese Zeit / wegen allerhand gefärlicher Nachreden / selbst erwählet. Die Laster können durch keinen Tag beschönet / und die Tugend durch keine Nacht beflecket werden. Er
Wie sie nun sich zusammen gesetzet / begunte er also zu reden. Die Ursach / Allerschönste Macarie! warum ich diese Besuchung so inständig verlanget /ist diese / daß ich mich / wegen der überstandenen unglückseligen Gefängnus / entschuldigen; auch ihr die Furcht wegen der verleumderischen Nachreden / welche mir Phormena erzehlet / benehmen möchte; und dann das Verlangen / so ich bißher / in vieler Widerwärtigkeit / mit Gedult und Hoffnung unterhalten /durch ihre allersüßeste Gegenwart zu befriedigen. Mit diesen Worten schloße er seinen Arm um sie / sie zu küssen vermeinend. Als aber Macarie sich ihme mit etwas verächtlichen Gebärden entzoge / ward Polyphilus von Schrecken und Scham dermassen eingenommen / daß er sich kaum des Weinens enthalten konte. Er sahe sie mit erbärmlichen Augen an / und vermochte nicht mehr / als diese wenig Worte hervor zu bringen: Ach! mein Hertz! womit habe ich diese Ungunst verschuldet?
Macarie wurde zwar / durch seine klägliche Worte und Gebärden zu Mitleiden beweget; doch verheelte sie solches / und sagte: Mein Polyphilus! es ist noch nicht das erste beantwortet. Was nutzet ein Trunk Salzwasser / als nur den Durst zu vermehren? Er sagte / er sey / seine Gefängnus zu entschuldigen / zu mir gekommen: welches keineswegs vonnöten ist /weil ich seiner Unschuld albereitversichert bin / und dergleichen Laster
Mein Polyphilus! (widerredte Macarie) hierinn beschuldigt ihr mich mit Unrecht: Ich liebe den Eusephilistus nicht / und werde ihn auch nicht lieben; ich will auch deßwegen euch alle Versicherung geben /die ihr selbst fordern werdet. Unbeständigkeit soll man nimmermehr von Macarie erfahren. Allein bedenket doch / Polyphilus! daß unsere Liebe von allen Menschen / und von dem Himmel selbst / gehintert wird. Betrachtet / was Gefahr und Unglück ihr schon deßwegen erlitten / und daß ihr / ohn dieselbe / der glückseeligste von der Welt seyn köntet. Derowegen überwindet eure Begierde / und überlasset mich der sichern und gewohnten Einsamkeit / in welcher ich allezeit eure Gedächtnus ehren / und eure Tugenden /durch meine einfältige Gedichte / erheben werde.
Wie dem Polyphilus / bey diesem Anbringen / zu Mut gewesen / ist nicht wol auszusprechen. Er wuste fast nicht mehr / wer oder wo er wäre / vielweniger /was er antworten solte; biß er endlich / vom Eifer und Ungedult ganz entzündet / in diese Worte heraus brache; Ist das der Schluß / auf welchen ich so lang gewartet? und der Lohn / den alle meine Arbeit verdienet? Ach! du grausamer Himmel / warum hast du mich Armseligen lassen geboren werden / auf den alles Unglück wartet? Und warum hat man mich nicht in der Gefängnis erwürget? so hätte ich diese harte Worte nicht anhören dürffen? Ach! Macarie! soll ich sie verlassen? so muß es durch meinen Tod geschehen / welchen sie bald erfahren soll: weil ich doch keinen andern Dank / vor alle meine Liebe / zu hoffen habe. Es wird mich ja ihre Härtigkeit nicht auch im Grab verfolgen. Aber der gerechte Himmel / welcher alle Unbarmherzigkeit hasset / wird diese Unbilligkeit rächen; und die Sterne / welche mir vielleicht heute das letzte mal geleuchtet / sollen Richter zwischen uns beyden / und Zeugen meiner getreuen Liebe / bleiben.
Hiemit wolte er aufstehen / hinweg zu gehen. Aber Macarie / ganz erschrocken über solcher Bezeigung /zoge ihn zu rück / und fiele ihm um den Hals / sprechend: Wo hinaus / mein Polyphilus!
Nein / mein Hertz! (versetzte Macarie) ich habe / in dem Widerwillen / nicht der Lust / sondern der Vernunft gefolget / welche mich eine so geplagte Liebe fliehen heisset: Aber in dieser Bezeigung / folge ich der Lust und Liebe / vielleicht zu meinem Schaden und Verderben. Jene Bitterkeit / hat eine süße Ruhe geschaffet / aber diese Süßigkeit wird gewiß mit Reue versäuert werden. Dann gedenket doch / mein Hertz! was diese Besuchung / wann sie offenbar wird / vor Grimmigkeit erwecken kan?
Nachdem sie / mit diesen Worten / ihm freundlich die Hand gedrucket / küssete sie Polyphilus nochmals / und sagte: Ach! süße Lust meiner Seele! sie plage sich nicht mit dergleichen Gedanken! der gnädige Himmel / wird für unsere Tugendliche Liebe / ein fröliches Ende ersehen / und alle Widerwärtigkeit / so ihre Beständigkeit geprüfet / wird mit Ergötzung belohnet werden. Ich scheue kein Unglück / so lang sie mich liebet / und schätze einen einigen Kuß von ihrem schönen Munde viel höher / als alles Leiden /das ich bißher empfunden: wiewol auch selbiges nicht von ihrer Liebe / wie sie glaubet / sondern von meinem eignen Verbrechen hergerühret. Und was ist dann diß für ein Verbrechen?
Macarie / welche von diesem Vorschlag einige Hoffnung der Errettung schöpfte / war gleich damit zu frieden / und sagte: Ich habe den Hirtenstand / wann er nicht von der bloßen Einfalt geführet / sondern mit Tugend und Wissenschafft begleitet wird / allezeit hoch gehalten / und bitte / in diesem Fürnehmen fortzufahren / wünsche auch hierzu einen glücklichen Anfang. Allein in dieser Gegend / wird es sich / wegen der Inwohner Feindschaft / nicht wol thun lassen. Ich bin auch hierauf nie bedacht gewesen / (sagte Polyphilus) sondern habe nur ihre Einstimmung gesuchet. Ich will / so bald ich der Königin Bewilligung erhalten / eine gelegene Trifft aussehen / die mich und meine Gesellschafft / samt unsern Heerden / unterhalte / und also mit der allerschönsten Macarie mich endlich zu Ruhe setze.
Vor dißmal (antwortete Macarie) kan es nicht anderst seyn / dann ob ich gleich gern bitten wolte /meine geringe Malzeit zu kosten / so muß ich doch allerley Auslegung / und wohl gar ein Unglück davon besorgen. Es ist einer Ehrliebenden Weibs-Person nicht genug / wann sie des Lasters frey ist / sondern sie muß sich auch des Argwahns befreyen. Wird er mir demnach zu gut halten / daß ich wider meinen Willen / unhöflich seyn muß. Vielleicht wird uns der Himmel desto eher wieder zusammen helffen. Er bemühe sich nur / behutsam zu verfahren / und vergnüge sich mit der Versicherung meiner beständigen Gewogenheit. Damit gab sie ihm noch einen Kuß: welchen Polyphilus mit vielen Seufzen erwiderte. Und / weil er sich nicht länger
Unterwegs erzehlte ihm Servecus / wie ihn die Wirtin gefraget / von wannen sie kämen? und als er geantwortet / von Sophoxenien: hätte sie ferner gefraget: ob er vielleicht dem Polyphilus zugehörte / welcher ihnen die Macarie entführen wolte? Als er solches gelaugnet / und gesagt / wie daß sein Herr keine Frau verlange / sey der Wirt dazu gekommen / und habe sie heissen stillschweigen: sonst würde sie weiter geredt haben. Polyphilus ließe ihm dieses zur guten Nachricht dienen. Und als er in dem Gasthof angelanget /und sich zum Essen gesetzet / hieße er den Wirt bey sich sitzen / und sprachte mit ihm / von unterschiedlichen Sachen.
Letzlich sagte er: Er hätte vom Galesio verstanden / wie daß Eusephilistus mit der berühmten Macarie soll vertrauet werden; und fragte / ob dem also wäre / oder nicht? So viel mir wissend / (gab der Wirt zur Antwort) ist es noch ungewiß: doch hoffen wir /Macarie soll ein solches Glück nicht verachten / auch die Bitte dieser gantzen Insul etwas gelten lassen. Den Polyphilus verdroß diese Rede heimlich; doch sagte er lächlend: Diß wird eine schlechte Zeitung vor den Polyphilus
Also beklagte Polyphilus seinen Irrtum / stunde damit auf / und eilete / weil es schon Tag ware / mit dem Servetus / wieder nach Sophoxenien / um die Melopharmis nicht zu erzürnen. Unterwegs erinnerte er sich der Freundlichkeit seiner Macarie / und ihres süßen Mundes / den er genossen: wiewol solche wieder-gedächtnus nur zu Vermehrung seiner Schmertzen / und zur Vergrösserung seines Verlangens / diente. Freylich (sagte er bey sich selbst) hat die kluge Macarie recht geredt / daß alle Ergötzung der Liebe /durch die geschwinde Verlassung / wieder verbittert werde / und einem Saltzwasser zu vergleichen sey /welches mehr Durst erreget / als stillet. Gleichwie ein erhitzter Kranker / durch starkes Getränke / seinem Durst nicht wehret / sondern nur ihn mehret / und die Leber entzündet: also kan auch ein Verliebter / durch eine kurtze Freundlichkeit / nicht genesen / sondern sehnet sich destomehr nach dem Verlornen / und befindet / daß die Furcht der Verlassung viel unerträglicher
Als er / mit solchen Gedanken / in den Wald kame / und Servetus etwas voraus war / redte er mit der Gegen-schallenden Echo / wie folget.
Atychintide vermisset den Polyphilus: welcher gewarnet / sich wieder einstellet / als wann er nur ausgespaziret wäre. Melopharmis; wie auch über der Tafel mit der Atychintide / von seinem Schäfer-Gelübde: welches diese widerspricht / er aber stark verteidiget / und das von ihr belobte Hof-Leben dargegen ausfilzet. Cosmarite und Chlierarcha / stimmen ihme bey /und Atychintide wi d folgends durch Melopharmis überredet / daß sie darein williget. Abschied der neuen Schäfere von Hof / und Liebes-Gespräche der Königin mit dem Polyphilus. Beschluß dieses Zweyten Buchs.
Eben hatte Polyphilus dieses Echo-Gespräche geendet / und wolte nun voll Hoffnung / nach Sophoxenien eilen: als er den Servetus / neben einem Lakeyen vom Hof / ihm entgegen kommen sahe. Dieser berichtete ihn / wie daß Melopharmis in grossen ängsten stünde / weil die Königin / ungeacht ihres Abwehrens /ihn besuchen wollen / und über seiner Abwesenheit allerhand Argwahn geschöpffet. Agapistus hätte sie glauben gemacht / wie daß er / frische Lufft zu holen /etwas ins Feld gespaziret: womit sie sich zwar gestillet / aber / solches gewisser zu erfahren / stäts am Fenster lige / und seiner Widerkunft erwarte. Um des willen hätte ihm Melopharmis befohlen / ihm entgegen zu lauffen / und ihn zu bitten / daß er / Haß und
Diesem nachzukommen / überreichte Polyphilus /so bald er das Schloß von fern ersehen / sein Pferd dem Diener / und gienge gar langsam fort / gleich /als wann er schwach und matt wäre. Er wurde so bald von der Königin ersehen / und weil er ihr zimlich matt (dann er kunte sich trefflich wohl in den Betrug schicken) vorkam / sendete sie ihm die Melopharmis entgegen / und hieß fragen / wie es mit ihm stünde? Diese aber fragte ihn an stat dessen / was er bey Macarie ausgerichtet? mit Erzehlung des Kummers / in welchen sie seine Abwesenheit / und der Königin Begierde / ihn wieder zu sehen / gestürtzet. Polyphilus sagte: Es wäre ihm leid / daß sie seinetwegen einige Widerwertigkeit empfunden / welches dankbarlich zu erwiedern / er Gelegenheit suchen wolte.
Hierauf nahme er sie mit sich in sein Zimmer /alwo er ihr und dem Agapistus (der ihn freundlich willkomm hieße) alles erzehlte / was sich zwischen ihme und Macarie verlossen / wie er sie anfangs gar verwirrt und ungünstig gefunden / doch lezlich wieder freundlich verlassen / auch so weit gebracht / daß sie in sein Schäfer-Gelübd verwilliget. Weil dann nun nichts mehr fehlet / (beschloße er) als der Königin Erlaubnus / so bitte ich euch inständig / wehrte Melopharmis! daß ihr mir / diese zu erlangen / behülflich seyn wollet: weil ich mir solches / aus erheblichen Ursachen / unwiderrufflich
Wohl / mein Kind! (versetzte Melopharmis) ich will es nicht hintern; und wer weiß / ob ich nicht / in meinem Alter / noch selbst eine Schäferin mit abgebe? Dann ich sihe / daß die Hof-Gunst sehr ungewiß /und viel leichter zu erwerben / als zu erhalten sey. Ich habe die Königliche Gnade bißher mit so vielen gefärlichen und sträflichen Handlungen unterstützet /daß ich fürchte / es möchte ein so geflicktes Gebäu /dereinst unversehens in einen Hauffen fallen / und meine Glückseeligkeit zu grund richten; oder das hohe Alter möchte mich endlich zu Diensten untüchtig machen / sonderlich / wann eine jüngere und geschicktere mir die Schuhe austreten solte. Dann ob gleich Atychintide der Königlichen Hoheit / in äuserlichen Bezeugungen
Als er noch redte / wurden sie sämtlich zur Tafel beruffen. Melopharmis erschracke / da sie hörte / daß es schon Zeit zu speisen wäre / und fürchtete / Atychintide würde wegen ihres Verweilens erzürnet seyn. Derowegen gienge sie geschwind voran / und berichtete die Königin / wie daß Polyphilus sich etwas besser befinde / und wieder zur Tafel kommen wolte. Uber dieser frölichen Zeitung vergaße Atychintide des langes Ausenbleibens / und wurde gantz lustig. Als aber Polyphilus sich eingefunden / und sie merkte /daß er über der Tafel etwas still war (den er dichtete albereit / wie er sein Begehren anbringen wolte) finge sie selber an zu reden / und sagte: Wie gehts / Polyphilus: Warum habt ihr euch ins Feld gewaget? Wisset ihr nicht / daß die Lufft den Kranken schädlich ist? Ich hoffe nicht / Durchleuchtigste Königin! (gab Polyphilus zur Antwort) daß meine Krankheit so gefärlich / daß ihr die Lufft schaden solte / und habe ich vielmehr dadurch Linderung gefunden / die ich gesuchet. Das ist gut! (versetzte die Königin)
Was hat euch dann (fragte Atychintide ferner) zu solchem Gelübde bewogen? Der Befehl des Himmels selber: gab Polyphilus zur Antwort. Dann da wir auf der Reise nach Brunsile begriffen / und schon ein paar Tage geritten waren / begegneten uns allerhand Leute / so wol Manns- als Weibs-Personen / welche von unterschiedlichen Straßen nach einem Ort eileten / und uns / auf Befragen / was sie suchten? berichteten / wie daß vor etlichen Tagen / ein heiliger Einsiedel in selbigem Walde angekommen / welcher einem Menschen all sein Glück und Unglück vorsagen könne. Wir / von der Begierde etwas neues zu hören entzündet / gaben uns in ihre Gesellschafft /und fragten den Einsiedel: Ob unsere Reise glückseelig seyn würde?
Diese Worte / ob sie uns wol erstlich etwas Nachdenken machten / zogen wir doch endlich in ein Gelächter / und ritten fort unsre Straßen: musren aber die Gewißheit derselben / mit unserm Schaden / erfahren /indem wir / noch selbigen Abend / von der streiffenden Rotte angehalten / und so lang im Gefängnus geplaget wurden / biß ich mich erinnerte / daß von der Zeit an / da ich den Schäfer-Orden verlassen / mich das Unglück unaufhörlich verfolget / und auch diese Verschließung durch die Schäfer erreget worden. Demnach gelobte ich / so bald ich der Gefängnus erlassen / wieder in den Hirtenstand zu tretten. Stracks auf dieses Vornehmen / erkente ich die Göttliche Rettung / die durch wunderbare Vorbitte der Schäfer selbiger Gegend / unsere Erledigung ausgewircket / und also die Weissagung des Einsiedels bekräfftiget hat.
Das ist Einbildung! (sagte die Königin) die euch der Fantastische Einsiedel (der vielleicht mehr seinen Orden zu stärken / als aus gründlicher Wissenschafft /geredet) in den Kopf gebracht. Wie schön solte es doch stehen / wann Polyphilus / dessen Ruhm albereit Städte und Länder erfüllet / und noch immer im steigen ist / den edlen Stand der Kunst- und Tugend-Lehre verlassen / und sich
Wer weiß dann / Gnädigste Königin! (fiel ihr Polyphilus / der diese verächtliche Widerrede nicht länger anhören können / in die Rede) ob nicht die Schäfer in solchem Zustande viel glückseeliger
Zu dem / so leben die Schäfer in keiner solchen Einsamkeit / die sie von allen Menschen entfernet: sondern sie wandeln mit ihres gleichen / welches die schönste Gesellschafft und verträulichste Freundschaft gibet. Und ob sie gleich bey den Thieren wohnen / so werden sie doch deßwegen nicht zu Thieren: und solten sie ja etwas von ihrer Hcerde an sich nehmen / so ist es doch löblicher / einem unschuldigen und gedultigen Schafe / als einem grimmigen Löwen /einem blutgierigen Beeren / einem unbendigen Hirschen / einem springenten Hengst / oder einer unflätigen Meerkatzen / (mit welchen Thieren sich große Leute belustigen) gleich werden. Wiewohl auch selbige Thiere ihre Beywohner nicht so wohl
Es wolle auch E. Maj. bedenken / ob die jenige glückseelig seyn können / welche auf das Thun der Dienere / die hinter dem Rücken noch viel lieber aber auf den Kopf tretten / allezeit leise Ohren und ein wachsames Auge haben müssen / und dennoch befinden / daß hundert Augen zu wenig wären / allen Nachstellungen vorzubauen. Viel seeliger ist ein Schäfer / der keinen Feind / auser den Wolf / fürchtet; der keinem höhern dienet / und keiner Dienste des geringern bedarff; der Himmel / Erden und alle Elemente / daraus alles / was köstlich in der Welt / gemacht ist / täglich vor ihm sihet; der / wann er deßwegen dem Himmels-Monarchen mit einem andächtigen Liede danket / ihm viel gefälliger ist / als ein ander /der mit einem künstlichen Thon seine eigne Ehre suchet. Niemand ist dem Himmel angenehm / als der sich mit vielen Tugenden gezieret; und alle Ehre / so man auser dieser suchet / ist vielmehr eine Schande zu nennen. Also sehen nun E.M.
Ihr könnet den Hirten das Wort trefflich reden /(sagte Atychintide) und habt euren Vorsatz so stattlich verteidigt / daß ich bald glauben solte / die Tugend selbst habe ihren herrlichen Thron verlassen /und wolle hinfüro im Schäferstande verehret werden. Was meynet ihr / Cosmarite! welches von uns die rechte Meynung führe? Sie haben beyde recht / Gnädigste Königin! (gab Cosmarite zur Antwort) und können auch beyde wohl vereinigt werden. Es ist unzweiflich wahr / daß der Hirtenstand / ohne die Kunst- und Tugend-Lehre / verächtlich / Weißheit und Tugend aber / ohne Ruhe und Vergnügung / mühselig und gefärlich sey: Daher ein Kunst- und Tugend-liebender / ohne die vergnügte Ruhe der Schäfer / und hingegen ein Schäfer / ohne Kunst und Tugend / mangelhafft bleibet. Wann sie aber beyde vereinigt sind /kan aus solcher glückseeligen Verbündnus / ein vollkommnes Leben geboren werden.
Ihr redet die Warheit / (versetzte Chlirarcha) und ich achte einen weisen und tugendhaften Schäfer billig glückseelig / auch weit höher / als die jenige / welche über andere herrschen / und doch Knechte ihrer eignen Laster sind. Ist schon die Tugend / wie E. Maj. zu schertzen beliebet / keine Schäferin / so lässet sie sich doch öffter und licher in einem Schäfer-Kleid /als im gläntzenden Purpur / antreffen: weil sie in diesem viel mehr / weder in jenem / verfolget wird. Ihr Adel und Hoheit / wird durch solchen schlechten Habit nicht verringert / sondern vielmehr ihr herrlicher Glantz / wie ein Liecht durch
Aber doch (widerredte die Königin) pfleget das Gold / wann es in die Sonne geleget wird / weit heller zu gläntzen / und die Tugend erscheinet in einem güldenen Stück viel prächtiger / als in einem unansehlichen Schäfer-Kleide. Was unvollkommen ist / Durchlenchtigste Königin! (widerlegte Clierarcha) das bedarff einen Zusatz. Was häßlich ist / hat einer zierlichen Decke vonnöten. Die vollkommene Tugend pranget mit ihr selber / und hat nicht Ursach / ihre Herrlichkeit und Ansehen durch einen fremden Glantz zu verstärken: weil man sonst vielmehr das Kleid / als sie selbst bewundern würde. Ihre natürliche Schönheit bedarff keiner Schminke / sondern je blasser sie erscheinet / je liebwürdiger sie sich machet: Demnach halte ich einen tugendhaften Schäfer grösserer Ehre würdig / als einen lasterhaften Großen: und wann er Wissenschaft und Geschicklichkeit mit einem tugendlichen Leben vereinigt / kan seine Glückseeligkeit nicht gungsam beschrieben werden.
Wol! (sagte Polyphilus) so will ich dann diß verschwesterte Paar / der Kunst und Tugend / in den Schäfer-Orden einführen und sehen / ob / nach eurer Verheissung / auch die wahre Glückseeligkeit sich ihnen beygesellen möchte: Wofern Ihr Maj. Befehl nicht meinen Vorsatz und mein Gelübde mich brechen heisset. Wiewol nun die Königin diß Vorhaben gern gehintert hätte / so muste sie doch / weil die beyde Weisen därzu stimmeten / mit einwilligen. Demnach sagte sie zwar mit etwas
Ich wünsche Glück dazu! sagte Atychintide / und stunde damit von der Tafel auf / eher als sonst ihre Gewonheit war: daß also Polyphilus ihren Widerwillen wol erkennen kunte. Und ob er wohl bemühet war / sie wieder zu versöhnen / damit durch ein böses Ende sein guter Anfang nicht verderbet würde: so entzoge sie ihm doch dißmal alle Gelegenheit / und nötigte ihn gleichsam / ihre Beywohnung zu verlassen. Derowegen winkte er der Melopharmis / seine Stelle zu vertretten / er aber verfügte sich mit Agapistus /nach seinem Zimmer: woselbst sie beyde / der Königin törichten Unwillen und unbesonnenes Lieben / bewunderten und beklagten. So bald sich hingegen Atychintide mit Melopharmis allein sahe / sagte sie: Was dünket euch / Melopharmis! von des Polyphilus Entschließung? hat solche eine warhaftige / oder eine angemaßte Ursach? ist ihm etwan mein Hof / oder etwas darinn verdrießlich? Freylich (gedachte Melopharmis) ist ihm etwas darinn verdrießlich! aber sie verheelte es / und gabe zur Antwort: Ich glaube nicht / Gnädigste Königin! daß einiger
Will er dann (fragte die Königin) gantz allein zu Feld wandern? Nein! (versetzte Melopharmis) Agapistus ist auch mit im Gelübde / und / dasern es E. Maj. erlauben / will ich meinen Sohn ihrer Gesellschafft nicht entziehen: weil er den Polyphilus sehr liebet /und ungern wird dahinten bleiben. Ich vermeine auch / es könne ihm nicht schaden / ob er gleich eine zeitlang unter den Hirten lebet / und ihre Gedichte mit anhöret. Dieses Schäfer-Leben wird ihm weniger schaden / als dem Polyphilus / welcher ohne Zweifel hierdurch die Gunst seiner Macarie verlieren wird: weil ich nimmermehr glauben kan / daß sie einen Schäfer lieben / vielweniger selbst eine Schäferin abgeben werde. Nichts hätte die listige Melopharmis vorbringen können / das die Königin mehr bewegt hätte / als diese scheinbare Hoffnung der Trennung Polyphilus von Macarien: weil ihr solches noch einige Vergnügung ihrer heimlichen Liebe zusagte. Sie wurde in einem Augenblick gantz anderst gesinnet /und sagte mit gar feeundlichen Worten: Weil ihr dann ja vermeinet / daß man diß Beginnen
Ich gehe hin / zu verrichten / was E. Maj. befehlen: antwortete Melopharmis / und gienge damit von der Königin in des Polyphilus Zimmer; dem sie ihre glückliche Verrichtung erzählte. Er ward hierüber /mit Agapisto / höchst erfreuet / dankete der Melopharmis hertzlich und bate / sein Glück ferner zu suchen / und wo müglich / bald nachzufolgen / weil es ja dißmal nicht seyn könte. Sie versprache ihnen solches / eilete hierauf / ihre Kleider bestellen zu helffen / damit sie Abschied nehmen kunten / ehe es die Königin wieder gereuen möchte. Sie aber rüsteten sich zum Abzug / und fragte Polyphilus den Agapistus / ob er an Macarie schreiben solte? welcher vermeinte / daß es bässer wäre / wann sie zuvor einen gewissen Ort fünden / und davon zugleich berichten könten: zumal sie sonst auf des Boten Wiederkehr warten müsten / und dadurch an ihrer Reise gehintert werden möchten / der Macarie aber eine schlechte Nachricht ertheilen könten. Also ließe Polyphilus das Schreiben anstehen / und bestellte / was sonst vonnöten war.
Als nun die Kleider verfärtigt waren / und die dreye solche angezogen hatten / giengen sie erstlich zu den beyden Weisen auf ihre Zimmer / gesegneten dieselben / und empfiengen von ihnen viel gute Lehren /zum Reiß-Geschenke. Hierauf kamen sie / auch von der Königin Abschied zu nehmen: welche eben mit Melopharmis im Garten sich befande / und
Durchleuchtigste Königin! (sagte er / nach einer tiefen Reverenz /) Ich nehme hiemit von E. Maj. meinen unterthänigen Abschied / und sage demütigen Dank / nicht allein vor so vielfältige bohe Gnad-Wolthaten / sondern auch vor die gnädige Einwilligung /daß wir unser Hirten-Gelübde vollziehen dörfen: mit der Versicherung / daß wir allezeit dero Vortrefflichkeit bewundern / auch dero preiß-würdigste Tugenden durch unsre Schäfer-Gedichte schuldigst verehren /und der Ewigkeit einverleiben wollen: den Himmel bittend / daß er ferner E. Maj. segnen / Sie und dero Hofsitz vor Gefahr und Unglück mächtig schützen /auch E. Maj. in höchstem Wolstande unaussetzlich erhalten wolle. Habt dank / ihr schönen Schäfere! (gab die Königin zur Antwort) so wol vor eure Zusage / als vor den Glück-Wunsch. Ich wünsche euch hinwiederum / zu eurem Vorhaben / einen gesegneten Fortgang. Leistet / was ihr versprochen / und gedenket unser in euren Hirten-Liedern: Wir wollen gleichfalls eur Gedächtnus hier behalten / dem Himmel
Inzwischen aber die Melopharmis ihren Sohn auch mit vielen Vermahnungen gesegnete / führte die Königin den Polyphilus in die nächste Garten-Hütte / ihme den Tycheno mit mehrern zu befehlen: wiewol sie vielmehr ihre verliebte Begierden noch etwas zu erquicken suchte. Mein Polyphilus! (sagte sie / ihm die Hand druckend) ich befehle euch meinen Sohn / weil er eure Gesellschafft nicht verlassen will: ihr werdet ihn zur Tugend anhalten / und in der Wissenschaft ferner unterrichten. Die Belvhnung / vor solche Bemühung / habt ihr von mir zu forden. Was vor Belohnung / Gnädigste Königin! (gab er zur Antwort) kan der jenige fordern / welcher vorhin alles / was er vermag / und sich selber schuldig ist. Mein höchstes Glück ist / E. Maj. gnädigsten Befehl unterthänigst zu vollziehen / und dadurch einen Ruhm des Gehorsams / keineswegs aber einen Lohn der Arbeit / zu suchen.
Wisset / mein Polyphilus! (fuhr die Königin fort) daß ich euch liebe / und zwar viel höher / als ihr gläubet / oder ich erzählen darff. Derowegen könnet ihr kühnlich fordern / von der jenigen / die euch nichts versagen kan. Was E. Maj. beliebet Liebe zu nennen /(versetzte Polyphilus) ist eine unverdiente Gnade / die ich dem Glück / und nicht
Was solte nun Polyphilus machen? Wolte er nicht alle Gnade verlieren / und vor unhöflich oder verzagt gehalten werden / so muste er sich verliebt stellen /seiner Macarie etwas von ihren Gütern entwenden /und sich damit aus diesem Gefängnus loß kauffen. Demnach ihre Hand ergreifend / näherte er sich ihrem Munde / gabe ihr etliche Küße / und sagte: Weil E. Maj. den Gewalt der Liebe selbst vertheidigen / als hoffe ich / es werde auch diese kühne Bezeigung /welche ich als ein Pfand meines unterthänigen Gehorsams am Abzug hinterlasse / gnädige Vergebung erlangen / und Sie glauben machen / daß ich ihr getreuster Diener sterbe / auch nicht mehr wünsche / als die Gelegenheit / meinen schuldigen Gehorsam dero gnädigsten Befehlen zu widmen.
Kein hungriger Wolf / kan so begierig den Raub ergreiffen / als die unsinnig-verliebte Atychintide
Dieses sagend / gienge sie mit ihm aus der Hütten /und befahle der Melopharmis / diese Abreisende noch etwas zu begleiten. Sie aber bliebe zurücke / und belustigte sich mit Erinnerung des Verbrechens / welches sie billiger bereuen sollen: biß Melopharmis wieder zu rücke kam / und ihre verliebte Einbildung /durch des Polyphilus Ruhm / mächtig verstärkte / also daß sie nicht unterlassen konte / stäts von ihm zu reden / und dadurch dem ganzen Hof / sonderlich aber den beyden Weisen / zu argwähnischen Gedanken Ursach gabe. Sie gienge auch mit diesen täglich in den Tempel des Glückes / und opferte dem Himmel / vor den Wolstand dieser Schäfer: heimlich aber / besuchte sie öffters den Tempel der Liebe / mit höchster Andacht bittend / daß Polyphilus von Macarie abgewendet / und in der Liebe gegen sie gestärket werden möchte. In welcher vergeblichen Arbeit wir sie eine zeitlang lassen / und damit dieses Buch enden / hernach aber den reisenden Schäfern nach eilen wollen.
Die neue Schäfere suchen eine Trifft / und gelangen in die Landschafft Brundois: daselbst sie mit dem Schäfer Cumerus Kundschaft machen. Macarie / ihre Landwohnung besuchend / findet den Polyphilus unversehens im Felde / und bescherzet ihn erstlich /aus einem Gebüsche / mit Antwort-Reimen. Ihr Gespräche / als sie zusammen gelanget. Sie werden /durch den Abend / wieder voneinander geschieden.
Unsre neue Schäfere / nachdem sie von Melopharmis Abschied genommen / und ihr versprochen / so bald sie eine Trifft gefunden / damit sie nach Gelegenheit ihnen folgen könte / ihr davon Nachricht zu
Endlich kame ihnen eine überaus schöne Gegend zu Gesichte / die mit hohen Bergen / anmutigen Thälern / lustigen Hügeln / baumreichen Wäldern / grünenden Matten und lust-rauschenden Bächen / so häufig prangte / daß es schiene / als hätte die Natur alle ihre Kunst daran wenden / und selbige für ein Meisterstück ausarbeiten wollen. Was dunket euch /(sagte Polyphilus zum Agapistus) von dieser lust-reichen Landschaft? Scheinet es doch / als wann hier die Ergötzlichkeit ihre Wohnung / und die Freude ihren Sitz habe. Ach! möchte uns der Himmel so günstig seyn / und uns allhier ein Räumlein / unsere Heerden zu weiden / und unsere Lieder anzustimmen / vergönnen! Wer weiß / (gab Agapistus zur Antwort) ob nicht der Himmel diesen Wunsch allbereit erhöret hat? Dort sehe ich eine Heerde. Wir wollen uns bey dem Hüter erkundigen / was wir dieser Orten zu hoffen haben.
Damit giengen sie sämtlich hinzu / und fanden bey den Schafen einen Knaben / welchen sie fragten:
Polyphilus / nach einem höflichen Gruß / begunte ihn also anzureden: Geehrter Vatter! Gönnet einem Unbekanten / euch mit diesen Namen zu nennen / und zürnet nicht / daß wir euch so kühn ansprechen. Wir sind fremde Schäfer / und haben unser Vatterland aus wichtigen Ursachen verlassen / willens / an andern Orten Nahrung und Herberge zu suchen. Weil uns nun diese Gegend sehr fruchtbar und lustreich vorkommet / so bitten wir um Bericht / ob wir nicht Hoffnung haben / dieses Landes und seiner Inwohner zu genießen? Vernünftige und bescheidene Schäfer! (gab der Alte zur Antwort) das Land / so uns ernehret / und darnach ihr fraget / hat von einem hohen Ort seinen Schutz / und ist freylich von dem gütigen Himmel / mit fruchtharn Wachstum / angenehmer Lust und fetter Weide so überflüssig beschenket / daß es mitrecht ein Lustgarten der Hirten zu nennen ist. Und ob es wol viel Heerden nehret / so ist doch vor mehrere noch Weide übrig. Lasset euch gefallen / in meiner geringen Hütten etliche Tage zu herbergen / und den Augenschein völliger einzunehmen. Dafern ihr alsdann in eurem Vorsatz verharret / und unsere Hirten-Gesellschafft mit eurer wehrten Gegenwart
Die neue Schäfere / durch diese willfärige Antwort nichtwenig erfreuet / dankten dem Alten höchlich / für seine freundliche Erbietungen / und baten / solchem die That zu geben / und sie bald ihrer Gesellschaft einzuverleiben: mit Versprechen / sich jederzeit also zu verhalten / daß ihn dieser ihnen erwiesenen Wolthat nicht reuen solte. Also giengen sie mit ihm in seine Hütten / und wurden von seiner Schäferin Amamphe / die in dem Herbst ihrer Jahre noch zimliche Lieblichkeit sehen ließe / freundlich empfangen und wol bewirtet. Sie erkundigten sich / noch selben Abend / aller Beschaffenheit des Landes / und seine Inwohner: biß die tiefe Nacht sie allerseits hieße zu Ruhe gehen. Polyphilus dankte den Himmel hertzlich / mit seinen Gefärten / daß er ihre Reise so beglücket / und ihrem Schäfer-Orden einen so erwünschten Anfang verliehen hatte.
Folgenden Morgens / als sie mit dem Schäfer Cumerus zu der Heerde aufs Feld spazirten / und noch andere Hirten besuchten / ließ Polyphilus den Agapistus und Tycheno bey den Schäfern / und gieng etwas weiter feld-ein / theils die Gegend eigentlicher zu besehen / theils auch auf Mittel zu gedenken / wie er seiner Macarie von seiner glücklichen Reise Nachricht erth eilen möchte. In solchen
Es hatte inzwischen Macarie / mit sehnlicher Begierde / auf einen Brief von ihrem Polyphilus gewartet. Und wiewol sie / nach seinem Abschied / als die Solettische Inwohner seine Besuchung erfahren / auch bey dem Wirt / bey dem er gespeiset / sich aller seiner geführten Reden erkundiget / viel Unlusts seinetwegen ausstehen müßen: War sie doch nunmehr in der Liebe so bevestiget / und in der Widerwärtigkeit so geübet / daß sie solches nicht halb so sehr / als zu erst / achtete. Doch nahme sie ihr vor / so bald sie von Polyphilus Nachricht erhalten würde / ihn zu erinnern / daß er eine zeitlang die Insul meiden solte. Als sie aber etliche Tage vergeblich auf ein Gruß-Brief lein geharret / wolte ihr endlich die Zeit zu lang werden / und ihr / zu allerhand widerwärtigen Gedanken Anlaß geben.
Weil damals ohne das die Zeit vorhanden war / den Garten-Bau zu bestellen / als machte sie sich auf /und fuhre auf ihr Landgut: alda sie / durch den Gärtner / die Blum-Felder bearbeiten / die Bäume beschneiden / neue Gewächse pflantzen / und alles zu Werk richten ließe / was den lieblichen Früling noch ergötzlicher machen kan. Ehe sie aber von dannen wieder abreisete / spazirte sie / in Liebes-Gedanken von ihrem Polyphilus / weil es ein schöner Tag war /auch sie alda mehr Freyheit als zu Soletten
Sehet nun / wie das Glück mit diesen beyden Verliebten gespielet! wie es sie bald alle seine Grausamkeit empfinden lassen / bald wieder mit unverhoffter Freude beseeliget. Unlängst war Macarie / ihren Polyphilus zu sehen / einen langen Weg gegangen: muste aber / ohne seine Begrüßung / wie nahe er auch gewesen / wieder zurück gehen. Und was soll ich sagen von dem Polyphilus? wie oft war derselbe / sie zu sprechen ausgereiset / und wie selten hat er seinen Wunsch erlanget. Jetzt / da keines das andere suchet /führet sie der Himmel zusammen / daß sie / wider alles ihr Gedenken / erlangen / was sie nimmermehr hoffen konten. Dann / als Macarie sich etwas fern von ihren Lusthause vergangen / ersahe sie / von weiten /einen wolgestal-Schäfer: dessen Gegenwart zu entfliehen / sie sich auf die seite hinter einen Busch begabe /durch welchen sie gleichwol gar eigentlich seine Gestalt sehen konte.
Sie befande alsobald / daß dieser Schäfer ihrem Polyphilus änlich war: worüber sie nicht wenig in Bestürtzung und Nachsinnen geriete. Dann / weil sie ihn niemals in Schäfer-Kleidern gesehen / auch an diesem Ort nichts weniger / als ihn zu finden vermutet / kunte sie keine Gewißheit mit ihren Augen ausnehmen /sondern stunde so lang in ungewißer Freude / biß er selbst ihren Zweifel aufhebte / mit folgendem Liede /welches er / seinen Kummer zu bezeugen / anstimte.
So bald Macarie ihren Namen nennen hörte / wurde sie alles Zweifels befreyet / und mit unglaublicher Freude erfüllet: welche zu vermehren / sie sich etwas tiefer ins Gebüsche begab / und dem Glück / welches sie damals mit Scherzen ergezte / nachzuahmen / auch ihren Polyphilus / mit diesem Gegensatz bescherzte.
Diese lezte Zusage machte den Polyphilus so kühn /daß er alle Gefahr verachtend / behertzt nach dem Busch gienge / um zu erfahren / mit wem er bißher Gespräche gehalten. Er war kaum etliche Schritte gegangen / als er die Macarie / mit freundlichen Gebärden / ihm sahe entgegen kommen: welche
Wie ist es dann müglich / schönstes Kind! (sagte Polyphilus) daß wir uns hier zusammen finden können? bin ich der Insul Soletten so nahe / oder hat sie dieselbe allerdings verlassen? Keines von beeden! (begegnete ihm Macarie) sondern der Himmel hat uns heut sonderlich wohl gewolt / und die Augen finden lassen / was bloß die Gedanken gesuchet. Hier in der nähe liget mein Landgut / auf welches ich mich dieser Tagen / notwendiger Geschäften halber / begeben /vor meiner Wieder-Abreise aber / noch einen Spazirgang / in eurer Gedächtnus / verrichten wollen. Also habe ich nun einen so schönen Schäfer gefunden / den ich gleich für den Polyphilus hielte / auch darum näher herzu trate / die Gewißheit meiner Gedanken /aus seinen eingen Munde zu holen. So sey dann der Himmel mit höchstem Lob gepriesen / (versetzte Polyphilus) der mein Schäfer-Gelübde auf so unterschiedliche Weise beglücket / und durch solche Beglückung billiget: Alles / was ich in demselben
Hierauf ließen sie sich beyde auf das grüne Graß nieder / und fieng Polyphilus an nach der länge zu erzehlen / mit was großer Mühe er sich von der Königin loßgerissen / und wie ungern sie in seinen Abzug gewilliget; wie freundlich hingegen der Schäfer Cumerus sie aufgenommen / und ihnen nicht allein Feld und Heerde / sondern auch Schutz von der Obrigkeit / zugesagt hätte. Dieses alles ihr durch ein Brieflein zu berichten / hätte er in diesem Spazir-Weg auf Mittel gesonnen / selbige auch so unverhofft erhalten / daß er nun keiner Feder mehr vonnöten habe / und dem gütigen Himmel nicht gnugsamer zu danken wisse. Uber dieser Nachricht ward Macarie höchst erfreuet /und wünschte Polyphilus tausend Glückseeligkeiten in seinem Hirtenstande: mit Bitte / desselben völlige Antrettung zu beschleunigen / auch / weil sie dißmal nicht länger bey ihm bleiben könte / ihr seinen Zustand durch einen Brief kunt zu machen / welchen der Gärtner-Junge allezeit nach Soletten tragen / und ihme
Als sie hierauf warnahme / daß es Zeit wäre / nach Soletten wieder abzufahren / stunde sie auf / von Polyphilus Abschied zu nehmen / und wiewol er sie /noch ein wenig zu verharren / inständig bate / entschuldigte sie sich doch mit der Unmüglichkeit / und mit der Notwendigkeit ihrer Heimreise. Demnach schloße er sie nochmals in die Arme / und bate sie /mit vielen Küssen / auch tiefen Seufzen / in der Liebe beständig zu verbleiben: welches sie ihm versprache /und / die Gunst des Glückes nicht zu mißbrauchen /nach einen freundlichen Kuß / von ihm schiede. Sie ward von seinen betrübten Augen / weil sie ihn selber vor dißmal nicht zum Gefärten dulten dorfte / so lang begleitet / biß sie ihm aus dem Gesicht kam / und ihme also Ursach gabe / zu seinen Schäfern wieder zu kehren: inzwischen auch sie / noch selbigen Abend /in verliebten Gedanken zu Soletten wieder angelanget.
Polyphilus / sein Glück nicht ertragen könnend / läst sich vom Agapistus bereden / an Macarien wahrer Liebe zu zweifeln. Er schreibet ihr demnach später /als er versprochen / und beklaget den Verzug Agapistus / den er erbittet / nach Sofoxonien zu reisen.
Die Liebe und der Reichtum / sind niemals ohne Sorge: und solte uns gleich der Himmel Geld und Güter mit Verschwendung zuwerffen / und unsere Geliebte in die Schoß und Arme legen / so würden wir doch nicht vergnügt seyn / und uns zum wenigsten mit der Sorge plagen / wie solche herrliche Schätze zu erhalten seyen. Den Augenschein dessen sehen wir an unserm Polyphilus / der mitten in der Glückseeligkeit unseelig / und bey Uberfluß der Liebe immer nach Liebe verlangig ware. Es gieng ihm / wie einem Reisenden / der von fern eines stück Goldes gewar wird /und mit ängstiger Freude nach demselben eilet / damit ihm keiner von seinen Gefärten vorkomme; wann er aber solches erlanget / erst anhebt zu zweiffeln / ob es auch warhaftig Gold / oder nur ein vermischtes Metall sey / und dannenhero nach dem Feur lauffet / selbiges zu prüfen. Also war auch Polyphilus erstlich nur bemühet / die Liebe Macarien (deren Tugenden er bewundert) zu erlangen / ehe ein ander ihr Hertz einnehme: Nun sie ihm aber so theure Zeichen ihrer Liebe gegeben / daß er über keinen Mangel zu klagen hatte /fänget er auch an zu zweiffeln / ob er solche vor eine aufrichtige Liebe / oder für scheinbare Verstellung halten solte / und suchet ihre Gewogenheit / durch so gefährliche
Der Grund dieses Mißtrauens / und das erste Holtz zu diesem Brand / ward vom Agapistus geleget. Dann als Polyphilus / nach dem freundlichen Abschied von seiner Macarie / mit frölichen Gemüte wieder zu seinen Schäfern gekommen / und dem Agapistus in geheim / die glückseelige Findung seiner geliebten Macarie / und deren freundliche Bezeigungen / eröffnet /konte sich dieser / eine so schnelle Veränderung in Macarien Gemüte nicht warhaftig einbilden / und sagte demnach zum Polyphilus: Ich freue mich zwar sehr / mein Freund / daß ihr endlich den Zweck ereichet / nach welchem ihr so mühsam gestrebet / und der Gunst eurer Macarien nun gäntzlich versichert seyt. Weil aber ihre eigene Worte gegen mir / zusamt ihren Briefen gegen euch / so gar das Wiederspiel zeigen / werdet ihr mir zu gut halten / wann ich noch einigen Zweiffel von ihrer beständigen Gewogenheit hege. Ein ungeläutertes Silber / und eine ungeprüfte Liebe / bleiben allezeit verdächtig. Viele lieben im Glück / die im Unglück hassen. Vielleicht wird sie /durch eure Liebe / zur Gegenliebe genötiget / nur daß sie die Undanckbarkeit fliehe? Und vielleicht würde sie / bey eurem Widerwillen / wann er auch nur gering schiene / alle Liebe fallen lassen?
Polyphilus / ob er wohl viel höhere Gedanken von seiner Macarie führte / ließe sich doch durch diesen Einwurff zu einer kleinen Probe verleiten: nicht so sehr / seine Gewißheit zu stärcken / als dem Agapistus seiner Liebsten Beständigkeit zu zeigen.
Mein Hertz!
Wann ich / die Saumseeligkeit dieses Grusses / dem Versprechen / das ich bey unsern Abschied gethan /entgegen halte / solt ich wohl selber meinen Fehler mehr anklagen / als entschuldigen. Habe ich denn ihrer so lang vergessen / und die Bitterkeit meines Abwesens / die sich sonderlich der Zeit am meisten häuffet / wann wir unser Verlangen verlassen müssen / unbeklagt verschweigen können? Oder hat mich / die schuldige Pflicht / meiner Zusage nicht erinnert / der Jenigen zu gehorsames / die mir / die angenehme Verstrickung meiner Freyheit / mit widerwertiger Bitterkeit lösen könte? Wie hab ich doch meiner vergessen / indem ich die jenige eine so geraume Zeit nicht begrüsset / ohne deren Erinnerung mein Hertz nichts ersinnen oder denken kan? Sind die äusserliche Zeichen eine Ursach der Verhinderung / und der Beweiß einer innerlichen Vergessenheit: so wird mich in Warheit diß langsame Brieflein mehr verdammen / als entschuldigen. Aber ungerechter Brief! warum hast du auf meinen Verlaub so lang gewartet? du hättest ohne meinen Befehl abreisen
Ihren ewig getreuen
Polyphilus.
Ehe Macarie diß Schreiben erhielte / war sie mit tausend Gedanken umgeben / und wuste nicht / wem sie die Verhinterung des Gruß-Briefleins / welches ihr Polyphilus so eiffrig versprochen / zuschreiben solte. Bey den Gärtner hatte sie alles wohl bestellet. So kunde sie auch an dem Willen ihres Liebsten / dem sie allezeit so willfährig befunden / nicht zweiffeln. Demnach quälete sie sich / mit Besorgung einer Kranckheit / oder eines noch grösseren Unglücks / so dem Polyphilus möchte zugestossen seyn / dadurch er an seinem Versprechen gehindert würde. Aber allzu sichere Macarie! es ist keines von beyden: sondern Polyphilus will / bey Gesundheit / nicht an dich schreiben / und im Glücke deiner nicht achten. Bißher hat er / die Sorge üm Gegenliebe / allein empfunden: Aber nun will er dich auch zur Qual-genossin haben. Hat er eine Zeitlang um deiner Liebe willen gelitten /so fürchte ich / du werdest solches Leiden nun eben so häfftig fühlen müssen. Dann dieses ist nur der Anfang deines künfftigen Unglücks / und auf dißmahl werden nur die Seiten gestimmet / welche dir nachmals einen traurigen Thon vorspielen sollen. Darum ist es kein Wunder / daß du dich verwunderst / weil es wider deine Gedanken lauffet. Derowegen du auch so bald gläubest / wann sich Polyphilus entschuldiget /und nicht merken wilt / daß dergleichen Proben noch mehr gesponnen werden
Dißmahl wurde die Furcht durch die Freude verjaget / so bald sie des Polyphilus Brief von dem Jungen empfangen: Wiewohl dessen Inhalt / und die mehr höffliche / als gültige Entschuldigung seines Stillschweigens / ihr etwas Nachdenken verursachte / und sie eine freundliche Straffe / durch nachfolgendes Brieflein / an ihm absenden machte.
Ruhm-würdigster Schäfer.
Sein langes und gantz befremdliches Stillschweigen /hat / wie leicht zu vermuthen / meinen Sedanken allerhand Sachen / und endlich die vergebliche Hoffnung vorgestellet / es würde meine / so oft wiederholte /wohlmeinende Erinnerung / dißmahl ihren erwünschten Zweck erreichet / und sein Gemüte / durch Befreyung von einer ungegründeten Liebe / glückseelig gemacht haben. Aber sein Brieflein bemühet sich / das Gegentheil zu erweisen / und mit vielerley Verrichtungen seine Vergessenheit zu entschuldigen: welche er doch weit sicherer / mit meiner Unwürdigkeit hätte vertheidigen können Dann wie wäre es müglich / daß einiges Nachsinnen / die Gedanken so gar fassen könte / daß sie nicht zuweilen ausschreiten / und sich ihres freywilligen Versprechens erinnern solten? Oder / wie könten der Geschäffte so viel seyn / daß sie zu Ausfertigung eines kleinen Briefleins / innerhalb vierzehen Tage / nicht ein einiges halbes Stündlein übrig lassen? In Warheit /
Diß Gedicht schlosse Macarie in vorgesetzten Brief /und schickte damit den Gärtner-Jungen an den Polyphilus. Weil sie aber auch andere Notwendigkeit in ihrem Lusthause zu bestellen hatte / gabe sie ihre Dienerin zur Gefärtin mit. Als diese beyde dahin gekommen / fanden sie den Poliphilus allbereit ihrer wartend: Dann es hatte ihm sein Gewissen / das Verbrechen seines Stillschweigens / so sträfflich vorgemahlet / daß er entweder gar keine / oder doch eine harte Antwort / von Macarien besorgte / und aus ängstiger Furcht nimmer bey den Hirten bleiben kunde / biß er von seiner Liebsten Vergebung erhalten. Darum gienge er nach ihren Handgut / in Hoffnung / eine Antwort bey dem Jungen zu fordern. Als er nun solche bekommen / ward er so vergnügt / daß er nicht wuste / ob er zu erst seinen Zweiffel verdammen / oder seiner Macarie Treu erheben solte. Er durchlase den Brief /samt dem Gedicht / mit solcher Freude / daß es schiene / ob würden seine Geister von neuen gebohren. Weil er durch ihre Dienerin Gelegenheit hatte / wieder zu antworten / als wolte er / seine Danckbarkeit sehen zu lassen / solche
Allerliebste!
Wie die Gewalt ihres beredsamen Mundes meine ungelehrte Feder allemahl weit übersteiget / also gehet auch der Reichtum ihrer Tugenden meiner Unvollkommenheit so weit vor / daß ich in dero heimlichen Bekriegungen meine Vermessenheit besiegt erkennen / und bey gerechter Entschuldigung mich gleichwol selber eines Verbrechens beschuldigen muß. Was will sie aber / liebes Kind! vor eine Bekentnüs annehmen? Als Richterin beschliest sie die Befreyung von einer ungegründeten Liebe / deren ich aber die geschlossene Fessel / mit welchen mein Hertz / als der Sitz solcher Freyheit / bestricket ist / entgegen halte. Soll ich nun / mein Verbrechen mit einer Unwürdigkeit vertheidigen / so befihlt mir ihre Höfligkeit ein anders: Deren zu gehorsamen / ich mich aber viel zu unwürdig schätze / nemlich in die Hände der Würde selber mich einzuschliessen / da mich die schreckende Furcht in ein Still-seyn verleitet. Wird aber der Schluß ihre Schönheit und Tugend betreffen / will ich viel sicherer meine Saumseligkeit / und mit derselben mein Verbrechen / auch die Vermessenheit / so mich /ihrem Beschuldigung nach / zu einer ungültigen Entschuldigung bereden dürffen / ihrem beliebenden Urtheil zu bestraffen darstellen. Ich sehe
Als nun Polyphilus / der Magd den Brief eingehändigt / mit Bitte / solchen Macarien / neben einem gehorsamen Gruß / von ihme zu überliefern / verfügte er sich / mit frölichem Gemüte / wider zu seinen Schäfern. Agapistus gieng ihm entgegen / und sagte: willkomm / Polyphilus! Ihr habt gewiß gute Antwort bekommen: mich dünckt / ich soll es an eurer Stirn lesen. Freylich / mein Freund! (gab Polyphilus zur Antwort /) ich weiß nicht / ob ich euren Argwahn verklagen / oder meine Leichtgläubigkeit verdammen soll / wann ich meiner Macarie Beständigkeit betrachte. Hier leset / Agapistus! was ihr nicht gläuben kundet / und zweiffelt hinfüro nicht mehr / an deren Tugend / die keine ihres gleichen findet. Damit übergab er ihm den Brief Macarie / welchen Agapistus durchlase / und dem Polyphilus wieder zustellte / sprachend: Warumb wollet ihr meinen Zweiffel / und die daraus entsprungene Liebes-Probe / verdammen / da sie euch doch / die süsse Versicherung von eurer Macarie Treu / zurück gebracht? Wollet ihr eine schöne Blume deßwegen verachten / weil sie aus einer schwartzen Zwiffel hervor
Dieses kan bald geschehen! (sagte Agapistus) allein es wird nötig seyn / daß wir zuvor die Melopharmis unsern Zustand wissen lassen: damit nicht die Mütterliche Liebe gegen ihren Sohn / uns in Ungnade bey der Königin / und in andere Ungelegenheit stürtze. Das ist wohl erinnert! (sagte Polyphilus) Aber wie bringen wir einen Brief dahin / weil niemand unter den Hirten den Weg weiß? Mit Briefen (er wieder Agapistus) ists bedenklich / wegen allerhand Ursachen. Wir wollen selber eine Reise zu ihnen thun. Polyphilus zukte die Achsel / und sagte: Nach Sophoxenien komme ich nicht. Ihr wisset / was ich daselbst vor Feinde hab: Soll ich wider neu Holtz zu den verdrießlichen Feuer legen / welches in meiner Abwesenheit fast wird erloschen seyn? So will ich allein dahin / (sagte Agapistus) und ihnen von unserm Leben Nachricht ertheilen: Wann ihr so gutwillig seyn wollet / (versetzte Polyphilus) hätte ich große Ursache zu danken. Ich thue es gar gern: (antwortete Agapistus) morgen mit dem frühsten will ich mich aufmachen.
Unter diesem Gespräche kamen sie wieder zu den Schäfern: Und weil sie sahen / daß das Auge der Welt begunte schläfferig zu werden / trieben sie die
Agapistus / nachdem er unterwegs zu Soletten die Macarie gesprochen / kommt nach Sophoxenien /und berichtet von ihrem neuen Schäfer-Leben. Er wird daselbst aufgehalten / und schreibt an den Polyphilus. Dieser Taliypsidawus / und empfihlet ihm ein Schreiben an die Macarie. Als er auch den dritten Brief hernach gesendet / erfolget auf alle dreye ihre Antwort.
Agapistus ließe ihm seine Reise so angelegen seyn /daß er in etlichen Stunden nach Soletten kam / und die Macarie gantz allein fande: dann die Magd noch nicht von dem Garten-Hauß / heim gekommen war. Er grüßte sie freundlich / und als er warname / das sie sich über seiner unvermuteten Ankunft etwas entsetzte / sagte er: Ich wäre nicht so kühn / hochwehrte Macarie! ihre beliebte Einsamkeit durch meine verdrießliche Gegenwart zu zerstören / wann ich nicht gläubte / daß des Polyphilus Befehl / diese Vermessenheit entschuldigen werde. Selbiger lässet einen schönen Gruß durch mich vermelden / und lebet in der Hoffnung / die schönste Macarie werde erwünschter Glückseeligkeit geniessen / und seinen Gedächtnüs einigen Raum in ihren Hertzen gönnen. Ich bedancke mich freundlich / (gab Macarie / die sich indessen wieder erholet / zur Antwort /) daß er / Kunst-Edler Schäfer! meine Einsamkeit seiner Besuchung würdigen wollen. Und weil mich Polyphilus durch ihn begrüsset / bitte ich / er wolle ein kleins den Sitz nehmen / auch seine Freundlichkeit und meine Schuld grösser zu machen / mich berichten / wie dem Polyphilus der Schäfer-Orden gefalle / und ob er darinn sich vergnügter / als im Hof-Leben / befinde.
Ich hoffe ja nicht / (antwortete Agapistus) daß dieser harte Befehl im Hertzen einen Grund haben soll /schönste Macarie! sonsten würde ich gezwungen /solchen von mir zu schieben. Ich habe zwar ihren vorigen Befehl (wie unbillig er auch meinen Gedanken vorgekommen) gehorsamet / und dem Polyphilus von ihrer Liebe abgerathen: Er aber / der die Vollkommenheit ihrer Würde besser betrachtet / ward durch meine leichte Beredungen mehr erzürnet / als geändert / und wuste meinen baufälligen Gründen / mit so daurhaftiger Stärke zu begegnen / daß ich endlich gewonnen geben / und
Ich bitte aber / (fuhre sie fort /) damit wir auf andere Gespräche kommen / mich zu verständigen / durch welche Gelegenheit man heute nach Soletten kommen? Ich reise nach Sophoxenien / (sagte Agapistus) der Königin und Melopharmis unsern Zustand bewust zu machen: Aber auf des Polyphilus Bitte habe ich diesen Weg erwehlet / seinem unruhigen Verlangen /von ihren schönen Händen etwan vor ihn ein Gruß-Brieflein auszubitten / ein Genügen zu thun / worum ich dann hiemit schönst will gebeten haben. Macarie /welche noch Antwort auf das vorige erwartete / bewunderte / daß Agapistus um einen Brief ansuchte /truge aber doch Bedenken / deßwegen zu fragen / und sagte: Sie habe dißmahl nichtes zu schreiben / würde auch er sich so lang nicht aufzuhalten haben / weil noch ein ziemlicher Weg nach Sophoxenien wäre. Sie bäte demnach / er möchte dißmahl dem Polyphilus /neben einem schönen Gruß von ihr / viel gutes sagen: und wolte sie mit nächsten ein Brieflein folgen lassen. Mit dieser Antwort / muste nun Agapistus sich abfärtigen lassen: Der darauf / nach genommenem Abschied
Sie sassen eben zur Tafel / als er seine Ankunft der Königin ansagen ließe. Diese Unseelige / hatte / seit ihres Abwesens / alle die Marter gefühlet / welche eine heimliche und verbottene Liebe kan zu empfinden geben / und wurde von ihren Lastern schmertzlich gefoltert. Von aussen zwar schiene sie eine glückseelige Königin / in ihren Gemüt aber / war sie eine gefässelte Sclavin der Wollust / und vermochte / mit allem dem Uberfluß ihrer Schätze und Reichtümer /den Mangel und die Dürfftigkeit / welche sie quälte /nicht abzuwenden. Sie dorfte niemand ihre Wunden eröffnen / weil sie wuste / daß sie von lauter Schande eiterten / auch daß ihr hoher Stand und herannahendes Alter / durch eine so sträfliche Liebe / nicht wenig befleckt würde / und daß sie kein Oel / sondern eitel scharffe Artznei / zu gewarten hätte. Also verheelte sie ihre Krankheit / und linderte ihren Schmertzen mit der betrüglichen Hoffnung / den Polyphilus wieder zu sehen. Sie ward aber letzlich in solchem warten ungedultig / da sie auch die Melopharmis / in der Sorge vor ihren Sohn / zur Gesellin bekommen wolte: daß es also Zeit war / diesem Unheil vorzukommen / und Agapistus gar gewünscht ankame.
So bald Atychintide / seine Ankunft vernommen /ließe sie ihn ungeseumt vor sich fordern / da er dann /nach abgelegter Reverentz / sie also anredete: Durchleuchtigste Königin! das gesetze der Dankbarkeit / zu welchem E. Maj. so viel erwiesene Gnaden und Wolthaten / uns verpflichtet / hat
Die Königin / so noch immer in der Hoffnung gewesen / Polyphilus solte einen Eckel über dem Hirten-Orden bekommen / und wider nach Hofe verlangen /wurde durch diese Nachricht in solchen Schrecken gesetzt / daß sie fast nicht zu antworten wuste. Doch suchte sie solches zu verbergen / und sprach: Wir hören gern / Ruhm-würdiger Schäffer! daß ihr euch /mit euren Gesellschafftern / in erwünschtem Zustande befindet / und uns solches / durch eure Besuchung /habt eröffnen wollen: Aber wie kommt es / daß sie euch allein abgesendet? Ist dem Polyphilus das Haus seiner Errettung so verdrießlich / daß er es nicht mehr sehen und besuchen mag? Agapistus hatte sich schon auf diese Frage gefast gemacht / und gab zur Antwort: Ach nein! Durchleuchtigste Königin! die Ursach seines Ausbleibens / ist die Hoffnung der Besuchung Melopharmis / die sie bey unserer Abreise uns gemacht hat / welche er / durch diese Reise / und wann
Wolan dann! (versetzte Atychintide / die hiedurch wieder eine Zuversicht bekommen) so last uns diese Besuchung befördern! rüstet euch / Melopharmis! und reiset mit Agapistus zu eurem Sohn: wir wollen euch Phormena zur Gefärtin geben. Dafern es E. Maj. befehlen / (sagte Melopharmis /) habe ich Ursach zu gehorsamen / und vor die gnädige Erlaubnüs zu danken. Wir sehen es gar gern / (begegnete ihr die Königin) wann nur Phormena bald zurücke käme. Doch / es wird Agapistus nicht von uns eilen. Ich habe zwar (gab dieser zur Antwort) dem Polyphilus versprochen / morgen wieder bey ihm zu seyn / fürchte auch /es möchte ihm / mein Verzug / sorgliche Gedanken eines zugestandenen Unglücks vorstellen. Doch will E. Maj. gnädigen Befehl / ich mich keines Wegs entzihen. Was ihr / (sagte Atychintide) wegen des Polyphilus befürchtet / kan durch ein Brieflein abgewendet werden: ich will indessen die Phormena durch einen Lackeyen abholen lassen. Mit diesem Vorschlag war Agapistus zu frieden / und weil man eben frische Speisen auftrug / setzte er sich / auf der Königin Befehl / zur Tafel / und hatte unter Essens / mit ihr / und den beyden Weissen / allerhand Gespräche. Er muste auch alles / was sich auf ihrer Reise begeben / und wie sie von den Schäfern aufgenommen worden / erzehlen: Biß die Zeit den Schlaff ankündete / und sie sich zu Ruhe begaben.
Am Morgen schriebe Agapistus an den Polyphilus /und befahle dem Servetus / nachdem er
Treugeliebter Freund!
Weil ich / auf Befehl der Königin / etliche Tage hier verziehen muß / und leicht mutmasse / daß mein Aussenbleiben euch allerhand Nachdenken machen wird / als habe ich solchem mit diesem Brieflein begegnen / und zugleich berichten wollen / daß ich von Macarie zwar einen schönen Gruß / aber keinen Brief (wie eiffrig ich mich auch darum bemühet) erlanget. Die Ursach ist mir unwissend / und wird sie es vielleicht euch entdecken. Sie hat sonsten viel von euch geredt / und gefraget / welches ich bey unserer Zusammenkunfft eröffnen werde. Wohin ich auch meine hiesige Verrichtung spare / indessen aber bitte / gewogen zu bleiben / Eurem
getreuen Diener und Weid-Genossen
Agapistus.
Polyphilus ward über diesen Bericht etwas traurig /behielte den Servetus selbige Nacht bey sich / und suchte durch dessen Geschwätze seinen Kummer zu lindern. Dann er muste ihm alles / was sich nach seiner Abreise im Schloß zugetragen /
So bald der Tag wieder angebrochen / machte sich Servetus auf / zur Rückreise. Polyphilus kunde ihm /wegen verwirrter Gedancken / keinen Brief mit geben / sondern befohle / Agapisten zu grüssen / auch ihme getreu zu seyn / und was er von ihm oder Macarien widriges hören würde / ihm kund zu machen. Nach seiner Abreise / bliebe er in kummerhafften Gedanken / welche zu vertreiben / er einen Spazirgang wehlte. In solchem fragte er bey sich nach der Ursache / so Macarien von seiner Begrüssung abgehalten /und könte doch keine ersinnen. Dann daß sie seinen Brief nicht erhalten haben solte / wuste er nicht zu mutmassen. In diesen Gedanken / gelangte er in einen Wald / und suchte / nach seiner Gewonheit / bey den Gegenhall / die Endung seines Zweiffels / mit dieser Ansprache:
In solchen Gedanken / kehrte er voll Traurigkeit wider zurücke / und sahe indem jemanden gegen sich kommen: welchen er bald vor den Talypsidamus erkante. Die unverhoffte Freude über dieser Begegnung seines Freundes / durch welche das Gewölke seiner Traurigkeit / wie die Nacht von der Morgenröte / verjaget wurde / erfüllte ihn dermassen / daß er mit grosser Begierde auf ihn zu lieffe / ihm um den Hals fiele /und mit lauter Stimme rieffe: O ich Glückseeliger mitten in der Widerwertigkeit / nun ich denjenigen vor mir sehe / der den ersten Stein / zu dem Bau meines Glückes gelegt / auch nicht aufhören wird / zu arbeiten / biß er / allen Neidern zu Trutz / die Spitze gesetzet. Talypsidamus / über dieser befremdlichen Bezeigung gantz erstaunet / sagte: Ich weiß nicht / Leutseliger Schäfer! womit ein Unbekanter diese Freundlichkeit um euch verdienet. Wie? unbekant? (fiele ihm Polyphilus in die Rede) kennet Talypsidamus seinen Polyphilus nimmer? Ist der arme Schäfer den Augen seines Freundes so vergessen worden?
Das wolte ich auch gern abgeben / (antwortete Polyphilus /) aber wo nehme ich hier / was zum Schreiben gehöret. Und ich zweiffele / ob er etwasaufzuhalten sey. Hier habe ich Feder und Dinte / (sagte Talypsidamus) hättet ihr nur Pappier
Allerliebstes Hertz!
Wie kan ich doch einige Gelegenheit vorbey lassen /die mich / mein Verlangen durch dero süssestes Andenken zu befriedigen / beglücket. Zwar solte meine Vermessenheit billig scheu tragen / ihre Gedult und gewohnte Ruhe mit solcher Unhöflichkeit zu verherben: Allein das Verbrechen meiner jüngstes Saumseligkeit / will die Verbesserung ihrer Schuld damit desto kräfftiger erweisen / daß es nicht nur gedoppelte Bezahlung bringet / sondern auch sich gleiches Rechts zu bedienen suchet / dessen sich ihre Anklage vordessen gegen meiner Vergessenheit gebrauchet /da man mir die wenige Verweilung des gebührenden Grusses so verbrechbar ausgeleget. Ich zwar / der ich ihrer lobwürdigsten Güte müglichst zu folgen mich bemühe / bin zu frieden / weil ich weiß / daß dennoch meine Macarie von mir reden / und an mich denken wollen Aber Agapistus / der getreue Botschafter des Polyphilus / befindet sich / durch solche Verweigerung / seines Amts entsetzet / als welches / nicht mündlich / sondern schrifftlich
der ewig-getreue
Polyphilus.
Als Talypsidamus diesen Brief erhalten / nam er Abschied vom Polyphilus / weil er noch selbigen Tag zu Soletten seyn muste / und versprache / allen Fleiß anzuwenden / um die Inwohner zu begütigen / und Macarien zu den Schäfern zu bringen. Polyphilus bedankte sich höchlich wegen solches anerbietens /wünschte ihm Glück zur Reise und Verrichtung / und kam hierauf mit etwas frölichern Gemüte wieder zu ben Hirten: sehnlich wartende /
Allerliebste!
Ob wol / die straffbare Verweigerung ihrer so oft begehrten Brieflein / zu gleichmässigem Verbrechen mich verführen könte: so widerstrebet doch allemal der getreue Dienst / womit ich seithero einer aufrichtigen Liebe mich ergeben / dem unbilligen Vornehmen / und ermahnet mich / ihre Vergessenheit vielmehr mit meiner oftmahligen Begrüssung zu verbessern / als in ihren Verbrechen zu stärcken. Ich sehe doch wol / daß ich den Vorgang in diesem Spiel zum Gewinn übrig behalte / möchte also wünschen / daß die folge demselben allerdings gleichte / und ich nicht Ursach bekäme / den erwehlten Dienst mit Widerwillen aufzugeben / in dem ich erfahre / das keine Bemühung so unangenehm / als die / so ohn Entgelt verachtet wird. Will sie nun / liebes Hertz! ihre verzuckerte Worte / von dem Gifft der Heucheley befreyen / so wird sie nicht nur das gewisse Versprechen erfüllen /sondern auch die mündliche Erklärung ihrer
Ihren ewig-getreuen
Polyphilus.
Mit diesem Schreiben / sendete Polyphilus des Gärtners Jungen an die Macarie. Selbige hatte / nach des Agapistus Abreise / mit sorglichen Gedanken / warum ihr doch Polyphilus einen Gruß und keine Antwort auf ihren Brief gesendet / sich gequälet. Dieser Qual aber wurde sie selbigen Abend / durch ihrer Dienerin Ankunft / die
Ehren-geneigter Schäfer!
Wann ich / in seiner jüngsten Versaumnüe / mein Richter-Amt / durch heuchlerisches Ubersehen / ungerecht verwaltet / und mit einer unbilligen Gelindigkeit ihm die Thür zu fernern Verbrechen geöffnet / wie er mir vernünftig zu erkennen gegeben: Was wäre es wunder / wann ich mit dem Verzug dieses Briefleins /selbigen Fehler zu verbessern gesuchet / und die Straffe / welche ihm damals zuerkennt worden / dißmahl vollzogen hätte: Aber weil von einen passionirten Gemüte kein unparteyisches Urtheil zu hoffen / als will
Macarie.
Was wird nun Polyphilus gedenken / wann er diesen Brief liset? wird er sich erfreuen / oder betrüben? wird er klagen / oder danken? Es ist ja mehr Höflichkeit /als Liebe / mehr Kunst / als Gunst / darinn zu finden. Aber / diß ist die Gewonheit Macarien: sie zeiget Liebe / nimmet sie aber wider zu sich. Sie bekennet sich passionirt / will sich aber doch bemühen / wieder frey zu werden. Also spielet sie mit ihrem Polyphilus /damit er zwischen Furcht und Hoffnung unterhalten /und
Die Schäferin Volinie wirft einen Preiß auf / zum Siege-Kampf. Darauf wird wett-gesungen / von göttlicher Vorsorge und Trübsal-Verhängnüs / vom Früling / von der Liebes-Entsessenheit / von Kunst und Tugend. Ihr Wortgefechte / indem keiner den Krantz annehmen will. Cumenus erzehlet dem Polyphilus / die Geschicht von der Verlierung seines Kindes / der kleinen Macarie / und wird von ihm getröstet.
Wie nun Polyphilus also durch die Wiesen spazirte /ersahe er eine schöne Schäferin / die einen zierlichen Blumen-Krantz wunde / und nahme daher Ursach zu fragen: wer doch die Ehre haben würde / diesen künstlichen Krantz von ihren zarten Händen zu erlangen? Ich habe ihn für den gebunden
Wann mein bejahrtes Alter / (antwortete Cumenus) noch unter ihren Hirten-Spielen singen darf / will ich mich deme nicht entziehen. Und weil unser fünfe sind / möchte es vielleicht nicht übel lauten / wann wir / der erste die Güte des Himmels / welche uns ernehret und versorget / der andere dessen betrübendes Verhängnüs / der dritte die Lieb-regende Frülings-Jahrzeit / der vierte die Liebs-Entsessenheit / und der fünfte Kunst und Tugend vorstellte. Dieser Vorschlag ward von allen
Nachdem Amapfe diesen Gesang beschlossen / fienge Cumenus an / den vermeinten Gegensatz mit diesem Lied vorzutragen.
Polyphilus hatte diesen Liedern ein aufmerkendes Gehör verliehen / und als er aus dem andern / den Namen Macarie / und derselben unglückliche Verlierung verstanden / ward sein Gemüte von Schrecken und Verwunderung so schnell überfallen / daß er etlichmahl die Farb verlohre. Und ob er sich gleich auszuwickeln vermeinte / begunten doch die Sinne allmählich zu weichen / also / daß er an dem Baum in Onmacht sanke. Volinie / die dieses alsbald wargenommen / lieffe mit grossem
Polyphilus / welcher durch der schönen Volinie süsse Stimme in eine kleine Verzuckung geraten / und mit dem annehmlichen Inhalt ihres Lieds / sein Verlangen nach Macarien erwecket hatte / ward nachmals / durch des Schäfers Filato warhaftige Beschreibung seines Unglücks / gantz aus sich selber gebracht. Er ware demnach durch solche Verwirrung fast untüchtig gemacht / sein Lied abzusingen. Doch ermunderte ihm die Furcht / durch solche Bezeugung sich selbst zu verrahten / daß er endlich anfienge / mit gebrochenen Worten folgendes Lied zu singen.
Kaum hatte Polyphilus aufgehöret zu singen / als die Schäferin Volinie ihren gebundenen Krantz vom Baum wieder nahme / und ihm denselben mit diesen Worten überreichte: Nehmet hin / Kunst- und Tugend-gelehrter Schäfer! den Lohn / welcher eurer schönen Bemühung billig zustehet. Unsere Gesellschafft gibet euch hierdurch den Dank vor eure kluge Unterrichtung / und bittet freundlich / unsere Hirten-Spiele noch ferner mit euren trefflichen Erfindungen zu ehren. Eurer Höflichkeit vielmehr / schönste Schäferin / (gab Polyphilus zur Antwort /) als meine Würdigkeit / macht euch also reden. Es gebühret meinem armen Lied nichts weniger / als dieser schöne Dank /welchen allein ihr Lieb-erweckendes Frülings-Lied verdienet. Ich habe (widerredte Volinie) diesen Krantz nicht mir / sondern für einen Schäfer gebunden / wie ich dann auch / neben meiner Mutter
Nachdem sie ihm solches heimgestellet / gienge er mit dem Cumenus auf eine Seite / und sagte zu ihm: Geehrter Vatter! das Mittleiden / welches uns die Natur eingepflantzet / hält meine Gedanken noch immer in seinen vorbeklagten Unglück gefangen
Es sind nun viel Jahre verflossen / als mir / weiß nicht was vor ein unglückliches Gestirn / einen solchen Zufall gewirket / der mich noch diese Stunde kränket / und wohl erfahren machet / daß / wie keine Freude grösser / als die jenige / welche wir an unsern Kindern erleben / also auch / kein Unglück empfindlicher sey / als das von ihnen herrühret. Mein kleines Töchterlein / Macarie / ein Kind von grosser Hoffnung / wie seine damahls hervor grünende Gaben des Leibs und Gemüts gnugsam zuerkennen gaben /gleich wie es mit seiner Annemlichkeit aller Hertzen an sich zoge / also hatte es auch uns Eltern dermassen erfüllet / daß wir es ohne unterlaß suchten bey uns zu haben / und uns mit der schönen Blüte ergetzten /welche uns so edle Früchte zusagte. Als aber einst ihre Mutter / nötiger Geschäffte halber / vom Feld nach Hause gieng / und mich bey der Heerde allein ließe / begab es sich / daß das Kind in meinen Armen entschlieffe / welches ich / seine
Allhier holte Cumenus einen tieffen Seufzer / fuhr hernach in seiner Rede solcher massen fort: Dann / als ich mit dem erretteten Schafe / welches ich vor eine grosse Beute hielte / wieder zurücke kam / sabe ich einen von meinen benachbarten Schäfern / mit Schreyen und Winken auf mich zulauffen / von welchem ich / als er etwas näher kam / verstunde: Wie daß ein Wolf etwas von meiner Heerde hinweg getragen hätte / welches er von fernen mehr für ein Kind /als ein Schaf / halten müssen. Er hatte diß Wort kaum ausgeredet / da benahm mir die Furcht / mein Töchterlein zu verlierin / alle meine Sinne / und brachte mich gantz aus mir selber. Ich lieffe eilends nach dem Ort / allwo ich das Kind schlaffend verlassen: den ich aber (O! des unseeligen Findens!) gantz leer fande. Kein Donnerschlag kan eine Eiche also zerschmettern / als dieser Anblick mein Hertz gerührt. Ich stunde eine gute weile halb todt und unempfindlich / biß ich endlich / mehr unsinnig als erschrocken / mit grossem Geschrey nach den Wald liefe / dahin der andere Schäfer mir nachfolgte. Wir suchten eine lange
Allhier unterbrachen die Thränen die Rede des Cumenus / und gaben Polyphilo anlaß / ihn mit diesen Worten zu trösten: Ich muß zwar bekennen / betrübter Cumenus! daß sein Unglück groß / und seine Schmertzen billig sind. Aber er wird sich hierinn /von der Gedult und Hoffnung die Schrancken setzen lassen: in Betrachtung / daß die göttliche Schickungen allezeit die Weißheit zur Führerin haben / und ob sie gleich dunkel scheinen / dennoch zu unsern besten dienen. Es scheinet aus allen Umständen / daß seine Tochter nicht todt / sondern nur entführet sey; Und wer weiß / wie nahe die Stunde ist / in welcher ihm der Himmel die jenige lebendig schenken wird / die er anietzo als todt
Polyphilus trägt Macarien / das Richter-Amt wegen des Reimen-Kampfes / durch ein Schreiben auf / und wird hierauf von Melopharmis / Phormena /Agapistus und Servetus besuchet. Macarien Antwort-Schreiben / spricht ihme den Krantz und Preiß zu / den ihm Volinie aufsetzet.
Polyphilus schlieffe selbige Nacht wenig: dann die Erzehlung des Cumenus / machte ihm die Einbildung / daß seine Macarie die jenige seyn müsse / welche er beklagte / immer scheinbarer / also / daß er sich nun seelig schätzte / bey seiner Liebsten Befreundten zu leben / und kaum erwarten kunde / die Gewißheit von Macarie selbsten zu vernehmen. Er erinnerte sich auch / daß er ihr eine Antwort schuldig; und weil er den Streit der Schäfere durch sie zu schlichten versprochen / suchte er beydes zu beschleunigen / und schriebe an sie folgendes.
Billig hätte ich deren Leztes eher beantworten / und die höfliche Frage / ob ich / in Widerstrebung der Liebe / meiner erwehlten Vorgängerin zu folgen gedenke: erwägen sollen: Allein es machten mich diß mahl unsere Hirten-Spiele aufs neue sündigen. Gleichwol weil die Schuld nicht mein ist / hoffe ich von ihrer Ruhmwürdigen Güte die Vergebung. Anlangend nun die Erwehlung des Vor- oder Nachgangs in Besiegung der Liebe / werde ich bey dem ersten Schluß bleiben / und rühmlicher bey einer standhafften Tugend als wanckelbaren Untugend verharren. Wann sie aber ein Geding mit mir einzugehen beliebet / bitte ich / mir mein Recht nicht zu nehmen / sondern mir den Vorgang / ihr aber schönes Kind! die getreue Folge anzubefehlen: weil ich mich ohne das schuldig bekenne / alle Unglücks-Wege vor ihr her durch zu wandern / und die Schmertzen-Dornen auszureumen / daß sie die Ruhe ihrer Zufriedenheit nicht blutritzen Sie versichere sich auch / daß ich nicht nur die Dornen / sondern auch / so sich ungefebr ein Stein des Anstossens finden solte / denselben mit solcher Wachsamkeit werde beyseit werffen / daß unsere Sinnen in der Liebes-Vergnügung / nach diesem / desto sicherer schlaffen können. Der klagende Freund / wird sich leicht besänfftigen lassen: doch mit dem Vorbehalt / daß ihm seine sonst rühmliche Verwaltung nicht
der getreue und beständige
Polyphilus.
Diesen Brief truge er selber / so bald Aurora mit den Rosen-farben Leitseilen die Sonne hervor führte /nach dem Lusthause Macarien / und übergab ihn dem Garten-Jungen / mit Befehl / solchen zu überlieffern /und / wo möglich / eilende Antwort zu bringen. Als er aber in unterschiedlichem Nachsinnen / wieder zurück gieng / sahe er von weiten eine Gesellschafft von etlichen Manns- und Weibs-Personen gegen ihm kommen: welcher zu entgehen / er einen andern Weg starck vor sich nahme. Aber jene / als sie seine Geschwindigkeit warnahmen / fiengen au zu ruffen: wohin / steltzer Schäfer! mag er keine
Also verliesse er seinen Freund / und empfienge Melopharmis / samt Phormena so höslich / als freundlich / sprechend: wie seelig ist dieser Tag / geehrte Freundinnen! ihrem Diener / wegen dero liebsten Besuchung / die ich zwar sehnlich gehoffet / aber kaum glauben oder erwarten können. Billig stolziret heut meine Heerde und Weide / weil sie so herrliche Gesellschafft überkommet. Sie ist nicht herrlich / sondern freundlich / höflicher Schäfer! (gab Melopharmis zur Antwort) und bringet mit sich einen Königlichen und sehr gnädigen Gruß. Das ist noch trefflicher /(versetzte Polyphilus /) und gar zu viel für einen armseligen Schäfer. Man klaget aber sonst selten über Gnade und
Unter solchen / und dergleichen kurtzweiligen Gesprächen / gelangten sie zu den Hirten / und wurden von denselben sehr freundlich empfangen: da dann
Polyphilus zoge die Schultern / und fürchtete sich /das jenige weiter zu rühren / was am sichersten in der Vergessenheit schlieffe. Er verliesse Phormena bey der schönen Schäferin Volinie / und sezte sich zum Agapistus / indem Melopharmis mit ihrem Sohn Sprache hielte / und begehrte von denselben zu vernehmen / wie sich Macarie und Atychintide gegen ihm erwiesen? Was soll ich sagen? (sagte Agapistus) ich werde zu beeden Theilen unrecht reden / und doch soll ich es reden.
Also endeten sie dißmal ihr Gespräche / und vertrieben die übrige Zeit mit der Gesellschaft / biß sie die Finsternüs nach Haus triebe / und sie / nach Bewirtung ihrer Gäste / sich schlaffen legten. Des andern Tags / kürzten sie die Zeit mit allerhand Hirten-
Preiß-würdiger Schäfer!
Worzu soll doch dienen / die Entschuldigung seiner langsamen Begrüssung: Soll ich seine Höflichkeit /oder seine Beredsamkeit / daraus erkennen: beedes scheinet unnötig / weil ich solche Beschaffenheiten an ihme längsten erkennet und gerühmet. Oder machet ihn meine neuliche kühne Anklage so furchtsam: so weiß er ja / daß ich damahls seine eigne Zusage / welche mir ein eilfertiges Brieflein versprochen / zum Grunde gehabt: dißmal aber kein Recht vorzulegen habe / dadurch ich ihm einigen Gruß abnötigen könte; ich wolte dann / aus seiner freywilligen / und vorhin unverdienten Gewogenheit / mit grosser Unhöflichkeit / eine Pflicht zu machen bemühet seyn. Ich habe demnach also / weder zu vergeben / noch zu straffen /sondern vielmehr zu danken: nicht allein / daß er seine Zeit / die er mit viel wichtigern und fruchtbarern Geschäften verschliessen könte / in meinem geringen Andenken zubringen wollen / sondern auch / daß er ihre künstliche Hirten-Gedichte / mir zur Uberlesung /mittheilen wollen. Ein Urtheil davon zu fällen / scheinet von mir e ne Vermessenheit: doch treibet mich sein Befehl / diese Künheit
ergebenen
Macarie.
Nachdem Polyphilus diesen Brief durchlesen / überreichte er ihn dem Agapistus / mit Bitte / ein Urtheil davon zu fällen; er aber truge die Gedichte zu den Schäfern / und übergab sie der Volinie / sprechend: Ich sehe doch wol / schönste Schäferin! daß die Ehre /gleich einer leichten Feder / den jenigen nacheilet /welcher vor ihr fliehet. Ich darf nicht sagen / das dieses Urtheil ungerecht / welches
Mit diesen Worten / sezte sie dem Polyphilus den Krantz auf das Haupt: worbey Cumenus / Filato und Amapfe / ihme mit gar höflichen Worten / zu dieser Ehre / Glück wünschten. Agapistus / wie auch Melopharmis / und Phormena / nachdem sie die Ursach dieser Bekrönung erforschet / unterliessen nicht / ihre Glückwünschungen mit abzulegen. Polyphilus / mit erröteter Stirn / sagte:
Also vertrieben sie die Zeit / biß Melopharmis erinnerte / wie daß sich das Ziel / welches Atychintide ihrer Wiederkunft gesetzet / nähere / und neben der Phormena bey Polyphilo anhielte / mit nach Sophoxenien zu reisen. Dieser / als er ihre Meinung vernommen / gab zur Antwort: Er müste notwendig nach Ruthiben reisen / und hätte es schon zu lang aufgeschoben; bate also / ihn vor entschuldiget zu halten / daß er dißmal seine Schuldigkeit nicht beobachten könte /mit versprechen / daß er nach vollbrachter Reise /seine unterthänige Aufwartung bey der Königin gewiß ablegen wolte. Wollet ihr dann (sagte Melopharmis) meinen Sohn mit hinauf nach Ruthiben nehmen? Dafern es ihr nicht mißfällig: versezte Polyphilus Nein! (sagte Melopharmis) ich unterwerffe ihn keiner solchen Gefahr mehr. Vergebet mir / Polyphilus! meine Sorgfalt: die vergangene unglückliche Reise / machet mir alle andere verdächtig. So mag er so lang bey den Schäfern bleiben / (gab Polyphilus zur Antwort) biß wir wieder zurücke kommen. Es wird ihn aber gar zu einsam seyn: (begegnete ihm Melopharmis) ich will dann inzwischen hier bleiben / und Phormena mit dem Servetus nach Sophoxenien schicken / damit Atychintide / biß zu unserer Ankunft / ohne Sorg lebe / und von unserm Zustande Nachricht habe. Diesen Vorschlag liesse ihm Polyphilus gefallen. Phormena hingegen / welche ohne das in Neid und Eifer gegen dem Glück Melopharmis brennete / nahm ihre angemaste Herrschaft / durch die sie ihr heimzureisen
Polyphilus mit Agapisto nach Ruthiben reisend /kommt unterwegs nach Soletten / zu Macarien. Selbige erzehlt ihme / auf sein Bitten / ihren Lebens-Lauf / wie sie in ihrer Kindheit verloren / von Firmisco und Elengie erzogen / nachmals an Honede verheuratet / aber bald durch seinen Tod zur Witwe geworden.
Polyphilus und Agapistus / rüsteten sich nun zur Reise / nahmen vom Cumenus ein Beförderung Schreiben an den vornemsten Schäfer zu Ruthiben /und zogen folgenden Morgens / nachdem sie von allen Abschied genommen / in Gesellschaft Phormenen und des Servetus / von dannen / biß sie die Strasse trennte: da sie Phormena mit freundlichem Dank vor ihre Besuchung / neben einer unterthänigen Befehlung an die Königin / nach den Schloße Sophoxenien gehen liessen / und sich auf den Weg nach Soletten wendeten. Agapistus fragte den Polyphilus: ob er noch des Sinnes sey / Macarien zu besuchen? dann sonsten wolten sie eine nähere Strasse gehen. Freylich (sagte Polyphilus) muß ich Macarie sehen: solte ich diese Reise ohne ihr Wissen vornehmen?
Sie liessen sich bald überführen / und giengen geschwind nach der Wohnung des Talypsidamus; wurden auch von demselben / mit aller der Freude empfangen / die jemals ein aufrichtiger Freund / über des andern Ankunft / fühlen kan. Als sie nun die Ursach ihrer Reise entdecket / und nun um einen Raht baten /wie Polyphilus zu Macarien kommen möchte / weil er ohne ihre Besuchung nicht weiker wolte; gab er zur Antwort: er wolte seinen Jungen zu Macarien schicken / und von ihr selbst einen Befehl in dieser Gefahr / einholen lassen. Damit waren sie zu frieden /und wurde der Junge alsbald abgesendet / welcher /als er zu Macarien kam / sein Gewerb mit diesen Worten vorbrachte: Hochgeehrte Macarie! die beyde Schäfere / Polyphilus
Macarie / über diesem unvermuteten Anbringen etwas erschrocken / wuste fast nicht / was sie antworten solte? Der Inwohnere Feindschaft / welche in der Aschen glimmete / und durch einen kleinen Wind konte angefeuret werden / war ihr nicht unbekandt. Ihren Polyphilus aber so nahe zu wissen / und doch nicht zu sehen / fiele ihr ganz unmüglich. Es tröstete sie auch der Schäfer-Habit / welcher ihn dieser Insul unbekandt machen würde. Demnach liesse sie ihm /durch den Jungen sagen: Sie wolte des Polyphilus Besuchung / noch vor seiner wieder Abreise / erwarten. Worauf sich dieser nicht saumte / sondern so bald von den andern Abschied nahm / und nach den Hause seiner Liebsten / in voller Hoffnung / sein Verlangen zu sättigen / eilete. Er wurde von derselben sehr freundlich empfangen / und als er ihr die Ursach seiner Reise / welche allein biß daher ihre Zusammenkunft verhintert / angezeigt / wünschte sie ihm / zu solcher /tausend Glücke / und bate ihn / seine Wiederkunft zu beschleunigen; damit sie einmal von der Widerwertigkeit befreyet / und seiner Beywohnung ohne Furcht der Solettischen Innwohner / geniessen möchte. Welches er ihr mit einem Kuß versprache.
Er nahme aber von dieser ihrer Bitte Gelegenheit /sie zu fragen: warum sie doch die Insul so sehr
Auch dieses ist mir unbekandt: sagte Macarie. Ich bin schon in der Wiegen / dem Unglück zum Raube überlassen / und so unseelig / daß ich noch diese Stunde nicht weiß / welchen Eltern ich mein
Wie ich über dieser Zeitung erschrocken / kan ich nicht gnugsam beschreiben. Ich hielte mich vor die aller unseeligste / so iemals unter der Sonne gelebet /und unterließ nicht / mein Unglück mit heisen Thränen zu beklagen. Und ob gleich Elengie mich tröstete / mit versprechen / daß sie nichts desto weniger mir alle Wolthaten erweisen / und mich / gleich ihren eignen Töchtern / versorgen wolte: so war doch dieses mir eine Linderung / aber keine Heilung
Von dieser Nachricht / empfienge ich mehr Kummer /als Hülffe. Dann weil ich damals noch nicht an den ersten Mann gedachte / und die andere Ehe / (welche mir noch diese Stunde bedenklich fället) wo nicht einem Laster / doch einen grossen Fehler gleich hielte: konte ich keine Errettung hoffen. Also verzweiffelte ich ganz an Wiederfindung meiner Eltern /und nahme mir vor / die Einsamkeit zu erwehlen /auch weil ich ohne Geschlecht / und als todt unter den Menschen seyn muste / bey den Todten in ihren hinterlassenen Schriften zu leben: damit also dem Glück / welches schon meine Kindheit scheel angesehen / die fernere Verfolgung abgeschnitten / und der Flecken / den sie mir in einer ungewissen Geburt angehenget / durch die Kunst- und Tugend-Ubungen etlicher müssen ausgelescht würde.
Aber / was soll ich sagen? der Schluß des Himmels bleibet wol fest / ob gleich wir onmächtige Menschen uns dagegen auflehnen / und müssen wir dem Ziel /welches die ewige Versehung unserm Thun gestecket / wie verdrießlich es uns auch vorkommet / dannoch mit Willen zulauffen. Ich hatte diesen Vorsatz erst gefasset / als ich ihn schon wieder verliesse / und kaum einen Fuß aus der Kindheit in die Jugend gefetzet / als ich desselben gewönliche
Also wurde das Garn angesponnen / welches meine Jugend bestricken solte. Denn er hatte meiner nicht so bald wargenommen / da fühlte er (wie er mir nachmals erzehlet) eine solche Bewegung gegen mir /deren er ganz ungewohnt war: weil er biß dahin den Apfel / nemlich sich selbst / vielmehr der Pallas / als der buhlerischen Venus dargereichet / und nichtes mehrer / als die Liebe verfluchet. Er wiedersezte sich deßwegen ihren Fesseln zum heftigsten / und nahme die Vernunft (wiewohl vergeblich) zur Gehülffin /wieder diese Feindin.
Die mit Blut überloffne Stirn / mit deren ich diese Zeilen lase / und die leichte Entschuldigung / welche ich seiner Anwerbung gabe / machten ihm nicht geringe Hoffnung / seinen Zweck zu erreichen / und meine Gegenliebe zu gewinnen. Daher er sich viel eifriger /als zuvor / darum bemühte. Hingegen war mein noch unreiffer Verstand viel zu onmächtig / dem Gewalt der Liebe zu widerstreben / vor welcher auch die allervernünftigsten ihre Waffen niederlegen. Die höfliche Gespräche / freundliche Bezeigungen / verliebte Gedichte und süß-klingende
Dergestalt genossen wir eine Zeitlang das Honig der Liebe / und wusten nicht / daß der Stachel so nahe war / uns schmertzlich zu verwunden. Unsere Ergötzung hatte nunmehr den höchsten Grad einer keuschen Liebe erstiegen / und war an dem Rade des Glückes so hoch gekommen / daß sie notwendig entweder stillstehen / oder wider zurück gehen muste: Als Honede von seinen Freunden Schreiben erhielte /die ihn eilends nach Hause berieffen. Mit was Ungedult er diesen Befehl angenommen / und wie schmertzlich er diese unsre Trennung bewilitgt / will ich eurem eignen Urtheil zu bedenken heimstellen. Doch muste die Reise fortgehen / und nahm er / mit vielen Bitten / daß ich ihme beständig seyn wolte /von mir einen traurigen Abschied / neben Versprechung / so bald er sich von seinen Freunden loß wirken könde / wieder zukehren. Also zoge er mehr todt /als lebendig hinweg / und hinterliesse mich in einem solchen Zusiande / daß ich eine Zeitlang als ohne Seele lebte: weil ich dergleichen Schmertzen noch ungewohnt / und bißher nur die
In dieser aussersten Bedrängnüs / nahme ich meine Zuflucht zu Elengie / und entdeckte ihr / wie ich mich schon an Honede ergeben / und viel lieber mit dem Grab / als mit einen andern wolte vermählen lassen. Diese billigte meinen Vorsatz (dann sie ware dem Kilenfre nicht sonders gewogen) und riehte mir / daß ich alsobald den Honede durch ein Brieflein beruffen solte: da sie dann uns fernere Mittel / unsern Wunsch zu befördern / zeigen wolte. Diesem Befehl kame ich ungeseumt nach / und liesse ein Brieflein an Honede abgehen / welches meines behalts also lautete.
Wann ihr mich liebet / mein wehrter Honede! wie ihr mir dessen allezeit Proben gegeben / so werdet ihr nicht länger aussen bleiben / eine betrübte Secle zu trösten / welche stirbt aus Verlangen / euch zu sehen. Lasset euch auch die Gefahr hierzu ermahnen / da ich / ohn eure Hülffe / in kurtzen / eines andern Armen zu theil werden soll. Ich erwarte euer mit so grosser Ungedult / als es euer Verdienst und meine Liebe erfordert /
eure beständige
Macarie.
Dieses Brieflein empfinge Honede als er eben den jenigen begraben liesse / welcher bißher seine wider-Abreise verhindert hatte. Daher er iezt dieselbe mit solcher Geschwindigkeit vornahme / wie es der Eifer seiner Liebe erfordert. Die Winde waren ihm so günstig / das er in wenig Tagen bey uns anlangte / und zwar eben in einer solchen Zeit / da
Der Betrug gienge lustig von statten / und gabe Firmisco den Worten des Honede / den er ohne das sehr liebte / so sichern Glauben / daß er die göttliche Vorschung bewunderte / ihm zu unsrer Verehlichung Glück wünschte / und nun sich bedachte / wie er Kilenfre / dem er mich schon halb zugesagt hatte / wieder begütigen möchte. Und erscheinet hieraus / daß auch die allerklügste Männer / von
Aber / wo nun hinaus? unserm Vorgeben gemäß /musten wir / bald nach der Hochzeit / fortziehen / und zwar in ein uns-unbekantes Land: weil Honede keine Liebste in sein Vatterland bringen dorfte / als der daselbst eine andere heuraten sollen. Ob mir dieses hart angekommen / ist wol zu erachten / weil ich biß dahin zart war erzogen worden. Doch machte die Liebe zu meinem Honede / daß ich alle Noht und Getahr vor nichts achtete / nun ich nur seine Beywohnung genosse. Also segelten wir / nach einem von Firmisco und Elengie genommenen freundlichen und Dank-sprechigen Abschied / mit guten Wind ab / und durchfuhren etliche Landschaften / deren doch keine meinem Honede anstehen wolte. Endlich nötigte uns / ein unvermuteter Sturm / wider unsern Willen an dieser Insul anzuländen: Und weil sie ihm / wegen der Einsamkeit / deren er von Natur ergeben war / nicht übel gefiele / beschlosse er eine Zeitlang hier zu verziehen. Es schickte sich aber / daß die Inwohner / als sie seine Gaben erkanten / ihn zu ihren Vorsteher erkiesten /und sehnlich baten: er möchte doch in ihren Schluß willigen / und ihnen seine beständige Beywohnung gönnen. Er verwilligte / auf mein Begehren / hier zu bleiben / und wurde von den Inwohnern so freundlich bewirtet / daß es ihn nicht wenig erfreuet.
Das wäre zuviel gewesen (fiel ihr Polyphilus / der dieses nicht anhören konte / in die Rede /) man muß /bey Traurigkeit / seiner eignen Wolfart nicht vergessen. Der Himmel fordert Gedult / aber keine Halsstarrigkeit. Er führet uns öffters / durch einen bösen Weg / zu einem guten Ziel. Ja er ist so gütig / daß er /noch vor dem Unglück / schon die Hülffe beschliesset. Vielleicht will er durch meine Liebe ersetzen /was sie so sehnlich beklaget. Ich hoffe auch / ihrem Honede / wo nicht in der Würde / doch in beständiger Liebe / zu gleichen. Und nun ich die Weissagung vernommen / werde ich auch nicht ablassen / biß ich ihre Eltern gefunden / und also ihr Unglück gewendet habe. Daß sind lauter Gründe / (gab Macarie zur Antwort) die meinen Begierden schmeicheln. Was soll ich sagen? Ich muß gehen / wohin mich mein Verhängnüs führet / ich thue es gleich willig / oder gezwungen. Doch sage ich / das ich der Liebe / und nicht der Vernunft folge: dann also fordert es mein Geschick / welchem ich mich schon oft / aber allezeit vergeblich / widersetzet. Es ist auch am sichersten /(sagte Polyphilus) dem jenigen nachgehen / welchem die Wege bekandt sind. Ein Hertze / das GOtt nicht folget / gehet einen gefährliche Irrweg / und kan gar leichtlich in die Grube des Verderbens stürtzen. Ihre Tugend / geliebte Macarie! wie sie bißher alle Versuchungen hertzhaft überwunden / also wird sie sich durch einenoch geringe wart nicht ungedultig machen lassen. Ich wil unsere Verbündnüs nach
Dieses versprache Polyphilus / und nahm also /weil es begunte finster zu werden / dißmal seinen Abschied. Macarie wünschte ihm nochmals Glück zur Reise / und bate / er möchte ihr doch / sein weisses Hündlein / das er mit sich führte / und wegen der vielen rohten Bänder / damit es gezieret / wohl behaltens wehrt war / so lang gönnen / biß er wieder zurück käme. Gar gern (versezte Polyphilus) wann es nur nicht beschwerlich ist. Aber du viel glückseeligers Thier / als ich bin (sagte er / sich gegen den Hund wendend) wie gern wolte ich dir jetzo dein Glück abkauffen. Du hast die Freyheit / bey meiner Liebsten zu bleiben: ich aber muß sie mit Seufzen verlassen. Nun so bewache dann die jenige sorgfältig / vor welche ich ohne unterlaß wache / und wisse / daß ich dir diese Treue nicht unvergolten lassen will. Durch diesen Schertz erlangte Polyphilus noch einen Kuß von seiner Macarie / und verfügte sich damit / halb freudig /wegen der Gewißheit seiner Mutmassung / und halb traurig / wegen des Scheidens / wieder zu dem Talypsidamus Dieser wolte sie selbigen Abend nicht erlassen / sondern bate sie / die Nacht bey ihm zu bleiben /mit Versprechen / daß er ihnen des andern Morgens
Polyphilus komt / mit Agapisten nach Ruthiben / und werden sie von dem Schäfer Schireno bewirtet. Ihr Gespräche mit ihm von der Freyheit und Dienstbarkeit / von Obern und Untern. Schreiben des Polyphilus an Macarien. Schirenen machet sie /durch des Cumenus Schreiben / dem Vorsteher Vinellio / wol-empfohlen.
Polyphilus befahle dem Jungen / voraus zu gehen /und erzehlte dem Agapistus alles / was er von Macarie gehöret; welcher hierob sich nicht wenig erfreuet und verwundert / und ihn fragte: ob er dann Macarie nicht eröfnet hätte / daß er ihre Eltern gefunden? Dieses / (sagte Polyphilus) will ich sparen / biß zu unsrer Hochzeit / alsdann soll diese Freude viel grösser werden. Agapistus lobte diesen Vorsatz / und gelangten sie / unter
Als sie noch hievon redten / kam ein Schäfer von der nechsten Heerde / und sagte: Ich sehe / geehrte Freunde! daß sie fremde sind / und bitte / mir zu vergeben / daß ich frage: wornach sie verlangen tragen /und ob sie mir nicht die Ehre gönnen wollen / in meiner schlechten Hütte diese Nacht zu herbergen? Polyphilus wunderte sich dieser Freundlichkeit / und sprach: seine Höflichkeit / leutseeliger Schäfer! ist /wie ich sehe / viel grösser / als unsre Hoffnung / und kommet unsrer Bitte zuvor. Wir sind freylich fremde /und haben uns eben ietzo beratschlaget / wo wir unsre Einkehr nehmen wollen. Weil er sich nun so freywillig hierzu erbietet / wird er uns hoffentlich zu gut halten / daß wir ihn damit / gegen dankbare Bezahlung /beschweren dürffen. Meine Bewirtung (versezte der Schäfer /) fordert keine andere Bezahlung / als eine geneigte Vermerkung. Damit führte er sie beyde mit sich nach Hause / und erzeigte ihnen so viel Ehre und Gutthaten / daß Polyphilus solche Willfärigkeit nicht genug rühmen kunde / und den Schäfer bate: er wolte ihm doch seinen Namen entdecken / dumit er wüste /wessen dank-schuldner er vor diese Ehre sterbe. Mein Name ist Schirenus / (antwortete der Schäfer) wann er solchen seiner Gedächtnüs würdigen will. Meine schlechte Bewirtung aber /
Wann sich Wercke mit Worten werden bezahlen lassen / (sagte Agapistus /) so wisset / gutthätiger Schireno! das Polyphilus und Agapistus die Namen sind / mit welchen sich seine kühne Gäste bekant machen. Unsere Verrichtung betreffend / sind wir fremde Schäfere / welche eine Weide zu suchen / ausgereist. Und weil wir / in der Gegend Brundois / eine so wol gelegene Trift gefunden / daß wir uns entschlossen /allda zu bleiben / daneben aber verstanden / das selbige Schäfere / von hier aus ihren Schutz haben / als sind wir / solchen zu erlangen / hieher gekommen; haben auch / von dem Schäfer Cumenus / ein Schreiben an den edlen Vinellius mit gebracht / und ist also nichts übrig / als daß wir Gelegenheit erlangen / uns bey ihm anzugeben. Worinn wir dann um einen guten Raht / bey ihm / geneigter Schäfer / ansuchen. Sie dürffen nicht bitten / (gab Schireno zur Antwort /) sondern schaffen / weil ich willig bin zu dienen / auch mit unserm Vorsteher Vinellio in so gutem vernehmen bin / daß ich ihnen ehest die Ansprache erwerben will.
Mich wundert aber / (fuhre er fort) daß sie so willig sind / ihre Freyheit mit der Dienstbarkeit zu verwechseln. Unsere Freyheit / (versezte Polyphilus) bestehet in den Gemüte / und in der Art zu leben / welche durch eine vernünftige und gerechte Obrigkeit nicht gehemmet wird. Damit aber auch
Das ist wol etwas (redte Schireno darzwischen)
Eben wolte Polyphilus antworten / als ihm Agapistus zuvor kam / und sagte: Ob gleich die Menschen nach den äuserlichen Sinnen und Gliedern einander gleich / so sind sie doch nach den Gaben des Gemütes und des Leibes mehrmals unterschieden: also / das einer grössere Weißheit / höhere Geschicklichkeit /mehrere Stärke und Hertzhaftigkeit / als der andere /sehen lässet / und damit bezeuget / daß er durch die Angeburt über die andere gesezt sey: weil es ja natürlich / daß das Untere dem Höhern diene / das Schwache das Stärkere fürchte / und ein Unverständiger des Verständigen Knecht sey.
Polyphilus lachte hierüber / und gab zur antwort: wenn dieser Satz das die Natur selber / den einen gleichsam zu Gehorsam / den andern zur Herrschaft formiret / in seinem rechten Verstande
Es ist auch dieselbe höchst nötig. In was vor ein wildes und barbarisches Unwesen solten wir gerahten / wann wir eine Zeitlang ohne Obrigkeit wären /und ein jeder seines Gefallens hausen dörfte? Das Volk Gottes / kan uns hierin ein Muster geben / welches in abscheuliche Laster gerahten / da
Und warum wolte man sich der Dienstbarkeit weigern / da sie doch ihren gewünschten Nutzen hat /und / in gewißer Maß / der Herrschaft selber vorzuziehen ist? Ach! es ist viel sicherer / gehorchen / als befehlen: weil jenem nur das Verrichten / diesem aber das Verantworten zustehet; und ein Unterthan / aller der Sorge / Mühe und Gefahr befreyet ist / welche den Obern auf dem Hals liget. Wohl recht / sagte jener König: wann Kron und Zepter im Wege lägen / es würde sie keiner aufheben / wann er wüste / was sie vor eine Last wären.
Einer gerechten und getreuen Obrigkeit / (begegnete ihm Schireno) ist man freylich Dienst und Gehorsam schuldig. Wie aber / wann man über das Wiederspiel klagen muß? Es fället einem freyen und vernünftigen Gemüte unerträglich / sich eines Hoffärtigen und ungerechten Tyrannen Botmäßigkeit zu unterwerffen. Cato konde es so gar nicht vertragen / daß er lieber todt seyn / als unter einen Tyrannen leben / und lieber den freyen Geist mit dem Eingeweid ausschütten / als dem Cäsar zu Fuß fallen wolte. Diese verzweiffelte That / (versezte Polyphilus) scheinet mehr aus Halsstarrigkeit und aus Grimm über den Sieg des Cäfars / als aus Hertzhaftigkeit und Vernunft hergeflossen zu seyn. Hat es der Himmel geschehen lassen /das Julius zum Regiment gekommen / so hätte es Cato (nachdem er das seinige gethan / und sich vergeblich darwider gelegt) auch wohl leiden und warten mögen / biß seine Straffe / welche allbereit unterwegs gewesen / angekommen wäre. Viel klüger handelte Solon / welcher nachdem der Tyrann
So muß man auch / an der Obrigkeit / wo nicht die Person / doch das Amt ehren und bedienen / und der Regenten Fehler / in ansehung / daß sie auch Menschen sind / vielmehr zudecken als lästern. Welche Kron ist so köstlich / daran nicht etwan ein Stäublein hänget? Und welcher Fuß gehet so richtig / das er nicht zuweiln einen Fehltritt thue? Vornehmer Leute Handlungen / sind wie die Uhr an der Kirche / deren Unrichtigkeit ein jeder Vorbeygehender merket und tadelt. So muß derowegen / das Joch der Dienstbarkeit / von Gedult zubereitet werden / wann es leicht zu tragen seyn soll. Es ist auch / den Frommen und Tugendhaften / keine Obrigkeit vonnöten / ausser der Beschützung / weil sie ihnen selbst ein Gesetze sind /und hat jener nicht übel gesagt: Wer Gott fürchtet /der darf keine Obrigkeit fürchten; weil solche / entweder nichts wider Gott be fihlet / oder doch / in solchen Befehlen / keinen Gehorsam zu erwarten hat.
Das ist ein guter Schluß! (fiele ihm Schireno in die Rede) hier ist das lezte / das beste / und gibet
Allerliebstes Hertz!
Es hat mich der Himmel / wie ich spüre / zu einer guten Stunde hieher geführet: weil ich den edlen Vinellio angetroffen / und bald ansprechen werde. Nun hoffeich / ihrer Furcht und meines Zweiffels / ein erfreutes Ende. Der freundliche Schäfer Schireno / wird mir in allen Verrichtungen beysteben. Indessen lasse sie mein langes Aussenbleiben / das sich wider verhoffen begeben möchte / sich nicht betrüben: sondern gedenke / daß der bitterste Same die süsseste Frucht trage. Sie erfreue auch das Verlangen meiner Liebe /so
Ihren biß in den Tod beständigen
Polyphilus.
Inzwischen Polyphilus mit der Abfärtigung des Jungen beschäftiget war / verfügte sich Schireno zu Vinellio / und erzehlte demselben / wie er verschienene Nacht / zwey fremde Schäfer beherberget / die sich entschlossen / in der Gegend Brundois zu weiden. Weil sie aber verstanden / daß selbige Schäfere von ihnen den Schutz hätten / wären sie / solchen zu erlangen / hergereist / und hätten ihn gebeten / er möchte ihnen doch Gelegenheit anhändigen / zu ihrem Vorsteher zu kommen. Wie sie dann / ihr Vorhaben zu bescheinen / einen Brief / von dem Schäfer Cumenus /mit gebracht / und ihn / selbigen zu überliefern / ersuchet. Hiemit / übergab er Vinellio das Schreiben des Cumenus / der solches erbrache / und dieses Innhalts fande.
Edler / und Würdiger Beschützer!
Die Ursach / daß ich / seine Würde / mit diesen Zeilen bemühe / ist die Bitte des Polyphilus und Agapistus / zweyer fremder Schäfere / welche unlängst / aus dem Schloß Sophoxenien / in unsrer Gegend angekommen / und dieselbe so bequem befunden / daß sie Feld und
Seines dienst-verbundenen
Cumenus.
Als Vinellio diesen Brief gelesen / sagte er / gegen dem Schivenus: Soviel ich aus diesem Schreiben vernehme / so sind seine Gäste von Betrachtung / und wo mir recht / so ist Polyphilus eben der jenige / welcher das Schloß Sophoxenien von dem Fluch erlöset; dann mich bedünket / daß ich ihn also nennen hören. Was haltet ihr von ihnen? Ihre Ankunft und Wesen / (gab Schirenus zur Antwort) ist mir zwar unbekandt / ihren Verstand und Erfahrenheit aber / habe ich in gestrigem Gespräche überflüssig erkennet / und bewundert. Es ist mir leid / (sagte Vinellio) daß ich heute / wegen einer nötigen Verrichtung / nicht Zeit habe / sie zu sehen / und bitte / deßwegen mich zuentschuldigen: Morgen will ich sie gewiß zu mir ersuchen / und damit ihnen die Zeit nicht lang werde / durch einen meiner Freunde sie heut begrüssen lassen. Diesen guten Entschluß hinterbrachte Schireno seinen
Gespräche des Polyphilus / Agapistus und Schireno / mit dem Gitildo und Damatus / in des Vinellio Garten / von dem Wasser / von der Arbeit /von den Blumen / von der genüglichen Zufriedenheit /und wahren Glückseeligkeit.
So bald die Mittags-Malzeit vorbey war / kamen Gitildo und Damatus / zweyen Schäfere des Ortes / und brachten dem Polyphilus und Agapistus einen Gruß vom Vinellius / mit Bitte / sie möchten ihm zu gut halten / daß er sie diesen Tag nicht ehren könte: und wolte er deßwegen / wann sie ihn morgen besuchten /sich selbst entschuldigen. Polyphilus bedankte sich gar höflich / vor so geneigtes Anbringen / und sagte: daß diese Entschuldigung vor Dienere zu hoch sey /und wurden sie sich überflüssig vergnügt befinden /wann nur ihnen Vinellius / nach seiner Weile / eine Aufwartung erlauben würde. Hierauf baten jene / sie möchten sich gefallen lassen / zu kürtzung der Zeitweile / weil es ein schöner Tag war / in ihres Vorstehers Vinellio Garten zu spaziren: welches sie bewilligten / und ihnen nachfolgten. Sie befanden den Garten von solcher Lieblichkeit / daß sie nicht wusten /wohm sie am ersten die Augen wenden solten. Die or dentlich-gesezte Bäume / die ungemeine Schönheit
Sie sezten sich / der Kühle des Wassers zu geniessen / und die Kunst des Brunnes zu betrachten / auf den dabey stehen den / grün-bewachsenen Bühel / und begunten die Tugend und Nutzbarkeit des Wassers zu loben: als welche viel grösser / als daß sie zubeschreiben / und so notwendig / daß wir / ohne dasselbe /kaum einen Tag würden leben können. Freylich /(sagte Polyphilus) würden wir bald zu grund gehen /wann wir eine Zeitlang des Wassers beraubt wären: welches doch ihrer wenig erkennen. Dann bey solchem Uberfluß der Bäche und Brunnen / kan man der Armseligkeit nicht warnehmen / welche von deren Mangel entspringen würde. Es ist nichts / in und an uns / das nicht des Wassers vonnöten habe. Man möchte wol dieses Geschöpfe / wie es das erste und meiste / auch wol das vornemste in diesem sichtbaren Welt-Gebäude / nennen. Ja / ich gläube / daß die göttliche Weißheit und Allmacht in keinen Element / als in diesen / sich verwunderlicher mache. Ist es nicht verwunderbar / daß das von Wasser gebaute Wolken-Dach / am Himmel über uns schwebet / und doch nicht herab fället: da doch nichts weicher ist / als das Wasser / und nichts dünner / dann die Luft / welche man / nicht allein nicht greiffen / sondern auch nicht sehen kan. Kommen wir auf die Erde / so
Und was sagen wir von dem Meer selbsten? welches so viel Wunder / als Wellen mit sich führet. Ist es nicht ein Wunder / daß diese Versamlung der Wasser so ordentlich ab- und zu fliesset / daß es nicht aus seinen Schranken tritt / und ob es gleich noch so ungestümm tobet / dennoch die Gräntze / welche ihm die Ordnung des Schöpfers gesetzet / behält / und die Erde nicht verschwemmet. Ich geschweige der unzehlichen Menge der Fische / von welchen diese unergründliche Tieffe wimmelt: deren Grösse und Seltsamkeit nicht kan erforschet / viel weniger beschrieben werden. So ist auch dieses nicht das geringste Wunder / daß das saltzig- und bittere Meer-Wasser /durch die Kraft der Erde also geläutert wird / daß es in süssen und wol-geschmacken Brunnen wieder hervor quillet: wie wir hier dergleichen vor uns haben. Hat also der Poet Pindarus recht gesagt: Lobe nur was dir gefällt! Wasser doch den Preiß behält. Ich muß bekennen / (gab Gitildo zur Antwort /) daß der Himmel / durch die Wasser und Brunnen / herrlich wundert: Massen / wann wir alle Seltenheiten / die / der unerschöpfliche Brunn der höchsten Weißheit und Allmacht / in den Wassern und Brunnen zeiget / erzehlen solten / wir viel Tage darmit zubringen müsten. Wann die Kunst der Natur zu Hülfe komt / wird die Verwunderung noch grösser
Was haben wir (versezte Polyphilus) in dieser Eitelkeit / ohne die Arbeit. Nicht nur die Lust / sondern auch die Notturft / muß durch die Arbeit erlanget werden. Dieser Bissen Brod / und dieses Glas Wein / so hier vor uns stehet / können wir nicht ohne viel Mühe geniessen. Wie manchen sauren Schweiß muß der Ackermann / der Schnitter / der Drescher / der Müller /der Becker / der Weinhecker / der Kelterer / der Fuhrman / und viel andere / von der Stirn wischen / ehe wir das vor uns sehen? Und dieses ist bloß Brod / und Wein. Je köstlicher die Kost / je mehr Arbeit sie auch erfordert: und muß man manchmal ganz Indien durchreisen / und mit Gefahr Leibs und Lebens Gewürtze und Zucker heraus holen / ehe man eine Speise auf die Tafel bringet. Was soll ich sagen / von den Kleidern? Das Hemd / so wir am Leib tragen / wird durch so viel Mühe verfertiget / daß das Frauenzimmer etliche zwanzig Arbeiten zehlet / ehe es ein Hemd kan heissen. Zu geschweigen der andern Kleider / an welchen oftmals so viel Handwerker und Künstler arbeiten. Dann es ist nicht
Was ist aber die Ursach / (fragte Gitildo) daß man alles so mühsam erwerben muß? hätte uns nicht der Schöpfer / Speise und Kleider / Wissenschaft und Klugkeit / ohne so viel Arbeit / verschaffen können? Freylich hätte er es thun können / (sagte Polyphilus) wann er nicht die Arbeit vor nötig und nützlicher ersehen hätte: daher er sie allen seinen Geschöpfen auferleget. Dann es wird nichts ohne Arbeit / weder im Himmel noch auf Erden / gefunden. Auch die Engel haben ihre Geschäfte / dadurch sie GOtt ehren / und den Menschen dienen. Sonne / Mond / und Sterne /treibrn ihren Lauf und ihre Wirkung unermüdet. Die Elemente unter dem Himmel / die so wol leblose als lebendige Geschöpfe / arbeiten in der Ordnung
Es scheinet wol / (sagte hierauf Gitildo) aus diesem Lobspruch der Arbeit / daß Polyphilus derselben fleißig gedient / und nun bald den Lohn erwartet. Aber /wo wird unsre Gesellschaft bleiben? wir wollen gehen und vernehmen / was auch sie vor Unterredung haben. Hiermit stunden sie auf / willens sich zu den andern zu verfügen. Es hatten aber dieselben indessen / mit Beschauung des Blumwerkes / sich ergetzet / und die vielerlry fremde Gewächse beobachtet. Jezt ist die Zeit / (sagte Agapistus) da die Erde ihren Blumen-Pracht treibet / und den Himmel mit seinen Sternen zu trotzen beginnet. Dem ist also! sagte Damatus. Die Göttin Flora / machet sich je länger je herrlicher / und bekommet / durch Erzielung so vieler neuer Gewächse und Blumen / immer mehr Anbetere.
Wol recht / (versezte Agapistus) nennet er Anbetere / welche die vergängliche Blumen mehr / als deren Erschaffern / verehren und bedienen. Es ist zwar die Garten-Lust sehr ergetzlich / und wol wehrt / daß sie von edlen und hohen Gemütern beliebet werde. Dann was ist süsser / als wann man / von der Sorge und Arbeit ermüdet / seine Ruhe in den Freuden-vollen Gärten suchet / und unter den kühlen Schatten der lieblich-blühendem Bäume / die verwunderliche Schönheit der Blumen betrachtet / aus derselben unterschiedlichem Geruch / Farbe und Gestalt / die Weißheit / Allmacht und Güte Gottes erkennet / und den offnen Himmel /
In dm sie dieses redten / kame Githilto mit dem Polyphilus / und fragte: von was sie so eifrig sprachten? Wir haben (antw. Schirenus) die
Was soll dieses für eine Vergnügung seyn / (fragte Githildo) die noch einigen Mangel empfindet? Weil durch den Uberfluß / (versezte Agapistus) die Begierde nicht aufgehoben wird / wie mein wehrter Githildo iezt erwehnet / und auch die Reichsten / die Herrlichsten und Glückseeligsten / nicht aufhören zu hoffen /zu wünschen / und zu suchen: so kan hingegen auch /von dem Mangel / die Vergnügung nicht umgestossen werden / und der Allerärmste / der Allerverachteste /der Allerunseeligste nichts weiter hoffen / wünschen und suchen. Dann die Vergnügung / bestehet nicht in Menge der Güter / sondern in der Zufriedenheit des Gemütes / die man / ohne so viel Gezeugs / erlangen kan. Was nutzet grosser Reichtum / als / die Sorge
Was ist dann die Ursach / (sagte Damatus) daß die Menschen diese Güter so hoch verlangen / und dieselben zu erhalten / so viel Mühe / Arbeit und Ungelegenheit erdulten / wann sie davon keine Vergnügung zu hoffen / sondern nur Beschwerung haben sollen? Die Ursach dieses Irrtums / (erwiederte Polyphilus) fliesset her / aus der Unwissenheit / Blind- und Torheit der Menschen: welche die
Freylich / (sagte Githildo) ist Tugend und Weißheit / mit denen sich nichts vergleichen lässet / der allein-sichere Weg zur Vollkommenheit: wer einmahl darauf gelanget / lässet sich durch keinen Zufall ab wenden oder weiter bewegen / sondern kan mit vergnügter Seelen-Ruhe dieses Weltgetümmel verlachen. Aber wie wenig kommen zu dieser Vollkommenheit? Die meisten / kleben mit ihren Begierden an der Erde / verwickeln ihre Flügel / damit sie sich zu den Sternen schwingen könten / in dem Netz der Wollust /und werden auch mit solchem Garn verstricket und gefangen.
Dergestalt spracheten diese Schäfere / biß die Sonne ihre Pferde zur Tränke zu führen begunte: da sie sämtlich nach Hause giengen / und einander für die gute Gesellschaft dankten. Polyphilus empfohle sich dienstlich an den edlen Vinellius / nahme samt dem Agapistus höflichen Abschied / und folgete dem Schireno nach seiner Behausung. Daselbst war die Abend-Kost schon bereitet / und der Tisch gedecket: welchen mit ihrem Sitze ferner zu bekleiden / Schireno / wie er aller Höflichkeit voll war / sie beyde so zierlich bate / daß ein weniges Weigern die gröste Unhöflichkeit gewesen wäre. Polyphilus hatte kaum den ersten Bissen genossen / als er bereits anfienge zu fragen / und von Schireno zu forschen / ob er / die Besuchung der
Polyphilus bekomt ein Glückwunsch-Schreiben von Macarien / und gehet / mit dem Agapistus zum Vinellio. Ihr Gespräche / von der Sophoxenischen Begebnüs / und von der Gottes-Erkentnüs aus dem Buch der Natur. Sie erhalten den Schutz vom Vinellio; und Polyphilus / vom Schireno bewirtet /macht Kundschaft mit der Carminta: die des Damatus Aufwartungen mit beständiger Härte begegnet. Sein ihr zu Ehren verfasstes Lied / wird von dem ihrigen erwiedert. Sein Unterricht an den Damatus /
Des folgenden Tags / erwarten beyde Schäfere der Beruffung zum Vinellio: welche etwas langsam erfolgte. Indem sie aber / ihm aufzuwarten / sich färtig machten / kan des Talypsidamus Junge / und brachte dem Polyphilus ein Schreiben / von seiner Liebsten; welches er / so nötig auch seine Verrichtung war / erbrache und so viel daraus vernahme.
Freundlicher Polyphilus!
Nicht nur das Gesetz der Nachfolge / welches mir jederzeit meine Schuldigkeit sorgfältig vorstellet / sondern auch seine höfliche Bitte / zwinget mich / die Ehre seiner Begrüssung / durch dieses kleine Brieflein dankbarlich zuerwiedern / auch / weil es die Zierlichkeit / die er fordert / nicht erreichen kan / solchen Mangel / mit einen getreuen Wunsch zu ersetzen / daß der gnädige Himmel / sein jetziges Vorhaben zu einem glückseeligen und frölichen Ende bringen / und also seiner Widerwertigkeit den Beschluß / hingegen seiner Zufriedenheit den Anfang setzen wolle. Die Zeit wird mir / in Hoffnung seiner Vergnügung / nicht zu lang fallen / solte gleich seine Wiederkunft etwas aufgezogen werden: wann ich nur weiß / daß er sich meiner erinnert. Ob sich aber sein schönes und zierliches Hündlein meine Einsamkeit gefallen lasse / kan ich nicht wissen. Seine Bezeugungen zwar / lassen nicht eine geringe Betrübnüs
Seine beständige
Macarie.
Dieses freundliche Brieflein ergezte den Polyphilus dermassen / daß er gedachte / es könte nun seine Verrichtung nicht anderst als wol ablauffen / weil Macarie so viel Glücks dazu wünschte. Er fragte den Jungen: wann er wieder ablauffen wolle? welcher sagte /er hätte von seinem Herrn Befehl / auf ihre wieder heimreise zu warten / damit sie des Wegs nicht verfehlen möchten. So ist dann mein Talypsidamus so sorgfältig? sagte Polyphilus / empfohle ihn des Schireno Leuten / und gienge also fort mit dem Agapistus / dem Vinellio aufzuwarten.
Sie wurden von demselben gar höflich empfangen /worauf ihn Polyphilus mit diesen Worten anredte: Seine Leutseeligkeit / edler und berühmter Vinellio! welche uns diesen Zutritt erlaubet / gibet uns auch die Hoffnung / in diesem kühnen Beginnen Vergebung /und in unserm fernern Anbringen Begünstigung zu erhalten. Wir sind Fremde / und kamen in Brundois /mit dem Vorsatze / die übrige Tage unsers Lebens dem Hirtenstande zu opfern / und also den Wi derwärtigkeiten / die uns ohne Aufhören verfolget / einen Damm zu setzen. Wie wir dann allbereit dazu einen Anfang gemacht / und nur noch den benötigten Schutz /
Ich schätze mich glückselig / (gab Vinellio zur Antwort) daß ich die Ehre habe / mit so liebwürdigen Schäfern bekandt zu werden; vielmehr aber / daß sie gesonnen sind / unter unsern Hirten zu weiden. Dann / wo mich mein Gedächtnis nicht betrüget / und ich den Namen recht behalten / so ist er / wehrter Polyphilus! eben derjenige / welcher das Schloß Sophoxenien von den Fluch erlöset. Ich kan zwar dieses nicht laugnen / (sagte Polyphilus) sehe aber nicht /wie ich deßwegen einigen Vorzug fordern dürfte /weil selbige Handlung / mehr dem Glück / oder vielmehr der Vorsehung des Himmels / als meinem Verdienst beyzumessen. Ich habe von dieser Erlösung (fuhre Vinellio fort) so unterschiedliche Meinungen vernommen / daß ich nichts gewisses davon schliessen kan / und begierig bin / ihn selber hiervon reden zu hören. Was dünket ihn / mein Polyphilus! solte dieser Fluch / und dessen Abwendung / ein dloß Göttliches Wunderwerk seyn? oder ist einige zauberische Verblendung mit unter gelauffen? Polyphilus zoge die Schultern / und sagte: Diese Frage / edler Beschützer! ist so schwer / daß ich viel lieber mich mit der Unwissenheit entschuldigen / als eine gefärliche Antwort ertheilen
Weil ich (sagte Polyphilus) seinen Befehlen meinen Gehorsam gewidmet / werde ich solchen diesem ersten nicht versagen dörffen: zumal seine Zusage mich versichert / daß ich meine Gedanken ohne Furcht offenbaren werde. Ich gestehe demnach freywillig / daß ich alles / was daselbst vorgelauffen / vor eine bloße Verzauberung halte. Dann Melopharmis ist dieser Kunst überaus erfahren / und hat / durch dieses Probstück / sich und ihren Sohn / zu Erben der königlichen Güter gemacht. So sind auch die Umstände gar zu klar / und kan jeder Vernünftiger dergleichen hiervon mutmassen. Nachdem er hierauf / dem Vinellio /den ganzen Verlauf erzehlet / sagte derselbe: Solcher gestalt / dörfte ich ihm fast Beyfall geben / daß dieses alles Zauberey gewesen. Aber ist dann niemand an dem Hof / der den Betrug merke? und sind die beyde Weißen / Coßmarites und Chlierarcha (die ich sonst vor gar gelehrt und verständig rühmen hören) zugleich mit dem Schloß verzaubert / daß sie der Königin diese Verblendung nicht offenbaren? Die Weißen / (begegnete ihm Polyphlus) sind mit mir gleicher Meinung / haben auch solches / bey der ersten Tafel /nachdem uns das Sonnen-Liecht wieder beleuchtet /der Königin durch allerhand Gespräche
Dieses lezte / (erwiederte Vinellio) mag wohl die vornehmste Ursach ihres Stillschweigens seyn. Dann es ist jezt nichts gemeiners / als daß die Furcht / Ehre und Güter zu verlieren / und die Hofnung / selbige zu überkommen / die Grrechtigkeit hemmet / die Warheit unterdrucket / auch wol vernünftigen und sonst-tugendhaften Leuten den Mund schliesset / daß sie Hals-Geschwür bekommen / wie Demosthenes. Dieser wuste erstlich viel wider den grossen Alexander zu reden: Nachdem er aber von ihme ein güldnes Poeal verehrt bekommen / verstummete er / und wiese / auf anfragen üm die Ursache / mit der Hand auf seinen verbundnen Hals; anzeigend / daß dessen Krankheit ihn am Reden hinterte. Wiewol ihm dieser Geitz so übel bekommen / daß er darüber eine zeitlang der Stadt verwiesen worden. Diese Straffe würde heut zu Tag ihrer viele beschimpfen / wann man sie rügen wolte. Aber / wieder auf unser Schloß zu kommen / so bewundere ich nicht unbillig / daß die Kraft der Zauberey so mächtig / und unsre Natur in derselben Erforschung so künstlich ist: da sie doch in andern Dingen so onmächtig / daß sie / ohn ein
Das Wesen und die Eigenschaft der Gottheit / (versezte Polyphilus) erscheinet freylich in dem Liecht der Natur etwas dunkel: das Seyn aber und die Gewißheit derselben / ist so offenbar / daß die ganze Natur / mit allen ihren Werken / davon zeuget. Es ist auch kein Land so verwildet / kein Volk so ungezämt und verblendet / das nicht gestehen muß / es sey etwas über uns / dem alles Untere dienet. Dann wohin sie die Augen wenden / da finden sie über-menschliche Wunder. Erde und Himmel / Berge und Gründe / Flüße und Brunnen / Thiere und Menschen / weisen sie auf ihren Schöpfer. Wer führet den Wagen der güldenen Sonne / auf so richtiger Straße / daß er niemals austritt / oder seine Bahn verlieret / sondern jederzeit das vorgesteckte Ziel erreichet / und nicht müde wird? Wer führet dem hochstehenden Beeren / daß er stehen bleibet / wann die andere untergehen? Wer lehret den Abend-Stern / das Tages-Liecht abzufordern? und den Morgenstern / dasselbe wieder hervor zu bringen? Wer leitet die Demanthelle Augen des Himmels / in so beständig schöner Ordnung / daß sie ihren gewohnten Lauf behalten? Diesen hohen Bewegungen /muß ja eine noch höhere Hand den Anfang geben /den Zügel führen / und die Schranken setzen.
Verlassen wir den Himmel / und beschauen die Elemente wie sich Kälte und Hitze / Naß und Trucken / vereinigen; wie das Feur von Natur in die Höhe eilet / und die Erde zu Boden sinket / gleichwol jenes nicht zu hoch steiget / und diese zu tief fallen kan:
Welchem ist aber sicherer zu trauen? (fragte Vinellio) der Natur und Vernunft / oder der Offenbarung? Jene leget ihren Beweiß öffentlich vor die Augen /diese hingegen heiset uns auf ein unsichtbares und unbegreifliches bauen. Dieses
Freylich / (versezte Vinellio) ist die Vernunft ein kleines Fünklein / welches / ohne das Liecht der Offenbarung / leichtlich gar verlischet / und die Menschen in schwarze Finsternüs stürzet. So lang wir auf der Erden bleiben / haben wir an der Vernunft eine sichere Führerin: so bald wir aber höher steigen / müssen wir selbige fahren lassen / weil
Die Schäfere bedankten sich hievor / und nahmen also ihren Abschied: willens / so bald sie nur von Schireno Abschied genommen / nach Soletten fort zu reisen / und Macarien ihre glückliche Verrichtung kund zu machen. Weil aber / das Geschrey von diesen Fremden / allbereit ausgebrochen / als kamen unterschiedliche Schäfere / sie zu besuchen und anzusprechen. Es fiele auch eben ein langwüriges Regenwetter ein / und nötigte sie / ihre Reise zu verschieben. Polyphilus wurde zwar hierüber ungedultig / und beharrte darauf / ungeacht alle Verhinternüs / seine Reise fortzusetzen; wie aus folgenden Zeilen / welche er diesen Abend geschrieben / abzumerken ist.
Also fest hatte Polyphilus seinen Vorsatz gefasset. Und die warheit zu bekennen / es ware auch wol nötig: weil / wann er etwas leißer gestanden wäre /ihn eine neue Begebenheit bald hätte umstossen mögen. Dann als er / mit Agapistus / von Schireno Abschied nehmen wolte / und für die Bewirtung Abtrag zu thun begehrte / gabe der lachend zur Antwort: Er hätte noch nie keinen Wirt abgegeben / pflege aber gute Freunde gern nach Vermögen zu bedienen. Dafern sie aber ja seiner geringen Bewirtung eine Vergeltung thun wolten / so würde es diese seyn / wann sie ihnen gefallen liessen / noch diesen Tag bey ihm zu verziehen / und etlichen seiner bekanten Schäfern und Schäferinnen / die er zur Malzeit beruffen / Gesellschaft zu leisten. Wiewol Polyphilus ungern in diß Begehren willigte / so konte er es doch / Höflichkeit halber / seinem Guttäter nicht versagen. Ob wol (sagte er) sein Begehren / freundlicher Schireno! vielmehr einer neuen Schuld sich zu unterwerffen / als die alte abzustatten / gelegenheit gibet / so wollen wir doch / weil er solche Bezahlung selbsten wehlet /nicht dagegen streiten: nur / daß wir alsdann nicht länger aufgehalten werden / weil unsre Heimreise sehr nötig / und ohne das schon zu lang verschoben worden. Ich will (sagte Schireno) nur diesen Tag begehren: vielleicht möchte sich auch heute der Regen legen / daß sie morgen besser Wetter bekommen / wie es sich fast ansehen lässet. Auf diese Zusage verwilligten
Unter solchen / fande sich auch Carminta / eine von den vornemsten Schäferinnen des Landes Ruthiben /und des Schireno nahe Anverwandtin: Welcher ungemeine Schönheit / Höflichkeit / Tugend / Verstand und Geschicklichkeit / den Polyphilus in nicht geringe Verwunderung brachte; sonderlich / weil diese Gaben / in noch früher Jugend hervor blüheten / und durch eine wolständige Schamhaftigkeit / (die billig ein Schmuck des Frauenzimmers genent wird) grösser gemacht wurden. Er vergleichte sie in vielen Stücken /seiner Macarie: und suchte / weil diese abwesend /mit ihrer Gegenwart / an deren statt / sich zu ergetzen. Wie nun diese Schöne / von allen Schäfern zu Ruthiben bedienet und verehret wurde / also hatte sich sonderlich in sie verliebet / der Schäfer Damatus: welcher ehe dessen unsre Reisende / auf des Vinellio Befehl /besuchet. Er hatte sie lange Zeit mit grosser Höflichkeit und Demut bedienet / konte aber / ausser einer gemeinen Freundlichkeit / nicht die geringste Gegengunst erhalten. Dieses klagte er dem Polyphilus / mit dem er nun etwas bekandter worden / und sagte: Er könne nicht glauben / was unter diesen flammenden Augen / für eine eiskalte Brust verborgen / und was dieses Englische Angesicht / für ein Felsen-hartes Herz bedecke. Polyphilus bewundert solches / und gab zur Antwort: Er könne sich fast nicht einbilden /daß ein Weibsbild / gegen den Bezeugungen eines
Als aber Damatus darauf verharrte / und sagte / er hätte mit seiner Aufwartung / auch die Undankbarkeit selber / zu Mitleiden zu bewegen vermeinet / da aber Carminta ihm noch nicht einen Kuß mit Willen erlaubet: gelüstete den Polyphilus / sein Glück auch an ihr zu versuchen / in Hofnung / es würde ihm / weil er Macarie überwunden / Carminta auch nicht zu starck seyn. Ich will dann sehen / (sagte er zum Damatus) ob diese Schönheit von Marmer / oder von Fleisch gebildet sey: Arbeite ich umsonst / so ist Carminta die erste / die den Waffen des Polyphilus obsieget. Wann ich aber merken werde / daß dieser Diamant beginnet weich zu werden / so will ich den Damatus an meine Stelle beruffen. Dann ich suche hier keine Liebe / sondern nur die Ehre der liebhabenden Schäfere zu erhalten. Agapistus lachte dieses Anschlags / und sagte: Ich möchte mich mit einer Unbeweglichen nicht viel bemühen / und wolte sie immer hin hoffärtig bleiben lassen / auch meine Bedienung an eine Dankbare verwenden. Das gilt gleich viel! (versezte Polyphilus) was nicht bemühet / kan auch wenig erfreuen. Ist nur Damatus damit zu frieden / so will ich diesen Tag versuchen / wie weit ich diese Stoltze bringen kan: und so bald ich warnehme / daß die Besatzung ihres Gemütes zu accordiren willens ist / soll er diese eröfnete Vestung einnehmen / welches ich ihm durch einen Wink zu verflehen geben will. Wann nur / (antwortet Damatus) der Schertz nicht zum Ernst ausschläget / und ich in doppelten Spott gerahte.
Also ward dieser Anschlag beschlossen / und finge Polyphilus allgemach an seine Person zu spielen. Er bediente Carminta über Tische / da er eben gegen sie über zu sitzen kam / mit aller der Höflichkeit und Bescheidenheit / die er jemals gelernet: da sie dann ihm gleicher Weise begegnet. Nachdem sie aber von der Malzeit aufstunden / und / weil sich der Himmel wieder aufgekläret / zu des Schäfers Schireno Heerde zu spaziren / beschlossen / nahm Polyphilus die Gelegenheit in acht / und stellete sich bey Carminta sprechend: Ich weiß nicht / edle Carminta! ob ein Unbekandter die Künheit wagen darf / ihre schöne Hand zu berühren? Ist diese Vermessenheit / daß ich ihr meine Begleitung anbiete / straffbar / so gedenke sie / daß ein Fremder noch Gnade zu hoffen hat / und lasse ihr nicht verdrießlich seyn / diesen Abend der Gesellschaft eines ungeschickten Schäfers zu gönnen. Einen solchen suchet Carminta nicht an dem höflichen Polyphilus: gab diese zur Antwort. Ich ehre die Stunde /welche er verdrießlich nennet / und werde danken vor die Begleitung / um welcher willen er Vergebung suchet. Er wird selber erdulten müssen / was die Gelegenheit füget / und meine Beywohnung vertragen /welche er ihm selbsten aufbürdet. Wann diese Bürde /wie sie die kluge Carminta nennet /
Damit fasste er sie bey der Hand / und folgte den andern Gästen. Unterwegs sprachte er mit ihr / mehr von ernsthaftigen und verständigen Sachen / als von verliebten Händeln: und bekam auch so scharffsinnige / und vernünftige Antworten / daß er sich dar über entsezte; und hätte er nicht allbereit der Macarie seine Seele verpfändet / würde sie ohne Zweiffel Carminta gewonnen haben. Zwar weiß ich auch so nicht /ob ich ihn aller Liebe gegen ihr befreyen soll: dann ihre Beschaffenheiten kommen seinem Gemüte gar zu nahe. Doch will ich nicht vor der Zeit urtheilen; dann er will nur Liebe suchen / vor einen andern / und damit er solche allmälig hervor locke / spielet er /unter den Reden / bißweilen mit einen süssen Blick gegen ihr / den er doch / als ob es ihm leid wäre / bald wieder zurück nahme. Er wuste auch / ihrer schönen Hand / mit so subtilem Drucken zu begegnen / daß Carminta niche warnahm / wie sie gefangen wurde. Als sie nun zu der Heerde gekommen / und Polyphilus sie bate / den Sitz zu nehmen / wagte er zugleich die Künheit / im Riederlassen / ihr die Hand zu küssen / welches Carminta gar schläfferig verwehrt / und also dem Polyphilus gute Hofnung zu fernerer Gunst machte. Weil er aber solche durch Liebe zu erhalten ihm nicht trauete / versuchte er es durch die Beehrung / welche dieses Geschlecht sehr bewegt / und begunte also zu singen.
Diß Lied / ob es wol der Schäferin sehr behagte /wolte sie es doch / Hoffartwahn zu vermeiden / nicht unbestrafft lassen / sondern beantwortete es / durch diese Verkehrung.
Nachdem Carminta dieses Lied geendet / fieng Polyphilus an / ihre Englische Stimme und treffliche Reim-Kunst zu preisen / und sagte: Er hätte wol Ursach / ihrer höflichen Entschuldigung zu widersprechen / und dtn warhafftigen Innhalt seines Lieds zu behaubten. Er schäme sich aber / gegen eine so Kunstfärtige Dichterin / ferner seine schwache Zunge zu rühren / und fürchte des Marsias Spott / der mit dem Föhus wett singen wollen.
Also spielten diese beede mit Höflichkeit / biß endlich Polyphilus seinen Arm um Carminta schlosse /und / weil sie solches nicht hinterte / ihre Brust / mit einer gar leisen Berührung an sich drückte: welches bey Carminta so viel vermochte / daß sie selbst ersezte / worzu seine Hand zu blöd schiene / und so nahe an ihn rückte / daß er vollends zufuhre / und ihren schönen Wangen einen freundlichen Kuß beybrachte. Hätte Macarie / die so sehnlich auf ihren Polyphilus wartete / zugegen seyn / und diese also in seinen Armen sehen sollen: wie würde sie solches aufgenommen haben? Doch Polyphilus entschuldigt ssch dißmahl / mit einer fremden Verstellung / und wir wollen ihn auch nicht verrahten: wann er nur selber schweigen kan. Damatus aber / welcher mit dem Agapistus (der dieses Handels nicht genug lachen kunte) von fern stunde / und diese Mauer allgemach brechen sahe / ward voll Verwunderung / und konte kaum das Zeichen erwarten / welches ihm Polyphilus versprochen hatte: fürchtend / er möchte einen Neben Buhler bekommen
Als er nun / in diesen ängsten / einen Wink vom Polyphilus bekommen / verfügte er sich mit Agapisto dahin / und verursachte damit / daß Carminta / so bald sie ihrer gewar worden / aufstunde. Polyphilus wendete sich zum Agapistus / und fragte / wovon sie indessen gesprachet hätten? und gabe zugleich dem Damatus Gelegenheit / seine Stelle bey Carminta /aber gar ungleich / einzunehmen. Dann sie erzeigte ihm eben so viel / als vorhin / oder wol noch weniger Liebe und Freundlichkeit / wie demütig und höflich er auch solche suchte: also daß Polyphilus gezwungen wurde / seinen vorigen Dienst wieder anzutretten /und diese Schöne / weil nun die andere heim eilten /auch nach Haus zu begleiten.
Nachdem er von ihr einen freundlichen Abschied genommen / gieng er mit dem Damatus und Agapistus wieder zu Schireno / da ihn Damatus fragte: was er doch vor Künste gebraucht hätte / die Carminta zu bewegen? und was doch seine Liebe derselben verdrießlich machen müste? Meine Künste / (sapte Polyphilus mit lachen) weiß ich mehr zu üben / als zu beschreiben. Was auch seiner Aufwartung fehlen solte /sehe ich nicht / auser der größe der Liebe / welche der Carminta beschwerlich fällt / und seine Demut / die ihre Hoffart reitzet: dann das Frauenzimmer will mehr mit Werken / als mit Worten / überwunden seyn. Wer sie um eine Begünstigung bittet / bekommet nichts als Abschlag: wer sie aber mit Höflichkeit stihlet / erlanget Vergebung. Von allzugrosser Süssigkeit / ergiesset sich
Ich sehe wol / (gab Damatus zur Antwort) daß Polyphilus sehr erfahren ist / in den Staats-Geheimnussen des Frauenzimmers. Ich will seinen Lehren folgen / und versuchen / wie viel sie vermögen. Gut! (versezte Polyphilus) wann ich wieder komme / so will ich die Probe an seiner Hochzeit sehen / wozu ich indessen Glück wünsche. Hierauf nahm er vom Damatus Abschied / und gienge mit dem Agapistus schlaffen. Des andern Tags / rüsteten sie sich zur Reise / bedankten sich gegen dem Schireno / für so viel erwiesene Ehre / und versprachen / ihre Schuldigkeit gegen seiner Liebsten sehen zu lassen: Damit nahmen sie Abschied / und giengen ganz wol zu frieden / nach der Insul Soletten.
Polyphilus und Agapistus / kommen wieder zurücke nach Soletten zum Talypsidamus / von dar zu Macarien in ihr Lusthaus / und dann zu ihren Weidgenossen. Polyphilus wird in die Volinie verliebt geglaubet / und kommet wieder zu Macarien. Sein Gespräche mit ihr / von ihrer beyden ungewisser Ankunft. Sein Frülings- und ihr Melopharmis und Agapisten: und wird sie von ihnen nach Soletten begleitet. Schlußgedicht dieses Dritten Buchs.
Ehe die beyde Schäfer in Soletten kamen / fragte Agapistus den Polyphilus: ob er Macarie erzehlen solte /was mit Carminta vorgelauffen? Polyphilus sahe ihn an / und sor ach: Ihr wäret wol närrisch gnug darzu. Daran habt ganz keinen Zweiffel: versezte Agapistus. Nein! (sagte jener /) so übel thut Agapistus nicht an seinem Freund. Er weiß auch wol / daß Polyphilus keine auser Macarien liebet / auch keine ihres gleichen findet / und daß er mit Carminta nur zum Schertz gespielet habe. Das kan seyn / (antwortete Agapistus) wann es nur Macarie dafür aufnimmet. Aber / wollen wir gleich zu ihr / oder erstlich zum Talypsidamus gehen? Das lezte ist am sichersten: (sagte Polyphilus) dann man weiß nicht / was indessen möchte vorgefallen seyn.
Also giengen sie / mit dem Jungen / zum Talypsidamus / der sie / nach freundlicher Bewillkommung /berichtete: daß Macarie nicht zu Hause / und vorigen Tags auf ihr Landgut verreiset sey / vor ihrem Abzug aber ihn wissen lassen / daß sie daselbst des Polyphilus erwarten wolte Dieser verwunderte sich über solchem Vornehmen / und fragte den Talypsidamus / ob er nicht dessen Ursache wüste? Nicht eigentlich! (sagte Talypsidamus) so viel ich aber mutmasse /wird es ein abermaliger Widerwille meiner Landsleute seyn:
So wäre dann mein Raht / (sagte Talypsidamus /) daß er biß dahin verzöge / und alsdann seine Liebste /unter einen Ruthibischen Geleit / welches die Soletter fürchten müssen / herrlich abholete. Dann auser diesem Schutz / sorge ich / es möchten die hiesige Inwohner / bey einer öffentlichen Verlöbnus / ihrer Rachgier eine kühne That grstatten. Und zu einer heimlichen Entführung / wird sich Macarie / wegen der bösen Nachreden / schwerlich bereden lassen. Wiewol nun dieser Raht den Polyphilus gar klug dünkte / so konte er ihm doch / wegen des Verlangens mit Macarien bald völlig vereinigt zu seyn / nicht Beyfall geben / sondern beschloße / er wolte vernehmen / was Macarie vorschlagen würde / und bedankte sich indessen für den wolgemeinten Raht. Er wolte damit von Talypsidamus Abschied nehmen: weil es aber schon zimlich spat war / bate dieser / sie möchten doch diesen
Am Morgen nahmen sie Abschied vom Talypsidamus / mit hohem Dank vor seine Bewirtung / und giengen / unter einem guten Gespräche / nach Macarien Garten-Hause. Als sie nun demselben genähert /ersahe sie Macarie von einem Fenster / und gieng ihnen entgegen / empfienge sie mit grosser Freude /und bate sie / mit auf ihr Zimmer zu spaziren: allwo sie / weil es eben Mittag / dem Tisch bereitet fanden /und von Macarie ersuchet wurden / mit ihr zu speisen. Wiewol sie sich nun entschuldigten / einwendend /daß sie noch selbigen Tag in ihren Trifften seyn müsten: so ließe sich doch Macarie nicht abweisen /zumal sie ohndas ihre Verrichtung zu erzehlen hatten / mit Versprechen / daß sie nicht über die Zeit solten gehalten werden. Die Schäfere ließen sich / an einem so angenehmen Ort / leicht erbitten / und satzten sich mit ihr zu Tische: da sie dann von Macarien so höflich und wol tractirt wurden / daß sich Polyphilus sehr darob erfreute / Agapistus auch bey sich selbst seines Gesellschafters Glük rühmte. Polyphilus fienge unter andern an / und sagte: Er hätte nicht gedacht / daß er durch Soletten reisen / und Macarie nicht daselbst finden solte. Ich selbst hätte es nicht vermeint: (begegnete ihm diese) aber was vermag die
Von seinem schönen Hündlein! antwortete Macarie. Dann als dasselbe ongefehr aus meinen Hause auf die Gassen kam / und von etlichen meinen Nachbauern / die seine Durchreise vorhin erfahren hatten / ersehen wurde / mutmasten sie alsbald / daß er solchen hinterlassen / und ohne Zweifel wieder abholen würde: beschlossen demnach / auf seine Widerkunfft zu lauren / und alsdann ihn gefänglich anzunehmen. Solches ward mir verkundschaftet: Daher ich alles Unheil zu verhüten / mit dem Hunde hieher entwichen. So sehe ich gleichwohl / (sagte Polyphilus) daß Macarie vor den Polyphilus sorget / und sage vor solche Aufrichtigkeit schuldigen Dunk. Aber wie werden wir endlich die Solettische Inwohner begütigen? Ich weiß keinen Rath / (begegnete ihm Macarie /) so lang ich nicht weiß / was sie zu Ruthiben ausgerichtet
Alles guts! gab Polyphilus zur Antwort. Ich habe daselbst mehr Ehre genossen / als ich mir eingebildet / und nicht nur den Schutz / sondern auch alle beförderliche Gunst erlanget. Das höre ich sehr gerne /(versezte Macarie) und wünsche / weil mein voriger Glückwunsch kräfftig gewesen / noch ferneres Glücke. Ich bitte aber / indem es solche Beschaffenheit hat / mit unsrer näheren Verbindung noch so lang zu verziehen / biß die Förderung erfolget: Polyphilus sahe hierauf den Agapistum an / und sagte: das ist eben das Lied / welches mir gestern Talypsidamus vorgesungen / dessen Thon mir so gar nicht gefallen wolte. Soll ich
Nach vollendter Malzeit nun / machten sich die Schäfer auf den Weg / und nahm Polyphilus / weil er doch in des Agapistus Gegenwart / keine verliebte Freundlichkeit vorkehren dorfte / Macarie auch solche nicht reichen würde / von ihr einen höflichen und dankbarn Abschied. Doch bate er heimlich / daß er folgendes Tags seine Aufwartung fortsetzen möchte. Dafern es ihme nicht beschwerlich / (sagte Macarie) habe ich darum zu bitten. Dißmal aber bedanke ich mich vor ihre Gesellschaft / und bitte / meine schlechte Bewirtung günstig zu vermercken. Also schieden sie von dannen / und reiseten nach ihren Triften / die sie in gutem Wolstande fanden. Ehe sie aber dahin kamen / fragte Polyphilus den Agapistus: wie ihm der Raht Macarien gefiele? Ich weiß nicht / (gab dieser zur Antwort) was ich davon halten soll? Vernunft zeiget er genug: ob er aber die Liebe vergnüge / das ist es / daran ich zweifle. Doch kan er / wo ihn solcher Raht nicht beliebet / durch die Entdeckung ihres Vatters / sie bald eines andern bereden. Ich trage aber Bedenken
Unter diesem Gespräche kamen sie zu den Schäfern / und wurden von denselben gar freundlich empfangen: sonderlich von Melopharmis und ihrem Sohn. Polyphilus brachte dem Cumenus einen Gruß vom Vinellius: welcher sich davor bedankte / und fragte /ob sein Brief etwas Nutzen geschafft hätte? Sehr viel! (versetzte Polyphilus) er hat uns den Schutz / welchen wir gesuchet / und noch viele Gunst-Versprechen erlanget. Dieses wird nicht mein Schreiben (sagte Cumenus) sondern ihre gute Gaben / von welchen mein Brief gezeuget / erworben haben. Ich wünsche aber /zu solcher Beförderung / alles Glücke. Nachdem auch die andern ihre Glückwünschungen abgeleget / und Volinie wol wuste / daß Polyphilus ihre Stimme liebte / fieng an / solcher massen zu singen.
Polyphilus / welchen dieses Lied nicht wenig ergetzet / erwiderte der schönen Volinie einen höflichen Dank / und sagte: daß sie dißmal ihrer Höflichkeit zuviel erlaubet / und ihn über Verdienst geehret hätte. Hiernächst nahm er sie / (weil es eben Zeit war / die Heerde einzutreiben) bey der Hand / und begleitete sie / zum Zeichen seiner Dankbarkeit / unter vielen höflichen Gesprächen / nach Hause. Die andere Schäfere und Schäferinnen / folgten ihm mit den Herden nach; und weil Volinie diesen Abend bey ihrem Vater Cumenus speisete / blieben sie beyeinander / biß sie die tiefe Nacht zur Ruhe forderte.
Als sich aber unsre beyde legten / fragte Agapistus den Polyphilus: Ob er wisse / was man von ihm und Volinie rede? Was dann? fragte dieser hinwieder. Daß sie einander lieben: versetzte Agapistus. Die Leute werden ja nicht närrisch seyn? (erwiederte Polyphilus) sie wissen ja / daß
Dieser schliefe aber diese Nacht gar wenig / und qwälte sich mit den Verlangen nach seiner Macarie /welches er diesen Tag so gar nicht sättigen können. Also machte er sich früe wieder auf / und / nachdem er den Agapistus / seine Abwesenheit bey
Ach mein Polyphilus! (versezte Macarie) diese Blume / die eure Höflichkeit so sehr rühmet / stehet auf einem rauhen Stengel / und diese Rose (damit ich eure Gleichnus nicht verwerfe) ist mit vielen Dörnern umgeben. Wie ist es doch müglich / daß ihr mich noch liebet / da ihr ja nicht wisser / von was Eltern ich gebohren bin? Ich liebe Macarien (begegnete ihr Polyphilus) deren Schönheit des Leibs und Gemütes /meine Liebe überflüssig verdienet: und ob mir gleich unwissend ist / von was Eltern sie geboren ist / so zeiget sie doch selber / als eine edle Frucht / daß sie von keinen geringen Stammen entsprossen sey. Wann wir einen Vogel in die Sonne fliegen sehen / schließen wir hald / daß er einen Adler zum Vatter habe: und ein mutiger
Wann gleich dieses wäre / (erwiderte Polyphilus) kan es doch dem Adel des Gemüts nichts benchmen. Dann / der jenige / so ein unedles und lasterhaftes Gemüt heget / hat sich des Adels und der Tugenden seiner Vorfahren nichts zu rühmen / weil er solche nicht fortsetzet / sondern nur ein Schandflecken seines Geschlechts / und ein Aas von einem Edlen zu nennen ist / wie der treffliche Opitz gar warhaftig sagt:
Also kan auch / die Gemüts Hoheit und der Tugend-Adel durch eine niedrige Ankunft nicht verringert werden; und solte Macarie / von den allerverächtlichsten Eltern (welches doch nimmermehr glaublich) erzeuget seyn / so bleibet sie doch / die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie / deren Gaben Polyphilus billig anbetet / die auch niemand / ohne Verwunderung /Liebe und Ehre anschauen kan. Ja / damit mein Hertz sehe / daß ich nicht Ursach habe / mich an ihrer ungewißen Geburt zu stossen / so bekenne ich ihr aufrichtig / daß ich mit ihr gleiches Unglück trage / und von meinen Eltern gar wenig mehr Nachricht / als sie / zu geben weiß. Soll ich dieses glauben / (fragte Macarie) oder
Hierauf giengen sie in die bewachsene Sommer-Hütte / und setzten sich zusammen / da dann Polyphilus also zu reden anfienge: Meine Erzehlung / schönes Kind! wird kurz seyn / weil die Wissenschaft sehr gering ist. Ich habe nicht mehr Nachricht / als daß ich /in der Landschaft Brunsile / von einen Schäfer selbiger Gegend / erzogen worden: welcher aber freywillig gestehet / daß er nicht mein Vatter sey / solchen auch nicht gesehen habe. Dann als er einst seine Herde geweidet / ist eine / dem Ansehen nach / vornehme Frau / mit zittern und ängsten / auf ihn zugelaufen: welche mich / als ein noch unmündiges Knäblein / an der Hand geführet / und ihn mit vielen Threnen gebeten / er solte sich doch ihres Elends annehmen / und dieses Kind schützen und verbergen / daß es nicht von den Raubern ermordet würde. Sie hat ihm beynebens etliche zwantzig. Kronen / samt einem Ring von hohem wehrt / welchen er noch zum Gedächtnus aufhebet / zugestellet / und / nach einem schmerzlichen Abschieds-Kuß / auch mit versprechen / daß sie ehist wiederkommen wolte / traurig hinweg geeilet. Er hat sie aber nachmals nicht mehr gesehen / auch nichts weiter erfahren können / als daß selbigen Tag / etliche Rauber / eine Kutsche geplündert und weg geführt hätten. Also hat er mich vor sein eigen Kind aufgezogen.
Dieses ist das wenige / was ich von meiner Ankunft zu sagen weiß: welches mich / so bald ich es vernommen / angetrieben / den Schäfer-stab zu verlassenMacarie zur Antwort /) da ich aus allen Umständen schließe / daß ich von solchen Eltern geboren bin. Glaubet mir / liebster Polyphile! daß ich euch nun noch so frölich liebe /weil ich weiß / daß ich / auch in der Ankunft-Ungewißheit / euch zum Gesellschafter habe. Vielleicht gönnet uns der Himmel / mit der Zeit / noch einige Nachricht von unsern Eltern.
Polyphilus fienge hierauf an / sein Liebes-Verlangen bey Macarie zu sättigen / und genoß von ihr solche Freundlichkeit / daß er fast aus sich selbst gebracht wurde / und wol Ursach hatte / diesem Tag /welcher ihn so herrlich vergnügte / Dank zu sagen. Damit aber ja ihre Liebe in der Unvollkommenheit bliebe / wurden sie bald zerstöret / indeme mitten in ihren Umarmungen / der Macarie Dienerin anklopfte / und sie berichtete / daß jemand von Soletten vorhanden / so mit ihr reden wolte. Nachdem sie den Polyphilus gebeten / ihr zu vergeben / daß sie ihn etwas allein ließe / gienge sie aus dem Sommerhause nach ihrem Zimer / ihn in der Einsamkeit hinlassend;
Er hätte weiter geschrieben / wann nicht Macarie wieder zu rücke gekommen wäre. Sie gienge behend nach dem Tisch / lase was er geschrieben / und sagte hernach: Ihr rühmet mich zu hoch / mein Kind! und werdet hinfüro solche überfiüssige Verehrung einstellen /wann ich nicht glauben soll / daß ihr mehr Höflichkeit / als Liebe heget. Wie solte ich aufhören / (sagte Polyphilus /) die jenige zu ehren / welche ich so sehr liebe? Ihr billiger Ruhm / schöne Seele! wird / so lang ich schreiben
So will sie dann (sagte Polyphilus ganz erschrocken) schon wieder nach Soletten? Und soll die Glückseeligkeit meiner Liebe / welche sich kaum angefangen / wieder abgeschnitten werden? Soviel ist es ja /(begegnete ihm Macarie) und habe ich eben jezt einen Brief von Soletten erhalten / in welchem mich eine meiner vertrauten Freundinnen berichtet
Damit nahm er Abschied / und kame so spat wieder zu den Tieften / daß er die Heerden nicht mehr im Feld fande. Der Melopharmis und dem Agapistus hinterbrachte er die Einladung seiner Liebsten / welche sich so bald entschlossen / sie zu besuchen. Wie sie dann solchen Vorsatz ins Werk stellten / und des andern Morgens gar früe mit Polyphilus / nach den Landgut der Macarie giengen / und daselbst von ihr /mit großer Höflichkeit empfangen wurden. Sie führte diese ihre Gäste eine Zeitlang im Garten auf und ab /und bate / ihr zu vergeben / daß sie sich unterstanden / sie an diesen schlechten Ort einzubitten.
Melopharmis / deren dieser Dank nicht übel gefiele / gabe zur Antwort: Ihre Höflichkeit / Tugendgezierte Macarie! ist ungleich grösser weder meine geringe Hülffe / welche vielmehr der Göttlichen Vorsehung / als meinem Vermögen beyzumessen. Und so ich je etwas / zu ihrer Vergnügung gewirket hätte /wäre solches doch längsther / durch die Unterrichtung meines Sohns / vom Polyphilus ersetzet worden. Ist also ihr hoher Dank / ganz überflüssig. Ich werde mich aber hinkünftig bemühen / zu verdienen / was ich von ihrer Freundlichkeit heut genieße: damit die Danksagung der schönen Macarie / nicht vergeblich sey. Macarie führte sie hiernächst mit auf ihr Zimmer / und bate /
Weil jenes / an einen so einsamen und ungelegenen Ort nicht zu hoffen / (sagte Macarie) so solte billig dieses den Mangel ersetzen. Allein / ich muß mich auch darinn gar ungeschickt bekennen / und werde bey meiner Einsamkeit / fast gar die Sprache vergessen. Das kan man nicht spüren / (versetzte Agapistus) und halte ich vielmehr davor / daß die kluge Macarie /in der Einsamkeit / einen solchen Uberfluß schöner Worte samle / daß sie sich hernach / bey Gesellschaften / damit verwunderlich machen könne. Wann ich nicht wüste / (erwiederte Macarie) daß Agapistus gern scherze / so wolte ich diese Auflage bestreiten. Allein / ich fürchte / dadurch nur seiner Beredsamkeit den Damm zu öffnen / und meine Unvermögenheit käntlicher zu machen. Ich befinde also viel nötiger /zu bitten / daß sie die geringe Speisen kosten / und den geneigten Willen / mit welchem ich die leere Schüsseln gefüllet / an stat des gültigen Werks annehmen wollen. Wir haben
Also hieß sie die Kutsche bespannen / und bate ihre Gäste / zu ihr zu sitzen: welches sie / nach höflicher Danksagung vor erwiesene Ehre / verrichteten. Polyphilus saß zu Macarien / und samlete / die Kürtze der Zeit beobachtend / die Früchte seiner Liebe / ehe der Garten verschlossen wurde / mit solcher Ergötzlichkeit / daß Agapistus / wie er scherzhaft war / solche zu zerstören suchte / und die Melopharmis bate /etwas von ihrer beyder schmerzhafter Trennung zu singen / welches sie also erfüllete.
Damit nun Melopharmis nicht alsbald gewonnen gäbe / versuchte sie noch einmal ihre Künst / mit diesen Zeilen:
Macarie konte diß nicht langnen / und wolte es doch auch nicht allerdings gestehen / sondern suchte das Mittel / mit folgender Antwort:
Wie sehr den Polyphilus diese Erinnerung seines Unglücks bewegte / so muste er doch solches Scherz-Gespräches lachen. Und weil sie eben damit der Weg auf Soletten scheidete / sprang er viel herzhafter / als ihm zu muht war / aus der Kutschen: da ihm die andere folgeten / und allda von Macarien Abschied nahmen. Polyphilus bate sie / in der Liebe beständig / und in seinem Andenken
Des Polyphilus Briefwechsel mit Macarien / Ihre Klage / und sein Traum vom Eusephilisten. Auf Einrahten des Talypsidamus / kommet sie zum Solettischen Fest-Mahl: wobey auch Atychintide sich unversehens einfindet. Ihr Gespräche / von der Ungerechtigkeit des Männlichen gegen dem Weiblichen Geschlecht / und von dessen Vollkommenheit.
Das Leben der Menschen / sonderlich der Verliebten /ist eine Schau-Bühne / auf welcher / bald traurige /bald fröliche Begebenheiten vorgestellet werden. Es gleichet einem fliessenden Bach: welcher seine Crystallen-helle Flut / bald durch Smaragden-grüne Felder / bald wieder durch sumpfichte Thäler / und über
Dann als Macarie / nach ihres Liebsten Abschied /wieder nach Soletten gekommen / muste sie / nicht allein von den Inwohnern / viel schimpfliche und bedrohliche Worte wider ihren Polyphilus anhören /sondern sie bekam auch / gleich des andern Tages /einen Brief durch des Gärtners Jungen / dieses Inhalts:
Verlangtes Herz!
Ihre hohe Freundlichkeit / wird mir zu gut halten /daß ich diese Begrüßung / wegen Kürze der Zeit /nicht zierlicher / wegen der unvermuteten traurigen Post aber / die mich diese Stunde erschröcket / nicht liebreicher und frölicher setzen kan. Hat sie dann /ach liebes Kind! die feindselige Insul / so hefftig verlanget / damit sie desto geschwinder in die Strafe der Liebe gerahte: Das ist aber deren Eigenschafft / daß sie / auf den höchsten Griffel der Süssigkeit / einen Wermut-Strauch wachen lässet. Wolle sie sich demnach nicht bekümmern / so lange die Brunst meines Verlangens sie begleitet / welche nicht eher / als mit ihrer beharrlichen Gegenwart / verleschen wird. Diese / in dem sie je länger je befeürter glühet / wird sie auch alle Beförderung erwehlen
Ihr einig Ergebener
Polyphilus.
Daß Macarie über diese unvermutete Zeitung hefftig erschrocken / ist unschwer zu ermessen: sonderlich /weil sie nicht wuste / von wem Polyphilus solche erhalten / und befürchten muste / daß vielleicht ein listiger und gefährlicher Anschlag / von Eusephilistus und den Solettischen Inwohnern / zu ihren Verderben / geschmiedet werde. Welches zu erkundigen / sie bey Polyphilus / den Grund dieser Klage / mit folgenden Zeilen suchte.
Ich habe mein Verlangen / so lang mit euren süssen Gedächtnus unterhalten / biß ich von eurem erwünschten Brieflein bin erfreuet / aber auch zugleich verwirret worden: weil mir alle die Widerwertigkeit und Unruhe / in welche mich / seinem Schreiben nach / des Eusephilistus Anwerbung soll gebracht haben / gantz unbekandt ist. Verständiget mich doch /mein Kind! wer euch mit dieser ungegründten Zeitung betrübet: und glaubet / ins künfftige / keinem Bericht / als der von mir selbsten kommet. Versichert euch meiner Aufrichtigkeit / wider allen Zweifel / und glaubet / daß ich euch nichts verhalte. Solte ich unverhoffte Gelegenheit überkommen / es sey gleich durch was Mittel es wolle / mit Eusephilisten zu sprechen / so werde ich ihm mit solchen Worten begegnen / die ihme unsere Freundschaft glaublich / und doch nicht gantz gewiß machen. Dann ob gleich etliche Umstände nicht mehr so gefährlich scheinen / wie vorhin / so ist es doch weit sicherer / daß wir unsere Liebe / noch zur Zeit / hinter dem Vorhang einer fremden Verstellung verbergen / und die Verschwiegenheit so lang zur Hüterin stellen / biß dieses Geheimnus die Lufft ertragen kan: sollen anderst die / in so viel Augen / Ohren / und Zungen / leuchtende Funken unsrer Liebe / mit der Asche der Vergessenheit bedeckt bleiben / und unsre Ruhe nicht zerstören. Es ist ja genug / daß wir es wissen / und
Eurer beständigen
Macarie.
Mit dieser Antwort / schickte Macarie den Jungen wieder zum Polyphilus / mit Befehl / ihr eilends eine Gegen-Antwort zu bringen. Sie aber blieb indessen /unter einem Hauffen sorglicher und ungewisser Gedanken / zu Soletten / und unterließ nicht / heimlich nachzuforschen / von wem doch Polyphilus die Nachricht / wegen des Eusephilistus / möchte erhalten haben. Sie konte aber nichts erfahren. Bin ich nicht /(gedachte sie) eine Stief-Tochter des Glückes / und eine Wiege der Widerwertigkeit? wie gönnet mir doch mein Verhängnus so gar keine beständige Freude? Wann die Blume meiner Ergötzung kaum anfähet zu blühen / so wird sie durch einen verdrießlichen Wind wieder abgebrochen. Solte ich doch / in Ansehung dieser Unbeständigkeit / fast das Unglück vor der Lust erwehlen: weil jenes von Hoffnung der Errettung / diese aber / von Furcht der Gefahr begleitet wird? Besser aber werde ich handeln / wann ich keines von beyden achte / und die Thür meines Gemüts vor diesen Aufrührern zuschließe. Dann der Himmel pfleget ohne unterlaß mit uns Sterblichen zu wechseln / und lässet bald einen linden
Diß war der Vorsatz Macarien / welchen sie / zu Uberwindung aller Widerwärtigkeit / gar vernünfftig gefasset. Wir wollen aber fortfahren / und sehen / wie vest sie darinn gegründet sey. Sie bekommet / gleich des andern Tages / einen Brief vom Talypsidamus /welchen Polyphilus geschrieben / dieses lauts.
Mein Hertz!
Gleichwie mich billig / das angenehme Zeugnus ihrer getreuen Liebe / in der schuldigen Gegen-Pflicht verstärken würde / wann nicht meine Entzündung in solcher Vollkommenheit sich befände / daß sie keine
Ihr ganz eigner
Polyphilus.
Nachdem Macarie diesen Brief gelesen / fragte sie den Talypsidamus: ob er etwas vom Eusephilistus gehört /und wann er diesen Brief vom Polyphilus bekommen? Gestern (sagte er) bin ich bey seiner Heerde vorbey geritten / eben / als er ihren Brief / wehtriste Base! von den Gärtner-Jungen erhielte / und deßwegen meiner Ankunft froh wurde / ihr wieder eine Antwort zuzuschicken. Er erzehlte mir / wie er die Nacht nach ihrer Abreise / einen Traum gehabt / der ihm / die Werbung des Eusephilistus bey seiner Macarie / so gar deutlich und beweglich vorgeftellet / daß
Also ließe Macarie den Talypsidamus von sich /und rüstete sich zu bevorstehendem Fest: welches zu Soletten jährlich dem Himmel / vor die gnädige Errettung und Beschützung ihrer Insul / mit Gebet und Opffer zu danken gefeyret / und nach geendigten Gottesdienst / auf einem dazu bestimmten herrlichen Saal / mit einer kostbaren Malzeit / von den vornehmsten Inwohnern beschlossen wird. Ob nun wol Macarie / wegen ihres Trauerstandes / bißher diesem Gastmal nicht beygewohnt / sondern nur den Tempel besuchte: so entschlosse sie doch
Die Königin sahe die Macarie / unter dem Essen /ohn unterlaß an / und führte allerhand Gespräche: welche von dieser sehr vernünfftig und bescheidentlich beantwortet wurden. Atychintide bewunderte sie nicht wenig / und sagte endlich zu Eusephilisto / und seinen Beysitzern: Wie komt es doch / daß ihr die schöne und kluge Macarie / als das Liecht eurer Insul / so lang ohne Liebsten lasset? Ihre so veste Entschließung / Durchleuchtigste Königin! (gab Eusephilistus zur Antwort) hat bißher alle unsere Beredungen unkräftig gemacht. Wir hoffen aber / es soll nun bald dieser Vorsatz / von einem andern überwunden werden. Gar schwerlich! (versetzte Macarie / die /in Gegenwart der Königin / keiner Liebe sich schuldig machen wolte) je länger ich der Einsamkeit genieße / je mehr ich mich in sie verliebe.
Solte ich doch / sagte die Königin / fast selbst der klugen Macarie Beyfall geben / daß die Einsamkeit /weit sicherer und freyer sey / weder die Gesellschaft der Männer? durch welche wir oft Hülffe suchen / und Qual finden; Beschützere hoffen / und Verfolger erlangen. Dann / wann wir die Warheit bekennen sollen / so hat das Frauenzimmer keine ärgere Feinde /als eben die jenigen / welche sie so
Billig solte eine Weibs-Person erschrecken / wann sie / nach ausgestandenen Geburt-Schmerzen / sich eines Sohns Mutter sihet / und den jenigen mit so grosser Mühe und Sorge erziehen soll / der nachmals sie und ihr Geschlecht so schmählich lästert. Wol und weißlich haben demnach die Amazonen gehandelt /daß sie ihre männliche Geburten von sich gestoßen /und so undankbare ihrer Auferziehung nicht würdigen wollen. Ich habe mich oft verwundert / wann ich gesehen und gehöret / daß die Jungfern den Schmeichel- Worten ihrer Anfwarter und Liebhabere so sichern Glauben
Also sagte dorten die Ariadne / als sie der undankbar Theseus schändlich verlassen hatte. Jenes Weib / welches der zauberische Trank der Circe in eine Hündin verwandelt / weigerte sich / auf des Vlysses Zusprechen / wieder ein Mensch zu werden: einwendende /daß sie solcher Gestalt viel vergnügter lebe / und die Thiere ihre Gesellinnen ungleich mehr / weder die Menschen / liebten und versorgten. Wer solte dann nicht lieber in der Einsamkeit bleiben / als sein Bette mit solchen Fremden beschweren / die Feindschaft im Herzen halten / und an uns nie ohne Verachtung gedenken?
Diese Rede / welche die Königin gethan / üm der Macarie einen Eckel vor des Polyphilus Liebe
Gleich als wann dergleichen Laster (fiel ihr die Königin / etwas hitzig / ein) nicht auch bey den Männern zu finden wären! Ich weiß kein einiges / aus erzehlten / von welchen sich das Männliche Geschlecht ausschließen könte. Nur daß sie die Freyheit haben / ihre Mängel zu verdecken / und zu entschuldigen / unsere hingegen ans Liecht zu stellen / und größer zu machen. Da muß eine Stille einfältig / eine Gesprächige wäschhaftig / eine Freundliche leichtfärtig / und eine Ernsthafte hoffärtig heisen. Schweigen sie / zu allen Handlungen ihrer Männer / so sind sie alber; reden sie dawider / so wollen sie regiren; fordern sie Geld / so sind sie verschwendisch und wollüstig; wollen sie es dann ersparen / so sind sie geitzig. In summa / keine Tugend ist an uns / welche sie nicht tadeln; und kein Laster an ihnen / das sie nicht entschuldigen. Hätten wir aber die Freyheit / oder vielmehr die Gewonheit /Bücher zu schreiben / als sie: wir wolten ihnen ihre Fehler ja so deutlich / als sie die unsere /
Vielleicht sind auch (versetzte Macarie) unsere Gemüter und Beschaffenheiten unvollkommener / und der Wissenschaft unfähiger / als die Männliche? Man sihet gleichwol an den meinsten Thieren / daß das Weiblein schwächer und mangelhafter ist / als das Männlein. So hat auch der Schöpfer selbsten / dem männlichen Geschlecht / die Herrschaft / über das Weibliche zuerkennet. Diese Ordnung (erwiederte Atychintide) ist eine Strafe / welche von des Weibes Verbrechen / und gar nicht von ihrer Unvollkommenheit herrühret. Wann / ein kluger und hochgesinnter Minister / seinem König nach der Cron trachtet / auch wegen solches Verbrechens seiner hohen Würde entsetzet / und einem andern unterworffen wird: so dienet er demselben / nicht wegen Unvollkommenheit seines Verstandes / sondern zur Strafe seiner Empörung. Also hat es sich auch / mit der Herrschafft der Männer. Der Thiere Vorzug / bestehet mehrenteils in der Größe und Stärcke / davon ihre Hertzhaftigkeit herrühret: und wird solches / von der Nutzbarkeit des Weibleins / reichlich ersetzet. Wann die Männer sich solches Vorzugs rühmen / wollen
Macarie lächelte / mit den andern / hierüber / ließ sie aber doch in ihren Beweiß fortfahren / welcher also erfolgte. An Schönheit der Gestalt / gestehen sie selber / daß wir nie ihnen gleich / wo nicht überlegen sind. So ist auch die Kindheit und Jugend des mannlichen und weiblichen Geschlechts / nur in diesen unterschieden / daß das Weibliche gedultiger / gehorsamer und vernünftiger / als das Männliche / erfunden wird. Dann man muß gestehen / daß von den zehenden biß in das vierzehende oder sechzehende Jahr /das Frauenzimmer viel verständiger / höflicher und tugendhafter sich hervor thut / als die Männliche Jugend: welche gemeinlich in solchen Jahren am ungezogensten erscheinet. Daß sich aber nachmahls das Blat wendet / und die Manns-Personen uns übertreffen /
Selbige werden auch (erwiederte Macarie) von verständigen nicht geschimpfet / sondern vielmehr mit höchstem Ruhm gepriesen. Demnach sol billig keine vernünftige Weibs-Person über die Verachtung lasterhafter Weibsbilder eifern / sondern vielmehr deßwegen der Ehre klüger und tugendhafter nachstreben lernen. Kein einiger ist / so das Frauenzimmer tadelt /der nicht hingegen die Vollkommenen unter ihnen rühmet: und dieses um so viel mehr / je weniger derselben zu finden sind. Je seltener eine Tugend ist /je großwürdiger sie sich machet. Je geringer die Anzahl ist der jenigen / die ihre Männer lieben / ehren und rühmen: je glückseeliger schätzet sich der Mann /welcher seine Liebste gegen ihm aufrichtig / Ehrerbietig und liebreich / und sonst gegen jederman verständig und tugendhaft befindet. Ich sehe wol / (sagte hierauf Atychintide) daß das männliche Geschlecht an Macarien eine starcke Beschützerin hat / und erscheinet hieraus / daß sie demselben sonders
Eben wolte Macarie / wegen dieser Auflage / sich entschuldigen / als ein Lackey in den Saal kam / und der Königin ansagte / wie daß Melopharmis vorhanden sey. Melopharmis! fragte Atychintide / mit Verwunderung: Wie kommet diese jezt nach Soletten? laß sie doch herein kommen. Also gienge Melopharmis in den Saal / und küste der Königin den Rock / und grüste Macarien neben den andern / mit grosser Höflichkeit. Wie komt es / Melopharmis! (fragte die Königin) daß ihr mich zu Soletten suchet? Weil E. Maj. ich sonst nirgend finden konte / (gab diese zur Antwort) und ich auf dem Weg nach Sophoxenien / Bericht erhalten / daß sie herüber verreist wären. Weil ich auch diese Insul noch niemals gesehen / habe ich in derselben meine Aufwartung ablegen wollen. Daran habt ihr wol gethan! versetzte Atychintide. Mir ist die Zeit / in eurer Abwesenheit / lang worden: welche zu kürtzen / ich diese Insul (weil eben derselben Jahr-Fest eingefallen) besehen wollen: nicht willens /den Inwohnern meine Besuchung so schwer zu machen / wie ihr sehet. Solte das jenige schwer seyn /(sagte hierauf Eusephilistus) was Gnade und Ehre schenket? Unsere Insul / und wir in derselben / schätzen uns billig heute glückseelig / weil E. Maj. uns Ihrer gnädigen Gegenwart haben würdigen wollen. Nehmet mir nicht den Dank / höflicher Eusephilistus! (erwiederte die Königin) zu welchen ich mich verbinde: dann ich bekenne / daß ich hier viel Ehre genieße /werde auch bedacht seyn / solche nicht unerwiedert zu lassen.
Als ihr aber dieselbe durch einen Wink zu verstehen gab / daß Polyphilus vorhanden wäre / fiele sie auf einmal in Schrecken / Zorn und Furcht. Schrecken machte ihr / die unverhofte / und gefährliche Besuchung des Polyphilus: Zorn aber / daß er ihre so sehnliche Bitte / die Insul zu meiden / verachtet: Und Furcht / daß er durch den Grimm der Inwohner /möchte in Unglück fallen. Diese Furcht ward noch grösser / als sie sahe / daß ein kleiner Junge dem Eusephilistus ein Brieflein zustellete / über dessen Lesung er bleich und roht wurde: daher sie leicht schließen konte / es würde wegen des Polyphilus geschehen. Er sahe Macarien etliche mahl an: sie aber machte / wie beschwert auch
Eusephilistus berichtet die Macarie / daß Polyphilus zu Soletten sich befinde: welcher neben der Atychintide / Melopharmis / Agapisto und den andern / bey ihr einkehret. Polyphilus entschuldigt gegen ihr seine Ankunft / und erzehlt ihr / wie er der Atychintide / die ihn hieher gebracht / ihrer beyder Liebe entdecket. Der Phormena falscher Bericht / von deme / was seither mit der Atychintide sich begeben /und ihre heimliche Verrätereyen.
So bald die Königin hinweg war / nahm Eusephilistus die Gelegenheit in acht und wolte Macarien wieder in vorgedachten Saal führen. Als sie sich aber entschuldigte / daß es Abend / und Zeit wäre / sich nach Hause zu begeben / sagte er mit etwas hönischen Worten: Es ist wahr / schöne Macarie! weil ihr Liebster auf sie wartet / kan sie bey einer verdrießlichen Gesellschaft sich nicht länger aufhalten. Mein Liebster! (versetzte Macarie) wo solte ich doch einen Menschen mit
Treu-geliebter Eusephilistus!
Ich mache ihm hiemit zu wissen / daß ich / nachdem ich heut an dem Ufer spaziren gegangen / den Feind und Mörder Polyphilus / samt seinen Schäfern / hinter einem Gesträuch ersehen Und weil ich leicht mutmasse / daß er / Macarie zu bedienen / und euch zu schaden / angekommen / als stelle ich zu eurer Betrachtung / was hierinn vorzunehmen / und bleibe indessen
Sein getreuer
Freund.
Wie Macarie über dieses Brieflein erschrocken / kan man wohl ermessen: dann sie muste fürchten / es möchte Eusephilistus alle Inwohner wider den Polyphilus in harnisch bringen. Sie suchte ihn demnach mit Freundlichkeit zu besänftigen / und sagte: Ich lese hier wunderliche Zeitungen / und bezeuge nochmals /daß ich davon nicht
Als sie aber noch mit ihm redte / kam ihre Dienerin / und berichtete: wie daß die König n von Sophoxenien bey ihr eingekehret / und allda übernachten wolte. Dieses habe ich mir wol gedacht / (sagte Eusephilistus) und ohne Zweifel wird Polyphilus auch dabey seyn? Diesen habe ich nicht gesehen: gab die Magd zur Antwort. Ich weiß mich hierein nicht zu schicken / (versetzte Macarie) und er / geehrter Eusephilistus! wird mir vergeben / daß ich / einen so hohen Gast zu bedienen / von ihme Abschied nehmen muß. Ich bitte aber indessen / mehr seiner Vernunft und meiner Erzehlung / als dem Vorbringen hässiger Leute / Glauben zu geben. Das ist ein Uberfluß: (sagte Eusephilistus / der diese Freundlichkeit schon für eine Liebe hielte) ich liebe Macarien viel höher /als daß ich ihr einige Gefahr aufbürden solte. Sie lebe / schöne Macarie! ohne alle Sorge / und glaube /daß ich meine Feinde / auf ihren Befehl / ehren werde.
Nachdeme Macarie sich dafür bedanket / nahm
Hat man die Königin nicht gesehen? (fragte Melopharmis) sie stehet mit Polyphilo im Saal. Ach nein! sagte Macarie / und gienge so fort mit dem Liecht hinaus: Da sie dann ihren Fehler entschuldigte / und sehr höflich sich bedankte / daß man ihre einsame Wohnung mit dieser gnädigen Besuchung beglücken wallen / bate auch / solche Gnade noch größer zu machen / und ihrer geringen Malzeit beyzuwohnen. Ich habe nicht Hunger / (gab die Königin mit einem verdrüßlichen Gesicht zur Antwort) und muß mich vielmehr entschuldigen / daß ich ihre Wohnung / wehrte Macarie! so
Ich habe heut (sagte sie) keinen so hohen Gast vermutet / und bitte unterthänig / meiner ungültigen Bewirtung gnädig zu vergeben. Das ist nur Höflichkeit /kluge Macarie / (antwortete die Königin) womit ihr unsere Künheit straffet. Ich bin noch satt von der vorigen Malzeit / und verlange jezt mehr den Schlaf / als die Speise. Macarie redte hierauf mit Melopharmis /und den andern / und ließe Atychintide in ihren tiefen Gedanken sitzen. Polyphilus suchte / durch höfliche Bedienungen / sie zu ermuntern: aber vergebens. Dann sie stunde bald auf / und eilete zur Ruhe: ihren Bedienten Befehl gebend / sich in etlichen stunden färtig zu halten / weil sie noch vor Tags auf seyn wolte. Sie ward nach der Schlaf-Kammer von ihnen allen begleitet / da sie niemand / als die Phormena /bey sich behielte.
Macarie / gienge mit ihren Gästen wieder zu rück ins Gemach / alda sie eine kurze Malzeit hielten / und nachmals / indem Agapistus die Erothemitis bediente / und Meloph armis mit ihrem Sohn sprachte / Macarie sich zum Polyphilus
Was ist leichter zu versöhnen / als ein verliebtes Gemüte? Kaum hatte Polyphilus angefangen zu bitten / als Macarie bereit war zu vergeben / und seine Gegenwart aller der Furcht / welche sie deßwegen empfunden / vorzoge. Doch wolte sie ihn nicht so gar ohn Straffe ausgehen lassen / sondern sagte: Ich weiß nicht / Polyphilus! wie ich diese Besuchung / wider die ich so eifrig gebetten / aufnehmen soll? Er entschuldigt sich mit Liebe / und Noht: welche beyde freylich alle Fehler rechtfärtigen können. Allein / ich sehe gar nicht / wo diese Noht herrühren solte? So wird ihn dann die Liebe vielmehr beschuldigen / als entschuldigen. Dann / so er mich liebet / würde er mich des Schreckens befreyet haben / welchen mir seine Ankunft erreget. Ich weiß nicht / was ich thue /so voll Verwirrung hat mich diese heutige Begebenheit gemacht: und wer weiß / was noch zu fürchten ist? weil alle Inwohner auf ihn lauren / und ihn für ihren ärgsten Feind halten; wie mir Eusephilistus /nicht ohne Einfalt / zu lesen gegeben. Soll ich nun diß vor Liebe halten / was zu meinem und seinem Schaden dienet? Zwar wer will glauben / wann er sich mit
Ach Macarie! (fiele ihr Polyphilus in die Rede) darf sie solche Laster mir zuschreiben? kan sie glauben /daß ich jemand auser Macarien liebe? Ich habe freylich einige Freundlichkeit gegen diese Törichte brauchen müssen: wird sie aber das Gespräche / so ich dabey geführet / vernehmen / so weiß ich / daß sie mich dieser Auflage befreyet. Zwar ist mir hertzlich leid / daß ihr meine Besuchung einigen Schrecken verursachet. Aber sie vernehme nur die Ursach / wel che mich zu solcher bewogen / und lasse doch alle Furcht der Gefahr fallen: weil die hiesige Einwohner /wie gram sie mir auch seyn mögen / doch in Gegenwart der Königin / keine Gewaltthätigkeit vernehmen dörfen; welches ich wol beobachtet / und nicht so blindlings / wie sie vermeinet / herein gekommen bin. Lasset die Liebe / mein Herz! und nicht den Zorn /über mich das Urtheil fällen / und verdammet nicht /ehe sich der Beklagte entschuldiget.
Macarie / die wohl wuste / daß die Strafe dem Salat gleichen soll / dazu man so wol Oel als Essig vonnöten hat / erzeigte sich wieder etwas freundlicher / und sagte: So erzehlt mir dann / was die Königin und euch in diese Insel geführet? Jenes / (gab Polyphilus zur Antwort) kan ich auser einer geringen Mutmassung /nicht wissen: dieses aber will ich ihr / ohn allen Betrug / entdecken. Gestern / als ich den Talypsidamus mit einem Brief (welchen sie hoffentlich von ihm wird erhalten haben) an sie abgefärtigt / bliebe ich / weil ich nun die
Mich aber zwange die Liebe / und meine Weidgenossen die Treue / mitzuziehen: damit wir wenigst der Furcht / welche uns in ihrem Abwesen kränken könte / befreyet wären. Als wir nun nahe zur Insel gekommen / sagte Melopharmis: sie wolte voraus gehen / und sich erkundigen / wie die Königin gesinnt? Wäre sie freundlich / und wolte unsre Gegenwart leiden / so solte Servetus uns dessen berichten /daß wir vollends hinein kämen: würde sie aber sie zornig befinden / so wolte sie gleichwol den Servetus zu uns schicken / daß wir wieder zurücke gehen / und ihres schriftlichen Berichts erwarten könten. Also spazirten wir ein zeitlang am Ufer auf und ab / und wurden von niemand ersehen / als von einem jungen Inwohner / der uns etlichmal zu gefallen gieng.
Das will ich ihr jezt sagen: versezte Polyphilus. Als die Königin nach ihr geschicket / und am Fenster mit mir stunde / sahe sie / wie sie mit der Dienerin daher kam / und sagte: Nun sehet ihr / Polyphilus! was ihr verlanget? ergetzet euch heute mit Macarie Liebe /und verhelet mir eure Freundschaft nicht länger. Ich wuste fast nicht / was ich auf dieses antworten solte: dachte aber doch / weil sie es wissen will / und ich keine Ursach weiß / die mich zurück halten solte /will ich mich ihrer verdrüßlichen Liebe befreyen / und meine Liebe entdecken. Ich sagte demnach / weil E. Maj. selber mich Macarien lieben heißen / so liebe ich sie ja billig.
Hier war nun die Königin mit ihren eignen Worten geschlagen / und kunte / wie sehr sie auch meine Worte kränkten / ihren Zorn nicht gegen mich erweisen: weil ihre Ankunft / schöne Macarie! solches verhinterte. Doch sagte sie: muß man / die Bekantnus der so lang verheelten Liebe / also heraus locken? so bin ich dann nicht vergeblich nach Soletten gereiset. Aber sehet zu / Polyphilus! daß euch dieser Vorsatz nicht gereue. Ich bin willens gewesen / euch hoch zu setzen. Weil ihr aber meine Gnade verachtet / so verharret in eurem Vorhaben / und wisset / daß jeder sein Unglück auf den Amboß seiner eignen Torheit schmidet. Ich erschrack etwas über dieser hitzigen Antwort / und wolte anfangen mich zu entschuldigen: Sie aber risse sich von mir / als eben mein Schatz gegen ihr kam /sie empfienge / und in das Zimmer führte: daher ich nachmals keine Gelegenheit weiter hatte / ihren Zorn auszusöhnen. Und das ist die Widerwärtigkeit / über welche sie / mein Herz! sich verwundert hnt. Er hätte auch deren wohl überhaben seyn können / (sagte Macarie) und die Eröffnung unserer
Damit riefe er derselben / und fragte: Welchergestalt sie der Königin ihre Gegenwart kund gemachet hätte? So bald Atychintide (gabe sie zur Antwort) eure Widerkunft verstanden / bliebe sie eine gute Zeit in tieffem Nachsinnen / (wie Macarie wohl wird wargenommen haben) ohne zweifel mit verliebten Gedanken umgeben; welcher ich mich bedienen wolte / und sie heimlich fragte: wann sie gesonnen wäre wieder abzureisen? Warum fraget ihr? gabe sie zur Antwort. Polyphilus und Agapistus (sagte ich) haben mich /neben meinem Sohn / biß hieher begleitet. Weil sie sich aber / wegen der Inwohnere Hasses nicht in die Insel trauen / sondern an dem Ufer auf E. Maj. warten: als wolte ich / wann sie befehlen / ihnen dero Ankunft / durch den Servetus / wissen lassen. Polyphilus! (versetzte die Königin / mit einer frölichen Gebärde) ist der hier? so lasset ihn nur herein kommen. Er darf der Inwohner Grimm nicht fürchen / weil sie in meiner Gegenwart sich scheuen / und nichts feindliches wider ihn vornehmen werden. Also färtigte ich den Servetus an euch ab. Atychintide machte hierauf den Aufbruch / und fuhre mit Freuden nach den Gasthof. Nach diesem aber / hat sich ihre
Ach! ich bin Schuld hieran: sagte Polyphilus / und erzehlte hierauf / was er mit ihr vorgehabt: welches Melopharmis nicht ungestraft lassen kunte. Was habt ihr dessen für Ursach gehabt? sagte sie wider ihn. Diß ist es eben / was ich so oft an euch getadelt / daß ihr allzu offenhertzig seit. Wie bald könte auch ich hierdurch in Unglück fallen? Und was werde ich jezt vor Zeit zu Sophoxenien haben? wird nicht die Königin mutmassen / daß ich eure Liebe befördert / und deßwegen alle Ungnade auf mich werffen? Kan ich doch (widerredte Polyphilus) dieses wieder in Scherz ziehen! Wann es nur die Königin glaubet? begegnete ihn Melopharmis. Ich will aber sehen / wie ich ein Mittel ersinne sie zu begütigen. Wann ich nur wüste /warum sie in diese Insul gekommen / und ob wir der Phormena Erzehlung trauen dürfen.
Indem sie also redten / kam Phormena ins Gemach / und befahl der Erothemitis / zur Königin zu kommen; sie aber gesellte sich zu Macarien und fragte: was sie vor Gespräche hätten? Wir haben uns berahten / (sagte Macarie) was doch Atychintide bewegt haben müsse / hieher zu reisen? Ja! (versetzte Phormena) ihr lasset mich wol in der Angst stecken / und genießet indessen der Ruhe. Schicket mich mehr allein nach Hause / und kommet so lange nichthernach! Habe ich doch nicht gewust / wie ich die Königin endlich mehr stillen solte? Melopharmis lachte hierüber / und sagte: Ich bin unschuldig! warum ist Polyphilus so
So bald ich (fienge Phormena an) mit dem Servetus nach Sophoxenien kam / fragte Atychintide / warum ich allein käme? und als ich zur Antwort gabe / Melopharmis würde mit den Schäfern hernach kommen; fragte sie ferner: warum es dann jezt nicht geschehen wäre? Polyphilus und Agapistus (sagte ich) haben eine Reise nach Ruthiben / um den Hirten-Schutz zu erlangen / vorgenommen: und weil Melopharmis ihren Sohn / aus Furcht der Gefahr / nicht mitlassen wollen / ist sie / biß zu ihrer Widerkunft / bey ihm verblieben / und wird alsdann von allen hieher begleitet werden. Was! (sagte die Königen) ist Polyphilus nach Ruthiben derreiset / daß er nun allezeit ein Schäfer bleibe? und Melopharmis befördert solches Vorhaben / welches ich ihr doch zu verhintern befohlen? Ich erschrack über dieser Frage / die sie mit zornigen Gebärden vorgebracht / und gab zur Antwort: daß Polyphilus rach Ruthiben abgereiset / habe ich zwar gesehen; ob er aber allezeit ein Schäfer bleiben werde /oder nur auf eine zeitlang den Schutz suchet / kan ich so eigentlich nicht wissen. Melopharmis wird es E. Maj. bey ihrer Widerkunft besser berichten können. Hierauf gab sich Atychintide / wiewol nicht ohne innerlichen Grimm / zu Ruhe / und erwartete eurer Heimkunft. Als ihr aber mit derselben verzoget /wurde sie ungedultig / und sagte: Was soll dann endlich aus dieser Handlung werden? will Melopharmis die Schäfere hieher bringen? oder will sie selbst eine Schäferin werden? Das lezte
Wann ich nur wüste / (sagte sie ferner) ob Polyphilus noch gesonnen / sich mit Macarie zu verehlichen? und ob sich dieselbe nicht wegert / eine Schäferin abzugeben. Diß war eine Frage / welche vielmehr einer Falle gleichte: daher ich einen Umweg suchen muste /wolte ich nicht in Schaden kommen. Ich sagte dem nach: Diese Verehelichung wird meines Erachtens /noch viel Mühe kosten. Ich weiß zwar nicht / wie ihre Freundschaft beschaffen / und ob Macarien der Schäfer-Orden belieblich. Wann aber schon dieses wäre /so sehe ich doch nicht / wie sie Polyphilus von Soletten loß bringen solte: weil sie in keine Entführung willigen wird / er aber / wegen der Inwohner Feindschaft / nichts öffentlichs vornehmen darff. Das ist etwas / (versetzte die Königin) daß der überklugen Macarie noch Nachdenken machen wird. Aber ihr kennet ja dieselbe! so entdecket mir doch aufrichtig /ob sie der Liebe des Polyphilus würdig sey / und daß er / ihr zu gefallen / den Herrnstand / aus welchen er /allem Ansehen nach / geboren / mit dem Hirten-Kleide verwechsle? Die wenige Erkentnus / (antwortete ich) so ich von Macarien habe / heisset mich nichts anders schließen / als daß sie hohe und seltene Gaben besitze: ob sie aber so gar bewunderbar / wie sie Polyphilus schätzet / will ich nicht urtheilen. E. Maj. lassen sich gnädig gefallen / einst selber nach Soletten zu reisen / und wegen
Ich hoffte indessen immer / ihr würdet nach Haus kommen / oder / es würde die Königin / wann sie die Hoheit Macarien beobachtet / anders Sinnes werden /und in des Polyphilus Liebe willigen: welches auch noch geschehen wäre / wann nur Polyphilus sein Herze nicht so vorzeitig eröffnet / sondern zuvor um ihre Einwilligung gebeten hätte. Hat sie denn (fragte Polyphilus) etwas davon gedacht? Warum nicht? (sagte Phormena) so bald ich mit ihr in die Kammer gekommen / sagte sie: Nun darff ich nicht weiter fragen / Phormena! Polyphilus hat mir heut ungescheut bekennet / daß er eher sein Leben / als die Macarie /lassen wolle. So sind dann (fragte ich) E. Maj. damit zu frieden? Was soll ich machen? gab sie zur Antwort. Ich hätte wol Ursach / seine Hartnäckigkeit /mit welcher er meine Gutthaten erkennet / zu straffen /und ihn den ergrimten Inwohnern / welche vorhin auf ihn lauren / einzuhändigen. Allein / ich betrachte die Gewalt der Liebe / die blind ist / und blind machet; auch die Gaben der Macarie / von denen ich bekennen muß / daß sie groß sind. Ich habe vermeinet / ihn /wegen seines schönen Verstandes / mit etwan einer höhern Person zu verehlichen / und dadurch glückseelig zu machen:
Also erzehlte die listige Phormena / die Handlungen der Königin / und machte es so glaublich / daß Melopharmis selbst betrogen wurde / und dieses alles so sicher glaubte / daß sie der Phormena alles / was sich bißher mit ihnen begeben / und wann Polyphilus die Macarie abzuholen gesonnen wäre / entdeckte. Phormena hatte eben das gesucht / und stellte darnach ihre Verrätherey an / zu deren sie (damit wir die warhaftige Erzehlung anführen) diesen Anfang gemacht.
Als Phormena / nach der Melopharmis Befehl / mit dem Servetus nach Sophoxenien gehen muste / war sie hierüber heimlich erzürnet / und hatte unterwegen tausenderley Anschläge / sich an Melopharmis hönischem Wesen zu rächen. Und solches wuste sie nicht empfindlicher zu thun / als wann sie selbige bey der Königin in Ungnade brächte / von Hof triebe / und hernach ihre Stelle überkäme: welches ihr dann /durch die Eröffnung der Freundschaft der Melopharmis mit Polyphilus und der Hülffe / die sie ihm in der Liebe Macarien
Phormena zoge die Schultern / und sagte: E. Maj. befehlen mir dergleichen gefährliche Dinge nicht. Ihre Forderung zwar ist gerecht / und meine Bekentnus wäre billig: allein / wie würde ich damit bey Melopharmis ankommen / welche wir ja so sehr als E. Maj. fürchten müssen. Melopharmis / (versetzte die Königin / voll Zorn) soll von jezt an erfahren / daß ich / und nicht sie / Königin sey. Wer die Gnade gibet / hat auch Macht / sie wieder zu entziehen /wann sie mißbraucht wird. Und ihr sollet euch nicht fürchten / ihre Verrätherey zu entdecken / wann ihr euch nicht wollet ihres Verbrechens teilhaftig machen. Eröffnet mir / Phormena! die Boßheit dieser Untreuen / und zweiffelt nicht / daß ich eure Aufrichtigkeit gnädig belohnen / auch der Melopharmis davon nicht sagen / sondern / ihre Untreu durch andere Wege offenbar zu
Atychintide hierüber ganz erstaunet / schrye auf: hilf Himmel! was höre ich? wie übel sind doch die Hohen daran / daß sie ihre Verrichtungen den Bedienten auftragen müssen / unter welchen die allerwenigsten getreu sind. O du Ertz-Verrätherin Melopharmis! wie viel Gutthaten habe ich dir erwiesen / und was vor Gnade habe ich dir noch erweisen wollen? und du belohnest es mit solchem Undank / und stärkest das jentge / was ich dir zu brechen befohlen. Ich müste gewiß nicht Königin seyn / wann ich deine freche That ungestraft ließe. Aber stille! wir wollen uns nicht übereilen / damit ihr nicht in Verdacht kommet. Unsere Rache / soll durch den Aufschub nicht unkräfftig werden: Wir wollen / gleich den Göttern / auf wüllenen Socken zur Strafe gehen / aber mit eisernen Händen solche vollziehen. Lasset uns zuvörderst bemüht seyn / die List der Melopharmis vielmehr zu hintertreiben / als zu straffen. Dann ein-vor alle mal /ich kan und will nicht gestatten / daß diese Liebe ihren Zweck erreiche. Darum rahtet zu / Phormena! was hiebey zu thun sey. Ich will euch aller Gefahr befreyen / und die Stelle der Melopharmis / deren sie sich durch diese Falschheit verlustig gemacht / euch einräumen.
Hier hatte nun Phormena / was sie gesuchet / und gab der Königin zur Antwort: meine Schuldigkeit /Gnädigste Königin! heist mich dero gnädigsten Befehl / auch ohne so hohe Belohnung /
So bald sie nun in der Kammer war / erzehlte sie der Phormena / die kühne Antwort des Polyphilus /und fragte sie: was nun zu thun wäre. E. Maj. laßen sich das nicht anfechten! (gab
Also kam Phoimena / mit ihrer List / zu der Gesellschaft / und betroge dieselbe mit freundlichen
Indem sie noch redten / kam Atychintide; zu deren /nach abgelegtem Morgen-Gruß / Macarie sagte: es scheinet wohl / das E. Maj. ein schlechtes Lager gehabt / weil sie dasselbe so frühe verlassen. Das Lager war gut / (sagte die Königin) allein die Furcht / daß mich die Innwohner aufhalten möchten / hat mich gezwungen / selbiges zu verlassen / und noch vor Tags abzureisen. Es werden doch E.M. (versetzte Macarie) noch ein schlechtes Früstück erwarten. Nein! (begegnete ihr Atychintide) ich bin nicht gewohnt / so früh zu speisen. Damit schenkte sie Macarien ein schönes Kleinod / und sagte: sie solte solches / als ein Zeichen ihrer Gnade / aufbehalten / und bald Gelegenheit nehmen / nach Sophoxenien zu ihr zu kommen. Wofür Macarie sich demütigst bedankte. Als Atychintide auch den Polyphilus gesegnen wolte / bate er üm die Erlaubnis / ihr mit seiner Begleitung / biß nach Sophoxenien / aufwarten zu dörfen. So wolte ihr uns begleiten? fragte die Königin. Dafern es E.M. nicht beschwerlich ist: versetzte Polyphilus.
Atychintide / lässt den Polyphilus wieder von sich /und beredet sich mit Phormena / wie man ihn von Macarie trennen möchte. Sie wird von der Apatileucheris besucht und eingeladen. Ihrer beyder Gespräche / vom Polyphilus. Nach genommener Abrede mit Phormena / schicket sie die Melopharmis und den Servetus zum Polyphilus / und fährt zur Apatileucheris: dahin auch die Macarie und den Eusephilistus zu bringen / Phormena und ein Diener nach Soletten abgefärtigt werden. Des Polyphilus und Macarien Briefwechsel von seiner Unpäßlichkeit.
Polyphilus suchte unterwegs alle Höflichkeit hervor /so er jemals gelernet / und vermeinte damit die Königin / wegen des gestrigen
Ihr wisset / getreue Phormena! (sagte sie zu dieser) mit was vor einem Schluß wir von Soletten abgezogen / und wie ihr mir daselbst zugesagt / des Polyphilus Liebe gegen Macarien / nach eurer Klugheit / zu verhintern: welches dann in warheit höchst-nötig ist. Ich habe alles reiflich erwogen / und die Sache / die Länge und die quär überlegt / befinde aber ganz nicht rahtsam / den Polyphilus in diesem Irrtum stecken zu lassen. Die Jugend fähret unvorsichtig / und hält öffters das vor den Weg des Glückes / welches doch die Straße zum Verderben ist. Wüste Polyphilus nichts von Macarie / er würde seine Hand / die zu etwas höhers tüchtig scheinet / nimmermehr an den Schäfer-stab gelegt haben. Aber Macarie / ist die Pest seines Glückes / und der Tod seiner Ehre: wie er mit der Zeit selbst / aber allzuspat / beklagen wird. Dann so lang seine Sinne von der Zauberey der Liebe eingenommen sind / kan er seinen Untergang
E. Maj. (sagte Phormena) haben alles verständig beobachtet / und ich befinde mich auch schuldig und willig / hierinn nach allen Kräfften zu dienen. Wiewol mir der Handel viel schwerer vorkommet / als ich zuvor vermeinet: sonderlich / weil er keinen Verzug leidet. Dann so viel ich vernommen / wird Polyphilus mit nächsten die Macarie abholen: weil er zu Ruthiben nit allein den Schutz vor die Heerde / sondern auch die Hoffnung zur Fördernis erlanget; worauf er seine Liebste / unter den Geleite von Ruthiben / ganz sicher von Soletten hinweg bringen kan. Hilff Gott! (rieffe Atychintide / mit erschrockenen Gebärden) so eilet / diese Frucht / mit der Wurtzel / auszurenten /welche so bald zu reiffen beginnet. O du treulose Melopharmis! welche Strafe wird deine Lasier austilgen? Ach Phormena! lasset mich in dieser Bestürtzung nicht ohne Raht. Ich will lieber einen Theil meines Glückes verlieren / als zugeben / daß diese Verehlichung ihren Fortgang gewinne. Ich will gern / (gab Phormena zur Antwort)
Ihr redet wol / Phormena! (versezte die Königin) aber wo finden wrr diese Drachen-Zähne / aus welchen die Uneinigkeit wachsen soll? Den Polyphilus (sagte Phormena) wolte ich bey Macarie / durch die Schäferin Volinie / die er unterweilen bedienet / leicht verdächtig machen: wie wir aber Macarien beykommen / das kan ich nicht absehen / weil sie allen Argwahn fliehet. Doch / wann ich Gelegenheit ersinnen könte / den Eusephilistus / des Polyphilus Neben-Buhler / irgend mit ihr zusammen zu bringen / hätte ich noch Hoffnung / ihn eiffern zu machen. Solte man das nicht thun können? begegnete ihr Atychintide. Ich will sie beyde zu mir herüber laden. Das ist verdächtig / (antwortet Phormena) und wird ihnen bald einen Argwahn an die Hand geben: sonderlich / weil Melopharmis zugen ist. Ich will einen andern Ort / zu diesen Vorhaben erdenken.
Aber sehet / wie die Boßheit allezeit eher / als dir
Ich sage Dank / (erwiederte die Königin) für die Einladung / fürchte aber / damit Unkosten zu
Polyphilus (gab die Königin zur Antwort) ist nun ein Schäfer. Ein Schäfer! riesse Apatileucheris: deß muß ich mich ja wundern; wie ist er auf diesen Vorsatz kommen? Das weiß der Himmel! versetzte Atychintide Er wendet eine Weissagung vor / aber sie dünket mich sehr zweifelhaft.
Die kan man bald finden! redte Phormena darzwischen. Sie lasse / Edle Apatileucheris! Macarien zu sich aufs Fest beruffen. Das wolte ich wohl thun /(gab diese zur Antwort) allein / was wird sie gedenken / weil ich ganz unbekant bin?
Es hofte aber diese / von derselben die Gewißheit der Liebe des Polyphilus zu erforschen. Atychintide hingegen gedachte / daß nun ihre Sache halb gewonnen / und schätzte dieses Mittel / von dem Glück selbsten gesendet; nahm die Apatileucheris mit zur Tafel / und erzeigte sich gar frölich. Weil sich aber selbige nicht lang aufhalten kunte / als nahme sie bald nach der Tafel Abschied / und sagte die Königin / daß sie bey ihrer Entschließung bleiben wolte / und ließe sie damit wieder zu Pferd sitzen / dann also war sie angekommen.
So bald sie nun hinweg / fragte Atychintide die Phormena: wie ihr der Handel gefiele? Es hätte nicht beßer kommen können! antwortete diese. Nun hoffe ich E. Maj. Furcht abzuwenden. Sie belieben nur meinem Raht / und sehen / wie Macarie mit Eusephilistus zusammen komme. Das soll schon geschehen! begegnete ihr die Königin.
Ihr habt recht! sagte Atychintide. Aber wo schicken wir die beyde hin? Zu den Schäfern! versetzte Phormena. E. Maj. lassen Polyphilo das Geschenk / welches Apatileucheris mitbracht / überbringen / das Melopharmis gern thun wird. Es war aber selbiges ein herrliches Schau-Gericht / von Zuckerwerck künstlich zubereitet / welches die Geschicht des Narzissus / der die Liebe der Nymfe Echo verachtend / sich in seine eigene Schönheit verliebet / und dadurch zur Blumen worden / vorstellte: solches hatte Apatileucheris mitgebracht / daß Polyphilus / welchen sie alda zu finden verhoffte / die Strafe der Verachtung gegen einer Damen Liebe erkennen solte. Die Königin war
Dieses zu vollziehen / sprach sie des andern Tages / über Essen: Was werde ich mit meinem künstlichen Schau Gericht machen? Ich wolte / daß es Polyphilus hätte: dann ich weiß doch wohl / daß es Apatileucheris / deren er wohl ehemals günstig gewest / seinetwegen machen lassen. Wann ihr so gutwillig wäret / Melopharmis! ihm solches / und zugleich einen schönen Gruß / von Apatileucheris zu überbringen: ohne zweifel / wird er darüber lachen. Ich will euch Serveten mitgeben / der es tragen soll. Eilet nur damit: dann wo es länger stehet / möchts verderben. Wann es E. M. befehlen / (sagte Melopharmis) will ich es gern einhändigen. Ach ja! (versetzte Atychintide) nehmet die Mühe auf euch. Ich wolte zwar gern auch Phormena mitgeben: allein die Zeit wird mir / in eurer beyden Abwesen / gar zu lang: so weiß ich auch nicht / ob nicht Heroarcha weiter anhalten möchte / uns aufs Fest zu bitten / so hätte ich niemand bey mir: also muß sie hier bleiben / und kan ein andermahl die Schäfer besuchen. Ihr aber dörffet desto weniger mit der Widerkunft eilen / und könnet vielleicht die Schäfer / auf einer spazir. Reise / mitbringen. Ich will es versuchen! sprach Melopharmis /und seumte hierauf nicht lang / mit dem Servetus und dem Schau-Gericht abzureisen. Also wurde die sonst listige Melopharmis hinweg betrogen.
Die Königin hingegen ließe / so bald sie hinweg /die Reise nach Montefessen bestellen / und fuhre
Also ward der Raht beschlossen / und Phormena /des andern Morgens / samt einem Diener vom Heroarcha / in der Königin Carosse / nach Soletten ge schickt: und empfing sie von Atychintide keinen andern Befehl / als daß sie dieses Geschäffte
Selbige hatte nach dem Abzug der Königin und des Polyphilus / nicht in geringer Sorge gestanden / daß die Inwohner / wegen dieser Besuchung / einen Haß auf sie werffen möchten / oder sie wohl gar / daß sie ihren Feind beherberget / anklagen dürfften. Als sie kaum dieses überwunden / bekame sie / durch das Gärtners Jungen / einen Brief vom Polyphilus / dieses lauts.
Mein Hertz!
Weil ich mich selbst überredte / daß sie Verlangen tragen werde / meinen Zustand zu wissen / als habe ich ihr denselben mit diesen Zeilen kund machen /und berichten wollen / daß ich nicht allein die erzürnte Königin wieder ausgesöhnet / sondern auch so gnädig verlassen / daß sie mich mit grossen Geschenken begabet / und ich also glücklich bey meinen Trifften angelanget. Wiewohl der Widerwillen / welchen ich in ihrer Aufwartung empfunden / mich nicht wenig gequälet: Wozu das Verlangen / nach ihrer Liebsten Beywohnung / mein Kind! und der Schmerze / den ich wegen ihrer Verlassung gefühlet /
Ihres getreuen
Polyphilus.
Das Gedicht / welches Polyphilus (als er in ihrem Garten den Jungen seinen Brief eingehändiget) verfärtiget / schloße er mit in den Brief / folgenden Innhalts:
Macarie ward über diesem Brief sehr traurig / und entsetzte sich so gar über der Krankheit ihres Liebsten / daß sie nicht wuste / was sie vornehmen solte. Doch zwange sie die Eile / eine Antwort zu schreiben / wie folget.
Mein Kind!
Die betrübte Zeitung eurer Unpäßlichkeit hat mich ganz bestürzt gemacht / und gezwungen / mit diesem wenigen nach eurer Gesundheit zu fragen. Tröstet mich demnach / Mein Allerliebster! so eilend / als müglich / mit der Versicherung einer erwünschten Besserung: damit nicht der billige Schmertz / welchen ich wegen eurer Krankheit empfinde / mich auch hierinn euch zur Nachfolgerin mache. Ist es müglich / daß meine beständige Liebe euch einige Linderung geben kan / so habt ihr dieselbe im höchsten Grad zu hoffen: wie ihr sie dann überflüßig verdienet / auch mit solchem Verlangen gesuchet / daß ihr dadurch auch die Undankbarkeit selber soltet bewegt haben / wider ihre Natur zu leben / und die Liebe mit Gegen-Liebe zu belohnen. Der gütige Himmel wird / wie ich hoffe /alle Unruhe besiegen helffen / unh nach überwundenem Streit / beständige Ruhe geben. Lebet dann gesund / mein Herz! und liebet /
Eure
Macarie.
Allerwehrtste Macarie!
Die sorgfältige Forschung nach meiner Gesundheit /ist mir billig ein gewisser Zeuge ihrer aufrichtigen Liebe; aber auch eine Aufforderung zu gleicher Verharrung / in dem ich / auch erkranket / gesund leben muss. Ach! liebstes Herz! daß es dem Himmel gefallen wolte / die Schmerzen / so ich durch mein verliebtes Verlangen klagen muß / mit gleich frölicher Entbindung von mir zu nehmen / als er über die Verhinterung der Leibes-Wolfahrt beschloßen! so würden wir beyde in Ruhe leben. Doch suche ich meine Liebe (welche ich ihrer / nun-bewährten Gunst ganz gleich schätze / das ist / im höchsten Grad zu stehen versichere) durch den Trost ihres gezierten Briefleins zu erquicken / und glaube / daß der Himmel / nach überwundenem Streit / werde beständige Ruhe geben. Anlangend meine Unpäßlichkeit / glaube ich / daß dieselbe mehrverliebt / als gefährlich gewesen: Deßgen ich ja nun nicht anderst kan / als gesund seyn / nach dem ich so viel Erfrischung von ihren lieben Händen überkommen. Versichere
Macarie / auf der Photmena betrügliche Einladung /fähret mit ihr / auch mit Eusephilisto und Kalferte /nach Montefessen. Gespräche daselbst / von der vermeinten Mordthat des Polyphilus: von welchem Phormena vorbringet / daß er die Volinie liebe. Macarien Kummer und Klage hierüber / als sie wieder nach Haus gekehret.
Eben hatte Macarie dieses Brieflein durchlesen / und von ihrer Dienerin / die wiedererlangte Gesundheit ihres Polyphilus freudig verstanden / als sie Phormena in ihr Zimmer kommen sahe / und darüber einigen Schrecken empfande / fürchtend / daß vielleicht eine neue Unruhe möchte vorhanden seyn. Phormena nahme solches alsobald wahr / und sagte / nach abgelegter Begrüßung: Sie entsetze sich nicht / hochgeehrte Macarie! über meine Ankunft / weil ich dißmal keine unglückseelige Bötin abgebe. Die Königin Atychintide läßet ihr / durch mich / einen gnädigen Gruß vermelden / und bitten / daß sie sich wolle gefallen
Macarie / wiewohl sie nicht wuste / ob sie diese Forderung / einer Freundschaft oder Hinterlist gleichen solte / truge doch Bedenken / solche auszuschlagen / fürchtend / die Königliche Gnade / welche Polyphilus so mühsam erworben / durch diese Weigerung zu verschertzen. Phoimena hingegen / hielte an mit bitten / sich färtig zu machen / weil sie noch zu dem Opfer kommen solten / und sagte: Sie wegere sich nicht / wehrte Macarie! dem Begehren der Königin zu willfahren / und mich hierin bitt-seelig zu machen. Sie hat zu befehlen / geehrte
So bald sie aber die Kutsche ersehen / wurde Macarie auch des Eusephilistus gewar / worüber sie hefftig erschracke / und sagte: Was ist das / Phormena: ist auch Eusephilistus zugegen? Wie ich sehe: versetzte Phormena / mit bestürzten Gebärden. Ach! hätte ich das wissen sollen / (sprach Macarie) ich würde mich dieser Reise entzogen haben. Es ist mir selber leid /(antwortete Phormena) daß sie hiemit beschweret wird / und habe ich gewißlich davon kein Wissen gehabt / auch so genau nicht nachgeforschet. Aber weil es nun geschehen / wird sie ihr / kluge Macarie! seine Gesellschaft nicht verdrüßlich seyn lassen. Sind wir doch alle zugegen: er wird / in unserm beyseyn / seiner Liebe nicht gedenken dürfen.
Macarie wolte antworten; aber Eusephilistus kame schon daher / sie zu bewillkommen / und sagte: Wie führet uns das Glück / schöne Macarie! so unverhofft zusammen? Ich wundere mich selbst hierüber: (begegnete ihn Macarie) es scheinet / als ob die Königin Atychintide uns Gelegenheit ertheilen wollen / das Gespräch zu vollführen / welches ihre neuliche Besuchung zu Soletten abgekürtzet. So ist die Vergeltung ungleich grösser / (antwortete Eusephilistus) weder die Versäumnus:
Als sie nun endlich nach Montefessen kamen / wurden sie / von der Königin und dem Heroarcha sehr freundlich empfangen: und bedankte sich sonderlich Atychintide gegen Macarien / daß sie ihrer Bitte statt geben / und so willfärig erscheinen wollen. Selbige hingegen bate / ihrer Künheit zu vergeben. Ich habe /(sagte sie) wegen der geringen Erkentnus bey Heroarcha und Apatileucheris / nicht gewust / wie ich ohne Verbrechen handeln solte / weil diese Besuchung all zu vermessen schiene. Doch war der Befehl zu hoch /und wolte ich lieber mit Unhöflichkeit / als mit Ungehorsam sündigen. Das ist ein Uberfluß der Höflichkeit; (sprach die Königin) Ich will aber die Künheit /deren sie sich schuldig machet / selber aussöhnen. Das jenige hat keiner Aussöhnung vonnöten / (gab Apatileucheris
Weil es aber nun Zeit war zum Opfer / und nach den Tempel zu spaziren / nahme die Königin Macarien bey der Hand / denen die andere folgten. Nachdem sie also dem Gottesdienst und Opfer beygewohnet / wurden sie vom Heroarcha / in einem herrlichen Zimmer seiner Wohnung / prächtig bewirtet. Macarie / muste neben der Königin / Apatileucheris aber kam bey Eusephilistus zu sitzen; welches Macarie in acht nehmend / bey sich selbst gedachte: da sitzen die unglücklich-verliebte / die so oft unsre Liebe verstöret / und uns zu eifern gereitzet haben / indem Apatileucheris meinen Polyphilus verführet / Eusephilistus hingegen meine Gunst gesuchet. Ach! daß doch nun Polyphiluszu gegen wäre / und die seltsame Begebenheit / da unsre beyde Feinde beysammen / mit ansähe.
Diß waren Macarien Gedanken / biß sie hörte / daß Apatileucheris den Eusephilistus fragte: wie es doch mit Macarie beschaffen / und ob sie noch an den Polyphilus würde vermählet werden? Ich weiß es nicht: (gab Eusephilistus / mit betrübten Gebärden / zur Antwort) Macarie will noch nichts davon gestehen. Macarie lachte dieser Frage heimlich / stellte sich aber / als ob sie nicht auf sie merkte / sondern sprachte mit Atychintide / biß Heroarcha anfienge die Königin zu fragen: Wie es komme / daß sie auf dieser Reise / weder von
Vielleicht will er / in solchem Stande / die Ermordung des Philomathus abbüssen? sagte Kalferte. Ey! (sprach Atychintide) mit dieser Beschuldigung geschihet dem Polyphilus ungütlich: er ist dieses Lasters unschuldig / und würde den Philomathus lieber errettet /als ermordet haben. Kalferte / den der Haß wider den Polyphilus / und der wenige Verstand solchen einzuhalten / wider die Königin zu streiten / antriebe / gab zur Antwort: E. M. angeborne Gütigkeit / welche viel geneigter ist zu entschuldigen / als zu verdammen /hält ihn vor unschuldig: aber hätten sie so starke Mutmassungen dieses Mords / als wir zu Soletten / sie würden vielleicht auf andere Gedanken kommen. Welche sind es dann? fragte die Königin. Erstlich (begegnete ihr Kalferte) hat er den Philomathus zu sich beruffen / und doch seiner Ankunft / ohne zweifel aus Zorn über seine vorige
Habt ihr sonst keinen Grund / als diese / (erwiederte Atychintide / mit etwas hönischen Worten) so nicht den geringsten Beweiß geben? Daß Polyphilus den Philomatus nicht erwartet / ist nicht aus Zorn / wie ihr schließet / sondern aus Begierde / ihn eher zu erlangen / geschehen / welche ihn angetrieben / einen Kahn zu ergreiffen / und selbst nach der Insel zu fahren: aber als ein Fremder / dem die Gelegenheit des Flusses unbekant / verfehlete er der Furt / und geriehte in einen Wirbel / da er / den Kahn verlierend / zwischen Wind und Wellen / in eine ganz andere Gegend geworffen wurde / und nach etlichen Tagen mit Talypsidamo in die Insel wieder kam; welches er nicht würde gewaget haben / wann er sich des Mords schuldig gewust hätte. Daß er aber sich ins Wasser gestürtzt /komt von eurer Grausamkeit / da ihr ihn / ungeacht aller seiner und des Talypsidamus Entschuldigung /dennoch / als einen Mörder / gefangen führen woltet: welche ihn angetrieben / sich viel lieber den tobenden Wellen / als so tyrannischen Richtern / zu vertrauen. Und dieses ist noch die Ursach / daß er eure Insel fliehet / die in Haß gegen ihm brennet. Werdet ihr ihn aber vor einem solchen Gericht anklagen
Aber (fuhre sie fort) was bemühe ich mich viel /Entschuldigung vorzubringen / mich denen gleichend / die von weiten Wasser holen / da sie den Brunn im Hause haben? Macarie / um welcher willen Polyphilus / (wie er mir selbst erzehlet) in eure Insel kommen / soll unsern Worten den Ausschlag geben /und zeigen / worinn ich irren mag. Uber dieser Rede /welche die Königin dem Polyphilus bey den Solettischen Inwohnern verhasster / und Macarien seine Liebe schwerer zu machen / vorgebracht / wurde Macarie in solchen Schrecken gesetzet / daß ihr die Farbe zur Stirn ausschluge / und wuste sie nicht / wie sie klug genug antworten solte / auf diese unvermntete und spitzige Frage. E. Maj. (sagte sie) befehlen mir nicht den Ausschlag in diesem gefährlichen Streit /welchen sie selbst weit glückseeliger und kräfftiger geben können. Solte ich / dero hoch-vernünftige Rede / einiges Irrtums beschuldigen / so müste es gewißlich nur dieser seyn / daß sie meiner Wenigkeit das Richter-Amt aufgetragen. Die wenige Wissenschaft / welche ich von dieser Begebenheit habe /heisset mich vielmehr Nachricht fordern / als austheilen. Doch will ich auch / so viel ich hiervon weiß /mehr E. Maj. gnädigen Befehl zu gehorsamen / als einiges Urteil zu fällen / gern entdecken.
Ich will nicht bestreiten / ob Polyphilus wegen meiner / wie E. Maj. beglauben / (das vielleicht von einer unverdienten Berühmung des Philomathus
Das soltet ihr / geehrter Kalferte! einer andern / als der Macarie / Schuld geben: gab diese zur Antwort. Weder die Liebe zum Polyphilus / noch die Furcht eurer Feindschaft / machet mich wider die Gerechtigkeit sündigen. Die Warheit sihet ihr allezeit selbst ähnlich / sie werde gleich von Feinden oder Freunden vorgebracht: Der Argwahn aber / als eine verdammliche Höllen-Brut / läslet auch die Tugend selber nicht ungetadelt / und erdichtet allenthalben Laster / da er doch selbst das gröste Laster ist / und / als ein Ertz-Mörder / des Menschen Ehre / die höher ist als sein Leben / frefentlich abschneidet. Durch diesen machet ihr euch der Partheilichkeit schuldig / die ihr mir aufzubürden gedenket / in dem ihr den Polyphilus / sonder genugsamen Beweiß / wegen Ermordung des Philomathus anklaget / selbige auch an ihm / nicht
Sie hat recht / kluge Macarie! sagte hierauf Eusephilistus / als er sahe / daß sie sich etwas bewegte. Die Gerechtigkeit sihet stracks vor sich / und lässet ihr weder durch den Argwahn / noch durch die selbst-Liebe / die Augen blenden. Ich halte selbsten den Polyphilus dieses Mords unschuldig / so lang es mir an mehrerm Beweiß fehlet / und habe ihn gegen meinen Lands-Leuten / wiewohl ohne Erkentnus / schon oft vertheidiget. Es ist nichts verführischer / als der Argwahn / sonderlich / wann er sich mit so scheinbaren Umständen hervor thut. In einer zweifelhaftigen Sache / soll man sich nicht mit dem Urteil übereilen /sondern warten / biß die Zeit ihr Kind / die Warheit /mit welchem sie oft lang schwanger gehet / hervor bringe. Mein Herr redet sehr vernünftig hievon: versezte Heroarcha. Die Zeit hat freylich vielen die Unschuld wieder gegeben / welche der Argwahn angeklaget. Und wann dieser solte einen Beweiß geben /würden die allerredlichste Gemüter strafbar werden /und die Tugend selber / wie Macarie recht erinnert /ihren Namen verlieren. Ich habe in der wenigen Erkentnus mit Polyphilus / so viel Tugenden / Verstand und Höflichkeit wargenommen / daß ich ihn in meinen Gedanken / dieses Lasters unschuldig schätze.
Indem ergriffe er ein Glaß / und brachte es Macarien auf Gesundheit des gerechtfertigten Polyphilus. Ich trinke aller Gesundheit mit / (begegnete ihm Macarie) und begehre den Polyphilus / weder zu rechtfertigen / noch zu verdammen
Macarie wolte antworten / aber Phormena kam ihr zuvor / und sagte: Ich muß mich doch auch der schönen Macarie annehmen / und sie wegen dieser Auflage verteidigen. Man beschuldigt sie ohn unterlaß /daß sie vom Polyphilus geliebt sey / da ich doch /wann ich meinen Augen trauen / und meine Gedanken eröffnen darff / viel eher sagen wolte / daß die schöne Schäferin Volinie sein Herz eingenommen. Dann die vielfältige Bedienungen / so er derselben / in meinen Beyseyn erwiesen / lassen mir keinen andern Schluß /als daß Macarie den Namen / Volinie aber den Genieß / von der Liebe des Polyphilus habe. Da haben wir (sprach Macarie) einen Beweiß unsrer vorigen Rede / nun sich die Warheit von dem Argwahn scheidet / und meine Unschuld wunderbar hervor bringet. Wir wollen beedes der Zeit anbefehlen / (redte die Königin darzwischen) und warten / biß dieselbe nicht nur den Polyphilus loß zehlet / sondern auch die Gewißheit entdecket / ob Macarie oder Volinie den Sieg über ihn erhalte: indessen aber muß seine Gesundheit nicht verstehen / sondern auch andern zugebracht werden.
Macarie nahm hierauf das Glaß / und brachte es der Apatileucheris: die über solcher Gesundheit nicht geringe Freude verspüren ließe. Macarie aber / dachte der Rede Phormenen
Also vertrieben sie die Zeit / unter mancherlei Gesprächen / biß die Königin von der Tafel aufbrache. Macarie / der Gelegenheit sich bedienend / weil die andern redeten / führte die Phormena zur Seiten / und fragte sie / wie die Erzehlung von Volinie und Polyphilo zu verstehen / und ob es scherz oder ernst wäre? Ich weiß es nicht! gab Phormena lächlend zur Antwort / die nun vermeinte / daß es Zeit wäre / ihre List anzubringen. Wie? (versetzte Macarie) ist es wahr /daß Polyphilus die Volinie liebet? Nein / nein! (antwortete Phormena) ich habe nur also gescherzet. Macarie / die aus diesen verdeckten Nein vielmehr ein Ja schloße / wurde voll Bestürtzung / und bate die Phormena / um aller ihrer Freundschaft willen / ihr die rechte Warheit zu eröffnen. Ach schöne Macarie! (erwiederte diese mit gezogenen Schuldern) sie befehle mir nicht eine so gefährliche Erzehlung / mich reuet /daß ich jemals etwas davon gedacht. Das verfaulte Geheimnus im Munde / gibet einen lieblichen Geruch von sich: Die unzeitige Eröffnung aber / kan leicht einen häßlichen Gestank
Was soll ich sagen? (begegnete ihr Phormena) es sind meine Gedanken / und kan seyn / daß ich mich verführe. Doch / was die Augen fassen / dringet allzusehr ins Hertz. Ich habe gleichwol gesehen / das ihm Volinie einen Kranz gewunden / und selbst mit vielen Lob-Reden aufgesetzt / auch ein schönes Lied ihm zu ehren gesungen. Er hingegen / hat ihr davor höflich gedanket / die Hand geküst / und sich auf ewig zu ihren Diener verpflichtet. Er bedienet sie auch noch täglich nach allen Vermögen / begleitet sie nach Hause / und unterlässt nichts / das ein warhafftig-Verliebter üben kan. Ich habe vor Wunder und Eifer /wegen der schönen Macarie nicht länger zusehen können / sondern nach Hause geeilet / und bin in Zweifel geblieben / ob ich davon etwas gegen ihr gedenken solte oder nicht? Ich wünschte auch / daß ich noch still geschwiegen hätte / weil ich schon sehe / daß sie sich darüber bewegt. Solte es auch Wunder seyn /(gab Macarie zur Antwort) wann ich über dieser Untreu erstaune? Ich hätte mich ehe des Himmel-falls /als dergleichen Zeitungen versehen. Jetzt sehet ihr /Phormena! wie vergeblich ihr den Polyphilus / wegen
Zu diesem Gespräche kam Apatileucheris / und zerstörte solches. Aber Macarie / von dieser Erzehlung gantz betrübt und ungedultig / suchte die Einsamkeit / und eilete nach Haus / dieser Gesellschafft loß zu kommen / und ihren Gedanken raum zu geben. Heroarcha und seine Liebste baten gar sehr / diese Nacht zu verharren: so brauchte auch die Königin (ob sie wohl aus der Veränderung Macarien schließen kunte / was mit Phomena vorgelauffen) viel Höflichkeit / und wolte die Bitte der andern bestättigen. Aber Macarie entschuldigte sich / mit vielerley Verrichtungen / und bate / ihr dißmal die Heim-Reise zu erlauben; mit Versprechen / daß sie mit nechstem Gelegenheit suchen wolte / sie wieder zu besuchen. Also ließ Heroarcha / weil er nichts erhalten kunte / die Kutsche bespannen: auf welcher Macarie samt Eusephilisto und Kalferte / nachdem sie sämtlich einen höflichen und dankbaren Abschied genommen / davon fuhren.
Unterwegs erneuerte Eusephilistus seine verliebte Anwerbungen / und suchte alle seine Kunst hervor /einiges Versprechen von Macarien heraus zu locken: bekam aber keine andere Antwort / als daß sie die Einsamkeit liebe / und sich nicht überwinden könne /selbige zu verlassen / oder mit der beschwerlichen Liebe zu verwechseln. Heimlich aber gedachte sie: was wäre jetzt billiger / als daß ich des Polyphilus Untreu mit des Eusephilistus Liebe
So bald sie in ihr Zimmer eingetretten / warff sie die Kleider von sich / legte den Kopf in die Hand /und ließe alle die Seufzer / welche sie bißher mit höchster Beschwerung / im Herzen gefangen gehalten / ausbrechen. Ihre Dienerin Nabisa / über solcher Bezeugung hefftig erschrocken / fragte: ob vielleicht ein Unglück vorhanden wäre? Keines! (sagte Macarie) aber Polyphilus liebet eine andere / und vergilt meine Treue / mit Falschheit und Betrug. Das ist nimmermehr müglich! (sagte Nabisa) wer mag mit so ungegründeten Zeitungen unsere Ruhe zerstören? wolte ich doch selbst vor seine Treue schwören. Ach! still /(versetzte Macarie) ich habe allzugewisse Nachricht /daß er die Schäferin Volinie liebet und bedienet. Hierauf befahle sie ihr eine Verrichtung / damit sie nur nicht hören dürffte / wie sie den Polyphilus vertheidigte.
Wie sie nun sich allein befande / fienge sie an / ihr Unglück zu beklagen / und des Polyphilus Untreu zu schelten. Ist dann nun dieses / (sagte sie) du ungerechte
Mit solchen und dergleichen Gedanken und Worten / plagte sich Macarie / etliche Tage. Sie wolte die Liebe verbannen / und behielte sie doch im Hertzen. Sie wolte den Polyphilus hassen / und kunte sein doch nicht vergessen. So lang sie sich seiner Freundlichkeit erinnerte / begunte die Liebe zu wachsen: so bald sie aber an Volinie gedachte / wurde sie auf einmal ausgereutet / so gar / daß sie nicht leiden kunte / wann ihr Nabisa zuredete / nicht alles zu glauben / sondern der Sache gewisser zu werden. Sie wurde auch in diesem Glauben immer mehr gestärket / weil ihr Polyphilus keinen
Macarie begibt sich nach ihrem Lusthaus / hört daselbst einen Gärtner ein Lied singen / und darinn über Untreu klagen. Sie erkennet denselben für den Polyphilus. Sie verheben einander ihre vermeinte Untreu. Er will sich erstechen: Sie verwehrt ihm solches. Sie finden der Phormena Verrähterey / und erneuren ihre Wechsel-Liebe. Polyphilus / zu den Triften wiederkehrend / erzehlt diesen Handel der Melopharmis: die verhebt solches der Phormena /durch ein Schreiben. Atychintide / hierüber erzürnet /schaffet den Servetus und die Melopharmis von Hofe.
Weil Macarien nun die Zeit in solcher Verwirrung lang wurde / reisete sie auf ihr Landgut: fande aber auch daselbst so gar keine Ruhe / daß sie vielmehr doppelte Plage fühlte. Dann wo sie sich hinwendete /hatte sie Erinnerung ihrer Liebe / und schiene ihr alles zuwider / alles finster und trübselig: wie aus diesem Sonnet / welches sie daselbst verfasste / zu ersehen ist.
Als sie diß geschrieben / steurete sie sich an ein Fenster / und sahe den Gärtnern in ihrer Arbeit zu / unter tausenderley Gedanken. Endlich hörete sie den einen von ihnen ein Lied singen / dieses Inhalts.
Macarie hatte diesem Gesang mit solcher Empfindlichkeit zugehöret / daß sie die Threnen nicht halten kunte: dann es kam ihrem Unglück so nahe / daß sie alle Worte als ihre eigne schätzte. Bist du dann / (gedachte sie) arbeitseliger Gärtner! mit mir in gleicher unseeligen Liebe? so trage ich billig Mitleiden mit deinem Schmertzen. Ich empfinde aber auch Trost in meinen Elend / weil ich dich zum Gefärten habe. Aber / soll ich glauben / daß ein schlechter Gärtner dieses Gedicht verfasset? ist / ein so grobes Gemüte /subtiler Bewegung fähig? Ich muß sehen / daß ich diesen verliebten Gärtuer zu Gesicht bringe. Hierauf bemühete sie sich / denselben unter Augen zu sehen. Weil er ihr aber stäts den Rücken kehrete / russte sie ihrem Gärtner / und fragte:
Sie gieng endlich näher hinzu / und sagte / weil es nun fast Mittag war: Ist die Sonne nicht zu heiß / zum arbeiten? Es will freylich allmählich zu heiß werden /(gab der Gärtner zur Antwort) der Morgen ist am bequemsten zur Garten-Arbeit. Sonderlich (begegnete ihm Macarie) einem Verliebten / den der Eifer von innen plaget / (wie ich heut einen klagen und singen gehöret) kan der Sonne Hitz / wann sie von aussen dazu komt / leicht gar zu warm machen. Ach! (sagte der Gärtner) das heutige Lied / hat weder meine Gedanken noch meine Verfassung vorgestellet / (denn arbeiten und lieben / graben und dichten / finden sich selten zusammen) sondern ich habe es von einem verliebten Schäfer entlehnet. Wie kommet ihr und der Schäfer zusammen? fragte Macarie ferner. Als ich jüngsthin (versetzte der Gärtner) aus der Fremde in dieser Gegend ankommen / und unfern von diesem Lusthause / unter einem Baum die Ruhe genommen /ersahe ich / nicht weit davon / einen Schäfer / der sich / auf seinen Stab lehnend / alle die Klagen ausschüttete / welche ein betrogner Liebhaber ersinnen kan. Ich kunte zwar wenig davon vernehmen / noch weniger aber behalten / ausser daß er von
Macarie tratte hierauf zurücke / und dachte der Erzehlung dieses Gärtners weiter nach: kunte auch /wegen des Namens Eusephilistus / nicht anderst schließen / als daß es der klagende Schäfer Polyphilus seyn müsse. Was soll ich doch / (sagte sie) von diesem Bericht halten? Ist Polyphilus warhaftig in die Volinie verliebt / wie mir Phormena vorgesagt? oder lebt er ingleichen Argwahn gegen mir? Ich solte es fast / aus dieser Erzehlung / glauben. Vielleicht ist das Gifft der Verleumdung / in die Süssigkeit unserer Liebe gefallen / und hat uns beyde vergiftet? Ich muß sehen / daß ich gewissere Nachricht vom Polyphilus bekomme. Indem wendete sie sich / und wolte ferner mit dem Gärtner reden: wurde aber unversehens gewar / daß es Polyphilus selber war / der sich unter diesen Kleidern verborgen / ihre Gedanken zu erkundigen; wie er dann ihre Gebärden gar genau beobachtet / und eben im Nachsehen von Macarie erkennet wurde. Sie / hierüber erzürnet / und bestürtzet / sagte: Darfst du Leichtfärtiger dich noch unterstehen / mit deiner Untreu vor meine Augen zu kommen? mit was vor einer Stirn kanst du mich anreden? hast du nicht genug / daß du biß daher meine Unschuld und Leichtglaubigkeit mißbraucht:
Sie thut wohl / schöne Macarie! (gab Polyphilus zur Antwort) daß sie ihre Falschheit zu beschönen /mich dergleichen beschuldiget. Meinet sie vielleicht /wann sie ihre Klag am ersten führe / so wolle sie dadurch die Meinige aufheben? Ach nein! Polyphilus soll wohl die Treue erhalten / ob gleich Macarie selbige gebrochen. Nimmermehr hätte ich geglaubet / daß unter dem Glanz ihrer Schönheit solche Finsternus /und unter dem Ruhm ihrer Tugenden / solche Laster verborgen lägen. Stille mit unbilligen Auflagen! (versetzte Macarie) wollet ihr Macarie der Tugend berauben / so beraubet sie zuvor des Lebens: Dieses wird euch viel leichter werden / als jenes. Ihr müst euch zuvor der Liebe gegen Volinie befreyen / ehe ihr mich der Untreu beschuldiget. Damit wolte sie weggehen; aber Polyphilus hielte sie auf / und sagte: Wo will sie hin / schöne Macarie! Sie überzeuge mich zuvor /wessen sie mich beschuldiget / oder höre meine Entschuldigung an. Ich bin nicht gewohnt / dergleichen Scheltworte ohne Schuld / anzuhören / (erwiederte Macarie) und habe mich schon zu lang bey einem kühnen Betrüger aufgehalten. Habe ich gesündiget /(gab Polyphilus zur Antwort) so setze sie / erzürnte Macarie! die Strafe: oder sie schaue doch an / wie ich mit diesem Eisen bezeuge / daß ich ihr ewig-getreuer Liebhaber sterbe / und viel lieber todt seyn / als sie in einen andern verliebt wissen will.
Mit diesen Worten / zoge er einen Dolch / welchen
Hilf Gott! Macarie! (sprach Polyphilus) wer bringet solche ungegründte Zeitungen vor ihre Ohren? kan sie dann glauben / daß Polyphilus / aller Tugend vergessend / sein eignes Gut verachten
So winden euch dann alle Schäferinnen Kränze /(sagte Macarie) setzen euch selbige auf und singen euch herrliche Lob-Lieder? Und pfleget ihr auch allen Hirtinnen die Hände zu küssen / sie allenthalben zu begleiten / und euch als ihr ewiger Diener zu verpflichten? oder hat allein Volinie die Ehre dieses Vorzugs? Sie hat alles fleißig behalten / (versetzte Polyphilus voll Verwunderung) und muß ich
Das ist keine Verleumdung / (sagte Macarie) was ihr selbst gestehet. Entdecket ihr mir zuvor / woher ihr die Reise nach Montefessen erfahren? Phormena (gab Polyphilus zur Antwort) hat uns solches / durch einen Brief / eröffnet. Phormena! (begegnete ihme Macarie) darff diese eröffnen / was sie selbst befördert / und vielleicht auch angestellet? So solte ich nochmals wehnen / daß wir / verrahten und verkaufft /in ihren verleumderischen Stricken herum lauffen. Erzehlet mir doch / Polyphilus! was sie geschrieben hat: so will ich weiter kein Bedenken tragen / euch auch eine von
Ich habe zwar den Brief nicht bey mir / (sprach Polyphilus) von dem Inhalt aber / und wie ich dazu gelanget / scheue ich mich nicht zu berichten. Als ich meiner schönsten Macarie den lezten Brief durch ihre Dienerin geschicket / und nun bey meiner Heerde einer frölichen Antwort erwartete / sahe ich Melopharmis / voll Zorn und Entsetzung / auf mich zu laufen / welche / vor Keichen / kaum diese Worte hervor bringen kunte: Ach! Polyphilus! was bringe ich vor Zeitung? Wie schändlich seit ihr in der Liebe Macarien betrogen? Hier leset / was ich so lang gefürchtet /und vor Grimm nicht erzehlen kan. Ich nahm den Brief mit zittern aus ihrer Hand / und lase mit Bestürtzung / erstlich / daß wir sämtlich / auf der Königin Befehl / nach Sophoxenien kommen solten; hernach aber / als etwas neues / diese Worte / welche mir gar eigentlich in dem Sinn geblieben: Gestern sind wir / in Ihr. M. Bedienung / auf dem Fest zu Montefessen gewesen / und haben daselbst die Macarie / mit Eusephilisto (wie man sagt) ihrem Liebsten / angetroffen. Sie ist (welches mich wundert) mit ihme hin /und wieder zurück gefahren / hat ihm auch alle Freundlichkeit erwiesen. So bald ich diese Worte gelesen / warff ich den Brief von mir / und zugleich alle Sinne / und gerieth in eine solche Onmacht / daß Melopharmis nicht wuste / wie sie mich ermundern solte / und ganz erschrocken nach Agapisten liefe /selbigen zu mir zu holen.
Als dieser herzu kame / hatten sich meine zerstreute Sinne wieder etwas gesamlet / aber zu meinem
Also redeten diese gegen einander / und ich hatte davon keine Hülfe / und wurde auch in meinem Eifer immer gestärket / weil ich keinen Buchstaben von ihr sahe / und deßwegen die Liebe gegen Eusephilisto vor gewiß hielte. Ich lebte etliche Tage in einem so verzweiffelten Zustande / daß ich mir vielmals das Leben würde genommen haben / wo es Agapistus nicht verwehret hätte. Endlich riete er mir / ich solte selbsten zu ihr kommen / und wo nicht offentlich / doch unbekandt / die Gewißheit dieser Zeitung einholen. Er gienge auch selbst mit mir hieher / zum Gärtner / und fragte: ob nicht Macarie bald erwartet würde? Und als dieser antwortete / daß sie albereit vorhanden / baten wir ihn / um dieses Kleid: welches ich anzoge / und entweder eine aufrichtige Liebe / oder einen kurzen Tod darinn erhalten wolte; massen ich auch diesen erlanget / wo sie es nicht verhintert hätte. Solte ich nun auch jenes nicht finden / so hätte ich doppelte Ursach / über sie mich zu beklagen.
Was soll ich sagen / Polyphilus! (gab Macarie zur Antwort) Ich erstaune über der Verhängnus des Himmels / und über der Boßheit der Menschen. Ich will /wegen der Liebe des Eusephilistus / mich nicht entschuldigen / sondern nur erzehlen
Solcher gestalt / suchte Polyphilus seine harte Besprechung auszusöhnen. Aber Macarie wolte so gar von keiner Abbitte hören / daß sie vielmehr
Polyphilus aber / nachdem er sie gesegnet / und ehest ein Brieflein zu schicken / versprochen / gienge wieder zu seinen Hirten / und erzehlte denselben die List der Phormena / durch welche sie alle beyde in Eifer / und durch denselben in Widerwillen verleitet worden: worüber sich Agapistus sehr verwunderte /Melopharmis aber sich heftig erzürnte / und tausend Scheltworte wider die Phormena und ihre Untreu ausstieße. Sie begehrte / Polyphilus solte mit ihr nach Sophoxenien reisen / und die Phormena / wegen dieser Verrähterey / zu Rede setzen: Als er sich aber dessen wegerte / einwendende / daß es gar gefährlich /das jenige strafen / was ohne zweifel aus Königlichem Befehl geschehen / sagte Melopharmis: Was soll ich dann allein auf dem Schloß machen? ich werde / ohn eure Gesellschaft / kein angenehmer Gast seyn; und wer weiß was sie noch anspinnen / wann ich länger hier verziehe. Das stelle ich dahin / (gab Polyphilus zur Antwort) sie mögen thun / was sie nicht lassen können. Ich habe nunmehr diesem Schloß / (welches mir zwar ehemals mein Leben erhalten / anjetzo aber leichtlich wieder geraubet hätte) gute Nacht gegeben /und bleibe bey meiner Herde. Ihre List wird mir nicht mehr schaden / weil wir uns schon dawider gewaffnet. So habe ich auch keine Strafe von der Königin zu fürchten / weil ich von ihrer Botmässigkeit frey / und unter einem andern Schutz lebe. Höfe und Felder /Zepter und Hirtenstäbe /
Weil Melopharmis aus dieser Antwort abnahm /daß Polyphilus nicht zu bereden wäre / schickte sie den Servetus nach Sophoxenien / mit Befehl / die Beschaffenheit daselbst zu erkundigen / und die Königin zu berichten / daß sie / wegen Krankheit nicht wieder zurücke kommen können. Sie gabe ihm auch an Phormena diß Brieflein mit / ihre Boßheit nicht unbestrafft zu lassen.
Untreue Phormena!
Wer hätte glauben können / daß solche Laster in euch wobneten / die unserer Vertraulichkeit mißbrauchen /und / an statt der versprochenen Hülffe / Verfolgung wünschen solten? Wisset ihr nicht / wie vest und heilig die jenige verbunden sind / welche ihr durch eure List zu trennen suchet? Gedenket ihr / die Torheit der Atychintide / durch eure Falschheit zu befördern / und wollet eine leichte Hof Gnade dem Ruhm der Aufrichtigkeit vorziehen? So wisset / daß ihr dieses verlieren / und jenes nicht finden werdet. Dann was hat nun eure Verrähterey für Nutzen / als daß sie entdecket /der Königin Hohn und Gelächter / und euch selbsten Haß und Verachtung / zu wegen gebracht / den Polyphilus und die Macarie aber / viel vester als vorhin verbunden: Dieses ist der Lohn eurer Klugheit / und die Frucht eurer Heucheley. Verzeihet mir / Phormena! daß ich so offenherzig schreibe / wie es mein billiger Eifer der Feder
Eure Freundin.
Mit diesem Brief und Befehl / verfügte sich Servetus /aber zu seinem Unglück / nach Sophoxenien. Atychintide / als sie noch selbigen Abend / da Macarie zu Montefessen Abschied genommen / wieder nach Hause fuhre / ließe ihr von Phormena erzehlen / wie Macarie in Eifer entbrennet / und nachmals an Melopharmis schreiben / was sie vermeinet / daß ihr Vorhaben befördern konte. Weil sie aber hierauf lang keine Post empfienge / und weder den Polyphilus noch die Melopharmis / wie sie gehoffet / ankommen sahe / fienge sie an zu zweifeln / ob ihr Anschlag seinen Zweck möchte erreichet haben. Sie lage eben mit Phormena am Fenster / selbige befragend / wie ihr dieser Handel gefiele / als sie den Servetus ankommen sahen. Sie ließe ihn alsbald vor-fordern / da er / nach abgelegter Reverenz / also anfienge: Durchleuchtigste Königin! Gnädigste Frau! Melopharmis und Tycheno / neben den beyden Schäfern Polyphilo und Agapisto / lassen sich E. M. unterthänig befehlen / und tragen Verlangen / deroselben hohes Wohlergehen zu vernehmen. Melopharmis aber bittet unterthänig um Vergebung / daß sie ihre Widerlunft biß daher verzogen / welches
Ist Melopharmis krank / (fragte die Königin) und hat dieses ihre Heimreise verhintert? so wundert mich / daß sie es nicht eher berichtet / damit wir ihr Arzney verschaffet hätten: Aber hat es sich noch nicht wieder gebässert? Es ist ja etwas leidlicher mit ihr /(versetzte Servetus) allein die Schenkel wollen sie noch nicht in die ferne tragen. So soll sie Phormena morgen mit der Kutsche holen / (sprach Atychintide) da sie vielleicht auch die Schäfere mit bringet. Was machet Polyphilus: ist er frölich bey seiner Heerde? Ich weiß es nicht / gnädigste Königin! antwortete Servetus: Dieser Tagen ist er sehr betrübt gewesen / und hat / wider seine Gewonheit / ganz keine Tröstung annehmen wollen / wiewol mir die Ursach unbekannt ist. Die Königin sahe hierauf die Phormena an / und hoffte noch gute Würkung ihrer Anschläge; befahle hierauf / den Servetus speisen zu lassen. Als nun Phormena mit ihm nach der Küchen gehen wolte /überreichte er ihr der Melopharmis Brief / und gieng darauf / ohne Sorge / zu den andern Bedienten.
Phormena lase den Brief / und ereiferte sich dermaßen darüber / daß sie vor Zorn brennte: dann sie sahe / daß nicht allein ihre Falschheit eröffnet / sondern auch die Wirkung derselben gehintert wurde /und die Gnade / die sie dadurch zu erlangen
Hat dann (sagte sie) der lebendige Teufel diese unverschämte Bestie aus der Hölle herauf geschikt /mein Gemüte und Glück zu beunruhigen? War es nicht genug / daß diese leichtfärtige Alte vorhin den Grund meines Unglücks geleget / und die Rache des Himmels wider mich gereitzet? muß sie nun auch alles mein Vorhaben verhintern / und meine Gnade mit Schimpf und Untreu belohnen? Doch / ich will ihr das Gelächter theuer gnug machen / und mit der Strafe sie lehren / wie sie von Königinnen schreiben soll. Nimmermehr soll mir diese Verrähterin mehr unter das Gesicht kommen; nimmermehr soll sie diese Schwelle betretten.
Also muste Servetus / ehe er vollends gespeiset /vor die Königin kommen / welche ihn also anredte: Höre / du Verrähter! der du bißher / deinen Unterhalt allhier / mich zu betrügen / angewendet. Ich hätte Ursach / deinen Frevel mit deinem Blut abzuwaschen /und dir die Strafe zu ertheilen / die deines gleichen Bößwichtern gebühret. Aber ich achte dich nicht würdig meiner Rache / und will dich deiner eignen Strafe überlassen. Gehe hin / und sage deiner Erz-Betrügerin Melopharmis / daß ich alle ihre Boßheit erfahren /alle ihre Verrähterey nun kenne / und deßwegen alle die Gnade / welche ich ihr bißher erwiesen / und noch ferner zu erweisen versprochen / wieder zu rück nehmen. Sie mag mit ihrem Sohn / (dem ich wohl das Königliche Erbgut zugedacht hatte) bey ihren unedlen und nichtswürdigen Schäfern / welchen sie bißher / zu meinem Nachtheil / mit ihrer Falschheit / gedienet /verbleiben / und sich ja hüten / daß sie nicht weiter vor meine Augen komme / wo sie nicht den Lohn ihrer Untreu empfinden / und ihre Laster gestraffet wissen will. Hiemit habt ihr alle / was ihr gesuchet /
Melopharmis / über ihrer Abschaffung beängstigt /verkleidet sich / mit dem Servetus / in Einsidler /warsaget im Wald bey Sophoxenien / zweyen Hof-Bedienten / und folgends auch der Atychintide /mit scharfer Vermahnung / ihre Verstossene wieder aufzunehmen / endlich auch dem Eusephilistus. Agapistus bringet Macarien des Polyphilus Schreiben / darinn er ihr der Königin Ungnad entdecket: und kommet mit ihren Antwort-Schreiben zu rucke.
Also muste der armseelige Servetus / mit noch hungrigem Magen / aus dem Schloße / und / weil er wegen einbrechender Nacht nicht mehr zu den Schäfern kommen kunte / in dem nächsten
Melopharmis erschrack über dieser Rede / und merkte wohl / daß Polyphilus auf Zauberey zielte /davon sie doch nichts hören wolte: Dann ob es ihn gleich nicht schwer fallen mögen / durch verbottene Künste ihr Hülffe zu schaffen / so wuste sie doch /daß sie albereit bey den Weißen / wegen der wunderlichen Errettung des Schloßes / verdächtig / und durch die Verleumdung der Phormena / in ihrer Abwesenheit / leichtlich gar angegeben / und in verhafft
Melopharmis unterließ hierauf nicht / ihren Anschlag zu vollführen. Was thut aber diese Listige? sie machet ihr / auf eine besondere Art / priesterliche oder Eremiten-Kleider / und verstellet das Gesicht mit einem grauen Bart / versihet auch den Servetus mit dergleichen. In solchem Habit / dessen die Schäfer /und ihr Sohn / nicht gnug lachen kunten / gienge sie mit dem Servetus in den Wald / der nächst dem Schloß Sophoxenien lage / ließe ihr
Uber dieser unverhoften Weissagung / wurde der junge Edelmann ganz erstarret: freuete sich aber doch der guten Zusage / einer glücklichen Heuraht / und wolte dem fremden Propheten eine Verehrung geben. Er aber schüttelte den Kopf / und wolte nichts annehmen / sondern winkte / er solte seines Wegs gehen. Also gieng dieser Betrogne / voll Schrecken und Verwunderung / wieder zurück / und ließe vor dißmal die Vögel ungeschossen. So bald er aber hinweg war /riefe Melopharmis dem Servetus / und fragte: wie ihm dieser Anfang gefiele? Sehr wohl! sagte dieser / mit großem Gelächter. Der gute Kerl schätzet sich nun schon glückseelig. Wann es die Königin höret / so komt sie selbst heraus. Darauf ists auch angesehen! versetzte Melopharmis Reichet mir nur jetzund zu essen: ich wil ihnen noch Lugen genug verkauffen. Also hielten sie Malzeit von der mitgebrachten Speise / unter vielen Gesprächen.
Sie hatten kaum gespeiset / als sie den Edelknaben wieder daher kommen sahen / und Erothemitis / eine aus den Frauenzimmer / mit ihme. Was will diese? sprach Melopharmis: soll ich ihr vielleicht auch einen Mann verschaffen? ich such nicht ihre / sondern ihrer Königin Ankunft. Doch haltet euch versteckt / Servetus / so will ich ihr auch etwas daher dichten / und sehen / daß ich diese beyde zusammen koppele. Hierauf verbarge sich Servetus / Melopharmis aber setzte sich bey ihr Buch / und erzeigte sich gar tiefsinnig /biß diese beyde hinzu kamen. Erothemitis kam allein hinein / (dann
Die Jungfer hatte diesem allen / mit grossem Eifer zugehöret / und wolte nun auch ihre Dankbarkeit gegen Melopharmis erweisen: allein sie nahme nichts / wie sehr auch Erothemitis bate.
Diese Angst aber nahme bald ein Ende: Dann als sie des Morgens in der Hütten beysammen sassen /und an ihrer Hofnung fast verzweifelten / sahen sie Phormena daher gehen / mit einer andern unbekandten Weibs-Person. Melopharmis erschrake erstlich über dieser Ankunft / und bildete ihr ein / es werde sie Atychintide zur Kundschafferin ausgesandt haben. Als sie aber etwas näher kamen / wurde sie gewar / daß die Königin selbst / in einem fremden Habit dabey war. Sie schaffte demnach den Servetus hintan / und lase /nach ihrer Gewonheit / in einem alten Buch. Atychintide trat in die Hütten / und sprach: Höre / du künstlicher Alter! der du jederman seinen Zustand entdeckest / und dich rühmest / ihr Künftiges zu wissen. Ist etwas in deinen Kräften / dadurch du mein Verhängnus sehen / und von meinem Glück zeugen kanst / so eröffne mir unerschrocken / was ich in meinen verwirrten Anschlägen zu fürchten oder zu hoffen habe. Melopharmis fieng hierauf an / ihre
Die Königin wurde durch diese Weissagung / als vom Blitz gerühret / und so beschämet / daß sie die Augen zur Erden schlug / und sich ganz onmächtig auf Phormena steurte: Sie war so voll Schrecken und Ungedult / daß sie wünschte / den Propheten nie gesehen zu haben: Dann sie wuste sich / in ihrem Gewissen /aller der Laster schuldig / welche ihr der Warsager aufgebürdet / und kunte deßwegen auch an der angedrohten Strafe nicht zweifeln. Also stunde sie in äussersten Aengsten. Ihre Heimlichkeit war entdecket /ihre List war umgeschlagen / und ihre Hofnung lag darnieder. Solte sie von ihrem Vorsatz weichen / und die Verstossene wieder beruffen / das wäre schwer und schimpflich: solte sie dann darinn verharren / so wäre es gefährlich und schädlich. Schon einmal hatte sie die Rache des Himmels empfunden / und das andere mal muste sie dieselbe fürchten. Demnach wuste sie ihr nicht zu helffen / und hatte kaum die Kräffte /der Phormena zu befehlen / sie solte dem Warsager ein Geschenke geben: welches er aber nicht annahme.
Melopharmis / so bald sie die beyde aus dem Gesicht verloren / riefe dem Servetus / und sagte: Nun haben wir unsern Zweck erreichet / und der Königin angekündet / was zu unsrer Widerberuffung vonnöten ist. Nun ist übrig / daß wir uns bald von hinnen ma chen / ehe unser Betrug entdecket / und unser Anschlag verderbet werde. Geschwinde / Servetus! brecht die Hütten ab / und lasst uns fortziehen. Also eilete dieser / dem Befehl der Melopharmis nachzukommen / und brache alles zu stücken / damit sie nicht gehintert würden. Eben aber / als sie fortgehen wolten / sahe Melopharmis den Eusephilistus daher reiten / welcher / wie sie mutmassete / nach Sophoxenien wolte. Sie besanne sich bald einer List / und sagte zum Serverus / er solte mit den Sachen fortgehen. Sie aber blieb in tiefen Gedanken stehen / biß Eusephilistus näher kam / und diesen ungewöhnlichen Aufzug mit Verwunderung ansahe / aber ohne Besprächung vorbey reiten wolte.
Als dieses Melopharmis warnahm / fienge sie an mit lauter Stimme zu ruffen:
Ob Eusephilistus / über dieser unverhofften Weissagung erschrocken / ist leicht zu vermuhten: Dann er war vorhin in höchster Ungedult / und hatte zu Soletten verstanden / daß Macarie abermal mit dem Polyphilus zusammen gewesen / da er doch zuvor aus der Erzehlung Phormenen / viel ein anders geschlossen. Er reisete dennoch zu der Königin / die Gewißheit der Liebe des Polyphilus zu erforschen / und einen endlichen Schluß zu vernehmen / was er in seinen Verlangen zu fürchten oder zu hoffen habe. Dieses erfähret er nun auf dem Weg ungefehr / wiewol nicht nach seinem Willen: weßwegen er darüber sehr bestürtzt wurde. Er sahe den seltsamen Warsager mit unverwandten Augen an / und wuste nicht / ob er ihm danken / oder ihn schelten solte. Melopharmis aber eilete mit ihrem Knecht von dannen / aus Furcht / erkennet zu werden / und wolte ihr nicht lang unter das
Die Schäfere hatten inzwischen / nach ihrem Abzug / sich berahten / der Macarie die Ungnade der Königin zu eröffnen / weil sie es doch sonst erfahren /und dadurch in neuen Kummer gerahten möchte. Demnach schickte Polyphilus Agapisten nach Soletten / und ließ seiner Liebsten die ganze Handlung erzehlen / gab ihm auch ein Brieflein an sie / dieses lauts.
Liebstes Herz!
Weil ich nicht zweifle / es werde das Geschrey / daß sich mehr auszubreiten / als zu verbergen pfleget / die Handlung der Königin zu Sophoxenien / wider uns /derselben / und zwar / seiner gewohnten Art nach /mit meinen Schimpfe / für Ohren gebracht haben: als habe ich / durch unsern Agapistus / ihr davon mündlichen Bericht zu geben / nicht verabsaumen wol en. Er wird von allem / was geschehen / und künftig geschehen möchte / Bericht ertheilen. Weil aber des Agapistus Herz / hierinn fast der schönen Macarie ihrem gleichet / daß es etwas furchsam / und ohne Ursach erschrocken ist / wolle sie / mein
Ihres biß in den Tod beständigen
Polyphilus.
Als Agapistus diesen Brief Macarien eingehändiget /fragte sie / nach dessen Ablesung: was dann mit der Atychintide vorgelaufen wäre? und als ihr Agapistus solches nach der Länge erzehlet / wunderte sie heftig darüber / und bate Agapisten / daß er Polyphilo zureden / und ihn vermahnen solte / der Königin nachzugeben / und sich mit ihr in keine öffentliche Feindschaft einzulassen / weil sich dergleichen Handlungen im Lande auszubreiten / und in allerhand schimpfliche Nachreden auszuschlagen pflegen. Dem ist also! (sagte Agapistus) Ich habe den Polyphilus dessen allbereit erinnert / und will es / auf ihren Befehl / schöne Macarie! noch ferner thun. Damit es aber nachdrüklich geschehe / so bitte ich um etliche Zeilen / die meinem Zusprechen mögen Glauben erwerben. Wann ich ihn damit beschweren darff / (versetzte Macarie) so soll es an meiner Feder nicht mangeln. Hierauf setzte sie sich über / und schriebe folgendes.
Bleichwie die Tugend / wan sie nicht auf einem Diamantenen Fuß der Beständigkeit ruhet / vor keine Tugend zu halten / sondern vielmehr / ein löblicher Anfang / eines sträflichen Endes zu nennen ist: also wil hingegen solcher Ruhm der Beständigkeit / nicht auf weichen Polstern / sondern in den Stürmen der Widerwärtigkeit erlanget werden / weil ohne Streit kein Sieg zu boffen ist. So lasse er sich den Haß der Königin /mit welchem sie seine Ruhe bekrieget / nicht anfechten / sondern lebe versichert / daß alle unschuldige Verfolgungen ihm / an statt eines Schatzes / dienen werden / sein Glück vor der Fäulung zu bewahren. Damit man aber doch vorsichtig handele / möchte ich wünschen / er ließe ihm meine Bitte und seines Apagistus Raht gefallen / und begegnete dieser Erzürnten mit Demut: Ich bin gelliß / daß dieser hochmütige Löw durch die Anbetung besänfftiget / und wo nicht ein Lams-Fell / doch einen Fuchs-Beltz anziehen würde. Weiß ich doch / daß er von dem Himmel / mit einer so ungemeinen Freundlichkeit beschenket ist /daß er dadurch auch die wildste Gemüter zahm machen könte. Und diese lasse er vor dißmal / an stat der Rache / gelten / und folge der Bitte /
Seiner
Macarie.
Atychintide berufft die Verstoßenen wieder nach Hof. Der Bot erzehlet / was sich mit dem Warsager im Wald begeben / wie die beyde Alten / mit Begehr ihrer Dienst-Erlassung / die Königin von ihren unverantwortlichen Handlungen abgemahlet / und sie solches wol aufgenommen; wie ihm Eusephilistus die Erothemitis vermählet. Sie reisen miteinander nach Sophoxenien / und werden gnädig bewirtet.
Melopharmis! nahme damit den Brief von ihm / und / weil die Uberschrifft an sie stunde /erbrach sie denselben / und fande darinnen von der Königin eigner Hand / diese Worte.
Melopharmis.
Wann euch die Botschafft / welche wir durch Serveten anbringen lassen / fremd und unsrer vorigen Gnade zuwider vorkommet / so wisset / daß sie aus Zorn hergeflossen / und daß eure unbedachtsame Feder denselben erreget. Soltet ihr also alle unsere Gutthaten mit Hinterlist belohnen / Unsern wohlgemeinten Raht in ein Gelächter ziehen / und von eurer Königin so verächtlich zu schreiben nicht erröten: Bedenket / Melopharmis! wie sehr ihr uns verletzet / und wie billig wir darwider
Atychintide.
Ich weiß nicht / (sagte Melopharmis / als sie diesen Brief gelesen) was ich hievon halten soll. War die Königin so gar wieder uns erzürnet / wie Servetus erzehlet / warum heisset sie uns dann nun wiederkommen? oder wer hat sie auf einen andern Sinn gelenket? oder meinet sie vielleicht / uns mit guten Worten nach Sophoxenien zu bringen / und daselbst erst ihren Grimm sehen zu lassen? Ach nein! (versetzte der Edelknab) es sind viel andere Ursachen dieser Veränderung / als ihr vermuten krünet. Es gehet zu Sophoxemen seltsam zu / und wann ich alles neue erzehlen solte / würdet ihr euch sämtlich darob verwundern. Damit ich aber nur des
Nachdem Servetus (fienge er hierauf an) von Hof geschaffet war / bliebe die Königin etliche Tage gar verwirrt und ungedultig / und kam entweder gar nicht zur Tafel / oder saße über derselben gantz stumme. Phormena bemühete sich zwar / sie zu erfrölichen /aber vergebens: Dann sie lebte in solchen Kummer und Zorn / daß nicht nur die beyde Weißen / sondern auch der ganze Hof / darüber wunderte. Wie aber die Hofbediente über diese Weise der Königin sich entsetzten / also wurden hingegen die Weißen darüber zornig / und suchten Gelegenheit / der Königin solchen Ubelstand zu verweisen / weil jederman erriehte / wo ihr Kummer herrührte.
Aber mitten in dieser Verdrüßlichkeit / begabe
Also gieng ich halb erschrocken / und halb freudig / wieder zurück / und erzehlte den andern Bedienten / was mir begegnet. Erothemitis liefe eilends zur Königin / dieses zu berichten: welche mich vorfordern ließ / und alles umständlich erforschete / was sich mit dem Warsager begeben / auch der Erothemitis erlaubete / mit mir zu gehen / und von dem neuen Propheten ihr Glück zu vernehmen. Diese / wie sie vorhin aller Seltsamkeit begierig / wolte dieses nicht versäumen / sondern gieng mit mir nach den Ort / wo ich den Alten gefunden / und fragte denselben: was sie künftig zu hoffen hätte? Was sagte er von dieser? fragte
Der Edelman stutzte etwas hierüber / und sagte: Ihr soltet mir bald die Gedanken in Sinn bringen / daß der Warsager auf sie gedeutet / weil er sonderlich angehängt: ich solte behertzt seyn / dann wo es fehlte /würde ichs selbst versehen haben. Doch / dem sey wie ihm wolle / Eusephilistus hat sie hinweg. Wiewol /wann schon mein Glück auf Erothemitis bestehen sollen / ich es bey ihr nicht würde gesuchet haben / weil mir ihre Sitten niemals gefallen. Aber daß ich weiter sage / wir giengen / auf Anhörung der Prophezey /wider nach dem Schloß / allwo Erothemitis der Königin das beschehene erzehlte: welche darüber lüstrend wurde / auch eine Künheit zu wagen / und es mit Phormena heimlich abredte / daß sie des andern Morgens verkleidet mit ihm zum Warsager gehen / und von ihm den Ausgang ihres Vorhabens vernehmen wolten. Solches wurde vollzogen / aber vor sie gar unglücklich: weil es die beyde Weißen alsbald erfuhren / und deßwegen ihren Abschied begehret. Dann als die Königin / ohne zweifel mit einer harten Weissagung / wieder nach Hause gekommen / und mit Phormena im Garten gieng / war ich
Sie waren kaum in den Saal eingetretten / da finge die Königin an / und sagte: Was nun vor Raht / Phormena: der alte Gauckler hat mich ganz aus mir selbst gebracht. Soll ich von meinem Vorsatz weichen / und die / welche sich so hoch an mir vergriffen / wieder zurück holen lassen / wie sein Raht lautet: so haben wir doppelten Schimpf davon. Soll ich dann in meinem Vorsatze verharren / so scheinet Gefahr und Unglück auf mich zu warten. Ich weiß nicht / gnädigste Königin! (gab Phormena zur Antwort) was von diesem Spiel zu halten sey. Ich gebe dem abenteurlichen Alten keinen Glauben. Woher sollen die Sterblichen üm Göttliche Rahtschläge wissen? E. Maj. haben Ursach / wider ihre Beleidiger zu eifern / und sehe ich ganz nicht / wie die Gottheit durch gerechte Strafe der Verbrecher solte erzürnet werden: angesehen sie selber die Laster straffet / und nicht will / daß sich Unterthanen wider ihre Oberkeit auflehnen. Das ist wol etwas! (sagte die Königin) aber ihr wisset / in was vor Unglück ich allbereit gewesen / und wie ein schweres Verhängnus der Himmel über mich geführet. Was solte ich machen / wann mich dergleichen wieder träffe.
Indem die Königin also redte / klopffte jemand an der Thür des Saals: darum sie der Phormena befahle /zu sehen wer vorhanden wäre? Als diese berichtet /daß Cosmarites und Clierarcha geheime Verhör begehrten / sagte die Königin voll
Wann wir an einer gefährlichen Wunden erkranket / so suchen wir einen bewährten Arzt / und geben ihm frey / wo es die Noht erfordert / in die Haut zu schneiden / Eisen und Feuer zu brauchen: Wir würden es ihm auch wenig Dank wissen / wann er / aus törichtem Mitleiden / unsern Schmerzen scheuen / und dadurch dem Brand /
E. Maj. bedenken / wie sie / auf der Reise nach Soletten und Montefessen ihr hohes Ansehen vergeringert und verletzet / indem sie also mit Privat-Personen gespeiset / und geherberget / und sich also ihnen Dankschuldig gemacht / wie sie / der Witiblichen Einsamkeit entgegen / den Uppigkeiten nachgezogen /und hintangesetzt aller Tugenden / ihren Vorsatz befördern wollen. Was werden die Inwohner dieser Orten gedenken / daß eine verwittibte Königin / Eitelkeiten zu sehen / im Lande herum fähret / und sich allerwegen gemein machet?
Mit Schrecken haben wir verstanden / daß E. Maj. sich nicht entblödet / dergleichen verdächtige Leute /vor welchen sie ihre Bediente warnen solten / selbst zu befragen. Aber also pfleget man immer tiefer in den Schlamm der Laster zu sinken / biß man darinnen den Grund und zugleich den Tod findet. Und dieses ist die Ursach / daß wir beyde / unser Gewissen zu reinigen / und den Befehl unsers hochseeligsten Königs zu erfüllen / E. M. gefährliches Verfahren zu unterbrechen / und unser aller Untergang zu verhüten /hieher gekommen: der
Diß ware in Warheit eine kühne und tugendhafte Rede! (sagte Agapistus) aber wie hat die Königin solche aufgenommen? sind die Weißen nicht mit ihrer Red-Freyheit übel angelaufen? Ganz nit! versetzte der Edelmann. Die Königin gab zur Antwort: Euer Vorbringen / ihr liebe Getreue! ist freylich kühn genug /vor hohe und arte Gemüter: dürfte auch wol / bey andern meines Standes / ungedultige Ohren gefunden haben. Aber ich erkenne / daß sie aus den Brunnen der Wolmeinung hergeflossen / und / durch eure Treu und Aufrichtigkeit / erreget worden: darum ich vielmehr euch danke / als darüber zürne. Es ist wahr /Cosmarite! daß ich nun eine zeither in verwirrtem Zustande gelebet / und des Polyphilus Liebe / nach allen Kräfften / durch zuläßige und verbottene Mittel gehintert. Solches aber ist geschehen / nicht aus einer wollüstigen Liebe gegen ihm / wie ihr mir ohne Grund aufbürdet / sondern in der Meinung / den Polyphilus höher zu setzen / und / weil ihn der Himmel durch unsre Erlösung
Dieses war der Königin Antwort: auf welche die beyde Weißen wieder Abschied nahmen / und vor die gnädige Anhörung unterthänigen Dank ablegten. Wie mir aber diese Zeit über / unter den Tapeten zu muht gewesen / darf ich nicht erzählen / weil es ein jeder selbst muhtmaßen kan: dann ich hatte mich dergleichen Heimlichkeit nicht versehen / und muste immerdar fürchten / daß ich ertappet / und wegen solcher Vermessenheit / gestrafft werden möchte. Aber es traf sich viel besser: dann die Königin / gieng mit den Weißen / etwas über den Saal / in den Garten.
Gleich aber / als diese hinweg waren / kam Eusephilistus
Ach ja / gnädigste Königin! (versetzte Eusephilistus) er hat mir auf dem Weg / ungebetten eröffnet /was ich hier zu erforschen gesuchet: und darneben gerahten / daß ich / die jenige / welche mich in kurzem lieben würde / an stat Macarien erwählen solte / wo ich anderst eine glückliche Ehe verlangte. Und vielleicht ist dieses unsre Erothemitis: (sagte Atychintide) deren er gleichfalls / in wenig Tagen / einen jungen glückseeligen Freyer zugesagt? Eusephilistus lächelte hierauf / und sagte: Es würde ihm hierzu an Würde manglen. Er
Dieses war die Erzählung des jungen Edelmanns /welche den Schäfern große Freude brachte / so wol wegen der Königin Gnade / als wegen der Verehlichung des Eusephilistus. Und weil Polyphilus vorhin den Befehl von Macarien hatte / die Königin zu versöhnen / entschlosse er sich neben den andern / mit dem Edelmann zu gehen / und die neue Braut zu besuchen. Sie nahmen demnach / von Cumenus / und ihren andern Gesellschafftern / auf etliche Tage Abschied / und giengen zugleich nach Sophoxenien. Auf dem Weg ergetzten sie sich / mit Bewunderung des seltzamen Warsagers / und fragte Polyphilus den Edelman: wo er denselben gefunden? weil er selbst nach dem Ort gehen / und wegen seines Glücks Bericht holen wolte. Als aber dieser sagte: daß er allbereit hinweg / und Eusephilistus ihn schon abreisend gefunden hätte / giengen sie vollends / mit heimlichen Gelächter / nach dem Schloße: aus
Endlich kamen sie in das Schloß / und wurden von den Hof-Bedienten frölich empfangen / auch gleich zur Königin beruffen: die sie zwar gnädig / aber nicht sonders freundlich empfienge: dann der Melopharmis Beleidigung steckte ihr noch im Gehirn / und war sie zu dieser Widerholung / durch die Weissagung des Alten / und durch die Strafe ihrer Rähte / gezwungen worden. Doch dankte sie den Schäfern / daß sie ihr einsames Haus besuchen wollen / und fragte: Wie es ihnen bey der Heerde gienge / und warum Polyphilus so lang verziehe / seine Macarie heim zu holen? Als dieser zur Antwort gabe / wie daß er noch eine Reise nach Ruthiben thun müsse / wünschte sie Glück dazu / erzählte folgends / die unverhoffte Verlöbnis der Erothemitis mit Eusephilisto / und hieße sie zur Hochzeit kommen.
Unterdessen war die Tafel bereitet / an welche sie sich auf der Königin Befehl sezten / und ungewöhnlich stattlich tractirt wurden. Dann Atychintide erwiese sich dißmal als eine Königin / und wuste ihre Hoheit so wol in acht zu nehmen / daß sich Polyphilus nicht wenig verwunderte. Dann biß daher war er nur einer verdrüßlichen Freundlichkeit von ihr gewohnet /die nichts dann Verachtung würket: wie
Als sie endlich von der Tafel aufstunde / und nach ihrem Zimmer zur Ruhe sich begleiten lassen / hinterließe sie unsere Schäfer und die Melopharmis in großer Verwunderung. Dann so bald sie hinweg war /sagte diese gar traurig / zum Polyphilus: wie ihm der Königin Bezeugung gefiele? sehr wohl! (gab Polyphilus zur Antwort) sie agiret jetzt erst eine rechte Königin. Ich aber (versetzte Melopharmis) werde lang zu thun haben / ehe ich meine vorige Würde bey ihr wieder erhalte. Ach! Phormena hat sich wol an mir gerochen: Nimmermehr will ich ihr so viel Raum zu ihrer List lassen / sondern fein mit meinem Sohn hier bleiben. Das möget ihr thun / (erwiederte Polyphilus) wir aber wollen uns nicht lang aufhalten / sondern morgen / mit dem frühsten / wieder zu unsrer Heerde abreisen. Gedenket ihr indessen unser im besten / und berichtet zuweilen / was sich mit Eusephilisto zuträget / damit wir etwas zu lachen haben. Auf dieses wünschten ihr die Schäfer eine ruhige Nacht / und legten sich schlaffen.
Des andern Morgens / giengen sie / so bald sich die Königin angekleidet / Abschied zu nehmen; da dann Atyd intide sich wieder etwas freundlicher erwiese /und den Polyphilus fragte: Warum er also von ihr eile? sie solten noch ein paar Tage verziehen.
Agapistus / mit Polyphilo zurück reisend / errettet seinen Bruder / den Pistimorus / von den Raubern: welcher sich für des Philomatus Mörder bekennet. Des Polyphilus Bericht-Schreiben hiervon / an Macarien. Eine Abenteur liefert ihm die Garine in die Hände / welche er / nachdem sie ihm vom Rondal / seinem Vatter / erzählet / für seine Mutter erkennet.
Polyphilus und Agapistus musten durch einen Wald gehen / in dessen Mitten sie zwey Rauber ersahen /die einen armseeligen Menschen /
Warum solte ich das verwehren / (gab der verbleichte Mensch / mit gebrochener Stimme / zur Antwort) was ich viel lieber befördern wolte? Ich weiß nicht / mitleidige Schäfer! ob ich euch danken oder anklagen soll / daß ihr dißmal meinen Tod verhintert /und mein unglückseeliges Leben verlängert. Meine verzweifelte Seele hatte sich schon auf den Ausgang gefreuet / und mit Freuden gewartet / biß die Schwerdter dieser Mörder / ihr / durch eine Wunden /die Thür ihres Gefängnusses eröffneten: Nun aber findet sie sich aufs neue mit tausend Aengsten gefässelt. Ein Leben / ohne Ruhe und Freude / ist viel unleidlicher / als der Tod selber.
Wie? (fienge Polyphilus hierauf an) so hast dann du den Philomathus / meinen getreuen Freund / er mordet? Niemand anders / als ich / (sagte der Beraubte) hat ihm den Odem geraubet / und seine Seele mit dem Blut ausgeschüttet. Hilf Himmel! was höre ich? (sprach Polyphilus) Ach Philomathus! allergetreuster Philomathus! soll ich deinen Mörder vor mir sehen /und faul seyn / deinen Tod zu rächen? Ich wolte / dich Ehrvergeßnen Schandbuben / diesen Augenblick erwürgen / wo ich nicht hoffte / durch deine eigne Bekäntnus / die Solettische Innwohner zu stillen / und den Argwahn / welchen sie wegen dieses Mords in mich gesetzet / auszutilgen. Aber / sage doch / du Erz-Bößwicht! was dich bewogen hat / einen unschuldigen Mann vorsetzlich zu ermorden?
Die Ursach / (gab der halb-todte Mensch zur Antwort) ist viel heiliger und gerechter / als die That selber; ein Irrtum / und keine Boßheit / hat mich in dieses Laster verleitet / und indem ich gedachte / eine gerechte Rache zu üben / bin ich in diesen Frevel gefallen. Ich bin kein Mörder / sondern ein junger Ritter /von vornehmen Adelichen Eltern geboren / und habe /nachdem ich fremde Länder zu sehen ausgereiset / an dem Fluß Peneus / einen mit den Wellen streitenden und ertrinkenden
Nach der Zeit aber / habe ich von einem Innwohner verstanden / daß dieser Philomathus / des Polyphilus bäster Freund gewesen / und hatte er seinen Tod /weil er dadurch seiner beraubt worden / beklaget. Auf diesen Bericht / fühlte ich solche Qual in meinem Gewissen / daß ich Farb und Gestalt verlohre / und / wie ihr mich sehet / als ein Schatten herum gewandert. Ich war auch willens / mich den Solottischen Inwohnern selbst vorzustellen:
Polyphilus / welcher kaum das Ende dieser Erzählung erwarten können / fiel dem Ritter um den Hals /und sagte: Ach! vergebet mir / geliebter Freund / daß ich euch so unhöflich besprochen / da ich euch vielmehr danken sollen. Ich bin Polyphilus / den ihr in den Wellen gesehen / und dessen Tod zu rächen / ihr in dieses Unglück gerahten. Darum begehre ich nun auch Antheil an euren Schmerzen zu haben / wie ihr an den Meinen / und so lang ich diese Seele habe /will ich nicht aufhören / eurer Treue zu verehren. Lasset nur keine solche Verzweiflung in euren Gedanken herrschen / sondern glaubet / daß der Himmel dieses Mords schon vergessen / welcher die Tugend zum Grunde gehabt. Ein heiliger Vorsatz / kan durch keinen Irrtum in Laster verkehret werden / und die Göttliche Gerechtigkeit richtet alle unsre Werke nach dem Herzen.
Also tröstet mich eure Freundlichkeit / leutseeliger Polyphilus! (gab der Ritter zur Antwort) und wann meine beklemmte Brust noch einiger Freude fähig /solte sie billig aus eurer Findung eine Bewegung empfinden. Aber ich bin todt / ehe ich sterbe. Und was nutzet dem Poilomathus meine Erhaltung / der durch meinen Grimm ermordet ist / und dessen Blut wider mich Rache schreyet. Gebet euch zu frieden /wehrter Freund! (versetzte Polyphilus) Philomathus lebet in der Ewigkeit / und hat nicht Ursach / den jenigen zu verfolgen / der
So bald der Ritter den Namen Agapistus nennen hörte / wendete er sich gegen denselben / und sagte: Verzeihet mir / günstiger Erretter! daß ich frage / ob ihr den Namen Agapistus führet? Ich weiß nicht anderst: antwortete Agapistus. Seit ihr dann (fragte der Ritter ferner) allezeit unter den Schäfern gewesen? ach nein! (versetzte Agapistus) der Schäferstock grünet noch nicht lang an meinen Händen / sondern ich habe solchen vor kurzem / meines liebsten Polyphilus länger zu genießen / angefasset / und bin sonst in Ritterlichem Stande geboren. Kennet ihr dann auch (erwiederte der Ritter) den Pistimorus: Ich weiß nicht /ob mich das Glück / durch euren Namen bescherzet /oder warhaftig erfreuet? Solte ich diesen nicht kennen? (sagte Agapistus) welchen ich so lang / auf mei ner Eltern Befehl / gesuchet? Er ist mein Bruder / geliebter Ritter! und wann ihr mir von ihm einige Nachricht geben könnet / werdet ihr mich hoch verbinden.
Ihr begehret Nachricht / von dem jenigen / (sagte der Ritter) welchen ihr selbst / aber gar unglücklich /vor euch sehet. Wie? (versetzte Agapistus) seyd ihr Pistimorus / mein Bruder? Ach! allerliebster Bruder! soll ich euch in so jämmerlichem Zustande vor mir sehen! Mit diesen Worten / fiel
Sie fasten ihn in die Mitte / und suchten alle die Gründe hervor / welche sein bekümmertes Herz befriedigen / und die Entleibung des Philomathus entschuldigen kunten. Agapistus erinnerte ihn / wie sehnlich ihrer beyder Eltern nach ihnen seufzen würden /weil sie ihn / seinen Bruder zu suchen / ausgeschicket / und er auch ohne denselben nicht wieder kommen wollen: daß sie also beeder beraubet wären / und mit unbeschreiblichen Freuden ihre Widerkunft sehen würden. Es erzählte auch Polyphilus / daß er sich /wegen der Solettischen Innwohner / nicht zu fürchten habe / weil aller Argwahn dieses Mords auf ihm beruhe / er aber ihren Grimm nicht mehr achte. Hierauf eröffnete er ihm alles / was er schon deßwegen erlitten /biß sie / unter diesem Gespräche zu ihren Schäfern kamen. Sie verkündigten ihnen des Agapistus Freude / über seinem gefundenen Bruder: Die dann ihre Freude hinzu setzten / und ihm deßwegen Glück wünschten.
Also giengen sie wieder zu den Schäfern / und mit denselben / weil es nun Abend / nach Hause / da Polyphilus an Macarie / dieses Schreiben verfasste.
Allerliebste!
Bleichwie ich die Zierlichkeit ihres Liebsten Briefleine bewundert / also muß ich auch desselben Klugheit rühmen. Es ist freylich also / schönes Kind! daß die Tugend durch die Widerwärtigkeit sieget / und die Ehre durch die Demut steiget. Jenes erweiset / die
Ihres Ewigliebenden
Polyphilus.
Diesen Brief / schickte Polyphilus / durch einen Schäfer-Knaben / auf das Lusthaus Macarien / und ließ dem Gärtner befehlen / solchen alsbald auf Soletten zu senden: er aber bemühete sich / mit Agapisten /den noch immer betrübten Pistimorus frölich zu machen / und giengen sie mit dem Cumenus und Filato spaziren / üm / bey so heiteren Tag / auch das Gemüte dieses Ritters aufzuklären / und ihm die Gegend des Landes zu zeigen.
Indem komt ein grosses Schiff / in vollen Flammen / daher gefahren / in welchem sich die Leute heftig bemüheten / entweder den Brand zu leschen / oder an Land zu kommen. Es war wunderlich anzusehen /wie sich / die sonst widerwärtige zwey Elemente / zu Verderbung der Sterblichen vereiniget / und das Feur wider seine Natur im Wasser brannte / und dadurch fast mehr entzündet / als geleschet wurde. Die Schäfer erschracken sämtlich über diesem Anblick / noch mehr aber / als sie eine (dem Ansehen nach) vornehme Weibs-Person aus dem Schiff springen sahen /die / dem Feur zu entfliehen / sich ins Wasser wagte /und ihr Leben einem geringen Bret vertrauete. Sie hatten groß Mitleiden mit dieser Unglückseeligen /und erbaten die Fischer / daß sie mit ihrem Nachen hinzu fuhren / und sie erretteten. Also ward dieses halb-todte Weibs-bild / mit großer Mühe / in das Schiff / und durch dasselbe ans Land gebracht. Als sie ihre halb-gebrochene Augen wieder eröffnet / und ihre Geister aus den Todes-Aengsten gerissen hatte / sahe sie sich um / und sagte mit schwacher Stimme. Ach Philomathus! wo bist du? soll ich ohne deine Hülffe leben / so wäre mir der Tod viel erträglicher. Damit sanke sie / aus Tod-Schwachheit wieder zur Erden.
Die Schäfer hingegen / welche / an dem Ufer / auf diese Armseelige gewartet / so bald sie den Namen Philomathus gehöret / wurden nicht wenig bestürzt /und glaubte sonderlich Pistimorus / diese
Polyphilus / der / aus einer heimlichen Natur-Regung / das errettete Weib nicht verlassen kunte / hieße sie vorsichtig fahren und verfahren / satzte sich mit dem Cumenus zu dieser Frauen / und fragte / als er den Kahn aus den Augen verlohren: was es vor ein Schiff / aus welchem sie gesprungen / und wie sie dar ein gerahten wäre? Diß heisset mit wenig Worten /viel gefragt! (gab die Frau zur Antwort)
Eure willfährige Rettung / freundliche Schäfer! (gab die Verlaßne zur Antwort) erfordert eine höhere Vergeltung / als diese / und das Gesetz der Dankbarkeit erlaubet mir ferner keine Entschuldigung / weil der Freunde Bitten ein Befehl ist. Wisset demnach /geneigte Freunde! daß der Anfang meines Lebens viel glückseeliger / als dessen Fortgang gewesen: weil ich nicht allein von edlen und vermögenden Eltern erzeuget und erzogen / sondern auch / nach erwachsenen Jahren / mit einem Ritter / meines gleichen / verehlichet worden / auch mit demselben in so vergnügter Liebe gelebet / daß
Rondal / (also hieße mein Liebster) so bald er sich übermannt sahe / bate mich / um aller Liebe willen /mit unsern einigen fünfjährigen Söhnlein / welches wir mitführten / zu entfliehen: er wolte versuchen / ob er / von diesen Soldaten / mit Freundlichkeit und Geld sich loß kauffen könte. Ich sprange / seiner Bitte zu gehorchen / aus der Kutschen / und liefe mit dem Kinde / indem sich die Reuter meines Mannes und der Knechte bemächtigten / in tausend Aengsten / durch den Wald: und als ich / zu Ende desselben / einen Schäffer weiden fande / übergab ich ihm das Knäblein / samt einem Ring und einer Hand voll Kronen /mit Bitte / dasselbe / biß zu meiner Widerkunft / zu verwahren. Als ich hierauf wieder zurücke kehrte /fande ich meinen Liebsten / allbereit überwältigt /(dann ein Schwerd vermochte nicht wieder so viele zu siegen) und mit seinen eignen Pferden gefangen davon führen. Er winkte / so bald er meiner ansichtig worden / ich solte zu rück bleiben. Aber die Soldaten waren nicht
Also wurden wir etliche Tage durchs Land geführet / und endlich auf eine Vestung / dem Konig in Thesallien zuständig / in Verhafft gebracht. Dieses Schloß bewahrete ein mehr hoffärtig- als behertzter Ritter: Der ließe uns vorfordern / und befragte uns wegen unsers Standes und Landes. Rondal / der es vor Unedel hielte / sein Geschlecht und Vatterland zu verlaugnen / bekandte aufrichtig / wer und woher er wäre / und bote benebens eine ansehliche summa Gelds an / sich damit loß zukauffen: Aber dieser stoltze Befehlshaber / wolte von nichts als Gefängnus hören / und als Rondal alle die Höflichkeit / und Demut / welche er jemals gelernet / hervor suchte /und gar inständig um seine Freyheit bate / wurde dieser aufgeblasene Ritter dadurch nur stutziger / wie jener Esel / der das Bild der Göttin Isis tragend /ihm / die dem Bildnus gethane Ehre fälschlich zugeeignet: also bildete ihm auch dieser dölpische Beampte ein / daß alle die Ehrerbietung / welche Rondal seinem Amt und Kleid erwiese / sein eigen wäre / und erzeigte sich so hochmütig / daß wir nichts dann hönische / und verächtliche Antwort von ihm erhielten. Also vergaße Rondal endlich aller Gedult / und warff ihm etliche spitzige Worte in die Haut / sagte auch ungescheut: daß er lieber sterben / als einem solchen Feugen-Mämmen / der hinter der Mauer trotzete / länger zu Fuß fallen wolte. Da hat er meine Natur gehabt / (gedachte Polyphilus) und scheinet aus allen Umständen / daß er mein Vatter gewesen.
Es schiene nun / als ob das Glück ausgewütet / und uns nun der vorigen Gunst wolte genießen lassen. Aber es war nur ein betrüglicher Blick / mit welchem uns diese Boßhaftige aufs neue in ihre Stricke brachte. Nach diesem letzten Glantz / gienge das Liecht meiner Freuden gantz aus / und hinterließe mich in dicker Finsternus. Dann als wir auf der Heimreise begriffen waren / verirrten wir uns / als der Strassen unwissend / in einem Wald / da wir
Bey dieser Erzehlung / wurden die Augen dieser bekümmerten Frauen zu Bächen / und bewegten gleichfalls die beyde Schäfer / sonderlich den Polyphilus / zum Weinen. Wie mir (fuhre sie endlich fort) ihr mitleidige Schäfer! bey solchem jämmerlichen Zufall /zu Muht gewesen / kan ich nicht anderst als durch diese Threnen / welche mir vor die Zunge dienen / erzehlen: Ich liefe ganz verzweiffelt im Wald hin und her / beklagte mein Verhängnus / fluchte meinem Unglück / und gedachte mit meinem Schreyen ein wildes Thier herzu zu locken / daß es mich / gleich meinem Rondal / zerrisse. Aber der Tod fliehet die / so ihm nachlauffen / und eilet denen nach / welche vor ihm fliehen. Ich sprange bald mit Füßen in das ertödtete Tiger / und wolte meine Rachgier an demselben sättigen; aber es lag ohne Empfindlichkeit. Bald fiele ich wieder onmächtig auf meinen erkalteten Liebsten /und vermeinte die ausgefahrne Seele wieder zurück zu ruffen: aber er blieb ohne Bewegung.
Ich vermeinte / in selbiger Landschafft meinen Sohn zu finden / und meinen verblichenen Rondal /durch denselben / etlicher massen wieder zu beleben. Aber das Unglück / welches mir alle Strassen zu meiner Vergnügung verhauet / hatte mir auch diesen Trost geraubet: Dann als ich meinen Sohn / von dem Schäfer / dem ich ihn vertrauet / wieder abforderte /berichtete mich selbiger / wie daß mein Sohn / vor kurzer Zeit / den Schäferstok von sich geworffen / und Kunst und Tugend in der Welt zu erlernen / sich in die Welt begeben. Also fande ich wieder Ursach /mein Elend zu beweinen: und wird es mir auch in warheit eher an Threnen / als deren Ursach / ermangeln. Dann so offt ich an die grösse meines Leides denke / so überlaufen mir meine Augen mit Wasser /und kan ich fast nicht aufhören / mein Verhängnus zu beklagen.
Polyphilus küssete der weinenden Garine hiermit die Hand / welche hierob so freud-bestürtzt wurde /daß sie nicht zu antworten wuste. Sie sahe den Polyphilus unverwandt an: Dann die Zeit und der Wachstum hatte ihr denselben fast unkäntlich gemacht. So bald sie sich aber seiner erinnerte / fiele sie ihm um den Hals / und hieße ihn mit vielen Küßen willkomm seyn. Sie dankte hiernechst dem Himmel / vor diese glückliche Stunde / deren Ergetzung aller überstandenen Widerwertigkeit vorziehend. Cumenus / welcher dieser Begebenheit / nicht ohne Entsetzung / zugesehen / bewunderte die Göttliche Vorsehung / und wünschte diesen beeder tausend Glückseeligkeit. Er sagte auch zu Polyphilo / daß er den Himmel unaufhörlich anflchen wolle / ihn dergleichen Glück / in Findung seiner Tochter Macarie / vor seinem Tod sehen zu lassen. Ichzweifle ganz nicht / (erwiederte Polyphilus)
Agapistus und Pistimorus / erretten eine Person von den See-Raubern: die sich für den Philomathus zu erkennen gibet / und dem Polyphilus nachmals erzehlet / wie ein anderer für ihn erstochen worden. Nachdem Garine in ihres Sohns Schäfer-stand gewilliget / poetisirt er von seinem Glück / und bekomt einen Brief von Macarien.
Polyphilus wolte gleich wieder anfangen / seine Frau Mutter zu fragen: wie sie in das Schiff gerahten / und was er von dem Philomathus halten solte? als er seine Gefärten / in ihrem Schiff / wieder daher fahren sahe /die er zu empfangen aufstunde. Es hatten dieselbe /als sie dem brennenden Schiff nachgefahren / solches schon gescheitert / und einen Theil von den Raubern /an der andern Seite des Flusses gefunden / auch von denselben den Philomathus begehret. Selbige hatten sichzwar dessen erstlich gewegert / als man ihnen aber mit der Obrigkeit gedrohet / aus Furcht ihnen diesen Gefangenen abfolgen lassen: welchen die Schäfere / nicht ohne Bestürtzung / ihn lebendig zu sehen / in ihren Nachen genommen / und also mit ihm davon gefahren.
Vergebet mir / mein Herr! (sagte er) daß ich frage /wer dieser Polyphilus sey / von welchem er saget /und wo er sich aufhalte? Ich habe denselben / (erwiederte Philomathus) als einen Schäfer / gekennet / und verlassen / wiewol er nicht also geboren ist. Was er aber jetzt sey / kan ich so eigentlich nicht wissen /ohne / daß ich gehöret / er befinde sich bey der verwittibten Königin zu Sophoxenien. Er ist aber der betrübten Garine / welche ihr aus den Wellen gerissen /ihr einiger Sohn / den sie zu
Indem Agapistus ferner fragen wolte / waren sie eben am Ufer / allwo Polyphilus / mit seiner Mutter Garine / und dem Schäfer Cumenus / ihrer wartete. So bald Philomathus ausgestiegen / wolte er den Polyphilus umarmen: der aber erschrocken zurück wiche. Erschrecket nicht / mein Polyphilus! (ruffte Agapistus) dieser ist kein Gespenst / sondern der warhafte Philomathus. Hierauf fiel er ihm gleichfalls um den Hals /und sagte: Ach allergetreuester Philomathus! darf ich euch noch lebendig sehen / den ich längst / als
Als sie hierauf an dem Ufer sich niedergelassen /fienge Philomathus also an zu reden. Wann ihr euch wundert / wehrte Freunde und Erlösere! wie ich ermordet / und doch lebendig; begraben / und doch zugegen seyn könne? so wisset / daß ein einiger Irrtum /diese ganze Verwirrung würke. Dann als ich euch /geliebter Polyphilus! an den Peneus-strande vergeblich gesuchet / und glauben muste / daß ihr / entweder von einem wilden Thier wäret zerrissen / oder von den Wellen ersäufft worden / geriehte ich in solche Traurigkeit / daß ich nicht wuste / wo ich mich lassen solte: zumal bey der Einbildung / daß meine Nachlässigkeit / indem ich euch allein gelassen / (welches aus Furcht der Inwohner geschehen) die Ursach eures Verderbens wäre. In solchem Kummer / gelangte ich nach Hause / und gedachte / durch den Schlaf / meinen Gedanken zu entfliehen. Aber ich fande auch in der Ruhe so gar keine Ruhe / daß ich vielmehr ängstiger wurde / und mich ohne unterlaß / als euren Mörder anklagte.
Wie ich mit dem Liecht in die Kammer gienge /fande ich daselbst / mit unbeschreiblichem Schrecken / einen blutigen Cörper in meinem Bette liegen /und vermeinte nicht anderst / als daß dieses der ertödete Geist des Polyphilus wäre / der seinen Tod zu rächen / käme. Ich wiche deßwegen erstaunet zurücke /trate aber nach kurzer Besinnung wieder hinzu / und erkannte / daß dieses kein Gespenst / sondern ein menschlicher Leib ware / welcher / mit einer Wunden in der Brust / in seinem Blut geweltzet / starr todt lage. Wie sehr ich erschrocken / könnet ihr selbst mutmassen / weil ich vorhin in der höchsten Betrübnus war. Ich wuste nicht / ob ich diesen Mord offenbaren / oder verschweigen solte / weil beydes gefährlich schiene. Ich bemühete mich / den Ermordeten zu erkennen / und fande einen Dolch bey ihm ligend /und neben dem Bette in einer Ecken seine Kleider /derer Armseeligkeit von seinem geringen Zustand zeigte. Ich suchte weiter / und fande in denselben einen Brief / aus dessen Innhalt ich verstunde / daß der ertödtete einer von denen Meuchel-Mördern und Waghälsen ware / die einen andern / um Gelds wegen / zu ermorden / kein Bedenken tragen. Dann es hatte ihm / einer von meinen ärgsten Feinden / auser der Insel / geschrieben / und darinn diesen Schelmen gebetten / mich heimlich hinzurichten / mit Versprechung einer grossen Belohnung. Ich wuste nun nichts anders
Was solte ich nun machen? Alles zu eröffnen / hielte ich wohl für das aufrichtigste: aber weil mir der Inwohner Eigensinnigkeit und scharffes Recht bekannt war / muste ich besorgen / daß ich / weil ich den Mörder nicht stellen kunte / als selbst für denselben hätte mögen gehalten und angehalten werden. So wäre auch der Brief ja so bald zu meiner Beschuldigung / als Entschuldigung / anzuziehen gewesen. Den Cörper heimlich zu begraben / ware auch bedenklich / in dem ich hierdurch / wann es nach langer Zeit wäre offenbar worden / abermals hätte in Verdacht kommen können: Also erwählte ich das sicherste / und gedachte / so lang die Insel zu fliehen / biß ich erführe / wie es mit diesem Handel abgelauffen. Zu diesem Ende verstellte ich mich mit des Ermördeten Kleidern: verbarge den Brief / und Dolch in einem heimlichen Winkel des Hauses / und begabe mich mit frühsten aus der Insel. Als ich mich nun an einem sichern Ort sahe / ließe ich mich wieder kleiden / (dann ich hatte die Notturft an Gelde zu mir genommen) und fieng an / etliche Städte und Länder zu durchreisen / damit ich die Zeit nicht unnützlich zubrächte.
Das weiß Gott! (gab sie traurig zur Antwort) Ich habe einen Sohn bey den Schäfern verlassen / der meiner Widerkunft nicht erwartet / sondern / Kunst und Tugend in der Fremde zu erlernen / abgeschiffet ist. Diesen / wie er das einige ist / das mein Leben noch unterhält / gedenke ich durch alle Länder
Als Philomathus ausgeredet / fiele ihm Pistimorus
Aber Cumenus (der durch einen Wink von Polyphilus verstanden / daß er sich seiner annehmen solte) sagte: sie solte ihrem Sohn diese Bitte nicht verwegern / sondern gedenken / daß der Schäferstand vielhöher sey / als er von hoffärtigen Hofleuten geachtet würde; massen viele von denen / welche zum Regiment geboren worden / den Zepter
Polyphilus erfreute sich über diese Antwort / noch mehr aber / als er hörte / daß auch Cumenus einer von den Edlen / und also seine Mutter destoweniger Ursach haben würde / seine Verehelichung mit Macarie zu hintern. Weil er dieser seiner Hirtin Antwort sehr verlangte / als ohne welche er nicht abreisen wolte /verließ er die Gesellschaft beysammen / und gienge /unter dem Vorwand / seine Reise anzuordnen / nach Macarien Lusthause / in Hofnung / ihren Brief zu erhalten. Unterwegs dachte er dieser angenehmen Begebenheit mit Verwunderung nach / dankte der Vorsehung des Himmels / und schnitte in die Rinde eines Baums folgendes Sonnet.
Eben war er in dem Schneiden des letzten Wortes begriffen / als er den Gärtner-Jungen gegen ihm kom men sahe / und von demselben den Brief seiner Liebsten erhielte / der also gelautet.
Mein Herz!
Wie mich / die unbillige Verfolgung / der Königin zu Sophoxenien / in nicht geringen Kummer gesetzt; also erwecket nun / ihre wieder-erlangte Gnade / bey mir desto grössere Freude. Den allzu grossen Dank aber /welchen seine Höflichkeit meinem einfältigen Raht beyleget / wollen wir / mit viel besserm Recht / dem gnädigen Himmel aufopfern / als dessen Gütigkeit allein unsre Anschläge zum verlangten Ziel bringet: demütig bittende / daß er ferner seine Verrichtungen segnen / und die vorgenommene Reise glücklich wolle vollführen helffen. Damit also seine Liebe / der Vergnügung des Eusephilistus / nichts bevor lasse /und ich Gelegenheit erlange / seine beständige Gewogenheit mit dankbarer Gegen-Gunst zu erwiedern / die ich indessen mit stätigem Andenken verehre / biß ich mit recht heißen kan
Seine vergnügte
Macarie.
So bald Polyphilus diesen Brief erhalten / verfügte er sich wieder zu seinen Hirten / sprachte
Macarie wird von einem Traum erschreckt / und vom Polyphilus / auf die Probe gesetzet. Sie beantwortet sein Schreiben / klaget / und fraget den Philomathus gefunden.
Inzwischen nun Macarie der Wiederkunft ihres Liebsten begierig erwartete / hatte sie in der Nächte einer einen Traum / welcher ihr nicht wenig Nachdenken machte. Sie sahe den Polyphilus mit grossem Gelächter zu ihr kommen / und einen Kranz von Perlen in Händen halten / als sie solchen / (ihrem schlaffenden Bedünken nach) in die Hand fassete / wurde sie gewar / daß die Perlen ganz verkehrt und sich in Rosen verwandleten / worüber sie erwachet. Diesen Traum erzählte sie ihrer Dienerin Nabisa / und als selbige sagte: daß die Perlen allezeit Threnen bedeuteten / fieng sie an sich zu betrüben / fürchtend / es möchte ihrem Polyphilo / auf seiner Reise / ein Unglück begegnen. Sie fühlte auch eine ungewönliche Bangigkeit des Hertzens / deren sie / durch die Seufzer / Luft machte / und keine Tröstung kräftig fande /wie aus diesen Zeilen / welche ihr die Verwirrung ausgepresset / abzumercken ist.
In diesen unruhigen und bestürzten Gedanken / erhielte Macarie einen Brief vom Polyphilus / welchen er durch den Schäfer-Knaben überschickte / dieses Inhalts.
Allerliebste!
Ich vermag nicht zu beschreiben / wie sehr mich nach ihren liebsten Brieflein verlanget / weil ich in denselben all meinen Tröst suche. Dann was meinet mein Herz / wie ich / auf diesem Gebürge / herum geführet werde / da ich fürchten muß / daß mich ungefehr ein Sturmwind / so ohne das den hohen Klippen gefährlich / in eine Unglücks-Grube herunter stürze / oder auch ein leiser West-Wind fremder Höflichkeit /durch sein anmutiges Rauschen / dergestalt verleite /daß ich / an statt eines kühlen Lüfftleins / vergifftete Bitterkeit schöpffen müße. Hätte ich nun den schönen Buchstaben / als den versicherten Zeugen ihres Andenkens / zu meinem Gefärten / könte ich solchen /vielleicht nicht vergebens / den stürmenden Winden zum Widerstand / der sanfftwehenden
Der beständige
Polyphilus.
Mein Herz!
Wann meine Zeilen so glückseelig wären / ihm einige Ergätzung zu bringen / wie feine Höflichkeit rühmet /so würde ich sie mit viel grösserer Freude empfangen / als ich jetzt thue / da ich fast nicht weiß / wie ich sein Brieflein beantworten soll / theils aus Bestürzung / theils auch aus Verwunderung / daß die ewigsteiffe Sinnen / in sowenig Tagen / sollen wankend gemacht worden seyn. Er darf nicht entdeckter reden /weil ich zuvor schon mehr verstehe / als ich beliebe /so kan ich ihm auch keinen Raht ertheilen / der nicht entweder vor lasterhaft / oder parteylich solte angesehen werden. Ich empfehle ihm demnach / an meiner statt / zur Rabtgeberin / die Edle Tugend selber: Diese lasse er seine Entschließung begleiten und regieren. Mich soll niemand /
Die beständige
Macarie.
Mit dieser Antwort ließe sie den Jungen wieder ablaufen / sie aber bliebe in so unruhigen / und bestürzten Gedanken / daß kein anders Gemüte / als der Tugend-befesteten Macarie / solche ohne Verzweiflung würde erdultet haben. Soll ich dann glauben / (gedachte sie) daß Polyphilus so vermessen sey / eine andere / als Macarie / zu lieben? ist es auch müglich / daß er /aller Tugend vergessend / seine Seele mit so abscheulicher Untreu beflecke? Nimmermehr kan ich mir einbilden / daß dergleichen Boßheit in dem Tugend-liebenden Herzen des Polyphilus herrschen soll. Doch /was ist beweglicher / als die unvorsichtige und wollüstige Jugend? Was können große Verheissungen und prächtige Ehren-Stellen bey hochgesinnten und stolzen Gemütern nicht ausrichten? Der Rauch der Hoheit / vermag auch die aller-verständigste Augen trüb zu machen / daß sie das Liecht der Tugend nicht erkennen. Was ist es dann Wunder / daß die noch wachsende davon erblinden? Zwar der Atychintide Liebe hat er meinetwegen ausgeschlagen: aber wer weiß /wann es eine junge und schöne Prinzessin gewesen /ob er sich so beständig rühmen könte? Dieser Königin Holdschaft war
Dieses waren der Macarien Gedanken: in derer Verwirrung sie einen Spazir-gang erwählte / sie desto freyer zu unterhalten. Als sie / vor ihrer Insel / gegen einem Felsen kam / und in ihrem Gemüte so gar keinen Raht wider diese Begegnis zu finden wuste / fieng sie an / bey dem Gegenschall Hülfe zu suchen / und also mit ihm zu reden:
Hierauf wuste Macarie eben so wenig als zuvor /gieng derhalben ungedultig wieder hinweg / und schluge sich noch eine zeitlang mit ihren Gedanken. Als sie / am Abend / nach Hause kam / fande sie daselbst / wider Verhoffen / den Hirten-Knaben / der einen Brief von Polyphilus brachte / welchen sie erbrache / und darinn dieses lase.
Tugend-gezierte Macarie!
Dieselbe wolle sich nicht wundern / daß ich / wider meine Gewonheit / dieses befremdlichen Tituls mich gebrauche / oder vielmehr zu gebrauchen genötiget werde. Dann der zweifelhafte Zustand / darinn mein unglückseeliges Lieben anjetzt bestehet / leidet nicht mehr / die jenige mit verliebten Worten zu grüßen /die ich zu lieben aller Orten / auch von dem Himmel selber / (wie es scheinet) abgehalten
Ihr gehorsamer und getreuer
Polyphilus.
Damit legte sie den Brief von sich / und befahl dem Jungen / er solte den Polyphilus ihrentwegen grüßen. Als aber selbiger nicht abließe / um eine Antwort zu bitten / weil er ohne dieselbe nicht ablaufen dürfte /fasste sie letzlich die Entschließung / ihm etliche Zeilen mitzugeben / und schriebe folgendes.
Edler Polyphilus!
Ob ich wol ein günstigers Ende meiner Liebe gehoffet / und einen solchen Brief nicht vermutet hätte / so muß ich dennoch rühmen / (wann anderst der Ruhm bey den Lastern stehen kan) daß er das kalte Eyß des Hasses / nicht mit erdichten Flammen einer Passion zu bedecken suchet / sondern seine Untreu öffentlich bekennet. Nun ist einmal die
Der betrognen
Macarie.
Wie nun Macarie dieses Brieflein gesiegelt / und dem Jungen eingehändiget / sagte selbiger: Es ließe Polyphilus bitten / sie möchte ihm erlauben / nur etliche Worte mit ihr zu reden / er wolte entweder auf ihr Landgut / oder gar in die Insel kommen / nachdem sie ihm befehlen würde. Ist dann Polyphilus nicht zu Ruthiben? fragte Macarie. Nein / (versetzte der Junge) er ist heute wieder zu den Hirten / in die Landschaft Brundois / abgereiset / und erwartet daselbst ihren Bericht. Warum hast du mir dann dieses nicht zuvor gesagt? fragte Macarie ferner. Als der Junge antwortete / es hätte ihm Polyphilus solches zu thun verboten /biß er ihren Brief würde erhalten haben: merkte
Damit nahm der Junge seinen Abschied / und brachte das Schreiben dem Polyphilus: der eben von Cumenns und den Schäfern / auch von seiner Mutter Garine / und den andern Freunden / empfangen und beglückwünschet wurde. Selbiger entsetzte sich über dessen Inhalt / und bewunderte die Tugend und Treu seiner Macarie / nunmehr sorgfältig / wie er diese seine Vermessenheit wieder aussöhnen möchte. Wie hat dann Macarie / (fragte er den Jungen) bey Lesung meines Briefs / sich angestellet? Sie hat solchen (sagte dieser) etwas ungedultig auf die Seite geleget /und mir gar keine Antwort geben wollen / doch endlich / auf mein inständiges Anhalten / Gegenwärtiges ertheilet. Soll ich dann (fragte Polyphilus ferner) nach Soletten kommen / mit ihr zu sprächen? Nein! (versetzte der Junge) sie wird in ihrem Gartenhause
Macarie hatte sich des andern Tags / nachdem der Junge von ihr gegangen / auch aufgemacht / und fuhr nach ihrem Lusthause / willens / dem Polyphilus ihre letzte Gesellschaft zu gönnen / und sich / mit Verweisung seiner Untreu / von seiner Liebe loß zu wircken. Aber der gütige Himmel hatte es viel bässer versehen / und wolte sie / durch diese Zusammenkunft /aller Unruhe entnehmen / auch zu beständiger Glückseeligkeit bringen. Dann als sie kaum abgestiegen /und in den Garten spazirte / sahe sie ihren Polyphilus auf sich zugehen / und ihr einen höflichen reichen Willkomm ablegen Der billige Zorn / welchen sie über seiner sch mpflichen Zuschrift fühlte / ließe ihr kaum so viel zu / ihm etwas höflich zudanken. Er aber begunte sie also anzureden: Wann ich die feste Gründe ihrer unerschätzbarn Treu / einig- und ewig-geliebte Macarie! gegen dem Verbrechen meiner unnötigen Furcht / und bißher-geführten ungerechten Zweifels / halte / so weiß ich nicht / ob ich mehr Anlaß zu einer Entschuldigung / als zur Abbitte habe? Wie ists müglich / mein liebstes Kind! daß die Tugend / wider alle Anfälle / so unbeweglich stehen kan? Oder / ist sie
Wie höflich aber und freundlich Polyphilus seine Rede gesetzet / so kunte er doch damit die beleidigte Macarie nicht besänftigen / sondern / bey ihren gar fremden Gebärden / diese Antwort / anhören: Was habt ihr nötig / das jenige zu entschuldigen
Mit diesen Worten wolte sie hinweg gehen / aber Polyphilus hielte sie bey der Hand / und sagte: Sie fliehe nicht / schönste Macarie! ehe ich meine Torheit völlig abgebetten. Habe ich in dieser Liebes-Probe gesündigt / so strafe sie mein Verbrechen: aber ja nicht mit ihrer Verlassung / welche mich noch heut in den Tod legen würde. Ach Agapistus! Agapistus! welch einen bösen Raht hast du mir dißmal ertheilet /und wie töricht habe ich demselben gefolget: Ach! allerliebste Macarie! lasset doch euren billigen Zorn fallen / und versichert euch / daß ich niemals keine andre / als Macarien
Wie? (versetzte Macarie) habt ihr meine Eltern gefunden? oder wollet ihr mich aufs neue anführen? Ach nein / mein Herz! (sagte Polyphilus) ich habe einmal unglücklich mit ihr gescherzet / und werde mich künftig gar sorgfältig davor hüten. Zweifelt sie aber an meinen Worten / so folge sie mir zu meinen Triften /woselbst ich ihr / nicht allein ihren Vatter / Mutter /Schwester / und Schwager / sondern auch den (ihren Gedanken nach / längst verfaulten) Philomathus lebendig zeigen will. Was sagt ihr (sprach die schon halb begütigte Macarie) von Philomathus: Ihr werdet ja kaum Todten auferwecken / oder den Stanb lebendig machen? Dieses vermag ich zwar nicht / (versetzte Polyphilus) aber diesen ertödt-vermeinten will ich gewiß widerbringen. So erkläret mir doch dieses etwas deutlicher / (erwiederte Macarie) mir finden. Damit aber diese Erzehlung uns an Erlangung unsers Wunsches nicht hintere /wolle sie / schönes Kind! ihr gefallen lassen / mit mir zu meiner Herde zu spaziren / und auf dem Wege die Nachricht / bey den Schäfern aber die Gegenwart /von den jenigen / welche sie so lang zu sehen gewünschet / annehmen.
Soll ich dann (sagte Macarie) mit euch allein über Feld gehen? was wird man von mir gedenken? Ach liebstes Herz! (antwortete Polyphilus) fürchtet sie dann ferner eine Nachrede? Wir haben ja nicht mehr Ursach / einigen Menschen zu scheuen / und sind so weit gekommen / daß wir wol öffentlich lieben dürfen. Hiermit ergriffe er ihre Hand / sie / nachdem sie bey dem Gärtner etliche Notwendigkeiten bestellet /zu seinen Schäfern zu führen. Auf dem Weg erzehlte er ihr / wie wunderbar er ihre Eltern gefunden / und zu dem Philomathus wieder gelanget. Dieses erweckte bey Macarien eine unbeschreibliche Freude / also daß sie dem Himmel vor seine Güte / dem Polyphilus aber vor seine Hülfe herzlich dankte / und aller der Beleidigung / über die sie sich zuvor so heftig beschweret /gänzlich vergaß: welches dann Polyphilus wohl in acht nahme / und seine Liebe desto begieriger / mit Küssen und Umarmungen / sättigte / biß sie / unter solchen verliebten Bezeugungen / bey den Triften angelanget.
Polyphilus / mit der Macarie zu den Triften ankommend / überreicht dem Cumenus diese seine Tochter: welcher / auf des Philamathus Ansuchen /neben der Garine und Anamfe / in ihre Liebe williget. Volinie singet ein Glückwunsch-Lied. Der Gärtner /als er die Macarie nicht wiederkehren sihet / lauft nach Soletten / und macht ein Geschrey / Polyphilus habe sie entführet. Die Soletter eilen zu Feld / und bringen die Macarie / samt dem Polyphilus /Agapistus und Pistimorus / gefangen zurücke: die werden daselbst auf Leib und Leben angeklaget.
Es war eben ein lieblicher Herbst-Tag / der die Hirten mit ihren Gästen auf das Felde gelocket: unter denen Agapistus / mit welchem Polyphilus schon alles abgeredt hatte / diese beyde Verliebte daher kamen sahe /und zu seinen Gesellschaftern anfienge. Sehet / dort komt Polyphilus / mit seiner Liebsten. Wie? (sagte Volinie) hat er dann eine Liebste: Wie sie sihet /holdseelige Schäferin! (begegnete ihr Agapistus) und werden sie bald näher kommen. Hiemit stünden sie alle auf / giengen den beyden entgegen / und empfingen sie mit großer Höflichkeit. Polyphilus kehrte sich alsbald gegen den Cumenus / und sagte: Ich erinnere mich / Edler Hirt und wolthätiger
Ich weiß nicht / (versetzte der Freud-bestürtzte Cumenus) ob ich dieses träumend / oder warhaftig anhöre? Ist dieses die Macarie / welche mir von dem Rachen eines grimmigen Wolffes geraubet worden? so hat in warheit die Vorsorge des Himmels / alle meine Hofnung überstiegen / und machet mich so voll Verwunderung / daß ich schwerlich jemand anderem / als ihrem eignen Munde / in völliger Eröffnung dieses Zufalls / glauben kan. Ich kan leicht mutmassen /liebwehrtster Vatter! wann mir so zu reden erlaubt ist / (sagte Macarie) daß meine unverhoffte Gegenwart ihme jetzt mehr Verwunderung als Freude verursachet / und sein Gemüte im Zweifel aufhält.
Aber seit versichert / daß ich warhaftig die Macarie sey / die von einem Wolf hinweg gezuckt /
Dieses erweckte bey Cumenus so große Freude /daß er sich nicht mehr bergen kunte / sondern seiner so lang-verlangten Tochter um den Hals fiele / und mit nassen Augen seine Vergnügung über ihre Gegenwart bezeugte. Anamfe / welche dieser Begebenheit mit Bestürzung zugesehen / so bald sie sich versichert wuste / daß dieses ihre verlorne Tochter wäre / konte ihre Frölichkeit nicht gnugsam an Tag geben / und als Macarie ihr entgegen kam / sie zu bewillkommen /und vor ihre mütterliche Wolthaten zu danken / kunte sie ihr nicht anderst / als mit Threnen / antworten. Sie fuhre fort / und grüste auch ihre Schwester Volinie /und ihren Schwager Filato / endlich auch den wieder-lebenden Philomachus / dem sie wegen seiner Errettung Glück wünschte. Dieser nahme so bald ihre Hand / und führte sie / neben dem Polyphilus / zum Cumenus / und zur Garine / erzählte / wie wunderlich sich die Liebe dieser beyder angefangen / und wie unglückseelig dieselbe eine zeitlang gewesen / nunmehr aber / durch die Hülfe des Himmels / alle Versuchungen überwunden / und sich der völligen Vereinigung würdig gemacht hätte: bate benebens / solche / durch ihren Beyfall / zu bekräftigen / und also diese zwey Tugendlich-Verliebte gänzlich zur Ruhe zu bringen. Sie ließen hierzu sich willig und freudig finden / und gaben diesen Liebhabenden beyderseits
Polyphilus und Macarie / bedankten sich sehr höflich gegen Volinie / und sagte Polyphilus heimlich zur Macarie: Ob sie nun glaube / daß er in der Liebe gegen Volinien unschuldig sey? welche solches mit einem freundlichen Lachen beantwortete: aber zum Agapistus sagte sie / sie hätte noch eine Klage wider ihn zu führen / dieser / die Ursach bald merkend /gabe zur Antwort: wie daß er nur Gnade / und kein Recht / verlange. Nach diesem verfügten sich die Schäfer / weil die Nacht einbrache / nach ihren Hütten / und beratschlagten / wo sie die völlige Verbündnus beyder Verliebten anstellen wolten: da dann die meinste Stimmen auf Soletten giengen / weil daselbst der Ort ihrer Betrübnus gewesen / und jetzt billig auch die Stelle ihrer Freude seyn solte. Also waren sie sämtlich gewillet / dahin zu reisen. Aber Anamfe bate / noch einen einigen Tag zu verziehen / damit sie Zeit hätte / ihre Haushaltung vor der Abreise zu bestellen / und andere zur Hochzeit notwendige Sachen zur Hand zu schaffen: welches man ihr auch gern bewilligte.
Wir blinde Sterbliche / sind so unwissend unsers Zukünftigen / daß wir mehrmals sorgen / wo keiner Sorge vonnöten ist / und alsdann am frölichsten sind /wann die gröste Gefahr auf uns wartet. Also ergienge es auch der Macarie. Sie ließe ihr gefallen / die Gegend des Landes / welches sie nun bewohnen solte /zu beschauen / und wählte (indem ihre Eltern und Freunde zur Reise Anstalt machten / Philomathus und Garine aber dieser Begebenheit nachdachten) in Gesellschaft des Polyphilus / Agapisius und Pistimorus /einen Spazirgang:
Es hatte der Gärtner auf dem Lusthause Macarien /als er dieselbe erstlich mit Polyphilo streiten / hernach aber also hinweg eilen sahe / so bald einen Argwahn geschöpfet. Und weil er nicht gewohnt war / die Macarie allein mit einem Mannsbilde reisen zu sehen /mutmaßte er / Polyphilus müste sie entführet haben. Doch schwiege er / biß gegen Abend / und gedachte /es möchte ein Spazirgang seyn. Als es aber dunkeln wolte / und Macarie sich nicht einfunde / entdeckte er seinem Weibe / voller Schrecken / seine Gedanken /und liefe mit derselben / heulend und schreyend / um die Felder des Lusthauses / Macarien zu suchen / so lang herum / biß ihn die schwarze Nacht wieder heim jagete: die er dann / ohne Schlaf / mit eitel Weinen und Wcheklagen zubrachte. Das ärgste war / daß der Junge / welcher sonsten die Briefe zu tragen pflegte /und allein den Weg zu den Schäfern wuste / nicht zu Hause / sondern von Macarien in die nechste Stadt /Speise zu kauffen / verschicket war: welcher Macarie bey den Hirten suchen / und den albern Gartner hätte befriedigen können.
Dieser nun liefe / so bald es ein wenig zu tagen begunte / mit Ach und Wehe nach der Insel Soletten /und fragte einen jeden / der ihn begegnete: ob er die Macarie nicht gesehen hätte? Nachdem
Also stritten diese beyde / biß die Inwohner / die schon hiervon etwas verstanden / dessen völlig gewar wurden / und mit einem solchen Lermen zusammen liefen / daß die ganze Insel reg wurde. Etliche schalten auf die Macarie / daß sie in so lasterhafte Entführung gewilliget / da sie doch bißher / als ein Bild der Tugend / gerühmet worden. Andere verteidigten sie /und schmäheten allein auf den
Die arme Nabisa aber / stunde in solchen Aengsten / daß sie keinen Raht zu finden wuste. Weil sie auch fürchtete / wegen dieser Handlung / selbst in Verhaft zu kommen / da sie alle Heimlichkeit entdecken müste; als bate sie det. Gärtner / sie mit sich auf das Lusthaus zu nehmen: da sie / mit dem Jungen /nach den Schäfern zu laufen / und die Macarie gewiß zu finden gedachte / ehe sie etwan diesem tollen Hauffen in die Hände fiele. Aber die gute Nabisa vermochte diß nicht zu hintern: Dann indem sie nach dem Lusthaus eilete / waren die Soletter schon in der Landschaft Brundois.
Macarie hatte sich gleich mit ihrer Gesellschaft
Indem kame diese tobende Rotte daselbst an / und umbringte sie mit großem Geschrey. Finden wir da die saubere Gesellschaft / (sprach einer von ihren Vorgängern) welche nun zum andernmal unsere Insel betrogen / den Philomathus ermordet / auch die Macarie geraubt und entführet haben? Macarie ist weder geraubet oder entführet / (widerredte Polyphilus) sondern sie wird morgen
Aber Agapistus fiele ihm in den Arm / und sagte: Gemach! mein Freund! gemach! Wir sind übermannet / und können uns hier mit Gewalt nicht verteidigen; Die Herrn Soletter aber sind so höflich und gerecht / daß sie unsere billige Entschuldigung anhören / und uns von dergleichen Laster freysprechen werden. Höret nur / meine Herrn! durch was vor Gelegenheit wir in diesen Zustand gerahten / und glaubet vor gewiß / daß wir nie Willens gewesen / Macarien zu entführen: wie ihr dann sehet / daß weder sie /noch wir / zur Reise gerüstet / auch auf keiner Landstraßen / sondern bloß auf einem Spazir-Wege sind. Derowegen übereilet euch nicht mit dem Urtheil /damit ihr euch nicht der Ungerechtigkeit theilhaftig machet. Es ist ein geringers Verbrechen / zehen Boßhaftigen vergeben
Diese freundliche und bescheidene Rede legte bey nahe den Grimm der Solettischen Inwohner / also /daß sie etwas stille wurden / und aufzumerken begunten. Kaum aber hatte Agapistus angefangen zu reden /da ersahe der Wirt / welcher nächst dem Hause des Philomathus wohnet / den Pistimorus / der ganz furchtsam hinter Polyphilo stunde / liefe demnach eilends auf ihn zu / und riefe mit großem Geschrey: Hilf Gott! was finde ich hier? ist dieses nicht der Mörder /welchen wir so lang gesuchet. Gewißlich / ihr meine Brüder! diß ist der jenige / der ehemals bey mir geherberget / und den Philomathus ermordet hat. Nun möget ihr schließen / was diß vor eine schöne Gesellschaft sey / und wie nichtig ihre Verantwortung seyn werde?
Hier hätte man sehen sollen / mit was Ungestümm diese wieder-erhitzte Leute zugefahren / und den Pistimorus samt Macarien und den beyden Schäfern umringt. Hier halfe ferner keine Entschuldigung / noch Bitte / sondern sie droheten / so bald nur jemand von ihnen den Mund öffnen würde / mit Spießen und Schwertern / und führten sie alle mit vielen Schmäh-Worten gefangen nach ihrer Insel. Wie der unseligen und fast verzweifelten Macarie bey diesem Zustande zu Muht gewesen / weiß ich kaum zu beschreiben. Sie sahe sich beraubet alles Glücks / und aller Ehre. Sie sahe sich gefangen führen von den jenigen / welche sie vormals
Polyphilus unterstunde sich sie zu trösten: aber die Worte starben / ehe sie geboren wurden / und kunte die geklemmte Zunge kaum ein elendes Ach hervor bringen. Pistimorus gienge nicht anderst / als ein zum Tod verurtheilter / der zum Richt-Platz geführet wird. Aber Agapistus / wie er jederzeit der Herzhafteste gewesen / also bote er auch dißmal dem Unglück die Spitze / und sagte: Seyt getrost / ihr meine Gefärten! und nehmet das Zeugnus unserer Unschuld zu hülffe /wider diese gewaltsame Gefängnus. Ist noch eine gerechte Obrigkeit zu Soletten / so wird sie unsre Verantwortung anhören / und diesen Frefel zu straffen wissen.
Was solten sie strafen? fragte einer von der Rotte /müsset ihr dann nicht bekennen / daß euer einer unsern Vorsteher / den Philomathus / ermordet hat? Wie kan man ihn ermordet haben / da er noch lebet? antwortet Agapistus. Kommet ihr nur mit zu unsern Triften / wir wollen euch den Philomathus bald zeugen. Ja / das gebe ich gern zu / (versetzte der Soletter) daß ihr uns / mit Hülffe eurer Schäfere / zu dem Philomathus bringen würdet: aber es ist uns ungelegen. Wir wollen
Es war eben der Tag zum Ende / als sie bey gedachter Insel ankamen. Ihre Führer schickten einen aus ihrem Mittel zu ihrem Obersten / und ließen demselben ihre Widerkunft und glückliche Verrichtung andeuten: der sie zwar / wegen ihres unbefohlenen Ausfalls / heftig strafte / jedoch / die Gefangenen wohl zu verwahren / befahle / weil er sie morgen vor Gericht fordern wolte. Also wurden sie sämtlich übergesetzt / und unter der Wacht vieler Soldaten in ein Gefängnus geführet. Die ganze Insel liefe zusammen /und wolte die Gefangene sehen: sonderlich / da sie hörten / daß des Philomathus Mörder dabey war / auf welchen sie heftig schmähten.
Wie sehr es nun die armseelige Macarie gekränket /daß sie eben an dem Ort / da sie zuvor in höchster Ehrachtung gelebet / solte als eine Ubelthäterin geführet / und schändlich gefangen gelegt werden / ist leichter zu besinnen / als zu beschreiben: sonderlich /weil sie nirgend keinen Trost funde. Sie fragte nach ihrer Dienerin Nabisa / muste aber hören / daß sie allbereit davon geflohen war: welches sie in neues Herzenleid stürzte / sie bate den Talypsidamus zu ihr zu holen: muste aber vernehmen / daß er nicht anheimig wäre. Also sahe sie sich aller Hülfe entblößet / und kunte / nach dem scharffen Recht des Landes / und ihrer bey Handen
Ach du unbarmherziger Himmel! (gedachte sie bey sich selbst) mit welchem Verbrechen habe ich diese Strafe verdienet? hast du so sehr über meine Liebe gezürnet / warum hast du dann nicht dieselbe gehintert /wie ich oft inständig gebetten? Ach des erbärmlichen Elends! soll Macarie / die als ein Exempel der Tugend gelebet / nun als ein Schauspiel der Laster sterben? Doch habe ich ja kein Laster begangen / und mein Gewissen ist frey von aller Befleckung; Aber nein /Macarie! es ist nicht gnug / des Lasters frey seyn /sondern man muß auch den Schein desselben meiden. Du hast deiner Liebe zu viel nachgegeben / und mehr ihrem Befehl / als dem Gesetze der Vorsichtigkeit und Wolständigkeit nachgelebet. Leide nun auch die Strafe der Liebe / weil du ihrer Süssigkeit genossen. Und dieses ist auch mein einiger Trost / daß ich leide um der Liebe willen meines liebsten Polyphilus.
In diesen Gedanken fasste sie des Polyphilus Hand / der sich als halb tod auf sie gesteuret / und sagte: Entsetzet euch nicht so sehr / mein Herz! über unserm Unglück / sondern danket vielmehr dem Himmel / daß wir zugleich leiden sollen. Unser
Ach getreueste Macarie! (versetzte Polyphilus mit einem starcken Seufzer) wo nehme ich Worte / in dieser Verwirrung / die eure Tugenden rühmen / und eurer Beständigkeit danken können? In warheit / diß unversehene und allerschrecklichste Unglück / hat mich ganz aus mir selbst gebracht / also daß ich zu nichts übrig bin / als die Schmerzen des Todes zu empfinden. Zwar habe ich dasselbe / als die Letze von meinen Plagen / vielmehr zu wünschen / als zu fürchten. Allein / daß Macarie sterben soll / die mehr verdienet / gekrönet / als verdammet zu werden / diß befördert meine Verzweiflung. Könte ich / durch meinen Tod / der Macarie das Leben kauffen / ach schöne Seele! wie willig wolte ich meinen Hals darstrecken /und in ihren liebsten Armen meinen Geist aufgeben.
Ach Polyphilus! sagte der schon halbsterbende Pistimorus / warum wolt ihr sterben / da ihr doch keinen Tod verschuldet? Ich allein bin die Ursach eurer Gefängnus! Es soll niemand an meiner Strafe Theil haben / weil auch niemand mit mir gesündiget. Es ist genug / daß ich sterbe / der ich den Mord in dieser Insel begangen. Worzu
Ach Agapistus! (versetzte Macarie) wären euch die strenge Gesetze dieser Insel so wol als mir wissend /ihr würdet gewiß diese Freudigkeit verlieren. Sind es Gesetze / (gab Agapistus zur Antwort) so müssen sie gerecht seyn / oder es bleiben Tyranneyen. Kein solch Gesetze ist in allen Landen zu finden / daß man einen / ohne Uberzeugung der Ubelthat / zum Tode verdammet. Die Furcht ist bey euch viel größer / als die Gefahr. Uberlasset mir die Verantwortung / und vergesset die allzuängstigen Klagen. Sie müssen den Beweiß herzu bringen / oder aller Gerechtigkeit gute Nacht geben. Dergestalt tröstete Agapistus seine Gesellschaft / und machte sich über sein Vermögen behertzt / biß sie diese elende Nacht zum Ende brachten.
Des andern Morgens wurde bey früher Tagzeit das Gericht / an einem öffentlichen Ort / angestellet / und die Gefangene durch einen Diener des Gerichts abgeholet / ihre Ankläger zu vernehmen und zu beantworten / sie waren sämtlich zornig und bekümmert / über diese Verfahrung und öffentliche Beschimpfung: Daher Macarie / vor Scham und Aengsten / nicht warname / die Menge des zulauffenden Volks / und die schmähliche Reden / welche theils derselben wider sie führten / sondern als entgeistert fast dem Todes-Urtheil vor sturbe / und
Haltet inn / Polyphilus! (begegnete ihm der Richter) mit dieser freflen Erinnerung! Wir kennen den Weg des Rechtens / und haben nicht Ursach / von einem hoffärtigen Schäfer Unterricht anzunemen. Hätte Macarie nichts verbrochen / so würde sie diesen Ort nicht haben betretten müssen. Wir betrachten sie heute nicht / als die Macarie / deren sich ehmals unsere Insel berühmet / sondern als die jenige / welche durch euch verführet / unserer Insel zur Schande worden ist. Die Gerechtigkeit sihet stracks vor sich / und betrachtet nicht die Person / sondern das Verbrechen des Beklagten. Trettet hervor / die ihr etwas wider diese Gesellschaft zu klagen habet / damit Polyphilus sehe / daß wir nicht ohne Ursach die Macarie hieher bringen lassen.
Auf diesen Schluß seiner Rede / schrye das ganze Volk: Ja / der Tod des Philomathus muß gerochen /und mit dem Blute dieser Mörder abgewaschen werden! Aber der Richter hieße sie stille seyn / und fragte die Beklagten / ob sie etwas wider diese Klage einzuwenden hätten? Polyphilus wolte geschwind antworten / aber Agapistus winkte ihme zu schweigen / weil er fürchtet / daß er / nach seiner Art / hart antworten /und ihre Sache verderben möchte / nahme damit selber das Wort / und sagte mit einer höflichen Reverenz: Ich bin sehr freudig / unsere Ankläger zu beantworten / weil ich sehe / daß wir einen gerechten Richter haben. Die Gerechtigkeit ziert die Gericht-Stüle /und tröstet die Unschuldig-Beklagten. Seine Höflichkeit / hochverständiger Richter! wird unsere billige Entschuldigung gedultig anhören / und durch einen gerechten Ausspruch uns von den schändlichen Auflagen unserer Ankläger frey sprechen. Ich will die bloße Warheit zum Beystande wählen und hoffen / man werde dieser Tugend ein offnes Ohr / und eine willige Hülfe geben.
Wir werden erstlich angeklaget / daß wir dieser Insel viel Widerwärtigkeit zugezogen / und wegen des Schloßes Sophoxenien der Zauberey
Was dann anlangt die Entführung der Macarie /welches das andere ist / das uns unsre Verkläger aufbürden: so gestehen wir zwar gern / daß sie Polyphilus / wegen ihrer überweiblichen Wissenschaft und vollkommenen Tugend / schon eine geraume Zeit geliebet / und bedienet / auch / sich mit ihr / durch das heilige Eheband / völlig zu vereinigen / nach allen Kräften gesuchet. Aber eine gewaltsame
Der Macarie tratten / über diesen Worten / die Threnen in die Augen / und bewegten die Anwesende dermassen zum Mitleiden gegen sie / die sie zuvor höchlich geliebet / daß die meisten mit ihr zu weinen anfiengen / Agapistus aber fuhre in seiner Rede fort /und sagte: Das Letzte / dessen uns unsre Verkläger beschuldigen / ist die Ermordung des Philomathus. An dieser haben wir nicht mehr Theil / als daß wir seinen Mörder in unserer Gesellschaft leiden: wie es aber mit derselben beschaffen / will ich / mit wenig Worten eröffnen. Nachdem dieser Pistimorus / mein so lang verlohrner Bruder / ungefähr hiesigen Fluß vorbey gereiset / und in demselben den Polyphilus zu grund gehen
Allhier fiele ihm das Volck in die Rede / und schrye: man solte diesem Betrüger nicht länger Gehör geben / weil sie den Tod des Philomathus allzu gewiß wüsten / und ihn begraben hätten. Es fieng auch der Richter selbst an zornig zu werden / und sagte: Ich hätte eurer vorigen Entschuldigung / vermessener Schäfer! fast beygefallen / aber diese letzte und falsche Erzählung machet / daß wir
Unter währendem Gerichte / kommen Philomathus /Cumenus und Filato / mit Garine und Anamfe / nach Soletten. Philomathus / von denen zu Soletten mit Freuden empfangen / entschuldiget und errettet die Gefangenen. Macarie und Polyphilus / halten daselbst ihre Hochzeit-Schluß-Gedichte dieses vierten und letzten Buches.
Agapistus wolte eben wieder antworten / als sie den Philomathus / Cumenus und Filato / mit Garine /Anamfe und Volinie / neben der Nabisa daher kommen sahen. Dann diese letzere / so bald der Tumult in der Insel entstanden / war mit dem Gärtner nach dem Lusthaus gegangen / und hatte daselbst des Gärtners Jungen noch bey Nacht / nach der Hütten des Cumenus / ihr den Weg zeigen lassen: deme sie die Gefahr der Macarie / zu ihrer allerhöchsten Betrübung eröffnet. Sie säumten sich demnach nicht lang / solchem Unheil zu begegnen / und giengen alsobald aus / die Macarie mit den Schäfern zu suchen. Als sie nun nichts von ihnen gefunden / und von etlichen Leuten
Es ist nicht zu glauben / mit was Bestürzung /Schrecken und Verwunderung die Solettischen Inwohner den Philomathum (den sie gewiß vor tod gehalten) kommen sahen: sonderlich als er beherzt und fast erhitzt dem Gericht zueilete. Er fienge / mit etwas häfftigen Worten / also an zu reden: Vergebet mir / geliebte Freunde und Nachbaren! daß ich euer Vorhaben verhintere. Ich sehe euch in einer so ganz unbilligen Handlung begriffen / und muß der Gerechtigkeit zu steur / euch hiemit die Notturft eröffnen. Ihr werdet nicht zweifeln / daß ich Philomathus / euer ehmaliger Vorsteher sey / der von euch als todt beklaget / durch diese tugendhafte Schäfere aber beym Leben erhalten worden. Die Warzeichen / welche in meinem Hause verborgen / werden gnugsamen Beweiß ihrer Unschuld vorzeigen. Darum haltet ein mit dieser Verfahrung / und glaubet / daß ich euch die lautere Warheit von dieser Verwirrung eröffnen werde.
Auf diese Rede / erhub sich der Richter von seinem Stul / fiel dem Philomathus um den Hals / und sagte mit frohem Gesichte: Seyt uns zu tausendmal willkommen / allertheurester Philomathus! Die Freude /welche bey uns eure unverhoffte Widerkunft erwecket / ist viel grösser / als das Leid / so uns euren Abschied zu empfinden gegeben. Zürnet ja nicht / wehrtester Freund! daß wir euren Tod an diesen Schäfern zu röchen gesuchet / sondern erkennet vielmehr daraus unsre Liebe / damit wir
Ich muß bekennen / (versetzte Philomathus) daß meine Widerkunft sehr entsetzlich und kräfftig gnug sey / allerhand Zweifel / Mißtrauen und Irrtum einzuführen. Allein man muß die Vernunfft der Göttlichen Vorsehung unterwerffen / und das / was man nicht begreifen kan / vielmehr bewundern / als lästern oder laugnen. Meine Gegenwart zeiget gnugsam / daß der Wahn von meiner Ermordung nichtig sey. So bin ich auch willig / die Umstände dieses himmlischen Geschickes weitläuffig zu erzählen. Nur bitte ich / daß zuvor diesen tugendliebenden und ganz unschuldigen Schäfern / meinen wehrtesten Freunden / und sonderlich der unvergleichlichen Macarie / die Freyheit wieder ertheilet werde. Dann ihr solt wissen / geliebte Freunde / Nachbaren und Kinder! daß ihr / mit dieser Gefängnus / das gröste Unrecht an ihr begangen / und Ursach habet / dieselbe durch Abbitte und Gutthaten wieder auszusöhnen: Und damit ihr an meiner Rede nicht zweifelt / will ich sie völliger erläutern.
Sehet da / den Edlen Vatter dieser Edlen Tochter! Cumenus / der von Geburt und Tugend edle und kluge Schäfer / samt seiner theuren Anamfe / sind leibliche Eltern der hochbegabten Macarie / welche ihnen / in der Kindheit / durch einen grimmigen
Es hat sich aber begeben / daß Polyphilus / der von Edlen Eltern entsprossen (wie seine Mutter / die Garine / hier zugegen / die mit mir mancher Gefahr obgesieget / und von ihm wunderbarer Weise wieder gefunden und erkennet worden / beglaubet) und durch einen erbärmlichen Schiffbruch an das Ufer dieser Insel geworfen / von mir die Kunst und Tugend dieser Macarie vernommen / und alsbald Verlangen bekam /sie zu sehen: welches er auch / nach vieler Gefahr /durch Hülfe des Thalypsidamus / unsers Mit-Bürgers / erlanget. Damals wurde nun / aus seinem Verlangen eine Liebe / und erkühnte sich / die schöne Macarie um Gegen-Liebe zu ersuchen. Er bekame aber die harte Antwort / daß sie der Einsamkeit ihre Tage geschworen hätte / biß ihr / nach der Weissagung des Orakels / jemand ihre unbekandte Eltern offenbaren würde. Dieses nun triebe den Polyphilus in das äuserste Elend / und bewegte ihn / aller Gesellschaft zu vergessen / und seinen verlassenen Schäferstab wieder zu ergreifen.
Selbiger war aber kaum in seiner Hand erwarmet /als er erfuhre / daß Cumenus und Anamfe
Macarie aber / die in dieser Erzählung / vor bestürzter Verwunderung / niemand als ihren eigen Augen trauen kunte / gienge / wider ihre vorige Gewonheit / mit dem Polyphilus zu den Schäfern: da sie von ihren Eltern und Freunden / auch von uns allen /mit Frolocken bewillkommet / und dem Polyphilus /als durch Göttliche Versehung und seine aufrichtige Dienste / ihrem würdigsten Liebhaber zugeführet worden. Wir beschloßen sämtlich / hieher zu reisen /und den gesamten Inwohnern diese verwunderliche Begebenheit / sonderlich aber meine unglaubliche Errettung / kund zu machen: damit sie neben uns ergetzet / und Macarie ihre Hochzeitliche Freude / mit ihrer aller Zufriedenheit / begehen möchte: nur wolte Anamfe zuvor / die zur Reise und Hochzeit notwendige Dinge befördern. Macarie gienge indessen mit diesen Schäfern / die Gegend des Landes zu sehen: da sie / von einem Hauffen hiesiger Inwohner / überfallen / und / mit
In warheit / geliebte Freunde! ich bin erstaunet / als ich diese Göttin der Tugend / (wie ich sie oft betittelt) als lasterhafft / vor eurem Gerichte stehen sehen. Sind dann eure Augen so verdunkelt / daß ihr das Liecht ihrer Würde nicht erkennet? Ich fürchte / eure Gewaltthätigkeit bey ihr zu entschuldigen / und weiß nicht /wie ich diesen Schimpf abbitten soll. Doch ist ja ihre Sanftmut so groß / daß sie aller Beleidigung bald vergessen / und diese übereilte Beschimpffung / weil sie aus Irrtum / und nicht aus Boßheit hergeflossen /nicht zu anten suchen wird. Ach ja! Vergebet doch /allergedultigste Macarie! was eine erhitzte Gäheit verschuldet / und nehmet den Schatz eurer Freyheit / und das offenbare Zeugnus eurer beständigen Tugend / vor das überstandene Unrecht an. Versöhnet auch den so sehr beleidigten und Tugendhaften Polyphilus / und lebet versichert / daß hiesige Insel das Unrecht mit Gutthaten ersetzen / und die fröliche Verehlichung /welche sie beyde so lang verlanget / eben so hülffreich befördern werden / als sie solche bißher / aus einem falschen Verdacht / gehintert haben.
Hiemit fasste er die Hand der Macarie / überreichte sie dem Polyphilus / und führte sie also beyde / unter Zuruffung und Glückwünschung des ganzen Volkes /zu Cumenus und Anamfe / gienge folgends wieder vor den Richter / und fuhre in seiner Rede also fort: Nun ist noch übrig / daß ich auch der Unschuld dieses andern Schäfers ein Zeugnus gebe / und offenbar mache / daß er mein Leben durch Ertödung meines Mörders erhalten
Nachdem ich aber auch daselbst wenig Ruhe gefunden / kehrte ich wieder zurück / und wurde gewar /daß mein Bette von jemand anderem war eingenommen worden. Ich hielte es erstlich vor des Polyphilus Geist. Als ich aber ein Liecht gefordert / erkante ich /daß ein todter und mit blut-besudelter Eörper meine Stelle bekleidet: den ich aber / nach hefftigem Schrecken und eigentlicher Beschauung / nicht erkennen kunte. Er hatte an seiner Seiten einen blossen Dolchen ligend / doch ohne einiges Blut-Zeichen. Diese Begebenheit machte mich lang in Verwirrung stehen / biß ich seine Kleider / und in selben einen Brief dieses Inhalts fande:
Deinen Brief habe ich erhalten / und mich über deine willige Dienstfärtigkeit sehr erfreuet / werde auch nicht unterlassen / dieselbe reichlich zu belohnen: wie ich dann hiemir 40. Cronen übersende / damit du desto eiliger meinen Wunsch erfüllest. Sey nur beherzt / meine Rache auszuüben / und den Philomathus / meinen Erz-Feind / zu ermorden / wie
Danckbarer Gutthäter und Beförderer
Gilbertus.
Als ich diesen schelmischen Brief meines unbilligen Feindes zu lesen bekam / dankte ich dem Himmel vor seinen gnädigen Schutz / und war willens / diesen Verlauf zu offenbaren. Weil ich aber nicht wuste /wer diesen Mörder getödet / geriet ich in neuen Zweifel / und fürchtete / man möchte mich vor den Thäter anhalten / zumal mir die scharffen Gesetze dieser Insel bekandt waren. Darüm nahme ich mir vor / den sichersten Weg zu gehen / und entwiche / nachdem ich den Dolchen und Brief im Hause verborgen / mit etwas Geld / noch selbige Nacht / aus der Insel / und durchreisete etliche Städte und Länder / biß ich erfahren möchte / wie die Sache abgelaufen.
Nach zimlich langer Zeit / vername ich von einem hiesigen Inwohner / daß der ertödzte Mörder / an stat meiner begraben / ich aber / als ermordet / beklaget /und Polyphilus / ein fremder Schäfer / vor meinen Mörder gehalten und verfolget würde. So bald ich vernommen / daß Polyphilus /
Dieser / nachdem er meine unverhoffte Gegenwart bewundert / und sich über seiner Mutter Erkentnis erfreuet / erzählte mir die Handlung des Pistimorus /welchen sie unlangst in einer Wildnis angetroffen / da er sich selbst / als meinen Mörder / bekennet und angeklaget. Damals erkennte ich die Vorsorge des gütigen Himmels / und eröffnete der gesamten Gesellschaft / was ich jezt hier erzählet / versprache auch /diesen irrenden Ritter bey den Solettischen Inwohnern zu entschuldigen. Ich würde auch solches zeitlich geleistet haben / wann nicht dieser Aufstand meiner Hieher-Reise vorgekommen wäre. Dieses ist also / geliebte Freunde und Brüder! der warhafte Verlauf alles dessen / was sich seit meines Abseyns begeben / und daraus so viel Irrtum / Argwohn und gefährliches Beginnen hergeflossen. Darum erlasset nun diese Unschuldige ihrer schimpflichen Gefängnus / die mich zum andernmal beym Leben erhalten / und lasset sie ihren betrübten Eltern nicht länger traurige
Hierauf begunte der Richter Philomathus also zu antworten: Verständiger und tugendlicher Freund! Wir haben seine weitläufftige Erzählung / mit Freud-Verwunderung / angehöret / und setzen hierbey nicht den geringsten Zweifel / sondern sind vergnüget / daß wir den Philomathus lebendig sehen / den wir vorlängst als todt beweinet. Wir weigern uns auch keineswegs / diese Gefangene loß zu geben / weil sie eure eigne Bekantnus frey machet. Der Edle Polyphilus und seine tugendvolle Macarie mag nun bey uns Hochzeit machen / damit sie in dieser Insel noch einiger Ergötzlichkeit genießen / da sie so viel Schrecken empfunden / und daß wir Gelegenheit überkommen /die begangene Fehler unsers Irrtums / mit Ehre und Freude zu ersetzen. Hierauf führte er den Agapistus und Pistimorus / zu Macarie und den Schäfern /wünschte denselben allerseits Glück zur Ehe und Freundschaft / und begleitete sie / mit einen großen Haufen des Volkes / (die / nach Art des Verstandlosen Pöfels / eben so viel Glückwünsche nachschreyen /als sie zuvor Lästerung ausgestossen) nach der Macarie Wonung.
Indem sie also fortgiengen / sahen sie den Eusephilistus mit seiner Liebsten Erothemitis / von Melopharmis und ihrem Sohn / auch etlichen Hofbedienten / begleitet / daher kommen. Diese kamen von der Hochzeit zu Sophoxenien / und
Agapistus und sein Bruder Pistimorus / begaben sich nun auch auf ihre Heimreise / welche Polyphilus / mit großer Danksagung vor alle erwiesene Liebe und Treue / nicht ohne Threnen und Weheklagen /von sich ziehen ließe. Nachdem hierauf seine Macarie zu Soletten sich ledig gemacht / und vom Philomathus / auch sonst von allen Solettischen Inwohnern /einen freundlichen Abschied genommen / zoge sie mit ihrem so saur-erworbenen Polyphilus und lang-gesuchten Eltern / in die Gegend Brundois zu seinen Herden: von daraus sie zuweilen auf ihrem Lusthause ergetzung suchten und erwiesen / daß / auf trübselige jedoch standhaffte Tugend-Liebe / ein fröliches Ende noch zu folgen pflege.