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So, mein Schatz, hier hast du Tee und Kaviar und kalten Aufschnitt. Du bist ja heute schon um neun Uhr aufgestanden.
Du mußt gewaltig hungrig sein. Hast du denn jetzt Nachricht darüber, ob der Feenpalast auch zustande kommt?
Das bist du ja immer, wenn ich komme. Dann muß ich alles, was dich und deine Unternehmungen betrifft, von deinen Freundinnen erfahren.
Ich kannte eine Frau, die sich beide Ohren zuhielt, wenn ich von Plänen sprach. Sie sagte: Komm und erzähl mir, wenn du etwas getan hast!
Das ist ja mein Elend, daß du schon alle Arten von Frauen gekannt hast. Da es klingelt. Du barmherziger Gott, wer das wieder sein mag! Sie geht auf den Vorplatz hinaus, um zu öffnen.
Es ist wohl am besten, wenn ich mit der Tür ins Haus falle. Ich war gestern abend mit Saranieff und Zamrjaki im Café Luitpold zusammen. Ich erzählte, daß ich durchaus hundert Mark nötig hätte. Darauf meinte Saranieff, ich möchte mich an Sie wenden.
Zamrjaki unterstütze ich, weil er das größte musikalische Genie ist, das seit Richard Wagner lebt. Aber diese Straßenräuber sind doch wohl kein schicklicher Umgang für Sie!
Ich finde diese Straßenräuber interessant. Ich kenne die Herren von einer Versammlung der Anarchisten her.
Ihrem Vater muß es eine erfreuliche Überraschung sein, daß Sie Ihren Lebensweg damit beginnen, sich in revolutionären Versammlungen herumzutreiben.
Ich finde aber, daß man in meinem Alter unendlich mehr lernen kann, wenn man wirklich etwas erlebt, als wenn man bis zur Großjährigkeit auf der Schulbank herumrutscht.
Durch das wirkliche Erleben verlieren Sie nur die Fähigkeiten, die Sie in Ihrem Fleisch und Blut mit auf die Welt gebracht haben. Das gilt ganz speziell von Ihnen, dem Sohn und einstigen Erben unseres größten deutschen Finanzgenies. – Was sagt denn Ihr Vater über mich?
Daran tun Sie unrecht. Ich habe die finanziellen Operationen Ihres Vaters von Amerika aus verfolgt. Ihr Vater hält es nur für gänzlich ausgeschlossen, daß irgend jemand anders auch noch so klug ist wie er. Deshalb weigert er sich auch bis jetzt noch so starrköpfig, meinem Unternehmen beizutreten.
Ich kann es mir mit dem besten Willen nicht denken, wie ich einmal an einem Leben, wie es mein Vater führt, Gefallen finden könnte.
Es handelt sich in dieser Welt aber doch nicht darum, daß man lebt, sondern es handelt sich doch wohl darum, daß man das Leben und die Welt kennenlernt.
Der Vorsatz, die Welt kennenzulernen, führt Sie dazu, hinterm Zaun zu verenden. Prägen Sie sich vor allen Dingen die allergrößte Hochschätzung für die Verhältnisse ein, in denen Sie geboren sind! Das schützt Sie davor, sich so leichten Herzens zu erniedrigen.
Das ist Schulweisheit. Diese Güter heißen nur deshalb höhere, weil sie aus dem Besitz hervorwachsen und nur durch den Besitz ermöglicht werden. Ihnen steht es ja
Vergessen Sie bitte nicht, daß das Christentum zwei Drittel der Menschheit aus der Sklaverei befreit hat! Es gibt keine Ideen, seien sie sozialer, wissenschaftlicher oder künstlerischer Art, die irgend etwas anderes als Hab und Gut zum Gegenstand hätten. Die Anarchisten sind deshalb ihre geschworenen Feinde. Und glauben Sie ja nicht, daß sich die Welt hierin jemals ändert. Der Mensch wird abgerichtet oder er wird hingerichtet. Hat sich an den Schreibtisch gesetzt. Ich will Ihnen die hundert Mark geben. Zeigen Sie sich doch auch mal bei mir, wenn Sie gerade kein Geld nötig haben. Wie lange ist es jetzt her, daß Ihre Mutter starb?
Sie müssen damit zur Gräfin Werdenfels gehen, Briennerstraße Nr. 23. Sagen Sie einen schönen Gruß von mir. Ich habe heute zufällig nichts in der Tasche.
Bitte, war mir sehr angenehm. – Darauf kehrt er zum Schreibtisch zurück; in den Plänen kramend. Sein Alter traktiert mich wie einen Hundefänger. – – Ich muß möglichst bald ein Konzert veranstalten. – Dann zwingt ihn die öffentliche Meinung, sich meinem Unternehmen anzuschließen. Im schlimmsten Fall muß es auch ohne ihn gehen. – – Da es klopft. Herein!
Lassen wir den Vater Vater sein. Ich habe mich jetzt an Leute gewandt, von deren gesellschaftlichem Ehrgeiz ich mir eine flammende Begeisterung für mein Unternehmen verspreche.
Aber vom alten Casimir heißt es allgemein, daß er junge Schauspielerinnen und Sängerinnen unterstützt.
Anna, sobald ich dich vor mir sehe, bin ich ein anderer Mensch, als wärst du meines Glückes lebendiges Unterpfand. – Aber willst du nicht frühstücken? Hier ist Tee und Kaviar und kalter Aufschnitt.
Ich habe um elf Uhr Stunde. Ich komme nur auf einen Moment. – Die Bianchi sagt mir, ich könne in einem Jahr die erste Wagnersängerin Deutschlands sein.
Vielleicht bist du auch in einem Jahr schon so weit, daß sich die ersten Wagnersängerinnen um deine Protektion bemühen.
Mir soll's recht sein. Mit meinem beschränkten weiblichen Verstande sehe ich allerdings nicht ein, auf welche Weise es mit mir gleich so hoch hinaus soll.
Das kann ich dir im voraus auch nicht erklären. Ich lasse mich einfach willenlos treiben, bis ich an ein Gestade gelange, auf dem ich mich heimisch genug fühle, um mir zu sagen: Hier laßt uns Hütten bauen!
Dabei hast du in mir jedenfalls den treusten Spießgesellen. Ich habe seit einiger Zeit vor lauter Lebenslust manchmal Selbstmordgedanken.
Der eine raubt es sich und der andere bekommt es geschenkt. Als ich in die Welt hinauskam, war mein kühnstes Hoffen, irgendwo in Oberschlesien als Dorfschulmeister zu sterben.
München war mir aus der Geographiestunde bekannt. Wenn ich mich deshalb heute auch nicht gerade eines makellosen Rufes erfreue, so darf man nicht vergessen, aus welchen Tiefen ich heraufkomme.
Ich bete jeden Abend inbrünstig zu Gott, daß er etwas von deiner bewundernswürdigen Energie auf mich übertragen möge.
Meine Begabung beschränkt sich auf die leidige Tatsache, daß ich in bürgerlicher Atmosphäre nicht atmen kann. Mag ich deshalb auch erreichen, was ich will, ich werde mir nie das geringste darauf einbilden. Andere Menschen werden in ein bestimmtes Niveau hineingepflanzt, auf dem sie ihr Leben lang fortvegetieren, ohne mit der Welt in Konflikt zu geraten.
Ich bin Bastard. Mein Vater war ein geistig sehr hochstehender Mensch, besonders was Mathematik und so exakte Dinge betrifft, und meine Mutter war Zigeunerin.
Wenn ich nur wenigstens deine Geschicklichkeit hätte, den Menschen ihre Geheimnisse vom Gesicht abzulesen! Dann wollte ich ihnen mit der Fußspitze die Nase in die Erde drücken.
Solche Fertigkeiten erwecken mehr Mißtrauen, als sie einem nützen. Deshalb hegt auch die bürgerliche Gesellschaft, seit ich auf dieser Welt bin, ein geheimes Grauen vor mir. Aber diese bürgerliche Gesellschaft macht, ohne es zu wollen, mein Glück durch ihre Zurückhaltung. Je höher ich gelange, desto vertrauensvoller kommt man mir entgegen. Ich warte auch tatsächlich nur noch auf diejenige Region, in der die Kreuzung von Philosoph und Pferdedieb ihrem vollen Wert entsprechend gewürdigt wird.
Der Feenpalast dient mir nur als Sammelplatz meiner Kräfte. Dazu kenne ich mich viel zu gut, um etwa von mir vorauszusetzen, daß ich nun Zeit meines Lebens Kassenrapporte revidieren werde.
Was soll denn dann aber aus mir werden. Glaubst du vielleicht, ich habe Lust, bis in alle Ewigkeit Gesangsunterricht zu nehmen? Du sagtest gestern noch, daß der Feenpalast speziell für mich gebaut werde.
Aber doch gewiß nicht, damit du bis an dein Lebensende auf den Hinterpfoten tanzst und dich von Preßbengeln kuranzen läßt. Du hast nur etwas mehr Lichtpunkte in deiner Vergangenheit nötig.
Das hoffe ich sehr! Welcher weiblichen Vorzüge wegen sollte ich denn auch auf irgendeine Frau eifersüchtig sein?
Ich mußte die beiden Damen als Vermächtnis meines Vorgängers mit der Konzertagentur übernehmen. Sobald ich meine Stellung befestigt habe, mögen sie mit Rettichen hausieren oder Novellen schreiben, wenn sie leben wollen.
Ich bin um die Schnürstiefel, in denen ich spazierengehe, besorgter, als um deine Liebe zu mir. Weißt du auch, warum? Weil du der rücksichtsloseste Mensch bist und weil du nach nichts anderem in dieser Welt als nur nach deinem sinnlichen Vergnügen fragst! Deshalb würde ich auch, wenn du mich verläßt, wirklich nichts anderes als Mitleid mit dir empfinden können. Aber sieh dich vor, daß du nicht vorher selber verlassen wirst!
Ich habe ein wechselvolles Leben hinter mir, aber jetzt denke ich doch ernstlich daran, mir ein Haus zu bauen; ein Haus mit möglichst hohen Gemächern, mit Park und Freitreppe. Die Bettler dürfen auch nicht fehlen, die die Auffahrt garnieren. Mit der Vergangenheit habe ich abgeschlossen und sehne mich nicht zurück. Dazu ging es zu oft um Leben und
Dieser Eigenschaft verdanke ich in der Tat auch so ziemlich alles, was ich bis jetzt erreicht habe. – Ich glaube, Anna, wenn wir beide in zwei verschiedenen Welten geboren wären, wir hätten uns dennoch finden müssen.
Wenn uns die Vorsehung auch nicht durch unsere märchenhaften Geschmacksverwandtschaften füreinander bestimmt hätte, das eine haben wir doch jedenfalls miteinander gemein ...
Soweit es Frauen betrifft, sind mir nämlich Klugheit, Gesundheit, Sinnlichkeit und Schönheit unzertrennliche Begriffe, aus deren jedem sich die andern drei von selbst ergeben. Wenn dieses Erbteil sich in unsern Kindern potenziert ...
Das danke ich dem Zufall, daß du bei mir bist! Liest. »... Ich habe mir von Ihrem Plane schon mehrfach erzählen lassen und bringe ihm ein lebhaftes Interesse entgegen. Sie treffen mich heute mittag gegen zwölf Uhr im Café Maximilian ...« Das gibt mir die Welt in die Hände! Jetzt kann der alte Casimir meine Rückseite besehen, wenn er noch mitkommen will. Mit diesen Biedermännern im Bunde bleibt mir auch meine Alleinherrschaft unangetastet.
Wie du meinst. Graf Werdenfels prophezeite mir auf seinem Sterbebette, ich werde das Leben noch einmal von der allerernstesten Seite kennenlernen.
Sascha! – Nimmt eines der Bilder von der Wand. Das muß mir über die nächsten vierzehn Tage hinweghelfen!
Geh hinüber zum Tannhäuser. Er soll den Saranieff ins Fenster stellen. Ich gebe ihn für dreitausend Mark.
In fünf Minuten komme ich selber. Warte! Er nimmt vom Schreibtisch eine Karte, auf der »3 000 M.« steht, und befestigt sie unter den Rahmen des Bildes. Dreitausend Mark! – Geht zum Schreibtisch. Ich muß nur vorher rasch noch einen Zeitungsartikel darüber schreiben.
Wenn dieser Saranieff malen könnte, dann brauchte man nicht erst Zeitungsartikel über ihn zu schreiben.
»Ihr seid uns jeden Tag willkommen. Ihr könnt die beiden Vorzimmer im dritten Stock beziehen. Ihr könnt dann in Ruhe abwarten, bis eure Verhandlungen in München zum Abschluß gelangen.«
Siehst du denn aber nicht ein, mein liebes Kind, daß du durch solche Schreibereien meinen Kredit untergräbst?
Da bringe ich nicht einen Happen hinunter vor Angst, daß uns der Gerichtsvollzieher derweil unsere Betten versiegelt.
Der überlegt sich das noch. Warum lebt in deinem Köpfchen kein anderer Gedanke als Essen und Trinken! Du könntest dich deines Daseins so unendlich mehr erfreuen, wenn du etwas mehr Würdigung für seine Lichtseiten hättest. Du hegst eine unbezähmbare Liebhaberei für das Unglück.
Ich finde, du hegst diese Liebhaberei für das Unglück! Anderen Menschen fällt ihr Lebensberuf zu leicht, sie brauchen mit keinem Gedanken daran zu denken. Dafür existieren sie eins fürs andere in ihrem behaglichen Heim, wo ihrem Glück nichts in die Quere kommt. Und du, bei all deinen Geistesgaben, wirtschaftest wie ein Rasender auf deine Gesundheit ein, und dabei ist tagelang nicht ein Pfennig im Haus.
Aber du hast doch noch jeden Tag satt zu essen gehabt! Daß du nichts für Toiletten ausgibst, ist wahrhaftig nicht meine Schuld. Sobald dieser Zeitungsartikel geschrieben ist, habe ich dreitausend Mark in der Hand. Dann nimm eine Droschke und kauf alles zusammen, worauf du dich im Augenblick besinnen kannst.
Der bezahlt dir für das Bild so gewiß dreitausend Mark, wie ich mir deinetwegen seidene Strümpfe anziehe.
Habe ich dir weh getan, mein Herz? Verzeih mir, bitte! Was ich dir eben sagte, das ist meine heiligste Überzeugung.
Wenn das Geld auch nur bis morgen abend reicht, dann werde ich das Opfer schon nicht zu bedauern haben!
Es wäre doch vielleicht nachgerade Zeit, daß du mit dir zu Rate gehst, sonst kommt die Erleuchtung plötzlich von selbst.
Bilde dir doch nicht ein, daß ich mich durch deine Courmachereien in Schrecken jagen lasse! Uns beide umschlingt ein zu festes Band. Wenn das einmal reißt, dann halte ich dich nicht mehr; aber solange du im Elend bist, gehörst du mir.
Das wird dir zum Verhängnis, Molly, daß du mein Glück mehr fürchtest als den Tod. Wenn ich morgen die Arme frei habe, dann hältst du es nicht eine Minute mehr bei mir aus.
Tue, was du nicht lassen kannst! Du weißt, daß mir an einer Frau nichts unsympathischer ist, als wenn sie arbeitet.
Um deinetwillen mache ich noch keinen Affen und keinen Papagei aus mir. Wenn ich mich an den Waschtrog stelle, statt halbnackt mit dir auf Redouten zu
Ich brauchte es dir auch nicht auf die Nase zu binden, aber ich gebe es dir schwarz auf weiß, wenn du willst! Ich verdiente ja mein Lebensglück nicht, wenn ich mir dir gegenüber den geringsten Zwang antäte und mich besser geben wollte, als ich von Gott geschaffen worden bin – weil du mich liebst!
Weil du ohne meine Liebe nicht leben kannst! Hab darum auch nur die Arme frei, soviel du willst! Ob ich bei dir bleibe, das hängt davon ab, ob ich dir von deiner Liebe für andere Weiber etwas übriglasse! Die Weiber sollen sich aufdonnern und dich vergöttern, soviel es ihnen Vergnügen macht; das spart mir die Komödien. Du hängtest dich lieber heute als morgen an deine Ideale; das weiß ich recht gut. Käme es je dazu – aber das hat noch gute Wege! –, dann will ich mich lebendig begraben lassen.
Aber was bietet sich mir denn, mein süßer Schatz? Das war doch in Amerika auch immer dieser Schrecken ohne Ende. Alles scheiterte immer an den letzten drei Tagen. In Sankt Jago wurdest du nicht zum Präsidenten gewählt und wärst um ein Haar erschossen worden, weil wir an dem entscheidenden Abend keinen Brandy auf dem Tische hatten. Weißt du noch, wie du riefst: »Einen Dollar, einen Dollar, eine Republik für einen Dollar!«
Ich bin als Krüppel zur Welt gekommen. So wenig wie ich mich deshalb zum Sklaven verdammt fühle, so wenig wird mich der Zufall, daß ich als Bettler geboren bin, je daran hindern, den allerergiebigsten Lebensgenuß als mein rechtmäßiges Erbe zu betrachten.
An dem, was ich dir hier sage, ändert nur mein Tod etwas. Und der Tod traut sich aus Furcht, er könnte sich blamieren, nicht an mich heran. Wenn ich sterbe, ohne gelebt zu haben, dann werde ich als Geist umgehen.
Ich kenne aber noch meine Verantwortung! Du bist als fünfzehnjähriges unzurechnungsfähiges Kind, von der Schulbank weg, mit mir nach Amerika durchgebrannt. Wenn wir uns heute trennen und du bleibst dir selbst überlassen, dann nimmt es das denkbar schlimmste Ende mit dir.
Dann komm doch nach Bückeburg! Meine Eltern haben ihre Molly seit drei Jahren nicht gesehen. In ihrer Freude werfen sie dir ihr halbes Vermögen an den Kopf. Und wie könnten wir zwei zusammen leben!
Der Herr Tannhäuser sagt, er kann das Bild nicht ins Fenster stellen. Der Herr Tannhäuser haben selbst noch ein Dutzend Bilder von dem Herrn Saranieff.
Dafür bist du ja bei mir! – Geht zum Schreibtisch und zerreißt das Schreibpapier. Dann brauche ich doch wenigstens den Zeitungsartikel nicht mehr darüber zu schreiben!
Diese Saranieffs, siehst du, und diese Zamrjakis, das sind Menschen von einem ganz anderen Schlag als wir. Die wissen, wie man den Leuten die Taschen umkehrt. Wir beide sind eben nun einmal zu einfältig für die große Welt!
Dein Willkomm ist mir eine gute Vorbedeutung. Ich bin so verändert, daß ich voraussetzte, du werdest mich überhaupt kaum wiedererkennen.
Für mich am allerwenigsten; deshalb bin ich nämlich hier. Und ich komme nur deinetwegen nach München.
Ich weiß, daß du schwer mit dem Leben zu kämpfen hast. Nun ist es mir aber ganz speziell um deinen persönlichen Verkehr zu tun. Ich möchte mich gern auf einige Zeit deiner geistigen Führung überlassen, aber nur unter der einen Bedingung, daß du mir dafür erlaubst, dir mit meinen Geldmitteln zu Hilfe zu kommen, soweit du es brauchen kannst.
Aber wozu denn das. Ich bin eben im Begriff, Direktor eines ungeheuren Aktienunternehmens zu werden. Und dir geht es also auch ganz gut? Wir haben uns, wenn mir recht ist, vor vier Jahren zum letztenmal gesehen.
Du schriebst damals schon für alle erdenklichen Tagesblätter. Erinnerst du dich vielleicht zufällig noch der Vorwürfe, die ich dir deines Zynismus wegen auf dem Ball im Justizpalais in Brüssel machte?
Du hattest dich in die Tochter des dänischen Gesandten verliebt und gerietst in Wut über meine Behauptung, daß die Frauen von Natur aus viel materieller veranlagt sind, als wir Männer es durch den reichlichsten Genuß jemals werden können.
Du bist mir auch heute noch, wie während unserer ganzen Jugendzeit, geradezu ein Ungeheuer an Gewissenlosigkeit; aber – du hattest vollkommen recht.
Ich bin mürbe. Obschon ich deine ganze Lebensauffassung aus tiefster Seele verabscheue, vertraue ich dir heute das für mich unlösbare Rätsel meines Daseins an.
Ich schließe damit nicht etwa eine feige Kapitulation. Das letzte Mittel, das einem selbst zur Lösung des Rätsels freisteht, habe ich umsonst versucht.
Um so besser für dich, wenn du das hinter dir hast. Ich sollte während der Kubanischen Revolution mit zwölf Verschwörern erschossen werden. Ich falle natürlich auf den ersten Schuß und bleibe tot, bis man mich beerdigen will. Seit jenem Tage fühle ich mich erst wirklich als den Herrn meines Lebens. Aufspringend. Verpflichtungen gehen wir bei unserer Geburt nicht ein, und mehr als dieses Leben wegwerfen, kann man nicht. Wer nach seinem Tode noch weiterlebt, der steht über den Gesetzen. – Du trugst dich damals in Brüssel mit der Absicht, dich dem Staatsdienst zu widmen?
Ich wunderte mich noch, daß du es bei deinem enormen Vermögen nicht vorzogst, als Grandseigneur deinen Neigungen zu leben.
Ich hatte den Vorsatz gefaßt, vor allem erst ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden. Wäre ich als der Sohn eines Tagelöhners geboren, dann ergäbe sich das ja auch als etwas ganz Selbstverständliches.
Man kann seinen Mitmenschen nicht mehr in dieser Welt nützen, als wenn man in der umfassendsten Weise auf seinen eigenen Vorteil ausgeht. Je weiter meine Interessen reichen, einer desto größeren Anzahl von Menschen biete ich den nötigen Lebensunterhalt. Wer sich aber darauf, daß er seinen Posten ausfüllt und seine Kinder ernährt, etwas einbildet, der macht sich blauen Dunst vor. Die Kinder danken ihrem Schöpfer, wenn man sie nicht in die Welt setzt, und nach dem Posten recken hundert arme Teufel die Hälse!
Ich konnte aber in der Tatsache, daß ich ein reicher Mann bin, keinen zwingenden Grund sehen, als Tagedieb in der Welt herumzuschlendern. Künstlerische Veranlagungen besitze ich nicht, und um meine einzige Lebensbestimmung im Heiraten und Kinderzeugen zu erblicken, dazu schien ich mir nicht unbedeutend genug.
Als ich von Amerika zurückkam, erzählte mir jemand, der dich ein Jahr vorher in Konstantinopel getroffen hatte, du habest zwei Jahre auf Reisen zugebracht, lebest jetzt aber wieder zu Haus und stehest eben im Begriff, dich zu verheiraten.
Meine Verlobung habe ich vor drei Tagen aufgelöst. – Ich war bis jetzt nur ein halber Mensch. Seit dem Tage, an dem ich mein eigner Herr wurde, ließ ich mich lediglich von der Überzeugung leiten, ich könne mich meines Daseins nicht eher erfreuen, als bis ich meine Existenz durch ehrliche Arbeit gerechtfertigt hätte. Diese einseitige Anschauung hat mich dahin geführt, daß ich heute aus reinem Pflichtgefühl, nicht anders, als gälte es eine Strafe abzubüßen, den rein materiellen Genuß aufsuche. Sobald ich aber dem Leben die Arme öffnen will, dann lähmt mich die Erinnerung an jene unglücklichen
Ich hatte ein Bahnreglement geändert. Es lag eine beständige Gefahr darin, daß dieses Bahnreglement unmöglich genau respektiert werden konnte. Meine Befürchtungen waren natürlich übertrieben, aber mit jedem Tage sah ich das Unglück näherkommen. Mir fehlt eben das seelische Gleichgewicht, das dem Menschen aus einem menschenwürdigen Familienheim erwächst. – Am ersten Tage nach Einführung meines neuen Reglements erfolgte ein Zusammenstoß von zwei Schnellzügen, der neun Männern, drei Frauen und zwei Kindern das Leben kostete. Ich inspizierte die Unglücksstätte noch. Es ist nicht meine Schuld, daß ich den Anblick überlebte.
Ich ging nach England, nach Italien, fühle mich nun aber erst recht von allem lebendigen Treiben ausgeschlossen. In lachender, scherzender Umgebung, bei ohrbetäubender Musik, entringt sich mir plötzlich ein geller Schrei, weil ich mir unversehens wieder jenes Unglücks bewußt worden bin. Ich habe auch im Orient nur wie eine verscheuchte Eule gelebt. Aufrichtig gesagt, bin ich auch seit jenem Unglückstag erst recht davon überzeugt, daß ich mir meine Lebensfreude nur durch Selbstaufopferung zurückkaufen kann. Aber dazu brauche ich Zutritt zum Leben. Diesen Zutritt zum Leben hoffte ich vor einem Jahr dadurch zu finden, daß ich mich mit dem ersten besten Mädchen allerniedrigster Herkunft verlobte, um mit ihr in den Ehestand zu treten.
Ich bin kein Graf Trautenau mehr. Das entzieht sich deinem Verständnis. Die Presse hatte meinen Rang und Namen zu dem Unglück, das ich heraufbeschworen, in wirkungsvollen Kontrast gesetzt. Ich hielt mich deshalb meiner Familie gegenüber für verpflichtet, einen anderen Namen anzunehmen. Ich heiße seit zwei Jahren Ernst Scholz. Daher konnte auch meine Verlobung niemanden
– Mein Vater würde sich vor Schreck im Grabe umkehren bei dem Gedanken, daß du – mich um meinen Rat bittest.
So schlägt das Leben die Schulweisheit auf den Mund. Dein Vater hat redlich sein Teil zu meiner einseitigen geistigen Entwicklung beigetragen.
Mein Vater war so selbstlos und gewissenhaft, wie es der Hauslehrer und Erzieher eines Grafen Trautenau nun einmal sein muß. Du warst sein Musterknabe, und ich war sein Prügeljunge.
Erinnerst du dich nicht mehr, wie zärtlich du bei uns auf dem Schloß von unseren Kammerjungfern abgeküßt wurdest, und zwar mit Vorliebe dann, wenn ich zufällig gerade daneben stand?! – Sich erhebend. Ich werde die nächsten zwei bis drei Jahre einzig und allein darauf verwenden Unter Tränen. um mich zu einem Genußmenschen auszubilden.
Gehen wir heute abend erst einmal nach Nymphenburg auf den Tanzboden! Das ist unser so unwürdig, wie nur irgendwie möglich. Aber bei all dem Regenwetter und Gletscherwasser, das sich über meinen Kopf ergießt, reizt es mich selbst, wieder einmal im Schlamm zu baden.
Du hörst kein lautes Wort, nur das dumpfe Brausen des aus seinen Tiefen aufgewühlten Ozeans. München ist ein Arkadien zugleich und ein Babylon. Der stumme saturnalische Taumel, der sich hier bei jeder Gelegenheit
Woher sollte ich denn verwöhnt sein! Ich habe von meinem Leben bis heute buchstäblich noch nichts genossen.
Der Gesellschaft werden wir uns auf dem Tanzboden erwehren müssen! An solchen Orten wirkt mein Erscheinen wie das Aas auf die Fliegen. Aber dafür, daß du dich selbst vergißt, stehe ich dir gut. Du wirst dich noch in drei Monaten selbst vergessen, wenn du an unseren heutigen Abend zurückdenkst.
Ich habe mich schon allen Ernstes gefragt, ob nicht mein ungeheurer Reichtum vielleicht der einzige Grund meines Unglücks ist.
Ich habe tatsächlich schon erwogen, ob ich nicht wie auf meinen Adel auch auf mein Vermögen verzichten soll. Solang ich lebe, wäre mir die ser Verzicht aber nur zugunsten meiner Familie möglich. Eine nützliche Verfügung über mein Eigentum kann ich allenfalls, nachdem mein Leben an ihm zuschanden geworden, auf dem Sterbebette treffen. Hätte ich von Jugend auf um meinen Unterhalt kämpfen müssen, dann stände ich bei meinem sittlichen Ernst und meinem Fleiß, statt ein Ausgestoßener zu sein, heute wahrscheinlich mitten in der glänzendsten Karriere.
Oder du schwelgtest mit deinem Mädchen aus niedrigstem Stande im allergewöhnlichsten Liebesquark und putztest dabei deiner Mitwelt die Stiefel.
Bilde dir doch nicht ein, daß dieses Eisenbahnunglück zwischen dir und dem Leben steht. Du sättigst dich nur deshalb an diesen scheußlichen Erinnerungen, weil du zu schwerfällig bist, um dir irgendwelche delikatere Nahrung zu verschaffen.
Wir finden heute abend schon was zu beißen. – Ich kann dich jetzt leider nicht bitten, mit mir zu frühstücken. Ich habe um zwölf Uhr ein geschäftliches Rendezvous
Ich treibe Kunsthandel, ich habe eine Zeitungskorrespondenz, eine Konzertagentur – alles nicht der Rede wert. Du kommst eben recht, um das Entstehen eines großangelegten Konzerthauses zu erleben, das ausschließlich für meine Künstler gebaut wird.
Das gebe ich nicht um zehntausend Mark. Ein Saranieff. – Dreht es ihm in den Händen um. Du mußt es anders herum nehmen.
Der Mann ist internationaler Kriminalbeamter; sei deshalb nicht gleich zu offenherzig. Ein entzückender Mensch. Aber die Leute wissen nie, ob sie mich beobachten sollen, oder ob ich da bin, um sie zu beobachten.
Dann fahren wir nach Nymphenburg. Ich danke dir, daß auch du schließlich Vertrauen zu mir gewonnen hast.
Ich beschwöre dich, laß dich doch mit diesem Patron nicht ein! Der käme doch nicht zu uns, wenn er uns nicht ausbeuten wollte.
Gott sei Dank sind Sie da! Warten Sie zehn Minuten. – – Das werden Sie merken. – Zu Molly, während ihm Sascha in den Paletot hilft. Ich fahre rasch auf die Redaktionen.
Leg ihr meine Ehrerbietung zu Füßen. Geht zum Schreibtisch. Die Pläne – der Brief von Ostermeier – morgen früh muß München wissen, daß der Feenpalast gebaut wird!
Nach den Gesprächen von gestern abend über Kunst und moderne Literatur frage ich mich, ob ich bei diesem Mädchen nicht in die Schule gehen soll. Um so mehr wunderte es mich, daß sie dich noch darum bat, an dem Gartenfest, mit dem du München in Erstaunen setzen willst, deine Gäste bedienen zu dürfen.
Sie rechnet sich das ganz einfach zur Ehre an! Übrigens hat das noch Zeit mit dem Gartenfest. Ich fahre morgen auf einige Tage nach Paris.
Komm doch mit. Ich will eine meiner Künstlerinnen vor der Marquesi singen lassen, bevor sie hier öffentlich auftritt.
Soll ich mir jetzt die Seelenqualen wieder vergegenwärtigen, die ich seinerzeit in Paris durchgekostet habe?!
Würde dir denn das Erlebnis dieser Nacht nicht darüber hinweghelfen?! – Dann halte dich während meiner Abwesenheit an den Kunstmaler Saranieff. Er wird ja heute wohl irgendwo vor uns auftauchen.
Von diesem Saranieff erzählte mir das Mädchen, sein Atelier sei eine Schreckenskammer, voll der entsetzlichsten
Das Geschöpf rechnet sich das zur Ehre an, weil es dabei Gelegenheit findet, die unbegrenzte Verachtung zu bekämpfen, mit der sie von der gesamten bürgerlichen Gesellschaft behandelt wird.
Aber was rechtfertigt denn diese Verachtung! Wieviel hundert weibliche Existenzen gehen in den besten Gesellschaftskreisen daran zugrunde, daß der Strom des Lebens versiegt, wie er hier aus seinen Ufern tritt. – Einer Sünde, wie es die seelenmörderische Zwietracht war, in der meine Eltern zwanzig Jahre beieinander aushielten, macht sich dieses Mädchen doch in seinem seligsten Glück nicht schuldig!
Darüber war ich mir gestern noch völlig klar. Heute kann ich dafür ohne Beklommenheit aussprechen, was tausend und tausend gutsituierte Menschen wie ich empfunden haben: Das verfehlte Leben blickt mit bitterem Neid auf das verlorene Geschöpf!
Das Glück dieser Geschöpfe wäre so verachtet nicht, wenn es nicht das denkbar schlechteste Geschäft wäre. Sünde ist eine mythologische Bezeichnung für schlechte Geschäfte. Gute Geschäfte lassen sich nun einmal nur innerhalb der bestehenden Gesellschaftsordnung machen! Das weiß niemand besser als ich. Ich, der Marquis von Keith, von dem ganz München spricht, stehe heute bei meinem europäischen Ruf noch ebenso außerhalb der Gesellschaft wie dieses Geschöpf. Das ist auch der einzige Grund, weshalb ich das Gartenfest gebe. Ich bedaure ungemein, daß ich die Kleine nicht unter meinen Gästen empfangen kann. Um so geschmackvoller wird sie sich dafür unter meiner Bedienung ausnehmen.
Das ganze Unternehmen ruht auf einem Bierbrauer, einem Baumeister und einem Restaurateur. Das sind die Karyatiden, die den Giebel des Tempels tragen.
Er erzählte mir, er sei ursprünglich Theologe gewesen, habe aber durch zu vieles Studieren seinen Glauben verloren und ihn dann auf dem Wege wiederzufinden gesucht, auf dem der verlorene Sohn seinen Glauben wiederfand.
Er sank immer tiefer und tiefer, bis ihn schließlich die hohe Staatsanwaltschaft in ihren Armen auffing und ihm seinen verlorenen Glauben durch einen zweijährigen Aufenthalt hinter Schloß und Riegel zurückerstattete.
Das Mädchen konnte es absolut nicht fassen, daß ich bis heute noch nicht Radfahren gelernt habe. Daß ich in Asien und Afrika nicht Rad gefahren sei, meinte sie, sei sehr vernünftig gewesen wegen der wilden Tiere. In Italien hätte ich denn aber doch damit anfangen können!
Ich warne dich noch einmal, lieber Freund, sei nicht zu offenherzig! Die Wahrheit ist unser kostbarstes Lebensgut, und man kann nicht sparsam genug damit umgehen.
Ich heiße mit demselben Recht Marquis von Keith, mit dem du Ernst Scholz heißt. Ich bin der Adoptivsohn des Lord Keith, der im Jahre 1863 ...
Den Zylinder gibt er nach der Begrüßung an Sascha. Ich wünsche Ihnen von Herzen Glück, mein lieber Freund. Endlich sind die Taue gekappt, und der Ballon kann steigen!
Mich wundert nur, daß man den Namen des großen Casimir nicht mit unter den Mitgliedern des Feenpalast-Konsortiums liest.
Weil ich nicht auf das Verdienst verzichten will, selber der Schöpfer meines Werkes zu sein. Vorstellend. Herr Kunstmaler Saranieff – Graf Trautenau.
Sie, Herr Graf, kenne ich schon in- und auswendig. Zu von Keith. Simba war eben bei mir; sie sitzt mir gegenwärtig zu einem Böcklin.
Der Böcklin war nämlich selbst ein großer Maler. Zu Saranieff. Sie brauchten mit solchen Streichen nicht noch zu prahlen!
Machen Sie mich berühmt, dann habe ich diese Streiche nicht mehr nötig! Ich bezahle Ihnen dreißig Prozent auf Lebenszeit. Zamrjakis Verstand wackelt schon wie
Sie hat Sie den Symbolisten zugeteilt. Zu von Keith. Und dann schwärmte sie von einer bevorstehenden Feenpalast-Gründungsfeier mit eminentem Feuerwerk.
Mit Feuerwerk blendet man keinen Hund, aber der vernünftigste Mensch fühlt sich beleidigt, wenn man ihm keines vormacht. Ich fahre übrigens vorher noch auf einige Tage nach Paris.
Sie nehmen es allerdings verteufelt ernst! Am Fuße der Pyramiden, in dem Dorfe Gizeh, soll Ihnen die Wäscherin einen Hemdkragen verwechselt haben?
Sie scheinen wirklich schon ganz gut über mich unterrichtet zu sein. Wollen Sie mir nicht erlauben, daß ich Sie einmal in Ihrem Atelier besuche?
Wenn es Ihnen recht ist, trinken wir jetzt gleich unsern Kaffee bei mir. Sie finden dann auch Ihre Simba noch dort.
Sie hat es sich auf meinem persischen Diwan bequem gemacht und schläft vorläufig noch ihren Katzenjammer von gestern aus.
Heißen Dank, gnädige Frau; Sie sehen, ich habe schon alles aufgegessen. Verzeihen Sie, daß ich noch nicht Gelegenheit nahm, Ihnen die Hand zu küssen.
Laß mich dir deine Krawatte in Ordnung bringen. Er tut es. Du mußt etwas mehr Sorgfalt auf dein Äußeres verwenden.
Warten Sie einen Augenblick auf mich. Ich bin gleich zurück. Zu Scholz und Saranieff. Ist es Ihnen recht, meine Herren?
Nimmt mich nur wunder, was Sie in diesem Narrenturm suchen! Sie blieben doch wirklich vernünftiger bei Ihrer Frau Mama zu Hause!
Um Gottes willen, bleiben Sie nur! Sie genieren hier niemanden. – Aber diese unmenschlichen Eltern, die ihr Kind nicht vor dem Verkehr mit solchen Strauchdieben schützen! – Ich hatte mein glückliches Vaterhaus wie Sie und war weder älter noch klüger als Sie, als ich, ohne mir was dabei zu denken, den Sprung ins Bodenlose tat.
Der Himmel erbarm sich mein – ich muß notwendig einen Weg wählen! Ich gehe zugrunde, wenn ich noch länger hier in München bleibe! Aber der Herr Marquis wird mir seine Hilfe verweigern, wenn er ahnt, was ich vorhabe. Ich bitte Sie, gnädige Frau, verraten Sie mich nicht!
Wenn Sie wüßten, wie es mir ums Herz ist, Sie hätten keine Angst, daß ich mich um Ihre Geschichten bekümmere! Wenn es Ihnen nur nicht noch schlimmer geht als mir! Hätte mich meine Mutter arbeiten lassen, wie ich jetzt arbeite, statt mich jeden freien Nachmittag Schlittschuhlaufen zu schicken, ich hätte heute mein Lebensglück noch vor mir!
Aber – wenn Sie so grenzenlos un glücklich sind und wissen, – daß sie noch glücklich werden können, warum – warum lassen Sie sich denn dann nicht scheiden?
Reden Sie doch um Gottes willen nicht über Dinge, von denen Sie nichts verstehen! Wenn man hingehen will, um sich scheiden zu lassen, dann muß man erst einmal verheiratet sein.
Ich will mich hier weiß Gott über niemanden beklagen! Aber um sich zu verheiraten, hat man nun einmal in der ganzen Welt zuerst Papiere nötig. Und das ist ja unter seiner Würde, Papiere zu haben! Da es auf dem Korridor läutet. Von früh bis spät geht es wie in einem Postbureau! Ab nach dem Vorplatz.
Wenn Sie hier vielleicht auf meinen Mann warten wollen. Er muß ja wohl gleich kommen. Darf ich die Herrschaften bekannt machen?
Nun erzählen Sie mir einmal offen und ausführlich, mein lieber junger Freund, wozu Sie auf Ihrer Schulbank soviel Geld brauchen.
Wer behandelt Sie denn? Bilden Sie sich doch nichts ein! – Sehen Sie, ich teile die Menschen in zwei große Klassen. Die einen sind hopp- hopp und die andern sind etepetete.
Weil man hier nichts erlebt! – Ich verkomme hier in München, besonders wenn ich noch länger auf der Schulbank sitzen muß. Ein früherer Klassenkamerad schreibt mir aus Afrika, wenn man sich in Afrika unglücklich fühle, dann fühle man sich noch zehnmal glücklicher, als wenn man sich in München glücklich fühle.
Ich will Ihnen etwas sagen: Ihr Freund ist etepetete. Gehen Sie nicht nach Afrika. Bleiben Sie lieber hier bei uns in München und erleben Sie etwas.
Raspe, anfangs der Zwanziger, in heller Sommertoilette und Strohhut, hat die kindlich-harmlosen Züge eines Guido Renischen Engels. Kurzes blondes Haar, keimender Schnurrbart. Wenn er sich beobachtet fühlt, klemmt er einen blauen Kneifer vor die Augen. Mein Mann wird gleich kommen; wenn Sie einen Augenblick warten wollen. Darf ich Sie vorstellen ...
Ich weiß wirklich nicht, gnädige Frau, ob dem Herrn Baron damit gedient wäre, daß Sie mich vorstellen.
Wenn Sie sich zurechtgefunden haben, dann möchte ich Sie übrigens auch darum bitten, mich nicht vorzustellen.
Das sind nur Namensunterschiede. Von Ihnen erzählte man mir, Sie hätten zwei Jahre in absoluter Einsamkeit zugebracht.
Worauf Sie natürlich nicht durchblicken ließen, daß Sie mich in meiner höchsten Glanzzeit gekannt hatten.
Sie haben ganz recht. Mitleid ist Gotteslästerung. – Was konnte ich dafür! Ich war das Opfer des wahnsinnigen Vertrauens geworden, das mir jedermann entgegenbrachte.
Jetzt verwerte ich das wahnsinnige Vertrauen, das mir jedermann entgegenbringt, zum Wohle meiner Mitmenschen. – Können Sie mir übrigens etwas Näheres über diesen Genußmenschen sagen?
Das wundert mich außerordentlich. Ein gewisser Herr Scholz, der sich hier in München zum Genußmenschen ausbilden will.
Ein ganz harmloser Mensch. Ich wußte gar nicht, was ich mit ihm anfangen sollte. Ich führte ihn zu seiner Ausbildung ins Hofbräuhaus. Das liegt hier ja gleich nebenan.
Bitte, mein Herr, das gibt ein Unglück. Werden Sie erst selbst ruhig. Zu Hermann. Seien Sie vernünftig; gehen Sie mit Ihrem Vater.
Ich habe zu Hause nichts zu suchen. Er merkt es nicht einmal, wenn ich mich sinnlos betrinke, weil ich nicht weiß, wozu ich auf der Welt bin!
Dann sagen Sie ruhig, was Sie beabsichtigen; aber drohen Sie Ihrem Vater nicht mit dem Revolver. Geben Sie mir das Ding.
Sie werden es nicht bereuen. Ich gebe ihn Ihnen zurück, wenn Sie ruhig sind. – Halten Sie mich für eine Lügnerin?
Jetzt bitten Sie Ihren Vater um Verzeihung. Wenn Sie einen Funken Ehre im Leibe haben, können Sie von Ihrem Vater nicht erwarten, daß er den ersten Schritt tut.
Erst bitten Sie um Verzeihung. Seien Sie fest überzeugt, daß Ihr Vater dann auch mit sich reden läßt.
Beweisen Sie Ihrem Vater, daß er Vertrauen zu Ihnen haben kann. – Jetzt gehen Sie nach Hause, und wenn Sie ruhig geworden sind, dann setzen Sie Ihrem Vater Ihre Pläne und Wünsche auseinander. –
Ich sehe sie heute seit zwei Jahren zum erstenmal wieder. Damals war sie Verkäuferin in einem Geschäft in der Perusastraße und hieß Huber, wenn ich mich recht erinnere. Aber wenn Sie etwas Näheres wissen wollen ...
Entschuldigen Sie, gnädige Frau; hatte der Herr Baron wirklich die Absicht, vor Tisch noch zurückzukommen?
Sie fragen mich auch noch, ob Sie mir nicht vielleicht etwas ... Den Präsentierteller wieder auf den Tisch setzend. Räume den Tisch ab, wer will; ich habe nicht daran gesessen! – Ins Wohnzimmer ab.
Sagen Sie mir, was ist denn eigentlich aus diesem Grafen Werdenfels geworden, der damals vor zwei Jahren ein Champagnergelage nach dem andern gab?
Das hätte ich mir doch denken können! – Wollen Sie dem Herrn Grafen, bitte, meinen aufrichtigsten Glückwunsch zu seiner Wahl aussprechen?
Selbstverständlich, ja. Da Stimmen auf dem Korridor laut werden. Ich erzähle Ihnen das ein anderes Mal.
Das trifft sich ausgezeichnet, daß ich Sie gleich mit einer unserer ersten Künstlerinnen bekannt machen kann. – Sascha, trag den Kram hinaus!
Herr Bierbrauereibesitzer Ostermeier, Herr Baumeister Krenzl, Herr Restaurateur Grandauer, die Karyatiden des Feenpalastes – Frau Gräfin Werdenfels. Nimmt die Pläne vom Schreibtisch und entrollt sie auf dem Mitteltisch.
Wollen Sie bitte halten. – Was Sie hier sehen, ist der große Konzertsaal mit entfernbarem Plafond und Oberlicht, so daß er im Sommer als Ausstellungspalast dienen kann. Daneben ein kleinerer Bühnensaal, den ich durch die allermodernste Kunstgattung populär machen werde, wissen Sie, was so halb Tanzboden und halb Totenkammer ist. Das Allermodernste ist immer die billigste und wirksamste Reklame.
Hier sehen Sie die Garderoben- und Toilettenverhältnisse in durchgreifendster Weise gelöst. – Hier, Herr Baumeister, der Frontaufriß: Auffahrt, Giebelfeld und Karyatiden.
Was saget denn mei Alte, wann i mi da heroben wollt als Karyatiden aushauen lassen, nachher noch gar an eim Feenpalast!
Für den Nachmittagskaffee, lieber Herr Grandauer, haben Sie hier eine Terrasse im ersten Stock mit großartiger Aussicht auf die Isaranlagen.
Viertausend Anteilscheine à Fünftausend, macht rund zwanzig Millionen Mark. – Ich gehe von der Bedingung aus, meine Herren,
Deshalb wollen wir außer den Aktien eine Anzahl Genußscheine ausgeben und der Stadt einen Teil davon zu wohltätigen Zwecken zur Verfügung stellen. – Für die Vorstandsmitglieder sind zehn Prozent Tantiemen vom Reingewinn vor Abzug der Abschreibungen und Reserven vorgesehen.
Den Börsenmarkt muß man etwas bearbeiten. Ich fahre deshalb morgen nach Paris. Heute in vierzehn Tagen findet unsere Gründungsfeier in meiner Villa an der Briennerstraße statt.
Das wär halt g'scheit. Wann mir den Konsul Casimir haben, nachher sagt der Magistrat eh' zu allem ja.
Ich hoffe, meine Herren, wir werden schon vor dem Fest eine Generalversammlung einberufen können. Da werden Sie sehen, ob ich Ihre Anregungen in bezug auf den Konsul Casimir zu berücksichtigen weiß.
Dann wünsche ich vergnügte Reise, verehrter Freund. Lassen Sie uns aus Paris etwas hören. Sich gegen Anna verbeugend. Habe die Ehre, mich zu empfehlen; mein Kompliment.
Ich werde dir in Paris eine Konzerttoilette anfertigen Zu Raspe. Von Ihnen, Herr Kriminalkommissar, erwarte ich, daß Sie an unserer Gründungsfeier die Gattinnen der drei Karyatiden mit dem ganzen Liebreiz Ihrer Persönlichkeit bezaubern.
Hier haben Sie dreihundert Mark. Ein Feuerwerk bringe ich aus Paris mit, wie es die Stadt München noch nicht gesehen hat.
Ich verwerte jeden Sterblichen seinen Talenten entsprechend und muß meinen näheren Bekannten Herrn Kriminalkommissar Raspe gegenüber etwas Vorsicht anempfehlen.
Wenn man, wie Sie, wie vom Galgen geschnitten aussieht, dann ist es keine Kunst, ehrlich durchs Leben zu kommen. Ich wollte sehen, wo Sie mit meinem Engelsgesicht heute steckten!
Französische Namen führe ich nicht mehr, seitdem ich ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft geworden bin. – Erlauben Sie, daß ich mich Ihnen empfehle.
Das macht nichts. Ich bitte dich nur darum, meine Familienverhältnisse nicht mit ihm zu erörtern. Er ist nämlich wirklich Moralist, von Natur und aus Überzeugung.
Das ist Selbstironie! Er lebt, seit ich ihn kenne, in nichts als Aufopferung, ohne zu merken, daß er zwei Seelen in seiner Brust hat.
Dann bedanke ich mich! Ich will nichts mit Menschen zu tun haben, die mit sich selber nicht im reinen sind.
Er ist ein Ausbund von Reinheit. Die Welt hat ihm keinerlei Genuß mehr zu bieten, wenn er nicht wieder von unten anfängt.
Du verstehst mich wohl nicht recht. Ich kann sein Vertrauen augenblicklich nicht entbehren und will mich deshalb seiner Mißbilligung nicht aussetzen. Wenn er dich nicht kennenlernt, um so besser für mich, dann habe ich keine Vorwürfe von ihm zu fürchten.
Du sagtest vor einer Minute noch, daß du jeden Sterblichen nach seinen Talenten verwertest. Und daß ich Talent zur Dirne habe, das wird doch wohl niemand in Zweifel ziehen.
Anna – ich fahre morgen nach Paris, nicht um den Börsenmarkt zu bearbeiten
Dabei habe ich in diesem Augenblick keinen anderen Gedanken in meinem Kopf, als die Konzerttoilette, die ich dir bei Saint-Hilaire anfertigen lassen werde ...
Laß ihn eintreten. Zu Anna, die Toilette markierend. Eine Silberflut von hellvioletter Seide und Pailletten von den Schultern bis auf die Knöchel, so eng geschnürt und vorn und hinten so tief ausgeschnitten, daß das Kleid nur wie ein glitzerndes Geschmeide auf deinem schlanken Körper erscheint!
Ich hätte auch den Mut nicht gefunden, mich an Sie zu wenden, wenn ich nicht tatsächlich seit zwei Tagen beinah nichts gegessen hätte.
Ich habe mein Leben daran vergeudet, den hohen Erwartungen, die man in mich setzte, gerecht zu werden.
Vielleicht finden Sie doch noch eine Strömung, die Sie aufs offene Meer hinausträgt. – Oder zittern Sie um Ihr Leben?
Kommen Sie doch heute in vierzehn Tagen zu unserer Gründungsfeier in der Briennerstraße. Da können sich Ihnen die nützlichsten Beziehungen erschließen. Gibt ihm Geld. Hier haben Sie hundert Mark. Behalten Sie so viel von dem Geld übrig, daß Sie sich für den Abend einen Gesellschaftsanzug leihen können.
Betrügen Sie sich selbst nicht! Dadurch tun Sie schon ein gutes Werk an dem nächsten armen Teufel, der zu mir kommt.
Bitte, gar keine Ursache! Nachdem er die Tür hinter ihm geschlossen, Anna in die Arme schließend. Und jetzt, meine Königin, fahren wir nach Paris!
»Die Gründung der Münchner Feenpalast-Gesellschaft versammelte gestern die Notabilitäten der fröhlichen Isarstadt zu einer äußerst animierten Gartenfeier in der Villa des Marquis von Keith in der Briennerstraße. Bis nach Mitternacht entzückte ein großartiges Feuerwerk die Bewohner der anliegenden Straßen. Wünschen wir dem unter so günstigen Auspizien begonnenen Unternehmen ...?«
Dann macht man sich über mich lustig! Der alte Casimir läßt mich schon im Stich; aber der schickt doch wenigstens ein Glückwunschtelegramm.
Ich gehöre nicht unter Menschen! Du beklagst dich, du stehest außerhalb der Gesellschaft; ich stehe außerhalb der Menschheit!
Was genieße ich denn! Der Freudentaumel, in dem ich schwelge, läßt mich zwischen mir und einem Barbiergesellen keinen Unterschied mehr erkennen. Allerdings habe ich für Rubens und Richard Wagner schwärmen gelernt. Das Unglück, das früher mein Mitleid erregte, ist mir durch seine Häßlichkeit schon beinahe unausstehlich. Um so andächtiger bewundere ich dafür die Kunstleistungen von Tänzerinnen und Akrobatinnen. – Wäre ich bei alledem aber nur um einen Schritt weiter! Meines Geldes wegen läßt man mich allenfalls für einen Menschen gelten. Sobald ich es sein möchte, stoße ich mit meiner Stirn gegen unsichtbare Mauern an!
Wenn du die Glückspilze beneidest, die aufwachsen, wo gerade Platz ist, und weggeblasen werden, sobald sich der Wind dreht, dann suche kein Mitleid bei mir! Die Welt ist eine verdammt schlaue Bestie, und es ist nicht leicht, sie unterzukriegen. Ist dir das aber einmal gelungen, dann bist du gegen jedes Unglück gefeit.
Wenn dir solche Phrasen zur Genugtuung gereichen, dann habe ich auch in der Tat nichts bei dir zu suchen.
Das sind keine Phrasen! Mir kann heute kein Unglück mehr etwas anhaben. Dazu kennen wir uns zu gut, ich und das Unglück. Ein Unglück ist für mich eine günstige Gelegenheit wie jede andere. Unglück kann jeder Esel haben; die Kunst besteht darin, daß man es richtig auszubeuten versteht!
Du hängst an der Welt wie eine Dirne an ihrem Zuhälter.
Dann sei doch in des Dreiteufels Namen mit deiner himmlischen Laufbahn zufrieden! Hast du erst einmal dieses Fegefeuer irdischer Laster und Freuden hinter dir, dann blickst du auf mich elenden armseligen Sünder wie ein Kirchenvater herab!
Wäre ich nur erst im Besitz meiner angeborenen Menschenrechte! Lieber mich wie ein wildes Tier in die Einöden verkriechen als Schritt für Schritt meiner Existenz wegen um Verzeihung bitten müssen! – – Ich kann nicht hierbleiben. – Ich begegnete gestern der Gräfin Werdenfels. – Wodurch ich sie gekränkt habe, das ist mir einfach unverständlich. Vermutlich verfiel ich unwillkürlich in einen Ton, wie ich ihn mir im Verkehr mit unserer Simba angewöhnt habe.
Ich habe von Frauen schon mehr Ohrfeigen bekommen, als ich Haare auf dem Kopfe habe! Hinter meinem Rücken hat sich aber deswegen noch keine über mich lustig gemacht!
Ich bin ein Mensch ohne Erziehung! – und das gegenüber einer Frau, der ich die allergrößte Ehrerbietung entgegenbringe!
Wem wie dir von Jugend auf jeder Schritt zu einem seelischen Konflikt auswächst, der beherrscht seine Zeit und regiert die Welt, wenn wir andern längst von den Würmern gefressen sind!
Und dann die kleine Simba, die heute abend hier bei dir als Aufwärterin figuriert! – Solch einer heikeln Situation wäre der gewandteste Diplomat nicht gewachsen!
Ich fürchte nicht, daß mir Simba zu nahetritt; ich fürchte Simba zu kränken, wenn ich sie hier ohne die geringste Veranlassung übersehe.
Wie solltest du denn Simba damit kränken! Simba versteht sich hundertmal besser auf Standesunterschiede als du.
Auf Standesunterschiede habe ich mich gründlich verstehen gelernt! Das sind weiß Gott diejenigen Fesseln,
Glaubst du vielleicht, ich habe mit keinerlei Ohnmacht zu kämpfen?! Ob mein Benehmen so korrekt wie der Lauf der Planeten ist, ob ich mich in die ausgesuchteste Eleganz kleide, das ändert diese Plebejerhand so wenig, wie es aus einem Dummkopf je eine Kapazität macht! Bei meinen Geistesgaben hätte ich mich ohne diese Hände auch längst eines besseren Rufes in der Gesellschaft zu erfreuen. – Komm, es ist sicherer, wenn du deinen Paletot im Nebenzimmer ablegst!
Keine über fünfundzwanzig, vollendete Schönheiten, uralter nordischer Adel, und so hypermodern in ihren Grundsätzen, daß ich mir wie ein altes Radschloßgewehr erscheine.
Wenn du nachher das Feuerwerk abbrennst, Sascha, dann nimm dich ja vor dem großen Mörser in acht! Der ist mit der ganzen Hölle geladen!
Was soll ich denn mit der ausgepreßten Zitrone. Sie haben ihn ja schon bis aufs Hemd ausgeraubt. Er muß drei Tage warten, bis er mir einen Pfennig bezahlen kann.
Meine Damen und Herren! Die Feier des heutigen Abends bedeutet für München den Beginn einer alles Vergangene überstrahlenden Ära. Wir schaffen eine Kunststätte, in der alle Kunstgattungen der Welt ihr gastliches Heim finden sollen. Wenn unser Unternehmen allgemeine Überraschung hervorgerufen, so seien Sie der Tatsache eingedenk, daß stets nur das wahrhaft Überraschende von großen Erfolgen gekrönt war. Ich leere mein Glas zu Ehren des Lebenselementes, das München zur Kunststadt weiht, zu Ehren des Münchner Bürgertums und seiner schönen Frauen.
Simba! Bist du denn mit Blindheit geschlagen?! Bemerkst du denn nicht, Simba, daß dein Genußmensch auf dem besten Wege ist, dir aus dem Garn zu gehen und sich von dieser Gräfin aus der Perusastraße einfangen zu lassen?!
Ich werde mich unter die Karyatiden setzen! – Simba! Willst du denn das ganze schöne Geld, das dein Genußmensch in der Tasche hat, diesem wahnsinnigen Marquis von Keith in den Rachen jagen?!
Die Karyatiden brauchen keinen Käse mehr! Die sollen sich endlich den Mund wischen! Setzt die Käseglocke auf den Tisch und nimmt Simba auf die Knie. Simba! Hast du denn gar kein Herz mehr für mich?! Soll ich mir von dem Marquis die Zwanzigmarkstücke unter Heulen und Zähneklappern erbetteln, während du die Tausendmarkscheine frisch aus der Quelle schöpfen kannst?!
I dank schön! Es hat mi fein noch koa Mensch auf dera Welt äso sekiert as wie der Genußmensch mit seim Mitg'fühl, seim damische! Mir will der Mensch einreden, daß ich a Märtyrerin der Zivilisation bin! Hast scho so was g'hört?! Ich und a Märtyrerin der Zivilisation! Ich hab ihm g'sagt: Sag du das dena Damen in der G'sellschaft, hab i g'sagt. Die freut's, wann's heißt, sie san Märtyrerinnen der Zivilisation, weil's sunst eh nix san! Wann ich an Schampus trink und mich amüsier, so viel ich Lust hab, nachher bin ich a Märtyrerin der Zivilisation!
Simba! Wenn ich ein Weib von deinen Qualitäten wäre, der Genußmensch müßte mir jeden feuchten Blick mit einer Ahnenburg aufwiegen!
Akkurat a solche Sprüch macht er a! Warum as er a Mann ist, fragt er mi. Als gäb's net schon G'spenster gnua auf dera Welt! Frag i denn an Menschen, warum daß ich a Madel bin?!
Du fragst auch nichts danach, uns wegen deiner verwünschten Vorurteile fünfzig Millionen aus dem Netz gehen zu lassen!
Mei, die traurigen Millionen! An oanzigs Mal, seit ich den Genußmenschen kenn, hab ich ihn lachen g'sehn. I hab ihm doch g'sagt, dem Genußmenschen, daß er muaß Radfahren lernen. Nachher hat er's g'lernt. Mir
I dank schön! Sozialdemokratin hätt i können werden. Weltverbesserung, Menschheitsbeglückung, das san so dem seine Spezialitäten. Noa, woaßt, ich bin fein net für die Sozialdemokraten. Die san mir z'moralisch! Wann die amal z'regieren anfangen, nachher da is aus mit die Champagnersoupers. – Sag du, hast mei Schatz net g'sehn?
Da könnt a jeder kommen! – Woast, i muaß fein Obacht geben, daß er koan Schwips kriagt, sunst engagiert ihm der Marquis net für den neuen Feenpalast.
Die Gräber tun sich auf! Sommersberg! Und Sie schämen sich nicht, von den Toten aufzuerstehen, um Sekretär dieses Feenpalastes zu werden?!
Geh, sei stad, Schatzerl! – Kommt er und fragt mi, wo mer a Geld kriagt. – Geh halt zum Marquis von Keith, sag i; wann der koans hat, nachher findst in der ganzen Münchner Stadt koan Pfenning net.
Laß mir du das Buberl in Ruh'! – Ihr beid' wärt's froh: wann's mitsamt aso guat g'stellt wart as wie der!
Jetzt geh i das Feuerwerk im Garten abbrennen. Wann i den großen Mörser anzünd', na werden's aber schaun! Der Herr Marquis sagt, der is mit der ganzen Höll' g'laden. –
Sein Herr fürchtet, er könnte mit in die Luft fliegen, wenn er seinen Mörser mit dem Feuerwerk drinnen selbst abbrennt! – Das Glück weiß sehr wohl, warum es den nicht aufsitzen läßt! – Sobald er im Sattel sitzt, hetzt er das Tier zuschanden, daß ihm keine Faser mehr auf den Rippen bleibt! – Da sich die Mitteltür öffnet und die Gäste den Speisesaal verlassen. Kommen Sie, Sommersberg! Jetzt lassen wir uns von unserer Simba ein lukullisches Mahl auftischen!
An Ihnen könnten sich fein unsere hochadeligen Herren von der königlichen Equitation a Muster nehmen!
's ist immerhin schön vom alten Casimir, wissen's, daß er a Glückwunschtelegramm g'schickt hat. Aber schaun's, verehrter Freund, der alte Casimir, das is halt an vorsichtiger Mann!
Macht nichts! Macht nichts! Bei der ersten Generalversammlung haben wir den alten Casimir in unserer Mitte. – Wollen die Herren eine Tasse Kaffee trinken?
Ich schwöre Ihnen, meine Göttinnen, daß wir ohne Sie den Feenpalast nicht eröffnen werden! – Was ist denn mit Ihnen, Zamrjaki? Sie sind ja totenbleich ...
Arbeite ich Tag und Nacht an Symphonie meiniges. – Von Keith beiseite nehmend. Erlauben, Herr Marquis, daß ich bitte, möchten geben Vorschuß zwanzig
Mit dem allergrößten Vergnügen. Gibt ihm Geld. Können Sie uns aus Ihrer neuen Symphonie nächstens nicht etwas in einem meiner Feenpalastkonzerte vorspielen?
Tod und Teufel, Kinder, bleibt von dem großen Mörser weg! Der ist mit meinen prachtvollsten Raketen geladen!
Ich wüßte nichts in der Welt, was ich Ihnen jemals hätte übelnehmen können. Sollte Ihnen die Taktlosigkeit, von der Sie sprechen, nicht vielleicht mit irgendeiner anderen Dame begegnet sein?
Das ist völlig ausgeschlossen. Aber sehen Sie, ich bin ja so glücklich wie ein Mensch, der von frühester Kindheit auf im Kerker gelegen hat und der nun zum erstenmal in seinem Leben freie Luft atmet. Deshalb mißtraue ich mir auch noch bei jedem Schritt, den ich wage; so ängstlich zittre ich um mein Glück.
Ich kann es mir sehr verlockend vorstellen, sein Leben im Dunkeln und mit geschlossenen Augen zu genießen!
Sehen Sie, Frau Gräfin, wenn es mir gelingt, mein Dasein für irgendeine gemeinnützige Bestrebung einzusetzen, dann werde ich meinem Schöpfer nicht genug dafür danken können.
Meine Ausbildung zum Genußmenschen ist für mich nur Mittel zum Zweck. Ich gebe Ihnen meine heiligste Versicherung darauf! Halten Sie mich deswegen nicht etwa für einen Heuchler! – Ach, es gibt ja noch so viel Gutes zu erkämpfen in dieser Welt! Ich finde schon meinen Platz. Je dichter es Schläge regnet, um so teurer wird mir meine Haut sein, die mir bis jetzt so unsagbar lästig war. Und der einen Tatsache bin ich mir vollkommen sicher: Sollte es mir jemals gelingen, mich um meine Mitmenschen verdient zu machen, mir werde ich das nie und nimmer zum Verdienst anrechnen! Führe mein Weg mich aufwärts oder führe er mich abwärts, ich gehorche nur dem grausamen unerbittlichen Selbsterhaltungstrieb!
Vielleicht erging es allen berühmten Menschen so, daß sie nur deshalb berühmte Menschen wurden, weil ihnen der Verkehr mit uns gewöhnlicher Dutzendware auf die Nerven fiel!
Sie mißverstehen mich noch immer, Frau Gräfin. – Sobald ich meinen Wirkungskreis gefunden habe, werde ich der bescheidenste, dankbarste Gesellschafter sein. Ich habe hier in München schon damit angefangen, Rad zu fahren. Mir war dabei zumut, als hätte ich die Welt seit meinen frühesten Kindertagen nicht mehr gesehen. Jeder Baum, jedes Wasser, die Berge, der Himmel, alles wie eine große Offenbarung, die ich in einem andern Leben einmal vorausgeahnt hatte. – Darf ich Sie vielleicht einmal zu einer Radpartie abholen?
Morgen früh um sieben! Ich sehe mein Leben wie eine endlose Frühlingslandschaft vor mir ausgebreitet!
Hu, ist das kalt! – Martha, wir müssen nachher unsere Tücher mitnehmen. Spielen Sie uns einen Cancan, Zamrjaki! – Zu Scholz. Tanzen Sie Cancan?
Damit meine Raketen mehr Eindruck machen! – Öffnet die Tür zum Spielzimmer. Darf ich bitten, meine Damen und Herren ...
Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß noch im Laufe der nächsten Woche das erste unserer großen Feenpalastkonzerte stattfinden wird, die schon jetzt im Münchner Publikum für unsere Sache Propaganda machen sollen. Frau Gräfin Werdenfels wird uns darin mit einigen Liedern allermodernster Vertonung bekannt machen, während Herr Kapellmeister Zamrjaki einige Bruchstücke aus seiner symphonischen Dichtung »Die Weisheit des Brahmanen« eigenhändig dirigieren wird.
Wenn du darauf warten willst, daß dich deine Lehrerin für die Öffentlichkeit reif erklärt, dann kannst du, ohne je gesungen zu haben, alt und grau werden. – Wirft sich in einen Sessel. Endlich, endlich hat das halsbrecherische Seiltanzen ein Ende! Zehn Jahre mußte ich meine Kräfte damit vergeuden, um nur das Gleichgewicht nicht zu verlieren. – Von heute ab geht es aufwärts!
Woher soll ich denn die Unverfrorenheit nehmen, mit meiner Singerei vor das Münchner Publikum zu treten?!
Ich habe in meinem Leben nicht tausend Entbehrungen auf mich genommen, um mich nach andern Menschen zu richten. Wem deine Singerei nicht gefällt, der berauscht sich an deiner brillanten Pariser Konzerttoilette.
Du siehst und hörst Phantasiegebilde, sobald du mich vor Augen hast. Du überschätzest meine Erscheinung geradeso, wie du meine Kunst überschätzest.
Ich stand noch kaum je im Verdacht, Frauen zu überschätzen, aber dich erkannte ich allerdings
Wenn du aus Liebe zu mir den Verstand verlierst, ist das für mich ein Grund, den Spott von ganz München auf mich zu laden?
Das sagt jede! Ergib dich in dein unabwendbares Glück. Die nötige Unbefangenheit für dein erstes Auftreten werde ich dir schon einflößen – und wenn ich dich mit dem geladenen Revolver vor mir hertreiben muß!
Setz dein Vertrauen getrost in die Tatsache, daß ich ein Mensch bin, der das Leben verteufelt ernst nimmt! Wenn ich mich gern in Champagner bade, so kann ich dafür auch wie kein anderer Mensch auf jeden Lebensgenuß verzichten. Keine drei Tage ist mir aber mein Dasein erträglich, ohne daß ich derweil meinen Zielen um einen Schritt näher komme!
Glaubst du denn, Anna, ich veranstaltete das Feenpalastkonzert, wenn ich nicht die unverbrüchliche Gewißheit hätte, daß es dir den glänzendsten Triumph einträgt?! – Laß dir eines sagen: Ich bin ein gläubiger Mensch ...
... Ich glaube an nichts so zuversichtlich, wie daran, daß sich unsere Mühen und Aufopferungen in dieser Welt belohnen!
Die schenkst du mir, Anna – Kinder mit meinem Verstand, mit strotzend gesundem Körper und aristokratischen Händen. Dafür baue ich dir ein königliches Heim, wie es einer Frau deines Schlages zukommt! Und ich gebe dir einen Gatten zur Seite, der die Allmacht hat, dir jeden Wunsch, der aus deinen großen schwarzen Augen spricht, zu erfüllen! Er küßt sie inbrünstig.
– – Geh in den Garten. Die Karyatiden lechzen jetzt danach, vor unserem Götterbilde die Knie beugen zu dürfen!
Ich schreibe nur rasch noch eine Zeitungsnotiz über unser Konzert. Die Notiz muß morgen früh in den Zeitungen stehen. Ich gratuliere dir darin schon im voraus zu deinem eminenten Triumph.
Solang du willst, mein Kind; du störst mich durchaus nicht. Ich sagte dir doch, du werdest es allein zu Hause nicht aushalten.
Ich flehe zum Himmel, daß ein furchtbares Unglück über uns hereinbricht! Das ist das einzige, was uns noch retten kann!
Die Gesellschaft in diesen Räumen ist das Geschäft, von dem wir beide leben! Aber das ist dir unerträglich, daß ich mit meinen Gedanken hier bin und nicht bei dir.
Kann dich das wundern?! – Sieh, wenn du unter diesen Leuten bist, dann bist du ein ganz anderer Mensch; dann bist du jemand, den ich nie gekannt habe, den ich nie geliebt habe, dem ich nie in meinem Leben einen Schritt nachgegangen wäre, geschweige denn, daß ich ihm Heim, Familie, Glück und alles geopfert hätte. – Du bist so gut, so groß, so lieb! – Aber unter diesen Menschen – da bist du für mich – schlimmer als tot!
Geh nach Haus und mach ein wenig Toilette; Sascha begleitet dich. Du darfst heute abend nicht allein sein.
Mir ist es gerade danach zumut, mich aufzudonnern. Dein Treiben ängstigt mich ja, als müßte morgen die Welt untergehen. Ich habe das Gefühl, als müßte ich irgend etwas tun, sei es was es sei, um das Entsetzliche von uns abzuwenden.
Ich beziehe seit gestern ein Jahresgehalt von hunderttausend Mark. Du brauchst nicht mehr zu fürchten, daß wir Hungers sterben müssen.
Spotte nicht so! Du versündigst dich an mir! Ich bringe es ja gar nicht über die Lippen, was ich fürchte!
Komm mit mir! Komm mit aus dieser Mördergrube, wo es alle nur darauf abgesehen haben, dich zugrunde zu richten. Ich habe den Leuten gegenüber auf dich geschimpft, das ist wahr; aber ich tat es, weil ich deine kindische Verblendung nicht mehr mit ansehen konnte. Du bist ja so dumm. Du bist so dumm wie die Nacht! Ja, das bist du! Von den gemeinsten niedrigsten Gaunern läßt du dich übertölpeln und dir geduldig den Hals abschneiden!
Ja, wenn du es wenigstens wüßtest! – Aber die hüten sich wohl, dir die Augen zu öffnen. Diese Menschen schmeicheln dir, du seist weiß Gott welch ein Wunder an Pfiffigkeit und an Diplomatie! Weil deine Eitelkeit auf nichts Höheres ausgeht, als das zu sein! Und dabei legen sie dir gemächlich kaltblütig den Strick um den Hals!
Das war der große Mörser. – – Du mußt dich beruhigen! – Komm, trink ein paar Gläser Champagner; dann sehen wir uns zusammen das Feuerwerk an ...
Mich brennt das Feuerwerk seit vierzehn Tagen in meinen Eingeweiden! – Du warst in Paris! – Mit wem warst du in Paris! – Ich schwöre dir hoch und heilig, ich will nie um dich gezittert haben, ich will nie etwas gelitten haben, wenn du jetzt mit mir kommst!
Du bleibst hier; was fällt dir ein! – Trockne deine Tränen! Es kommt jemand aus dem Garten herauf ...
– Du Lieber! – Du Großer! – Du Guter! – Sie macht sich los, lächelnd. Ich wollte dich nur gerade heute einmal in der Gesellschaft sehen. Du weißt ja, ich bin zuweilen so ein wenig ...
Erschrick bitte nicht! – Lösch das Licht aus, damit man mich von draußen nicht sieht. Es hat niemand aus deiner Gesellschaft etwas davon gemerkt. Er schleppt sie zu einem Sessel, in den er sich niederläßt.
Lösch nur erst das Licht aus. – Es hat gar nichts auf sich. Der große Mörser ist explodiert! Ein Stück davon hat mich an die Kniescheibe getroffen!
Die Schmerzen beginnen ja schon nachzulassen. – Glaub mir, ich bin ja das glücklichste Geschöpf unter Gottes Sonne! Zu der Radpartie mit der Gräfin Werdenfels werde ich mich morgen früh allerdings nicht einfinden können. Aber was macht das! Jubelnd. Ich habe die bösen Geister niedergekämpft; das Glück liegt vor mir; ich gehöre dem Leben! Von heute an bin ich ein anderer Mensch ...
Zehn Jahre lang hielt ich mich für einen Geächteten! Für einen Ausgestoßenen! Wenn ich jetzt denke, daß das alles nur Einbildung war! Alles nur Einbildung! Nichts als Einbildung!
Ihnen, mein junger Freund, danke ich für die schönen Verse, die Sie gestern abend nach unserem ersten Feenpalastkonzert noch auf mich gedichtet haben. Ich danke Ihnen auch für Ihre herrlichen Blumen. – Zu Raspe. Von Ihnen, mein Herr, finde ich es aber höchst sonderbar, daß Sie mir gerade am heutigen Morgen diese bedenklichen Gerüchte über Ihren Freund und Wohltäter hinterbringen.
Der Marquis von Keith ist weder mein Freund noch mein Wohltäter. Vor zwei Jahren bat ich ihn, in meinem Prozeß als psychiatrischer Experte über mich auszusagen. Er hätte mir anderthalb Jahre Gefängnis ersparen können. Statt dessen brennt der Windhund mit einem fünfzehnjährigen Backfisch nach Amerika durch!
Gestatten Sie mir, meine Gnädigste, Ihnen zu Ihrem gestrigen Triumph aufrichtig zu gratulieren. Ihr erstmaliges Auftreten hat Ihnen ganz München im Sturm erobert; Sie können aber auf keinen Ihrer Zuhörer einen nachhaltigeren Eindruck gemacht haben als wie auf mich.
Wäre das auch der Fall, so müßte es mich doch ungemein überraschen, daß Sie mir das persönlich mitteilen.
Deswegen bin ich hier, damit wir uns darüber verständigen können. Erlauben Sie mir, Ihnen von vornherein zu erklären, daß Sie auf die verlockende künstlerische Zukunft, die sich Ihnen gestern abend erschlossen, natürlich verzichten müßten.
In meinen Jahren, meine Gnädigste, tut man keinen unüberlegten Schritt. Später ja – oder früher. Wollen Sie mich wissen lassen, was sich bei Ihnen sonst noch für Bedenken geltend machen.
Gewiß weiß ich das. Ich spreche aber für den naheliegenden Fall, daß Sie in vollkommenster Freiheit über sich und Ihre Zukunft entscheiden dürfen.
Ich kann mir in diesem Augenblick die Möglichkeit gar nicht vorstellen, daß ein solcher Fall eintritt.
Ich bin heute der angesehenste Mann Münchens, sehen Sie, und kann morgen hinter Schloß und Riegel sitzen. Ich verdenke es meinem besten Freunde nicht, wenn er sich gelegentlich fragt, wie er sich bei einem solchen Schicksalsschlag mit mir stellen soll.
Meiner Gattin gewiß; meiner Geliebten niemals. Ich möchte jetzt auch gar keine Antwort von Ihnen hören. Ich spreche nur für den Fall, daß Sie im Stich gelassen werden oder daß sich Tatsachen ergeben, die jede Verbindlichkeit lösen; kurz und gut, daß Sie nicht wissen, wo aus noch ein.
Das muß Ihnen allerdings beinahe verrückt erscheinen; das gereicht Ihrer Bescheidenheit zur Ehre. Aber darüber ist man nur sich selbst Rechenschaft schuldig. Ich habe, wie Sie vielleicht wissen, noch zwei kleine Kinder zu Hause, Mädchen im Alter von drei und sechs Jahren. Dann kommen, wie Sie sich wohl denken können, noch andere Gründe hinzu ... Was Sie betrifft, daß Sie mich in meinen Erwartungen nicht enttäuschen werden, dafür übernehme ich jede Verantwortung – auch Ihnen gegenüber.
Aber nach einem Erfolg wie gestern abend! – Es schien, als wäre ein ganz neuer Geist über das Münchner Publikum gekommen.
Glauben Sie mir, daß ich den Begründer des Feenpalastes aufrichtig um seinen feinen Spürsinn beneide. Übrigens muß ich Ihnen mein Kompliment noch ganz speziell zur Wahl Ihrer gestrigen Konzerttoilette aussprechen. Sie entfalten eine so vornehme Sicherheit darin, Ihre Figur wirkungsvoll zur Geltung zu bringen, daß es mir – ich gesteh es – kaum möglich wurde, Ihrem Gesangsvortrag mit der ihm gebührenden Aufmerksamkeit zu folgen.
Glauben Sie bitte nicht, daß ich den Applaus, den meine künstlerischen Leistungen ernteten, irgendwie überschätze.
Das würde ich Ihnen durchaus nicht verdenken; aber Ihre Lehrerin sagt mir, daß ein Erfolg wie der Ihrige von gestern abend schon viele Menschen ins Unglück gestürzt hat. Dann vergessen Sie bitte eines nicht: Was wäre die gefeiertste Sängerin auf der Bühne, wenn es der reiche Mann nicht für seine moralische Pflicht hielte, sie sich à fond perdu anzuhören. Mag die Gage in einzelnen Fällen noch so glänzend sein, in Wirklichkeit bleiben es doch immer nur Almosen, von denen diese Leute leben.
Bis auf die unglückliche Symphonie dieses Herrn Zamrjaki. Übrigens zweifle ich gar nicht daran, daß wir mit der Zeit auch dazu kommen werden, den Lärm, den dieser Herr Zamrjaki verursacht, als eine göttliche Kunstoffenbarung zu verehren. Lassen wir also der Welt ihren Lauf, hoffen wir das Beste und seien wir auf das Schlimmste gefaßt. – Gestatten, gnädige Frau, daß ich mich empfehle. Ab.
Die Blumen sind von ihm? – Ich scheine das also geerbt zu haben. – Nur läßt er es sich nicht so viel kosten wie ich.
Es ist gewiß schön von Ihnen, wenn Sie ein Herz für unglückliche Menschen haben; aber Sie dürfen sich nicht mit ihnen an den gleichen Tisch setzen. Das Unglück steckt an.
Ich gehe nach London – und wenn ich mir das Geld dazu stehlen muß. Mein Vater soll sich nicht mehr über mich zu beklagen haben.
Ich fand noch gar keine Gelegenheit, mein liebes Kind, dir für dein taktvolles, feinfühliges Benehmen neulich Abend an dem Gartenfest zu danken.
Sie ist bei ihren Eltern in Bückeburg. Du warst während des Banketts gestern abend ja plötzlich verschwunden?
Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich dir von meinem Überschuß an Pflichtgefühl etwas abtreten könnte.
Gott bewahre mich davor! Ich habe jetzt die erdenklichste Elastizität nötig, um die Er folge in ihrer ganzen Tragweite auszubeuten.
Ich danke es dir, daß ich dem Leben
Das ist für mich nur ein Grund mehr zu rückhaltloser Aufrichtigkeit. Ich habe durch meinen übertriebenen Pflichteifer den Tod von zwanzig Menschen verschuldet; aber du benimmst dich, als habe man seinen Mitmenschen gegenüber über
haupt keine Pflichten. Du gefällst dir geradezu darin, mit dem Leben anderer zu spielen!
Das ist dein persönliches Glück! Dir fehlt aber das Bewußtsein, daß andere ganz die nämlichen Ansprüche auf den Genuß ihres Lebens haben wie du. Das, worin die Menschheit ihre höchsten Errungenschaften erblickt, was man mit Fug und Recht als Sittlichkeit bezeichnet, dafür hast du nicht das geringste Verständnis.
Du bleibst dir treu. – Du kommst nach München mit dem ausgesprochenen Vorsatz, dich zum Genußmenschen auszubilden, und bildest dich aus Versehen zum Sittenprediger aus.
Ich bin durch das buntscheckige Treiben Münchens zu einer bescheidenen, aber jedenfalls um so zuverlässigeren Selbstabschätzung gelangt. Ich habe in diesen vierzehn Tagen so gewaltige innere Wandlungen durchgemacht, daß ich, wenn du mich anhören willst, allerdings auch als Sittenprediger reden kann.
Ich glaube nicht an dein Glück! Ich bin so namenlos glücklich, daß ich die ganze Welt umarmen möchte, und wünsche dir aufrichtig und ehrlich dasselbe. Dazu gelangst du aber nie, solang du noch über die höchsten Werte des Lebens in deiner knabenhaften Weise spottest. Ich wußte, bis ich nach München kam, die Beziehungen zwischen Mann und Weib allerdings nur ihrer
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Die Dinge liegen ganz anders. Ich verdanke den letzten vierzehn Tagen meine materielle Freiheit und gelange infolgedessen endlich zum Genuß meines Lebens. Und du verdankst den letzten vierzehn Tagen deine gei
stige Freiheit und bist infolgedessen endlich zum Genuß deines Lebens gelangt.
Nur mit dem Unterschied, daß es mir bei all den Genüssen darum zu tun ist, ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden.
Ich brauche keine Existenzberechtigung! Ich habe niemanden um meine Existenz gebeten und entnehme daraus die Berechtigung, meine Existenz nach meinem Kopfe zu existieren.
Dabei gibst du deine Frau, die drei Jahre alle Gefahren und Entbehrungen mit dir getragen hat, mit der größten Seelenruhe dem Elend preis!
Was soll ich denn tun! Meine Ausgaben sind so horrend, daß ich für meinen eigenen Gebrauch nicht einen Pfennig übrig habe. Mit der ersten Rate meines Gehaltes habe ich meinen Anteil am Gründungskapital eingezahlt. Ich dachte einen Augenblick daran, das Geld anzugreifen, das mir zur Bestreitung der Vorarbeiten zur Verfügung steht. Aber das kann ich nicht. – Oder wolltest du mir dazu raten?
Ich kann dir eventuell schon noch zehn- oder zwanzigtausend Mark überlassen, wenn du dir nicht anders
Ich brauche es jetzt nicht. Die übrigen zehntausend Mark muß ich mir aber erst durch meinen Bankier aus Breslau schicken lassen.
Ich konnte mir die Freude nicht versagen, gnädige Frau, Sie am ersten Morgen Ihrer vielversprechenden künstlerischen Laufbahn von ganzem Herzen zu beglückwünschen.
Ich danke Ihnen. Gestern abend vergaß ich in meiner Aufregung vollkommen, Sie danach zu fragen, wie es Ihnen denn eigentlich mit Ihren Verletzungen ergangen ist.
Die sind weiß Gott nicht der Rede wert. Mein Arzt sagt, ich könne in acht Tagen, wenn ich Lust dazu habe, auf die Zugspitze klettern. Ein Schmerz war mir gestern abend allerdings das schallende Hohngelächter, das der Herr Kapellmeister Zamrjaki mit seiner Symphonie hervorrief.
Ich kann nicht mehr tun, als den Menschen Gelegenheit geben, ihr Können zu zeigen. Wer seinen Mann nicht stellt, der bleibt am Wege. Ich finde in München Kapellmeister genug.
Sagtest du denn nicht selbst von ihm, er sei das größte musikalische Genie, das seit Richard Wagner lebt?
Ich werde doch meinen eigenen Gaul nicht Schindmähre nennen! Ich muß in jeder Sekunde für die Richtigkeit meiner Berechnungen einstehen. Sich erhebend. Ich war eben mit den Karyatiden auf dem Magistrat. Es handelte sich um die Frage, ob der Bau des Feenpalastes
Gnädige Frau haben jetzt vermutlich mit Ihrem glücklichen Impresario weltumfassende geschäftliche Pläne zu erörtern.
Sie ist bei ihren Eltern in Bückeburg. Sie schwelgt in einem Ozean kleinbürgerlicher Sentimentalität.
Zum zweitenmal werden wir uns nicht wieder so von ihr in Schrecken jagen lassen! Übrigens hatte sie wirklich nötig, dir zu beweisen, wie völlig entbehrlich sie dir ist!
Dir ist die gewaltige Liebesleidenschaft Gott sei Dank ein Buch mit sieben Siegeln. Ist das nicht befähigt, einen zu beglücken, dann will es einem wenigstens das Haus über dem Kopf in Brand stecken!
Du dürftest einem trotzdem etwas mehr Vertrauen zu deinen geschäftlichen Unternehmungen einflößen! Ein Vergnügen ist es gerade nicht, Tag und Nacht wie auf einem Vulkan zu sitzen!
Wie komme ich denn gerade heute dazu, mir von allen Seiten moralische Vorlesungen halten lassen zu müssen?!
Weil dein Treiben den Anschein hat, als müßtest du dich ununterbrochen betäuben! Du kennst keine Ruhe. Ich finde, sobald man im Zweifel ist, ob man dieses oder jenes tun soll, dann tut man am besten gar nichts. Dadurch allein, daß man etwas tut, setzt man sich immer schon allen erdenklichen Unannehmlichkeiten aus. Ich tue so wenig als irgendwie möglich und hatte meiner
Ich bin kugelfest. Ich habe noch zwei spanische Kugeln von Kuba her in den Gliedern. Außerdem besitze ich die unverbrüchlichste Garantie für mein Glück.
Allerdings zu hoch für den menschlichen Herdenverstand! – Zwanzig Jahre mögen es sein, da standen der junge Trautenau und ich in kurzen Schoßröckchen in der getünchten Dorfkirche am Altar. Mein Vater spielte die Orgel dazu. Da drückte der Dorfpfarrer jedem von uns einen Bilderbogen mit einem Bibelspruch darauf in die Hände. Ich habe seitdem kaum jemals eine Kirche mehr von innen gesehen, aber mein Konfirmationsspruch hat sich an mir bewahrheitet, daß ich oftmals des Staunens keine Grenzen fand. Und stellt sich mir heute je eine Widerwärtigkeit in den Weg, dann kommt mich immer gleich ein verächtliches Lächeln an im Hinblick auf den Spruch: – »Wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen.«
Auf die Frage hin, ob ich Gott
liebe, habe ich alle bestehenden Religionen geprüft und fand bei keiner Religion einen Unterschied zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zum eigenen Wohlergehen. Die Liebe zu Gott ist überall immer nur eine summarische symbolische Ausdrucksweise für die Liebe zur eigenen Person.
I hab' net g'wußt, darf i oder darf i net, weil der Herr Baron g'sagt haben, i soll in G'sellschaft koan Telegramm nicht überbringen.
Ist denn das meine Schuld, daß sie nicht in Bückeburg ist?! – Eben setzt man den Fuß auf den grünen Zweig, da hat man den Hals in der Schlinge! –
»... Molly nicht bei uns. Bitte umgehend Drahtnachricht, ob Sie Lebenszeichen von Molly haben. In entsetzlicher Angst ...«
Ich hoffte noch einige Tage auf Ihren Bescheid warten zu können. Meine Empfindungen, Frau Gräfin, tun mir einfach Gewalt an! Damit Sie nicht im Zweifel darüber sind, daß ich mit meinen Anerbietungen nur Ihr Glück erstrebe, erlauben Sie mir, Ihnen zu gestehen, daß ich Sie in – in ganz unsagbarer Weise liebe.
Bis Sie als Künstlerin die Früchte einer unbestrittenen Anerkennung ernten, wird sich Ihnen noch manches Hindernis in den Weg stellen ...
Sie wollen nicht mehr singen? Wie mancher unglückliche Künstler gäbe sein halbes Leben darum, wenn er Ihre Begabung damit erkaufen könnte!
Ich habe Sie wieder, ohne zu ahnen, gekränkt. Sie hatten natürlich erwartet, ich werde Ihnen meine Hand antragen ...
Ich wollte Sie fragen, ob Sie meine Ge
liebte werden wollen. – Ich kann Sie als Gattin nicht höher verehren, als ich meine Geliebte in Ihnen ehren würde. Von jetzt an spricht er mit den rücksichtslosen, ausfallenden Gebärden eines Verrückten. Sei es der Gattin, sei es der Geliebten, ich biete Ihnen mein Leben, ich biete Ihnen alles, was ich besitze. Sie wissen, daß ich mich nur mit der größten Selbstüberwindung in die sittlichen Anschauungen fand, die hier in München maßgebend sind. Wenn mein Lebensglück an dem Siege zerschellen sollte, den ich nur über mich errungen habe, um an dem Lebensglück meiner Mitmenschen teilnehmen zu können, das wäre ein him
melschreiendes Narrenspiel!
Ich glaubte, Ihnen wäre es nur darum zu tun, ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden!
Ich träumte von Weltbeglückung wie der Gefangene hinter Kerkergittern von Gletscherfirnen träumt! Jetzt erhoffe ich nur eines noch, daß ich die Frau, die ich in so ganz unsagbarer Weise liebe, so glücklich machen kann, daß sie ihre Wahl nie bereut.
Das ist nicht meine Schuld. Ihr Freund hatte Sie mir als einen Philosophen geschildert, der sich um die Wirklichkeit überhaupt nicht kümmert.
Mir hat nur die Wirklichkeit meine Philosophie abgerungen! Ich bin keiner von denen, die ihr Leben lang über irdische Nichtigkeit schwadronieren und die der Tod, wenn sie taub und lahm sind, noch mit Fußtritten vor sich her jagen muß!
Dem Marquis von Keith hilft sein Konfirmationsspruch über jedes Mißgeschick hinweg! Er hält seinen Konfirmationsspruch für eine unfehlbare Zauberformel, vor der Polizei und Gerichtsvollzieher Reißaus nehmen!
Ich erniedrige mich nicht so tief, um an Vorbedeutungen zu glauben! Hätte dieser Glücksritter recht, dann erhielt ich bei meiner Konfirmation eine ebenso unverbrüchliche Zauberformel für mein Unglück. Mir gab unser Pastor damals den Spruch: »Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.« – Aber das kümmert mich nicht! Hätte ich auch die untrüglichsten Beweise dafür, daß ich selber nicht zu den Auserwählten gehöre, das könnte mich immer nur in meinem unerschrockenen Kampf gegen mein Geschick bestärken!
Ich schwöre Ihnen, daß ich lieber auf meine gesunde Vernunft verzichte, als daß ich mich durch diese Vernunft davon überzeugen lasse, daß gewisse Menschen ohne jedes Verschulden von Anfang an von allem Lebensglück ausgeschlossen sind!
Ich beklage mich gar nicht! Je länger die harte Schule des Unglückes währt, desto gestählter wird die geistige Widerstandsfähigkeit. Es ist ein beneidenswerter Tausch, den Menschen wie ich eingehen. Meine Seele ist unverwüst
lich!
Darin liegt meine Unwiderstehlichkeit! Je weniger Sie für mich empfinden, desto größer und mächtiger wird in mir meine Liebe zu Ihnen, desto näher sehe ich den Augenblick, wo Sie sagen: Ich kämpfte gegen dich mit allem, was mir zu Gebote stand, aber ich liebe dich!
Davor bewahrt Sie der Himmel nicht! Wenn ein Mensch von meiner Willenskraft, die sich durch kein Mißgeschick hat brechen lassen, sein ganzes Sinnen und Trachten auf einen Vorsatz konzentriert, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Er erreicht sein Ziel, oder er verliert den Verstand.
Darauf lasse ich es auch ankommen! Alles hängt davon ab, was widerstandsfähiger ist, Ihre Gefühllosigkeit oder mein Verstand. Ich rechne mit dem schlimmsten Ausgang und wende, ehe ich am Ziel bin, keinen Blick zurück; denn kann ich mir aus der Seligkeit, die mich in diesem Augenblick erfüllt, kein glückliches Leben gestalten, dann ist keine Hoffnung mehr für mich. Die Gelegenheit bietet sich nicht wieder!
Das trifft auch für mich zu! – Ruft. Kathi! – Für sich. Mir bietet sich die Gelegenheit auch nicht wieder.
Was argwöhnen Sie, gnädige Frau?! – Was argwöhnen Sie?? Sie täuschen sich, Frau Gräfin! – Sie hegen einen entsetzlichen Verdacht ...
Ich kann Sie so unmöglich verlassen! Geben Sie mir die Versicherung, daß Sie nicht an meiner geistigen Klarheit zweifeln!
Sascha! Da er keine Antwort erhält, geht er nach dem Wartezimmer; zu Hermann. Entschuldigen Sie. Ruft ins Wartezimmer. Sascha! – Kommt nach vorn; zu Hermann. Also, Sie gehen mit Einwilligung Ihres Vaters nach London. Ich kann Ihnen nach London die besten Empfehlungen mitgeben. Wirft sich auf den Diwan. In erster Linie empfehle ich Ihnen, Ihre deutsche Sentimentalität zu Hause zu lassen. Mit Sozialdemokratie und Anarchismus macht man in London keinen Effekt mehr. Lassen Sie sich noch eines sagen: Das einzig richtige Mittel, seine Mitmenschen auszunützen, besteht darin, daß man sie bei ihren guten Seiten nimmt. Darin liegt die Kunst, geliebt zu werden, die Kunst, recht zu behalten. Je ergiebiger Sie Ihre Mitmenschen übervorteilen, um so gewissenhafter müssen Sie darauf achten, daß Sie das Recht auf Ihrer Seite haben. Suchen Sie Ihren Nutzen niemals im Nachteil eines tüchti
gen Menschen, sondern immer nur im Nachteil von Schurken und Dummköpfen. Und nun übermittle ich Ihnen den Stein der Weisen; das glänzendste Geschäft in dieser Welt ist die Moral. Ich bin noch nicht so weit, das Geschäft zu machen, aber ich müßte nicht der Marquis von Keith sein, wenn ich es mir entgehen ließe.
Wünschen Sie eine von mir in der Generalversammlung abgegebene Erklärung, daß es mir heute wieder nicht gelungen ist, Ihre Geschäftsbücher zur Einsichtnahme zu erhalten?
Sie phantasieren, lieber Herr Ostermeier! – Wollen Sie mir nicht ruhig und sachlich auseinandersetzen, um was es sich handelt?
Hier, bitte, schwelgen Sie in Geschäftsbüchern! Sich nach Ostermeier umwendend. Wer hat also doch recht?
Ein gewisser Herr Raspe, Kriminalkommissär, der gestern abend in der »Americain Bar« fünf Flaschen Pommery darauf gewettet hat, daß Sie keine Geschäftsbücher führen.
Wo hätte ich seit der Gründung der Gesellschaft die nötige Zeit hernehmen sollen, um ein Büro einzurichten!
Regen Sie sich nicht auf, verehrter Freund. Wenn Sie keine Bücher besitzen, dann notieren Sie sich Ihre Ausgaben doch irgendwo. Das tut doch jeder Laufbursche.
»Eine Silberflut von hellvioletter Seide und Pailletten von den Schultern bis auf die Knöchel –« Das ist der ganze Mensch!
Wenn Sie mir jetzt, nachdem ich Erfolg auf Erfolg erzielt habe, Knüppel in den Weg werfen, dann können Sie mit aller Bestimmtheit darauf rechnen, daß Sie von Ihrem Gelde weder in dieser noch in jener Welt etwas wiedersehen!
So schlecht stehen die Feenpalastaktien nicht, verehrter Freund. Wir sehen unser Geld schon wieder. – Gehorsamer Diener!
Sie untergraben das Unternehmen durch Ihre Wühlereien! Verzeihen Sie, verehrter Herr; ich rege mich auf, weil ich mit dem Feenpalast empfinde wie ein Vater mit seinem Kind.
Dann machen Sie sich Ihres Kindes wegen nur gar keine Sorgen mehr. Der Feenpalast ist gesichert und wird gebaut.
Das wär noch schöner! Weil wir uns von Ihnen nicht länger betrügen lassen wollen, schimpfen Sie uns Betrüger!
Mein lieber Herr Ostermeier, Sie können mir als Mann von Ehre nicht zumuten, eine solche Niederträchtigkeit über mich ergehen zu lassen. Übernehmen Sie doch den geschäftlichen Teil; lassen Sie mich artistischer Leiter des Unternehmens sein. Ich gebe Inkorrektheiten in meiner
Darüber hätten wir gestern, als ich mit den anderen Herren hier war, ein Wort reden können; aber da haben Sie uns ein Loch in den Bauch geschwatzt. Ich würde Ihnen auch heut noch sagen: Versuchen wir's noch einmal – wenn Sie sich uns wenigstens als einen aufrichtigen Menschen gezeigt hätten. Hört man aber immer und immer wieder nur Unwahrheiten, dann ...
Dann sagen Sie den Herren: Ich baue den Feenpalast, so gewiß wie die Idee dazu aus meinem Hirn entsprungen ist. Bauen Sie ihn aber – sagen Sie das Ihren Herren! – dann sprenge ich den Feenpalast samt Aufsichtsrat und Aktionärversammlung – in die Luft!
Werde ich pünktlich ausrichten, Herr Nachbar! Wissen Sie, ich möcht' beileibe niemanden vor den Kopf stoßen, geschweige denn vor den ... Gehorsamer Diener!
... Hintern! Ich spüre so was. – – Zu Hermann. Lassen Sie mich jetzt nicht allein, sonst schrumpfe ich so zusammen, daß mich die Angst anpackt, es könnte nichts mehr von mir übrigbleiben. – – – Sollte das möglich sein? – – Mit Tränen in den Augen. Nach so viel Feuerwerk! – – Ich soll wieder wie ein Geächteter von Land zu Land gepeitscht werden?! – – Nein! Nein! – Ich darf mich nicht an die Wand drücken lassen!! – Es ist das letztemal in diesem Leben, daß die Welt mit all ihrer Herrlichkeit vor mir liegt! Sich hoch aufrichtend. Nein! – Ich wackle nicht nur noch nicht, ich werde ganz München durch meinen Sprung in Erstaunen setzen: Er schüttelt noch, da fall ich schon, unter Pauken und Trompeten, ihm direkt auf den Kopf, daß alles rings auseinanderstiebt, und schlage alles kurz und klein. Dann wird sich's zeigen, wer zuerst wieder auf die Beine kommt!
Das ist schon möglich. Ich erhalte seit unserem Feenpalastkonzert Tag für Tag ein halbes Dutzend Heiratsanträge.
Ich fürchte, offen gesagt, weniger, daß ihr ein Unglück zugestoßen ist, als daß mir ihr Verschwinden den Boden unter den Füßen wegzieht. Wenn das nicht von Menschlichkeit zeugt, dann sitze ich dafür seit drei Tagen Nacht für Nacht auf dem Telegrafenamt. – Mein Verbrechen an ihr besteht darin, daß sie, seit wir uns kennen, nie ein böses Wort von mir gehört hat. Sie verzehrt sich vor Sehnsucht nach ihrer kleinbürgerlichen Welt, in der man, Stirn gegen Stirn geschmiedet, sich duckt und schuftet und sich liebt! Kein freier Blick, kein freier Atemzug! Nichts als Liebe! Möglichst viel und von der gewöhnlichsten Sorte!
Ich kann getrost darauf bauen, daß sie, wenn mir das Haus über dem Kopf zusammengekracht ist, reumütig lächelnd zurückkommt und sagt: »Ich will es nicht wieder tun.« – Ihr Zweck ist erreicht; ich kann mein Bündel schnüren.
Du hast bei unserem Unternehmen bis jetzt am meisten gewonnen und wirst, so hoffe ich, noch mehr bei unserem Unternehmen gewinnen. Verlieren kannst du nichts, weil du mit keinem Einsatz dabei beteiligt bist.
Wer von Gefühlen so verächtlich denkt wie du, müßte doch über rein praktische Fragen ruhig mit sich reden lassen!
Laß meine Gefühle hier aus dem Spiel! Mich empört, daß du nicht mehr Rassestolz in dir hast, um deine Erstgeburt für ein Linsengericht zu verkaufen!
Ich kenne meine Schwächen; aber das sind Haustiere! Dem einen fehlt es im Hirn und dem andern im Rückenmark! Willst du Wechselbälge zur Welt bringen, die vor dem achten Tage nicht sehen können?! – Ich gebe dir mit Freuden, wenn es mit mir vorbei sein soll, was ich von meiner Seelenglut in dich hineingelebt, auf deine Karriere mit. Aber wenn du dich vor deinem Künstlerlos hinter einen Geldsack verschanzest, dann bist du heute schon nicht mehr wert, als das Gras, das dereinst aus dem Grabe wächst!
Weil er zu mir kam. Ich habe das doch schon öfter getan. Im schlimmsten Fall weiß der Junge, wo er etwas zu verdienen findet.
Mein Sascha! Wischt sich eine Träne aus dem Auge. Daß du auch ihn nicht vergessen hast! – – Wenn du jetzt das Zimmer verläßt, Anna, dann breche ich zusammen wie ein Ochse im Schlachthaus. – Gib mir noch eine Galgenfrist!
Nur so lange, bis ich mich deiner entwöhnt habe, Anna! – Ich bedarf meiner geistigen Klarheit jetzt mehr denn je ...
Du bist grauenhaft! – Aber das ist ja das helle Mitleid von dir! Ich soll dich wenigstens verfluchen dürfen, wenn du nicht mehr meine Geliebte bist.
Ich widerrufe meinen Glauben nicht auf der Folter! Du gehst mit dem Glück; das ist menschlich. Was du mir warst, bleibst du darum doch.
Nein, mein Kind! Deine Briefe behalte ich für mich. Sonst zweifle ich dereinst auf meinem Sterbebett, ob du nicht vielleicht nur ein Hirngespinst von mir gewesen bist. Ihr die Hand küssend. Viel Glück!
– Ah! – Ah! – Das ist der Tod! – Er stürzt zum Schreibtisch, entnimmt einem Schubfach eine Handvoll Briefe und eilt zur Tür. Anna! Anna!
Mein Vermögen ist mehr wert als du! Mein Vermögen sichert den Angehörigen meiner Familie noch auf unendliche Zeiten eine hohe, freie Machtstellung! Währenddem du nie dahin gelangst, einem Menschen irgend etwas zu nützen!
Lassen wir den Wettstreit! – Ich leiste endlich den großen Verzicht, zu dem sich so mancher einmal in diesem Leben verstehen muß.
Deine Entrüstung ist mir sehr begreiflich. – Ich habe in den letzten drei Tagen den grauenvollsten Kampf durchgekämpft, der einem Erdenwurm beschieden sein kann.
Ich verzichte nicht auf meine Menschenwürde! Du hast weder Ursache, mich zu beschimpfen noch meiner zu spotten! – Wenn jemand die Beschränkung, in die ich mich finde, gegen seinen Willen über sich verhängen lassen muß, dann mag er seiner Menschenwürde
Ich habe ihn reiflich überlegt. Es ist die letzte Pflicht, die mein Geschick mir zu erfüllen übrigläßt.
Hätte ich noch die geringste Hoffnung, jemals herauszukommen, dann ginge ich nicht hinein. Was ich mir an Entsagung aufbürden, was ich meiner Seele an Selbstüberwindung und Hoffnungsfreudigkeit entringen konnte, habe ich aufgewandt, um mein Los zu ändern. Mir bleibt, Gott sei's geklagt, keinerlei Zweifel mehr darüber, daß ich anders geartet als andere Menschen bin.
Sei es nun Gott geklagt oder Gott gedankt – dich hielt ich bis jetzt für den abgefeimtesten Spitzbuben! – Ich habe auch diese Illusion aufgegeben. Ein Spitzbube hat Glück, so wahr wie dem ehrlichen Menschen auch im unabänderlichen Mißgeschick noch sein gutes Gewissen bleibt. Du hast nicht mehr Glück als ich, und du weißt es nicht. Darin liegt die entsetzliche Gefahr, die über dir schwebt!
Du wirst zeit deines Lebens morgen kein Geld haben! – Ich wüßte dich vor den heillosen Folgen deiner Verblendung gerne in Sicherheit. Deswegen komme ich noch einmal zu dir. Ich habe die heilige Überzeugung, daß es für dich das beste ist, wenn du mich begleitest.
Wenn du mich begleitest, brauchst du kein Geld mehr. Du findest ein behaglicheres Heim, als du es vielleicht jemals gekannt hast. Wir halten uns Wagen und Pferde, wir spielen Billard ...
Gib mir die dreißigtausend Mark!! Willst du, daß ich hier vor dir einen Fußfall tue? Ich kann hier vom Platz weg verhaftet werden!
– Wenn du dich in die Irrenanstalt aufnehmen lassen willst, weil du zu Verstand gekommen bist, dann – geh hinein!
Hast du nicht in zwei Weltteilen jeden erdenklichen Bankrott gemacht, der im bürgerli
chen Leben überhaupt möglich ist?!
Wenn du es für deine moralische Pflicht hältst, die Welt von deiner überflüssigen Existenz zu befreien, dann findest du radikalere Mittel als Spazierenfahren und Billardspielen!
Man hat mir damals die Kugeln zwischen den Schultern, dicht neben dem Rückgrat, wieder herausgeschnitten. – Es ist heute wohl das letztemal in deinem Leben, daß sich dir eine rettende Hand bietet. Welch eine Art von Erlebnissen noch vor dir liegt, das weißt du jetzt.
Komm mit mir, dann bist du geborgen. Wir sind zusammen aufgewachsen; ich sehe nicht ein, warum wir nicht auch das Ende gemeinsam erwarten sollen. Die bürgerliche Gesellschaft urteilt dich als Verbrecher ab und unterwirft dich allen unmenschlichen mittelalterlichen Martern ...
Wende deiner einzigen Zuflucht nicht den Rücken! Ich weiß doch, daß du dir dein jammervolles Los ebensowenig selber gewählt hast, wie ich mir das meinige.
Komm, komm. – Du hast einen lammfrommen Gesellschafter an mir. Es wäre ein matter Lichtschimmer in meiner Lebensnacht, wenn ich meinen Jugendgespielen seinem grauenvollen Verhängnis entrissen wüßte.
– – Molly! – – Molly! – – Es ist das erstemal in meinem Leben, daß ich vor einem Weib auf den Knien wimmere! – – Plötzlich nach dem Wohnzimmer aufhorchend. Da ...! Da ...! Nachdem er die Wohnzimmertür geöffnet. ... Ach, das sind Sie?
Ich kann Sie nicht bitten, länger hierzubleiben. Mir ist – nicht ganz wohl. Ich muß erst – eine Nacht – darüber schlafen, um der Situation wieder Herr zu sein. – Reisen Sie mit ... mit ...
Da hammer den Stritzi! – Zurücksprechend. Hammer's? – Eini! Zu von Keith. Schau her, was mer g'fischt hamm! Schau her, was mer der bringen! Schau her, wann'd a Schneid hast!
Aus'm Stadtbach hammer's zogen! Unter die eisernen Gitterstangen vor! An die acht Täg' mag's drin g'legen sein im Wasser!
Und da derweil treibt sich der Lump, der dreckichte, mit seine ausg'schamte Menscher umanand! Sechs Wuchen lang hat er's Brot net zahlt! Das arme Weib laßt er bei alle Krämersleut' betteln gehn, as was z'essen kriagt! A Stoan hat's derbarmt, as wia die auf d'Letzt ausg'schaut hat!
Halt dei Fressen, du Hochstapler, du! Sunst kriagst vo mir a Watschen ins G'sicht, as nimma stehn kannst! – Schau da her! – Is sie's oder is sie's net?! – Schau her, sag i!
Was sagt der Knickebein?! – Was sagt er?! – Gibst den Revolver her?! – Hast net gnua an dera da, du Hund?! – Gibst ihn her, sag' i ...!
Polizei! – Polizei! Bemerkt Casimir und klammert sich an ihn an. Retten Sie mich, um Gottes willen! Ich werde gelyncht!
Jetzt schaut's aber, as weiter kummt, sunst lernt's mi anders kenna! – Laßt's die Frau auf dem Diwan! – Marsch, sag' i! – da hat der Zimmermann 's Loch g'macht! Seinen Sohn, der sich mit der Menge entfernen will, am Arm nach vorn ziehend. Halt, Freundrl! Du nimmst auf deine Londoner Reise noch eine schöne Lehre mit!
Ich wollte Sie auffordern, München binnen vierundzwanzig Stunden zu verlassen; jetzt glaube ich aber, es ist wirklich am besten für Sie, wenn Sie mit dem nächsten Zug reisen.
Das machen Sie mit sich selbst ab! Aber Sie haben die Fälschung meiner Namensunterschrift zu verantworten, die Sie an Ihrem Gründungsfest in der Briennerstraße in einem Glückwunschtelegramm vorgenommen haben.
Wollen Sie diese Quittung unterzeichnen. Sie bescheinigen darin, eine Summe von zehntausend Mark, die Ihnen die Frau Gräfin Werdenfels schuldete, durch mich zurückerhalten zu haben.
Als Ihr Nachfolger in der Direktion der Feenpalastgesellschaft möchte ich Sie im Interesse einer gedeihlichen Entwicklung unseres Unternehmens darum ersuchen, sich so bald nicht wieder in München blicken zu lassen!
Darauf betrachtet er unschlüssig abwechselnd den Revolver und das Geld. – Indem er den Revolver grinsend hinter sich auf den Mitteltisch legt. Das Leben ist eine Rutschbahn ...